Die Sanktionierung der langen Nasen im Urteil von Karlsruhe

Mit ihrem Urteil zu den umstrittenen Hartz-IV-Sanktionen haben die obersten Richter des Landes einen vorläufigen Schlusspunkt unter eine Debatte gesetzt, die so alt ist wie die Arbeitsmarktreformen der Regierung Schröder. Darf der Staat auch dann arbeitsunwillige Sozialleistungsempfänger sanktionieren, wenn die Transfers des Staates gerade mal das Existenzminimum abdecken? Das dezidiert linke Lager bestehend aus der Linkspartei und den früheren Regierungsbeteiligten von den Grünen hatte dazu immer eine klare Haltung, die Schonung und Mäßigung gerade gegenüber jenen verlangten, welche das Solidarsystem ausnehmen. Anders herum wurde die Frage gestellt, ob sich der Staat gerade von Bürgern auf der Nase herumtanzen lassen muss, die kein sichtbares Interesse daran haben, ihre Notlage aus eigener Kraft (und notfalls mithilfe eines Sozialarbeiters) zu beenden. Wer die Leitsätze des heutigen Urteils aufmerksam liest, kann sich über die ersten Schlagzeilen nur wundern, wonach ein Teil der langjährigen Sanktionspraxis verfassungswidrig sei.

Die Partei die LINKE verdankt im Grunde dem Sanktionsregime der Arbeitslosengeld-2-Regelungen ihre nun 14jährige Existenzberechtigung. Lange speiste sich die Zustimmung der Partei in Wahlen aus der Wut vieler Langzeitarbeitsloser, die nicht einsehen wollten, auch der Gesellschaft Solidarität zu schulden. Ein Frevel sei es, jenen noch das letzte Stück Brot zu nehmen, die ohnehin am Existenzminimum darben. In diesem Bereich der sozialen Fürsorge, so die weitverbreitete Sicht, müssten es Staat und Bürger hinnehmen, wenn Bedürftige eine zumutbar erscheinende Arbeit nicht annähmen. Weniger als Existenzminimum ginge in einem Staat nicht, der sich als sozial begreife.

Doch diese Sicht sprang immer weit zu kurz, denn im Grunde liefe eine solche Betrachtung auf ein bedingungsloses Grundeinkommen hinaus, das weder gewollt ist noch eine Mehrheit in der Gesellschaft findet. Die Gewährung von Sozialleistungen ist immer an die Bedürftigkeit des Bürgers zu koppeln. Dieser Grundsatz, der das Fundament jeder Solidargemeinschaft bildet, ist längst in den linken Parteien verloren gegangen, was nicht zuletzt die aktuelle Debatte um die Grundrente der SPD zeigt. Dieses Prinzip ist deswegen so wichtig, weil der Staat zur Erfüllung des Sozialversprechens seinen Bürgern Steuerzahlungen abpresst, um sie in die Hände jener umzuleiten, die behaupten, bedürftig zu sein und nicht selbst für sich sorgen zu können. Es findet also eine Enteignung jener mit Einkommen zu Gunsten von Mitmenschen statt, die über kein eigenes Einkommen verfügen, noch die Chance besitzen, für ihren Unterhalt selbst aufkommen zu können.

Der Staat muss genau hinschauen, wenn das solidarische Empfinden seiner Bürger nicht von den Findigen wie Bequemen ausgenutzt werden soll. Und es sind gerade diejenigen mit kleinem Portemonnaie, welche bei der Zuteilung von staatlichen Leistungen genau hinschauen, sind sie es doch, die jeden Euro Abzug bei der Lohnabrechnung am deutlichsten zu spüren bekommen. Das Verständnis, dass es sich welche mit zwei gesunden Händen und Beinen da in einer imaginären Hängematte bequem machen, ist bei den schmalen Einkommen stark ausgeprägt. Wenn die früheren Arbeiterparteien SPD und LINKE sich dereinst doch fragen sollten, warum sie nur so viele Wähler an die rechtspopulistische Fraktion vermeintlicher deutscher Interessen verlieren konnten, sollten dann auf ihre langjährige Sozialpolitik schauen.

Karlsruhe hat nun zu dieser endlos erscheinenden Debatte ein treffendes Urteil gefunden. In den Leitsätzen folgen die Verfassungsrichter weitgehend der Argumentation der harten Sanktionsbefürworter. Bereits im ersten Teil wird deutlich, dass bei Transferempfängern, welche sich unwillig zeigen, an der Herstellung der eigenen Leistungskraft mitzuwirken, an der Bedürftigkeit gewisse Zweifel bestehen. So sagt der zuständige Erste Senat

Das Grundgesetz verwehrt es dem Gesetzgeber aber nicht, die Inanspruchnahme existenzsichernder Leistungen an den Nachranggrundsatz zu binden, also nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn Menschen ihre Existenz nicht vorrangig selbst sichern können, sondern wirkliche Bedürftigkeit vorliegt.

Daraus folgt dann eben auch zwingend, dass ein sanktionierter Hartz-IV-Empfänger, der ein paar Termine verpasst oder zu einem Vorstellungsgespräch nicht vorstellig geworden ist, seine Bedürftigkeit neu und eindrücklich nachweisen muss. Es gilt zu belegen, ob ein driftiger Grund für die Verweigerungshaltung vorliegt oder eben Lustlosigkeit und Unwillen, die keine Bedürftigkeit begründen. So gilt es für die strafenden Behörden zukünftig ein Stück genauer hinzuschauen, was für einen Kandidaten der ARGE-Mitarbeiter da vor sich hat. Andererseits hat damit hoffentlich auch die lange Nase ausgedient, die überhaupt erst zu dem Verfahren führte. Das Sozialgericht Gotha hatte den Fall eines Mannes nach Karlsruhe verwiesen, der im Glauben, das Existenzminimum könne nicht gekürzt werden, sich bewusst jeden Eingliederungsmaßnahmen verweigert hatte.

Darf der Staat eben doch. Das einzige, was Politik und nachgelagerte Behörden zu beachten haben, ist eine Selbstverständlichkeit in jedem Rechtsstaat. Jede staatliche Maßnahme muss verhältnismäßig sein. Und so schaffen Sanktionen zweifellos eine außerordentliche Belastung für den Betroffenen, weshalb Kürzungen zukünftig nur noch bis zu 30% des jeweiligen Regelsatzes erlaubt sind. Das ändert jedoch nichts am Prinzip. Soweit der mit Geldentzug bestrafte Leistungsempfänger dies als unbillige Härte empfindet, bleiben ihm immer zwei Möglichkeiten: Seine Bedürftigkeit erneut nachweisen und Gründe für die Pflichtversäumnisse belegen. Oder einfach das pflichtwidrige Verhalten vermeiden.

Es stände zu hoffen, die Linken dieses Landes würden die Botschaft dahinter verstehen und als Chance begreifen, ihre Solidaritätsprinzipien zu überdenken. Doch die Hoffnung würde nur kurz währen. Längst sind die im Kürzel Rot-Rot-Grün vereinten Parteien dabei zu werben, niemanden an die Kandare zu nehmen, der nicht arbeiten will und lieber Geld von all jenen empfängt, die sich allmorgentlich aus dem Bett quälen um für ein paar Euro am Monatsende zu schuften und die nur deswegen so wenig zum Leben behalten, weil so viele versorgt werden müssen, die sich im Gestrüpp staatlicher Leistungen auskennen und nicht einzusehen vermögen, warum sie sich am sozialen Wesen unserer Gemeinschaft beteiligen sollen.

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  • Stefan Sasse 5. November 2019, 15:56

    Manchmal bist du echt ein heuchlerischer Mistkerl.

    Die Partei die LINKE verdankt im Grunde dem Sanktionsregime der Arbeitslosengeld-2-Regelungen ihre nun 14jährige Existenzberechtigung. Lange speiste sich die Zustimmung der Partei in Wahlen aus der Wut vieler Langzeitarbeitsloser, die nicht einsehen wollten, auch der Gesellschaft Solidarität zu schulden. Ein Frevel sei es, jenen noch das letzte Stück Brot zu nehmen, die ohnehin am Existenzminimum darben. In diesem Bereich der sozialen Fürsorge, so die weitverbreitete Sicht, müssten es Staat und Bürger hinnehmen, wenn Bedürftige eine zumutbar erscheinende Arbeit nicht annähmen. Weniger als Existenzminimum ginge in einem Staat nicht, der sich als sozial begreife.

    Wir hören den Wählern der AfD, die legitime Sorgen und Nöte haben, nicht zu und verurteilen sie völlig zu Unrecht, und deswegen geschieht es uns recht, wenn bald wieder Nazis regieren und uns in Lager stecken. Aber die Wähler der LINKEn durch die Bank als Leistungsverweigerer beschimpfen, die die Solidargemeinschaft ausnehmen, das ist ok. Einem Hartz-IV-Empfänger muss man nicht zuhören. Gott, ich bin diese erbärmliche, verlogene Debatte von euch so satt.

    Sorry dass das nicht zum eigentlichen Beitrag gehört. Aber ich kann einfach nicht mehr.

    • Stefan Pietsch 5. November 2019, 16:03

      Das ist eine Darstellung des Sachverhalts, im Konjunktiv formuliert. Es ist keine Wertung, die folgt weiter unten.

    • R.A. 5. November 2019, 16:47

      „Wir hören den Wählern der AfD, die legitime Sorgen und Nöte haben, nicht zu und verurteilen sie völlig zu Unrecht“
      Ja, das kommt in der Tat vor. Was nicht bedeutet, daß nicht ein Teil der AfD-Wähler zu Recht verurteilt wird und daß manche Sorgen und Nöte zwar adressiert werden sollten, aber nicht unbedingt legitim sind.

      „und deswegen geschieht es uns recht, wenn bald wieder Nazis regieren und uns in Lager stecken.“
      Das ist völlig absurd und das hat auch niemand behauptet.

      „Aber die Wähler der LINKEn durch die Bank als Leistungsverweigerer beschimpfen, die die Solidargemeinschaft ausnehmen, das ist ok.“
      Das kann ich Pietschs Text nicht entnehmen. Daß aber viele Linke-Wähler sich relativ undifferenziert mit Leistungsverweigerern solidarisieren ist wohl Tatsache.

      „Einem Hartz-IV-Empfänger muss man nicht zuhören.“
      Natürlich muß man ihm zuhören. Und man sollte ihn auch ernst nehmen und ihm qualifiziert antworten.
      Aber man muß ihm nicht zustimmen.

      Das ist genauso wie bei AfD-Wählern. Niemand fordert, daß man ihnen generell zustimmen sollte. Aber blind ausgrenzen und das Gespräch verweigern ist eben falsch und kontraproduktiv.

      • Stefan Sasse 5. November 2019, 17:34

        Dass sich viele AfD-Wähler mit rechtsextremen Gewalttätern solidarisieren ist ebenso Tatsache.

  • R.A. 5. November 2019, 16:42

    Der Knackpunkt bei dieser Diskussion ist die Definition von „Existenzminimum“.

    Im klassischen Wortsinn umfaßt das die für die bloße Existenz nötigen Sachen, also Nahrung, Kleidung und Obdach.
    Und es wäre in der Tat menschenrechtswidrig, dies einem Menschen nicht zu geben, egal wie arbeitsunwillig oder sonstwie schuldig er sich macht. Selbst ein verurteilter Schwerstkrimineller hat ja Anrecht auf diese Basisleistungen.

    Was aber Linkspartei und Sympathisanten bewußt übersehen ist, daß Hartz IV weit mehr abdeckt als dieses Minimum, nämlich das „soziokulturelle Existenzminimum“. Das ist für Leute gedacht, die schuldlos ohne Einkommen dastehen und trotzdem am normalen Leben teilnehmen können sollen, d.h. die bekommen vom Steuerzahler auch eine Reihe Extras bezahlt, die über das bloße Existenzminimum hinausgehen.

    Und diese Extras sind eben nicht wirklich notwendig und können auch gestrichen werden, wenn sich jemand unsolidarisch verhält – das hat das Bundesverfassungsgericht jetzt bestätigt.

    • Stefan Sasse 5. November 2019, 16:56

      Das soziokulturelle Existenzminimum kommt nicht von den LINKEn, sondern vom BVerfG.

      • cimourdain 6. November 2019, 00:02

        Als Grundprinzip leitet es sich sogar aus den internationalen Menschenrechten ab: UN-Sozialpakt , Art 11 ( Recht auf angemessenen Lebensstandard) und Art. 15 ( Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben)

        • Stefan Pietsch 6. November 2019, 10:06

          Sie werden erstaunt sein: dieses Grundprinzip gilt nach wie vor.

        • Stefan Sasse 6. November 2019, 12:50

          Für Deutschland ist aber die Auffangstelle BverfG schon vorher relevant, weil die das für deutsches Recht konkretisiert haben.

          • popper 6. November 2019, 21:45

            Du musst nicht mal ein Jahr arbeitslos sein um berechtigt zu sein

            Das ist natürlich zutreffend. Ich habe jetzt nur mal den Fall genommen, wenn jemand arbeitslos wird. Es ging mir um die Bedingung. Die trifft natürlich auch auf alle anderen 4 Fälle zu. Pietsch behauptete ja, wenn es keine Sanktionen gäbe, läge ein bedingungsloses Einkommen vor und das ist falsch.

      • R.A. 7. November 2019, 15:52

        „Das soziokulturelle Existenzminimum kommt nicht von den LINKEn,“
        Habe ich auch nicht behauptet.

        Die LINKEn tun nur so, als wäre dieses höhere Minimum identisch mit dem echten Existenzminimum.

    • Stefan Pietsch 5. November 2019, 22:34

      Nein, das Bundesverfassungsgericht hat klar gemacht, dass das soziokulturelle Existenzminimum nicht angetastet werden kann. Konkret sagten die Richter:

      Gesichert werden muss einheitlich die physische und soziokulturelle Existenz. Die den Anspruch fundierende Menschenwürde steht allen zu und geht selbst durch vermeintlich „unwürdiges“ Verhalten nicht verloren.

      Die Begründung fällt exakt so aus, wie ich seit Jahren argumentiere: wer sich beharrlich den Maßnahmen des Staates zur Linderung seiner Situation und zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert, der steht in der Beweispflicht, dass er überhaupt bedürftig ist. Denn dies setzt voraus, trotz aller Bemühungen bisher auf die Solidargemeinschaft angewiesen zu bleiben. Wer kann das ernsthaft behaupten, wenn er Jobangebote ablehnt und zu Gesprächen nicht erscheint, die eine Vermittlung ermöglichen sollen?

      Einerseits bietet das Urteil sanktionierten Hartz-IV-Empfängern die Möglichkeit, Strafen abzuwenden. Andererseits bedarf es schon einiger Phantasie sich bei der schon heute maßvollen Sanktionspraxis die stichhaltigen Begründungen vorzustellen.

      Also, die 30% schneiden sehr wohl in das soziokulturelle Existenzminimum ein. Aber daran haben sich die Richter nicht aufgehangen, sondern daran, dass 60% oder gar die vollständige Streichung nicht verhältnismäßig sei. Dem kann ich folgen.

      • popper 6. November 2019, 00:28

        Die Begründung fällt exakt so aus, wie ich seit Jahren argumentiere: wer sich beharrlich den Maßnahmen des Staates zur Linderung seiner Situation und zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert,…

        Nur dass ihre Begründung nichts mit den Fakten zu tun hat. Dreiviertel der Sanktionen beziehen sich auf Meldeversäumnisse und nicht auf Verweigerungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Hinzu kommt, dass die meisten Sanktionen von den Gerichten kassiert wurden.

        • Stefan Pietsch 6. November 2019, 09:53

          Es ist die juristische Begründung, die sich in das Werk namens Grundgesetz einfügt. Sollten Sie mal lesen. 😉

          • popper 6. November 2019, 10:34

            Das lesen Sie hinein. Oder wollen Sie uns hier weismachen, das Grundgesetz ließe keine andere Entscheidung zu. Das wäre dogmatisch. Ich bin überzeugt, dass, unabhängig von der gestrigen Entscheidung zu den Sanktionen noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Zumal der vorsitzende Richter Harbarth während seiner Zeit als CDU-Abgeordneter, die Sanktionen zu Hartz IV mitbeschlossen hatte.

            • Stefan Pietsch 6. November 2019, 11:01

              Verfassungsrichter haben zu beachten, was der Gesetzgeber mit einer Regelung bezweckt. Sie haben zu prüfen, ob sich dies im vorgegebenen Rechtsrahmen vollzieht. Es ist ja gerade die Krux, dass die Sanktionsgegner genau dies bestreiten.

              Seit Gründung der Bundesrepublik ist es Sinn und Zweck von Sozialleistungen, diese nur nach Bedürftigkeit zu gewähren. Dass dieses Prinzip des öfteren durchbrochen wurde (z.B. Elterngeld) steht dem nicht entgegen. Würde die Möglichkeit der Sanktionierung nicht-regelkonformen Verhaltens aufgegeben, liefe dies wie im Artikel beschrieben auf ein bedingungsloses Grundeinkommen hinaus. Die ist weder politisch gewollt noch rechtlich notwendig. Dies haben die Richter gewürdigt.

              • Rauschi 6. November 2019, 12:00

                Sie haben zu prüfen, ob sich dies im vorgegebenen Rechtsrahmen vollzieht. Es ist ja gerade die Krux, dass die Sanktionsgegner genau dies bestreiten.
                Damit haben die ja offenbar Recht, sonst hätte das Gericht nicht die Regelungen kassiert und sofort eine ander Regelung eingeführt (man will nicht mehr warten, bis der Gesetzgeber etwas daran ändert).
                [Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom Dienstag zu der Sanktionspraxis im Sozialgesetzbuch II eine eigene Übergangsregelung in Kraft gesetzt und damit darauf verzichtet, dem Gesetzgeber eine Frist vorzugeben, innerhalb der er ein verfassungskonformes Gesetz beschließen muss. Das zeigt, wie wichtig es dem Gericht ist, dass elementare Grundrechte wie die Menschenwürde sowie das unabänderliche Sozialstaatsprinzip gewahrt bleiben müssen. Beides duldet keinen Aufschub.]
                https://www.taublog.de/grundrechte-dulden-keinen-aufschub

                Die ist weder politisch gewollt noch rechtlich notwendig. Dies haben die Richter gewürdigt.
                Nö, das haben die nicht beurteilt. Die beurteilen nur, was nicht zulässig ist, nicht, was notwendig ist.
                Notwendig ist ein Existenzminimum ganz offensichtlich, denn es gibt nicht mehr die absurde Möglichkeit von 100% Sanktion, auch wenn Sie das bis dato immer ganz knorke fanden. Damit die Sanktionierten „etwas lernen.“

                Diese schwarze Pädagogik will auch das Verfassungsgericht nicht mehr anwenden.

              • popper 6. November 2019, 13:46

                …liefe dies wie im Artikel beschrieben auf ein bedingungsloses Grundeinkommen hinaus.

                Das ist Unsinn. Und das wissen Sie.

                • Stefan Pietsch 6. November 2019, 16:36

                  Was ist denn eine Sozialleistung ohne irgendeine Verpflichtung? Vielleicht „bedingungslos“?

                  • Bernd Engelking 6. November 2019, 18:14

                    Bedürftigkeit ist die Verpflichtung. Bedürftigkeit muss man belegen schwarz auf weiß und kann nicht aufgehoben werden durch Regelverletzung. Die Bedürftigkeit ist belegt wenn man einen positiven Bewilligungsbescheid und kann dann nicht mehr entzogen werden. Wer die Bedürftigkeit nicht schwarz auf weiß belegt, bekommt eine Ablehnung. Die Leistungen beziehen sich auf die minimalen Bedürfnisse, die berechnet werden. Das war bisher festgelegt als Grundsicherung. Die hat das Gericht jetzt heruntergesetzt, jetzt gibt es einen Freibrief für Kürzungen bis zu dieser neuen Grenze, die nicht sichert.
                    Noch was: Als würde die Arbeit im Niedriglohnsektor, in den man reingezwungen werden soll, irgendeine Notlage beseitigen. Im Gegenteil: Die Verletzung der Menschenwürde wird sozusagen für die Betroffenen real greifbar. Wer in dem Bereich mal längere Zeit z.B. als Leiharbeiter tätig war, wird das so schnell nicht wieder vergessen. Und eine Rente ist beim Mindestlohn nie erreichbar.

                    • Stefan Pietsch 6. November 2019, 18:52

                      Sie vermischen mehrere Aspekte. Bedürftigkeit ist anders als Sie es darstellen, immer ein punktueller Zustand. Sie sind heute bedürftig und morgen haben Sie eine Erwerbsarbeit. Oder Schenkung. Oder Lottogewinn. Oder Ihre familiären Verhältnisse ändern sich. Ein Antrag, der heute gestellt wird, ist häufig morgen schon veraltet. Ob also die Verhältnisse zur Zeit der Antragstellung noch zutreffen, gilt es immer neu zu belegen. Jede Festlegung des Gesetzgebers ist willkürlich, weshalb in jedem Antrag auch steht, dass Sie Veränderungen sofort mitzuteilen haben. Der Punkt ist, tun viele nicht, zumal wenn sich die Verhältnisse zum eigenen Gunsten geändert haben. Ich kenne einige Hartz-IV-Empfänger, die nebenher, manchmal in einer legalen Beschäftigung, schwarz verdienen. Ich verstehe die Motive. Es bleibt aber gesetzwidrig.

                      Wer bedürftig ist, das gilt schon in der Familie, muss selber (!) alles tun, um die Belastung für seine Unterstützer so gering wie möglich zu halten. Meine Eltern hätten kein Verständnis gehabt, wenn ich auf die Jobs während der Semesterferien verzichtet hätte, weil ich mir für die Arbeit zu fein gewesen wäre. Lieber Herr Engelking: ich habe als Schüler Toiletten geputzt, in Kantinen gearbeitet und Post bei träschtnassem Wetter ausgetragen. Und ich habe nie gefragt, ist die Arbeit zumutbar.

