Proletarische Wirtschaftspolitik an Schulen ruiniert maskentragende russische Windräder im Multiversum – Vermischtes 10.05.2022

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Fundstücke

1) Schulen, Corona und das hohle Hauptargument

Politisch bleibt der Ruf nach einer Öffnung der Schulen geknüpft an eine Behauptung ohne Schlussfolgerung. Die Behauptung heißt: Die Jugend ist uns so wichtig, darf nicht leiden und muss deshalb in Präsenz. An die Behauptung angeschlossen ist dann der fehlende Schutz der Minderheit vulnerabler Gruppen. Aber nun kommt‘s: Die Behauptung kann nur im Paket funktionieren. Ich kann nicht sagen, dass die jungen Leute wichtig sind (was ja die Präsenz rechtfertigt), ohne Veränderungen durchzuführen. Ich muss also zwangsläufig für Luftfilter sorgen. Ich muss zwangsläufig die Bildungspläne entschlacken. Ich muss zwangsläufig Freiräume für den sozialen Austausch bieten. Das alles ist zwangsläufig. Denn wenn die Behauptung zuträfe, muss eine Handlung folgen. Folgt die Handlung nicht, kann die Behauptung nicht stimmen. Dann ist sie ein hohles Argument, eine Aussage ohne wert. Solche wertlose Aussagen sind politisch wertvoll, da sie nichts kosten. Die Aussage: Die Kinder und Jugendlichen müssen in Präsenz unterrichtet werden, weil sie so wichtig sind suggeriert, dass die Wichtigkeit schon Begründung für die Handlung ist. In Wirklichkeit ist sie aber Teil der Behauptung. Die Schlussfolgerung ist also: Wenn man der Meinung ist, dass die Mehrheit der jungen Menschen die letzten zwei Jahren gelitten hat und dass dies bedeute, dass schulische Präsenz notwendig ist, auch wenn vulnerable Gruppen sich dann selbst schützen müssen, dann bedeutet das zwangsläufig auch eine schulpolitische Veränderung der Bildungspläne, der Freiräume und der sozialen Unterstützung. Alles andere sind hohle Phrasen. (Bob Blume)

Bob hat absolut Recht. Nicht, dass die Forderung, die Schüler*innen und ihre Belange in den Mittelpunkt zu stellen, irgendwie falsch wäre, aber es ist halt eine reine Nebelkerze. Die wirklichen Probleme sind viel tiefgreifender, wie ich in der Rezension seines Buches „10 Dinge die ich an der Schule hasse“ ja auch besprochen habe. Ich will hier zwei Aspekte besonders betonen. Das wäre zum Einen die Forderung und geradezu Sakralisierung der Präsenz, als ob die Lerngewinne hier zwingend automatisch besonders hoch seien (sind sie aus vielerlei von Bob im Buch auch diskutierten Gründen nicht). Und zum anderen die Geschichte mit den Luftfiltern, weil sie die Prioritäten wie unter dem Brennglas besonders deutlich zeigt. Wie auch bei anderen Fragen der Ausstattung sind die Interessen der Schüler*innen nämlich sehr, sehr weit hinten auf der Prioritätenleiste. Ganz sicher weit hinter denen der Erwachsenen, die darüber entscheiden.

2) The toxic politics of bad economic news

In dancing a jig about President Biden’s misfortune, Republicans run the risk of misreading that interaction and looking like they’re actively cheering on further bad news. […] We apparently just lived through three months, from January through March, in which the American economy got smaller overall. Yet consumer spending grew 0.7 percent during that quarter. At the individual level, most Americans weren’t behaving as if they were in the early stages of a recession. […] Regardless, the numbers released on Thursday morning simply don’t reflect or explain a lived experience of pain on the part of Americans, which makes the good cheer from the right seem especially foolish. Of course it’s not quite as bad as members of the opposition party rejoicing at actual economic hardship. Still, fist pumping about bad news, even when it’s mostly an abstraction, isn’t politically wise. […] But without those underlying bad experiences? Republicans may well end up looking like they’re giving each other high-fives over phantoms — and hoping for greater pain to advance their own political fortunes. (Damon Linker)

Linker hat völlig Recht, wenn er es als „toxic politics“ beschreibt, dass es für die Republicans gute Neuigkeiten sind, wenn es dem Land schlecht geht. Und ich schreibe hier bewusst Republicans, weil die Democrats das nicht tun. In der Rezession 2009 unternahm die GOP alles, um die Lage schlimmer zu machen (und gab das auch offen zu, Stichwort „one-term president„), während in der Rezession von 2020 die Democrats wesentlich interessierter als die regierenden Republicans waren, der Bevölkerung zu helfen. Dass das funktioniert, hat schreckliche Konsequenzen.

Völlig wirklichkeitsfremd dagegen ist die Vorstellung, dass die reale wirtschaftliche Lage irgendwie dazu führen würde, dass das nicht aufgeht. Partisans gonna believe. Wie viel mehr Studien und Anschauungsmaterial als 2020/21 braucht man denn dafür? Von einem Tag auf den anderen beschlossen signifikante Anteile der republikanischen Wählendenschaft, dass die Wirtschaft nicht total toll laufe, sondern dass es stattdessen ganz schrecklich sei – nur basierend auf dem Wahlergebnis. Diese Wahrnehmung ist übrigens völlig überparteilich, dasselbe passiert auch, wenn Democrats Wahlen verlieren. Nur ist der Effekt, wie so häufig, auf der Rechten wesentlich stärker. Erneut, das ist alles ausgiebig empirisch erforscht wurden. Wie man da immer noch solche Luftschlösser bauen kann, erschließt sich mir nicht. Die Herausforderung für die Democrats ist es, die eigenen Wählendenschaft an die Urnen zu kriegen. Und ich wette dollars to doughnuts, dass sie damit im November scheitern werden.

3) The pretend proletariat

Downward mobility seems to be changing labor activism in more intuitively receptive sectors, too. The New York Times reported on Wednesday that college-educated workers played key roles in successful organization drives at Amazon, Starbucks, and the sporting-goods retailer REI. You can find support for Turchin’s overproduction thesis in the quotes from college and even master’s graduates who expected to work as salaried professionals in prestigious fields,  but found themselves earning hourly wages and wearing company uniforms.  […] More important, though, the prominence of college graduates in the new school of labor activism could make it difficult to find the sort of broad coalition that Democrats enjoyed during the heyday of organized labor. The somewhat incongruous enthusiasm of highly credentialed editorial assistants, graduate students, and non-profit employees might signal a restoration of class consciousness — or just alienate potential allies. Like the presidential campaigns of Bernie Sanders, the version of organized labor that’s become fashionable recently risks becoming a kind of role-playing rather than a genuine working class movement. […] Not simply organic resistance from the lower strata of American life, the new unionism is also a protest of surplus elites against an increasingly ossified power structure. That doesn’t mean it’s doomed — if Turchin is right, the revolt of the elites can be even more disruptive than the demands of the genuinely poor or exploited. If they want to be successful, though, the new faces of organized labor need to prove they’re more than dilettantes in proletarian drag. (Samuel Goldman, The Week)

Die aktuelle bescheidene Revitalisierung der Gewerkschaftsidee in den USA ist grundsätzlich sehr begrüßenswert, aber Goldmans Skepsis hier („pretend proletariat„, brillanter Begriff) ist eine spannende und willkommene Ergänzung. Wenn es tatsächlich so ist, dass da hauptsächlich Wannabe-White-Collar-Worker dahinterstecken, sind das keine guten Nachrichten. Denn das bedeutete, dass die langsame Abwanderung der (weißen) Blue-Collar-Schicht zur politischen Rechten ungebremst weiterginge. Das ist insofern schlecht, als dass diese Leute ja nicht gerade zufrieden mit ihrer Situation sind (verständlicherweise), aber dass sie eben die Schuld dafür vor bei Menschen anderer Abstammung und Hautfarbe suchen statt in der Unterdrückung durch das Kapital. All das macht aber, besonders wenn man die gesellschaftlich-progressive Ausrichtung der Democrats bedenkt, mit der viele in dieser Schicht nichts anzufangen wissen, leider sehr viel Sinn. Das amerikanische Zwei-Parteien-System erlaubt in diesem Nullsummenspiel leider keine anderen Auswege, anders als in Deutschland, wo mehrere demokratische Ausweichmöglichkeiten zur Wahl stehen.

4) Woher die Brutalität russischer Soldaten kommt

Woher kommen Russlands Soldaten, die in der Ukraine Gräueltaten begehen? Sie kommen aus einer Gesellschaft, in der Gewalt die Norm ist und wo Empathie fast körperlichen Schmerz verursacht. Wo man wenn kein Vergewaltiger dann Opfer ist. Diese Gewalt kommt aus dem Elend, dem Neid und Hass, aus dem Zusammenbruch der Industrie und der Wirtschaft, aus dem Fehlen sozialer Institutionen und funktionierender Demokratie. Aus einer Zeit des Anfangs, der kein Neubeginn war, sondern aus dem verwesten Staatskörper der „Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken“ das Kapital der Freiheit und das Kapital der Korruption schlug, ohne beides voneinander zu trennen. Die Gewalt kommt aus einer Zeit, in der man Babys auf dem Schwarzmarkt billig kaufen konnte, in der alkoholkranke Mütter ein Neugeborenes für eine Flasche Wodka an Bettler verkauften. Diese Babys starben schnell, aber es war einfach, ein neues zu kaufen. […] Eine Gesellschaft, die durch die sowjetischen Selektionsprozesse verstümmelt und in den Neunzigern an den Rand gedrängt wurde, findet sich im riesigen schwarzen Loch von Putins heutigem Russland wieder, wo die Simulation von allem – Demokratie, Gesetzen, Verwaltung, Wirtschaft, sozialen Einrichtungen und dem Staat selbst – zum Prinzip der Verwaltung geworden ist. Manchmal scheint es, als habe sich eine dünne Schicht von Denkern, Analytikern und Aktivisten gebildet durch reine Nachlässigkeit der Behörden und einen peinlichen Zufall, trotz aller widrigen Umstände. Nicht alle fingen an, zu trinken, zu schlagen, zu metzeln, einige begannen, zuvor verbotene Literatur zu lesen, die Vergangenheit zu überdenken und sogar über die Zukunft nachzudenken. Kein Wunder, dass die russische Regierung den Neunzigerjahren, als das Land dem Westen wehrlos in die Hände fiel, die Schuld an der überzogenen Freiheit gibt. Aber alle Fehler wurden abgerechnet, die Freiheit wurde endgültig unterdrückt, die denkenden Menschen aus dem Land vertrieben, in Gefängnissen isoliert, eingeschüchtert. Manche versuchen noch, den Mund aufzumachen, aber das wird die Menge ihnen nicht verzeihen. (Irina Rastorgujewa, FAZ)

Das komplette FAZ-Essay ist sehr eindringlich und unbedingt in seiner Gänze lesenswert. Ich bin kein Experte für russische Geschichte, schon gar nicht für die seit 1991, weswegen ich immer wieder aufs Neue davon überrascht bin, wie schrecklich die Zustände in dem Land waren und sind und in was für ein Loch es seither gefallen ist. Das muss unbedingt traumatisch wirken, und zwar auf eine ganze Gesellschaft. Das scheint mir deutlich unterdiskutiert, während stattdessen immer wieder Blödsinn von Ostpolitik (hier im Podcast diskutiert) bis russische Seele es in die Talkshows schafft. Falls jemand ein gutes Buch zu der Zeit hat, wäre ich über Tipps in den Kommentaren auch dankbar.

5) Zeitenwende auf Grün

Aber bei einem Thema blieben die Grünen, die mal der parlamentarische Arm der Friedensbewegung waren, ihren alten Glaubenssätzen treu: Das Zweiprozentziel der NATO wollen sie nicht im Grundgesetz verankern. Sie hatten es schon im Wahlprogramm abgelehnt, das freilich noch in einem ganz anderen außenpolitischen Umfeld entstand. […] Das viel zu lange ignorierte Zweiprozentziel ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Deutschland seine Bevölkerung, seine Verbündeten und seine Interessen künftig besser schützen kann. Der Maßstab sollte nicht wieder deutsches Wunschdenken sein, sondern die internationale Realität. (Nikolaus Busse, FAZ)

Himmel Arsch und Zwirn, lasst endlich eure Finger vom Grundgesetz! Diese Manie, ständig alle politischen Entscheidungen zu juristischen Fundamenten zu machen, ist echt nicht auszuhalten. Ich bin ja für das 2%-Ziel, aber so eine Marke gehört nicht in die Verfassung. Warum sollte man die Deutschen des Jahres 2067 an das 2%-Ziel binden wollen?! So ein himmelschreiender Unfug. Das ist eine politische Entscheidung, und sie berührt das Königsrecht des Parlaments, nämlich über den Haushalt zu entscheiden. Dieser antidemokratische Impuls sollte echt mal unter Kontrolle gebracht werden. Auf Wiedervorlage, sobald wir das nächste Mal über diese beknackte „Schuldenbremse“ diskutieren. – Im Übrigen würde analog auch eine Verankerung irgendwelcher Klimaausgabenziele nicht ins Grundgesetz gehören. So granulare politische Entscheidungen sind genau das, politische Entscheidungen. Sie müssen der Revision unterworfen bleiben. Die Grünen fordern ja auch nicht, dass die Forderung, 2% der Fläche für Windenergie zu nutzen, ins Grundgesetz gehört. Was ein Unfug wäre das auch!

