Midterm Dangers

Auf dem Papier sehen die Aussichten der Democrats für die Midterm Elections kommenden Novermber großartig aus. Trumps Zustimmungswerte kommen nicht über die 45% hinaus,  Skandal hängt an Skandal. Eine Rekordzahl republikanischer Amtsinhaber tritt nicht mehr an. Im generic ballot führen die Democrats, je nach Umfrage, zwischen 5% und 15%. Und doch bewegen sie sich angesichts der kommenden Wahlen in einem wahren Minenfeld. Denn gerade die Faktoren, die so verheißungsvoll wirken, bergen gleichzeitig ihre eigenen Gefahren. Und diese Gefahren bedeuten, dass es für die Democrats 2018 keine einfachen Entscheidungen gibt. Jeder Schritt birgt Opportunitätskosten, und in keinem Fall ist klar, welche Strategie sich am Ende auszahlen wird. Eines aber ist klar: in Gefahr und großer Not bringt der Mittelweg den Tod. Legt sich die Partei nicht fest, verliert sie sicher. Es braucht nicht erst den SPD-Wahlkampf 2017, um diese Lektion deutlich zu machen.

Es lohnt sich, an dieser Stelle etwas zu verweilen. Denn wenn man Hillary Clinton bezüglich ihrer Wahlkampfstrategie 2016 einen Vorwurf machen kann, dann ist das nicht, nicht mal persönlich in Wisconsin vorbeigeschaut zu haben, sondern kein klares Wahlkampfthema besessen zu haben. Ein Teil davon war auch der Aufmerksamkeitsgenerierung Trumps geschuldet, sicher, aber Clinton konnte sich nie richtig entscheiden, was nun ihr Thema war. Frauenrechte? Ungleichheit? Korruption? Russland? Sie hatte zu allem etwas zu sagen, viel zu sagen, Gutes zu sagen, aber ein Thema gab es nicht, und damit fiel es der Presse umso leichter, dem jeweiligen nächsten scheindenden Ding hinterherzujagen, das Trump gerade produzierte.

Die Democrats brauchen daher 2018 ein Thema, ein Leitmotiv. Das wird zwingend mit Trump verbunden sein. Der Präsident, so viel haben die special elections der letzten zwei Jahre gezeigt, ist ein Mühlstein um den Hals jedes republikanischen Kandidaten, und die Oppositionspartei gewinnt eigentlich immer, wenn sie den Präsidenten mit seiner Partei verknüpft (im 20. Jahrhundert gibt es von dieser Regel gerade einmal drei Ausnahmen). Für die Republicans, die gegen Obama Wahlkampf machten, war das keine schwierige Entscheidung. Obama bot genau ein Ziel, aber das leuchtete floureszierend und überdeutlich sichtbar für alle, und entsprechend melkten es die Republicans erbarmungslos und mit großem Gewinn: Obamacare. Es war der eine weithin sichtbare, umfassende „Skandal“ der Obama-Jahre, insofern „Skandal“ hier großzügig auch auf das angewendet wird, was die Opposition dazu macht.

Das Problem für die Democrats ist nun wahrlich nicht, dass Trump zu wenig Skandale bieten würde. Das Problem ist, dass es zu viele sind. Dies mag erst einmal wenig intuitiv erscheinen, aber im Wahlkampf profitiert man eher, wenn der Gegner genau eine Angriffsfläche bietet – wie Obama das tat, oder Clinton – als wenn es viele verschiedene gibt. 2016 hat dies deutlich gezeigt. Denn wer jede Woche zwei neue Skandale produziert, dessen Skandale sind auf eine gewisse Art wertlos, der betäubt das Publikum. Die Democrats müssen daher ein Trump-Thema wählen und dieses erbarmungslos ausschlachten, die nationale Konversation immer und immer wieder auf dieses eine Thema lenken. Und welches das sein soll, ist völlig unklar.

Denn bei der Auswahl gibt es noch weitere Probleme zu bedenken. Die Basis der Democrats, auf deren hoher Wahlbeteiligung jedes Siegesszenario im November fußt, interessiert sich weniger für die Trump-Skandale. Die sind dazu da, Independents dazu zu bringen, ihr Kreuz aus Abscheu bei den Democrats zu machen und Republicans dazu zu bringen zuhause zu bleiben. Die Basis will klare Festlegungen ihrer Kandidaten für progressive Ziele: eine Sicherung und Ausweitung von DACA, eine allgemeine und gesetzliche Krankenversicherung, höhere Besteuerung der Spitzenverdiener, Reduzierung der Studiengebühren, Waffenkontrolle, etc. Diese Themen aber besitzen in den USA, wenn überhaupt, nur eine sehr tendenzielle Mehrheit und können von den Republicans schnell mit deren wohlgeölter identity-politics-Wahlkampfmaschine gegen die Democrats gewendet werden.