                      Es steht jedem Langzeitarbeitslosen frei, sich eine Tätigkeit nach seinen Vorlieben zu suchen. Doch das Nichtfinden rechtfertigt keinen jahrelangen Bezug. Jahrelanger Sozialbezug heißt, derjenige hat wirklich trotz aller Anstrengungen nichts, wirklich nichts gefunden. Es heißt nicht, er hat keinen durchschnittlich bezahlten Job angeboten bekommen, Nine to Five. Denn durchschnittlich heißt, es gibt auch unterdurchschnittliche Bezahlungen.

                      Und über den Rentenanspruch unterhalten wir uns dann, wenn es soweit ist. Eins jedenfalls ist sicher: als Hartz-IV-Empfänger werden Sie nie einen Rentenanspruch erwerben. Nicht einmal 5€.

                    • Stefan Sasse 6. November 2019, 20:36

                      Wie gesagt, diese ganze Argumentation würdest du für Steuererklärungen never, ever akzeptieren. Aber solange es gegen die Schwachen geht ist es für dich okay.

                  • popper 6. November 2019, 20:30

                    Die Bedingung ist, dass man mehr als 1 Jahr arbeitslos ist und kein sonstiges, anrechenbares Vermögen besitzt. Sonst hieße es ja nicht Hartz IV- Berechtigter. Diese Berechtigung setzt eine Bedingung voraus. Die Mitwirkung bei der Arbeitssuche ist keine Bedingung für den Erhalt von Hartz IV, sondern für den Erhalt des vollen Regelsatzes.

                    • Stefan Sasse 6. November 2019, 20:38

                      Du musst nicht mal ein Jahr arbeitslos sein um berechtigt zu sein 😉
                      #Korinthenkacker

                    • Stefan Pietsch 6. November 2019, 23:19

                      Arbeitslosigkeit führt nicht automatisch zu Hartz-IV-Bezug. Es ist auch keine Bedingung dafür. Definitiv nicht. Die Voraussetzung ist, dass man als Erwerbsfähiger weder über ein eigenes Einkommen verfügt noch in der Lage ist, selbst ein Auskommen zu beziehen. Tut sich ein vermögender Partner auf, ist der Bezug hinfällig.

                    • Stefan Sasse 7. November 2019, 06:49

                      Korrekt. Dies trifft allerdings auf die überwiegende Mehrheit der Arbeitslosen, und den generischen Bezugsempfänger von dem popper sprach, zu.

                  • popper 8. November 2019, 14:41

                    Würde die Möglichkeit der Sanktionierung nicht-regelkonformen Verhaltens aufgegeben, liefe dies wie im Artikel beschrieben auf ein bedingungsloses Grundeinkommen hinaus.

                    Ein bisschen Logik, Herr Pietsch. Die sanktionsfreie Grundsicherung ist logischerweise noch kein „bedingungsloses Grundeinkommen“. Diiese ist nämlich bedingt sondern weiterhin mehrfach bedingt, insbesondere durch Hilfebedürftigkeit (z.B. Alter, Erwerbsfähigkeit etc..). Fazit: Ein bedingungsloses Grundeinkommen mit Bedürftigkeitsprüfung wäre ein Widerspruch in sich.

            • Stefan Sasse 6. November 2019, 12:53

              Das Grundgesetz lässt andere Entscheidungen zu. Aber getroffen werden die durch den Bundestag.

          • popper 6. November 2019, 13:42

            Wir diskutieren schon zu lange miteinander, also kommen Sie mir bitte nicht mit solchen laienhaften Sprüchen. Das Urteil missachtet gleichermaßen. Art. 1 und 12. Zumal der Staat sich hier das Recht herausnimmt, Arbeit zuzuweisen. Insoweit ist das für mich ein politisches Urteil und juristisch höchst problematisch.

            • Stefan Pietsch 6. November 2019, 16:35

              Soso, das Bundesverfassungsgericht ist selbst ein Verfassungsbrecher. Sehr originell.

              Nein, der Staat nimmt sich nicht das Recht, Arbeit zuzuweisen. Zu den Aufgaben eines aktivierenden Sozialstaates gehört es, einen Bedürftigen aus seiner Bedürftigkeit hinaus zu begleiten. Schließlich ist es weder Naturgesetz noch Menschenrecht, dauerhaft bedürftig zu sein. Es steht jedem Sozialleistungsempfänger frei, sich selbständig eine Arbeit zu suchen. Doch „Weiß nicht, was“, „Kann ja nichts“, „Mag nicht“ und „Liege am liebsten auf der Couch“, machen es leicht, eine geeignete Arbeit für so jemanden zu finden, nämlich praktisch jede. Daran ist nichts unzumutbar, schließlich bekennen die meisten, ohnehin nicht zu wissen, was sie tun können und wofür Bedarf bestände.

              Wenn jemand das Lebensziel hat, ohne Arbeit sein Dasein zu bestreiten, so kann ihm der Staat dies nicht nehmen. Nur muss es die Gemeinschaft nicht finanzieren. Aufgabe des Sozialstaates ist es nämlich auch, die Gemeinschaft von so schadhaften Verhaltensweisen zu bewahren. So handhabt es praktisch jeder Sozialstaat auf dieser Erde. Nur wir Deutschen fühlen uns da wieder besonders.

              • popper 6. November 2019, 20:10

                Soso, das Bundesverfassungsgericht ist selbst ein Verfassungsbrecher.

                Etwas außer Betracht lassen ist kein Verfassungsbruch, sondern fehlerhaft. Wenn es um ihr Agument geht, lobhudeln Sie sich etwas zusammen, dass sich die Balken biegen. Sonst spielen Sie allzugerne den Scharfmacher.

                Zu den Aufgaben eines aktivierenden Sozialstaates gehört es, einen Bedürftigen aus seiner Bedürftigkeit hinaus zu begleiten

                Den Schwulst sollten Sie sich sparen. Sie leugnen die Realität und fantasieren sich etwas zurecht, was man nur noch als zynisch bezeichnen kann.

                Wenn jemand das Lebensziel hat, ohne Arbeit sein Dasein zu bestreiten, so kann ihm der Staat dies nicht nehmen. Nur muss es die Gemeinschaft nicht finanzieren.

                Ja, wenn. Das trifft aber in den allerwenigsten Fällen zu. Das behaupten Sie hier einfach, um die Pflicht des Staates zu bestreiten. Und die Gemeinschaft zahlt gar nichts drauf, sie profitiert sogar davon, in dem ihre Ausgaben Einnahmen und in der Folge wieder Ausgaben usw. generieren, die den Kapitalstock der Volkswirtschaft sogar vergrößern. Würden alle Sozialleistungen des Staates gestrichen, würde das den Kapitalstock verringern. Es ist immer wieder verwunderlich, wie unvollständig Sie Zusammenhänge darstellen. Das, was Sie hier zum Ausdruck bringen, ist ein Unterstellen böser Absichten um die Verweigerung der grundgesetzlich garantierten Solidarität bestreiten zu können. Das Einfordern von Vorleistungen bei Bedürftigkeit wäre schäbige Aufrechnerei. Da Sie ja gelegentlich christliche Motive für sich in Anspruch nehmen, sollten Sie Verständnis dafür haben, wenn Solidarität auf keinem reziproken Verhältnis beruht, sondern einem Rechtsanspruch, basierend auf der Menschenwürde. Der aktivierende Sozialstaat ist eine kasuistische Worthülse, sie dient als Vehikel, den Sinn von Art. 1 zu konterkarieren und ihn mit Scheinargumenten anzureichern, um die Problematik arbeitsunwilliger Schnorrer weit in den Vordergrund zu rücken.

                • Stefan Pietsch 6. November 2019, 23:15

                  Ja, wenn. Das trifft aber in den allerwenigsten Fällen zu.

                  Woher wissen Sie das? Untersuchungen der BfA haben ergeben, dass ein sehr hoher Prozentsatz der Hartz-IV-Empfänger länger als 8 Jahre nicht gearbeitet hat und über die Hälfte nie einer längeren Beschäftigung nachgegangen ist. Es gibt nur eine überschaubare Anzahl an Begründungen für diesen Tatbestand und keine ist schmeichelhaft für die Betroffenen. Eine davon – aber nur eine, die sicher nicht für alle und meiner Ansicht nach nicht mal für die Mehrheit gilt – ist eben, dass einige es nicht als Gewinn ansehen, eine Woche Freizeit gegen eine 40-Stunden-Woche mit niedrigem Lohn einzutauschen.

                  Der Kapitalstock einer Gesellschaft wird nicht durch Sozialtransfers gefüttert. Kapitalstock ist Kapitalakkumulation, d.h. es wird Kapital aufgebaut: ein billiger Maschinenpark wird durch einen höherwertigen ersetzt, Geringqualifizierte durch Höherqualifizierte ersetzt. So ungefähr. Langzeitarbeitslose sind da diejenigen, die für Kapitalabfluss durch Verbrauch sorgen.

                  Wenn Sie etwas von meinem christlichen Verständnis verstehen wollen, lesen Sie das Gleichnis von den Talenten (Matthäus 25,14–30).

                  • popper 7. November 2019, 11:32

                    Es gibt nur eine überschaubare Anzahl an Begründungen für diesen Tatbestand und keine ist schmeichelhaft für die Betroffenen. Eine davon – aber nur eine, die sicher nicht für alle und meiner Ansicht nach nicht mal für die Mehrheit gilt – ist eben, dass einige es nicht als Gewinn ansehen, eine Woche Freizeit gegen eine 40-Stunden-Woche mit niedrigem Lohn einzutauschen.

                    Damit adressieren Sie lediglich eigene Vorurteile an eine Gruppe, die Sie offensichtlich allein aufgrund ihrer Lebenssituation vorverurteilen, obwohl sie in den meisten Fällen gar nichts dafür können. Es ging bei der Gerichtsentscheidung um Sanktionen, nicht um die Frage, warum es Langzeitarbeitslose gibt. Und ihr Beispiel, einige wenige zögen Freizeit vor anstatt 40 Stunden in der Woche zu arbeiten, entspricht doch dem Nutzenkalkül der Neoklassik. Warum beanstanden Sie das? Im Übrigen, von fast 4 Mio. Hartz IV Empfängern wurden 2018 ca. 2,5% wegen Weigerung einer Aufnahme von Arbeit oder deren Fortführung, Ablehnung einer Ausbildung oder Maßnahme sanktioniert. Hier von von Faulenzern zu fabulieren ist grotesk.

                    Das Gleichnis in Matth. 25 ff. legen Sie materialistisch aus, was nicht für viel Verständnis spricht. Die Talente stehen ja symbolisch für die Gaben des christlichen Glaubens und dessen Mehrung. Wenn schon, dann träfe eher darauf die Liebe Gottes: Agape zu. In Gestalt einer bedingungslosen Solidarität ohne Gegenleistung, wie sie z.B. der „Barmherzige Samariter“ in Lk 10,25-37 zum Ausdruck bringt. Solidarität ist heute leider, aufgrund einer wirtschaftsliberalen Interpretation, zu einer gegenseitigen Inanspruchnahme degeneriert, die den durch Verlust seiner Arbeit in finanzielle Not Geratenen dafür alleine verantwortlich zu machen sucht und ihn daher so glaubt behandeln zu müssen, als würde es ganz alleine in seiner Macht stehen, diesen Zustand zu verändern oder beenden. Klassenkampf auf niedrigem Niveau.

                    • Stefan Pietsch 7. November 2019, 12:35

                      Ich adressiere keine Vorurteile. Ein Leistungsempfänger ist in der Pflicht, seine Bedürftigkeit zu beweisen, nicht umgekehrt. Wenn jemand nie gearbeitet hat, dann liegt die begründete Vermutung nahe, dass seine Leistungsbereitschaft unterdurchschnittlich ausgeprägt ist. Schließlich kann wahrscheinlich jeder eine Toilette reinigen oder einen Rasen mähen.

                      Im Übrigen, von fast 4 Mio. Hartz IV Empfängern wurden 2018 ca. 2,5% wegen Weigerung einer Aufnahme von Arbeit oder deren Fortführung, Ablehnung einer Ausbildung oder Maßnahme sanktioniert.

                      Das ist ein sehr populäres Argument, aber es ist falsch. Schließlich verlangt heute schon die Rechtslage, bei Fehlverhalten vorher andere Maßnahmen auszureizen. Dass nur 2,5% sanktioniert werden, bedeutet nicht, dass 97,5% sich ordentlich verhalten. Eine deutliche Abweichung zwischen geahndeten Taten und dem Volumen von Fehlverhalten haben wir in vielen Rechtsbereichen. Erinnern Sie sich mal an Ihre Schulzeit zurück: wie viele Flausen von Ihnen fanden tatsächlich Eingang ins Klassenbuch? Heißt das nun, dass Sie nichts auf dem Kerbholz hatten?

                      Zur Zeit Jesu gab es keinen Sozialstaat. Das Gleichnis verlangt von den Anhängern Jesu, das Beste aus den ihnen mitgegebenen Talenten zu machen, die durchaus unterschiedlich sein können. Im Hauptmann von Köpenick finden Sie das Gleichnis sinnbildlich, als der Schuhmacher klagt: „Und denn, denn stehste vor Gott, dem Vater, ….und der fragt dir, ins Jesichte: Willem Voigt, wat haste jemacht mit deine‘ Leben. Und da muss ick sagen: Fußmatten, muss ick sagen, die hab ick jeflochten im Jefängnis. …. Det sachste vor Gott, Mensch.
                      Aber der sacht zu dir: Jeh weck, sacht er! Ausweisung! Sacht er. Dafür hab ick dir det Leben nicht jeschenkt! Sacht er. Det biste mir schuldig. Wo is et? Wat haste mit jemacht?“

                    • Stefan Sasse 7. November 2019, 13:05

                      Genau die von dir beschriebenen Prämissen sind in den Hartz-Gesetzen angelegt. Man kann die ablehnen, aber es ist nicht der Job der Gerichte, ein bedingungsloses Grundeinkommen da reinzuinterpretieren; bei diesem Aspekt bin ich völlig bei dir.

                  • popper 8. November 2019, 13:08

                    Ich adressiere keine Vorurteile.

                    Doch, genau das tun Sie mit ihren Schmähungen und inkriminierenden, ketzerischen Behauptungen, es gäbe bei Langzeitarbeitslosen „nur eine überschaubare Anzahl an Begründungen für diesen Tatbestand und keine ist schmeichelhaft für die Betroffenen.“ Dass jemand seine Bedürftigkeit nachweisen muss, ist eine Binse und wurde an keiner Stelle von mir thematisiert oder infrage gestellt und soll wieder mal nur von ihren Despektierlichkeiten nur ablenken.

                    Auch von: „Wenn jemand nie gearbeitet hat…“ war oben keine Rede, Sie haben von Langzeitarbeitslosen gesprochen und freihändig behauptet, diese hätten dafür keine schmeichelhaften Begründungen, die außerhalb ihrer Person liegen.

                    Das ist ein sehr populäres Argument, aber es ist falsch. […] Dass nur 2,5% sanktioniert werden, bedeutet nicht, dass 97,5% sich ordentlich verhalten. Eine deutliche Abweichung zwischen geahndeten Taten und dem Volumen von Fehlverhalten haben wir in vielen Rechtsbereichen.

                    Daran ist gar nichts falsch. Und auf andere Arten erzwungenes Wohlverhalten, sagt noch gar nichts über Verhaltensweisen von Menschen und ihre Motive. Oder wollen Sie hier jetzt auch noch eine Scheindiskussion eröffnen und über Dunkelziffern spekulieren und daraus ihre These ableiten,, Langzeitarbeitslose und/oder Hartz IV Empfänger generell, seien Menschen mit hoher krimineller Energie, weil es ihnen in der Regel nur darum ginge, Solidaritätslobhudler wie Sie, zu betrügen. Ihre Gegenüberstellung geahndeter Taten mit einem imaginären Volumen von Fehlverhalten, ist der Gipfel an Rabulistik. Entweder es gibt ein Volumen von Fehlverhalten, das identifizierbar ist oder nicht. Hier von einem Volumen zu schwafeln, das gar nicht quantifizier- und qualifizierbar ist, das dazu herhalten muss, ihre windschiefe Argumentation zu retten, ist zum piepen. Sind Sie sich eigentlich nicht zu schade, einen derart kompromittierenden Blödsinn ins Werk zu setzen.

                    Bei dem Jesu-Gleichnis hoffe ich doch, dass Sie wissen, dass in neutestamentlichen Zeiten ‚Talente‘ Silbermünzen, also Geld waren. Also einen Wert darstellten. Das Gleichnis spricht in seiner Nutzanwendung jedoch von immateriellen Werten, die vermehrt wurden oder wie im Falle des Dritten nicht. Jesus verkündete eine Glaubensbotschaft, die dazu geeignet war, den Glauben an das Königreich Gottes zu mehren, indem seine Anhänger aufgerufen waren, diese Botschaft zu verkünden und in der damaligen “ Welt“ zu verbreiten, also zu mehren. Dabei handelt es sich gerade nicht um von Gott verliehene personalisierte Talente, wie Sie sie daraus ableiten. Insoweit ist ihre Übertragung auf die Situation eines Hartz IV Empfängers in der Weise, schlichter Nonsens.

                    Dazu passt dann auch ihr Hauptmann von Köpenick und seine Worte vor der Himmelstür, wie die Faust aufs Auge, nämlich gar nicht. Der Hauptmann von Köpenick, ein Drama Carl Zuckmayers, das 1931 in Berlin uraufgeführt wurde ist eine Persiflage auf das deutsche Obrigkeitsdenken und den Bürokratismus. Genau das, was wir bei dem Hartz IV Regime haben. Ein bürokratisches Monster, was nicht bekämpft Arbeitslosigkeit, sondern verwaltet. 60% der Kosten der Arbeitsagentur gehen für die Verwaltung drauf, eine Steuerverschwendung sondergleichen, die Sie mit keinem Wort erwähnen.

                    Hier ein Gegenbeispiel zu ihrer Suada über die notorisch Unterqualifizierten und Drückeberger. Da die Fallmanager in den Jobcentern genau wissen, dass sie außer Zwangsmaßnahmen, Callcenter und Saisonarbeit (Erdbeeren pflücken) oder meinetwegen ihr Toilette reinigen oder das Mähen eines Rasens zu bieten haben, konzentrieren sie sich darauf, die in der Tagesschau verkündete Arbeitsmarktstatistik zu exekutieren. Also insoweit ihnen, Herr Pietsch, und der Welt vorgaukeln, Deutschland sei Vorreiter in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Wenn dann einer da steht, der bereits vollständig in das akademische Leben eingegliedert ist und immer wieder erfolgreich Forschungsgelder eingeworben hat, lange an verschiedenen Hochschulen unterrichtet, regelmäßig publiziert hat, international Vorträge hält und an einem Buch arbeitet, ja sogar aktuell eine internationale Konferenz organisiert, aber eben ohne einen Cent Gehalt. Was dann? Denn von denen gibt es immer mehr.

                    Was kann der später dann an der „Himmelstür“ berichten. Dass der Sachbearbeiter beim Jobcenter ihm auf sein Qualifikationsprofil geantwortet hat: das SGB II kennt keinen Berufsschutz. Und nur Tätigkeiten im Angebot hatte, die seine Qualifikation vollständig annullierte. Und diese vollständige Entwertung der erworbenen Qualifizierung noch zusätzlich befeuert wurde, weil, sobald er die „Eingliederungsvereinbarung“ unterschrieben hatte und in eine Hilfstätigkeit oder „Maßnahme“ eingewiesen wurde, bestehende wissenschaftliche Termine absagen und laufende Arbeiten abbrechen musste. Ergo über kurz oder lang vollständig raus war und nicht mehr besser dastand, als ein Hauptschulabgänger, der als Wissenschaftler nie existiert hat.

                    Das ist die Realität. und jeder Versuch, dem mit Sanktionen beizukommen und den Betroffenen permanent Unwillen und/ oder Faulheit und „spätrömische Dekadenz“ zu unterstellen, ist abgrundtief verlogen, so verlogen wie das BVerfG-Urteil selbst, das eine Arbeitsmarktpolitik abnickt, die die Würde des Menschen mit Füssen tritt. Aber ich weiß, Herr Pietsch, juckt Sie alles nicht, Sie haben ja eine Meinung.

                    • Stefan Pietsch 8. November 2019, 15:48

                      Doch, genau das tun Sie mit ihren Schmähungen und inkriminierenden, ketzerischen Behauptungen, es gäbe bei Langzeitarbeitslosen „nur eine überschaubare Anzahl an Begründungen für diesen Tatbestand und keine ist schmeichelhaft für die Betroffenen.“

                      Jedes Jahr werden zehntausende Arbeitnehmer abgemahnt oder sogar gekündigt, weil sie der Arbeit unerlaubt ohne ausreichende Begründung und ohne Abstimmung mit dem Arbeitgeber ferngeblieben sind. Und diese Menschen haben ein weit stärkeres Motiv, ihr vertragswidriges Verhalten zu unterlassen wie ein Hartz-IV-Empfänger, der meint, ihm könne ohnehin nichts passieren.

                      Oder wollen Sie hier jetzt auch noch eine Scheindiskussion eröffnen und über Dunkelziffern spekulieren

                      Spekulieren tun meistens Linke: wie hoch der Schaden durch Steuerhinterziehung ist, wie viele Arbeitgeber sich ihren Pflichten entziehen, wie sehr Milliardäre einer Gesellschaft schaden, wie viele Milliarden sich durch Steuer X und Y einsammeln ließe…

                      Bei dem Jesu-Gleichnis hoffe ich doch, dass Sie wissen, dass in neutestamentlichen Zeiten ‚Talente‘ Silbermünzen, also Geld waren. Also einen Wert darstellten. Das Gleichnis spricht in seiner Nutzanwendung jedoch von immateriellen Werten

                      Was produzieren Sie für einen Wind! Es geht darum, dass wir das Beste aus unserem Leben und den mitgegebenen Gaben machen. Der Diener mit den wenigsten Talenten vergräbt diese und mehrt nichts – analog zum heutigen Hartz-IV-Empfänger, der jahrzehntelang auf Kosten der Gemeinschaft lebt. Zuckmayer greift dieses Beispiel auf. Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen, es geht um moralische Kategorien, dass ein jedermann eine Verpflichtung sich selbst wie der Gemeinschaft gegenüber hat, das Optimum aus sich herauszuholen.

                      theologische Interpretation
                      So der Herr kehrt vom Himmel, und es kommt eine Zeit des Gerichts. Die Menschen werden reagieren, wie sie die Vorteile der Gaben Gottes nahm. Im Gleichnis von einem „Talent“ bedeutete Geld, sondern in einem allegorischen Sinn, sie sind verschiedene Fertigkeiten, Fähigkeiten, Charaktereigenschaften, Chancen – in einem Wort, die geistigen und materiellen Segnungen. Das ist es bildlich das Gleichnis von den Talenten erzählt. Seine Bedeutung ist viel besser durch Auslegung geklärt.