6) Doctor Strange. Das Multiversum erzählen

Die Erzählung des Multiversums ist derart als Prozess einer retrospektiven Serialisierung aufzufassen, die Kathleen Loock und Frank Kelleter auch als „rekursive Progression“ beschrieben haben: Was quantenphysikalisch wie animationstechnisch als Verästelungen des Multiversums in je spezifischen Gegenwarten dargestellt wird, sind im Wesentlichen Weitererzählungen von bereits abgeschlossenem und separiertem Material – etwa wenn im neusten Spider-Man-Film simultan eine Fortsetzung aller drei Spider-Man-Filmreihen hergestellt wird. Es handelt sich um einen diskursiven Wiedereingriff, der nicht nur mögliche diegetische Zukünfte mit bereits etablierten Vergangenheiten zu koordinieren hat, sondern die bereits etablierten Vergangenheiten mit dem nun eigens installierten Regelsystem – nämlich, dass alle möglichen diegetischen Zukünfte denkbar sind – selbst aktualisiert. […] Die Bedrohung einer ursprünglichen Erzählrealität ist deshalb als Motor einer Serialitätspolitik zu denken, welche zweierlei Selbststabilisierungen vornimmt: Einerseits wird ein eigenes ästhetisches Regelwerk etabliert und andererseits simultan die eigene Geschichtlichkeit retrospektiv neu veredelt. Damit gestaltet sich das Marvel Cinematic Universe nur in der Theorie zum Marvel Cinematic Multiverse um, dient das suggerierte multilineare Wachstum doch der Herstellung einer invertierten Linearisierung, die in erster Linie auf Selbsterhalt abzielt. Das Marvel Cinematic Multiverse bildet damit den Höhepunkt eines seriellen Selbstbewusstseins, welches Plot, Franchise und Ästhetik nurmehr autoreferenziell verknüpft. Das erzählte Multiversum konstituiert folglich ein Serialisierungsinstrument sondergleichen, welches im Borges’schen Irrgarten paralleler Welten und Zukünfte eine Parabel auf den Kapitalismus zu verbergen sucht. (Vera Thomann, Geschichte der Gegenwart)

Ich halte diesen vieldiskutierten Beitrag zum Marvel-Multiversum für viel zu weitreichend; die Erzählstrukturen bleiben schließlich ziemlich generisch, und die Idee, dass man sich an ein Universum halten müsse, ist recht neu. Genauer gesagt: Bis zur Begründung des MCU 2008 war die Vorstellung, dass man über verschiedene mediale Plattformen und eine mittlerweile anderthalb Jahrzehnte reichende Filmreihe eine kontinuierliche, in sich schlüssige Geschichte erzählen könnte, Fantasie von Comicfans. Außerhalb Marvels glaubte niemand an die Umsetzbarkeit, und die Schwierigkeit des Unterfangens zeigt sich, trotz allen wirtschaftlichen Erfolgs des MCU, gerade im Scheitern aller anderen Mitbewerber, etwas Ähnliches auf die Beine zu stellen, vom DCU zum Monsterverse. Andererseits sind die Marvel-Filme in sich selbst unglaublich generisch; sie folgen eigentlich alle einer hundsgewöhnlichen Drei-Akt-Struktur. Was die Marvel-Filme hervorhob, war ihre handwerklich einfach saubere und hervorragende Machart. Wenn das in zunehmendem Maße wegfällt, das Gewicht der eigenen Mythologie erdrückend wird und sich zudem der Zeitgeist wandelt (was alles am Horizont wetterleuchtet), dann wird das MCU zusammenbrechen, und mit ihm auch das multidimensionale Erzählen.

7) Freiwillig Maske tragen? Die Ängstlichsten nehmen den Rest in Schutzhaft

Die gebremste Aufhebung verlagert die Maskenpflicht auf undurchsichtige Weise von der gesetzlichen in die persönliche Sphäre: Tragt gefälligst Verantwortung, wenn der Staat sich zurückzieht! […] Die obrigkeitliche Abwägung der persönlichen Freiheitsrechte gegen eine kollektive Gesundheitsgefährdung ist aber gar nicht vorbei. Der Gesetzgeber vom zögerlichen Parlament über den nicht gerade freiheitsaffinen Gesundheitsminister bis herunter zum Ordnungsamt und zur örtlichen Polizei haben sich bloß offiziell und mit durchaus guten Gründen von der Gängelung zurückgezogen, so notwendig sie in der Frühphase der Pandemie auch erschien. Ein gesetzliches Ende des Maskenzwangs bedeutet dann aber auch Ende – Punkt. Die Freiwilligkeit des Tragens steht dem nicht entgegen; niemand müsste an sie erinnern. […] Unter Berufung auf ungreifbar über uns schwebende Verhängnisse wie die Klimaerwärmung oder die Corona-Drohung lassen sich zahllose Alltagshandlungen ins moralische Zwielicht setzen, die der Staat sich nicht zu verbieten traut. Wer einmal erlebt hat, wie ein Bekannter, der selbst gerade dem Airbus entstiegen ist, jedwede Flugreise entrüstet als bösen CO2-Fußabdruck anderer schmäht, weiß genau, zu welcher Doppelmoral das führen kann. […] Wie beim Maskenzwang geraten wir mehr oder weniger unmerklich in ein Moralregime hinein, das wie beim traditionellen Christentum mit Sünde und schlechtem Gewissen arbeitet, gerade wo es gar kein gesetzliches Verbot gibt. […] In einer freiheitlichen Gesellschaft jedoch muss es eine Selbstverständlichkeit bleiben, dass man tun darf, was die Gesetze einem (noch) nicht verbieten: Fleisch essen, in Urlaub fliegen und ohne Maske im Konzert sitzen. (Dirk Schümer)

Dieser Artikel ist so unglaublich bezeichnend für den Kubicki-Liberalismus. Es ist eine Selbstentlarvung. Es ging nie um Freiheit, sondern immer um die Durchsetzung der eigenen Präferenzen. Es reicht nicht, dass keine Maskenpflicht mehr besteht; andere müssen auch keine Maske tragen dürfen, weil sie die eigene Empfindsamkeit beschädigen könnten. Was Schümer hier im Endeffekt fordert, sind Triggerwarnings, und weil die Warnung alleine nicht reicht, auch noch gleich das Verbot. Und das ist der Punkt, an dem diese selbsternannten liberalen Freiheitskämpfer immer landen werden: das Verbot abweichender Meinungen und die Durchsetzung ihrer eigenen Hegemonialitität. Gemäß dem Motto: Nein, nein, die Freiheit, in der alle machen, was ICH will! Dass sie es selbst sind, die alle mit ihren moralisierenden Forderungen unter ihr eigenes Moralregime stellen, kommt ihnen gar nicht in den Sinn, und es zeigt sich im letzten hier zitierten Satz wieder einmal, worum es geht: ich will, ich will, ich will. Und das steht absolut über allen anderen und wird dann „liberal“ genannt. Das ist die gleiche intellektuelle Armseligkeit, in der 1989 der Sozialismus gefeiert wurde.

8) The only way for Democrats to ride the abortion tiger to victory in November

But what about expressed support for abortion rights in general? It’s certainly true that when Americans are asked by pollsters whether they are pro-choice, around 60 percent say yes and have done so for quite a long time. But it’s also the case that when they are asked whether abortion should be permitted in the first, second, and third trimesters, the results are far more conflicted. Support for abortion rights comes in at around 61 percent during the first three months of pregnancy, but it falls to around 35 percent during the second three months, and then falls again, all the way down to 20 percent support, during the final three months prior to birth. This shift has been picked up in Gallup polls from 1996 down to 2018, and it’s also present in a more recent survey from a year ago. It’s also the case that most Americans support exceptions (for rape, incest, and the life of the mother) all the way through pregnancy. But the American default comes nowhere near support for a blanket right to terminate a pregnancy on demand. […] The same might be said of the decision by Rep Tim Ryan, the Democrat who will be facing Republican J.D. Vance in the Ohio Senate race this November, to come out this week on Fox News favoring no restrictions on abortion through 40 weeks of pregnancy. Vance lost little time in labeling that „a barbaric position anywhere in the world,“ including in European nations, which „typically don’t allow abortion after 12 weeks.“ (Vance is right about abortion policy in Europe.) It’s quite a feat to make Vance sound like a paragon of moderation and reasonableness, but Ryan has managed to accomplish it. (Beto O’Rourke, the Democrat challenging Republican Gov. Greg Abbott in Texas, appears eager to do something similar in his own race.) (Damon Linker, The Week)

Ich halte diese Einschätzung für korrekt. Alle Umfragen zu dem Thema zeigen zwar deutliche Mehrheiten für die grundsätzliche Legalität der Abtreibung, aber sie zeigen ebenso deutliche Mehrheiten für Einschränkungen. Wir können dasselbe überall in Europa auch beachten, wo die Abtreibungsgesetze ironischerweise überwiegend härter sind als in den USA. Tatsächlich ist es absurd, dass die Democrats es Leuten wie JD Vance ermöglichen, als die moderatere Wahl darzustehen – und man muss sagen, zurecht, denn diese Positionen sind einfach nicht mehrheitsfähig. Vertrau immer auf die Democrats, sich selbst in den Fuß zu schießen, ihre Fähigkeit dazu ist praktisch unendlich.

9) How Oslo Learned to Fight Climate Change

Through an annual process known as climate budgeting, every department in the city identifies specific policies and actions to reduce its emissions. All of these separate interventions, with their impacts regularly quantified and monitored, are aimed at reducing the city’s greenhouse-gas emissions ninety-five per cent from their 2009 levels by 2030. It’s one of the world’s most audacious climate targets; at the same time, in its speed and scale, it accurately reflects the level of emissions reduction we need if we’re to prevent the most dire consequences of climate change. Look at Oslo, and you can begin to see what life will look like in a city that’s serious about its obligations to the future. The shifts are subtle but pervasive, affecting everything from cemeteries, parking, and waste management to zoning, public transportation, and school lunch. Rather than waiting for a single miraculous solution, Oslo’s approach encourages a dispersed, positive shift. […] Oslo’s Climate Agency has found that approximately seventy per cent of the city’s residents consider the climate goals important and embrace them; in the last local election, the Green Party has nearly doubled its representation on the city council. Despite considerable grumbling over parking policies, many people also seem to enjoy how the city now has fewer cars. “Just a few years ago, some streets were packed with cars,” Vice-Mayor Stav said. “Change is always a bit scary, you know, so it’s understandable, but then people see the result, and they’re O.K. It’s actually nice.” (Nick Romeo, New York Magazine)

Jede Stadt, die solche Maßnahmen umsetzt, wird zu einem wesentlich lebenswerteren Raum, in dem es sich gesünder und besser lebt als vorher. Ob Barcelona mit seinen vom Autoverkehr abgeschnitten Blocks, ob Amsterdam mit seiner Fahrradinfrastruktur, ob Oslo mit seinen Parks – nicht nur hilft es bei der Bekämpfung des Klimawandels, es macht auch noch alles besser! Es ist die verdammte Auto-Ideologie in Deutschland, die ähnliche Umbauten bisher verhindert. In Berlin wird mit aller Macht ein Autobahnausbau quer durch die Stadt (!) gepeitscht, und auch in Städten wie Stuttgart, ohnehin eine der hässlichsten Metropolen der Republik, wird hauptsächlich diskutiert, wie man die endlosen Blechlawinen besser durch die verstopften Straßen kriegt, anstatt endlich Alternativen aufzubauen. Dabei sind es gerade die Städte, wo wegen der großen Bevölkerungskonzentration besonders umfassende und weitreichende Lösungen gefunden werden können. Zum Haareraufen.

10) Deutschland errichtet deutlich weniger Windräder

Weil auch alte Anlagen stillgelegt wurden, lagg der Nettozuwachs bei der installierten Leistung bei 355 Megawatt, hieß es unter Berufung auf Zahlen der Fachagentur Windenergie. Spitzenreiter waren Nordrhein-Westfalen mit 26 neuen Windrädern und Schleswig-Holstein mit 25. Im flächenmäßig größten Land Bayern, das die bundesweit strengsten Regeln zum Abstand von Windrädern zur Wohnbebauung hat, ging überhaupt kein neues Windrad ans Netz. […] Bestehende, pauschale Abstandsregelungen müssten abgeräumt werden, sagte der Präsident des Bundesverbands Windenergie, Hermann Albers. Der Schutz der Bürgerinnen und Bürger im direkten Umfeld von Windenergieanlagen sei bereits durch umfangreiche Regelungen im Bundesimmissionsschutzgesetz gegeben. Unter anderem in Bayern kommt der Ausbau der Windenergie deshalb bislang nur sehr schleppend voran – beziehungsweise in den ersten drei Monaten dieses Jahres gar nicht. In dem Bundesland gilt die umstrittene 10H-Abstandsregel für Windräder. Sie sieht bisher den zehnfachen Abstand der Windradhöhe zur nächsten Bebauung vor. […] Die Bundesregierung will den Ausbau der erneuerbaren Energien mit einem umfassenden Maßnahmenpaket beschleunigen. So will Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) erreichen, dass künftig zwei Prozent der Landesfläche in Deutschland für Windenergie ausgewiesen werden. Das wird bisher in den allermeisten Ländern bei Weitem nicht erreicht. (dpa, SpiegelOnline)

Wo wir gerade schon beim Kampf gegen den Klimawandel sind, so ist dieses spezielle Armutszeugnis auch etwas, das man der völlig verfehlten Politik der letzten 20 Jahre (und damit auch hauptverantwortlich Angela Merkel) vor die Füße legen kann. Wie kann es sein, dass dieser überbordende NIMBYismus verhindert, dass weitere Windräder aufgestellt werden, ja, dass die Kapazität teilweise sogar rückläufig ist? Besonders krass ist und bleibt natürlich Bayern, wo die CSU aktive Sabotage betrieben hat und sich stattdessen Putin an den Hals warf – mit den bekannten desaströsen Folgen. Dieses grandiose Plakat der Grünen zeigt ziemlich deutlich die Zusammenhänge. Es gibt schlicht keinen Grund, nicht massiv die Erneuerbaren auszubauen. Das wurde 20 Jahre lang bewusst verhindert – „verschlafen“ ist hier ein völlig unzulässiger Euphemismus. Zeit, endlich gegenzusteuern.

Resterampe

a) Trump gab den Befehl, unbewaffnete Demonstrierende zu erschießen, und das interessiert keine Sau. Aber klar, Hillarys eMails waren total wichtig.

b) Ja, Hans-Werner Sinn lag auch krass daneben, aber natürlich gibt es da keinerlei Selbstreflexion.

c) Oh cool, Trump wollte auch Mexiko bombardieren („quietely“, also geheim und illegal), aber sein Verteidigungsminister hielt ihn ab. Aber nie vergessen, Hillary hatte Mails.

d) Ulrike Guérot ist echt so abgespacet. Krass, wie sich diese Leute selbst radikalisieren und abschießen. Und auch hier natürlich: erst gegen Masken, dann gegen Impfen, dann gegen die Ukraine.

e) Der Gouverneur von Texas will öffentliche Schulen, der GOP-Chair von Idaho Verhütungsmittel verbieten, weil die Republicans sind überhaupt keine radikale Partei.

f) Völlig unerklärlich, warum die Digitalisierung an Schulen nicht so recht vorwärts kommt.

g) Kulturpessimismus liegt falsch, immer.

h) Gregor Gysis moralische Bankrotterklärung.

i) Die Jungle World war jetzt auch nicht der Ort wo ich eine klare Kritik der Zögerlichkeit der Bundesregierung erwartet hätte.

j) Diesem zwei Jahre alten Artikel „Warum ich kein Antifa bin“ kann ich nur (aus aktuellem Anlass) von Herzen zustimmen.

k) Dieser Artikel setzt das Lend-Lease-Abkommen in historischen Kontext und fragt, wie viel Analogie für den Ukrainekrieg erhellend ist (spoiler: wenig).

l) Eine neue Studie aus Cambridge belegt einmal mehr, dass es im Umgang mit radikalen Parteien nicht hilft und eher schadet, deren Themen zu besetzen zu versuchen. Wird natürlich niemand in der CDU abhalten, aber hey.

m) Eine Betrachtung der Gründe für die Inflation in den USA.

n) Warum es die Depublikationspflicht immer noch gibt, erschließt sich mir auch nicht. Es ist eine wahnsinnige Sauerei.

o) Meine ausführliche und über alle Zweifel erhabene Analyse zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein.

