Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.
Fundstücke
1) Verlernen wir die Demokratie?
Der Artikel beleuchtet die Herausforderungen der liberalen Demokratie angesichts des Aufstiegs populistischer Bewegungen und die Bedeutung der Einhegung des Volkswillens durch Gesetze und Werte. Während demokratische Entscheidungen grundsätzlich die Macht des Volkes widerspiegeln, wird hervorgehoben, dass eine liberale Demokratie mehr erfordert als nur Mehrheitsentscheidungen: Sie ist an universelle Werte wie die Menschenwürde und den Rechtsstaat gebunden, die nicht zur Disposition stehen. Die Krise der liberalen Demokratie wird weniger durch ungelöste Probleme wie Ungleichheit, Klimawandel oder Migration ausgelöst, sondern durch das Erodieren des Nachkriegskonsenses, der einst die Grundordnung trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten schützte. Populisten bieten scheinbare Lösungen, doch ihre Regierungsbilanzen – etwa bei Berlusconi, Johnson oder Trump – entlarven oft Gestaltungsillusionen. Der Artikel mahnt, dass die Demokratie nicht nur Probleme lösen, sondern auch als System legitim bleiben muss. Ernst-Wolfgang Böckenfördes Überlegung, dass der freiheitliche Staat von Voraussetzungen lebt, die er nicht garantieren kann, wird als zentral angesehen. Die liberale Demokratie benötigt eine innere Haltung und den Willen der Bürger, sie um ihrer selbst willen zu bewahren. (Mark Schieritz, ZEIT)
Wieder ein Artikel, der mich etwas ratlos zurücklässt. Ich teile die Analyse vollkommen. Ja, die Wählenden haben Verantwortung, ja, offensichtlich ist die Notwendigkeit von Kompromiss und Interessenausgleich vielen nicht einsichtig und so weiter. Nur, was folgt daraus? Diese Art von Analysen sieht immer ziemlich ähnlich aus: Problem mit der Mentalität der Leute –> * —> weniger Rechts Wählende. Wie das Sternchen gefüllt werden soll, bleibt immer etwas unklar. Vor allem im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten (Abschalten des Internets gehört da sicher nicht dazu, um nur ein Beispiel zu nennen). Wir sehen dasselbe Thema im Fundstück 5 wieder auftauchen.
Der Artikel beleuchtet die Debatte um Bürokratieabbau in Deutschland, betont jedoch, dass Bürokratie oft zu Unrecht als Hauptschuldige für die kriselnde Konjunktur herangezogen wird. Statistiken zeigen, dass Bürokratiekosten in den letzten Jahren sogar gesunken sind, teils durch Digitalisierung und effizientere Verfahren. Dennoch wird Bürokratieabbau häufig von Politikern wie Christian Lindner als Synonym für Deregulierung verwendet, was oft zugunsten von Arbeitgebern und zulasten von Arbeitnehmern oder der Umwelt erfolgt. Der Text schlägt eine gezielte Reduzierung unnötiger Bürokratie und die Priorisierung wichtiger gesellschaftlicher Aufgaben wie Klimaschutz und Bildung vor. Dazu gehört ein umfassender 10-Punkte-Plan, der unter anderem Bagatellsteuern abschaffen, Steuerfreibeträge erhöhen und Fachkräfte effizient einsetzen will. Beispiele sind die Abschaffung von Kleinsteinnahmen wie der Kaffeesteuer oder eine Vereinfachung der Steuererklärung durch höhere Freibeträge. Zudem werden strukturelle Reformen vorgeschlagen, etwa die Vereinheitlichung der Krankenkassen, ein kostenloser öffentlicher Nahverkehr und Investitionen in das Handwerk und den öffentlichen Dienst. Der Plan zielt darauf ab, Ressourcen besser zu nutzen, den Fachkräftemangel zu bekämpfen und die Bürokratie gezielt zu entlasten, um wichtige gesellschaftliche Ziele effektiver zu erreichen. (Maurice Höfgen, Geld für die Welt)
Das ist ein verdammt merkwürdiger Artikel. Angeblich stellt Höfgen hier Möglichkeiten des Bürokratieabbaus vor, aber von seiner 10-Punkte-Liste ist der Großteil eigentlich nur eine Neuverpackung von linken Positionen. Vielleicht etwas unorthodox, aber das meiste davon hat mit Bürokratieabbau relativ wenig zu tun. Das unterscheidet ihn natürlich nicht von seinen Gegnern im bürgerlichen Lager, aber wenn man in seiner Bürokratieabbau-Liste die Einführung der Bürgerversicherung und das Anheben der Löhne im öffentlichen Dienst hat, hebe ich die Augenbraue, egal, wie sehr ich diese Policies vielleicht befürworte. Das ist eigentlich schade, weil einige von Höfgens Vorschlägen durchaus Sinn machen und auch massive Steuersenkungen mit sich bringen, die selbst die FDP toll finden sollte. Natürlich hört die Gemeinsamkeit spätestens beim MMT-inspirierten „fuck die Gegenfinanzierung“ auf, aber das liegt in der Natur der Sache.