                      Es ist bemerkenswert, dass man unterschiedliche Talente und unterschiedliche Mengen bekommt. Dies ist aufgrund der Tatsache, dass der Herr die Stärken und Schwächen einer Person kennt. Und es geschieht, für die Menschen einander zu vereinen und helfen. In jedem Fall wird niemand ohne Talent verlassen – jeder ist mindestens ein gegeben. Darüber hinaus, die sich selbst und andere profitieren können wird, um das von Gott gegeben zu verwenden, wird von ihm belohnt, und wer nicht in der Lage oder nicht will – alles verlieren.

                      Weiter:
                      Genau das, was wir bei dem Hartz IV Regime haben. Ein bürokratisches Monster, was nicht bekämpft Arbeitslosigkeit, sondern verwaltet. 60% der Kosten der Arbeitsagentur gehen für die Verwaltung drauf, eine Steuerverschwendung sondergleichen, die Sie mit keinem Wort erwähnen.

                      Oh, damit habe ich mich in der Vergangenheit durchaus beschäftigt und Sie haben absolut Recht. Der deutsche Staat und seine Beamten sind unfähig, die tatsächlichen Probleme der Arbeitslosigkeit anzugehen und zu bekämpfen. Wir verbrennen viel Geld dafür, einfach Menschen stillzulegen und Aktionismus zu suggerieren. Was mich aber nur in meiner Haltung bestätigt, dass der Staat von Markt und Beschäftigung nichts versteht.

                      Also insoweit ihnen, Herr Pietsch, und der Welt vorgaukeln, Deutschland sei Vorreiter in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

                      Na ja, nach internationalen (nicht nach deutschen) Erhebungen und Maßstäben trifft das ja zu. Nur hat die Politik der letzten 15 Jahre dazu wenig bis nichts beigetragen, im Gegenteil, man hat der Wirtschaft und den Bürgern noch Knüppel zwischen die Beine geworfen wie die Rente mit 63.

                      Wenn dann einer da steht, der bereits vollständig in das akademische Leben eingegliedert ist und immer wieder erfolgreich Forschungsgelder eingeworben hat, lange an verschiedenen Hochschulen unterrichtet, regelmäßig publiziert hat, international Vorträge hält und an einem Buch arbeitet, ja sogar aktuell eine internationale Konferenz organisiert, aber eben ohne einen Cent Gehalt. Was dann? Denn von denen gibt es immer mehr.

                      Wenn er daneben noch sein Auskommen selbst bestreitet, ist dagegen doch nichts zu sagen. Gute Leistung!

                      Was kann der später dann an der „Himmelstür“ berichten. Dass der Sachbearbeiter beim Jobcenter ihm auf sein Qualifikationsprofil geantwortet hat: das SGB II kennt keinen Berufsschutz. Und nur Tätigkeiten im Angebot hatte, die seine Qualifikation vollständig annullierte.

                      Mein früherer CEO hat dazu ein sehr treffendes Beispiel gebracht. Wenn ein Unternehmen die Position eines Disponenten zu besetzen hat und dafür einen Professor rekrutiert, dann wird dieser nicht als Professor, sondern nur als Disponent bezahlt und arbeitsrechtlich behandelt. Was denn sonst? Es ist nicht die Aufgabe von Unternehmen, Qualifikationen zu erhalten. Sie fragen Qualifikationen nach. Kaum noch jemand möchte heute ein Handy, aber alle ein Smartphone. Dann brauchen wir Leute, die das letztere und nicht das vorherige fertigen können. Wenn also ein 56jähriger Programmierer darauf besteht, dass er aber vor 35 Jahren Pascal gelernt hat, so nützt das niemanden etwas. Dieser Mann ist nicht hoch qualifiziert, sondern gering qualifiziert, weil er sein Können verfallen ließ und sich nicht auf dem aktuellen Stand seiner Profession gehalten hat.

                  • popper 8. November 2019, 21:03

                    Jedes Jahr werden zehntausende Arbeitnehmer abgemahnt oder sogar gekündigt, weil sie der Arbeit unerlaubt ohne ausreichende Begründung und ohne Abstimmung mit dem Arbeitgeber ferngeblieben sind.

                    Und was sagt das über Hartz IV Bezieher und ihre o.g. Schmähbehauptungen? Nichts. Bleiben Sie mal bei der Sache und erzählen Si nicht neue Geschichten ohne sachlichen Bezug. Das verlangt intellektuelle Integrität und thematische Disziplin. Beides fehlt ihnen offensichtlich.

                    Spekulieren tun meistens Linke: wie hoch der Schaden durch Steuerhinterziehung ist, wie viele Arbeitgeber sich ihren Pflichten entziehen, wie sehr Milliardäre einer Gesellschaft schaden, wie viele Milliarden sich durch Steuer X und Y einsammeln ließe…

                    Und was hat das mit ihren Spekulationen über Hartz IV Bezieher oder Langzeitarbeitslosen zu tun, diewenig schmeichelhafte Erklärungen haben, warum sie seit 8 Jahren arbeitslos sind oder ihre Anschuldigungen über angebliche Verfehlungen, die nicht in die Statistik einfließen? Überhaupt nichts. Und über Steuern dikutieren Sie zwar gerne, vorallem, wenn Sie sich, wie vorliegend, weigern zu konkret auuf das Thema zu replizieren und Strohmänner aufbauen.

                    Ihr Link enthält eine rein materialistische und pseudopsychologische Interpretation eines ixbeliebigen Menschen. Mit einer christlichen Exegese hat das nicht das Geringste zu tun. Ich glaube auch nicht, dass Sie der Richtige sind, um bibelwissenschaftliche Expertisen zu liefern.

                    Der deutsche Staat und seine Beamten sind unfähig, die tatsächlichen Probleme der Arbeitslosigkeit anzugehen und zu bekämpfen. Wir verbrennen viel Geld dafür, einfach Menschen stillzulegen und Aktionismus zu suggerieren.

                    Warum erzählen Sie dann diesen Stuss, vom sorgenden Sozialstaat, wenn Sie genau wissen, dass die Arbeitsagentur mit ihren Jobcentern das nicht leisten. Was allerdings nicht an unfähigen Beamten liegt, die finden Sie dort nicht, wo Menschen sanktioniert werden.

                    Es ist nicht die Aufgabe von Unternehmen, Qualifikationen zu erhalten.

                    Hat das jemand gefordert. Ich sprach von der Entwertung durch die Arbeitsagentur per Hartz-Gesetze. Sie fantasieren wieder etwas zusammen, um nicht auf den konkreten Sachverhalt einzugehen und erzählen wieder aus dem persönlichen Nähkästchen, was ebenfalls keinen Bezug zum Diskussionskern hat.

                    Wenn also ein 56jähriger Programmierer darauf besteht, dass er aber vor 35 Jahren Pascal gelernt hat, so nützt das niemanden etwas.

                    Ja, wenn. Das habe ich aber nicht geschildert, sondern einen konkreten Fall. Sie gehen her und nenen einen konstruierten Fall, um widersprechen zu können. Was zeigt, dass Sie ein unzuverlässiger Diskutant sind. Und immerzu sprachliche Bandwürmer ohne inhaltlichen Bezug zum Thema erfinden und damit jede Diskussion ad absurdum führen und Streit provozieren. Das macht jede Diskussion mit ihnen fruchtlos. In einer moderierten Diskussion würde man Sie in kürzester Zeit zurechtweisen oder gleich ganz ausschließen. Nur hier im Blog können Sie zum Leidwesen aller diesen Hahnerei fortsetzen. Eigentlich uninteressant, deshalb lassen wir das jetzt zum Thema BVerfG Urteil und Hartz IV-Sanktionen.

    • Blechmann 22. November 2019, 04:08

      Das ist falsch. Das genaue Gegenteil ist richtig. Das Urteil des BVerfG bezieht sich auf die im GG garantierte Menschenwürde und bringt diese ausdrücklich mit dem „soziokulturellen Existenzminimum“ in Verbindung. Das tatsächliche Existenzminimum, abgesichert durch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, spielt hierbei keine Rolle. Übrigens haben auch Strafgefangene – unglaublich aber wahr – ein garantiertes Recht auf Menschenwürde.

  • Ralf 5. November 2019, 21:24

    Das dezidiert linke Lager bestehend aus der Linkspartei und den früheren Regierungsbeteiligten von den Grünen hatte dazu immer eine klare Haltung

    Stimmt. Diese Haltung ist, dass die Würde des Menschen unantastbar ist.

    Anders herum wurde die Frage gestellt, ob sich der Staat gerade von Bürgern auf der Nase herumtanzen lassen muss

    Nein, die Frage, die gestellt wurde war, ob man zur Entlastung der Besserverdienenden bei der Würde der Schwächsten nicht auch mal Fünfe gerade lassen sein könne. Kann man nicht, wie wir seit heute wissen.

    Ein Frevel sei es, jenen noch das letzte Stück Brot zu nehmen, die ohnehin am Existenzminimum darben.

    Nein, kein Frevel. Schlicht ein Verstoß gegen die Würde des Menschen und damit gegen die Verfassung.

    Wenn die früheren Arbeiterparteien SPD und LINKE sich dereinst doch fragen sollten, warum sie nur so viele Wähler an die rechtspopulistische Fraktion vermeintlicher deutscher Interessen verlieren konnten, sollten dann auf ihre langjährige Sozialpolitik schauen.

    Die LINKE hat sich da nichts vorzuwerfen. Die SPD hat ihre Mitglieder mit ihrer Zerstörung des Sozialstaats in der Tat in die Arme der Rechtsextremen getrieben.

    • Stefan Pietsch 5. November 2019, 22:42

      Auch die FDP und die Union halten die Menschenwürde hoch. Ebenso die Karlsruher Richter. Schließlich ist die Verfassung für alle Bürger dieses Landes bindend. Also, das ist nicht der Unterschied zwischen den bürgerlichen und den linken Parteien.

      Ein Rechtsstaat kann nicht „Fünfe gerade sein lassen“. Die Genauigkeit des Rechts und die Diktatur des Gesetzes sind die Maßstäbe. Alles andere ist Willkür und führt zu einer völlig ungerechten Gesellschaft.

      Die LINKE hat sich da nichts vorzuwerfen.

      Die LINKE hat massiv unter der Wählerflucht zur AfD gelitten, genau daran setzte ja auch die Kritik von Sahra Wagenknecht an. Also, wenn sich eine Partei neben der CDU etwas vorzuwerfen hat, dann die Genossen aus dem Karl-Liebknecht-Haus.

      • Rauschi 6. November 2019, 12:05

        also, wenn sich eine Partei neben der CDU etwas vorzuwerfen hat, dann die Genossen aus dem Karl-Liebknecht-Haus.

        Ach so, was hätten die ändern können, ausser Ihren Forderungen?
        Die waren und sind in keiner Regierung, Herr im Himmel.

        Für die tasächliche Politik ist die amtierende Regierung verantwortlich, nicht die Opposition.
        Sonst wäre nach der Denke auch die FDP mit Schuld am Erstarken der AfD, wenn schon, denn schon.

  • popper 5. November 2019, 23:47

    Das erschreckende an diesem Urteil ist, dass der Neoliberalismus auch beim BVerfG angekommen ist. Man kann nur noch den Kopf schütteln. Die Versuche der Juristen, das Existenzminimum unter der Vorbehalt der Mitwirkung zu stellen, ist deshalb problematisch, weil die Reduzierung bereits eine Maßnahme darstellt, die die Betroffenen mit 424.-€/mtl. finanziell bereits so weit einschränkt, dass sie in ihrer Existenz bedroht sind. Hinzu kommt eine weit verbreitete gesellschaftliche Ächtung, wie sie Pietsch hier auf schreckliche Weise repräsentiert und als willkommene Gelegenheit sieht, sein neoliberales Mütchen zu kühlen. Dass das BVerfG als unabhängiges Verfassungsorgan dieser verheerenden Tendenz mit seinem Urteil Raum gibt, finde ich schlimm, aber vor allem mutlos.

    • Stefan Pietsch 6. November 2019, 10:05

      Schlimm finde ich vor allem, das sich bürgerlich gebende Menschen wie Sie oder Ralf das tun, was Stefan Sasse zu recht, aber nur einseitig kritisiert. Sie können Verfassungsinstitutionen so wenig wie andere Ansichten respektieren, wenn diese Ihren eigenen zuwider laufen. Leute wie Sie und Ralf verkennen mit Ihren Missachtungen und Herabwürdigungen, dass der Respekt vor den staatlichen Institutionen elementare Voraussetzungen für ein ziviles Zusammenleben sind.

      Die Versuche der Juristen, das Existenzminimum unter der Vorbehalt der Mitwirkung zu stellen (..).

      Genau das ist nicht passiert und dazu müssen Sie nur die Leitsätze lesen. Wenn jemand beharrlich gegen Vereinbarungen verstößt, liegt der begründete Verdacht nahe, dass derjenige nicht (mehr) bedürftig ist. Es gehört zu den Pfeilern des Sozialstaates, dass ein Bedürftiger seine Notlage nachweist. Die Beweislast ist damit klar verteilt. Wer ewig ohne Job ist, aber jede Gelegenheit versäumt, in bezahlte Arbeit zu kommen, bedarf wahrscheinlich des Geldes nicht.

      Das Gericht hat gleichzeitig deutlich gemacht, dass die Sanktionen entfallen, wenn der bestrafte Hartz-IV-Empfänger seine Notlage erneut glaubwürdig belegt und damit nachvollziehbar begründet, warum er gegen die Vereinbarungen verstoßen hat.

      • Ralf 6. November 2019, 10:35

        Leute wie Sie und Ralf verkennen mit Ihren Missachtungen und Herabwürdigungen, dass der Respekt vor den staatlichen Institutionen elementare Voraussetzungen für ein ziviles Zusammenleben sind.

        Respekt und Recht der Schwächsten sind – unter Ihrem Applaus, darf man hinzufügen – 15 Jahre lang mit Füßen getreten worden, wie uns das gestrige Urteil lehrt. Dabei war das Unrecht immer klar. Das Grundgesetz ist eindeutig und schützt nicht nur die, die sich “richtig” verhalten. Was immer hier im Kontext auch “richtig” heißen soll. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wir haben die Würde 15 Jahre lang angetastet, das Grundgesetz zum Narren gehalten und das mit verheerenden Folgen für die Betroffenen. Gut dass damit jetzt zumindest teilweise Schluss ist!

        • Stefan Pietsch 6. November 2019, 10:41

          Hier ist nichts mit Füßen getreten worden. Das Prinzip ist und war richtig, Menschen die Unterstützung zu entziehen, die nicht daran mitwirken, ihre Notlage zu beenden. Dass der völlige Entzug der Transferzahlungen unverhältnismäßig sein kann, über diesen Punkt habe ich nie argumentiert – weder dafür noch dagegen. Deswegen kann ich mich durch das Urteil auch in meiner Rechtsansicht bestätigt sehen – und andere widerlegt.

          Ich finde es nur absolut unstatthaft, Mitbürgern wie mir abzusprechen, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen („Die Würde des Menschen ist unantastbar“), nur weil ich einer anderen politischen wie rechtlichen Position folge. Das ist schließlich genau das, was Stefan an den Rechten so verurteilt. Jeder schaue auf seine eigene Nase.

          • Ralf 6. November 2019, 11:20

            Ich finde es nur absolut unstatthaft, Mitbürgern wie mir abzusprechen, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen

            Dafür braucht es nicht mich. Da hat Sie das Bundesverfassungsgericht gestern belehrt.

            • Stefan Pietsch 6. November 2019, 11:27

              Inwiefern? Ich habe doch geschrieben, dass ich meine lange verargumentierte Rechtsansicht bestätigt sehe. Ich müsste es raussuchen, aber ich habe immer argumentiert, dass Sanktionen gerechtfertigt sind ohne die Menschenwürde zu verletzen, weil derjenige, der sich nicht an die getroffenen Vereinbarungen hält – nicht zu Terminen erscheint, vermittelte Vorstellungsgespräche nicht wahrnimmt, Dokumente nicht liefert, Weiterbildungsmaßnahmen verweigert – Zweifel an seiner Bedürftigkeit weckt. Es ist nicht Aufgabe des Staates, diese Zweifel zu belegen, sondern es ist immer die Aufgabe des Unterstützung suchenden Bürgers, seine Bedürftigkeit (neu) zu belegen.

              Worin liegt dann genau die Belehrung?

              • Rauschi 6. November 2019, 12:11

                Ich müsste es raussuchen, aber ich habe immer argumentiert, dass Sanktionen gerechtfertigt sind ohne die Menschenwürde zu verletzen, weil derjenige, der sich nicht an die getroffenen Vereinbarungen hält – nicht zu Terminen erscheint, vermittelte Vorstellungsgespräche nicht wahrnimmt, Dokumente nicht liefert,
                Nein, SIe haben ja sogar bei kleinen Kindern gemeint, die Mami (ja, es war immer die Mami Schuld)müsse eben lernen, sich an bestehendes Recht zu halten. Das war und ist immer schwarze Pädagogik gewesen, die zu Recht im Orkus verschwunden ist, weil sie zerstört und nicht aufbaut.

                Es ist nicht Aufgabe des Staates, diese Zweifel zu belegen, sondern es ist immer die Aufgabe des Unterstützung suchenden Bürgers, seine Bedürftigkeit (neu) zu belegen.
                Auch das stimmt nicht, die Massnahmen sind bislang immer mindestens 3 Monate gelaufen, egal, wie gut die Mitwirkungs während dessen war. Deswegen haben die Richter auch diese Praxis verworfen.

              • Ralf 6. November 2019, 19:00

                Inwiefern? Ich habe doch geschrieben, dass ich meine lange verargumentierte Rechtsansicht bestätigt sehe.

                Yep. Im selben Sinn wie sich grundsätzlich Politiker aller Parteien am Wahlabend zum Gewinner erklären, egal wie haushoch sie verloren haben … 😀

                • Stefan Pietsch 6. November 2019, 22:39

                  Nun, dazu gibt es zweierlei zu sagen. Zum einen: in diesem Blog sind wir so eng, dass wir uns Behauptungen glauben können – und dies auch tun. Bis auf eine Ausnahme handhabe ich das so. Was wäre auch der Unterschied, wenn nicht? Es kann mir auch egal sein, ob Sie mir das abnehmen – und Ihnen auch. Wir könnten das unter dem Punkt abhaken, schön dass wir einen gemeinsamen Nenner haben.

                  Zum anderen: gegen eine Flasche guten argentinischen Rotwein wäre ich bereit, den Beweis zu erbringen, obwohl die Beweislast eigentlich anders verteilt ist. Weniger wert ist mir die Arbeit allerdings nicht. 🙂

                  • Rauschi 7. November 2019, 15:45

                    Zum anderen: gegen eine Flasche guten argentinischen Rotwein wäre ich bereit, den Beweis zu erbringen, obwohl die Beweislast eigentlich anders verteilt ist. Weniger wert ist mir die Arbeit allerdings nicht.

                    [Andersherum könnte man daraus schlussfolgern, dass in solchen Fällen bei voller Sanktion die Betroffenen erheblich etwas auf dem Kerbholz haben, da reden wir nicht mehr von einfachen Meldeversäumnnissen (10% Kürzung) oder Job abgelehnt, schließlich darf eine solch volle Sanktionierung erst bei häufigen Verfehlungen ohne Verhaltensänderung verhängt werden. Dazu zählt, dass Sie regelmäßig Ihre Bedrüftigkeit nachweisen müssen, sie wird nie als gegeben vorausgesetzt. Wer also mehrere Jobangebote nicht annimmt, ist möglicherweise nicht bedürftig, könnte z.B. andere Einnahmequellen haben. Hier trifft die Beweispflicht den Antragsteller. Warum treten Sie so für Menschen ein, welche die ordentlichen Bürger offensichtlich an der Nase herumführen? Niemand wird gerne veralbert. Dazu noch das IAB: Bei Manchen zeige sich aber keinerlei erzieherische Wirkung – etwa bei (ehemaligen) Drogenabhängigen oder Klientinnen und Klienten mit vermuteten anderen Einkommensquellen wie Schwarzarbeit oder (Klein-)Kriminalität. ]
                    http://www.deliberationdaily.de/2017/02/die-dunkle-seite-der-fruehkindlichen-betreuung/#comment-52117

                    Nun, das Sie immer gegen die 100% waren, scheint nicht zu stimmen, jedenfalls kann ich mich an keine Einlassung in diese Richtung erinnern, eher sowas wie oben.
                    Sie unterstellen auch Boshaftigkeit als Ursache für die Verweigerung, einfach so. Und mutmasslich nciht bedürftig ist doch gar kein Grund, das einfach als Fakt anzunehmen und deswegen zu streichen.
                    Das eine Vollsanktion nicht gegen die Menschewürde verstösst, ist aus Ihrern Äussergungen auch nicht ersichtlich.
                    Denn die muss ja immer gelten, da steh kein : „aber nur wenn XY sich Z“ verhält. Sondern
                    Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

                    Sie haben angefangen, meine Aussagen nicht zu glauben, und Sie haben mehrfach Ihr Wort gebrochen, das wollen wir doch mal fest halten.
                    Soviel zu Schuldzuweisungen.