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  • Tim 10. Mai 2022, 09:48

    und auch in Städten wie Stuttgart, ohnehin eine der hässlichsten Metropolen der Republik,

    Ah, Du warst also noch nie in Hagen. 🙂

    • Stefan Sasse 10. Mai 2022, 14:15

      Tatsächlich nicht, nein.

    • cimourdain 10. Mai 2022, 16:28

      Könnt ihr das nicht im „yo mama“ Stil ausmachen:
      „Meine Stadt ist so hässlich, da vermarktet die Bahn einen Tunnel zum Bahnhof als Kundenservice.“
      „Meine Stadt ist so hässlich, da traut sich die Uni nicht, Präsenzveranstaltungen anzubieten.“

      • Stefan Sasse 10. Mai 2022, 16:31

        Meine Stadt ist so hässlich, die wird in einem Talkessel versteckt.

  • Tim 10. Mai 2022, 09:57

    Es gibt schlicht keinen Grund, nicht massiv die Erneuerbaren auszubauen. Das wurde 20 Jahre lang bewusst verhindert – „verschlafen“ ist hier ein völlig unzulässiger Euphemismus.

    Ich fand schon vor 25 Jahren, dass der moralische Erzählrahmen „Klimawandel“ für den anstehenden Umbau falsch war, da es bloß zu Fingerpointing führt und Abwehrhaltungen fördert. Nötig war (und ist) der technische Erzählrahmen „Energiewende“. Die Gesellschaft hat eine extrem schwierige Transformation vor sich, die aus einer großen Zahl sehr schwieriger technischer Aufgaben besteht. Hätten wir das schon früher akzeptiert, wären wir heute viel weiter und müsste nicht eine plötzliche wirtschaftliche Disruption fürchten.

    • Stefan Sasse 10. Mai 2022, 14:15

      Nicht falsch. Dieser moralische Rahmen wurde übrigens maßgeblich von den Energiekonzernen geschaffen – im sicheren Wissen, dass er nicht funktionierte. Was genau in ihrem Interesse war.

      • Tim 10. Mai 2022, 20:13

        Wie kommst Du denn bitte darauf? Das halte ich für ein Märchen. Energiekonzerne hatten einen Anreiz von exakt null, die moralische Erzählung vom Klimawandel zu fördern.

        Oder meinst Du damals Thatcher und die Verknüpfung Klimawandel-Atomkraft? Diese Verknüpfung gab es wirklich, und soweit ich weiß, war Thatcher aufrichtig von ihr überzeugt.

        • Stefan Sasse 10. Mai 2022, 20:37

          BP ist die Erfinderin des „ökologischen Fußabdrucks“. Die Idee, dass jeder einzeln für den Klimawandel und seine Bekämpfung verantwortlich ist, läuft denen voll rein.

          • Tim 10. Mai 2022, 21:19

            Ah, verstehe. Ist ja auch keinesfalls abwegig, der Gedanke. Wenn jemand in seinem Fahrzeug Benzin verbrennt, ist BP dafür ja nun wirklich nicht verantwortlich.

            Aber klar, die Leute zeigen eben gern mit dem Finger auf die bösen Konzerne und verzeihen denen niemals die kleinen Schandtaten, die sie selbst jeden Tag begehen.

            • Stefan Sasse 11. Mai 2022, 09:12

              Was?! Eben nicht! Die Konzerne haben es geschafft, dass man sie NICHT als die Hauptverantwortlichen ansieht, sondern dass es, wie du sagst, die Verbraucher*innen sind, die sich schuldig fühlen sollen.

              • Tim 11. Mai 2022, 09:43

                Ich glaube, wir haben einfach ein fundamental unterschiedliches Welt- und Menschenbild. Für Dich ist ernsthaft BP verantwortlich, wenn Du Benzin verbrennst? Für mich völlig unverständlich, wie man auf derart bequeme Art Verantwortung abgeben kann.

                • Stefan Sasse 11. Mai 2022, 13:04

                  Natürlich nicht BP alleine. Aber ich lebe in einem Land, das jahrzehntelang einer Autoideologie fröhnte und immer noch fröhnt und die ganze Infrastruktur auf Individualverkehr mit Verbrennern aufgebaut hat. Da hab ich als Einzelner, wenn ich nicht in der Großstadt lebe, doch gar keine Alternative.

          • cimourdain 11. Mai 2022, 08:29

            Die Idee des ‚ökologischen Fußabdrucks‘ stammt aus der Dissertation von Mathis Wackernagel:
            https://de.wikipedia.org/wiki/Mathis_Wackernagel
            BP war da noch in der ‚denial‘ Phase, was Klimawandel betrifft.

        • CitizenK 13. Mai 2022, 19:25

          „Anreiz von exakt null, die moralische Erzählung vom Klimawandel zu fördern.“

          Anekdotisch dazu: Ein großer Energiekonzern aus Süddeutschland hat schon vor vielen Jahren regelmäßig „Fortbildungen“ für Lehrer veranstaltet und bezahlt (Fahrt und Hotel für mehrere Tage) u. a. zum Besuch von Pellworm – damals Experimentierfeld für „alternative Energieerzeugung“, wie das damals hieß. Tenor: Alles Quatsch, bringt nichts. Das Windrad sei ständig kaputt und die Sonne – total unwirtschaftlich.

          • Stefan Sasse 14. Mai 2022, 08:51

            Diese Art der Propaganda halte ich für ziemlich effektiv. Wir sehen dasselbe ja durch die INSM und Konsorten, die Lehrmaterialien für die wirtschaftlichen Fächer dominieren. Da gibt es praktisch keine Alternativen.

          • Stefan Pietsch 14. Mai 2022, 08:56

            Wo ist ein Wächter, wenn man ihn braucht?

            BP ist die Erfinderin des „ökologischen Fußabdrucks“.

            Ein paar Klicks im Internet führt bei Wikipedia folgendes zu Tage:
            Das Konzept wurde 1994 von Mathis Wackernagel und William Rees entwickelt. 2003 wurde von Wackernagel das Global Footprint Network gegründet, das u. a. von der Nobelpreisträgerin Wangari Maathai, dem Gründer des Worldwatch Institute Lester R. Brown und Ernst Ulrich von Weizsäcker unterstützt wird.

            Die beiden erstgenannten Forscher haben definitiv nichts mit BP zu tun. Das Global Footprint Network ist eine bekannte NGO. Auch ansonsten sucht man BP in den Netzwerken vergebens. Also, wenn der Mineralölkonzern den globalen Fußabdruck entwickelt und gefördert hat, dann so dezent, dass es nur Stefan aufgefallen ist.

            • CitizenK 14. Mai 2022, 13:57

              Die Kampagne „Beyond Petrol“ als Neu-Interpretation des Firmennamens war aber ganz und gar nicht „dezent“.

    • Erwin Gabriel 10. Mai 2022, 17:38

      @ Tim 10. Mai 2022, 09:57

      Volle Zustimmung

    • CitizenK 10. Mai 2022, 20:19

      „da es bloß zu Fingerpointing führt und Abwehrhaltungen fördert“

      Diese Feststellung erledigt en passant auch das Konzept der Selbstverantwortung.

      Eigenverantwortlich handelnde Staatsbürger zeigen weder mit dem Finger noch entwickeln sie „Abwehrhaltungen“ gegen sinnvoll-notwendige Maßnahmen.

      • Tim 11. Mai 2022, 08:12

        Eigenverantwortlich handelnde Staatsbürger zeigen weder mit dem Finger noch entwickeln sie „Abwehrhaltungen“ gegen sinnvoll-notwendige Maßnahmen.

        Ein schöner Gedanke. Doch schau Dir die Realität an. Autobahn-Tempolimit und SUVs-Verbote sind ziemlich irrelevante Baustellen – dennoch kannst Du damit problemlos Empörung aktivieren. Die bösen Raser! Die bösen SUV-Fahrer! Das ist eine Folge des moralischen Erzählrahmens. In einer technischen Debatte wäre vollkommen egal, mit welchen Fahrzeugen oder mit welchen Geschwindigkeiten die Leute unterwegs sind, da nur das Ziel zählt – die Senkung der Gesamtemissionen. Doch eine effiziente Zielsteuerung interessiert bei uns heute niemanden mehr. Wir haben uns in einem Gewirr teilweise absurder Einzelmaßnahmen und moralischer Empörung verfangen.

        PS: Nein, ich finde Rasen auf der Autobahn nicht toll. Nein, ich finde SUVs nicht toll.

        • CitizenK 11. Mai 2022, 09:05

          „vollkommen egal, mit welchen Fahrzeugen oder mit welchen Geschwindigkeiten die Leute unterwegs sind, da nur das Ziel zählt – die Senkung der Gesamtemissionen“

          Auch ein schöner Gedanke, nur: Das eine hängt halt mit dem anderen zusammen. „Technisch“: Leichtere Autos, die langsamer fahren, bringen uns dem Ziel näher. Wie bringt man die Leute dazu? Wenn nicht „moralisch“, sondern durch „technische“ Vorgaben? Abregelung bei x oder y Tacho? Nach Gewicht und/oder Verbrauch besteuern? Wäre das besser?

          Im übrigen bin ich der Meinung, dass die LKW-Karawane, Baufahrzeuge und Flugverkehr mehr Aufmerksamkeit verdienen als die Debatte um PKWs.

          • Tim 11. Mai 2022, 09:46

            Wie bringt man die Leute dazu? Wenn nicht „moralisch“, sondern durch „technische“ Vorgaben? Abregelung bei x oder y Tacho? Nach Gewicht und/oder Verbrauch besteuern? Wäre das besser?

            Nein, eben nicht! Haben wir hier doch tausendfach diskutiert. Mikromanagement erhöht nur die Kosten bzw. verringert die CO2-Reduzierung pro eingesetztem Euro. Cap & Trade, fertig.

            Unser Moralismus verzögert die Energiewende.

            • Stefan Sasse 11. Mai 2022, 13:04

              Ich sehe nirgends diese ordentliche Durchsetzung und/oder Erfolge von Cap+Trade. Aber ich bleibe dabei: everything and the kitchen sink.

              • Tim 11. Mai 2022, 13:48

                Ja, wird ja leider auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit diskreditiert. Ist offenbar zu komplex für weite Teile der Gesellschaft. Und selbst die zweitbeste Möglichkeit (CO2-Besteuerung) wird nur höchst zögerlich durchgesetzt.

              • Stefan Pietsch 11. Mai 2022, 14:42

                Definiere das bitte. Misserfolg wo? Fehlende Durchsetzung wo?

  • cimourdain 10. Mai 2022, 11:36

    3) Das klingt mir sehr nach ‚no true scotsman‘ . Es gibt seit Jahrzehnten ein Dienstleistungsproletariat. Aufstiegshoffnungen konkurrieren immer auch mit gewerkschaftlicher Organisation. Aber wie z.B ver.di zeigt, heißt das nicht, das die Gewerkschaft nicht schlagkräftig sein kann. Ich würde es mit den Dienstmädchengewerkschaften der Gründerzeit vergleichen.

    4) Man muss immer wieder den Zeitrahmen beachten. Die Nachwendezeit in Russland ist jetzt auch schon über 20 Jahre her. Dennoch halte ich es für wichtig, diese Zeit zu betrachten, auch weil im Langer-Krieg-Szenario für den Ukrainekrieg (also nach deiner Aussage der best-case !) sehr gut möglich ist, dass Russland wieder in einen solchen quasianarchischen Zustand zurückfällt. Ein gutes Buch (wenn auch sehr viel wirtschaftsgeschichtliches Gefiesel) ist Klaus Heller: „Russlands wilde Jahre“

    5) Ich möchte an eine andere Verpflichtung erinnern: 1970 haben sich die reichen Länder verpflichtet, 0,7% des BSP für (damals noch) Entwicklungshilfe auszugeben. Auch das erfüllen wir seitdem nicht. Interessiert nur (anders als der unbedingte Kauf von Friedenspanzern) keinen unserer Journalisten – die UN hat halt weniger Lobbynetzwerke als die NATO.

    6) Ganz unabhängig von der Disney-Methodik, ein bestehendes Franchise bis zum letzten Tropfen auszupressen, ist das ein (fauler?) Kompromiss zweier konkurrierender Denkweisen: Zum einen der Wunsch von Fans, das Setting in einen verbindlichen Kanon zu pressen. Zum anderen die Mythologisierung, durch die die gleiche Geschichte in immer neuen Varianten erzählt wird. Das betrifft eben nicht nur ‚klassische‘ Mythologie, sondern auch modernere Mythengestalten wie Dracula oder Sherlock Holmes.

    7) Es ist wirklich ernüchternd, dass genau zu jetzt, wo Corona nicht mehr als Pandemie wahrgenommen wird (passend dazu: in München haben dieses Wochenende die Schäffler getanzt) und die Leute eigenverantwortlich und (meist auch rücksichtsvoll) entscheiden, wie sie mit der Krankheit umgehen, manche da eine Diskussion um ihrer selbst willen führen.

    9) Vorsicht mit einer einseitigen Sichtweise. So wird z.B. ein Gutteil der Pop-Up-Radwege, die seit 2020 eingeführt wurden, bleiben. Kleine Schritte, aber Schritte.

    10) Ohne eine Lanze für die CSU brechen zu wollen: Wind ist nicht alles. Bayern hat dank anderer regenerativer Energieträger (Wasser, Biomasse, Photovoltaik) einen Anteil von über 50% an Erneuerbaren.

    • Stefan Sasse 10. Mai 2022, 14:21

      3) Good point.

      4) Danke!

      5) Good point.

      6) Interessant. Danke!

      7) Wie meinen?

      9) Gut zu hören!

      10) Danke für die Ergänzung!

      • cimourdain 11. Mai 2022, 08:33

        7) Dass es paradox ist, dass nur noch die, die eine Normalität gefordert haben, sich ihr Denken von dem Thema beherrschen lasen. Alle anderen führen ein normales Leben und sind dabei mehr oder weniger vorsichtig und rücksichtsvoll.