3) The Gamergator rhetoric of historical accuracy has come back to bite Kingdom Come on the arse
Der Artikel setzt sich kritisch mit dem historischen Anspruch und den sozialen Kontroversen rund um das Spiel Kingdom Come: Deliverance 2 auseinander. Das Spiel wird als sorgfältige Rekonstruktion des mittelalterlichen Böhmens beworben, enthält jedoch viele genretypische, „spielmechanische“ Elemente, die den historischen Anspruch konterkarieren. Gleichzeitig wurden Darstellungen von Geschlecht und Ethnizität in der Vergangenheit kritisiert, insbesondere die Abwesenheit von nicht-weißen Personen und die stereotypisierte Darstellung von Frauen. Der Entwickler Daniel Vávra hat in der Vergangenheit vehement auf diese Kritiken reagiert, sich gegen progressive Ansätze gestellt und sich mit kontroversen Gruppen wie Gamergate solidarisiert. Diese Haltung hat Teile der Spielerschaft angezogen, die eine „authentische“ mittelalterliche Welt als Vorwand für kulturelle Reinheit sehen. Doch der zweite Teil führt Elemente ein, wie eine gleichgeschlechtliche Romanze und einen schwarzen Charakter, was bei einigen Fans empörte Reaktionen hervorruft. Der Artikel argumentiert, dass der Fokus auf „historische Authentizität“ oft reaktionär sei, da er eine einseitige, statische Sicht auf die Vergangenheit fördere. Stattdessen sollte Geschichte als interpretatives, dialogisches Projekt begriffen werden. Ironischerweise scheinen diese nuancierten Ansätze im Spiel selbst vorhanden zu sein, könnten jedoch durch den Streit um Authentizität und den Einfluss problematischer Fankreise unterdrückt werden. (
, Rock, Paper, Shotgun)
Ich muss sagen, ich kann mir die Schadenfreude auch nicht verkneifen. Vávras Argument, dass „Kingdome Come: Deliverance“ (was für ein sperriger Titel, by the way) einfach nur historisch so korrekt wie möglich sein wolle und deswegen dieses oder jenes nicht drin habe, war noch nie sonderlich glaubhaft. Es war schon damals eine dünne Schicht über seinem Weltbild, das er eben auf das Spiel packen wollte. Und das kann er ja machen. Aber dann doch bitte ehrlich. Das Team von Assassin’s Creed packt ja auch immer einen Disclaimer vor das Spiel. Vávras Mission ist auch, selbst wenn sie ehrlich gemeint wäre, einfach unmöglich. Einerseits können wir nicht wissen, wie die Geschichte „wirklich“ war, wir interpretieren sie immer. Andererseits könnten wir selbst dann kein objektives Bild wiedergeben, weil wir stets auswählen müssen, was wir darstellen und womit man wie interagieren kann. Jede dieser Festlegungen ist eine Entscheidung. Und jede dieser Entscheidungen, ob bewusst oder unterbewusst, hat Folgen.