                    • Stefan Pietsch 7. November 2019, 15:56

                      Ich nehme den Fakt zur Kenntnis, dass es 100% Sanktionen gibt. Ich habe das nicht ge- und bewertet. Aber danke, da steht ziemlich genau die Rechtsposition, die ich hier wiederholt vorgetragen habe, im Artikel vertrete und die der Position des obersten Gerichts entspricht. Nur hätte noch besser herausgearbeitet werden können, dass die Sanktionen in der Vermutung getroffen werden, dass keine Bedürftigkeit vorliegt:

                      Dazu zählt, dass Sie regelmäßig Ihre Bedürftigkeit nachweisen müssen, sie wird nie als gegeben vorausgesetzt. Wer also mehrere Jobangebote nicht annimmt, ist möglicherweise nicht bedürftig

                      Nur schade, dass Ralf nun keine Flasche argentinischen Rotwein opfern muss.

                    • Rauschi 7. November 2019, 16:16

                      Nur hätte noch besser herausgearbeitet werden können, dass die Sanktionen in der Vermutung getroffen werden, dass keine Bedürftigkeit vorliegt:
                      Nö, das lässt sich da nicht mal bei Wohlwollen heraus lesen. siehe auch hier
                      [[Das wäre auch eine Frage, sind Sie dafür, das Eltern mit kleinen Kindern nicht mehr sanktioniert werden dürfen, so von wegen Kindeswohl über allem?]
                      Drehen wir den Spieß um: ohne Sanktionen wird verantwortungsloses Verhalten belohnt. Ist das vorbildlich für Kinder?
                      Gerade Kinder sind natürlich vor den Fehlern der Eltern zu schützen. Ich stelle das aber schon in Frage, wenn eine Alleinerziehende voll sanktioniert werden muss. Da scheint diejenige grundsätzliche Probleme haben, die auch ihre Eignung als Erziehungsperson in Frage stellen.]

                      Sie stellen nie die 100% Sanktionen in Frage, nie, das wollen wir mal fest halten. Von daher müssen Sie Ralf den Wein zahlen, weil ich beweisen habe, das Ihre Ausage so nicht haltbar ist.

              • popper 6. November 2019, 23:37

                Sie konstruieren hier ein: wenn-dann. Das wäre aber nur am konkreten Fall festzumachen und nicht an einem von ihnen frei erfundenen Szenario. Man kann jede Regelverletzung erfinden und so tun, als sei das die Realität. Die müssten Sie aber dann nachweisen und nicht mit ihrer Belletristik vortäuschen.

                • Stefan Pietsch 6. November 2019, 23:58

                  Die Verwaltung braucht Mittel an die Hand, bei Vorliegen von Fehlverhalten dieses zu sanktionieren. Und es gehört zum Wesen des Rechtsstaates, sich dagegen wehren zu können und vor unverhältnismäßigen Maßnahmen geschützt zu sein. Genau in diesem Sinne haben die Richter geurteilt.

                  • Stefan Sasse 7. November 2019, 06:51

                    Exakt. Und wenn man das nicht will, muss man es politisch angehen (Abschaffung der Sanktionen). Aber die Gerichte sind dafür schlicht nicht zuständig.

          • popper 6. November 2019, 21:55

            Hier stapeln Sie wieder tief. Lesen Sie doch ihren Artikel mit welcher Häme Sie von den Betroffenen reden. Schon die Überschrift ist diskriminierend. Wenn es nur darum ginge, eine abweichende politische und rechtliche Auffassung haben, wäre das nicht zu kritisieren. Wobei Sie sich fragen lassen müssen, warum Sie die politische und rechtliche Meinung anderer so vehement bekämpfen und ad absurdum führen wollen bzw. als weniger rechtstaatlich apostrophieren..

            • Stefan Sasse 6. November 2019, 23:16

              Ja, der despektierliche Ton des sonst so den bürgerlichen Anstand bemühenden Autors fiel mir auch sehr negativ auf.

              • Stefan Pietsch 6. November 2019, 23:27

                Weder das Urteil noch mein Artikel richten sich an die Summe der Hartz-IV-Empfänger. Da solltet ihr Euch an den eigenen Argumenten messen lassen. Die Sanktionen treffen nur einen kleinen Kreis und nur wenige tanzen dem Staat auf der Nase herum. So wie ich Steuerhinterzieher nicht rechtfertige, so solltet ihr nicht für solche Transferempfänger in die Bütt, die dauerhaft vom Sozialstaat leben wollen.

                • popper 6. November 2019, 23:44

                  Auch hier die gleiche Leier. Sie imaginieren Phantome, obwohl Sie die Motive von konkreten Personen gar nicht kennen, aber umso absichtsvoller krumme Touren unterstellen. Das ist doch nicht seriös, nur stammtischartige Stimmungsmache. Daraus kann man doch nichts ableiten, was der Sache gerecht wird.

                • Stefan Sasse 7. November 2019, 06:50

                  Tue ich auch nicht. Aber du hast im Artikel mit deutlich breiterem Pinsel gemalt, als du das jetzt hier tust. Was du in diesem Kommentar schreibst, kann ich sofort unterschreiben.

    • Stefan Sasse 6. November 2019, 12:49

      Die Gerichte urteilen über Rechtmäßigkeit, nicht über politische Prinzipien. Wenn Gesetze neoliberal sind, ist es nicht an den Richtern, sondern am Bundestag, das zu ändern. Ich will keine politische Gerichtsbarkeit. Relevant ist Verfassungswidrigkeit. Und die ist bei Hartz-IV offensichtlich nicht gegeben.

      • popper 7. November 2019, 09:52

        Relevant ist Verfassungswidrigkeit. Und die ist bei Hartz-IV offensichtlich nicht gegeben.

        Das war ja auch nicht die Frage, sondern Gegenstand der Vorlage waren die Sanktionen, bei Verweigerung einer Arbeitsaufnahme etc.

        Da würde ich dann doch differenzieren. Das BVerfG ist keine Instanz, die Gerichte und deren Entscheidungen überprüft. Dafür ist der BGH zuständig. Es prüft aber schon die Gesetze , die die Regierung erlässt und bei Hartz IV hat es nun festgestellt, dass Sanktionen, die über 30% hinausgehen verfassungswidrig sind und bei den 30% muss auch zukünftig die Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Einen Pferdefuß sehe ich allerdings. Das Gericht führt nämlich aus: „Anders liegt dies, wenn und solange Leistungsberechtigte es selbst in der Hand haben, durch Aufnahme einer ihnen angebotenen zumutbaren Arbeit ihre menschenwürdige Existenz tatsächlich und unmittelbar durch die Erzielung von Einkommen selbst zu sichern. Wird eine solche tatsächlich existenzsichernde und zumutbare Erwerbstätigkeit ohne wichtigen Grund verweigert, obwohl im Verfahren die Möglichkeit bestand, dazu auch etwaige Besonderheiten der persönlichen Situation vorzubringen, kann ein vollständiger Leistungsentzug zu rechtfertigen sein.“

        Das heißt im Klartext, dass Sanktionen zu 100% weiterhin, wenn auch nur in besonders schweren Fällen, zulässig sind. Außerdem spricht der Senat von: „nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen“, was bedeutet, dass zu einem späteren Zeitpunkt Erkenntnisse vorliegen können, die zu einer anderen Bewertung führen. Also alles in allem ziemlich schwammig.

        Dennoch ist nach dem jetzigen Urteil vorerst klar, Sanktionen über 30% sind verfassungswidrig. Es bleibt auch abzuwarten, was der Gesetzgeber daraus macht.

    • Blechmann 22. November 2019, 04:19

      Da muss ich das BVerfG mal in Schutz nehmen. Es gab schon vor etlichen Jahren ein Urteil zur Höhe des HartzIV-Satzes, wo erstaunlich klar in der Urteilsbegründung steht, dass Sanktionen verfassungswidrig sind. Deswegen hat es wohl auch so ewig gedauert mit dem Urteil zu Sanktionen, weil die Chance hoch war, dass das BVerfG das Gesetz kippt. Ich hatte allerdings ein Wischiwaschi Urteil erwartet, so nach dem Motto: formuliert das Gesetz etwas um, das geht dann nochmal 10 Jahre wie bisher. Da bin ich positiv überrascht, dass hier klipp und klar ein Riegel vorgeschoben wurde, vom BVerfG.
      Aber wer weiß, vielleicht kriegen wir ja bald die 59% Sanktion. 😀

  • CitizenK 6. November 2019, 10:28

    Ich halte das Urteil für gerecht. Ein guter Mittelweg.

    Was mich an dem Beitrag stört, ist die geradezu besessene Fixierung auf die wenigen Fälle von böswilliger Nichtmitwirkung. Dass dies wirklich wenige sind, hat der Chef der Arbeitsagentur gerade wieder bestätigt.

    Wie schwierig es für bedürftige Menschen ist, an staatliches Geld zu kommen, weiß jeder, der mal einen Antrag auf Bafög oder Wohngeld oder diese obskure Kinderzulage gestellt hat. Diese Form von Entblößung ist auch eine Verletzung der Menschenwürde.

    • Ralf 6. November 2019, 10:38

      Exakt … ^^

      Danke, dass Du nochmal darauf hinweist.

    • Stefan Pietsch 6. November 2019, 10:54

      Der Staat gewährt nicht Leistungen, damit sie nicht abgerufen werden oder diejenigen, die sie in Anspruch nehmen, sanktioniert werden können. Sanktionen, egal ob im Sozialrecht, im Steuerrecht oder in Subventionsverordnungen, richten sich allein auf den missbräuchlichen Bezug. Auch die Bezieher von Wirtschaftszuschüssen stehen in der Pflicht nachzuweisen, dass sie die erhaltenen Mittel so eingesetzt haben wie vereinbart. Andernfalls sind sie zur Rückzahlung verpflichtet.

      Rund 50 Millionen Bürger müssen sich jährlich vor dem Staat ausziehen, schwierige Formulare bewältigen, deren Regelungen nicht zuletzt absolute Fachleute nicht verstehen. Fehler gehen dabei immer zu Lasten desjenigen, der die Erklärung abgibt, nebst hohen Strafzahlungen. Beamten des Staates ist es per Gesetz verboten, dem Bürger Hilfestellung zu geben. Es ist bezeichnend, dass Sie und die vielen anderen wie Ralf gegen eine solch harte Praxis nicht aufbegehren. Weder sind unsere Sozialgesetze schwieriger als die Steuergesetze noch müssen sich Antragsteller von Sozialleistungen mehr entblößen als Steuerzahler.

      Wo liegt also die Ungerechtigkeit? Die logische Konsequenz wäre, erst den Steuerzahlern Erleichterungen zu gewähren und das Prinzip des gläsernen Bürgers aufzugeben, bevor man die großzügige Praxis auf die Empfänger von staatlichen Wohltaten ausweitet.

      • Ralf 6. November 2019, 11:23

        Es ist bezeichnend, dass Sie und die vielen anderen wie Ralf gegen eine solch harte Praxis nicht aufbegehren.

        Wo genau bitte habe ich gefordert, dass Steuerformulare unverständlich sein müssen und dass Beamte dem Steuerzahler nicht beratend zur Seite stehen sollen dürfen?

        • Stefan Pietsch 6. November 2019, 11:33

          Ihre Prioritäten. Irgendwann hätte mal der Satz hingehört, Sie möchten, dass der Staat seine Anforderungen klarer formuliere und Steuerzahler großzügiger bei Fehlern behandle. Habe ich nie (!) von Ihnen gelesen, wohl aber unzählige Male, wie schwer das Leben eines Sozialleistungsempfängers sei. So haben Sie gerade gestern geschrieben, der Staat solle in Bezug auf Bedürftige „Fünfe gerade sein“ lassen. Sie haben nicht gesagt, dass er dies generell tun solle – z.B. in Bezug auf Steuerzahler, die ihre Fahrtstrecke zur Arbeit etwas zu hoch angegeben und Einnahmen vergessen haben.

    • Stefan Sasse 6. November 2019, 12:53

      Diese Form der Verallgemeinerung ist vor allem eine, die Stefan bezüglich der zahlreichen Steuerhinterzieheher, Arbeitsrechtbrecher etc. in den höheren Etagen der Gesellschaft rigoros ablehnt…

    • popper 6. November 2019, 21:58

      Gerechte Urteile gibt es nicht, nur materiell richtige. Unser positives Recht zieht gerechte und moralische Aspekte mit ein, aber deshalb müssen Urteile nicht gerecht sein.

    • popper 7. November 2019, 09:58

      Ich denke Existenzminimum heißt nicht weniger als das, sonst ist es nämlich keines mehr. Was das Gericht hier aus dem Hut gezaubert hat ist reine Kasuistik.

  • Ralf 6. November 2019, 12:00

    So haben Sie gerade gestern geschrieben, der Staat solle in Bezug auf Bedürftige „Fünfe gerade sein“ lassen.

    Ich habe nichts dergleichen geschrieben.

    hätte mal der Satz hingehört, Sie möchten, dass der Staat seine Anforderungen klarer formuliere und Steuerzahler großzügiger bei Fehlern behandle.

    Ich habe mich immer für einfachere Steuerformulare ausgesprochen. Ich glaube sogar hier im Blog. Eine Steuererklärung in Deutschland konnte ich ohne Hilfssoftware nicht ausfüllen, selbst mit Hilfssoftware war ich in der Regel zwei Tage beschäftigt und am Ende musste ich einen Ausdruck unterschreiben, den ich nicht verstand. Und das bei der denkbar einfachsten Steuersituation und – ich nehme das mal für mich in Anspruch – relativ hohem Bildungsgrad. In den USA hingegen fallen zwei Steuererklärungen an (Bund und Bundesstaat), zeitlich kosten beide zusammen genommen etwa eine Stunde, ich verstehe genau, was ich am Ende unterzeichne und weiß sogar direkt, ob ich nachzahlen muss oder etwas zurückbekomme. Gerne sowas in Deutschland einführen!

    Was die großzügigere Behandlung von Fehlern bei der Steuererklärung angeht, da fordere ich nichts dergleichen pauschal. Da ist im Einzelfall abzuwägen, ob die Fehler eher absichtlich oder eher unabsichtlich geschehen sind. Und auch die Möglichkeiten der Steuerzahler sind hier zu berücksichtigen. Von einem Multimillionär mit komplizierter Steuersituation darf man erwarten, dass er sich Rat von teuren Experten holt. Bei einem unteren Mittelklassebürger oder einem kleinen Unternehmen kann man das nicht notwendigerweise erwarten. Sowas darf und soll gerne in die Bewertung von Steuernachlässigkeiten eingehen.

    • Stefan Pietsch 6. November 2019, 12:44

      Da ist im Einzelfall abzuwägen, ob die Fehler eher absichtlich oder eher unabsichtlich geschehen sind.

      Auch im Sozialrecht gilt, insbesondere in Abwägung der Sanktionspraxis, dieses Postulat. Damit sollten wir beide konform gehen können.

      Und auch die Möglichkeiten der Steuerzahler sind hier zu berücksichtigen.

      Nein, auf gar keinen Fall! Vor dem Gesetz sind alle Bürger gleich. Was Sie fordern, ist ein elementarer Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Auch einem Multimillionär muss es ermöglicht werden, seine Erklärung ohne fremde Hilfe zu erstellen und zu verstehen. Keinem (!) Bürger ist prinzipiell zuzumuten, sich nur unter Zuhilfenahme von teuren Experten gesetzeskonform verhalten zu können. Was ist denn das für ein Wahnsinn!

      So habe ich einige Betriebsprüfungen mitgemacht und dabei ging es um verschiedene Aspekte des Steuerrechts: Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer, Lohnsteuer. Der Fiskus zwingt als Gesetzgeber, die Ermittlung der Steuerschuld selbst vorzunehmen, was eigentlich seine Aufgabe wäre. Und dann bestraft er noch seinen „Gehilfen“, wenn dieser Fehler macht. Das ist im Grunde ein Unding. Und wie laufen solche handelsüblichen Betriebsprüfungen ab? Immer (!) schauen die Betriebsprüfer vorrangig in jene Bereiche, wo sie erwarten, Geld mitnehmen zu können. Am Ende muss das Unternehmen noch weit überhöhte Zinsen berappen, weil aufgrund der Komplexität der Materie von den Sachbearbeitern Fehler gemacht wurden. Das ist steuerpolitische Realität in Deutschland!

      Und nein, üblicherweise passieren solche Fehler nicht mit Absicht, schließlich hat keiner in einer Kapitalgesellschaft etwas persönlich davon, wenn steuerrelevante Vorgänge verheimlicht werden. Und die Anweisungen des Eigentümers, der als PE oder ebenfalls Kapitalgesellschaft nicht persönlich profitiert, sind immer auch klar: wir verhalten uns gesetzeskonform und wollen keine Überraschungen. Es gehört zu den unangenehmen Aufgaben eines Finanzchefs, Steuernachzuahlungen gegenüber Leuten begründen zu müssen, die von Steuern noch weniger verstehen.

      • Ralf 6. November 2019, 13:49

        Nein, auf gar keinen Fall! Vor dem Gesetz sind alle Bürger gleich.

        Sehe ich nicht so. Es ist auch heute vor Gericht völlig normal Lebenssituationen, Tatkontext und persönliche Geschichte des Angeklagten in die Beurteilung der Schwere einer Straftat miteinzubeziehen. Ob man Ersttäter oder Wiederholungstäter ist, ob man nüchtern oder im Alkoholrausch gehandelt hat, welche Rolle eine schwere Kindheit für die Tat gehabt haben mag, darf und wird alles berücksichtigt.

        Im übrigen ist es nicht möglich eine einfache, verständliche Steuererklärung für den Vorstandsvorsitzenden der Bayer AG mit seiner komplexen Steuersituation zu entwerfen. Nicht wenn die Steuerlast im Land gerecht verteilt sein soll. Am Ende müssen Sie immer entscheiden, ob Sie die Einfachheit für die Gerechtigkeit opfern. Oder die Gerechtigkeit für die Einfachheit.

        Der beste Kompromiss ist davon auszugehen, dass die Bayer AG Zugang zu den besten Anwälten und Steuerfachleuten der Welt hat. Das selbe gilt für den Vorstandsvorsitzenden persönlich. Beim kleinen Mann, der einen Kiosk an der Ecke betreibt, kann man davon hingegen nicht ausgehen. Den darf man vor Gericht bzw. im Finanzamt dann auch entsprechend großzügiger behandeln. Und nein, davon geht der Rechtsstaat nicht unter.

        • Stefan Pietsch 6. November 2019, 16:28

          Wir sind aber nicht im Strafrecht. Und im Strafrecht geht es bei der individuellen Behandlung nur um die Strafzumessung, nicht um die Wertung der Tat an sich. Ob eine Kassiererin mit schmalem Einkommen einen Bon im Wert von 1€ stielt, oder der Geschäftsführer, ändert an der Strafwürdigkeit der Tat nichts. Und umgekehrt kann ein Sachverhalt nicht je nach Einkommenssituation bei dem einen zu einer Straftat führen und bei dem anderen nicht. Gleichbehandlung.

          Wo wir dabei sind: der Staat darf prinzipiell verschiedene Einkunftsarten nicht bevorzugen oder diskriminieren. Einkommen sind steuerrechtlich Mittelzuflüsse aus wiederkehrenden Quellen. Ob jemand aus einer Rente, aus einem freiberuflichem Honorar oder aus Arbeitnehmerentgelt Einkünfte erhält, ist absolut Banane. Es sollte also auch bei einem Vorstandsvorsitzenden nicht so schwer zusammenzuzählen, wie viel Euros ihm denn nun im Jahr zugeflossen sind. Und das unterliegt der Steuerpflicht. Dass sich unser Staat nun umfängliche Mittel und Wege ausgedacht hat, die Bürger mittels Steuerrecht zu bestrafen und zu belohnen, wenn sie dies und das tun, dass der Fiskus selbst den Vorstandsvorsitzenden der XY AG nicht exakt so besteuern will wie seinen Vorgänger und Nachfolger, ist nicht das Vergehen des Bürgers. Es kann also nicht zu seinen Lasten gehen.

          Die einzige Pflicht, die somit ein Steuerpflichtiger in den meisten Rechtsstaaten hat, ist die, anzugeben, was er an Einkommen bezogen hat: 1 + 1 + 1. Und die Steuerverwaltung hat die Pflicht, dann seine Steuerzahlung zuzumessen. In der Schweiz funktioniert das hervorragend, in Deutschland ist derjenige der Dumme, der überhaupt die Steuererklärung erstellt und eventuell vergessen hat (oder gar nicht weiß), dass Einkommen aus bestimmten Quellen nach sehr komplizierten Sonderregeln erfasst und besteuert werden. So hatte ich mich vor einiger Zeit mit einem Fall zu beschäftigen, wo die Person neben inländischen auch Einkünfte aus einem ausländischen Fonds bezogen hatte. Nach Ansicht der Finanzverwaltung war bei der Ermittlung der periodischen Gewinne und dem Quellensteuerabzug etwas falsch gelaufen. Nun war es aber nicht Aufgabe der Finanzverwaltung noch die rechtliche Obliegenheit des Fonds, dieses untereinander zu klären, sondern die steuerlich eher nicht so bewanderte Person musste den Sachverhalt sowohl inhaltlich als auch rechtlich aufklären. Aus meiner Sicht ein absolutes Unding! Nicht zuletzt deshalb, weil die Finanzbeamten meist keine Ahnung haben, wenn es in die internationale Besteuerung geht – also in ihrem eigentlichen Fachgebiet nicht ausreichend bewandert sind. D.h. der Bürger muss die Kosten tragen, die eigentlich des Staates sind. Daran ist nichts gerecht.

          Der beste Kompromiss ist davon auszugehen, dass die Bayer AG Zugang zu den besten Anwälten und Steuerfachleuten der Welt hat.

          Nur, wer bezahlt die? Lieber Ralf, solche Leute kosten Geld. Ich hätte ja noch Verständnis für Ihre Position, wenn Sie dann auch fordern würden, dass der Fiskus deren Kosten übernimmt. Aber es geht doch unmöglich an, dass der Bürger selbst Kosten trägt, nur damit er sich gesetzeskonform verhalten kann. Gesetze sind einfach und verständlich zu halten. Wo dies nicht möglich ist, gehen die Kosten zu Lasten des Verursachers – und das ist nicht der Bürger, sondern die Verwaltung.

          • Ralf 6. November 2019, 19:17

            Wir sind aber nicht im Strafrecht.