  • Kning4711 10. Mai 2022, 12:28

    zu 1) Ja, das war meine Erkenntnis als Familienvater in der Pandemie, dass Kinder und Familien der Politik leider nicht viel wert sind. Bei uns in der Schule hätte es die Option gegeben, Luftfilter zu installieren, ist aber gescheitert, weil in der Stadt Köln sich niemand dafür zuständig sah, Vorgaben zu machen, wie Wartungsvereinbarungen aussehen könnten. Wahrscheinlich würden die noch auf Ihr Regelbuch schauen, wenn der Rhein die ganze Stadt überschwemmt, aber die Unfähigkeit der Kölner Stadtverwaltung wäre fast schon einen eigenen Artikel wert.

    zu 4: Neben der gesellschaftlichen Verrohung zeigt sich auch leider, dass diese Gewalt gegen Zivilisten bewusster Teil der russischen Militärdoktrin ist. Wenig verwunderlich, wenn wir uns vorherige Konflikte anschauen (Tschetschenien, Syrien, Afghanistan), aber umso bemerkenswerter, da man die Urkraine bislang als Bruderstaat ansah und nun so ziemlich dem Bruder völlig entfremdet hat. Das Gewaltniveau kennt man ja sonst eher aus Bürgerkriegen (was aus einer russischen Perspektive, sogar dieser Krieg ist).
    Zwecks Büchern hilft Dir ggf. diese Liste:
    https://www.publishersweekly.com/pw/by-topic/industry-news/tip-sheet/article/69437-10-books-that-explain-russia-today.html

    zu 5) Völlige Zustimmung, aber es ist ja so bequem, alles ins Grundgesetz zu schreiben, dann kann man notfalls das Verfassungsgericht anrufen als schlichter und spart sich als Parlament die schwierigen Debatten. Ich wundere mich, dass sich das Parlament so gerne selbst entmündigt – offenbar fehlt es in den Fraktionen tatsächlich an Know How

    zu 9) Leider agieren hier die Kommunen häufig situativ und ohne großen Plan – in Köln gibt es hier auch recht gute Ansätze was die Pop Up Fahrradwege angeht. Blöderweise werden die trotzdem zugeparkt und das Ordnungsamt schaut zu. Hier braucht es wesentlich mehr Konsequenz und ein verkehrspolitisches Gesamtkonzept – zumindest die Kölner Politik und Verwaltung scheinen hier völlig überfordert.

    zu 10) Gibt es eigentlich irgendwo einen Gesamtplan? Also an welcher Stelle, soll welcher Energieträger zugebaut werden und was ist auch örtlich sinnvoll? Ich hatte verstanden, ein wesentliches Problem Bayern sei der Ausbau der Überlandleitungen.

    • Stefan Sasse 10. Mai 2022, 14:23

      1) Selbstständige und Familien, die großen Opfer der Pandemie.

      4) Danke!

      5) Ich weiß nicht ob es knowhow ist; das scheint mir eher ein Unwillen für das Politische zu sein.

      9) Ich hab hier immer wieder darüber geschrieben, dass Gesetzesverstöße von Autofahrenden kaum geahndet werden.

      10) Das weiß ich nicht. Ich weiß aber, dass die Richtlinien in Bayern so scharf sind wie nirgendwo anders und Ausbau weitgehend verhindern.

  • derwaechter 10. Mai 2022, 12:35

    9) „ob Oslo mit seinen Parks “

    wir haben zwar durchaus schöne Parks, besonders einen, aber die sind nun wahrlich nicht neu oder eine Klimamaßnahme.

    Kann es sein, dass du Parken (Autos) mit Parks (Grünflächen) verwechselt hast?

  • schejtan 10. Mai 2022, 13:23

    zu a) and c): Ich glaub, das wirkliche Problem ist hier nicht, dass die Medien das nicht thematisieren (worauf du mit deinen Bemerkungen zu Clinton’s Mails glaub ich hinaus willst), sondern dass die Trumpfans sowas dufte finden und ihn wegen, nicht Trotz solcher Maetzchen waehlen.

    • Stefan Sasse 10. Mai 2022, 14:27

      Ich will drauf hinaus, dass das keinerlei Einfluss hat. Ich finde es einfach ungeheuerlich, dass weder die Wählenden noch die Medien zu interessieren scheint. Diese Fokussierung auf „Skandale“ anstatt Skandale hab ich auch im nächsten Vermischten thematisiert, stay tuned.

      • Erwin Gabriel 14. Mai 2022, 14:20

        Hillarys Email-Affäre war kein „Skandal“, sondern ein Skandal.

        Trump ist kein Skandal, sondern ein SKANDAL

  • Thorsten Haupts 10. Mai 2022, 14:18

    Zu 2):
    Demokratie ist anstrengend, wenn man gefühlt selbst auf der Verliererseite ist, nicht wahr? Da ist Deutschland doch viel angenehmer, wo die Konservativen nie kämpferisch konservativ waren und sind …

    Zu 7):
    Yup, bin ganz derselben Auffassung. Wundere mich nur über die Inkonsistenz des Autors – gestern war Gruppendruck (auf Frauen) noch schrecklich und führte zu Auegbranntsein, heute ist Gruppendruck meh, wenn es um Masken oder Fleischessen geht? Nicht, dass ich überrascht wäre …

    Zu 8):
    Es gibt nicht wenige twitter-bekannte Feministinnen in Deutschland, die wollen den mühsamen §218 Kompromiss wieder aufheben und ausweislich ihrer Rhetorik zeitlich unbegrenzte Abtreibung etablieren … Fun Fact: In Deutschland sind die Einstellungen zu Abtreibung ähnlich, wie in den USA (inklusive meiner eigenen). Und genau deshalb – an dem Kompromiss zwischen prima facie unvereinbaren Grundeinstellungen zu rütteln ist auch dann unfassbar dumm, wenn es von links kommt.

    Zu 9) … ohnehin eine der hässlichsten Metropolen der Republik …
    Als jemand, der berufsbedingt einmal fast alle deutschen Srädte mehr als einmal gesehen hat – yes Sir :-).

    Zu 10):
    … überbordende NIMBYismus …
    Fluch der bösen Tat (und meine heimliche Schadenfreude) – es war ausgerechnet die Partei, der das jetzt auf die Füsse fällt, die diesen NIMBYismus von den neuen sozialen Bewegungen geerbt hat, deren parlamentarischer Arm sie wurde. Und den maximalen Druck (inklusive „ziviler Ungehorsam“) ausgeübt hat, ihn gesetzlich zu verankern. Mir ist schon bei Habeck aufgefallen, der er um den wichtigsten Baustein einer zügigen Energiewende einen grossen Bogen macht, nämlich um die Planungs-Gesetzgebung. Der Union unter Merkel hat das nicht mehr irklich bekämpft, was ich ihr nicht zum Vorwurf mache – sie hätte vor 10 Jahren sämtliche Leitmedien der Republik gegen sich gehabt!

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  • Erwin Gabriel 10. Mai 2022, 17:41

    @ STEFAN SASSE on 10. MAI 2022

    Bin langsam aber sicher genervt:

    a) Trump gab den Befehl, unbewaffnete Demonstrierende zu erschießen, und das interessiert keine Sau. Aber klar, Hillarys eMails waren total wichtig.
    c) Oh cool, Trump wollte auch Mexiko bombardieren („quietely“, also geheim und illegal), aber sein Verteidigungsminister hielt ihn ab. Aber nie vergessen, Hillary hatte Mails.

    Was immer Trump getan hat: Hillary hat mit den Mails gewaltig Scheiße gebaut und wissentlich und gewollt Sicherheitsbestimmungen des Staates umgangen, um die eigene Kommunikation der Kontrolle und Nachvollziehbarkeit zu entziehen. Nebenbei hat sie die Sicherheit anderer Menschen gefährdet.

    War Trump schlimmer? Sicherlich. Entschuldigt ein noch größerer Kotzbrocken das Fehlverhalten Clintons? Wohl kaum. Würdest Du andersherum auch nicht akzeptieren.

    b) Ja, Hans-Werner Sinn lag auch krass daneben, aber natürlich gibt es da keinerlei Selbstreflexion.

    Die alte Weisheit, dass man im Nachgang immer schlauer ist, greift auch hier. Aber warum die Gehässigkeit nur in eine Richtung?

    Außerdem bedeutet das natürlich nicht, dass Sinn in anderen Bereichen Unrecht hatte.

    l) Eine neue Studie aus Cambridge belegt einmal mehr, dass es im Umgang mit radikalen Parteien nicht hilft und eher schadet, deren Themen zu besetzen zu versuchen.

    Irgendwie hörst Du nicht richtig zu, und so, wie Du das diesmal formulierst, klingt das eher dümmlich. Natürlich muss man deren Themen besetzen, bzw. sich mit deren Themen auseinandersetzen. Man sollte halt nicht die Aussagen eins zu eins übernehmen, weil man dann deren Standpunkte bestätigt. Wenn als Thema beispielsweise Flüchtlinge auf der Speisekarte steht, darf man nicht schweigen. Man muss eine Gegenposition aufbauen, erklären, Sicherheit herstellen und verbreiten, kommunizieren.
    Es gibt eine sinnvolle Zwischenlösung zwischen Nachplappern und Ignorieren.

    • Stefan Sasse 10. Mai 2022, 17:58

      a) Ich behaupte mit keiner Sekunde, dass das irgendwas entschuldigt. Was mich nervt ist, dass mit zweierlei Maß gemessen wurde und weiterhin wird.

      b) Weil die Masters of the Universe davor so unglaublich arrogant aufgetreten sind und so viel Einfluss hatten. – Und nein, bedeutet es nicht, aber er hatte in sehr vielem Unrecht. 😉

      l) Schau dir die Studie an. Daraus geht ziemlich klar hervor, dass genau das falsch ist.

      • sol1 10. Mai 2022, 21:30

        „Daraus geht ziemlich klar hervor, dass genau das falsch ist.“

        Und Schleswig-Holstein zeigt ja, daß es sich sehr wohl auszahlen kann, die AfD rechts liegen zu lassen.

        • Erwin Gabriel 11. Mai 2022, 14:44

          @ sol1 10. Mai 2022, 21:30

          Und Schleswig-Holstein zeigt ja, dass es sich sehr wohl auszahlen kann, die AfD rechts liegen zu lassen.

          Mag sein; geh weiter nach Süden, weiter nach Osten, und es zahlt sich nicht so aus. Letztendlich (und das war mein Punkt seit Beginn der Flüchtlingskrise) hat der Staat 2015 großflächig bei Abwicklung und Kommunikation versagt, ähnlich wie bei Corona.

          Wenn die Regierung es nicht schafft, vernünftig und überzeugend zu kommunizieren, oder wenn sie Probleme ignoriert, denken sich einige Leute selbst die möglichen Antworten auf ihre offenen Fragen bzw. Befürchtungen aus. Und diese Antworten sind in der Regel schlimmer als die Realität.

      • Erwin Gabriel 11. Mai 2022, 14:37

        @ Stefan Sasse 10. Mai 2022, 17:58

        a) c) Ich behaupte mit keiner Sekunde, dass das irgendwas entschuldigt. Was mich nervt ist, dass mit zweierlei Maß gemessen wurde und weiterhin wird.
        Du regst Dich bei anderen immer auf, wenn ein Fehlverhalten mit „aber die anderen haben auch“ relativiert wird. Und ja, Du stellst ständig und seit Jahren HRCs Verhalten in dieser Angelegenheit als harmlos da. War es nicht.
        Und ja, für Deinen Seelenfrieden: Trump hat Schlimmeres gebracht, und wird es nach der nächsten Wahl wieder tun.

        l) Schau dir die Studie an. Daraus geht ziemlich klar hervor, dass genau das falsch ist.

        Ich schaue lieber auf die Realität, und denke dann selbst nach: Als die Flüchtlinge hier ankamen, hat die AfD zig potentielle Probleme angesprochen (teilweise mit klaren rassistischen Untertönen, teilweise über Sozialneid). Merkel hat sich anfangs praktisch nicht geäußert, dann kam irgendwann „wir schaffen das“. Sie hat diese Themen weitgehend ignoriert. Das Ergebnis war eine AfD als stärkste Oppositionspartei im Bundestag.

        Tolles Konzept

        b) Weil die Masters of the Universe davor so unglaublich arrogant aufgetreten sind und so viel Einfluss hatten.

        Ah, so wie Gregor Gysi, Luisa Neubauer und viele andere aus der gleichen Ecke? Oder liegt auch die Wahrnehmung von Arroganz im Auge des Betrachters?

    • Tim 11. Mai 2022, 10:09

      Wenn als Thema beispielsweise Flüchtlinge auf der Speisekarte steht, darf man nicht schweigen.

      Eben, das ist genau der zugrundeliegende Mechanismus („Agenda-Setting“). Wenn die Medien länger das Thema „Flüchtlinge“ bringen, wird es immer relevanter. Die Leute, die Flüchtlinge latent ablehnen, werden sich im Zuge dieses Prozesses Parteien zuwenden, die Flüchtlinge ebenfalls ablehnen.

      Folge: Wenn man rechte Parteien nicht fördern möchte, darf man das Flüchtlingsthema nicht fördern. Das ist allerdings keine neue Erkenntnis. Diese Cambridge-Studie hat lediglich einen altbekannten Zusammenhang aufgefrischt.

      • Stefan Sasse 11. Mai 2022, 13:05

        Der Zusammenhang wurde und wird hier aber gerne bestritten.

      • Erwin Gabriel 12. Mai 2022, 10:33

        @ Tim 11. Mai 2022, 10:09

        Eben, das ist genau der zugrundeliegende Mechanismus („Agenda-Setting“). Wenn die Medien länger das Thema „Flüchtlinge“ bringen, wird es immer relevanter.
        Was ist daran so schwer zu verstehen? Ich schrieb doch, dass die Regierung schlecht kommuniziert, ich sagte doch nicht, dass man den Rechten nachplappern soll.

        Wenn wie 2015/2016 in 12 Monaten zwei Millionen Syrer / Afghanen / Nordafrikaner hier derart hineinströmen, dass einige Autobahnen zeitweise unbenutzbar waren, lässt sich das nicht ignorieren. Man darf natürlich nicht nur über die Probleme reden, sondern über Lösungen (was zu wenig geschah, weil es kaum welche gab).
        Ein wirklich großer, großer Teil der Bevölkerung ist gewillt, der Regierung zu folgen, wenn diese vermittelt, Probleme verstanden zu haben und sich um deren Lösung zu bemühen. Schwierig wird es immer, wenn Probleme abgetan, nicht erklärt, oder Lösungen nicht angeboten werden (das Hickhack um die Corona-Maßnahmen würde ich beispielsweise nicht als Problemverständnis oder Lösungsansatz werten).
        Die Leute, die Flüchtlinge latent ablehnen, werden sich im Zuge dieses Prozesses Parteien zuwenden, die Flüchtlinge ebenfalls ablehnen.
        Dazu brauchen die keinen Prozess. Ich glaube, dass in den beiden äußeren Spektren der politischen Landschaft Schwarz-Weiß-Denken dominiert, und die Wahlentscheidung wird (überaus höflich formuliert) eher mit des Herzens Überschwang als mit analytischem Verstand getroffen.
        Folge: Wenn man rechte Parteien nicht fördern möchte, darf man das Flüchtlingsthema nicht fördern. Das ist allerdings keine neue Erkenntnis. Diese Cambridge-Studie hat lediglich einen altbekannten Zusammenhang aufgefrischt.
        Mich hat die „Nicht-Förderung“ der Regierung fast in die Arme der AfD getrieben. Nicht, weil ich die wirklich gut finde oder Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe hasse – ein schwieriges Unterfangen, wenn man in der Bauwirtschaft unterwegs ist, sondern weil diese Partei, so unbefähigt ich sie für die Problembewältigung einschätze, das Problem zumindest angesprochen hat (ich habe in den 90er Jahren auch mal grün gewählt; nicht unbedingt, weil ich wollte, dass diese Partei an die Regierung kommt, sondern weil ich das Umwelt-Thema für wichtig halte).
        Was ich an diesem Totschweigen hasse, ist, dass es die Regierung entschuldigt und zum Nichtstun anregt. Heute, 2022, haben wir eine vergleichbare Situation wie 2015. Und was hat sich seitdem verändert? Nicht, zumindest nichts Grundlegendes. Es gibt immer noch keine klaren gesetzlichen Regelungen, es wird immer noch nach Kielwasser gesteuert, immer noch gewürfelt, wir sind immer noch überfordert. Und wenn wir in zwei Jahren eine andere Pandemie bzw. eine neue, gefährlichere Corona-Variante bekommen, wird es immer noch Ämter geben, die per Fax kommunizieren werden.
        Probleme muss man ansprechen, um sie lösen zu können. Sie nicht zu lösen und zur Vertuschung nicht darüber zu berichten, ist der grundlegend falsche Weg. Sie ansprechen, lösen, und darüber zu reden ist viel besser.
        .