4) Deutsches Mafia-Brettspiel sorgt in Italien für Kritik
Das Brettspiel La Famiglia – The Great Mafia War sorgt in Italien für heftige Kritik, da es die Mafia als zentrales Thema behandelt. Spieler übernehmen die Kontrolle über rivalisierende Mafiafamilien, errichten Drogenlabore und setzen Kämpfer sowie Bomben ein, um Regionen zu dominieren. Das Spiel basiert auf den Mafiakriegen der 1980er-Jahre und wurde 2024 veröffentlicht. Trotz seines Erfolgs – es gewann den Kritikerpreis Goldenes Ass – wird ihm vorgeworfen, das Leid und die Opfer der Mafia zu verharmlosen. Maria Falcone, Schwester des ermordeten Richters Giovanni Falcone, kritisierte das Spiel scharf. Sie betonte, dass die Mafia Sizilien Tod und Zerstörung gebracht habe, und nannte das Spiel eine Beleidigung des Andenkens an jene, die gegen die Mafia kämpften. Auch der Regionalpolitiker Alessandro Di Leo forderte ein Verkaufsverbot, da das Spiel Werkzeuge wie Autobomben trivialisieren würde. Der Autor Maximilian Maria Thiel verteidigt das Spiel als abstrakt und distanziert vom realen Leid. Dennoch löst die Thematik kontroverse Diskussionen über moralische Grenzen in der Darstellung von organisiertem Verbrechen aus. (Spiegel)
Es ist immer wieder faszinierend, wie solche Stürme im Wasserglas entstehen. Irgendwie hat eine 88jährige Rentnerin in Sizilien von einem nischigen Eurogame gehört und einen Rappel bekommen, und in der globalisierten Nachrichtenwelt schafft es das bis in den Spiegel. Abgesehen von diesem Kuriosum ist auch der Stein des Anstoßes irgendwie merkwürdig: es gibt eine ganze Tonne von Mafiaspielen, die üblicherweise noch viel expliziter die Gewalt in den Vordergrund stellen. Aber dann spielen die natürlich üblicherweise in New York und nicht in Sizilien. Und wen interessiert Gewalt in New York?
Das Thema selbst ist in der Brettspielszene nicht neu und trifft gerade die deutschen Eurogames immer wieder. Das verwundert nicht, die sind da auch völlig unsensibel und der Überzeugung, dass sie komplett unpolitisch sind. Das war schon so, als Puerto Rico in der Post-Kolonialismus-Debatte gelandet ist (zusammen mit, am Rande, Siedler von Catan). There is no such thing as a unpolitisches Spiel. Das hatten wir ja gerade in Fundstück 3 auch. Im Übrigen ist die Argumentation des Designers, dass man ja extra Holzklötze nutze, um die Gewalt zu verstecken, ein Fall von „wenn du im Loch sitzt, hör auf zu graben“: mit dem Argument könnte ich ein Brettspiel machen, bei dem man möglichst effizient Züge nach Auschwitz schicken muss, solange wir eben gelbe Klötzchen auf die Reise schicken. Aber auch die Diskussion ist nicht neu: das wesentlich sensiblere „The Underground Railroad“ musste sich angesichts seiner Klötzchenfizierung der Sklaven Kritik gefallen lassen. Manchmal ist die valide, manchmal nicht, aber deswegen führen wie solche Diskussionen ja.
5) Aufstieg der Rechten: Fragmentierung statt Globalisierung
Der globale Rechtstrend zeigt sich nicht nur in Wahlerfolgen rechter Parteien, sondern auch in der Radikalisierung wirtschaftlicher und politischer Strategien. Sebastian Friedrich betont, dass diese Entwicklung weniger auf Armut oder ökonomische Notlagen zurückzuführen sei, sondern auf die verschärfte Konkurrenz um globale Macht und Ressourcen. Regierungen in reichen Nationen deuten die Bedrohung ihrer Wettbewerbsfähigkeit als existenziell und reagieren mit nationalistischen Maßnahmen wie Zöllen, Sanktionen und Leistungsdruck nach innen. Im Zentrum steht ein ökonomisches Gemeinschaftsbild, das Klassengegensätze ignoriert und die Bevölkerung zu einem „Dienst am Standort“ verpflichtet. Sowohl Rechte als auch die politische Mitte propagieren Arbeit und Verzicht als Lösung. Gleichzeitig werden Migrantinnen und Sozialleistungsempfängerinnen strenger nach ihrer Nützlichkeit beurteilt. Die gesellschaftliche Linke plädiert für eine antifaschistische Wirtschaftspolitik, die soziale Absicherung und öffentliche Daseinsvorsorge priorisiert. Doch diese Ansätze stehen im Widerspruch zu den nationalistischen und marktradikalen Programmen der Mitte und Rechten. Der Rechtstrend, so Friedrich, basiert auf der Akzeptanz dieses Wirtschaftsbildes durch die Bevölkerung, die ihre persönlichen Nöte mit den Standortproblemen ihrer Nation identifiziert. (Stephan Kaufmann, Neues Deutschland)
Ich halte es für absolut zutreffend, dass die meisten Analysen des Aufstiegs der Rechten die ökonomische Dimension sträflich vernachlässigen, vor allem die Frage weltweiter Konkurrenz und den wahrgenommenen relativen Statusverlust der eigenen Nation. Auch in der Erkenntnis, dass die Rechtsverschiebung kein exogener, sondern ein endogener Faktor der bürgerlichen Mitte ist, trifft den Nagel auf den Kopf. Wo mich Kaufmann aber verliert ist der Abschwung in die marxistische Theorie, wo Klassenkämpfe und das andere klassisch linke Vokabular um die Ecke kommen. Ich kann damit nicht viel anfangen und halte es für nicht sonderlich erklärungsstark. Aber jeder Versuch einer Begründung des Rechtstrends, der ohne die ökonomische Lage (steigende Ungleichheit, Statusverlust, Zukunftsangst, Inflation) auskommt ist genauso wenig tragfähig wie jeder, der die Migrationsfrage wegzudiskutieren versucht. Mir fehlt weiterhin eine Synthese zwischen den verschiedenen Ansätzen; jeder scheint auf seinem eigenen Auge blind zu sein.