            Hab ich auch nicht behauptet. Aber es ist durchaus möglich Finanzbeamte mit einem begrenzten Ermessensspielraum auszustatten, etwa von Säumniszuschlägen abzusehen, wenn das berechtigt erscheint. Funktioniert in den USA zum Beispiel ganz hervorragend.

            Nach Ansicht der Finanzverwaltung war bei der Ermittlung der periodischen Gewinne und dem Quellensteuerabzug etwas falsch gelaufen.

            Wenn Ihr Bekannter Einkünfte aus dem Ausland hat und selbst nicht Experte ist auf dem Gebiet der Steuererhebung auf ausländische Einkünfte, dann ist es nicht nur zumutbar, sondern erwartbar, dass er sich selbstständig beim Finanzamt meldet, seine Einkünfte dort transparent offenlegt und anfragt, wie damit zu verfahren sei. Ich gehe mit Ihnen dahingehend d’accord, dass es dann die Pflicht und Schuldigkeit des Finanzamts sein sollte, zu ermitteln, ob die entsprechenden Einkünfte steuerpflichtig sind und gegebenenfalls die Steuerschuld zu berechnen.

            Das gilt für den Fall, dass es sich um eine relativ einfache Standardsteuersituation handelt. Handelt es sich um eine extrem komplexe Situation, geht also meinetwegen die Bayer AG mit ihren weltweiten Operationen in Frauenaurach zum Finanzamt und bittet den Finanzbeamten die Steuerschuld zu berechnen, ist das für den Beamten nicht zumutbar. Hochkomplexe Steuerangelegenheiten von multinationalen Großkonzernen oder Höchstverdienern erfordern zeitintensive Prüfung und Berechnung und man darf in diesen Fällen voraussetzen, dass die Beauftragung von Rechts- und Steuerexperten zumutbar ist.

            Und nein, niemand hat ein Recht auf eine einfache Steuererklärung. Der Staat sollte es den Menschen nicht schwieriger machen, als es sein muss (Deutschland kann da noch viel lernen!). Aber er muss und darf es den Menschen nicht so einfach machen, dass die Gerechtigkeit der Steuererhebung auf der Strecke bleibt. Wer zur Gewinnmaximierung hochkomplexe, stark unkonventionelle Anlagestrategien wählt, die weltweit nur noch von einer Handvoll Experten durchschaut werden können, zahlt völlig zurecht den Preis einen Steuerfachmann einstellen zu müssen.

            • Stefan Pietsch 6. November 2019, 23:05

              Aber es ist durchaus möglich Finanzbeamte mit einem begrenzten Ermessensspielraum auszustatten, etwa von Säumniszuschlägen abzusehen, wenn das berechtigt erscheint.

              Nun, Sie scheinen lange nicht mehr in Deutschland gewesen zu sein. Seit diesem Jahr gilt, dass der Ermessensspielraum der Finanzbeamten deutlich eingeschränkt wurde. Gibt der Steuerpflichtige nicht rechtzeitig seine Erklärung ab, werden Verzugszinsen fällig. Punkt, Ende der Durchsage. Offensichtlich war die Politik in der Vergangenheit der Ansicht, dass die Beamten den Ermessensspielraum nicht angemessen genutzt hätten.

              Auch wenn Sie Einkünfte beziehen, die bereits mit einer Quellensteuer belegt sind, müssen Sie eine Steuererklärung abgeben. Die Quellensteuer besitzt keinen befreienden Charakter. Die Sache ist auch nicht kompliziert, sondern alltäglich. Ein Anleger investiert über mehrere Jahre in einen ausländischen Fonds. Gegen die Wertsteigerung als Besteuerungsgrundlage bei der Veräußerung ist die gezahlte Quellensteuer in Abzug zu bringen. Ist die Steuergutschrift für die thesaurierten Gewinne nicht korrekt, kommt es zu einer falschen Steuerberechnung. An dieser Stelle, die nun so selten eben nicht sein sollte, scheitert der übliche Finanzbeamte, denn Fehler kommen nicht vor. Bitte zurück auf Los und verlangen Sie, dass das Unternehmen rückwirkend (!) einen korrekten Steuerabzug vornimmt, damit ich, Finanzbeamter mit Nine to Five, intellektuell nicht überfordert bin.

              Wie schwach übrigens deutsche Beamte ausgebildet sind, zeigte neulich eine Untersuchung der Auskunftsqualität der Deutschen Rentenversicherung. Meiner Erinnerung nach war rund die Hälfte der Auskünfte falsch. Auch eine mir bekannte Person richtete eine solche Anfrage an die DRV mit der nicht so schweren Frage, ob sich eine Einmalzahlung wie positiv auf den Rentenanspruch auswirken würde. Nachdem die DRV alle möglichen Belege angefordert und sich 3 Monate Zeit genommen hatte, kam die Antwort: Wir wissen es auch nicht, aber wahrscheinlich schon. Doch das Ergebnis war völlig falsch. Fragen Sie mich, warum ich so wenig von unseren Beamten halte? Ich kenne eben keine positiven Überraschungen. Das Beste was man sagen kann, ist, sie sind immerhin meist bemüht und einigermaßen freundlich. Von Kompetenz hat keiner gesprochen.

              Würde eine Kapitallebensversicherung eine solch fehlerhafte Erklärung abgeben, müsste sie für den eventuell entstehenden Schaden haften. Aber doch nicht eine deutsche Behörde! Der Staat verpflichtet seine Bürger und Unternehmen, aber doch nicht sich selbst!

              Aber er muss und darf es den Menschen nicht so einfach machen, dass die Gerechtigkeit der Steuererhebung auf der Strecke bleibt.

              Von Steuergerechtigkeit gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen. Aber es geht mir nur um einen Punkt: um deutsche Gesetze einzuhalten – ohne Tricksereien, ohne komplizierte Konstrukte – muss es jedem Bürger möglich gemacht werden, sich gesetzeskonform verhalten zu können ohne die Arbeit von Experten. Wie es auch sonst im Zivilrecht gilt: Fehler gehen zu Lasten desjenigen, der die Regeln aufgestellt hat, nicht desjenigen, der sich bemüht sie einzuhalten.

              • Stefan Sasse 6. November 2019, 23:17

                Gibt’s auch Untersuchungen, wie oft die Auskünfte der privaten Rentenversicherer oder Anlagefonds falsch sind? Der Staat ist halt transparent.

                • Stefan Pietsch 6. November 2019, 23:30

                  Meistens beschweren sich halt die Leute und häufig klagen sie. Beim eigenen Geld ist man eben empfindlich, das ist die beste Kontrolle. Der Staat war hier weder transparent – die Untersuchung wurde meiner Erinnerung nach von Finanztest durchgeführt – noch sieht er sich in irgendeiner Haftung. Ein Sorry muss genügen (wenn überhaupt).

          • CitizenK 6. November 2019, 21:42

            Warum darf der Staat Einkunftsarten nicht unterschiedlich behandeln? Andere Staaten kennen diese Einteilung doch gar nicht.

            • CitizenK 6. November 2019, 21:44

              Sorry, die Frage geht an Herrn Pietsch.

            • Stefan Pietsch 6. November 2019, 23:22

              Darf er nicht. Diese Debatte hatten wir in den Achtzigerjahren auf verfassungsrechtlicher Ebene. Die Diskriminierung einzelner Einkunftsarten verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Den haben andere Staaten möglicherweise so nicht. Eine Auswirkung dessen war übrigens die volle Besteuerung der Renten. Lang, lang ist’s her.

  • Ariane 6. November 2019, 13:55

    Ich muss sagen, ich bin etwas zwiegespalten. Politisch ist das Urteil ein erstklassiger Kompromiss und eigentlich könnte man den Deckel draufmachen und zufrieden sein.

    Unglücklich bin ich mit den rechtstheoretischen Widersprüchen, die sich da auftun.
    Ich zitiere mal aus einem Kommentar von Stefan P.:
    Also, die 30% schneiden sehr wohl in das soziokulturelle Existenzminimum ein. Aber daran haben sich die Richter nicht aufgehangen, sondern daran, dass 60% oder gar die vollständige Streichung nicht verhältnismäßig sei. Dem kann ich folgen.

    Ich sehe hier einen nahezu unüberbrückbaren Gegensatz: Wenn das Gericht sagt, dass das soziokulturelle Minimum nötig ist, um die Menschenwürde zu wahren, dann gilt das absolut und darf eigentlich gar nicht mehr angetastet werden. Wie gesagt politisch bin ich mit dem Urteil ganz zufrieden und ich sehe auch die Zwänge des Gerichts, aber es bereitet mir wirklich Bauchschmerzen, dass im Umkehrschluss dadurch beständig die Menschenwürde zu einem Verhandlungsgegenstand wird.

    • Ralf 6. November 2019, 14:10

      Eigentlich sollte das Bundesverfassungsgericht völlig frei von politischen Überlegungen entscheiden. Aber das wäre wohl sehr naiv tatsächlich in der Realität zu erwarten. Das Urteil geht in die richtige Richtung. Darüber bin ich erstmal glücklich. Die Würde auch von Hartz IV-Empfängern ist unantastbar. Das war in der realen Rechtssprechung abseits luftiger Politikerreden umstritten. Da hat das Gericht jetzt eine rote Linie gezogen. Mit den 30% habe ich die selben Bauchschmerzen wie Du. Und ich gehe davon aus, dass das langfristig so nicht Bestand haben wird. Aber die Grenze von 30% war nunmal das, was heute politisch möglich ist. Freuen wir uns erstmal über den Erfolg!

      • Stefan Sasse 6. November 2019, 17:45

        Ich denke, die Sanktionen werden politisch beseitigt werden müssen. Die Gerichte sind nicht der Ort für so was.

        • Ralf 6. November 2019, 19:19

          Die Gerichte sollten ihrer Funktion nach eigentlich schon der Ort sein für so was, aber in unserer realen Welt wird die vollständige Beseitigung der Sanktionen wohl tatsächlich politisch erfolgen müssen. Vielleicht geschieht das ja in zwei Jahren durch Bundeskanzler Habeck … 😉

          • Stefan Sasse 6. November 2019, 20:37

            Nein, sollten sie nicht. Eine politische Gerichtsbarkeit kannst du nicht wollen.

            • Ralf 6. November 2019, 21:16

              Eine Gerichtsbarkeit, die dann einschreitet, wenn die Verfassung verletzt wird, also wenn Bürgern z.B. nicht das Existenzminimum zum Leben gelassen wird, das für ein menschenwürdiges Dasein per Definition essentiell ist, wünsche ich mir aber eigentlich doch.

              • Stefan Sasse 6. November 2019, 23:14

                Klar, aber die ist ja eingeschritten. Mehrfach inzwischen. Aber die Entscheidung über die Sanktionen generell ist politisch, nicht juristisch.

                • Ralf 7. November 2019, 07:48

                  Die Entscheidung über Sanktionen per se ist politisch, nicht aber der spezielle Fall von Entscheidung über Sanktionen, die den Menschen nicht das Existenzminimum zum Leben lassen. Hartz IV ist aber per Definition das Existenzminimum und jede Sanktion, die auch nur 1% in diese Leistung schneidet, lässt den Menschen folglich nicht das Existenzminimum zum Leben. Und genau müsste man von Gerichten eben schon erwarten dürfen, dass sie einschreiten.

                  • Stefan Pietsch 7. November 2019, 12:21

                    Sie passen selbst im Angesicht eines höchstrichterlichen Urteils ihre „juristische“ Interpretation nicht an. Der Staat belastet nicht das Existenzminimum. Niemals. Er darf das nicht. Die Sanktionierung ist aus anderen Gründen zulässig, nicht, weil sie, wie Sie fälschlich behaupten, die Transfers unter das Existenzminimum drücken. Es empfiehlt sich, zumindest die Leitsätze zu lesen um den Unterschied zu verstehen.

                    Zum Verständnis: warum setzen Sie als selbstverständlich voraus, dass ein ehemaliger Antragsteller noch bedürftig ist, wenn er jeden Meldetermin sausen lässt und jede Beschäftigung ablehnt?

                    • Ralf 7. November 2019, 16:06

                      Zum Verständnis: warum setzen Sie als selbstverständlich voraus, dass ein ehemaliger Antragsteller noch bedürftig ist, wenn er jeden Meldetermin sausen lässt und jede Beschäftigung ablehnt?

                      Ich setze überhaupt nichts voraus. Ich lese das Grundgesetz und das Grundgesetz ist eindeutig. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Auch die Würde von Arbeitsverweigerern. Case closed.

                    • Stefan Pietsch 7. November 2019, 16:28

                      Eben nicht. Ich habe keinen Anspruch auf Hartz-IV und ich falle auch unter die Regeln des Grundgesetzes.

                    • Ralf 7. November 2019, 16:33

                      Ein Blick auf Ihr Konto reicht, um zu belegen, dass Ihre Würde nicht in Gefahr ist.

                      (Nehme ich stark an)

                    • Stefan Pietsch 7. November 2019, 17:12

                      Wenn der bisherige Hartz-IV-Empfänger, der sich bisher allen Maßnahmen widersetzt hat, sich heute aufs Konto schauen lässt, können die Sanktionen auch wieder enden. Dann muss er nur noch glaubhafte und nachvollziehbare Begründungen für sein Handeln darlegen und er bekommt – so das Urteil – die einbehaltenen Beträge wieder rückerstattet. Nur, die Antwortmöglichkeiten: „Hatte keine Lust!“ oder „Hatte etwas Besseres vor!“, werden sicher nicht funktionieren. Wohl aber: „Musste mit meinem Kind zum Arzt, hier ist die Bescheinigung.“

                      Wo ist also nochmal das Problem?

                    • Stefan Sasse 7. November 2019, 17:30

                      Das Problem war bisher, dass es den Ämtern allzu häufig egal war, ob Gründe wie „Kind war krank und musste zum Arzt“ vorlagen.

                    • Stefan Pietsch 7. November 2019, 17:51

                      Das mag richtig sein und es gehört zu den Bedenken der Verwaltung, nicht mehr nach Schema F vorgehen zu dürfen. So sind beispielsweise die Sanktionen sofort zu beenden, wenn der Gemaßregelte die Vereinbarungen wieder einhält. Andererseits legt die niedrige Sanktionsquote eben auch nahe, dass das Instrument bisher nicht exzessiv gehandhabt wurde. So müsste die Sanktionsquote im Bereich der Steuerzahler bei um die 5% liegen. Im direkten Kundengeschäft liegen die Ausfallquoten eher im Bereich von 8%. Wenn wir also von Sanktionsquoten von 2,5% reden, dann ist das wahrlich nicht viel.

                      Und ich gehe nicht davon aus, dass Hartz-IV-Empfänger ordentlichere Menschen sind als Otto Normalo.

                    • popper 8. November 2019, 14:22

                      Die Sanktionierung ist aus anderen Gründen zulässig, nicht, weil sie, wie Sie fälschlich behaupten, die Transfers unter das Existenzminimum drücken. Es empfiehlt sich, zumindest die Leitsätze zu lesen um den Unterschied zu verstehen.

                      Ist das so, wie Sie behaupten? Und was heißt in dem Zusammenhang: „weil sie“ Das festgelegte soziokulturelle Existenzminimum beträgt derzeit bei einer Einzelperson 424.- €. Wenn durch eine 30%tige Sanktion der Betroffene nur noch 296,80 € bekommt, ist das Existenzminimum um 127,20 € unterschritten. Das Gericht führt doch unmissverständlich in Rdz. 132, Satz 2 selbst aus: „Bedürftige erhalten in der Zeit der geminderten Leistungen tatsächlich nicht, was sie zur Existenzsicherung benötigen, ohne selbst unmittelbar zur Existenzsicherung in der Lage zu sein“. Ergo, wird entgegen ihrer Behauptung, die Leistung unter das das Existenzminimum gedrückt. Oder habe ich da was verpasst.

                    • popper 9. November 2019, 09:12

                      Ich empfehle Dir, mal Hartz-IV-Fernsehen zu schauen. „Hartz aber herzlich“ oder so etwas Ähnliches. Das ist zumindest Anschauungsmaterial und damit schon mal besser als das wild Herumphilosophieren. Das bringt nämlich gar nichts.

                      Wenn das ihr Niveau ist, Sachverhalte zu beschreiben, dann verstehe ich, ihre teilweise abstrusen, menschenverachtenden Kommentare. Sie sollten realisieren: Hartz-IV-TV ist ein weiteres Mittel der kollektiven Verblödungsmechanismen der Mediengesellschaft, was von seinen Konsumenten jedoch weder bemerkt noch bemängelt wird, da es bereits wirkt. Dass Sie diesen medialen Dreck als Informationshilfe propagieren, ist wirklich ätzend.

                    • Stefan Pietsch 9. November 2019, 13:28

                      Wer das nicht kennt, hat in der heutigen Zeit eine erhebliche Bildungslücke. Es gehört nunmal zu unserer medialen Welt. Die meisten informieren sich übrigens über Millionäre und Milliardäre auch über das Trashfernsehen ohne je mit einem nur eine Minute gesprochen zu haben.

                  • Stefan Sasse 7. November 2019, 13:02

                    Mein Wissensstand ist, dass das dadurch gewährleistet wird, dass Sachleistungen beantragt werden können. Sanktioniert wird ja sozusagen das frei verfügbare Geld, nicht das lebensnotwendige. Wie realitätsnah das ist, ist eine völlig andere Diskussion, aber rechtlich ist das schon gedeckt IMHO.

                    • Ariane 7. November 2019, 14:19

                      Ich meine auch, dass es da Regelungen gibt, dass die Wohnung weiter bezahlt wird und Essensmarken usw.
                      Aber wir müssen echt mal von der Sichtweise runterkommen, dass das alles Faulpelze sind. Mein Eindruck ist, dass die gar nicht da auffallen, die lassen sich krank schreiben oder finden gute Ausreden oder sowas.
                      Diese krassen Fälle, wo wirklich bis 100% gekürzt wird, sind eher Problemfälle. Krankheiten, Lebenskrisen, Alkoholsucht oder was weiß ich. Die nisten sich ein und fallen im schlimmsten Fall ganz aus dem System raus.
                      Das Problem ist ja eher, an sie heranzukommen, selbst wenn man dann erstmal Lebensprobleme anstatt Arbeit angeht.
                      Das ist schon Zwiespalt und ich möchte das ganz ehrlich auch nicht entscheiden müssen.

                      Und solchen Leuten hilfst du halt gar nicht damit, wenn du ihnen mal eben alles wegkürzt, da muss der Staat IMHO noch mehr auf Sozialarbeiter oder Pädagogen etc. setzen. Da hat sich ja schon viel getan, die Schwierigkeit ist wirklich, die Leute zur Hilfe zu bringen. Zwingen kannst halt niemanden.
                      Und in jemanden hineinsehen kann man auch nicht.
                      Das ist wie im Strafrecht, das ist auch so aufgebaut, dass man lieber drei Leute laufen lässt, als einen Unschuldigen zu Unrecht zu verurteilen und eine ähnliche Mentalität wünsche ich mir eben auch in diesen Fällen. Zur Not füttern wir drei Faulpelze mit durch, bevor wir einem Menschen, der wirklich Hilfe braucht, das Brot wegnehmen.

                    • Stefan Sasse 7. November 2019, 14:29

                      Wer ist „wir“? Das ist der andere Stefan! Ich stimme dir völlig zu. Mein einziger Punkt ist, dass die Gerichte der falsche Ort für diese Auseinandersetzung sind.

                    • Stefan Pietsch 7. November 2019, 15:39

                      Ich empfehle Dir, mal Hartz-IV-Fernsehen zu schauen. „Hartz aber herzlich“ oder so etwas Ähnliches. Das ist zumindest Anschauungsmaterial und damit schon mal besser als das wild Herumphilosophieren. Das bringt nämlich gar nichts.

                      Nach Untersuchungen haben nur so 10-18 Prozent der Menschen ein ausgeprägtes Karrierestreben. Der Großteil läuft also im Erwerbsleben mit. Und darunter gibt es natürlich auch Faule. Setzen wir sie spiegelbildlich zu den Karrieristen an und übertragen dies auf die Anzahl der Hartz-IV-Empfänger, dann sind das so 500.000 – 700.000 Bezieher. Dass so wenige sanktioniert werden, hat mit Sicherheit auch damit zu tun, dass die Menschen lernen sich anzupassen und die Tretminen zu umgehen.

                      Packt endlich die Vergleiche mit dem Strafrecht weg. Das ist himmelschreiender Unsinn. Der bessere Vergleich ist das Ordnungsrecht. So muss derjenige, der seine Steuern mit Verzögerung zahlt, Verzugszinsen entrichten. Ein Erlass ist prinzipiell nicht möglich, vor allem ist es nicht an die Solvenz des Steuerzahlers geknüpft. Anderes Beispiel sind Verstöße im Straßenverkehr, auch hier wird die Strafe ggf. vollstreckt. Das Ordnungsrecht lässt niemanden laufen, dazu besteht gar nicht die Handhabe. Die gibt es nur im Strafrecht (also Ausnahme). Nur drehst Du die Beweislast um: wer Geld von jemanden will – und sei es der Staat – muss belegen, dass er die Anforderungen erfüllt. Und dazu gibt es Vereinbarungen. Das deutsche Sozialsystem ist im internationalen Vergleich außerordentlich großzügig und verlangt von den Empfängern wenig ab. Machen wir es nicht noch großzügiger und legen damit die Axt an den gesellschaftlichen Common Sense.

                      Lieber nicht, Ariane.

                      P.S.: Ich glaube kaum, dass Du monatlich 20€ mehr Steuern dafür zahlen würdest, dass der Staat noch ein paar überführte Faulpelze durchfüttert. So viel Sozialempfinden fleht ja schon danach, ausgenutzt zu werden.

                    • Ariane 7. November 2019, 15:00

                      Sorry, ich meinte eher so die (konservative) Mainstream-Öffentlichkeit – und Stefan P. 😉

                    • Ralf 7. November 2019, 16:09

                      @ Ariane

                      Volle Zustimmung!

                    • Ralf 7. November 2019, 16:36

                      Wie realitätsnah das ist, ist eine völlig andere Diskussion

                      Gerade wenn es um existentielle Fragen bei der Menschenwürde geht, darf man von einem Gericht eigentlich schon erwarten, dass es nicht völlig realitätsvergessen urteilt.

