Video: Vortrag und Diskussion mit Adam Tooze zu „Crashed“

Ich habe bereits in der aktuellen Bücherliste das Buch „Crashed“ von Adam Tooze empfohlen. Im hier verfügbaren Vortrag fasst Tooze einige (aber bei weitem nicht alle!) Thesen zusammen und stellt sich danach für 90 Minuten der Diskussion. Das Ding ist mehr als empfehlenswert.

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  • popper 28. Oktober 2018, 12:09

    Ich bin ehrlich gesagt erstaunt, in diesem Blog ein derartiges Video eingestellt zu sehen. Besten Dank dafür, es spricht für eine sachorientierte Pluralität im Diskurs und entschädigt, für das tolale, ignorante Unverständnis in ökonomischen Sachfragen von Pietsch & Co.

    • Stefan Sasse 28. Oktober 2018, 18:26

      Na na na.

      • popper 28. Oktober 2018, 20:08

        Na, na, na? Es wurde in dem Video sehr gut gezeigt, worin die eigentliche Krux liegt. Keine regelbasierte Ökonomie ist gefragt, sondern pragmatische Lösungen, die sich an ökonomischen Notwendigkeiten orientiert. Deutschland leugnet bis dato geleugnet, dass die Finanzkrise keine Frage von Schuld ist, die in dragonischer und fiskalischer Harakiri-Manier bewältigt werden kann. Sie bedarf vielmehr einer geldtheoretischen Expertise. Signifikant fand ich den Hinweis von Tooze, dass die Dame aus dem Ministerium abweichende Meinungen nicht als Diskussionsgrundlage begreift, sondern als „Wissensanmaßung“. Oder es immer noch Leute gibt, die ernsthaft behaupen, alle Länder dieser Welt könnten Überschüsse haben, wenn sie so würden wie Deutschland. Interssant war auch die Beschreibung der Rolle der Zentralbanken, zur Stabilisierung des Finanzsystems. Das sollte denen zu denken geben, die Banken und auch Staaten pleite gehen lassen wollen. Und dabei nicht begreifen wollen, dass bei finanztechnischen Abwicklungen die Schulden nur woanders landen, d.h., dass nur die Institutionen wechseln. Man ersetzt im übertragenen Sinne zwar die Hardware, die Software aber bleibt die alte. Dass in „Euroland“ die Politiker diese Zusammenhänge bis heute nicht begreifen wollen, zeigt das Beispiel Italien, wo fiskalpolitisch ein unwissenschaftlicher, ruinöser Unsinn exekutiert werden soll, um ihre längst widerlegte Ideologie nicht zu desavouieren.

        • Stefan Sasse 28. Oktober 2018, 20:31

          Inhaltlich bin ich voll bei dir, ich denke aber es geht auch ohne die Invektiven. 😉

        • Blechmann 29. Oktober 2018, 12:52

          Das Problem ist, dass die Theorie widersprüchlich ist. Zum einen sieht man die Staaten als Konkurrenten, die ähnlich wie Unternehmen untereinander sich im Wettbewerb befinden. Die Tatsache, dass Deutschland die Löhne drücken kann und Frankreich/Italien es nicht können, ist ein Wettbewerbsvorteil, den eine fähige deutsche Regierung nutzen muss, um der eigenen Wirtschaft Vorteile zu sichern, Marktanteile von den anderen zu gewinnen, Arbeitslosigkeit auf Kosten der anderen zu verringern usw. usf. Dass ihr das gelungen ist, ist ein Beweis für fähige Wirtschaftspolitik.

          Gleichzeitig soll das aber unmoralisch sein, weil doch Frankreich/Italien unsere dicken Freunde sind. Da Politik inzwischen nicht mehr Interessenpolitik sondern Moralpolitik ist, sind die jugendlichen Arbeitslosen in Italien unsere Schuld (was ja auch stimmt). Nur – so funktioniert Kapitalismus nunmal. Ich kann doch nicht von Firma A erwarten ihre Löhne zu erhöhen, damit Firma B nicht pleite geht. Dann funktioniert doch das ganze System nicht mehr.

          Soll der Deutsche Kanzler sich hinstellen und sagen: Die deutsche Wirtschaft ist am Boden und die Arbeitslosigkeit hoch, aber dafür gehts Frankreich blendend und das ist mein Verdienst. Dann wird er nicht wiedergewählt.

          • popper 30. Oktober 2018, 08:53

            Das Problem ist, dass die Theorie widersprüchlich ist. Zum einen sieht man die Staaten als Konkurrenten, die ähnlich wie Unternehmen untereinander sich im Wettbewerb befinden.