Resterampe
a) You’re Being Alienated From Your Own Attention (The Atlantic). Weiß noch nicht ob ich das Buch lesen will, aber Chris Hayes ist eigentlich immer die Lektüre wert…
b) Gute Nachrichten aus Tübingen. (Spiegel)
c) Migration: Gewerkschaft der Polizei hält Merz-Pläne für neue Grenzkontollen nicht umsetzbar (Spiegel). Natürlich nicht, aber das weiß Merz auch. Rechtlich wahrscheinlich nicht möglich, teilweise verfassungswidrig, umsetzbar auch nicht. Aber Hauptsache Krach gemacht.
d) The Oscars Have Left the Mainstream Moviegoer Behind (The Atlantic). Sorry, aber die Oscars und die average moviegoer experience haben nur wenig mehr miteinander zu tun als die Spiegel Bestsellerliste und der Literaturnobelpreis.
Fertiggestellt am 26.01.2025
Zu 3)
Für einen historisch Vorgebildeten ist Deine Stellungnahme, sagen wir, merkwürdig?
… nur historisch so korrekt wie möglich sein wolle und deswegen dieses oder jenes nicht drin habe, war noch nie sonderlich glaubhaft.
Einerseits können wir nicht wissen, wie die Geschichte „wirklich“ war, wir interpretieren sie immer.
Fürt die im Artikel angesprochenen Themen absolut irrelevant. Frauen hatten im öffentlichen Raum überwiegend nichts zu sagen und Schwarze in Europa konnte man mit der Lupe suchen. Beides sind bekannte Fakten, da muss nichts „interpretiert“ werden.
Gruss,
Thorsten Haupts
Das ist mit dieser Absolutheit so nicht zu sagen. Und die Debatte seitens der Gamergate-Leute entzündet sich ja an einem historisch 100% verbürgten Fall, ist also super relevant.
Tschuldigung, aber die Kritik am Entwickler war:
Gleichzeitig wurden Darstellungen von Geschlecht und Ethnizität in der Vergangenheit kritisiert, insbesondere die Abwesenheit von nicht-weißen Personen und die stereotypisierte Darstellung von Frauen.
Und beides ist für die Zeit in Europa weitgehend korrekt, also kein Grund für seriöse Kritik! Bin ziemlich froh darüber, dass in den meisten meiner Spielenischen Wokies keine Aktien haben und sich nicht lautstark über die Abwesenheit non-binärer Farbiger in einer Untotenarmee empören.
Gruss,
Thorsten Haupts
Das dreht sich im Kreis, es gab Regelfälle und es gab Ausnahmen. Über letztere lassen sich interessante Geschichten erzählen. Reiche und mächtige Frauen des Mittelalters sind ein wiederkehrendes Literaturmotiv und was nicht-weiße Personen betrifft, so hat Ubisoft für sein neuestes Assassins Creed den einzigen schwarzen Samurai zu finden. All das kann man auch als historisch richtig sehen. Das abgrundtief Dumme an dem Ganzen ist nur, wenn jemand anderen eine thematische Auswahl vorschreibt.
P.S: Untote sind grundsätzlich nichtbinär (auf der Leben-Tot-Achse) und viele sind farbig (grün, blassblau, tiefschwarz).
Ich kriege auch keine Krise, wenn in einem Spiel Figuren auftauchen, die da historisch nicht hingehören oder historisch extrem selten waren. Mir wurscht.
Aber diejenigen, die sich trotz nie/extrem selten über die Abwesenheit von queeren, weiblichen Hauptleuten in der venezianischen Armee des 12. Jahrhunderts aufregen, nehme ich weder ernst, noch ist ihre Kritik auch nur ansatzweise seriös. Genau solche Leute haben gamergate erst so richtig entzündet.
Gruss,
Thorsten Haupts
Welche Expertise hat denn der Thorsten Haupts, um eine Darstellung des mittelalterlichen Alltags als «Authentisch» qualifizieren zu können? Seine Vorurteile, mehr ist da nicht.