                    • Stefan Sasse 7. November 2019, 17:05

                      Klar, aber Sätze unter Hartz-IV sind auch für andere Gruppen rechtlich okay; denk mal an Flüchtlinge oder so. Rechtlich ist das nicht ohne Präzedenzfall.

                    • Ralf 8. November 2019, 10:30

                      Dann ist Hartz IV entweder nicht das Existenzminimum, obwohl es ja offiziell exakt als Existenzminimum berechnet wird, oder die Differenz zum vollen Satz des Existenzminimums muss bei Sanktionierten mittels Sachleistungen komplett ausgeglichen werden. Einen dritten Weg sehe ich nicht.

                    • Stefan Pietsch 8. November 2019, 10:50

                      Das Grundgesetz verwehrt es dem Gesetzgeber aber nicht, die Inanspruchnahme existenzsichernder Leistungen an den Nachranggrundsatz zu binden, also nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn Menschen ihre Existenz nicht vorrangig selbst sichern können, sondern wirkliche Bedürftigkeit vorliegt.

                      Der Gesetzgeber kann erwerbsfähigen Menschen, die nicht in der Lage sind, ihre Existenz selbst zu sichern und die deshalb staatliche Leistungen in Anspruch nehmen, abverlangen, selbst zumutbar an der Vermeidung oder Überwindung der eigenen Bedürftigkeit aktiv mitzuwirken. Er darf sich auch dafür entscheiden, insoweit verhältnismäßige Pflichten mit wiederum verhältnismäßigen Sanktionen durchzusetzen.

                      Bundesverfassungsgericht, 5. November 2019

                    • Stefan Sasse 8. November 2019, 13:18

                      Erneut: Politisches Problem. Sollte dringend gelöst werden.

                    • Ralf 8. November 2019, 13:20

                      Mit dem Argument können Sie die Menschen auch gleich sich selbst überlassen. Mit Prostitution und/oder Betteln wird sich wohl jeder irgendwie über Wasser halten können. Nur eben nicht mit Würde. Und da ist der Widerspruch zum Grundgesetz.

        • Ariane 6. November 2019, 22:00

          Das Problem ist ein grundsätzliches und das wird man beim Verfassungsgericht auch partout nicht los.
          Im Grunde sitzen da acht nur sehr leidlich demokratisch legitimierte Leutchen, die sich selbst ermächtigen, über die Ausgestaltung von Gesetzen zu entscheiden. Und da ist es extrem schwer, Grenzen zu ziehen, was in Ordnung ist oder nicht, man ist eigentlich komplett darauf angewiesen, da verantwortungsvolle und maßvolleLeute sitzen zu haben.

          Klar, dieses Urteil gefällt „uns Linken“ natürlich, aber das kann sich auch schnell umkehren. Mit genau demselben Recht können sich morgen acht Richter hinstellen und erkären, dass Tempolimits gegen die Menschenwürde verstoßen. Und dann hätten wir übrigens ein ähnliches Problem: entweder schmeißen wir alle Tempolimits weg oder sind gezwungen, die Menschenwürde einzuschränken.

          • Stefan Sasse 6. November 2019, 23:16

            Das ist ja meine Argumentation. Ich sehe lieber weniger BVerfG als Ersatzgesetzgeber.

        • CitizenK 7. November 2019, 10:41

          Gerichtsurteile sind oft politisch, vor allem, wenn Gesetze allgemeine Formulierungen enthalten. Was z. B. eine „besondere Härte“, wenn es im Mietrecht um Eigenbedarf geht. Besonders krass jetzt auch bei „Meinungsfreiheit“ im Fall Künast.

          Wundere mich etwas über deinen Glauben an eine objektive, nicht politische Justiz. Diese Illusion kenne ich hier im Blog sonst nur vom anderen Stefan.

          • Stefan Pietsch 7. November 2019, 12:27

            Wahrscheinlich hat Künast selber dafür gesorgt, dass selbst so krasse Ausfälle im Internet nicht als Beleidigung geahndet werden können.

            Offenkundig hat Renate Künast, die selbst Rechtsanwältin ist, sich in dieser juristischen Debatte selbst ein Bein gestellt. Denn als damalige Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag hatte Künast 2017 im Rahmen der Verabschiedung des NetzDG (Netzwerkdurchsetzungsgesetz), das die Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken erleichtern soll, auf den einschränkenden Richtervorbehalt bestanden. Die Bundesregierung folgte ihr letztlich. Das NetzDG ist bis heute massiv umstritten, weil es Netzwerke zum Löschen von Beiträgen verleitet, die hart formuliert, aber vom Grundsatz der Meinungsfreiheit gedeckt sind.

            • Stefan Sasse 7. November 2019, 13:05

              Nun, da kann ich immerhin sagen, immer auf der richtigen Seite der Geschichte gestanden zu haben 😀

          • Stefan Sasse 7. November 2019, 13:04

            Ich glaube das keine Sekunde. Ich sehe nur die Forderung, dass das Gericht hier quasi die Hartz-Gesetze aushebeln soll, als Forderung nach einer politischen Justiz. Und ich kann das nur glaubhaft kritisieren wenn ich das auch dann ablehne wenn es mir reinläuft.

    • Stefan Pietsch 6. November 2019, 16:08

      Das ist kein Gegensatz und das Gericht sagt das ganz klar, wobei ich mich wiederhole:

      Wer partout Vereinbarungen aus der ALG-2-Regelungen nicht folgt, ist wahrscheinlich nicht bedürftig (Vermutung). Wer einen Antrag auf Hartz-IV stellt, wird meines Wissens aufs Amt bestellt, wo verschiedene Vereinbarungen gegengezeichnet werden. Darin sind Rechte und Pflichten des ALG-2-Empfängers niedergelegt. Der Transferempfänger erhält zuverlässig einen Betrag aufs Konto überwiesen, eventuell wird sogar die Miete direkt übernommen, Beiträge zur Krankenkasse entrichtet und Weiterbildungs- wie Vermittlungsmaßnahmen ergriffen. Im Gegenzug geht der zukünftige Hartz-IV-Empfänger ebenfalls Verpflichtungen auf niedrigem Level ein, so auf Einladungen zu reagieren.

      Jede Vereinbarung in einem Rechtsstaat enthält Kündigungsmöglichkeiten zur Beendigung. Ein normaler Arbeitslosengeldempfänger beispielsweise bekommt kein Geld mehr, wenn er sich ordnungsgemäß abmeldet. Tut er dies nicht und erhält trotz neuer Beschäftigung weiterhin Zahlungen, bekommt er meist mit der Sozialgerichtsbarkeit Ärger, wird zur Rückzahlung und ggf. Strafzahlung verdonnert. Man kann sich natürlich auch aus einer Vereinbarung durch Nichteinhaltung verabschieden. Im Zivilrechtlichen wird das meist in Form einer außerordentlichen Kündigung akzeptiert, auch hier sind nicht selten Strafzahlungen möglich.

      Das Gericht folgt der Auffassung der Verwaltung, dass bei einem Hartz-IV-Empfänger, der nicht mehr zu Terminen erscheint, der Verdacht gegeben ist, dass er des Geldes nicht mehr bedarf. Geldentzug ist so das „Hallo-wach“-Mittel: Noch jemand zuhause? Stell‘ Dir vor, das Sozialamt würde jahrelang an ein Konto Zahlungen leisten, weil irgendwer irgendwann einen Antrag gestellt hat, dieser aber nie erschienen ist. Nach Jahren würde sich herausstellen, derjenige hat längst eine Beschäftigung. Oder ist ins Ausland verzogen. Das wäre doch auch für Dich ein Skandal, oder nicht?

      Dass es das Mittel gibt, ist richtig und notwendig. Gleichzeitig hat Karlsruhe klargestellt, die Sanktionsmaßnahmen sind sofort zu beenden, wenn derjenige wieder mitarbeitet, sich meldet, zu Vorstellungsgesprächen geht. Alles wieder in der Reihe und im Grunde nichts passiert. Wo ist also das Problem?

      • Stefan Sasse 6. November 2019, 17:47

        Das Problem ist, dass die Gründe für die Verstöße sehr vielfältig sein können und die Ämter wie du auch sofort davon ausgehen, dass Nicht-Bedürftigkeit und böswillige Weigerung vorliegen. Und das ist zu manichäisch gedacht.

        • Stefan Pietsch 6. November 2019, 18:08

          Nein. Ich bin nur noch sehr altmodisch. Ich sehe jede Nichteinhaltung einer Vereinbarung mindestens als grobe Unhöflichkeit. Das gilt erst recht, wenn jemand von mir Geld bekommt, mit dem er seine Existenz sichern kann. Es verwundert stark, dass Ihr Linken auch mit solchen Aspekten nie aufhaltet. In Bezug auf jene, die ihr als benachteiligt oder diskriminiert ausmacht – die „Opfer“ – seid ihr so großzügig, wie ihr nicht gegen einen guten Freund wärt.

          Wenn jemand eine Vereinbarung nicht einhält, dann sind die Gründe dafür selten charmant. Lebenserfahrung. Nicht ohne Grund habe ich den Begriff „eine lange Nase drehen“ verwandt. Was muss ein Hartz-IV-Empfänger tun, wenn sein Antrag einmal bewilligt ist? Er muss auf ein paar schriftliches Einladungen im Jahr reagieren, die ihm das Jobcenter schickt. Ab und zu muss er sich mit einer Weiterbildungsmaßnahme auseinandersetzen, die vorgeschlagen wird. Ist das wirklich zuviel verlangt, Stefan? Die meisten Jobcenter-Mitarbeiter, die für Reportagen befragt wurden, haben sich in der Vergangenheit zwar für die Modifizierung, wohl aber für die Beibehaltung der Sanktionsmöglichkeiten ausgesprochen. Auch die Bundesagentur für Arbeit vertritt seit vielen Jahren diese Position. Die Begründung ist so einleuchtend wie eingängig: es gibt ein paar Kandidaten, gegen die muss man etwas in der Hand haben, wenn alles gute Zureden nicht fruchtet.

          Wie ihr nicht müde werdet zu betonen, betreffen die Sanktionen nur sehr, sehr wenige Bezieher. Wo ist dann das Problem? Es zeigt doch, dass die Verwaltung dieses Instrument nicht ausnutzt, um Menschen in Notlagen zu quälen. Weit über die Hälfte der heutigen Hartz-IV-Empfänger hat einen Migrationshintergrund, was nicht nur in diesem Sprachgebrauch meist für türkisch- und arabischstämmig steht, nicht für engländisch oder usaisch. Zweidrittel gar der seit 2015 zugewanderten, meistenteils Flüchtlinge befindet sich im Arbeitslosengeld-2-Bezug. Es kann also durchaus sein, dass viele dieser mit nicht-biodeutschen Wurzeln versehenen Mitmenschen mit unseren strengen Prinzipien fremdeln. Denn in den meisten Ländern dieser Welt ist man es nicht gewöhnt, dass Geld automatisch auf dem Konto landet, ohne dass man dafür etwas getan hat. Und so mancher, das zeigen ja regelmäßige Berichte aus dem Leben der Unterschicht, sind es zahlreiche der Kandidaten nicht gewöhnt, von einer Frau Anweisungen zu erhalten.

          Für jemanden, der in mindestens jedem zweiten Artikel die toxische Männlichkeit thematisiert und Frauen zu Schutzobjekten verklärt, müsste es ein Herzensanliegen sein, solchen Menschen Manieren und deutsche Wertvermittlung beizubringen – soweit es solche Kandidaten gibt, natürlich.

          • Stefan Sasse 6. November 2019, 20:33

            „Wir Linke“ sind halt nur keine völligen Unmenschen, wenn jemand krank ist oder so was.
            Und nein, es ist grundsätzlich nicht zu viel verlangt.

            Auf der anderen Seite seid ihr Rechten immer total skeptisch, wenn es um die Fähigkeit von Behörden geht, vernünftige Einzelfallentscheidungen zu treffen oder gar umfassende Regeln für alle zu machen, die tief ins Privatleben eingreifen. Aber wenn es gegen Bezieher von Sozialleistungen geht, kann der Staat gar nicht invasiv und ungehemmt genug vorgehen.

      • Ariane 6. November 2019, 21:22

        Wo ist also das Problem?

        Ich sehe ein Problem darin, dass das Verfassungsgericht ihre ganze Argumentation aus dem ersten Artikel des Grundgesetzes bezieht und das nur schwerlich mit einem hochkomplexen Sozialgesetz in Einklang zu bringen ist, ohne sich zu verheddern oder sich in Sackgassen zu verlaufen.

        Das geht alleine schon damit los, dass die Menschenwürde überhaupt kein Recht ist, das großzügigerweise gewährt wird (oder eben nicht). Sie ist ein absoluter Wert an sich, man hat sie qua Geburt automatisch. Genau deswegen gilt sie als ausnahmslos,bedingungslos und unantastbar.
        Ein Leistungsgesetz (egal ob das speziell Hartz-IV, Kindergeld oder die Elektroprämie ist) passt absolut nicht darein, weil die Menschenwürde eben keine Leistung ist. Und der ganze Kram wie Anträge schreiben, Bedürftigkeitsprüfungen, Mirwirkungspflichten, verhältnismäßige Strafen haben in einem Satz mit der Menschenwürde nix zu suchen.
        So haben sich die Richter da imo total verrannt, wenn sie eine Sozialleistung und die Menschenwürde einfach gleichsetzen.
        In letzter Konsequenz müssten sie dann wirklich „mal fix“ ein bedingungsloses Grundeinkommen verkünden oder eben (wie jetzt geschehen) die Menschenwürde zum Verhandlungsgegenstand erklären, für die man erst einen Antrag ausfüllen muss und die zu 30% als verhältnismäßige Strafe weggenommen werden kann.

        • Rauschi 7. November 2019, 16:08

          Und der ganze Kram wie Anträge schreiben, Bedürftigkeitsprüfungen, Mirwirkungspflichten, verhältnismäßige Strafen haben in einem Satz mit der Menschenwürde nix zu suchen.
          Volle Zustimmung
          In letzter Konsequenz müssten sie dann wirklich „mal fix“ ein bedingungsloses Grundeinkommen verkünden oder eben (wie jetzt geschehen) die Menschenwürde zum Verhandlungsgegenstand erklären, für die man erst einen Antrag ausfüllen muss und die zu 30% als verhältnismäßige Strafe weggenommen werden kann.
          Das Problem sehe ich auch. Wenn ein Minmum um 30% gekürzt werden kann, ist es per Definition keines mehr.
          Oder es werden die Sanktionen abgeschaftt, dafür aber die Sätze um 30% gekürzt, weil dieses das neue Minimum ist.
          Ich verstehe die ganze Sache nicht mehr.

          • Ariane 7. November 2019, 18:11

            Ja, ich bin auch gespannt, was dabei herauskommt.
            Deswegen finde ich es so problematisch, mit der Menschenwürde erschweren sie auch die politische Ausgestaltung.
            Sie könnten auch den Satz erhöhen, um einen Puffer für die 30% zu finden, aber theoretisch sind sie dazu gewungen, irgendwie ein Gesetz zu mauscheln, das über Eck gegen die Menschenwürde verstößt. Das könnte auch einen ganzen Rattenschwanz an weiteren Urteilen nach sich ziehen.

            Ich weiß ja nicht, obs stimmt, aber auf Twitter las ich, dass Hubertus Heil schon überlegt hat, am ersten Artikel des GG herumzudoktern. War wahrscheinlich nicht ganz ernst gemeint, aber da gruselt es mich ja schon: Die Menschenwürde ist unantastbar, außer bei Leistungsbeziehern.
            Herrje

            • Rauschi 8. November 2019, 15:35

              Was ich an der ganzen Rechtsprechung nicht verstehen, wenn unterstellt wird, das der Antragsteller nicht mehr bedürtig, ist, weil er die Arbteitverweigert, wieso dann „nur“30%?
              Dann ist der also immer noch 70% bedürftig, oder wie?
              Ist doch ein vollkommen willkürlicher Wert, diese 30%. Selbst wenn der nur sein Essen einschränkt, wird das eng, bislang waren das auch nur 5 Euro pro Tag. Oder aknn man die Telefonrechnung oder Hezungsrechnung um 50% runterverhandeln?
              Nicht Fisch und nicht Fleisch, was die Richter da gemacht haben.

            • Blechmann 22. November 2019, 04:41

              Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes: „Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche … die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“

    • Stefan Sasse 6. November 2019, 17:44

      So geht es mir auch.

  • Frank 7. November 2019, 14:36

    Das Urteil ist schon deshalb falsch, weil es kein Recht auf Herrschaft gibt. Zudem ist das Ganze auch völlig asymetrisch. Dem Bürger wird aufs Maul gehauen, sollte er nicht so sein wie die Parteien und Wirtschaft es sich wünschen. Der Bürger kann dem Staat und deren Lobby aber nicht aufs Maul hauen, wie es ihm passt. Das ist de facto Sklaverei. Und die Macht soll vom Volke ausgehen? Lachhaft.

    • Stefan Sasse 7. November 2019, 14:51

      Red kein Blech.

    • R.A. 7. November 2019, 15:50

      „Das Urteil ist schon deshalb falsch, weil es kein Recht auf Herrschaft gibt.“
      OK.
      DANN gibt es aber auch kein Recht, irgendwelchen Leuten Steuern abzunehmen. Womit sich dann das Thema „Kürzungen von Hartz-IV-Bezügen“ erledigt hätte – da gäbe es keine Bezüge mehr, die man kürzen könnte.

  • Ariane 7. November 2019, 18:36

    Ich mach mal hier weiter:
    Ich empfehle Dir, mal Hartz-IV-Fernsehen zu schauen. „Hartz aber herzlich“ oder so etwas Ähnliches. Das ist zumindest Anschauungsmaterial und damit schon mal besser als das wild Herumphilosophieren. Das bringt nämlich gar nichts.

    Echt jetzt? 😮 Du rätst mir, RTL zu gucken, als Beweis, dass alle Hartz-IV-Bezieher Faulpelze sind? Sind wir hier im Kindergarten?
    Dafür, dass du deine Informationen aus dem RTL-Nachmittagsprogramm hast, trittst du hier aber sehr selbstbewusst auf. Oo

    Nach Untersuchungen haben nur so 10-18 Prozent der Menschen ein ausgeprägtes Karrierestreben. Der Großteil läuft also im Erwerbsleben mit. Und darunter gibt es natürlich auch Faule. Setzen wir sie spiegelbildlich zu den Karrieristen an und übertragen dies auf die Anzahl der Hartz-IV-Empfänger, dann sind das so 500.000 – 700.000 Bezieher.

    Ah ja, sehr kreative Rechnung. Weil es 10% Karrieristen gibt, muss es auch 10% Faulpelze geben, die nur den Staat ausnehmen wollen. Also bitte, was ist das für ein Unfug?

    Nur drehst Du die Beweislast um: wer Geld von jemanden will – und sei es der Staat – muss belegen, dass er die Anforderungen erfüllt. Und dazu gibt es Vereinbarungen.
    Nein, ich plädiere hier ja nicht für ein bedingungsloses Grundeinkommen.
    Ich bin sehr wohl dafür, dass man zb einen Antrag stellen muss, um Hartz-IV zu bekommen und ich bin sogar dafür, die (kleinen) Sanktionen nicht komplett aufzuheben. Denn oftmals ist es eine der letzten Möglichkeiten, diese Leute überhaupt wieder zu Gesicht zu bekommen.
    Und stell dir vor: ich hab schon mal mit echten Leuten gesprochen, die Hartz-IV bekommen oder in Leistungsämtern arbeiten^^

    Du siehst darin nur Faulpelze, die man unbedingt bestrafen muss, weil sie nicht höflich waren. Aber gerade die Kürzungsfälle haben meist ganz andere Probleme und es gibt (zu wenig, aber immerhin) auch durchaus Hilfen. Das ist eben kein schlichtes Höflichkeitsproblem.
    Ich weiß auch gar nicht, wo diese Bestrafungsfantasien immer herkommen, das ist totaler Bullshit, selbst der größte Faulpelz hat mir nix getan. Ich will doch auch nicht losrennen und die Cum-Ex-Bänker persönlich bestrafen.

    • Stefan Pietsch 8. November 2019, 10:07

      Ich wehre mich gegen Deine Albernheit, dass es unter den Hartz-IV-Empfängern Faulpelze entweder nicht oder nur in homöopathischen Dosen gäbe. Ich wehre mich gegen die Albernheit, „lieber dreien zuviel zu zahlen als einem unrecht zu tun“. Hartz-IV, Ariane, ist keine Strafe, zumindest nicht im Sinne des Strafgesetzbuches. Also hör‘ bitte auf den gesamten Kanon der sozialistischen Albernheiten gleich noch im Quadrat herunterzubeten. Jeder, der sich in einem Rechtsstaat ungerecht behandelt fühlt, kann dagegen prozessieren bis er schwarz wird. Sozial Bedürftige brauchen das nicht einmal auf eigene Kosten zu tun.

      Faulheit lässt sich nun mal schwer messen. Würde ich dazu die Studien nehmen, wo sich ein vergleichsweise hoher Anteil (verglichen im internationalen Kontext) für eine „Work-Life-Balance“ ausspricht und diese als tendenziell „faul“ einordnen, wärst Du auch auf den Barrikaden und würdest die rote Fackel der Arbeiterklasse abbrennen.

      Ja, in den Charakteristika wie anderen Ausprägungen der Menschheit wie z.B. Intelligenz gibt es einen Verlauf ähnlich einer Parabel. Kennst Du sicher noch vom Matheunterricht. So viele überdurchschnittlich Intelligente herumlaufen, so viele Doofe gibt es auch.

      Ich wiederhole mich: der Hartz-IV-Antrag gilt nur für einen gesetzlich und damit willkürlich bestimmten Zeitraum. Er beschreibt eine Momentaufnahme, nicht das Morgen und nicht das Gestern. Studien belegen, dass ALG-2-Empfänger nicht weniger motiviert sind als ALG-2-Empfänger. Daher ist der Schluss zulässig, dass es auch ähnlich viele Menschen mit Priorität Freizeit unter den Hartz-IV-Empfängern gibt wie im Rest der Bevölkerung. Und fragst Du Dich wirklich nie, wie es sein kann, dass jemand von 2010 bis 2019 keinen Job gefunden hat, nichts, nada, einfach nichts zu tun? Das ist ein Viertel (!) eines Erwerbslebens! Worin sehen solche Menschen ihren Lebensinhalt?