Die demokratische Basis alleine reicht aber zum Sieg nicht aus, vor allem nicht in den „roten“ Staaten, in denen Trump mit zweistelligen Prozentzahlen gewann und in denen die Democrats zwingend Erfolge vorzeigen müssen, wenn sie die Mehrheit gewinnen wollen. Die Partei braucht Überläufer aus der Masse der Unentschlossenen (man sollte sie nicht „die Mitte“ nennen, denn so etwas existiert effektiv nicht). Das setzt zwingend voraus, dass die Democrats eine Big-Tent-Party werden, also einer große Bandbreite von Überzeugungen eine Heimat bieten – ein klarer Gegenentwurf zur immer radikaleren, nur auf identity politics basierenden republikanischen Konzentration auf ihre Basis. Aber das freut natürlich die Basis der eigenen Partei nicht. Einen einfachen, richtigen Weg gibt es daher nicht.

Die daraus resultierende Strategie ist daher zwangsläufig widersprüchlich. Kandidaten müssen die demokratische Basis ansprechen, indem sie ein Bekenntnis zur reinen Lehre ablegen (was auch immer die im jeweiligen Moment gerade ist). Sie müssen Unentschlossene ansprechen, indem sie sich als Kontrollinstanz und Bremse für einen extremistischen GOP-Präsidenten präsentieren. Und sie müssen Konservative davon abhalten, für Trumps Kandidaten zur Wahl zu gehen, indem sie dessen schlechte Beliebtheitswerte nutzen. Aber diese dreigliedrige Strategie kann dafür sorgen, dass Unentschlossene nicht „radikale“ Progressive in den Kongress wählen wollen, dass die Basis sich enttäuscht von den „faulen Kompromissen“ ihrer Kandidaten abwendet und dass Konservative durch die identity-politics-Gegenkampagne der Republicans erst motiviert werden.

Bedauerlicherweise ist die Demoskopie dabei auch nur eingeschränkt hilfreich. So gibt es klare Umfrageergebnisse, nach denen die Wähler von den Democrats wollen, dass diese grundsätzlich mit Trump zusammenarbeiten. Nur: Zum einen hasst die Basis genau das, und zum anderen ist es einer dieser typischen Fälle, in denen die Wähler schlichtweg die Unwahrheit sagen. Zwar bekräftigen Wähler permanent vor Wahlen, dass sie unbedingt wollen, dass die Parteien zusammenarbeiten („bipartisanship„), doch wann immer sie es tatsächlich tun, hassen sie das Ergebnis. Das zwingt die Politiker dazu, sich zu etwas zu bekennen, das sie in der Praxis nicht tun werden – zwar weil der Wähler das so will, aber da er es sich nicht eingesteht, heißt es dann gleich wieder „Lüge!“. Und erneut, die Basis mag das eh nicht.

Ein weiteres kleineres Problem ist die eigentliche Führung der demokratischen Partei. Nancy Pelosi, ihres Zeichens Minderheitenführerin der Democrats im House of Representatives und zwischen 2006 und 2010 Mehrheitsführerin, ist eine absolute Hassfigur der Rechten. Sportliche 58% aller Wahlwerbespots seit 2016 hatten sie zum Thema. Pelosi ist im Wahlkampf sicher eine Belastung, aber sie ist gleichzeitig eine der effizientesten Parlamentarier aller Zeiten. Sie zu verlieren wäre für die Democrats ein schwerer Schlag. Der DNC, auf der anderen Seite, hat in letzter Zeit einige fragwürdige strategische Entscheidungen getroffen und genießt daher nicht das Vertrauen, das wünschenswert wäre.

Zuletzt gibt es das Problem, dass die Versuche der Republicans, die Demokratie durch aggressives Gerrymandering und Behinderung von Wahlen sowie den massenhaften Entzug des Wahlrechts einzuschränken, die Lage deutlich verzerren und die Democrats dazu zwingen, in vielen „roten“ Distrikten anzutreten, während ihre „blauen“ Distrikte so überwältigende Siege produzieren, dass die eigentliche Herausforderung der Kandidaten das Gewinnen der Vorwahlen ist, wo man sich sehr weit links positionieren muss, was den Republicans Möglichkeiten gibt, die Botschaft ihrer Gegner zu verwässern.

Abgesehen von diesen Hürden bleibt noch die Frage, welchen der vielen Skandale Trumps man denn nun zum eigentlich beherrschenden Wahlkampfthema machen will – und dafür alle anderen ignorieren und nach Möglichkeit in den Hintergrund drängen. Auch hier gibt es keine klaren Antworten, denn jedes Thema kommt mit seiner eigenen, eingebauten backlash-Gefahr.