        @ Stefan Sasse 11. Mai 2022, 13:05

        Der Zusammenhang wurde und wird hier aber gerne bestritten.
        Das denkst Du nur, weil Du nicht sorgfältig genug gelesen hast.

        • Stefan Sasse 12. Mai 2022, 18:38

          Ich finde es absolut faszinierend, was für abweichende Wahrnehmungen wir von der Krise haben. Als Gedankenexperiment: manche Menschen betrachten die Klimakrise und das Handeln von Politik und Wirtschaft auf ähnliche Weise, was sie dann radikalisiert oder wenigstens empfänglich macht. Denkst du das ist ein fairer Vergleich?

          Und: – ein schwieriges Unterfangen, wenn man in der Bauwirtschaft unterwegs ist,

          Mörderischer Rassismus hat sich für die Sklavenhalter des Südens problemlos mit einem Engagement in der Baumwollindustrie vertragen. Das ist kein Argument. (Ich unterstelle dir keinesfalls Rassismus, nur als Bemerkung, dass das als Begründung nichts taugt)

          • Erwin Gabriel 12. Mai 2022, 19:56

            @ Stefan Sasse 12. Mai 2022, 18:38

            Ich finde es absolut faszinierend, was für abweichende Wahrnehmungen wir von der Krise haben.

            Ich auch

            Als Gedankenexperiment: manche Menschen betrachten die Klimakrise und das Handeln von Politik und Wirtschaft auf ähnliche Weise, was sie dann radikalisiert oder wenigstens empfänglich macht. Denkst du das ist ein fairer Vergleich?

            Ich habe Null Ahnung, was Du damit meinst.

            Es ging um die Flüchtlingskrise, wo ich die Meinung vertrete, dass die Regierung kommunikativ (und auch operativ, aber das ist nicht der Teil der Diskussion) versagt hat. Hier kam nur (sorry) idealisiertes Gutmenschen-Geschwätz, aber nichts, was den Menschen Sorgen und Angst nimmt, nichts, das zeigt, wo der Weg langführt, wo das Ziel ist. Dies hat die rechten Extemisten befeuert.

            Wenn die Medien mal wieder wochenlang einen Flüchtlings-Sozialbetrüger an den Pranger stellten, kam keine regierungsseitige Reaktion, kein Hinweis auf die vielen ehrlichen Menschen, mit Handlungsankündigungen für die Übeltäter, mit Verbesserung des Systems zur Verhinderung von Wiederholung.
            Nichts. Genau dieses Abtauchen war ein Riesenproblem.

            Bei Corona das Gleiche: Wochenlanger Streit um die richtigen Maßnahmen, rein in die Kartoffeln und wieder raus, so dass am Schluss kein Normalbürger mehr wusste, was Sache war. keine positive klare Kommunikation, sondern Ausweichen, Wegducken, oder gar Schweigen. So etwas befeuert die rechten Extremisten.

            Und: – ein schwieriges Unterfangen, wenn man in der Bauwirtschaft unterwegs ist,

            Mörderischer Rassismus hat sich für die Sklavenhalter des Südens problemlos mit einem Engagement in der Baumwollindustrie vertragen. Das ist kein Argument. (Ich unterstelle dir keinesfalls Rassismus, nur als Bemerkung, dass das als Begründung nichts taugt)

            Ich bin weder ein Sklavenhalter, noch mörderischer Rassist, noch eine Begründung schuldig. Und ich sprach von mir, nicht von Südstaatlern vor 100 Jahren.

            Du kannst das auch nennen, wie Du willst; wenn Dir statt des Begriffs „Erklärung“ Worte wie „Argument“ oder „Begründung“ lieber sind, nimm halt die, und streite über Semantik.

            PS: Ich habe echt das Gefühl, dass Du derzeit mal wieder im Zicken-Modus unterwegs bist.

            • Stefan Sasse 12. Mai 2022, 20:28

              Sorry, war nicht zickig gemeint. Gar nicht! 🙂

              Meine Frage war ernstgemeint. Ich denke, die Sicht, dass die Anliegen nicht ernstgenommen werden und dass trotz einer eminent krisenhaften Situation kein adäquates staatliches Handeln passiert, hat die Klimaschutzbewegung ja auch. Und einige sehen es deswegen als gerechtfertigt, radikale Maßnahmen zu fordern und ggf. zu ergreifen (siehe Extinction Rebellion). Ich habe mich bei deiner Schilderung daran erinnert gefühlt, also ob das quasi ein vergleichbarer Mechanismus ist. Man fühlt sich nicht in seinen Anliegen und Bedenken ernstgenommen und weicht deswegen von der konsensigen Mitte weg. Verstehst wie ich meine?

              Und erneut, es war keine Unterstellung dir gegenüber. Nur ist die Argumentationsform „ich kann kein Rassist sein, weil ich hab einen schwarzen Freund“ ein beliebter Topos, und in die Richtung geht das Argument. Ich habe bisher nie den Eindruck gehabt, dass du rassistisch wärst oder so, mir geht es nur darum, das spezifische Argument nicht zu akzeptieren – auch und gerade, wenn es andere bringen. War quasi ein fehlgeschlagener Versuch der Sensibilisierung. Sorry, erneut.

              • Erwin Gabriel 13. Mai 2022, 11:29

                @ Stefan Sasse 12. Mai 2022, 20:28

                Ich denke, die Sicht, dass die Anliegen nicht ernstgenommen werden und dass trotz einer eminent krisenhaften Situation kein adäquates staatliches Handeln passiert, hat die Klimaschutzbewegung ja auch. Und einige sehen es deswegen als gerechtfertigt, radikale Maßnahmen zu fordern und ggf. zu ergreifen (siehe Extinction Rebellion).

                Ja, das ist vergleichbar. Und das finde ich auch scheiße.
                Und dieses Ignorieren von Problemen, von Totschweigen, von keine Lösungen präsentieren führt zu solchen Auswüchsen.

                Aber wenn Dich das stört (habe ich Dich da richtig verstanden?), kann doch die Lösung nicht sein zu ignorieren, totzuschweigen, sich wegzuducken.

                Man muss sich den Problemen stellen, damit eben klar ist, dass man sich NICHT radikalisieren muss, um weiterzukommen, weil die Regierung das auf dem Radar hat. Dazu muss man kommunizieren.

                Nicht zu kommunizieren führt genau zu diesem von Dir beschriebenen Effekt. Aber Du bevorzugst „totschweigen“? Das ist der Punkt, den ich nicht verstehe.

                • Stefan Sasse 13. Mai 2022, 14:18

                  Nein, ich bevorzuge nicht „totschweigen“, ich bevorzuge es, das Problem anzugehen auf eine andere Weise. Um in meinem Beispiel zu bleiben: die FDP-Wählenden wären mit Sicherheit nicht begeistert, wenn die FDP plötzlich angesichts der Klimakrise die Position übernähme, dass Erneuerbare überall gebaut werden, Atom- und Kohle 2030 abgeschalten werden und wir alle auf Fleisch verzichten müssen. Aber so hat sich der Übernahmediskurs 2016/2017 für mich angefühlt. Und dagegen wehre ich mich. Macht das Sinn?

                  • Erwin Gabriel 14. Mai 2022, 14:16

                    Das, was Du beschreibst (Klimakrise), ist eine globale Entwicklung, auf die wir wenig Einfluss haben (was nicht heißt, dass wir die Hände in den Schoß legen können.

                    2015/2016 war krass hier vor Ort, mit absolut untauglichen Lösungen der Bundesregierung, und bis heute ist weder die Situation noch die gesetzliche Grundlage sauber gelöst.

                    Parallelen nur dabei, dass man sehenden Auges in die Krise rennt.

                    F

  • Thorsten Haupts 10. Mai 2022, 21:12

    Zu g):
    Na, dann gibt´s ja auch keinen Grund mehr, über facebook, twitter und die FakeNews zu klagen :-).

    Zu j):
    Yup. Wer sich auch nur a weng mit Geschichte auskennt, kann zu keiner anderen Schlussfolgerung kommen. Es sei denn ..n

    Zu l):
    Dafür braucht´s ne Studie? Staun. Wer Macht hat, greift nicht die Themen anderer auf, er macht Verordnungen, Gesetze und Budgets. Oder lässt es – dieses Lassen ist, was Teile der Union ihrer Bundeskanzlerin zu Recht übelnahmen.

    Zu n):
    Begründung steht hier
    „Der sogenannte Beihilfekompromiss von 2007 zwischen Bundesrepublik und EU-Kommission besagte, dass bis zum 1. Juni 2009 „der Funktionsauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hinreichend konkretisiert“[18] und insbesondere seine Ausdehnung auf das Online-Angebot definiert wird. Dieser Kompromiss verhinderte ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, das möglicherweise „die Rundfunkfinanzierung in der gesamte[n] EU in Frage“ gestellt hätte.[18]“
    https://de.wikipedia.org/wiki/Depublizieren

    Und ich bin JETZT auch für das sofortige Abschaffen. Mal los, macht hinne!

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 11. Mai 2022, 09:11

      l) Offensichtlich braucht es die, da du noch im selben Satz das Gegenteil behauptest.

      n) Danke für den Kontext.

      • Erwin Gabriel 12. Mai 2022, 10:48

        @ Stefan Sasse 11. Mai 2022, 09:11
        l) Offensichtlich braucht es die, da du noch im selben Satz das Gegenteil behauptest.

        Nein, tut er nicht. Wahrscheinlich steckst Du mal wieder in einer Blase, wenn Du so unsorgfältig liest. Und Du wirst doch nicht allen Ernstes glauben, dass Frau Merkel, hätte sie die Studie gekannt, anders gehandelt (bzw. überhaupt gehandelt) hätte?

        • Stefan Sasse 12. Mai 2022, 18:40

          Quatsch, die hat ihre Daten und Fakten. Der politische Druck zu handeln ist notwendig. Vor allem bei Merkel. Die steht ohne Druck morgens doch nicht mal auf.

          • Erwin Gabriel 12. Mai 2022, 20:07

            @ Stefan Sasse 12. Mai 2022, 18:40

            Quatsch, die hat ihre Daten und Fakten.

            Die Studie sagt sinngemäß, dass es falsch ist, die Standpunkte von (rechts)extremen Parteien zu übernehmen.

            Du behauptest, dass die Studie sagt, es sei falsch, die entsprechenden Themen anzusprechen.

            Merkste hoffentlich selbst …,

            Der politische Druck zu handeln ist notwendig. Vor allem bei Merkel. Die steht ohne Druck morgens doch nicht mal auf.

            Auch hier stehst Du auf dem Schlauch. Thorsten hat gesagt, dass Merkel nicht gehandelt hat, was ein Teil der Partei ihr übelnahm. Du sagst, dass es deswegen Studien braucht.

            Null Zusammenhang, denn ein beliebiges Ergebnis einer beliebigen Studie zu richtigem (Regierungs-)Handeln hätte Merkel nie dazu bewogen, das zu ändern, was sie gerade tat (und sei es auch „nichts“).

            • Stefan Sasse 12. Mai 2022, 20:30

              Ich sehe die Trennschärfe einfach nicht so deutlich. Zwischen „übernehmen“ und „ansprechen“ ist keine so klare Grenze, wie du tust. Aber ich weiß jetzt, was du meinst. Ich argumentiere auch nicht für Ignorieren, aber die zugehörigen Narrative zu übernehmen – allein die Prämisse, es sei eine Krise – halte ich für falsch.

              Und was ich meine ist: solche Studien können dazu helfen, Druck zu erzeugen, weil sie einen signifikanten Teil der Wählenden und Funktionäre überzeugen könnten, dass Handeln notwendig ist. Und bei einer demoskopiesensiblen Politikerin wie Merkel macht das viel.

              • Erwin Gabriel 13. Mai 2022, 11:33

                @ Stefan Sasse

                … aber die zugehörigen Narrative zu übernehmen – allein die Prämisse, es sei eine Krise – halte ich für falsch

                Das ist ja das (Ausnahme: Benennen einer Krise als Krise), was ich sage: Die Narrative nicht übernehmen, sondern dagegen arbeiten.

                Und was ich meine ist: solche Studien können dazu helfen, Druck zu erzeugen, weil sie einen signifikanten Teil der Wählenden und Funktionäre überzeugen könnten, dass Handeln notwendig ist.

                Keine Einwände. Aber es ging um Frau Merkel, und da hätte keine Studie geholfen.

                • Stefan Sasse 13. Mai 2022, 14:19

                  Nun, in meinen Augen war es eben keine Krise. Merkel hatte mit dem „Wir schaffen das“ grundsätzlich schon Recht. Das ging dann kommunikativ nur in die falsche Richtung (und auch von den Maßnahmen her). Aber die grundsätzliche Richtung fand und finde ich gut.

                  • Erwin Gabriel 14. Mai 2022, 15:12

                    @ Stefan Sasse 13. Mai 2022, 14:19

                    Nun, in meinen Augen war es eben keine Krise.

                    Ganz ehrlich, das ist mir zu blöd. Wie naiv muss man sein, um angesichts dessen, was passierte (und was regierungsseitig bis heute nicht passierte), dem Verwaltungschaos, der behördlich durchgeführten Benachteiligung einheimischer Sozialhilfe-Empfänger, der Überstrapazierung von Schulsystemen (nicht der Sozialsysteme – Geld kann man ja beliebig herbei schaffen, nicht wahr?), Terroranschlägen in Frankreich und Deutschland aufgrund nicht vorhandener, nicht eingehaltener oder nicht genutzter Gesetze, Regeln und Kontrollen, bei immer noch mangelhafter mangelhafte Integration etc., NICHT von Krise zu sprechen?