      • Ralf 8. November 2019, 10:49

        Ich wehre mich gegen die Albernheit, „lieber dreien zuviel zu zahlen als einem unrecht zu tun“.

        Daran ist nichts albern.

        wehre mich gegen Deine Albernheit, dass es unter den Hartz-IV-Empfängern Faulpelze entweder nicht oder nur in homöopathischen Dosen gäbe.

        Kein Mensch hat hier von homöopathischen Dosen gesprochen. Sie bauen wie so oft einen Strohmann auf, der mit den Argumenten Ihrer Mitdiskutanten nichts zu tun hat und widerlegen Aussagen, die keiner gemacht hat.

        Niemand zweifelt daran, dass es in der Gruppe der Hartz IV-Empfänger auch Faulpelze gibt. Und niemand freut sich über Faulpelze unter dieser Klientel. Die Frage ist lediglich, ob es fair ist, wenn die Mehrheit der ALG2-Bezieher, die gerne arbeiten würde, in Verruf gerät und unschuldig bestraft wird, weil sich eine Minderheit nicht korrekt verhält. Gleichzeitig stellt sich das Problem, dass viele, die in Hartz IV-Bezug sind, tatsächlich garnicht arbeiten können. Das hat Ariane bereits herausgestrichen. Viele Bezieher in dieser Gruppe sind krank, psychologisch beeinträchtigt, drogen- oder alkoholabhängig, sozial auffällig oder sprechen nicht deutsch. Dass Sie das nicht wissen, zeigt dass Sie null Kontakt mit real existierenden Armen am untersten Ende der Einkommensskala haben. Das ist natürlich ok. Kein Mensch ist gezwungen die Schwächsten in unserer Gesellschaft kennenzulernen. Aber dann sollte man vielleicht ab und zu den Mund halten, wenn man keine Ahnung hat.

        • Stefan Pietsch 8. November 2019, 11:16

          Kein Mensch hat hier von homöopathischen Dosen gesprochen.

          Doch, sehr wohl. Kein Verteidiger der langjährigen Bezieher hat sich bisher zu der simplen Aussage durchringen können: unter den Hartz-IV-Empfängern gibt es so viele Arbeitsscheue wie sonst auch. Schreiben Sie das mal, setzen Sie das als Grundlage, dann höre ich auf.

          In kaum einem anderen Land dieser Erde gibt es einen so hohen Anteil von Erwerbsfähigen, die so lange und teilweise nie gearbeitet haben. Haben wir besonders viele Drogensüchtige und Alkoholabhängige? Nein. Haben wir besonders viele, die der Landessprache nicht mächtig sind? Vielleicht, aber eher nein. Haben wir besonders wenige Jobs? Auch ein eindeutiges Nein. Haben wir dann besonders viele sozial Auffällige? Eher ja, vor allem in Blogs und in der linken Szene. 🙂

          Sie liefern nie (!) eine Erklärung für ein einfaches, prägnantes Phänomen. Warum so viele? Übrigens zählen die von Ihnen Genannten eher zu den Sozialhilfebeziehern. Ich mag weniger Kontakt zu diesen Gruppen als Sie haben, dafür eindeutig mehr Rechtskenntnis. 😉

          Nach allen (!) bekannten Studien zur Gruppe der Langzeitarbeitslosen ist ein Kriterium klar: sie sind weit geringer qualifiziert. Das bedeutet aber, für diese Menschen müssen mehr gering bezahlte Tätigkeiten angeboten werden, die sie dann auch zwingend annehmen müssen. Diese Konsequenz haben die Arbeitsmarktreformen klar gezogen und waren ein ganzes Stück erfolgreich. Über den sozialen Ausgleich unterhalten wir uns danach.

          • Ralf 8. November 2019, 11:28

            Sie liefern nie (!) eine Erklärung für ein einfaches, prägnantes Phänomen.

            Ich liefere seit Jahren eine Erklärung für das einfache, prägnante Phänomen. Sie weigern sich lediglich sie zur Kenntnis zu nehmen.

            Das Armutssystem Hartz IV drängt Menschen, die vormalig mal in der Mittelklasse beheimatet waren, in den sozialen Bodensatz. Dieser Prozess ist im wesentlichen irreversibel. Die Menschen verlieren ihre sozialen Kontakte. Beziehungen zerbrechen. Weil Beziehungen und die Pflege sozialer Kontakte eben eine gewisse Mindestteilhabe am öffentlichen Leben und ein gewisses Mindesteinkommen voraussetzen. Andernfalls wird man zur wirtschaftlichen Liability. Die Menschen vereinsamen also auf Hartz IV, was die, die bereits unterliegende psychologische Probleme haben weiter destabilisiert. Auch Alkohol- und Drogenkonsum nehmen in dieser Klientel zu, weil man eben einen Ausweg braucht, der unerträglichen Existenz zu entkommen. Gleichzeitig häufen sich bei Menschen, die alleine leben, gesundheitliche Probleme. All das schafft das Umfeld, das garantiert, dass – falls Kinder da sind – auch die nächste Generation einen sozialen, psychologischen Schaden mitnimmt. Das ist dann die nächste Generation garantierter Hartz IV-Empfänger.

            • Stefan Pietsch 8. November 2019, 11:34

              Ihre These, auf der Sie Ihre Argumentation aufbauen, stimmt nicht. Das Gros der Hartz-IV-Empfänger war nie Mittelklasse. Entweder, weil sie nie regelmäßig gearbeitet haben, als Migranten ins Prekariat zugewandert sind oder über nur geringe Qualifikationen und Fähigkeiten verfügen. Die verfügbaren Arbeitsmarktstudien zeigen immer das Gleiche: die Gruppe der ALG-2-Empfänger ist eine ziemlich unzugängliche Klasse, sowohl was den Aufstieg als auch den Abstieg betrifft. Wenn Sie das ändern wollen, müssen Sie mit diesen Menschen arbeiten. Und sie zum Arbeiten bringen.

              • Ralf 8. November 2019, 12:08

                Migranten, die ins Prekariat zugewandert sind, sind eine völlig andere Geschichte. Was den Rest angeht, der noch nie gearbeitet hat: Das dürfte, gerade bei den jungen Menschen, auch daran liegen, dass wir uns bereits in der zweiten Generation der Verlierergesellschaft befinden, die Hartz IV geschaffen hat.

                • Stefan Pietsch 8. November 2019, 14:32

                  Sie ändern das nicht, in dem Sie die jungen Menschen vor allem streicheln. Es ist von Alters her gute Sitte, junge Leute in der Arbeit heranzuziehen. Die wenigsten sind von sich aus gesellschaftlich kompatibel, das gilt wohl erst recht für die von Ihnen genannte zweite Generation. Ich sehe nur bei Ihnen nicht die Spur eines Lösungsansatzes. Sie können ja meinen kritisieren, Sie können den als sozial zu hart empfinden. Nur, wenn Sie ein Problem sehen, sollten Sie Lösungswege aufzeichnen. Angebote reichen nicht. Schauen Sie in andere Länder und sagen Sie, wo Ihre Ideen praktiziert werden. Dann schauen wir uns das an.

                  Ihr Modell, das wir bis 2005 praktizierten, sorgte für immer mehr (Langzeit-) Arbeitslose, also dafür, dass Menschen überhaupt nicht mehr arbeiten konnten (oder brauchten, je nach Sichtweise). Das ist die Kapitulation der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Die Idee, dauerhaft Erwerbslosen einfach ein paar Scheine in die Hand zu drücken, auf dass sie sich dann verziehen, ist keine Lösung, auch wenn Sie sie dafür halten.

                  Bitte, Migranten machen über die Hälfte der heutigen Hartz-IV-Empfänger aus. Wenn Sie über Hartz-IV sprechen wollen, aber nicht über die Migration in die Sozialsysteme, worüber wollen Sie denn dann reden?

                  • Ralf 8. November 2019, 19:39

                    Migranten machen über die Hälfte der heutigen Hartz-IV-Empfänger aus. Wenn Sie über Hartz-IV sprechen wollen, aber nicht über die Migration in die Sozialsysteme, worüber wollen Sie denn dann reden?

                    Wir können gerne über Migranten reden. Nur sind die ein anderes Thema, das nicht mit unserer derzeitigen Debatte vermischt gehört. Migranten haben ihre eigenen Probleme und Herausforderungen, ganz vorne die deutsche Sprache sowie die kulturelle Eingliederung. Dort muss man bei denen also zunächst mal ansetzen. Und jetzt zurück zum Thema …

                    Ich sehe nur bei Ihnen nicht die Spur eines Lösungsansatzes. […]

                    Ihr Modell, das wir bis 2005 praktizierten, sorgte für immer mehr (Langzeit-) Arbeitslose, also dafür, dass Menschen überhaupt nicht mehr arbeiten konnten (oder brauchten, je nach Sichtweise). Das ist die Kapitulation der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik.

                    Es ist nicht „mein Modell“, das bis 2005 für immer mehr Arbeitslosigkeit gesorgt hat, sondern Prozesse wie die Automatisierung und die Globalisierung, die die Eliten bewusst gewollt und wie einen bösen Sturm über Deutschland gebracht haben. Die sich aufbauende Arbeitslosigkeit dieser Jahre steht im übrigen in krassem Kontrast zu Ihrem Glauben, Arbeitslose seien vorwiegend Faulpelze, denn die, die da ihren Job verloren, kamen oft aus jahrzehntelangen Arbeitsverhältnissen.

                    Wir haben mit der Globalisierung unsere Märkte geöffnet, um mehr mit Ländern handeln zu können, die Menschenrechte verletzen, deren Wettbewerbsfähigkeit auf Kinderarbeit, Repression, Gesundheitsgefährdung von Arbeitern und völlig abwesenden Umweltstandards beruht. Natürlich hatten deutsche Arbeitsplätze dagegen keine Chance, wenn wirtschaftliche Faktoren die einzigen sind, die interessieren. Deshalb hier ein Lösungsansatz: Globalisierung ein ganzes Stück weit rückabwickeln.

                    Das gebietet schon unsere Verantwortung den Klimawandel aufzuhalten. Wenn, um einfach mal ein Beispiel zu nennen, etwa Krabben, die in der Nordsee gefangen wurden, mit dem Lastwagen quer durch Europa erst bis nach Nordafrika gefahren werden, um dort gepuhlt und anschließend wieder zurück zur Nordsee transportiert zu werden, dann müsste eigentlich auch dem letzten klar werden, dass ein solches System krank ist. Aber solche Situationen entstehen dann, wenn Geld der einzige Faktor ist, der zählt und dem Profitstreben alles andere untergeordnet wird. Diese Dinge gilt es zu beheben. Und zwar mit den Mechanismen, die Sie am meisten mögen: Regulierungen und Verbote.

                    Das selbe gilt für die Automatisierung. Es steht nirgendwo geschrieben, dass unsere Gesellschaften es hinnehmen müssen, dass menschliche Arbeitskraft zunehmend durch Roboter und Maschinen ersetzt wird. Wenn das geschieht, dann nur dann, weil wir es zulassen. Ein anderes Leben ist möglich. Und die Mechanismen dazu werden Ihnen gefallen: Regulierungen und Verbote. In Kürze werden etwa selbstfahrende Kraftfahrzeuge auf den Markt drängen. Wenn wir das zulassen, wird diese eine Innovation alleine eine arbeitsmarktstechnische Apokalypse auslösen. In Deutschland alleine gibt es mehr als 540.000 Berufskraftfahrer im Güterverkehr. Da sind Taxifahrer, Busfahrer, Krankenwagenfahrer, Feuerwehrautofahrer bis hin zum Pizzalieferanten noch garnicht eingerechnet. Jeder einzelne von denen, wird seinen Arbeitsplatz verlieren, wenn wir selbstfahrende Autos auf unseren Straßen erlauben. Und wir haben nichts, null, niente, was wir diesen Menschen als Ersatzjob anbieten könnten. Alldieweil die Automatisierung ja auch vor keinem anderen Berufszweig Halt macht und die Arbeitslosigkeit aus allen Richtungen gleichzeitig auf unsere Gesellschaften hereinbrechen wird.

                    Und genau das gilt es eben unter allen Umständen zu verhindern. Denn Sie haben ja Recht soweit, dass es praktisch nichts gibt, was die langjährigen Hartz IV-Bezieher noch in unsere Welt zurückholen könnte. Angebote helfen oft nicht weiter. Ihre Sanktionen, Bestrafungen, Zwangsarbeit und die Peitsche haben offensichtlich auch nicht geholfen. Erfreuliche Einzelfälle mal außen vor, ist der größte Teil dieser Menschen für unsere Gesellschaft verloren. Irreversibel. Die kann man meist nur noch bis zum Lebensende alimentieren und versuchen ihnen einen Rest von Würde zu lassen. Genau deshalb muss der unbedingte Fokus für uns darauf liegen, dass Menschen erst garnicht in solche Armutssysteme, aus denen es für die Betroffenen unmöglich wird sich zu befreien, hinabrutschen. Deshalb war es ein ein so unfassbares Verbrechen, dass der Staat, dass unsere Communities einfach zugesehen haben, wie Millionen Menschen in Deutschland einfach mit einem Schulterzucken an den Rand gedrängt worden sind. Arbeitslos, damit irgendein Großkonzern sein Produkt für ein paar Euro weniger in China produzieren kann. Nichts gegen China, by the way. Wer da produzieren möchte, ist herzlich eingeladen, das zu tun. Aber dann soll er seine Produkte auch dort in China verkaufen. Zum Beispiel den Arbeitern, die 50 Cent pro Stunde verdienen. Ich wünsche viel Glück beim Geschäft. Wir hingegen sollten unsere Märkte für diese Produkte schließen.

                    Und das wäre dann meine Antwort auf Ihre Frage nach meinen Lösungsansätzen. Weniger Globalisierung. Weniger Freihandel. Dafür ausgebauter Handel mit Nationen, die mit uns auf Augenhöhe stehen, insbesondere innerhalb von Europa. Scharfe und nachhaltige Regulation von Automatisierung überall dort, wo Massenarbeitslosigkeit droht ausgelöst zu werden und solange bis neue Arbeitsplätze zur Verfügung stehen für die Menschen. Dazu ein starker öffentlicher Sektor, in dem Menschen auch in einfachen Tätigkeiten gut verdienen können. So wie früher der Briefträger, der Schaffner, der Postbeamte eine sichere, auskömmliche Existenz hatten. So verhindert man, dass ein Fiasko, wie das, das zu den Agena-Reformen geführt hat, nicht wieder passiert. Und man fixiert die vom Wandel betroffenen Menschen in der Mittelschicht, bevor sie in eine Spirale aus Armut und Hoffnungslosigkeit stürzen und dabei ihre Kinder, und damit die nächste Generation, mitnehmen. Auf Nimmerwiedersehen. Beziehungsweise auf Wiedersehen im Hartz IV-System.

                    Das ganze natürlich flankiert mit Investitionen in Bildung, Bildung, Bildung. Bessere Schulen, bessere Universitäten, bessere Fachhochschulen. Menschen, die ihren Job verlieren, müssen sich schnell unqualifizierten können, da wo die Bereitschaft dazu da ist.

                  • popper 12. November 2019, 10:21

                    Ihr Modell, das wir bis 2005 praktizierten, sorgte für immer mehr (Langzeit-) Arbeitslose…

                    Von welchem Modell sprechen Sie hier? Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe produzierten immer mehr Arbeitslose, ist doch wohl wieder nur eine ihrer ideologischen Absurditäten. Das neoliberale Wirtschaftssystem produziert bis heute Arbeitslose und befördert fortgesetzt eine Umverteilung von unten nach oben. Indem man die Primäreinkommen senkte einen Niedriglohnsektor installierte, der die Taschen der Reichen bis heute füllt und die Nachfrage in der Breite extrem reduziert. Wir haben heute einen Binnenmarkt, der flach ist wie eine Pfütze.

                    Würde man die Arbeitslosen heute nicht in gesonderte Zählkreise fragmentieren, kämen wir auf fast 4 Mio. Arbeitslose. Unterbeschäftigt in Deutschland sind fast an die 10 Mio. Menschen. Im Übrigen wurden die Verwerfungen der Wiedervereinigung im Osten genutzt, um anhand der dadurch hinzugekommenen Arbeitslosen, eine Kampagne zu fahren, Deutschland sei das Schlusslicht in Europa. Nichts davon stimmte. Im Westen gab es gerade mal etwas über 2 Mo. Arbeitslose nach alter Statistik. Mehrere Millionen Menschen verloren im Osten durch die Abwicklungen der Treuhand ihren Arbeitsplatz, zwischen 1989 -1991 wurden im Osten allein 2,5 Mio. arbeitslos.

                    • Stefan Pietsch 12. November 2019, 10:55

                      Mit Verlaub, ich finde eine solche Debatte über Arbeitslosenstatistiken ermüdend und unpassend. Ja, die Erfassung von Arbeitslosen ist immer eine Definitionsfrage. Doch b), wird haben harmonisierte Standards, Definitionsänderungen auf nationaler Ebene haben keinen Einfluss auf die harmonisierte Zahl. Der Vergleich beider Größen zeigt, dass Deutschland besonders streng zählt. Also, kein Problem.

                  • popper 12. November 2019, 14:07

                    Mit Verlaub, ich finde eine solche Debatte über Arbeitslosenstatistiken ermüdend und unpassend

                    Daran ist gar nicht ermüdend oder unpassend. Sie wollen das nur beiseite wischen, um nicht umdenken zu müssen. Wenn jemand krank, ein bestimmtes Alter erreicht hat oder sich zum fünften Mal in einer Maßnahmen befindet, wie bewerbe ich mich oder arbeite mit dem PC oder gemeinsam mit anderen Arbeitslosen verordnet Kieselsteine am Neckarufer sammelt oder Kisten in einer Trainingshalle umräumt, dann wird er dadurch nicht weniger arbeitslos. Wir zählen sehr genau, ja, indem wir Umwidmen und die Kennzahlen schönen. Das kann man machen, aber daraus dann abzuleiten, die Arbeitslosigkeit sei gegenüber 2005 signifikant gesunken, ist nichts anderes als die Leute hinter die Fichte zu führen. Ihre Abneigung dagegen ist weder ein Indiz noch ein Beweis, dass hier nicht mit Zahlen gelogen wird. Im Übrigen, die Zahlen der Arbeitslosen zwischen 1989-1991 sind Fakt. Gemessen daran hat Hartz IV und der ganze übrige Schweinekram nichts bewirkt. Das war und ist eine Leernummer bis zum heutigen Tag.

                    • Stefan Pietsch 12. November 2019, 14:12

                      Noch mal deutlicher: machen Sie sich schlau über die Kriterien für die harmonisierte Zahl der Erwerbslosen, vielleicht finden wir dann eine Diskussionsgrundlage. Wie Ihnen aufgefallen sein sollte, greife ich ausschließlich auf diese Zahlen zurück. Nach diesen Zahlen hat Deutschland seit 2006 eine bemerkenswerte Entwicklung hingelegt und nach OECD-Zahlen Vollbeschäftigung erreicht – was identisch mit der Erfahrung vieler Unternehmen ist.

                      Und Sie müssen es schon mir überlassen, was ich ermüdend und unpassend finde. Ich erhebe nicht den Anspruch, dass mein Empfinden auch für Sie gilt.

                  • popper 12. November 2019, 14:13

                    Mit Verlaub, ich finde eine solche Debatte über Arbeitslosenstatistiken ermüdend und unpassend

                    Daran ist gar nichts ermüdend oder unpassend. Sie wollen das nur zu gerne beiseite wischen, um nicht umdenken zu müssen. Wenn jemand krank, ein bestimmtes Alter erreicht hat oder sich zum fünften Mal in einer Maßnahmen befindet, wie bewerbe ich mich oder arbeite mit dem PC oder gemeinsam mit anderen Arbeitslosen verordnet Kieselsteine am Neckarufer sammelt oder Kisten in einer Trainingshalle umräumt, dann wird er dadurch nicht weniger arbeitslos. Wir zählen sehr genau, ja, indem wir Umwidmen und die Kennzahlen schönen. Das kann man machen, aber daraus dann abzuleiten, die Arbeitslosigkeit sei gegenüber 2005 signifikant gesunken, ist nichts anderes als die Leute hinter die Fichte zu führen. Ihre Abneigung dagegen ist weder ein Indiz noch ein Beweis, dass hier nicht mit Zahlen gelogen wird. Im Übrigen, die Zahlen der Arbeitslosen im Osten (2,5 Mio.) zwischen 1989-1991 sind Fakt. Gemessen daran hat Hartz IV und der ganze übrige Schweinekram bis heute nichts bewirkt. Das war und ist eine neoliberale Leernummer.

                  • popper 13. November 2019, 00:45

                    …machen Sie sich schlau über die Kriterien für die harmonisierte Zahl der Erwerbslosen, vielleicht finden wir dann eine Diskussionsgrundlage.

                    Ihre bornierten Sprüche beeindrucken mich schon lange nicht mehr. Das was Sie hier als non plus ultra verkaufen wollen zeigt, dass Sie nicht in der Lage sind, eine breite Diskussionsgrundlage zu schaffen, die einen Meinungsaustausch fördert und erst interessant macht. Immer kommen ihre mehr oder weniger dummen Anwürfe.

                    Harmonisierte Erwerbslosigkeit ist der wohlklingende Versuch, Fakten unter eine ökonomisch einseitige Betrachtung zu zwingen, um wirtschaftspolitische Misserfolge am Arbeitsmarkt noch als Erfolg verkaufen zu können. die Definition von Arbeitslosigkeit
                    im deutschen Sozialgesetzbuch von dem Grad der Integration einer Person in das Beschäftigungssystem aus. Erwerbstätigkeit als wesentliche Quelle des Lebensunterhaltes wird im Sozialgesetzbuch so definiert, dass Personen in einem Arbeitsverhältnis von weniger als 15 Stunden pro Woche als arbeitslos gelten (§ 16 SGB III).