Da wäre zum einen Korruption, das etwa Jonathan Chait empfiehlt. Die Vorteile dieses Themas liegen klar auf der Hand. Viele der Unentschlossenen, die Trump vor allem wählten weil sie irrig glaubten, das sei für ihre persönliche Situation besser, können durch einen Fokus auf die ungeheure und seit 1900 nicht mehr dagewesene Korruption und Selbstbereicherung der Regierung zur Wahlabstinenz oder sogar Wahl gegen Trump bewegt werden. Zudem können an dieses Thema leicht andere ökonomische Themen angehängt werden, etwa die Steuerpolitik oder die Krankenversicherung für alle, Themen also, die besonders dem Sanders-Flügel am Herzen liegen.

Das Thema hat jedoch auch ein gewaltiges Gefahrenpotenzial. Denn die Obama-Erholung, die Trump geerbt hat, produziert auch in ihrem mittlerweile neunten Jahr stabile Wachstumsraten. Die Situation ist besser als seit irgendeinem anderen Punkt mindestens in den letzten zehn Jahren, eher länger. Das Albtraumszenario wäre für die Democrats, dass die Botschaft der Republicans – Steuererleichterungen und niedrige Arbeitslosenzahlen – zu der Überzeugung, es sei eigentlich alles in Ordnung, gerade der Wähler führt, die man zu gewinnen hofft, während die Basis der Democrats, die weniger zu den Profiteuren zählt, sich ob der Losgelöstheit der Parteieliten von ihrer Realität angewidert abwendet, wie dies bereits 2016 teilweise zu beobachten war.

Da wäre zum anderen DACA. Trumps Kampf gegen illegale Einwanderer und den Rechtsstaat bietet eine große Angriffsfläche. Zahlreiche zu Tränen rührende Einzelschicksale unbescholtener Einwanderer können als politische Waffe gebraucht werden, der offenkundige Rassismus so vieler Trumpisten ins Scheinwerferlicht gerückt werden und die Latinos als große Wählergruppe mobilisiert werden. Zudem ist es für die junge Basis der Democrats ein wichtiges Thema, mit dem sie sich mobilisieren lassen.

Nirgendwo aber ist das Gefahrenpotenzial größer. Das Thema lässt sich leicht in Richtung „die Democrats helfen illegalen Einwanderern“ drehen, und die republikanische identity-politics-Brigade wird massenhaft Munition erhalten, um ihre Basis mit der Bedrohung ihres Traums von einem weißen Amerika zu mobilisieren. Einer Mehrheit der Bevölkerung ist das Thema relativ egal, und zwingt man sie zu einer Entscheidung ist es sehr gut möglich bis wahrscheinlich, dass sie sich für Grausamkeit gegen die Einwanderer entscheiden. Viele der Latinos können mangels geklärter rechtlicher Umstände nicht wählen und fürchten die Registrierung, die von der unter Trump in eine autoritäre Schlägertruppe verwandelte Einwandererpolizei zudem zu gezielten Attacken gegen wählende Latinos missbraucht wird. All diese Faktoren sprechen eher gegen das Thema.

Da wäre Stormy Daniels. Der Porno-Star, den Trump wohl auch wegen der äußerlichen Ähnlichkeit zu seiner Tochter mit 130.000 Dollar für Sex bezahlte, hat sich als ein wahres PR-Genie entpuppt und hält den Skandal mit einer ungeahnten Kunsfertigkeit in den Schlagzeilen. Er eignet sich daher, um Trumps zahlreiche Affären und seine generell miese Behandlung von Frauen zu thematisieren, ähnlich wie Clinton dies 2016 mehrfach erfolgreich unternahm. Zudem gibt es zahlreiche Anknüpfungspunkte zur erfolgreichen #MeToo-Bewegung. Nur wenige Themen mobilisieren aktuell die Basis der Democrats so zuverlässig wie der „War on Women“, den die Republicans unternehmen, und dessen Thematisierung auch andere Schwächen ausgleichen könnte (etwa der offensichtlich misogynistische Hass gegen Nancy Pelosi).