Weitestgehend, genau. Weitestgehend ist nicht „alle“.
Nö, aber mehr als hinreichend, um Beschwerden als unseriös zu qualifizieren.
Will aber wirklich niemanden daran hindern, weiter Spiele oder Spielehersteller zu beschimpfen, wenn unter deren Spielfiguren keine Frauen in Führungsrollen oder „queere“ oder nichtweisse (in anderen Settings: nichtgelbe) Menschen auftauchen. Am besten in den Spielforen der jeweiligen Spiele, so gewinnt man Gleichgesinnte und Verbündete.
Gruss,
Thorsten Haupts
Zu 4)There is no such thing as a unpolitisches Spiel.
Genau. Alles ist politisch, der alte Schlachtruf der Linken aus den sechzigern lässt Grüssen. Ich merke nur höflich an, dass die Dauerpolitisierung legalen privaten Verhaltens und privater Vergnügungen das ihre dazu beigetragen hat, den Aufstieg des Rechtspopulismus zu befeuern. Nach meiner anekdotischen Lebenserfahrung sind die Leute, die alles politisieren, seltenst angenehme Gefährten.
Gruss,
Thorsten Haupts
1) ich war gestern ohne aktive Teilnahme ausser Frage eintippen per video-Konferenz Software in einer Veranstaltung der Lateinamerikawoche Nürnberg zum Thema „Wasser“. Wie immer sind dann diese Soli-Aktivisten, die lustvoll über Aktivitäten gegen Unternehmen referieren.
„Über UNO ist nicht so erfolgsversprechend, aber wenn ein deutsches Unternehmen beteiligt ist, gibts ja das Lieferkettengesetz.“
Es geht mir in dieser Einseitigkeit wirklich zu weit.
Wenn ich darauf hinweise, dass die Minengesellschaften eine Vorreiterrolle in der Nutzung von Meerwasserentsalzung mit dort sehr billiger Solarenergie spielen und dass es nun in der Region Coquimbo ein staatliches Projekt mit 200 Millionen USD Finanzierung zur Versorgung der Bevölkerung mit entsalzenem Meerwasser gibt, trifft das auf Unverständnis.
Bürgerengagement scheint besser gegen ein Feinbild als für etwas zu funktionieren.
Gleichzeitig kam die positive Nachricht des Tages mal wieder aus China. Ein startup namens DeepSeek scheint es geschafft zu haben, ein KI-Modell mit einer dramatisch verringerten Rechenleistung zu trainieren.
1) Verlernen wir die Demokratie?
Ich verstehe die Frage nicht. Wer sich mit einer gewissen unvoreingenommenen Neugier und bewaffnet mit Erinnerungsvermögen an Abläufe der jüngeren Geschichte der Frage nähert, wird Erklärungen finden. Menschen, schon gar nicht auf Dauer und in Millionen, verhält sich irrational. Demokratie ist auch kein Selbstzweck. Demokratie ist ein System um gesellschaftliche und politische Entscheidungen zu treffen. Die Betonung liegt auf Entscheidungen zu Lösung von Problemen. Wenn dies nicht mehr funktioniert, erledigt sich die Demokratie. Parteien, die sich der Entscheidungsfindung mittels Mehrheitsvotum verweigern, legen die Axt an das demokratische Prinzip.
Lassen wir die besondere Situation in Ostdeutschland außer Betrachtung, so erfolgte der erste sichtbare Konsensbruch nach meiner Beobachtung im Zuge der Euro- und Staatsfinanzkrise. Die Frage der Hilfszahlungen an notleidende EU-Partnerländer wurde nicht nur in der Gesellschaft kontrovers diskutiert, sie berührt auch die Prinzipien des Staates. In Umfragen zeigte eine Zweidrittelmehrheit die Ablehnung der Schritt für Schritt eingeführten Hilfsmaßnahmen.
Im Parlament, den repräsentativ gewählten Vertretern des Souveräns, war von diesen Stimmungsverhältnissen in der Bevölkerung nichts zu sehen. Zwischen 70 und 80 Prozent der Abgeordneten standen überzeugt hinter der Politik der Bundeskanzlerin. Die einzige echte Opposition waren ein paar versprengte Unionsabgeordneten und bei der FDP, befand sich also in der Regierung. Ein solcher Zustand ist schon demokratietheoretisch nicht ideal. Danach sollte es bei hoch strittigen gesellschaftlichen Fragen eine starke parlamentarische Opposition geben, die Kritik bis hin zur Ablehnung artikuliert und bereit steht, ggf. eine veränderte Politik umzusetzen.