                    Das führt im Vergleich mit anderen Ländern zu völlig uneinheitlichen Beurteilungskriterien. Diese einfach dadurch zu harmonisieren, dass man eine Definituon herunterbricht, die den kleinsten gemeinsamen Nenner zugrundelegt, ist einfach absurd und verdeckt wesentliche Aspekte der Arbeitslosigkeit.

                    Insoweit sollten Sie sich ihre aufmüpfigen Kommentare am Ende ihres Posts verkneifen. Was Sie ermüdend und unpassend finden, ist schon deshalb nicht von Bedeutung, wenn Sie damit den Versuch verbinden, Meinungen anderer abzuqualifizieren. Ebenso wenig steht ihnen zu, ihre Beiträge für wichtig zu halten, wenn Sie nicht bereit sind sachlich zu argumentieren und Frechheiten auszuteilen. Das macht Sie nämlich nicht diskussions- und satisfaktionsfähig.

                    • Stefan Pietsch 13. November 2019, 11:51

                      Die Frage ist in der Statistik immer, was eigentlich gemessen werden soll. Politisch missbräuchlich ist genauso, die Zahlen künstlich klein wie auch groß zu rechnen. Dann wird nämlich nichts gemessen, sondern Politik gemacht. Haben wir einen einheitlichen Standard, der über lange Reihen gleich ist, besteht die Möglichkeit zu Vergleichen. Nur dann, sonst nicht. Deswegen ist es für das, was jemand wie ich wissen will, nicht zielführend, ständig Besonderheiten berücksichtigt sehen zu wollen. Die Arbeitsorganisation ILO hat für die Bemessung der Arbeitslosigkeit einen Kriterienkatalog entworfen:

                      Die Arbeitslosenquote ist definiert als der prozentuale Anteil der Arbeitslosen an den Erwerbspersonen. Dabei werden die Kriterien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zugrunde gelegt. Die Erwerbspersonen umfassen die Erwerbstätigen und die Arbeitslosen.
                      Als Arbeitslose definiert sind Personen zwischen 15 und 74 Jahren (einschließlich), die
                      – ohne Arbeit sind,
                      – innerhalb der nächsten zwei Wochen eine Arbeit aufnehmen können,
                      – und während der vier vorhergehenden Wochen aktiv eine Arbeit gesucht haben.

                      In Deutschland wird seit den Arbeitsmarktreformen Arbeitslosigkeit wie folgt definiert:
                      Arbeitslose (ALO) sind Personen, die
                      • vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen oder nur eine weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung ausüben (Beschäftigungslosigkeit),
                      • eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung suchen (Eigenbemühungen),
                      • den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit oder des Jobcenters zur Verfügung stehen, also arbeiten dürfen, arbeitsfähig und -bereit sind (Verfügbarkeit),
                      • in der Bundesrepublik Deutschland wohnen,
                      • nicht jünger als 15 Jahre sind und die Altersgrenze für den Renteneintritt noch nicht erreicht haben,
                      • sich persönlich bei einer Agentur für Arbeit oder einem Jobcenter arbeitslos gemeldet haben.

                      Wir haben also zwischen beiden Definitionen schon Unterschiede. Aber darauf kommt es nicht an. Es kommt darauf an, dass über Perioden und über Mitgliedsstaaten hinweg einheitlich gezählt wird und das ist mit der harmonisierten Zahl gegeben. Demgemäß lassen sich Schlüsse ziehen wie solche, ob eine bestimmte arbeitsmarktpolitische Maßnahme gewirkt hat. Zudem hat die Arbeitslosenquote eine Kontrollgröße und das ist die Erwerbstätigenquote. Beide Werte haben sich seit 2005 spiegelbildlich entwickelt, was die festgestellte Entwicklung bestätigt.

                      Wer diese statistische Kernaussage bekämpft, muss genauer erklären, welche Ziele er eigentlich verfolgt. Das Ziel, ein Bild über Entwicklungen zu bekommen, kann kaum dahinter stecken.

                      im deutschen Sozialgesetzbuch (..).

                      Gilt für ILO nicht.

                      Das führt im Vergleich mit anderen Ländern zu völlig uneinheitlichen Beurteilungskriterien.

                      Eben nicht, weil sie harmonisiert werden. Wenn in Deutschland nur jemand als erwerbslos gezählt wird, der 15 Stunden die Woche arbeiten kann, so zählt ILO bereits, wenn jemand nur 1 Stunde die Woche dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Ob solche Kriterien nun absolut sinnvoll sind oder nicht, ist nicht die Frage. Wichtig ist allein, dass einheitlich gezählt wird.

                      Diese einfach dadurch zu harmonisieren, dass man eine Definition herunterbricht, die den kleinsten gemeinsamen Nenner zugrundelegt, ist einfach absurd und verdeckt wesentliche Aspekte der Arbeitslosigkeit.

                      Genau das wird ja nicht getan, wenn nach ILO sogar Menschen als arbeitslos gezählt werden, die bis 74 Jahre einschließlich einen Job suchen, nach deutscher Definition jedoch nur bis 65 Jahre.

                      Also bitte genau hinschauen um satisfaktionsfähig zu bleiben.

                  • popper 14. November 2019, 00:42

                    @Pietsch
                    SGB gilt nicht, weil Sie es sagen. ILO ist ein untauglicher Versuch etwas zu harmonisieren, was nicht zu harmonisieren ist. Mit Erreichen der Regelaltersgrenze ist jemand in Deutschland arbeitslos, ebenso ist jemand nicht mehr arbeitslos, wenn er 15 Stunden pro Woche arbeitet. Da kann ILO hundertmal harmonisieren und arbeitslos in erwerbslos umdefinieren. Im Übrigen kenne ich das alles, was Sie oben dazu schreiben. Ich weiß doch woraus Sie ihren Honig saugen. ILO ist in höchsten Maße manipulativ. Das zeigt die Berücksichtigung bis 74 und die an Zynismus nicht zu übetreffende Einbeziehung eines Menschen, der gerade mal 1 Stunde pro Woche arbeitet. Wären alle 43 Mio. 1 Stunde beschäftigt, hätten wir nach der Definition von ILO Vollbeschäftigung. Daran kann man bereits sehen, was für ein Nonsens mit derartigen Statistik-Monstern angerichtet wird. Für Leute wie Sie ist das eine willkommene Möglichkeit, das wirkliche Ausmaß der Arbeitslosigkeit kleinzureden. Alles dummes Zeug, erfunden von Sesselfurzern, die ihre einzige Aufgabe darin sehen, den Leuten Sand in die Augen zu streuen. Das ist Ignoranz hoch 10. Ich weiß, wird Sie nicht überzeugen. Lassen wirs dabei.

              • Rauschi 8. November 2019, 13:51

                Die verfügbaren Arbeitsmarktstudien zeigen immer das Gleiche: die Gruppe der ALG-2-Empfänger ist eine ziemlich unzugängliche Klasse, sowohl was den Aufstieg als auch den Abstieg betrifft. Wenn Sie das ändern wollen, müssen Sie mit diesen Menschen arbeiten. Und sie zum Arbeiten bringen.
                Nö, das zeigen die nicht. Die Studien zeigen, das andere es erheblich besser machen mit den Langzeitarbeitslosen. Es müssen sich im Übrigen erstmal Stellen finden, die jemanden nehmen, der dieses Hintergrund hat. Ist nämlich sehr wohl ein Problem auch der Arbeitgeber:
                [Insofern muss neben der Personenseite der Langzeitarbeitslosen auch betrachtet werden, was auf der anderen Seite des Prozesses, also bei den Arbeitgebern, (nicht) passiert.
                Dazu gibt es Befunde aus der Arbeitsmarktforschung, beispielsweise aus dem IAB. »Laut IAB-Stellenerhebung sind 44 Prozent der deutschen Betriebe grundsätzlich bereit, langzeitarbeitslose Bewerber im Einstellungsprozess zu berücksichtigen. 14 Prozent der Betriebe würden arbeitslose Bewerber – unabhängig von der Dauer ihrer Arbeitslosigkeit – nicht in Erwägung ziehen. Entscheidend für die Neueinstellung Langzeitarbeitsloser ist, wie Betriebe ihre Zuverlässigkeit einschätzen. Erst an zweiter und dritter Stelle nennen die Personalverantwortlichen Arbeitsmotivation und fachliche Qualifikation. Insgesamt werden arbeitsrelevante Eigenschaften bei Langzeitarbeitslosen zwar deutlich schwächer beurteilt als bei Kurzzeitarbeitslosen. Soft skills wie Teamfähigkeit und soziale Kompetenz werden jedoch mehrheitlich positiv bewertet … In Betrieben, die Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung haben, sind die Beschäftigungschancen Langzeitarbeitsloser höher. Daher könnte es sich bei der Stellenvermittlung lohnen, diese Betriebe noch stärker zu adressieren.« So einige der Erkenntnisse aus dieser Veröffentlichung des IAB:

                ➔ Martina Rebien und Thomas Rothe (2018): Langzeitarbeitslose Bewerber aus betrieblicher Perspektive: Zuverlässigkeit ist wichtiger als fachliche Qualifikation. IAB-Kurzbericht 21/2018, Nürnberg 2018

                Da lassen wir doch den Forscher selbst zu Wort kommen. Hier einige seiner Erkenntnisse, beispielsweise zu der scheinbaren Widersprüchlichkeit, die Fuchs angesprochen hat, dass Langzeitarbeitslose eher nicht von der guten allgemeinen Arbeitsmarktlage profitieren können:
                »Die Allgemeinheit geht davon aus, dass eine gute Arbeitsmarktlage die Chancen von Arbeitssuchenden erst einmal verbessern sollte. Genau hier liegt aber ein Problem, das die Lage sogar noch erschwert. Wenn wir nämlich davon ausgehen, dass es für Arbeitslose, insbesondere Langzeitarbeitslose, leicht ist, einen Job zu finden, dann macht das auf Unternehmen den Eindruck: Wer noch keinen Job gefunden hat, ist weniger produktiv als andere oder es muss weitere schwerwiegende Gründe dafür geben, dass die Person noch arbeitslos ist. Und das erschwert letztendlich für die noch verbliebenen Arbeitslosen den Zugang zum Arbeitsmarkt.
                Die Standardargumentation in der Vergangenheit war, dass der Abbau von Humankapital eine Rolle bei der Bewerbung von Langzeitarbeitslosen spielt. Dass also Menschen vergessen, wie man morgens aufsteht, wie man Verantwortung übernimmt und so weiter. Mein Experiment setzt dort an. Ich habe die Chancen von Langzeitarbeitslosen am Arbeitsmarkt untersucht. Dazu habe ich versucht, die Motivation und Belastbarkeit von Arbeitslosen, die wir nicht zuverlässig einschätzen können, auszublenden, und mir nur das Verhalten von Unternehmen angesehen.
                Mit einer Befragung der Unternehmen würde er aber an dieser Stelle nicht weiterkommen, denn man kann plausibel erwarten, dass die Befragten verzerrt antworten würden, was ihre Einstellungsbereitschaft Langzeitarbeitslose betreffend angeht (das sollte man auch bei den IAB-Studien berücksichtigen, die auf dem IAB-Betriebspanel basieren, also einer Betriebsbefragung). Wie hat er versucht, das methodisch in den Griff zu bekommen?

                »Deshalb habe ich fiktive Bewerbungen auf Stellenangebote in ganz Deutschland verschickt – von Leuten, die noch in Beschäftigung, kurzzeitarbeitslos oder langzeitarbeitslos sind.« Dazu muss man aber wissen, dass es eine methodische Restriktion im bisherigen Vorgehen gibt, auf die Nüß explizit hinweist: »In meinen und den anderen bestehenden Experimenten dieser Art wird grundsätzlich nicht auf die Arbeitslosigkeit selbst hingewiesen. Wir legen sie nur indirekt durch eine Lücke im Lebenslauf offen und testen bereits die Wirkung dieser Lücke. Eine noch offene Frage ist, ob wir in der Lage wären, durch eine Begründung der Arbeitslosigkeit die Wirkung zu verringern.«
                Und was hat er zu Tage gefördert?
                »Das Ergebnis war, dass Bewerber und Bewerberinnen, die mindestens 10 Monate arbeitslos waren, deutlich weniger Einladungen zu Vorstellungsgesprächen bekamen. Je nach Szenario ging die Wahrscheinlichkeit, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, um 30–50% zurück.«
                Das sind ganz erhebliche strukturelle Barrieren. Nüß verwendet den Begriff der „Stigmatisierung“. Dazu im Original: »Ich habe jetzt mehrfach von »Stigmatisierung« gesprochen. Um das etwas greifbarer zu machen: Das Stigma der Arbeitslosigkeit bedeutet letztendlich, dass arbeitslose Bewerber und Bewerberinnen in Einstellungsverfahren pauschal nicht berücksichtigt werden oder ein höherer Maßstab an sie gesetzt wird. Sie müssen dieses negative Signal, das vor allem mit langer Arbeitslosigkeit verbunden wird, überkompensieren.«
                Nüß bilanziert: »Das Wichtigste aus der aktuellen Forschung für mich war, dass Arbeitslose oft überhaupt nicht die Chance bekommen, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, weil sie vielfach bereits in der ersten Phase des Einstellungsverfahrens in die Ablage kommen. Das ist für mich der zentrale Punkt.«]
                http://aktuelle-sozialpolitik.de/2019/07/01/langzeitarbeitslose-und-ihr-stigma-im-bewerbungsprozess-bei-arbeitgebern/

                Sovie zur Realität, die sich ganz sicher nicht im Ferhseh-programm mit scripted reality finden lässt, sonder auf Differenzierung setzt.

              • popper 9. November 2019, 11:58

                Das Gros der Hartz-IV-Empfänger war nie Mittelklasse. Entweder, weil sie nie regelmäßig gearbeitet haben, als Migranten ins Prekariat zugewandert sind oder über nur geringe Qualifikationen und Fähigkeiten verfügen

                Sie reden wie der Blinde von der Farbe. Dezember 2017 hatten von den insgesamt 2.941.000 arbeitsuchend gemeldeten erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Angaben zum Schulabschluss insgesamt 674.000 keinen Hauptschulabschluss, insgesamt 991.000 einen Hauptschulabschluss, insgesamt 546.000 die mittlere Reife, insgesamt 119.000 die Fachhochschulreife und insgesamt 285.000 die Hochschulreife. Von diesen ELB verfügten 1.862.000 über keinen Berufsabschluss, insgesamt 922.000 einen betrieblichen bzw. schulischen Berufsabschluss und insgesamt 136.000 einen akademischen Berufsabschluss.

                • Stefan Pietsch 9. November 2019, 13:24

                  Es ist Ihnen nicht aufgefallen, dass Sie Beweis in meinem Sinne erbracht haben? Zweidrittel der Hartz-IV-Empfänger gehen damit gleich als geringqualifiziert durch. Mit einem solchen Nicht-Ausbildungsniveau ist es in jeder entwickelten Volkswirtschaft außerordentlich schwer, dauerhaft am Erwerbsleben teilzunehmen. Nur der Info halber: auch jemand mit Realschulabschluss gilt heute im bildungstechnischen Sinne als geringqualifiziert. Und würden wir uns jetzt noch die 0,9 Million mit betrieblichem bzw. schulischem Berufsabschluss genauer anschauen, würde das Bild noch eindeutiger werden. Denn auch ein gelernter Bäckergehilfe, eine Küchenfachkraft hat selten dauerhaft einen bezahlten Job und ein einigermaßen gepflegtes Einkommen. Da kommen wir sehr leicht in die Gegend von 85-90 Prozent, die meiner Beschreibung entsprechen.

                  • Rauschi 9. November 2019, 18:50

                    Da kommen wir sehr leicht in die Gegend von 85-90 Prozent, die meiner Beschreibung entsprechen.
                    Komisch, rechnen war doch sonst Ihr Steckenpferd.
                    [. Von diesen ELB verfügten 1.862.000 über keinen Berufsabschluss, insgesamt 922.000 einen betrieblichen bzw. schulischen Berufsabschluss und insgesamt 136.000 einen akademischen Berufsabschluss.]
                    922.000 + 136.000 = 1058.000
                    2941= 100%
                    1058= 35,97%

                    Da hiesst, weit mehr als ein Drittel haben mindestens einen Berufsabschluss und damit ist Ihr Gerede und unqualifiziert ab absurdum geführt. Die 85 bis 90 Prozent sind auf jeden Fall widerlegt worden, eindeutig.

                    Aber das würde ja zu Ihrer Wahrnehmung, jeder bekommt, was er verdient und die einfachen Leute müssen eben leiden und verdienen kein anständiges Leben, so gar nicht passen. Da muss man sich das wohl so hinbiegen.
                    Milliardäre dürfen nicht „gestutzt“ werden, aber die da unten gern, je öfter, desto lieber.

                  • popper 9. November 2019, 19:41

                    Es ist Ihnen nicht aufgefallen, dass Sie Beweis in meinem Sinne erbracht haben? Zweidrittel der Hartz-IV-Empfänger gehen damit gleich als geringqualifiziert durch

                    Würden Sie mit etwas mehr Bedacht lesen, kämen Sie von selbst drauf. Kein Berufsabschluss, heißt nicht automatisch, dass bei den zuvorgenannten 1.941.000 (Hauptschulabschluss-Hochschulreife generell eine Geringqualifizierung vorliegt. Die hohe Erwerbslosigkeit resultiert weniger aus qualifikatorischen Defiziten, entscheidend ist vielmehr das insgesamt unzureichende Angebot an Arbeitsplätzen.

        • Stefan Pietsch 8. November 2019, 11:24

          Die Frage ist lediglich, ob es fair ist, wenn die Mehrheit der ALG2-Bezieher, die gerne arbeiten würde, in Verruf gerät und unschuldig bestraft wird, weil sich eine Minderheit nicht korrekt verhält.

          An dieser Stelle fiel mir Ihr Wettern gegen Besserverdiener, Milliardäre und Wähler der AfD ein.

          • Ralf 8. November 2019, 11:31

            Schöner Einfall. Hat nur mit dem Thema nix zu tun und es wollte auch niemand Milliardäre oder AfD-Wähler bestrafen. Aber was soll’s …

            • Stefan Pietsch 8. November 2019, 11:35

              Das propagierte Verbot von Milliardären ist dann wohl nicht als Strafaktion gegen Milliardäre zu verstehen? Gut zu wissen…

              • Ralf 8. November 2019, 12:03

                Erfreulich dass Sie das nun endlich verstanden haben, nachdem ich das bereits mehrfach explizit formuliert und erklärt hatte.

      • Stefan Sasse 8. November 2019, 13:18

        Waren wir nicht gerade noch dabei festzustellen, dass es nur wenige Sanktionen und damit wohl auch wenige Drückeberger gibt? Ich bin verwirrt.

        • Stefan Pietsch 8. November 2019, 14:33

          Sind 10-18 Prozent nicht eine geringe Minderheit? Ich bin verwirrt.

  • popper 10. November 2019, 00:25

    Und fragst Du Dich wirklich nie, wie es sein kann, dass jemand von 2010 bis 2019 keinen Job gefunden hat, nichts, nada, einfach nichts zu tun? Das ist ein Viertel (!) eines Erwerbslebens! Worin sehen solche Menschen ihren Lebensinhalt?

    Warum beantworten Sie ihre Frage mit einem Zirkelschluss. Nur weil Sie sich bestimmte Sachverhalte, wie z.B. zu wenig Arbeitsplätze nicht vorstellen mögen. Oder, weil Sie wieder behaupten, wo Sie beweisen müssten, dass Arbeitslose die Freizeit mehr lieben als einen Job mit anständigem Auskommen. Das widerspricht jeder gesunden Lebenserfahrung, wenn auch Menschen wie Sie, einzelne Beispiele für das Gegenteil halten.

  • Blechmann 22. November 2019, 03:53

    Ich glaube du hast das Urteil nicht verstanden. Das Verfahren ging darum, ob ein 60% Sanktion zulässig ist laut Verfassung – und laut dem Urteil ist sie das nicht (was logischerweise auch höhere Sanktionen betrifft). 30% Sanktionen waren nicht Gegenstand des Verfahrens, es sagt daher über deren Verfassungsmäßigkeit auch nichts aus.

    Der Nachrangigkeits-Grundsatz und die „wirkliche Bedürftigkeit“ haben mit Sanktionen nichts zu tun. Das betrifft die Frage ob andere Einkommensquellen wie Rente, Kindergeld, Vermögen o.ä. vorhanden sind.
    Ein ALG II Empfänger musste noch nie sein Bedürftigkeit neu Nachweisen, weil er sanktioniert wurde. Die Bedürftigkeit ergibt sich ganz schlicht aus dem (nicht vorhandenen) Einkommen. Ein potentielles Einkommen wird hier nicht berücksichtigt, es gilt nur das tatsächlich vorhandene Einkommen.

    • Stefan Pietsch 22. November 2019, 09:27

      Wie kommen Sie zu Ihrer Einschätzung? Aus dem Urteil wohl kaum -ansonsten bitte zitieren.

      Er darf sich auch dafür entscheiden, insoweit verhältnismäßige Pflichten mit wiederum verhältnismäßigen Sanktionen durchzusetzen.

      Wird eine Mitwirkungspflicht zur Überwindung der eigenen Bedürftigkeit ohne wichtigen Grund nicht erfüllt und sanktioniert der Gesetzgeber das durch den vorübergehenden Entzug existenzsichernder Leistungen, schafft er eine außerordentliche Belastung. Dies unterliegt strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit (..).

      Ganz klar: Sanktionen, auch die vorübergehende Kürzung von existenzsichernden Leistungen, sind zulässig.

      • Blechmann 23. November 2019, 20:14

        Grundsätzlich zulässig. Aber die Frage ist, ob in der vorliegenden Form (SGB II) zulässig. Was ist denn „verhältnismäßig“? Steht im Urteil, das SGB II ist verhältnismäßig? Und welche strengen Anforderungen/Verhältnismäßigkeiten sind gefordert? Ist halt nur Wischi-Waschi. Ich schau gerade die Bundestagsdebatte zu dem Urteil, da lachste dich schlapp.

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