Wie DACA hat allerdings auch dieses Thema eine Menge Schattenseiten. Erst einmal ist unklar, ob Daniels es schaffen kann, den Skandal bis November warm zu halten. Einen Pornostar als Wahlkampfthema zu benutzen ist zudem sehr gefährlich, weil es die heuchlerischen „value voters“ zurück auf Trumps Seite treiben könnte, so sich denn überhaupt von ihm abgewandt haben. Zudem birgt das Thema die große Gefahr, von den rechten identity-politics-Ideologen zur Mobilisierung der eigenen Basis genutzt zu werden. Viele Unentschlossene identifizieren sich zudem nur eingeschränkt damit und könnten durch den Zwang des Wahlkampfs auf die Seite der Republicans gedrängt werden, wie das in den letzten Monaten öfter, auch hier in Deutschland, zu beobachten war. Gezwungen, sich entweder mit Rechtsradikalen gemein zu machen oder ihr Weltbild zu überdenken, finden erschreckend viele ostentativ Bürgerliche Gemeinsamkeiten mit den Rechsextremen.

Da wäre Nordkorea. Trumps aggressive Rhetorik, gepaart mit seiner beeindruckenden Unkenntnis und mangelnden Aufmerksamkeitsspanne macht jegliche Vorstellung, dass dieser Präsident mit einer atomaren Krise konfrontiert sein könnte, inhärent furchterregend. Die Nominierung John Boltons als nationaler Sicherheitsberater und die Ernennung anderer Falken aus der Bush-Zeit mit mindestens fragwürdigen Lebensläufen ruft Erinnerungen an den Irakkrieg und George W. Bushs katastrophale Präsidentschaft wach, die hier generell thematisiert werden kann.

Doch trotz dieses wohlbekannten Desasters favorisieren die Amerikaner in überwältigender Mehrheit eine „starke“ Außenpolitik, mit Militär als erstem und letztem Mittel, und sehen chauvinistisches, markiges Auftreten als größte Linderung ihrer Furcht vor dem Chaos der Außenpolitik, eine Mechanik, die schon so manchen demokratischen Präsidenten zur Übernahme deutlich aggressiverer außenpolitischerer Positionen bewogen hat, als diese im Wahlkampf vertraten. Wie auch bei der Frage der bipartisanship mögen die Wähler zwar häufig im Abstrakten eine Reduzierung des amerikanischen Engagements, doch als Antwort auf jegliche Krise wünschen sie sich dann doch die Entsendung amerikanischer Truppen. Diese Schizophrenie und die Tatsache, dass sich Wähler ohnehin nicht für Außenpolitik interessieren, macht das Thema wenig interessant.

Da wäre Russland. Der permanente und wohlbegründete Verdacht, dass Trump seinen Sieg zu nicht geringen Teilen einer verräterischen Zusammenarbeit mit dem russischen Geheimdienst zu verdanken hat eignet sich wie kaum ein anderes Thema zur Delegitimierung seiner Präsidentschaft und zum Angriff auf die Idee, es handle sich um einen Präsidenten, der seine Kernaufgabe, das amerikanische Volk zu beschützen, erfüllen könnte. Zudem lädt der reichhaltige Zitatschatz Trumps, in denen er seiner beinahe schon erotischen Begeisterung für Putins Autokratie Ausdruck verleiht, dazu ein, die faschistoiden Züge der modernen GOP im Allgemeinen und Trumps Regierung im Besonderen zu thematisieren. Sollte Robert Mueller bis November irgendwas Verwertbares herausfinden und/oder Trump Schritte gegen ihn ergreifen, ist es automatisch Thema Nummer 1, und die Democrats wären natürlich dazu positioniert, Ertrag daraus zu schlagen.

Wie bei Korea allerdings ist ein Problem, dass die Mehrheit der Wähler sich für diese abstrakten Themen schlicht nicht interessiert. Zudem ist kaum planbar, was die Ermittlungen um Mueller ergeben, und wie die Bevölkerung auf eventuelle Schritte Trumps reagieren würde. Dieses Thema ist für die demokratische Hygiene der USA sicherlich das wichtigste, aber es ist kein gutes Wahlkampfthema – wie Clinton 2016 auch unsanft erfahren durfte.

Und das ist nur eine Auswahl dessen, was just in diesem Moment, im April 2018, die Schlagzeilen bestimmt. Wer weiß, welchen Mist diese Regierung bis November noch verzapft! Bei jedem neuen Thema stehen die Democrats erneut vor der blöden Entscheidung, das bisherige Thema fallen zu lassen oder ihre alte Botschaft auf Kosten des neuen Skandals zu pushen, eine Entscheidung, die sie ohnehin nur schwer selbst treffen können, weil die ständig schwankende Aufmerksamkeit der Medien kaum beeinflussbar ist.

Für was auch immer sich die Democrats entscheiden, keine Variante ist eine „offensichtlich richtige“, und die Wahl wird nicht leichter dadurch, dass eine wahre Armada von Kommentatoren ihre jeweils präferierte Politiklösungen als richtige Antwort verkaufen. Möchte man Single Payer durchsetzen? Dann können die Democrats nur gewinnen, wenn sie das als Plattform übernehmen. Und so weiter.