            Wo und welche Theorie widersprüchlich ist, sollten Sie etwas näher ausführen. Dass Staaten sich im Wettbewerb befinden, ist das Mantra der Neoliberalen. Selbst die Neoklassik spricht von ausgeglichenen Handelsbilanzen. Nicht umsonst bemüht man immer wieder Riccardo, um zu zeigen, dass der internationale Handel komparative Vorteile bringen soll.

            Die Tatsache, dass Deutschland die Löhne drücken kann und Frankreich/Italien es nicht können, ist ein Wettbewerbsvorteil, den eine fähige deutsche Regierung nutzen muss, um der eigenen Wirtschaft Vorteile zu sichern, Marktanteile von den anderen zu gewinnen, Arbeitslosigkeit auf Kosten der anderen zu verringern usw. usf. Dass ihr das gelungen ist, ist ein Beweis für fähige Wirtschaftspolitik.

            Löhne drücken kann jeder, nur, Deutschland hat es mit seiner Agenda 2010, Hartz IV und dem größten Niedriglohnsektor Europas, zuerst gemacht und damit auf Kosten anderer bereichert. Noch heute brauchen wir annähernd 300 Mrd. Schulden des Auslandes, um zwischen 1% und 2% Wachstum zu generieren. Das ist weder gut noch nachhaltig. Noch wichtiger ist die Tatsache, dass der überwiegende Teil der Deutschen davon nichts abbekommen. Das als „fähige Wirtschaftspolitik“ zu bezeichnen, ist mutig.

            Gleichzeitig soll das aber unmoralisch sein, weil doch Frankreich/Italien unsere dicken Freunde sind. Da Politik inzwischen nicht mehr Interessenpolitik sondern Moralpolitik ist, sind die jugendlichen Arbeitslosen in Italien unsere Schuld (was ja auch stimmt). Nur – so funktioniert Kapitalismus nunmal. Ich kann doch nicht von Firma A erwarten ihre Löhne zu erhöhen, damit Firma B nicht pleite geht. Dann funktioniert doch das ganze System nicht mehr.

            Mit moralisch oder unmoralisch hat das alles wenig zu tun. Wirtschaftliche Interessenspolitik sollte immer berücksichtigen, dass die wirtschaftliche Schwächung anderer Staaten, den eigenen Interessen auf lange Sicht schadet. Der deutsche Merkantilismus konnte zu Zeiten unterschiedlicher Währungen in Europa durch Abwertungen eingehegt werden. Und entgegen ihrer Meinung funktioniert Kapitalismus so wie Sie es beschreiben gerade nicht. Das Interessante an dem Referat von Tooze ist das Ausblenden reziproker Abhängigkeiten auf deutscher Seite. Insbesondere in einer Währungsunion, die nicht funktionieren kann, wenn man die fiskalische Handlungsfähigkeit durch Schuldenbremsen, Fiskalpakt etc. an der Garderobe abgibt, weil deren juristische Konstruktion an den ökonomischen Notwendigkeiten einer Währungsunion völlig vorbeigeht. Tooze hat ja auf die Unterschiede zwischen Timothy Geithner und Wolfgang Schäuble hingewiesen. Dass Wirtschaft in der Wirtschaft stattfindet ist eine oft verwendete Tautologie, aber in Bezug auf wirtschaftspolitisches Handeln nicht weniger aufschlussreich. Dass das europäische Währungssystem Dysfunktionen aufweist, habe ich oben erwähnt. Dass Firma A die Löhne erhöht, damit Firma B nicht pleitegeht, ist unsinnig und erwartet auch niemand mit ökonomischem Sachverstand. Wenn aber ein einzelnes Land der EWU durch einseitige interne Abwertung das ganze Gefüge ins Wanken bringt, muss dem Einhalt geboten werden. Italien unternimmt den Versuch der in Griechenland gescheitert ist. Im Übrigen, so gut wie niemand in der Währungsunion hält sich ungezwungen an den Fiskalpakt. Nicht, weil Disziplinlosigkeit herrscht, sondern wirtschaftliche Entwicklungen sich nicht planen lassen. Das zeigen auch die ständigen falschen Prognosen des Sachverständigenrats und anderer Wirtschaftsinstitute. So funktioniert das System tatsächlich nicht.

  • Jens 28. Oktober 2018, 21:00

    Sie bedarf vielmehr einer geldtheoretischen Expertise.

    Ja, leider scheint die Expertise bei der Regierung nicht vorhanden zu sein. Anders ist nicht zu erklären, dass sie ernsthaft erwägt bei schwarzer Null (also keine höhere Verschuldung des Staates) den Unternehmen die Steuern zu senken.