                    Aber ich verstehe jetzt Deine Argumentation an anderer Stelle: Wenn man nicht darüber redet, vergessen Menschen wie Du diese vielen nicht gelösten Probleme (die uns jetzt bei der Ukraine wieder auf die Füße fallen), da sie nicht selber drunter leiden.

                    Mach’s mit den USA genauso: Lies einfach nichts mehr über Republikaner, nichts mehr über Trump, über den obersten Gerichtshof, über Abtreibungsgesetzte und „Don’t say gay“-Scheiß, nenn das nicht Krise der Demokratie, und ruckzuck wird alles wieder gut.

                    Mit absolutem Unverständnis
                    E.G.

                    • Stefan Sasse 14. Mai 2022, 19:01

                      Mir ist ehrlich gesagt unklar, warum du so aggressiv reagierst. Ich behaupte ja nicht, dass alles roger war. Far from it. Ich glaube, wir sind uns in der Bewertung der Reaktion und der Umstände ziemlich einig; wo wir radikal abweichen ist im Narrativ, in das wir das Ganze einfügen. Verstehst wie ich meine? Ich nehme an, dass dich das deswegen auch so triggert.

                    • Thorsten Haupts 15. Mai 2022, 00:16

                      Na ja, das nicht als Krise zu sehen, setzt eine gehörige Naivität oder den festen Glauben an eine rationale Politik voraus. Hochgerechnet auf ein Jahr kamen damals 2 Millionen Menschen pro Jahr, vorwiegend junge Männer, aus kulturfremden Gegenden nach Deutschland, die Masse davon erfahrungsgemäss dauerhaft. Und Politik wie Medien vermittelten damals sehr eindeutig, dass diese Migrationspolitik auf Dauer angelegt war. Dass und wie daraus nichts wurde, hat Robin Alexander in „Die Getriebenen“ nachgezeichnet – aber aus der Perspektive eines Otto Normalverbrauchers war eine dauerhafte unbegrenzte, ungesteuerte und unkontrollierte Massenmigration KEINE Phantasieerzählung rechtsradikaler Rassisten. Und dauerhaft unbegrenzt, ungesteuert und unkontrolliert ist schlicht völlig verrückt, egal, wie man das „narrativ“ einbettet.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 15. Mai 2022, 09:47

                      Ich bin vielleicht nicht Otto Normalverbraucher, aber das war eben ganz und gar nicht meine Wahrnehmung. Es war immer klar, dass das eine einmalige Sondersituation war – daher ja auch „wir schaffen das“, gerade WEIL es kein Dauerzustand werden sollte. Das von dir und Erwin vertretene Narrativ ignoriert außerdem immer die satten Mehrheiten für diese Politik im Sommer und die „Willkommenskultur“, der Umschwung kam erst mit Köln 2016/16.

                    • Stefan Pietsch 15. Mai 2022, 12:20

                      Wieder die Frage: Wie kommst Du darauf? Du begnügst Dich immer mehr damit, Narrative zu behaupten (zuvor schon BP), ohne jeden Beleg. Dazu blendest Du alles aus, was die Geschichte störst – vielleicht weißt Du es aber auch nicht mehr.

                      Deine Geschichte geht so, dass erst die Vorfälle um die Silvesternacht 2016 – fast zwei Jahre nach Öffnung der Grenzen – zu einem Meinungsumschwung führten. An sich nicht schlimm, kam da eine Medienkampagne in Gang.

                      Zur Erinnerung: 2016 war das Jahr, in dem die AfD fulminant durchstartete und in 5 Landesparlamente mit zum Teil deutlich zweistelligen Ergebnissen einzog. Im Januar 2016 – drei Monate nach Beginn der Flüchtlingswelle – sahen nur 38% in der Zuwanderung eher Vorteile, 41% dagegen eher Nachteile.
                      https://de.statista.com/statistik/daten/studie/468805/umfrage/umfrage-zu-den-folgen-der-zuwanderung-fuer-deutschland-nach-bildung-und-einkommen/

                      Im März 2016 artikulierten 3/4 in Umfragen Furcht vor Kriminalität und Terror, zwei Drittel Sorge vor dem Einfluss des Islam. Dies wurde sicher durch die Anschläge im November 2015 in Paris befördert, auch keine Medienkampagne.
                      https://www.welt.de/politik/article190504499/Migration-Was-die-Deutschen-ueber-Zuwanderung-denken-eine-Umfrage.html

                      Einige Monate später, im September 2016, artikulierten 53% (zu 30%), dass durch mehr Zuwanderer verloren ginge, was Deutschland war – unmöglich nur AfD-Wähler.
                      https://de.statista.com/statistik/daten/studie/611543/umfrage/umfrage-zum-einfluss-von-einwanderern-auf-das-wesen-deutschlands/

                      Das wachsende Unbehagen an der „Willkommenskultur“ ließ sich bereits wenige Monate an detaillierten Befragungen und Wahlergebnissen ablesen. Aber manche wollten einfach nicht zur Kenntnis nehmen, was sich da zusammenbraute. Ignoranz ist dafür ein passendes Wort. Die sahen vor allem die Wähler die Union bei ihren Farben: so wenig (51%) wie bei keiner anderen Partei hatten Vertrauen, dass Vertreter der Christenparteien die Probleme wahrnehmen und ansprechen.

                    • Stefan Sasse 15. Mai 2022, 19:05

                      Wir haben nicht den geringsten Dissens bei der Beschreibung dessen, was da passiert ist. Fakt ist aber, dass dieser Umschwung kam, im Jahr 2016, und dass er ziemlich massiv war. Er kam medial, er kam politisch. Und die von dir beschriebene Ignoranz läuft da mit rein, weil es völlig verpasst wurde, einen Gegenentwurf bereitzustellen. Merkel verkündete sim Sommer 2016 (!) halbherzig, dass „wir das schaffen“ (und sie hatte Recht! Wir haben es geschafft). Aber das war auch alles. Ich kann doch nicht einerseits eine lautstarke Minderheit von irgendwas zwischen 20 und 40% haben, die die Lage als Krise empfindet, und das dann einfach laufen lassen. DAS ist das Problem. Die Leute machen sich alle möglichen Sorgen, und das nicht zu Unrecht (siehe Köln, siehe Breitscheidplatz), und werden damit allein gelassen, aber es werden eben auch die allein gelassen, die das nicht so sehen. Wo war denn jemals die Perspektive, wie das Ganze aussehen soll? Bestenfalls gab es die kommunizierte Hoffnung, alles möge sich in Wohlgefallen auflösen. Demgegenüber stand das Apokalypse-Szenario. Was ich mir gewünscht hätte, in aller Verkürzung, wäre ungefähr Folgendes: „Es gibt große Probleme. Aber wir haben eine große Zahl Menschen in kurzer Zeit, da kann das nicht ausbleiben. Wir stärken die Polizei, wir stärken die sozialen Dienste [fill in the rest], und für die überwiegende Mehrheit derjenigen, die sich an die Regeln halten, machen wir XYZ, um sie bestmöglich zu integrieren und die Belastung niedrig zu halten.“ Das hab ich ja seinerzeit unter meinem „Pfad zur Staatsbürgerschaft“ skizziert. Aber das haben sie sich halt auch nicht getraut. Und so galt: In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod. Und Merkel war halt immer der personifizierte Mittelweg.

                    • Erwin Gabriel 15. Mai 2022, 12:30

                      @ Stefan Sasse

                      Hast Du „Youth Quake“ von Tooze gelesen? Siehst Du, welche Entwicklungen in Afrika passieren (auf die ich, by the way, schon 2015 hingewiesen habe)?

                      Wir haben all diesen Leuten gesagt und gezeigt: „Kommt zu uns, hier kriegt Ihr Wohnungen, Geld, Jobs …“

                      Wir haben allen europäischen Partnern (sorry für die harte Ausdrucksweise) damit regelrecht in den Garten geschissen. Hier herrscht gerade nicht die gelassene Ruhe nach der Lösung des Problems, sondern die Ruhe vor dem gewaltigen Sturm.

                      Du kennst Europa gut genug, um zu verstehen, dass keiner diese Welle aufnehmen möchte, und was immer passiert, überall wirst Du hören: Zieht doch weiter nach Berlin, denn die haben „hier“ geschrien“.

                    • Stefan Sasse 15. Mai 2022, 19:10

                      Ja, hab ich gelesen. Da steht uns noch einiges ins Haus.

                      Ich halte es aber für eine Fehlinterpretation zu sagen, die würden nicht kommen, wäre 2015 nicht gewesen. Sie kamen vorher und sie kamen danach. Frontex ermordet sie ständig im Mittelmeer, das hält sie nicht ab. In der Türkei vegetieren sie in Lagern an der syrischen Grenze, das hält sie nicht ab. In Griechenland werden sie unter furchtbarsten, jeglichen Menschenrechten spottenden Bedingungen in Lagern gehalten, hält sie nicht ab. Auf dem Balkan werden sie überfallen, vergewaltigt, ausgeplündert, verprügelt, ermordet. Hält sie nicht ab. Die Lage in den Ursprungsländern ist offensichtlich so scheiße, dass unsere Abschreckung nicht hilft. Mir fehlt immer noch jede Vorstellung, wie das klappen soll, wenn man ein bisschen brutaler wird. Denn viel brutaler kannst du, wenn du auch nur Lippenbekenntnisse zu unseren Werten abgeben und Rechtsstaat behalten willst, nicht mehr werden. Was machen wir denn, wenn wirklich eine „Welle“ kommt? Du kannst du nicht aufhalten, ohne massivste, tödliche Gewalt anzuwenden, wenn die entschlossen genug sind. Sind wir bereit dazu? Wollen wir das? Diese Frage wird nie gestellt. Die AfD ist ehrlich genug zu sagen, dass sie die Leute ermorden wollen, aber das sind halt auch Nazis. Was ist die Antwort darauf? Ich weiß es ehrlich nicht. Aber so viele Menschen kann Frontex gar nicht ertränken.

                    • Stefan Pietsch 15. Mai 2022, 20:18

                      Wir würden nicht jahrelang diskutieren, wenn bei der Flüchtlingskrise nicht das Merkel’sche Kernproblem zum Tragen gekommen wäre: ihre Unfähigkeit zu steuern und Politik zu managen. Was im September 2015 richtig war, konnte und musste im Januar 2016 falsch sein. Zahlreiche Terroranschläge in Westeuropa, verübt von Muslimen, häufig angeblichen Flüchtlingen, vergifteten das Klima. Nicht nachhaltig, zumindest nicht in Deutschland, wie Umfragen zur Zuwanderung zeigen. In Frankreich zeigt sich jedoch ein ganz anderes Bild. Das gesellschaftliche Klima ist vergiftet und auf Ausgleich bedachte mittige Parteien und Kandidaten mittlererweile in der Minderheit.

                      Einwanderungsgesellschaften funktionieren nur, wenn die Zuwanderer eine hohe Integrationsbereitschaft mitbringen. In klassischen Einwanderungsländern wird diese Bereitschaft über die Arbeitsmärkte und wenig komfortablen Sozialsysteme regelrecht erzwungen. Deutschland ist anders. Konsequenzen daraus zu ziehen, wie es die skandinavischen Länder getan haben, fällt uns immer noch schwer, ja, ist uns offensichtlich weitgehend unmöglich.

                    • Stefan Sasse 15. Mai 2022, 20:49

                      Jetzt bin ich verwirrt: wenn das Klima nachhaltig NICHT in dem Land vergiftet wurde, wo Merkel regierte, aber dort, wo sie NICHT regierte, wie passt das denn dann zu der harschen Kritik?

                    • Stefan Pietsch 15. Mai 2022, 22:35

                      Nicht nachhaltig. Eine Umfrage sowie der Niedergang der AfD und die Stärkung der Mitte-Parteien zeigen, dass sich die Stimmung beruhigt hat. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass die Terroranschläge in Deutschland zurückgegangen sind. In Frankreich ist die Situation durchaus anders. Zwar keine schweren Terroanschläge, aber viele gesellschaftliche Konflikte.

                    • Stefan Sasse 15. Mai 2022, 22:43

                      Ja, aber die haben wir doch auch…?

                    • Stefan Pietsch 15. Mai 2022, 23:41

                      Nicht im Vergleich zu Frankreich.

                      Die Konflikte lassen sich bis in die Equipe Tricolore (Nationalmannschaft) beobachten. Das gibt es in der deutschen Auswahl in dieser Ausprägung nicht.

                    • Erwin Gabriel 16. Mai 2022, 15:31

                      @ Stefan Sasse 15. Mai 2022, 19:05

                      Wir haben nicht den geringsten Dissens bei der Beschreibung dessen, was da passiert ist.
                      Sagen wir mal so: … Was passiert ist, als sie nun mal da waren“.
                      Hast Du nicht mitbekommen, wie verzweifelt (und vergeblich) das UN-Flüchtlingshilfswerk um Hilfe bettelte? Hast Du nicht die wachsende Unruhe mitbekommen in den Monaten, als sich die Menschen über Monate auf den Weg machten, ohne dass dazu irgendeine Kommentierung aus Berlin zu hören war? Hast Du nicht verfolgt, wie Europa langsam, aber sicher in Panik verfiel? Hast Du nicht mitbekommen, wie die CDU-Basis den Aufstand übte und von oben verbal regelrecht „niedergeknüppelt wurde? Und als der monatelange Fußmarsch vor unserer Haustür endete, war man in Berlin überrascht? Ich war fassungslos über eine derart dümmliche Reaktion.

                      Merkel verkündete im Sommer 2016 (!) halbherzig, dass „wir das schaffen“ (und sie hatte Recht! Wir haben es geschafft).
                      Was haben wir geschafft – außer, das Thema aus den Medien zu bringen … ?
                      Nichts. Ist die Wohnraum-Frage zufriedenstellend gelöst? Ist die Bildungs-Frage zufriedenstellend gelöst? Ist die Integration zufriedenstellend gelöst? Wenn Du dreimal „ja“ sagst, bedeutet für Dich die Problemlösung, dass man nicht mehr darüber spricht.
                      Es gibt keine amtlichen und korrekten Zahlungen über Zuwanderung; man schweigt sich einfach aus. Es gibt keine amtlichen und korrekten Zahlen zum Thema Abschiebung; man schweigt sich einfach aus.

                      Ich kann doch nicht einerseits eine lautstarke Minderheit von irgendwas zwischen 20 und 40% haben, die die Lage als Krise empfindet, und das dann einfach laufen lassen.
                      Und hier ist ein Beleg für meine Annahme: Du zählst nur die, die „lautstark“ sind.