Wenn ich mich festlegen müsste, würde ich ebenfalls versuchen, auf das Korruptionsthema zu setzen. Sicher ist das allerdings auch nicht. Es bleibt daher nur die Hoffnung, dass die vielen Vorteile, die die Democrats im kommenden November genießen, am Ende ausreichen werden.

{ 23 comments… add one }
  • Gerd Heiner 2. April 2018, 14:36

    Keep dreaming…

  • Stefan Sasse 2. April 2018, 15:32
  • Wolf-Dieter Busch 2. April 2018, 18:03

    Es gäbe (theoretisch) durchaus ein Mittel, das den Demokraten zu Oberwasser verhülfe: Aussicht auf realistische ökonomische Verbesserung der einzelnen Haushalte.

    Denn dies unterscheidet Trumps von Clintons letztem Wahlkampf: er argumentierte mit Wirtschaft, sie mit Genderismus (soweit ich mitgekriegt habe). Nur fühlten sich die wählenden Frauen nicht von den Männern, sondern von der Politik betrogen.

    • Stefan Sasse 2. April 2018, 19:21

      Nah, wann immer Clinton konnte redete sie über wirtschaftliche Themen. Sie kam damit nur nicht durch. Trump dagegen sprach viel von Mauern und Deportationen, und verknüpfte das mit Wirtschaft zu einer mächtigen Botschaft: wenn wir die Latinos rausschmeißen und die Grenzen dicht machen, kriegt ihr wieder Jobs. Dass das Kokolores ist…

      • Wolf-Dieter Busch 2. April 2018, 21:23

        Dass Clinton von Wirtschaft sprach, glaube ich ohne Überprüfung. Irgendwelche Kenngrößen, die KKR & Co. interessieren. (Meine Schwäche sind längere Texte. Ich verstehe sie nicht.)

        Trump dagegen? Make America Great Again! Chewing Gum! Rockʼn Roll! Petticoats! Das verstehe ich!

        Spaß beiseite. Thema ist die wirtschaftliche Lage des Normalbürgers, der in den Staaten nicht weniger leidet als bei uns. Gerüchteweise hörte ich von Vorstrafenquote von 33%: ist die amerikanische Bevölkerung eher generisch kriminell? Oder eher generisch arm, so dass sie das nötig haben?

        Das mit den Latinos und der Mauer … vergiss es. Populismus (das Wort hörst du von mir wirklich selten), keine politische Substanz. Weit mehr Substanz hat etwa Trumps Weigerung, TTIP weiter zu führen.

        • Stefan Sasse 2. April 2018, 22:35

          Alles was ich hier sehe ist eine Bestätigung deiner vorgefassten Meinung.

          • Wolf-Dieter Busch 3. April 2018, 07:02

            Der nicht-ironische Teil meines Kommentars bezieht sich auf prekäre wirtschaftliche Lage amerikanischer Haushalte. Konkrete Zahlen habe ich nicht, sondern beziehe mich auf Zeitungswissen. Halte ich auch für legitim. Wenn du mit besseren Daten dienen kannst, nur raus damit.

            • Stefan Sasse 3. April 2018, 18:42

              Habe keinen Zweifel an der prekären Lage. Nur wählen die Amerikaner mit HOHEM Einkommen Trump und mit NIEDRIGEM Clinton…

              • Wolf-Dieter Busch 3. April 2018, 19:39

                Upsi. Quelle?

                • Stefan Sasse 3. April 2018, 20:33

                  Wirklich jeder, der das untersucht hat. Das ist genau mein Punkt: ihr hängt irgendwelchen Narrativen an, die überhaupt nicht stimmen, aber halt ins Weltbild passen.
                  Aber als pars pro toto: https://www.nytimes.com/interactive/2016/11/08/us/politics/election-exit-polls.html

                  • Wolf-Dieter Busch 4. April 2018, 09:44

                    Ich bin wirklich überrascht. Um derartige Wahlanalysen habe ich mich nie gekümmert – andererseits aber auch kein einkommenspezifisches Wahlverhalten (red/blue) angenommen.

                    Die Demokraten und die „Grand Old Party“ sind in meinen Augen die Alternative zwischen Pest und Cholera: ein Verein von Millionären mit Politik für Millionäre. In höflicherer Form hat das Kommentator bevanite im Schlusssatz ausgedrückt.

                    Ich will nicht lügen. Trump war mir schon vorher bekannt, und bei seine Wahl war mir durchaus mulmig zumute – allerdings im Vergleich zu dem bellizistischen und sexistischen Monster (Haarfarbe blond) sieht er immer noch gut aus. Und beachte, er hat TTIP stillgelegt!