    Dies ist idiotisch, weil die Unternehmen bereits Nettosparer sind, (d.h. Die Gesamtheit der Unternehmen haben nach Abzug ihrer Schulden Cash auf dem Konto). Wenn denen die Steuern gesenkt werden, werden sie noch mehr Cash auf dem Konto haben.

    Blöd nur, dass in unserer Marktwirtschaft mit Giralgeldsystem die Geldmenge und damit die Schuldmenge mit steigendem BIP steigen muss . Mit der Steuersenkung für Unternehmen und der schwarzen Null bleiben nur die Bürger oder das Ausland für die zusätzlichen Schulden. Erstes ist kaum wünschenswert, da wir ja alle für die Rente sparen sollen und letzteres ist bei bereits 8% Anteil des Exportüberschusses am BIP komplett idiotisch.

    Eigentlich müsste die Regierung die Steuern für Unternehmen erhöhen. Oder die Steuern erhöhen und bessere Abschreibungsmöglichkeiten gleich mit beschließen, den die Investitionen sind historisch niedrig.

    Sehr gutes Video!

    • popper 29. Oktober 2018, 07:36

      Ja, ich halte Steuersenkungen für einen falschen Weg, weil die Verschaffung von mehr Liquidität für die Unternehmen nicht den wirtschaftlichen Erfolg bringen, sie erhöht bei gleicher Auslastung nur den Gewinn, denn erst kommt der Aufwand, dann der Ertrag. Wobei der Aufwand den Ertrag bereits mit enthalten muss. Die Vorstellung unserer Politiker, mehr Liquidität bringe mehr Investitionen und Arbeitsplätze ist genauso falsch, wie die Behauptung die Erhöhung der Produktivität steigere den Gewinn.

      Dass mit dem „Giralgeld“ automatisch die Geldmenge steigen muss, sehe ich nicht. Zumal, wenn es um Banknoten geht (M0). Bei den Geldmengen 1-3 ist das zwar richtig, aber nur um der Konzeption einer sinnfreien Quantitätstheorie Genüge zu tun. Ich würde hier auch nicht von Geld, sondern (Sicht-) Forderungen auf Geld sprechen, denn Kredite sind zunächst Schuldverhältnisse und keine Geld in Form des gesetzlichen Zahlungsmittels. Erst in dem Moment, wo Sichtforderungen bar zu leisten sind, müssen sie in Banknoten erfolgen. Dabei wird aber kein neu erschaffenes Geld ausgereicht, sondern bereits emittiertes Zentralbankgeld. Schuldgeld klingt so sehr nach schuldig sein. Monetäre Schuldverhältnisse bestehen aus beiderseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten. Ohne Schulden gibt es aber auch keine Guthaben. Mit der Aufgabe des Goldstandards ist Geld keine Forderung mehr auf etwas, sondern Forderungsgenstand und -inhalt sind identisch, d.h. auch, Geld wird nicht gegen Waren eingetauscht, sondern gegen ein den Waren zugeschriebenes/kalkuliertes Geldmaß. Insoweit ist nicht von Bedeutung, was verkauft wird (Nutzentheorie), sondern wieviel Geldeinheiten ich dafür erhalte, um den mönetären Aufwand meiner Investition auszugleichen.

    • Stefan Pietsch 29. Oktober 2018, 13:35

      Es ist halt nicht besonders inhaltsvoll, immer einen (!) Wissenschaftler wortwörtlich wiederzubeten. Dass Unternehmen sich – zumindest nach den Bilanzzahlen der Bundesbank – stets weiterverschulden, wurde bereits gezeigt und diskutiert.

      Derzeit sehen wir einen neuen Steuersenkungswettlauf bei Unternehmenssteuern. Die Erfahrung lehrt, dass dies nicht ohne Auswirkungen auf die nationalen Investitionstätigkeiten bleibt. Bisher sind in Deutschland die Unternehmenssteuern noch nicht im Fokus der Debatte, weil wir uns noch auf einem mittleren Niveau in der OECD bewegen. Anders verhält es sich bei Gewinn-, Ertrag- und Spitzensteuersätzen. Da kommen Sie mit Ihrer Kaffeesatzleserei und Makro-Weisheiten nicht weiter.