                      “Wir stärken die Polizei, wir stärken die sozialen Dienste [fill in the rest], und für die überwiegende Mehrheit derjenigen, die sich an die Regeln halten, machen wir XYZ, um sie bestmöglich zu integrieren und die Belastung niedrig zu halten.“
                      Nicht nur die Ansage fehlt(e), sondern auch effektive Bemühungen, diese Notwendigkeiten umzusetzen. So viele Politiker, die (z.B. in NRW-Wahlkampf) fordern, die Polizei zu stärken. Auf die Frage nach dem „wie“ heißt es: Wir wollen mehr Polizist:innen einstellen“.
                      Außer dieser Absichtserklärung läuft alles weiter wie bisher. Und wie gesagt: Die Bundesregierung hat zwar keine der Probleme gelöst (und ist viele noch nicht einmal angegangen), aber sie hat eine Einladung an die Welt ausgesprochen.
                      Du gehst davon aus, dass das „Problem“ (= keine Krise) 2016 begann und abgeschlossen ist. Es begann ein gutes Stück früher, und ist noch lange nicht zu Ende.

                      Ich halte es aber für eine Fehlinterpretation zu sagen, die würden nicht kommen, wäre 2015 nicht gewesen.

                      Das habe ich nicht behauptet.

                      Denn viel brutaler kannst du, wenn du auch nur Lippenbekenntnisse zu unseren Werten abgeben und Rechtsstaat behalten willst, nicht mehr werden.

                      Ich glaube nicht, dass ich Deiner starker Ausdrucksweise zustimmen würde, aber ich verstehe, was Du damit sagen willst.

                      Der Punkt ist: Lassen wir alle rein, die wollen, gehen wir unter. Können wir die alle ernähren, geschweige denn, auf unseren durchschnittlichen Lebensstandard bringen (denn das ist die Erwartungshaltung)?

                      Du kannst du nicht aufhalten, ohne massivste, tödliche Gewalt anzuwenden, wenn die entschlossen genug sind. Sind wir bereit dazu? Wollen wir das? Diese Frage wird nie gestellt.

                      Sind wir bereit? Diese Frage stelle ich hier seit Jahren. Von Dir höre ich nur, dass Du Dich um eine Antwort drücken möchtest, weil Dich beide Alternativen erschrecken.

                      Aber die Krise leugnest Du?

                      PS: Ein Wort zu meiner Aggressivität. Wie reagierst Du auf jemanden, der die Regierungszeit von Trump miterlebt hat, den Umbau des Rechtssystems mit aktuellen Einschränkungen (Abtreibung, „Don’t say gay“), die aussenpolitischen Katastrophen (angepeilter Nato-Ausstieg, Russland-Politik), die offensichtliche Bevorteilung Superreicher, den Sturm aufs Capitol, die massiven Versuche zur Wahlfälschung etc., der sich jeden Deiner Beiträge durchliest, und jedes Mal sagt „so schlimm ist das doch gar nicht“, „eine Demokratie hält das aus“, „Trump ist weg, jetzt sind alle Probleme auch weg“?

                    • Stefan Sasse 16. Mai 2022, 16:17

                      Die deutsche Flüchtlingspolitik war die ganze Zeit scheiße, nicht erst seit 2015. Dublin II, die Lebenslüge dass man nicht betroffen sei, als Italien, Spanien und Griechenland schon in den frühen 2010er Jahren um Hilfe schrieen, und so weiter.

                      Was heißt „zufriedenstellend“? Was wird denn je „zufriedenstellend“ gelöst? Es ist keine Krise. Ja, die Wohnungssituation bleibt angespannt, ja, die Integration läuft nicht sauber, und so weiter, es ist alles nicht super, an vielen Stellen auch mies, aber es ist halt keine KRISE.

                      Nein, ich berufe mich auf die Demokskopie. Wie haben Meinungsumfragen dazu! Genauso wie auch bei Corona, by the way, die Stefan gerne ignoriert.

                      Sorry, „Einladung an die Welt“ wurde einfach nicht ausgesprochen. Das ist einfach nicht wahr. Und auf dem Niveau, wie wenn ich die FDP damit bashen will, dass sie „den Sozialstaat zerstören“ wollen. Das stimmt auch so irgendwie in der Maximalauslegung, aber eigentlich halt nicht.

                      Wir können nicht alle reinlassen, die reinwollen, da sind wir völlig beisammen. Wir können aber auch nicht alle gewaltsam aufhalten. Was ist die Kosnequenz? Fehlt mir komplett, aber von allen Seiten.

                      PS: Verständlich. Aber du rufst mich ja dann auch zur Ordnung 🙂

                    • Erwin Gabriel 17. Mai 2022, 14:44

                      @ Stefan Sasse 16. Mai 2022, 16:17

                      Die deutsche Flüchtlingspolitik war die ganze Zeit scheiße, nicht erst seit 2015. Dublin II, die Lebenslüge dass man nicht betroffen sei, als Italien, Spanien und Griechenland schon in den frühen 2010er Jahren um Hilfe schrieen, und so weiter.

                      Mein Reden seit jeher.

                      Es ist keine Krise.

                      Andere sehen im Klimawandel keine Krise, weil es ihnen nicht wehtut. Andere sehen in Trump keine Krise, weil es ihnen nicht wehtut. Du siehst bei der Zuwanderung keine Krise, weil es Dir nicht wehtut.

                      Einmal mehr sicherheitshalber zur Klarstellung: Wir sind auf Einwanderung in unsere Arbeitswelt DRINGEND angewiesen, da wir nur über den Zuwachs an Bio-Deutschen unsere Gesellschaft nicht aufrecht erhalten können. Aber mit Einwanderung in unser Sozialnetz werden Probleme nicht behoben, sondern verschlimmert, und dass hier Geld verteilt wird, hat sich in der Welt herumgesprochen.

                      Sorry, „Einladung an die Welt“ wurde einfach nicht ausgesprochen.

                      Sorry, wurde doch. Mehrsprachig. Hatte ich schon mal gepostet.

                      Wir können nicht alle reinlassen, die reinwollen, da sind wir völlig beisammen. Wir können aber auch nicht alle gewaltsam aufhalten. Was ist die Konsequenz?

                      Deine Konsequenz wird zwangsläufig sein, alle reinzulassen, auch dann, wenn Du irgendwann verstehen wirst, was damit angerichtet wird.

                    • Stefan Sasse 17. Mai 2022, 16:18

                      Ja, aber was ist denn dein Vorschlag? Maschinengewehrbataillon auf Lesbos stationeren? Frontex mit Autokannonen ausrüsten?

                    • Erwin Gabriel 18. Mai 2022, 17:58

                      @ Stefan Sasse

                      Mein ideal wäre, ein Schema zu entwickeln, dass man klar entscheiden kann, wer darf und wer nicht.

                      Und die Menschen, für die das nicht funktioniert, müssen draußen bleiben. Das muss festgestellt werden, bevor sie in unser Land kommen.

                      Den Rest abhalten, wenn es sein muss, mit allen erforderlichen Mitteln staatlicher Gewalt. Nur so ist es möglich, zumindest einer kleinen Gruppe den Aufenthalt hier zu gestatten.

                    • Stefan Sasse 18. Mai 2022, 18:46

                      Dieses Ideal teilen wir.

                      Ich fürchte, die Migrationsthematik verhält sich wie die Bekämpfung des Klimawandels: sinnvoll nur dann möglich, wenn alle sich koordinieren und an einem Strang ziehen. Wie wahrscheinlich das ist, wissen wir ja. Düstere Aussichten.

    • Erwin Gabriel 12. Mai 2022, 10:45

      @ Thorsten Haupts 10. Mai 2022, 21:12

      Zu l):

      Dafür braucht´s ne Studie? Staun.

      Ich staune auch, brauche keine Studie, und denke lieber selbst.

      Wäre doch mal interessant zu sehen, was das mit der Stimmung der Lehrerschaft macht, wenn man die Probleme von „Corona im Klassenzimmer“ ignoriert und totschweigt …

      Ooops, hat man ja, statt sie aufzuarbeiten und zu lösen.

      Wer Macht hat, greift nicht die Themen anderer auf, er macht Verordnungen, Gesetze und Budgets. Oder lässt es …

      Yep; je nach Fähigkeit

  • sol1 10. Mai 2022, 21:27

    j) Die Darstellung ist arg verkürzt, wie schon ein Abgleich mit der Wikipedia zeigt:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Antifaschismus

    Und der Schluß ist albern, denn wenn der Begriff „Antifaschisten“ wegen der kommunistischen Verwendung diskreditiert sein soll, könnte man das genauso gut für den Begriff „Demokraten“ geltend machen, denn schließlich nannte sich Ostdeutschland „Deutsche Demokratische Republik“.

    Antifaschisten heute (und ich zähle mich da hinzu) sind Leute, die Informationen über die extreme Rechte sammeln, die es fünf oder zehn Jahre später in die Berichte des Verfassungsschutzes schaffen. Und Putins Regime hat ja auch weit mehr mit dem von Mussolini gemein als mit dem von Hitler, weswegen ein aktualisierter Faschismusbegriff durchaus nützlich ist.

    • CitizenK 12. Mai 2022, 07:08

      So wie Du den Begriff verwendest, stimme ich zu. Ist aber sehr (mMn zu) feinsinnig gedacht. Entscheidend ist die tatsächliche Verwendung, und da hat er etwas Sektenartiges: „Antifa!“ als Graffiti auf vielen Hauswänden. Wie unbrauchbar der Begriff geworden ist, zeigt der Missbrauch durch die Putinisten, das kriegst Du nicht mehr aus der Welt.

      • Erwin Gabriel 12. Mai 2022, 20:14

        @ CitizenK 12. Mai 2022, 07:08

        Entscheidend ist die tatsächliche Verwendung, und da hat er etwas Sektenartiges: „Antifa!“ als Graffiti auf vielen Hauswänden. Wie unbrauchbar der Begriff geworden ist, zeigt der Missbrauch durch die Putinisten, das kriegst Du nicht mehr aus der Welt.

        Da bin ich bei Dir, das trifft eher meine Wahrnehmung. Von den Leuten, denen ich begegnet bin und die sich selbst so bezeichnen, bin ich eine deutlich weitere Auffassung des Begriffs Faschist gewohnt; begann bereits leicht links der Mitte und schloss pauschal das bürgerliche Laber ein.

        Aber gegen die „Ausformung“ á la sol1 ist nichts einzuwenden, so ist das eine gute Sache.

        • Stefan Sasse 12. Mai 2022, 20:31

          Korrekt. Deswegen hab ich dem ganzen Haufen auch nichts an der Backe.

    • Erwin Gabriel 12. Mai 2022, 20:10

      @ sol1 10. Mai 2022, 21:27

      Antifaschisten heute (und ich zähle mich da hinzu) sind Leute, die Informationen über die extreme Rechte sammeln, die es fünf oder zehn Jahre später in die Berichte des Verfassungsschutzes schaffen.

      Damit komme ich gut klar.

      Und Putins Regime hat ja auch weit mehr mit dem von Mussolini gemein als mit dem von Hitler, weswegen ein aktualisierter Faschismusbegriff durchaus nützlich ist.

      Die Frisur 🙂

      Spaß beseite, da stimme ich dir zu.

      • Stefan Sasse 12. Mai 2022, 20:31

        Pfff, Putin verliert einfach nur Haare wie ein x-beliebiger alter Mann. Bei Mussolini war das Stil. 😀

  • cimourdain 10. Mai 2022, 22:13

    5) Ich habe mir die zwei Thesen des Artikels
    – Russland hat eine nach westlichen Staaten gewaltbereite Gesellschaft
    – Das ist ein Relikt aus den 90ern
    anhand des Indikators Mordrate angesehen. Die Statistik unterstützt beide:
    https://www.indexmundi.com/facts/indicators/VC.IHR.PSRC.P5/compare?country=ru#country=de:ru:us

    10) Weil die Kommentare zeigen, dass es falsch verstanden wird: Die bayrische 10G-Regel ist kein echtes NIMBY-Thema. Sie ist in der Bauordnung festgelegt und damit Teil des öffentlichen Rechts. Selbst wenn alle in der Gemeinde dafür sind, darf die Gemeinde eine Windkraftanlage, die dagegen verstößt, nicht genehmigen.

    j) Wir erleben gerade die größte Reinwascheaktion für westnützliche Nazis seit der Operation Paperclip. Die „Welt“ macht es hier besonders unverschämt vor (wer erkennt alle vier verschiedenen Nazisymbole im Bild ?):
    https://twitter.com/welt/status/1517402720390586368/photo/1

    • sol1 10. Mai 2022, 23:29

      „Wir erleben gerade die größte Reinwascheaktion für westnützliche Nazis seit der Operation Paperclip.“

      Der Artikel ist mir wegen der Paywall nicht zugänglich.

      Den Autor Anton Schechowzow kenne ich allerdings schon seit 2014 als Experten für Rechtsextremismus, und in einem aktuellen Interview äußert er sich wie folgt:

      /// Ich war damals sehr kritisch gegenüber dieser Gruppe. Weil die Asow-Leute rechtsextremistisch waren und weil man nicht wusste, was ihre Mitglieder alles tun würden, wenn man sie für die Ukraine kämpfen lassen würde. Für mich war es auch eine Frage, wie loyal diese Leute zur Ukraine stehen würden. Sie waren zur Zeit der Maidan-Revolution im Gefängnis und nicht Teil davon. Vielleicht würden sie ihre Waffen gegen den ukrainischen Staat richten.

      ZEIT: Es gab damals Vorwürfe, das Asow-Bataillon habe Menschenrechte verletzt.

      Shekhovtsov: Ja, es gab Vorfälle, in denen Asow-Kämpfer das Kriegsrecht verletzten. Sehen Sie, diese Leute waren nie ausgebildet worden, sie waren unprofessionell. Das hatte weniger mit der Ideologie zu tun als mit dem geringen Ausbildungsstand, sie waren einfach keine Berufssoldaten. Das galt übrigens auch für andere Bataillone jener Zeit. Sie waren einfach Leute, die von der Straße geholt wurden, um zu kämpfen.

      ZEIT: Von welchen Menschenrechtsverletzungen reden wir?

      Shekhovtsov: Die wesentlichen Rechtsbrüche waren vor allem illegales Festhalten und die illegale Gefangennahme von Zivilisten.

      ZEIT: Was hatte die Gruppe „Patriot der Ukraine“ damit zu tun?

      Shekhovtsov: Diese Gruppe bildete den Kern des Asow-Bataillons bis 2016. Ihr Anführer und Kommandeur hieß Andrij Bilezkyj, ein bekannter ukrainischer Rechtsextremist.

      ZEIT: Doch diese Leute blieben nicht bei der Asow-Einheit?
      Shekhovtsov: Nein, ihr Einfluss ging seither stark zurück. Asow wurde zunächst Ende 2014 von einem Bataillon in ein Regiment umgeformt, dann wurde es der Nationalgarde unterstellt. Wegen ihrer Verteidigung von Mariupol im damaligen Krieg wurde die Asow-Einheit sehr populär, und viele junge Leute traten bei, ohne irgendeinen politischen Hintergrund zu haben. Asow als militärische Einheit wuchs gewaltig, die politischen Kämpfer gerieten in die Minderheit.