                    • Stefan Sasse 5. April 2018, 07:35

                      Ich schreib dieser Tage mal noch eine größere Analyse zum Thema.

                      Und das war eine absolut rattige Idee.

                    • bevanite 7. April 2018, 10:38

                      Ich bin wirklich überrascht. Um derartige Wahlanalysen habe ich mich nie gekümmert – andererseits aber auch kein einkommenspezifisches Wahlverhalten (red/blue) angenommen.

                      Echt? Ich glaube, diesen zentralen Unterschied haben wir sogar schon in der Schule im Englisch-Leistungskurs (bei mir in den späten Neunzigern) gelernt. Im Prinzip ist das eine der wenigen Konstanten bei beiden Parteien. Selbst in Zeiten, als die Republikaner gesellschaftspolitisch eher für fortschrittliche Positionen standen (Abraham Lincoln, Theodore Roosevelt, Charles Hughes oder Robert LaFollette standen wohl dafür), blieben sie von der Wählerschaft immer die business party. Hingegen standen die Demokraten auch damals eher für den „kleinen Mann“ (Ende des 19. Jahrhunderts eher für den „kleinen weißen Mann“), waren aber auch integrativer bezüglich religiöser Minderheiten. Die Republikaner wiederum waren damals für Afroamerikaner die ansprechendere Partei (kann man sich heute kaum noch vorstellen, war aber etwa bis zu F.D.R. so). Die größten Gegensätze waren langezeit regional und eben sozial. Nur so lässt sich auch erklären, dass bis Mitte der Sechziger so unterschiedliche Leute wie sehr liberale (liberal im amerikanischen Sinne), mit der Bürgerrechtsbewegung sympathisierende Politiker wie Hubert Humphrey oder George McGovern in der gleichen Partei waren wie die rassistischen Demagogen George Wallace oder Sam Yorty.

                      Die Demokraten und die „Grand Old Party“ sind in meinen Augen die Alternative zwischen Pest und Cholera: ein Verein von Millionären mit Politik für Millionäre.

                      Ganz so einfach würde ich es nicht sehen. Die großen sozialpolitischen Reformen, die auch den Aermeren entgegen kamen, wurden in den letzten 80 Jahren nunmal eher unter demokratischen Präsidenten durchgeführt: der „New Deal“ unter F.D.R., die „Great Society“ unter Johnson, und ja, auch Hillarycare und Obamacare muss man hier dazurechnen. Trump (und Bush Jr. und Reagan vor ihm) machten hingegen eindeutig Politik für die Superreichen – Trumps erste Amtshandlung war dann ja auch gleich eine Steuererleichterung für seine Millionärskumpels.

                      Trump war mir schon vorher bekannt, und bei seine Wahl war mir durchaus mulmig zumute – allerdings im Vergleich zu dem bellizistischen und sexistischen Monster (Haarfarbe blond) sieht er immer noch gut aus.

                      Hillary Clinton sexistisch? Das hätte ich dann doch gerne mal erklärt. Das mit dem Bellizismus ist immer noch ein Mythos, der sich wacker hält. Dabei war Clinton als Außenministern nicht die schlechteste Besetzung in den letzten Jahrzehnten und ich bin mir ziemlich sicher, dass eine Praesidentin Clinton jemanden wie Putin schnell in seine Schranken verwiesen hätte, ohne gleich an der Schwelle eines größeren Krieges zu stehen. Jedenfalls sah es nicht so klar nach Krieg zwischen den USA und Russland, Nordkorea und Iran gleichzeitig aus, wie nun nach der chaotischen Außenpolitik unter Trump.

                    • Stefan Sasse 7. April 2018, 11:44

                      Hillary Clinton wäre mindestens eine ordentliche, vielleicht sogar eine gute Präsidentin gewesen. Das kann man glaube ich als gesichert annehmen. Sehr wahrscheinlich nicht großartig, aber so was passiert halt auch nicht oft. Ich denke, der beste Vergleich wäre George Bush der Ältere.

                  • Floor Acita 5. April 2018, 10:28

                    Nein, es kommt nur darauf an, wie die Frage gestellt wird. Insgesamt wählen ärmere Schichten eher demokratisch – reichere eher republikanisch. Das war in der Regel, wenn nicht sogar immer der Fall. Deshalb verstehe ich ja auch 2 Dinge nicht: a) wie man glauben kann, man reiche Sub-urbanites wären eine wichtige Zielgruppe für Demokraten und b) warum beim Bild des rassistischen Trump Wählers ständig arme/ärmere ([white] working class) Schichten sei es im Rust- oder Sun Belt bemüht werden, anstatt die reichen/wohlhabenden/sich bürgerlich gebenden „deplorables“ anzugreifen.