Wenig überraschend formierte sich als Ersatz für das parlamentarische Versagen eine außerparlamentarische Opposition, die mit der AfD 2013 nur knapp, aus heutiger Sicht eher leider, den Einzug in den Bundestag verfehlte. Zusätzlich flog auch noch die ebenfalls kritische FDP aus den Sitzen. Der Bodenhaftung der verbliebenen Parlamentarier war der Ausschluss der EU-Kritiker nicht dienlich.
Beim nächsten großen Streitthema Migration, das die Bundeskanzlerin selbst mit ihrer Politik befeuert hatte, verzichtete Angela Merkel gleich ganz auf die Beteiligung der Repräsentanten des Souveräns. Keiner ihrer politischen Maßnahmen in den Herbst- und Wintermonaten 2015 wurden im Bundestag besprochen oder gar entschieden. Die Quittung kam 2017, als die aggressive AfD mit 16 Prozent und die FDP mit 11 Prozent gewählt wurden. Diese dramatische Veränderung der Zusammensetzung im Parlament und ihren eigenen Machtverlust kommentierte Merkel, sie sehe keinen Fehler.
So wurde weiter regiert. In der nächsten Legislaturperiode stellte die Pandemie die Politik vor extreme Herausforderungen und wieder kümmerte sich Merkel weder um die Stimmung in der Gesellschaft noch überließ sie nur formal dem Bundestag die Gesetzgebung. Es war das Bundesverfassungsgericht, welches die Abgeordneten zur Wahrnehmung ihrer ureigensten Aufgaben zwang und herausstrich, dass freiheitsbeschränkende Maßnahmen nur vom Bundestag beschlossen werden könnten.
Die Regierung Scholz setzte diese Politik, sich nicht um Stimmungen in der Bevölkerung zu kümmern, fort. Gefühlt hatte kaum keine der im öffentlichen Diskurs erwogenen Gesetzesmaßnahmen eine Mehrheit in der Bevölkerung. Im jetzigen Wahlkampf spitzt sich die Wählerverachtung zumindest von den linken Parteien zu. Nach einer, die Gesellschaft aufwühlenden Terrortat eines illegalen Migranten in Aschaffenburg organisierten SPD und Grüne nicht etwa Trauermärsche, sondern Happy-ins „gegen Rechts“. Gleichzeitig kündigte der Oppositionsführer an, schärfere Maßnahmen gegen illegale Migration im Bundestag zur Abstimmung zu stellen, die in der Bevölkerung von einer saftigen Zweidrittelmehrheit getragen und von nicht einmal jedem Fünften abgelehnt werden.
Es ist leicht absehbar, wie das ausgehen wird. In Italien führten die Sozialdemokraten 2022 unter Enrico Letta einen ähnlichen Wahlkampf und konzentrierten sich auf ein vermeintlich aufgeklärtes Bürgertum. Die Wahlniederlage war vernichtend und rechtspopulistische Meloni wurde Ministerpräsidentin. Auch im vergangenen Jahr versuchten es SPD und Grüne mit einem Wahlkampf „gegen Rechts“ und erlitten dramatische Wahlniederlagen.
Die Prognose ist nicht gewagt, dass ihnen nun das gleiche Schicksal in ein paar Wochen droht. So ist Demokratie. Wer Entscheidungen verweigert, hat am Ende keine Chance. Das ist ein Beleg, dass die Demokratie funktioniert, nicht ihrer Dysfunktionalität.
Parteien, die sich der Entscheidungsfindung mittels Mehrheitsvotum verweigern, legen die Axt an das demokratische Prinzip
Dieses Argument kann ich nicht teilen, denn es liefe auf eine Vulgär-Demokratie hinaus, in dem der Wille der Mehrheit immer 1:1 umgesetzt werden müsste. Die Mehrheit der Deutschen ist für die höhere Besteuerung von Millionären. Die Mehrheit der Deutschen will eine Aufweichung der Schuldenbremse. Legen FDP oder CDU, weil sie das nicht unterstützen die Axt an die Demokratie? Nein, wir wählen Repräsentanten die sich dann in Regierungen zusammenfinden. Wenn wir mit der Regierung unzufrieden sind, dann wird diese abgewählt.
Ich erwarte von meiner Regierung, dass sie gerade nicht unterkomplex dem Volkswillen hinterherläuft, sondern ringt, gestaltet und kommuniziert. Man darf auch annehmen, dass die Regierenden einen Informationsvorsprung haben, vor dem Wähler, den Journalisten und daher Entscheidungen treffen, die für den nicht eingeweihten dann unverständlich ist. Unterlässt sie dann aber das Kommunizieren, stellen sich die Störgefühle ein.