      • popper 29. Oktober 2018, 23:37

        Etwas intellektuelle Disziplin stände ihnen gut an. Hier sind Sie extrem entwicklungsresistent. Sie sollten bei ökonomischen Themen anerkannten Fakten folgen und nicht dem, was Sie versuchen mir zu unterstellen: Kaffeesatzleserei. Makroökonomie hat nichts mit Weisheiten zu tun, es handelt sich hierbei um den Anspruch der ceteris paribus Falle zu entkommen. Ihr Nazissmus, sich ständig feiern zu wollen und bei Sachthemen rudimentäre Sätze zur Grundlage ihrer Diskussion zu machen erstarrt zum selbsferenziellen Scheingefecht. Anstatt sich auf konkrete Argumente zu beziehen, streiten Sie um Nebensächlichkeiten und gegen einen von ihnen selbst kreierten Popanz. IHRE Sicht auf die Dinge ist überhaupt nicht mehr anschlussfähig. Sie sind aus der Zeit herausgefallen und widerkäuen erstarrte Ideologien von anno dazumal. Und Erfahrung lehrt gar nichts, es induziert Erwartungen, sonst nichts. Auch wenn Sie es immer wieder bestreiten, Unternehmer in Deutschland sind seit Jahren Nettosparer. Ihr Hinweis mit der BuBa zeigt doch nur, dass Sie Behauptungen gegen einen Konsens in der Sache bestreiten, der anhand der Fakten nicht zu bestreiten ist. Seit der Jahrtausendwende haben die Unternehmen Jahr für Jahr mehr eingenommen als investiert. 2017 summierte sich der Überschuss auf 74 Mrd. Euro schrieb sogar der „Spiegel“ am 10.08.2018 . Ergo, Sie sind hier der Kaffeesatzleser und Faktenleugner.

        • Stefan Pietsch 31. Oktober 2018, 08:37

          Etwas intellektuelle Disziplin stände ihnen gut an. Hier sind Sie extrem entwicklungsresistent.

          Ja, da haben Sie natürlich recht. Es ist wirklich zu blöd, da stehe ich gerade in der heißen Phase der Budgetgespräche für 2019, habe Schwierigkeiten, die geplanten Investitionen zu verteidigen, dabei würde mir ein Blick auf Makroskop helfen. Ein Heiner Flassbeck weiß viel besser, warum und wie investiert werden sollte. In zwei Wochen ist Judgement Day und vielleicht sollte ich Flassbecks geistige Ergüsse auf den Tisch werfen. Ich meine, damit wir zu Beginn etwas zu lachen haben bevor es ernst wird.

          Ich glaube, ich besitze nach weit über 20 Jahren im Geschäft mehr als Grundkenntnisse darüber, warum, wann und wie Unternehmen Investieren, wie sie ihre Investitionen planen und woher die Mittel dafür kommen. Und seltsamerweise hat das so gar nichts damit zu tun, was ein Flassbeck oder auch Sie zum Besten geben. Es zeigt Ahnungslosigkeit vor den Realitäten. Das Unternehmen, für das ich derzeit arbeite, ist bilanziell hoch verschuldet und das in einer sehr investiven Branche. Die Methode, „Ihr müsst einfach Geld raushauen und kräftige Lohnerhöhungen durchexerzieren“ gilt nicht. Gerade gestern war ich in Haustarifgesprächen mit dem Betriebsrat, unterstützt von einem Gewerkschaftsmitglied. Dort ist weit mehr Realitätssinn für die Zwänge vorhanden als sie in Ihrer Einlassung zum Ausdruck kommen. Und das will etwas heißen.

          Und das ist eben keine Ideologie.

          • popper 31. Oktober 2018, 10:58

            Sie müssen nicht so resignativ daherkommen. Ich sehe, dass Sie kein valides Argument haben, um die von mir vorgetragenen Sachzusammenhänge zu widerlegen. Da hilft es nicht weiter, wenn Sie wiederholt versuchen, mikroökonomische Betrachtungen gegen makroökonomische auszuspielen. Nettosparer im saldenmechanischen Sinne heißt doch nicht, keine Schulden zu haben, sondern am Ende einer Periode festzustellen, was investiert würde und wieviel Überschuss bleibt.

            Dass ihnen nur das Argument aus der Person bleibt und der Klage darüber, wie sehr Sie momentan beruflich belastet sind. Ich hoffe, Sie schaffen es trotzdem, einmal den Blick auf die Kehrseite ihrer Medaille zu werfen.

            Flassbeck ist der Herausgeber von Makroskop, es gibt aber viele andere Autoren und es gibt andere Blogs und eine breite Masse von Literatur. In der Grundtendenz stimme ich natürlich der makroökonomischen Betrachtungsweise von Ökonomie zu, weil ich feststelle, dass der neoklassische Ansatz einem Glasperlenspiel gleicht, das erhebliche logische Defizite aufweist.

            Auf der anderen Seite ist mir natürlich klar, dass Sie als Betriebswirtschaftler, mit betrieblichen Problemen konfrontiert sind, wo makroökonomische Antworten nur eine sekundäre Rolle spielen müssen. Was ich aber bedaure ist, dass Sie den intellektuellen Switch nicht schaffen, die Konsistenz des makroökonomischen Gesamtansatzes nicht zu sehen.

            mit besten Grüßen
            popper

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