                    ABER die Frage von Wolf-Dieter war ja welche Rolle die Ökonomie gespielt hat und dafür muss ich auf Wähler-Wanderungen schauen und zwar einmal von D zu R/I, aber auch von D zu Nichtwähler. Und genau hier wird ziemlich deutlich, dass die ökonomischen Fragen entscheidend waren.

                    Es geht nicht darum, dass die demokratische Partei nur noch „Eliten“ gewinnt, auch tuen sich weiße Wähler wesentlich einfacher damit die demokratische Partei aufzugeben, gerade jetzt wo die Republikaner sich in eine Rechtsextreme gewandelt haben und überall an der Macht sind (was das politische Können einer Garde in Frage stellen sollte die immer so tut als hätte sie Ahnung von Politik obwohl sie für 1000 Niederlagen inklusive dem Verlust der Präsidentschaft gegen den am Wahltag unbeliebtesten Politiker aller Zeiten verantwortlich zeichnet). Jedoch auch unter schwarzen Wählern, insbesondere Millennials gibt es einen Trend die Partei aus ökonomischen Gründen nicht mehr zu wählen. Aber es geht darum, dass die demokratische Partei erkennen muss, dass die strategische Überlegenheit unter jungen Wählern, nicht-weißen Wählern und ärmeren Wählern zu einer Verpflichtung führt genau diesen Schichten Angebote zu machen – und da reichere Wähler offensichtlich sogar eher Trump als eine besonnene Zentristin vom Schlage Hillary Clinton wählen, sind Versuche genau diese Schichten anzusprechen und dadurch ein wegbrechen / nicht-wählen der von mir oben beschriebenen Schichten zu riskieren jedes Mal zum Scheitern verurteilt.

                    „Key Findings: Persuadable and Drop-off voters

                    A key commonality between turnout voters and Obama-Trump voters is that they are struggling economically.
                    • Clinton and Democrats’ economic message did not break through to drop-off or Obama-Trump voters, even though drop-off voters are decidedly anti-Trump.
                    • Drop-off voters already believe that Trump’s policies will benefit the wealthy over other groups, but there is more work to be done to convince Obama-Trump voters that this is the case.
                    • Ensuring corporations pay their fair share of taxes, modernizing infrastructure, and increasing the development of renewable energy are seen as economically beneficial by both groups.
                    Health care is a critical motivator for both Democratic drop-off voters and persuadable Trump voters.
                    • Both groups identify cuts to Medicare, Medicaid, and other healthcare programs as policies that would have a very bad effect on them personally.
                    • Among drop-off voters, items related to health care (increasing costs for seniors, cutting important programs, and millions of Americans losing coverage) are frequently rated as very major concerns.“
                    (Quelle: Priorities USA [Bill Burton ist im Übrigen wohl aller Bernie/Warren Flügel Anhängerschaft unverdächtig … just-in-case], „Post-Election Research: Persuadable and Drop-off Voters“ 04/17 – vollständig hier(für WaPo gilt das Gleiche wie für Bill Burton, denke ich doch) gehostet : https://www.washingtonpost.com/r/2010-2019/WashingtonPost/2017/05/01/Editorial-Opinion/Graphics/Post-election_Research_Deck.pdf)

                    • Stefan Sasse 5. April 2018, 14:32

                      Das kann ich dir beantworten: das sind die Wähler, die die Democrats gerne hätten. Die sind keine working-class-Partei, auch wenn ihre Politik für die working class besser ist als die der Republicans. Die Democrats sind eine Partei der Mittelschicht, und von der wollen sie gewählt werden.

                    • Floor Acita 6. April 2018, 11:39

                      also einfach zu ideologisch / nicht pragmatisch genug

                    • Stefan Sasse 6. April 2018, 16:23

                      Das ist letztlich ziemlich pragmatisch, denn die Unterschicht wählt halt nur wenig. Das war ja eine der Paradoxien, die die GOP 2012 erkannt hat: Latinos und Schwarze wählen die Democrats per default, nicht weil ihre policies für sie so geil wären. Es ist nur, dass der offene Rassismus der GOP verhindert, dass sie dahin gehen.
                      Ist ja in Deutschland mit Türken und CDU dasselbe. Vom kulturellen Hintergrund würde eine konservative Partei zu vielen Deutsch-Türken besser passen als die Grünen, aber da die Union darauf besteht dass sie nicht zu Deutschland gehören, bleibt wenig Alternative.