Die Entscheidende Schwäche von Merkel in Sachen Migration war nicht, dass diese Entscheidung getroffen hat – der wesentliche Fehler war, mit „wir schaffen das“ zu glauben, man habe sämtliche Kommunikation zu dem Thema erledigt. Hinzu kam der Mangel des Willens zur Gestaltung dieser Mammutaufgabe und ein Aussitzen der Probleme, die uns buchstäblich über den Kopf gewachsen sind.
Was den Verdruss angeht. Ich sehe da zwei Ursachen: Zunächst die Problematik, dass die Politik für Probleme keine Lösungen schafft, bzw. diese Lösungen sehr lange brauchen und die Komplexität der Probleme nicht gut kommuniziert wird. Stattdessen flüchtet man sich auf Nebenkriegschauplätze, die sich emotional gut bespielen lassen und priorisiert echte Probleme runter und hält sich mit Kleinkram auf.
Zweitens: Verantwortungsdiffusion: Da laut unserer Verfassung für viele große Entscheidungen Bundesrat und Bundestag gemeinsam entscheiden müssen, sind dann doch irgendwie alle demokratischen Parteien an den Entscheidungen beteiligt. Jedoch führen die dann mediale Bauerntheater auf, um dem Eindruck zu entgehen und sorgen für Verwirrung. Ferner die Unart der Regierung Gesetzesvorhaben in der politischen Debatte sehr spät einzubringen, was den parlamentarischen Prozess behindert und schlechte Gesetze befördert und nicht zuletzt die Delegation kniffliger Fragen nach Karlsruhe und regelmäßige Schuldzuweisung nach Brüssel.
Was folgt daraus:
Wir können uns das Wahlergebnis nicht aussuchen, insofern ist es sehr wahrscheinlich, dass kein Lager eine Kanzlermehrheit erringen wird. Statt aber wieder eine Koalition zu schmieden, die eigentlich nur ein Bündnis des kleinsten Nenners ist sollte die Union als voraussichtlicher Wahlgewinner eine Minderheitsregierung (ggf. mit der FDP) anstreben. Regieren wird anstrengender aber das Ringen um wechselnde Mehrheiten macht Politik wieder transparenter und trägt die Auseinandersetzung zurück in die Parlamente. So weit so gut, allerdings wo ich gerade sehr skeptisch bin ist die Rolle der AfD – defacto sind die ja aus der demokratischen Gleichung raus. Mehrheiten mit AfD (auch zufällig) dürfen nicht passieren. Wir sehen in der aktuellen Diskussion um den Migrationsentschließungsanstrag, dass beide Seiten hier sich nicht mit Ruhm bekleckern. Insofern setzt die Minderheitsregierung einen neuen paralemtarischen Umgang voraus, der erstmal erlernt werden muss. Wenn unsere Mitte Parlamentarier an dieser Aufgabe scheitern, dann wird es wirklich schwierig für unsere Demokratie.
Es ist schwer miteinander ins Gespräch zu kommen, wenn man die eigene Position mit sachlich falschen Argumenten untermauert.
Die Mehrheit der Deutschen ist für die höhere Besteuerung von Millionären. Die Mehrheit der Deutschen will eine Aufweichung der Schuldenbremse.
Das sind einfach die falschen Beispiele für das, worauf Sie hinauswollen. Die Mehrheit ist nicht für eine höhere Besteuerung, das sind die langen Linien. Die Mehrheit war 2020 auch für eine vollständige Abschaffung des Solis, also auch für die „Reichen“. Die Neidstrategien der Linken funktionieren halt nur für eine Minderheit. So lese ich auf einem Wahlplakat der Linken, „wenn Deine Wohnung durch den Klimawandel vollläuft, fahren die Reichen mit ihrer Yacht davon“. Auch die Schuldenbremse ist traditionell populär, egal, wie Demoskopen fragen. Tatsächlich kämpft eine Minderheit des Parlaments für ein Minderheitenthema und versucht, die Mehrheit mit moralischen Argumenten in die Defensive zu zwingen.
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/politbarometer-ampel-koalition-haushaltskrise-regierung-100.html
Daran ändert auch die Umfrage, auf die Sie sich beziehen, nichts:
https://dgap.org/de/forschung/publikationen/mehrheit-der-deutschen-unterstuetzt-aenderungen-der-schuldenbremse
Dabei wissen die meisten nicht, dass sich der Staat in den letzten Jahren weiter verschuldet hat. Und es ist nicht bekannt, dass die linken Parteien Steuererhöhungen wollen, um die Transfers auszuweiten.