      ZEIT: Damit hätten sie immer noch den Kurs bestimmen können.

      Shekhovtsov: Die Gruppe „Patriot der Ukraine“ versuchte damals tatsächlich, politisches Kapital zu schlagen aus ihrer Verbindung mit Asow. Sie gründete 2016 eine politische Partei. Doch es gab ein Gesetz, um die Verbindung zu unterbrechen. In der Ukraine durfte man nicht mehr in der Polizei oder Armee sein und zugleich einer politischen Partei angehören. Deshalb mussten die Mitglieder von „Patriot der Ukraine“ das Asow-Regiment verlassen. Damals trennten sich die Partei und das Regiment vollständig. Und diejenigen, die mit der Partei womöglich noch sympathisierten, hatten den Befehl, der demokratischen Regierung zu folgen. ///

      https://www.zeit.de/2022/19/anton-schechowzow-asow-rechtsextremismus/komplettansicht (Paywall-Umgehung: https://archive.ph/84yVj)

    • Stefan Sasse 11. Mai 2022, 09:13

      5) Danke.

      10) Ja, hast Recht, NIMBY ist hier wenig relevant, sondern politische Obstruktion.

      j) Feind meines Feindes…

    • Dennis 11. Mai 2022, 09:29

      j)
      Es ist womöglich ein gewisses Problem, wenn der Satz gelten soll: Wir verbünden uns in diesem Krieg mit der Ukraine nur, wenn da alles 100%ig sauber und rein ist – gemäß hiesigen aufklärerisch-liberalen (in diesem Fall mal als traditioneller Allgemeinbegriff) Vorstellungen, die hiesig allerdings auch nicht von allen geteilt werden; womöglich eher von nitt so ganz vielen^.

      Erstmal müssen die durch den Polit-Gesinnungs-TÜV. Das wäre allerdings ziemlich riskant. Die Korruption ist massiv, Oligarchentum ähnlich wie in Russland, ferner geht’s politisch wohl eher in Richtung irgendwas zwischen Orban und Kaczyński.

      Wokemäßig gesehen schaut das jedenfalls alles nicht so gut aus, da unten. Allerdings stellt sich angesichts der Lage die Frage nach angemessenen Kriterien. Politisch nach porentiefer Sauberkeit fahnden ist eine nette Freizeitbeschäftigung in der Komfortzone. Und außerdem: Im Dreck spielen, insoweit nicht wirklich giftig, soll im Übrigen ja das Immunsystem stärken, welches in politics eigentlich immer stark sein muss, egal wo.

  • cimourdain 11. Mai 2022, 09:33

    a) Selbst Trump hat das Recht, dass wir bei solchen Vorwürfen genau hinschauen: Das Zitat lautet: „Can’t you just shoot them? Just shoot them in the legs or something?“
    Erstens handelt es sich nicht um einen Befehl, sondern eine Frage (Ich glaube nicht, dass Trump die Geschichte von Thomas Becket kennt.).
    Zweitens nicht er-schießen sondern Be-schießen.
    Drittens wäre der richtige Hillary-Clinton Vergleichsmaßstab folgendes Zitat von ihr über Julian Assange: „Can’t we just drone this guy ?“

    • Stefan Sasse 11. Mai 2022, 13:03

      Ok, das stimmt natürlich. Aber es ist halt nicht eben so, dass das Einzelfälle wären. Bei Clinton musste niemand zurücktreten, weil sie versucht hätte, ihn ernsthaft zu „dronen“, während mehrere Leute ausgesagt haben, dass sie Trump bei solchen Sachen stoppten. Es ist also einfach wesentlich glaubwürdiger. Und was das überhaupt nicht berührt ist der Umfang, der dem in der Berichterstattung gewidmet wird.

      • Erwin Gabriel 12. Mai 2022, 10:38

        @ Stefan Sasse 11. Mai 2022, 13:03

        Ok, das stimmt natürlich.

        Ächz …

  • Dennis 11. Mai 2022, 11:59

    3)
    Anders als früher mal heißt weißer Kragen ja nicht mehr: Ökonomisch oberhalb derer mit dem blauen, zumal deswegen nicht, weil Letztere wegen des technologischen Wandels, also in Ermangelung eines Biotops, erheblich dezimiert sind. Das ist alles verrutscht und ökonomische Klassen sind gar nicht mehr so ohne Weiteres „sauber“ identifizierbar. Der Facharbeiter bei VW mit allem tariflichen Drum und Dran wird mit einem akademisch ausgebildeten Feld-Wald-und-Wiesen-Anwalt in Frankfurt oder Berlin nicht unbedingt tauschen wollen, beispielsweise.

    Zitat:
    „All das macht aber, besonders wenn man die gesellschaftlich-progressive Ausrichtung der Democrats bedenkt, mit der viele in dieser Schicht nichts anzufangen wissen, “

    Auch die „alte“ Arbeiterklasse war weiland bei gesellschaftlichen Themen rechts. Ökonomisch links und gesellschaftspolitisch links waren schon immer gaaaaaaaanz verschiedene Schubladen. Wegen Wokism bzw. Wokism avant la lettre wurden die linken Parteien von denen da unten noch nie gewählt.

    4)
    Zitat:
    “ wäre ich über Tipps in den Kommentaren auch dankbar.“

    Hab leider nur einen ganz schlichten Tip 🙁 : Der Krieg brutalisiert alle. Dass es dazu bestimmte Vorgeschichten braucht, z.B. irgendwas mit gesellschaftlich ganz unten, Nationalcharakter oder ähnlicher Quatsch oder dass beispielsweise gehobene Herrschaften aus dem Bildungsbürgertum über eine Art statusbedingte Feiung verfügen halte ich für ein nicht belegbares Gerücht. Die Feiung gibt es nicht.

  • Thorsten Haupts 14. Mai 2022, 12:00

    Hab leider nur einen ganz schlichten Tip : Der Krieg brutalisiert alle.

    Das reicht als Erklärung einfach nicht aus. Als historisches Anschauungsbeispiel: Die deutsche Wehrmacht hat sich sowohl in der Offensive 1940 wie in der Defensive 1944/45 nur weniger Kriegsverbrechen im Westen Europas schuldig gemacht. Und die waren so geartet, dass die Alliierten ähnliche in ihrer Offensive 1944/45 begangen haben (grob verkürzt das vereinzelte Quälen oder Erschiessen von Kriegsgefangenen).

    Im Osten dagegen waren Kriegsverbrechen in den Vormarsch organisch eingebaut (die Belagerung Leningrads z.B. hatte das militärisch offen verkündete Ziel, möglichst viele Zivilisten über Verhungern in den Tod zu treiben).

    „Brutalitsierung des Krieges“ ist für die Kriegsverbrechen im Westen als Erklärung hinreichend, für die im Osten nicht. Und das, was von den Russen in der Ukraine verübt wird, geht weit über die Brutalisierung durch den Krieg hinaus.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 14. Mai 2022, 18:29

      Bin ich völlig bei dir.

    • Dennis 15. Mai 2022, 09:47

      Okay, einverstanden. Aber das heißt doch im Wesentlichen, dass die Handelnden (sag ich mal neutral um die angeblich saubere Wehrmacht nicht zu beschmutzen^) im Osten offenbar erfolgreich angefixt wurden. Auch gebildete Leute gelangten offenbar reichlich zu der Auffassung, dass die Juden verschwinden müssen und die Slawen am besten gleich mit; wie, ist egal.

      Im Westen wollte der NS-Staat eine etwas mildere Gangart und keine Ausrottungsmaßnahmen; außer, was Juden betrifft natürlich. An der entsprechenden Mordlust haben sich bekanntlich auch Franzosen bereitwillig beteiligt. Hätten die das im Frieden auch so locker gemacht?

      Also, wie kommt das denn, dass man für Gräueltaten aller Art unter Kriegsbedingungen immer reichlich Personal fand und findet? Unter den Umständen eines Krieges ist „zivilisiertes“ Gebaren leicht aufhebbar; darum geht es. So sah das offenbar auch Herr Hitler: Man muss Kriegsbedingungen herstellen, dann funzt die Ausrottung der Juden problemlos.

      Man kann auch nicht sagen, bei den Russen klappt so was, weil die plump und ungebildet sind, bei den kulturell hochkarätigen Deutschen beispielsweise ist das anders. Lach.

      • Stefan Sasse 15. Mai 2022, 18:56

        „Angefixt wurden“ klingt danach, als ob das alles Zufall wäre. Schau mal hier rein:
        https://www.bpb.de/themen/nationalsozialismus-zweiter-weltkrieg/der-zweite-weltkrieg/201407/reichenau-befehl-zum-verhalten-der-truppe-im-ostraum/

        Diese Enthemmung war ja von Anfang an geplant und wurde organisiert herbeigeführt. Das kannst du eben NICHT unter „im Krieg passieren halt schreckliche Dinge“ packen.

        • Dennis 16. Mai 2022, 10:13

          Angefixt wurden die natürlich zielgerichtet von Leuten wie Reichenau. Der Punkt ist der, wie gut das funktioniert und wie problemlos das nach „unten“ weitergereicht werden kann. Dass sodann massenhaft die Hüllen, also die ethischen Hüllen, fallen gelassen werden, ist die Problemlage. Im ruhigen konsumeristischen, bürgerlichen Leben zu Hause klappt das nicht so ohne Weiteres; also „mit Weiteres“, und damit sind wir beim Krieg.

          • Stefan Sasse 16. Mai 2022, 16:00

            Genau. Notwendige, nicht hinreichende Bedingung. Timothy Snyder hat das ziemlich gut untersucht, falls du „Bloodlands“ noch nicht kennst.

  • CitizenK 16. Mai 2022, 10:24

    Aber auch das sollte man wenigstens zur Kenntnis nehmen:

    „Die Eingliederung von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt funktioniert besser als bei früheren Flüchtlingsströmen wie in den Neunzigerjahren.

    Mitte 2016 hatten nur sieben Prozent der Flüchtlinge einen Job. Im Oktober 2019 werden 40 Prozent arbeiten, zeigen neue Zahlen.
    Jeder zweite Flüchtling arbeitet als Helfer, die andere Hälfte als Fachkraft oder Spezialist.“

    https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/fluechtlinge-arbeit-integration-bilanz-1.4581653

  • Thorsten Haupts 16. Mai 2022, 12:29

    Leicht OT:

    Ich nutze den Platz hier mal, um mich jetzt festzulegen:

    1) Russland wir den von ihm angezettelten Krieg in den nächsten paar Monaten verlieren
    2) Die russische Armee in der Ukraine wird in den nächstzen 6 bis 12 Wochen kollabieren
    3) Die Ukaraine, so ihr kein Waffenstillstand (durch uns) aufgezwungen wird, hat beste Chancen, sowohl den Donbass als auch den Südteil der Ukraine (minus Krim) wiederzugewinnen
    4) Der Zustand der russischen Streitkräfte ist schlechter, als er das in der Sowhetunion unter Stalin nach gross angelegtn Säuberungen der Kommandoebene 1940 war
    5) Das grösste existierende Restrisiko für den Verteidgungskampf der Ukraine ist der panikinduzierte Einsatz chemischer oder nuklearer Waffen durch Russland

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 16. Mai 2022, 16:07

      Why not:

      1) Ich bin nicht so optimistisch, aber ich sehe sie auch nicht gewinnen. Ich prognostiziere mal nen frozen conflict.
      2) Dito.
      3) Ich sehe leichte Gebietsgewinne möglich, aber nicht den Donbass.
      4) Puh, das ist ne ganz schöne Hausnummer. Aber auch schwer vergleichbar, weil völlig unterschiedliche Größen und Armeen.
      5) Ja.

    • Erwin Gabriel 16. Mai 2022, 18:48

      @ Thorsten Haupts 16. Mai 2022, 12:29

      Ich nutze den Platz hier mal, um mich jetzt festzulegen: …

      Klingt für mich überzeugender als alles andere, was ich bis jetzt im Fernsehen gehört habe. Ich würde vielleicht ergänzen, dass die Lieferung schwerer Waffen Voraussetzung ist, aber das sieht ja derzeit ganz gut aus (soweit etwas in einem Krieg „gut“ aussehen kann).

      PS: Grundsätzlich verursacht mir eine sachliche, faktische Kriegsberichterstattung immer einen Kloß im Hals, aber mir ist klar, dass man für bestimmte Denkansätze so schauen muss.

      Ich würde gerne einen ausführlicheren Beitrag von Dir zu dem Thema lesen. Geht das?

      Viele Grüße
      E.G.

      • Thorsten Haupts 16. Mai 2022, 19:31

        Puh. Ich bin nicht so gut, wie einige der Analytiker, auf deren Arbeit plus meine Ausbildung ich mich stütze – aber ich versuche es mal. Versprochen. Wird mindestens eine Woche dauern.

        • CitizenK 17. Mai 2022, 08:52

          Vielleicht könntest du das präzisieren:
          „Verlieren“ heißt? Kompletter Rückzug außer Krim?
          „Kollabieren“ heißt? Was ist mit den HighTech-Waffen?
          Die Fähigkeit, fast dem ganzen Land des Strom abzustellen, haben die Russen ja immer noch. Und die Transportwege (Schienen) für Weizen und Waffen zu zerstören, auch.

          „Die Ukraine könnte gewinnen“, lese ich vielfältig. Was heißt das genau? Status Quo ante? Und was heißt „Russland wird das nicht hinnehmen“ in Bezug auf den NATO-Beitritt von Finnland und Schweden?

          Was das Risiko einer Panik-Reaktion für uns bedeuten könnte, muss man nicht ausführen. Sogar in der Sowjetunion gab es ja noch Gremien neben der Staatsspitze, die notfalls Stop sagen konnten. Die gibt es, soweit ich sehe, im Putin-Regime nicht mehr.

          • Thorsten Haupts 17. Mai 2022, 10:32

            Verlieren: Die russischen Truppen werden über den Status Quo Ante hinaus aus der Ukraine vertrieben, danach hält Russland nur noch die Krim.

            Kollabieren heisst, 2/3 oder mehr der in der Ukraine eingesetzten russischen Truppen verlieren die Fähigkeit zu organisiertem Angriff oder organisierter Verteidigung.

            In Bezug auf Finnland oder Schweden wird Russland genau eines tun – nichts.

            Das Risiko einer Panikreaktion ist für uns (NATO/EU) überhaupt nicht beeinflussbar und daher schlicht hinzunehmen. Die Alternative ist, den Russen zu geben, was auch immer sie haben wollen.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

      • Stefan Sasse 17. Mai 2022, 10:08

        Fände ich auch gut.

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