                    • Floor Acita 7. April 2018, 05:10

                      Aber dann ist die Schlussfolgerung eigentlich ziemlich klar. Der kurzfristiger politischer Turbulenzen trotzende demopgraphische Wandel ethnisch, der kulturelle Wandel / Generationenkonflikt der im Gegensatz zu Deutschland sich leicht verjüngenden amerikanischen Gesellschaft, die ökonomischen Realitäten durch Internet/Automatisierung/Globalisierung und eine eventuelle Beschleunigung durch die Digitalisierung, soziale Medien und ähnliche Effekte zum einen, Trump und „der linke backlash“ auf der anderen Seite / „wahl hype“ zum anderen, dann über was weniger gesprochen wird die Auswirkungen der New Economy im Sinne von Konflikten zwischen „traditionellen“ Strukturen und alternativen Banksystemen (kleinste Relevanz), „gig economy“, social media, technology leader wie Google, Facebook, Twitter im Sinne von unterschiedlichen Interessengruppen, deren Netzwerke und gegenseitiger Abhängigkeiten. Wir haben diese Konflikte beim Thema net neutrality aber auch den großen Handelsabkommen, insbesondere dem Fall von Acta gesehen. Viele bisherige „outsider“ politicians und ich meine damit nicht nur „Politiker“ im engeren Sinn, sondern auch damit verbundene Interessengruppen, consultants, advisers, „vendors“, etc. Werbeagenturen … sind in komplizierten Netzen untereinander und mit diesen Interessen verbunden und stehen oft in gegenseitigem Abhängigkeits/mutual benefit Verhältnis – das schließt wachsende online News Organisationen ein. Ein weiterer Aspekt sind die Veränderungen der Wahlkämpfe selbst, fallende Kosten, bessere und unabhängigere Finanzierungsmöglichkeiten neben dem was ich davor gesagt habe, Generation social networking – Wahlhelfer, „online army“, digital field teams, Infoketten, online fundraising. Und jetzt nehm all diese Faktoren zusammen und nicht nur Trump, Corbyn, die Existenz der AfD sowie der LINKEn sondern auch das generelle Wissen, dass die (gefühlte) Nicht-Repräsentation von Bevölkerungsgruppen entweder in neuen Parteien oder eben Koalitionen mündet mit spezieller Ausformung in first-past-the-post Systemen und es sllte klar sein von welcher Schlussfolgerung ich rede.

                      Wir werden eventuell nicht einer Meinung sein was das Ausmaß angeht und auch nicht über die generell politischen oder gar real-politischen Folgen (wobei ich annehme dass Du im Falle das ich bei a) richtig liege zumindest hoffst das könnte auch auf b) zutreffen) – aber unabhängig davon scheint es fast unvermeidbar: (Zumindest Teile der) jetzigen demokratischen Parteistruktur werden über die nächsten 3 Jahre von einer de-facto neuen Partei(struktur) übernommen werden, denn das ist die einzige Möglichkeit wie sich vor allem -und Deine letzte Antwort hat das nochmal deutlich gemacht- die gerade nicht-weiße Arbeiterklasse Gehör verschaffen kann.

                • bevanite 3. April 2018, 21:08

                  Guckst Du u.a. hier:
                  https://edition.cnn.com/election/2016/results/exit-polls/national/president

                  Und dann runterscrollen zu „Income“.

                  Die Tendenz war, was das sozioökonomische Wahlverhalten betraf, also nicht viel anders als 2004, 2008 oder 2012. Es gibt immer das Missverstaendnis, Amerikaner würden eher nach der Person als nach der Partei gehen, aber tatsaechlich gibt es sehr, sehr viele Waehler, für die die Parteizugehörigkeit am wichtigsten ist. Ein evanglikaler Bible Belter aus Mississippi würde auch für einen Hund stimmen, solange er als Republikaner kandidiert. Gleiches gilt für einen Mindestslohnarbeiter aus West L.A. oder eine unterbezahlte Call Center-Agentin/Künstlerin aus Portland, Oregon bezüglich der Demokraten. Und die praktische Politik der Republikaner war und ist in erster Linie auf Wohlhabende ausgerichtet, weswegen diese mehrheitlich auch für einen der ihren – Trump – stimmten.

  • Patrick 2. April 2018, 20:06

    Neben den Wahlbezirken (und russischer Hilfe mit unklarer Effektivität) fehlt mir noch, dass die US-Medienlandschaft immer noch auf Bothsiderism setzt und ihre Fehler bei der letzten Wahl nicht aufgearbeitet hat. Wenn einerseits Fox News und Sinclair und Breitbart usw voll Propaganda fahren und andererseits aber auch CNN, NY Times usw wie in luftleeren Raum berichten (und gerne Mal zwischendurch wieder was über Hillary bringen), ist es auch schwer für Democrats, eine klare Botschaft zu bringen. Davon ab, dass das auch nicht gerade die Stärke ist, siehe CSU und SPD, wenn es um Framing geht.

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