So, jetzt zum Eigentlichen:
Jede Regierung erhält einen Vertrauensvorsprung. Dabei dürfen die Koalitionäre einigen Schabernack treiben, ohne dass ihre Zustimmung darunter leidet. So war die erste Aktion der Ampel die Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen – ein Thema, das immer nur eine kleine Minderheit umgetrieben hat, aber diese eben emotionalisiert. Wenn eine Regierung aber nur so Politik macht und das ignoriert, was die Bevölkerung umtreibt, wird es schwierig. Demokratieschädigend ist es dann gar, wenn politische und gesellschaftliche Minderheiten versuchen, durch moralische Aufladungen die Durchsetzung des Mehrheitswillens zu hindern. Den Klassiker erleben wir gerade.
Nein, wir wählen Repräsentanten die sich dann in Regierungen zusammenfinden. Wenn wir mit der Regierung unzufrieden sind, dann wird diese abgewählt.
Gerade das funktioniert ja nicht mehr. Es ist sicher, dass eine der „Versager“ auch Teil der nächsten Regierung sein wird. Parteipolitisch gibt es eine deutliche Mehrheit rechts der Mitte. Der Wähler sagt ganz klar, was er will. In den Kernfragen haben die Parteien CDU/CSU, AfD, FDP, Freie Wähler eine klare Mehrheit. Die sogenannte „Brandmauer“ sorgt dafür, dass die klar oppositionellen Sozialdemokraten, Grüne (und LINKE) eine Sperrminorität haben. Die Politik ist blockiert und das sorgt für Verdruss, weil Entscheidungen verunmöglicht werden.
Die Ampel hatte 3 1/2 Jahre Zeit das drängende Problem der illegalen Migration anzugehen. Über ein Jahr blockierten dabei die Grünen eine Maßnahme, welche die Koalitionäre als zentral für das Vorhaben beschrieben hatten, die Benennung eines Beauftragten. Alle anderen Positionen wurden schnell besetzt. Auf EU-Ebene verhinderte Deutschland lange eine Einigung bei einem niedrigschwelligen Aspekt und auch hier verzögerten die Grünen die Umsetzung. Und so geht es weiter. Die Regierung ist wie bei so vielem auch an dem Angehen (nicht dem Lösen) des Problems gescheitert. Für den Wähler ist kein Wille vorhanden. Deswegen über 20 Prozent für die AfD.
Ich bin politisch in den Achtziger- und Neunzigerjahren geprägt worden. Damals hatte der Bundesrat als zweite Kammer einen wesentlich größeren Einfluss auf die Gesetzesbildung des Bundes und war häufig klar oppositionell besetzt. Das gilt nicht mehr. Nein, die Regierung war nicht durch den Bundesrat in ihrer Politik gehindert. Aber auch hier spielten die Grünen als Blockierer eine unrühmliche Rolle.
Ich war bisher immer ablehnend Minderheitenregierungen gegenüber eingestellt. Doch die Argumente von Wolffsohn in der WELT haben mich beeindruckt. Ich bin gegen eine Koalition oder auch nur Zusammenarbeit mit der AfD, aber sie sind Teil des Parlaments und damit der Mehrheitsbildung. Was ist das für eine Einstellung, jedem fünften oder gar vierten Wähler zu sagen, seine Stimme würde genauso kaltgestellt als hätte er nicht abgestimmt oder seine Partei wäre unter der 5%-Hürde geblieben?! Welche gesellschaftlichen Gruppen dürfen dann überhaupt noch teilnehmen??
So weit so gut, allerdings wo ich gerade sehr skeptisch bin ist die Rolle der AfD – defacto sind die ja aus der demokratischen Gleichung raus. Mehrheiten mit AfD (auch zufällig) dürfen nicht passieren.
Wenn eine Minderheitsregierung einen Gesetzesentwurf einbringt, dann wird darüber abgestimmt. Und da gibt es keine Stimmen erster Klasse und Stimmen, die qua Herkunft nicht zählen.
Was ist das für eine Einstellung, jedem fünften oder gar vierten Wähler zu sagen, seine Stimme würde genauso kaltgestellt als hätte er nicht abgestimmt oder seine Partei wäre unter der 5%-Hürde geblieben?!
Ja, das ist ein Dilemma und die Grünen und SPD machen es sich hier zu einfach unter dem Argument Brandmauer Zumutungen für das eigene Klientel zu akzeptieren. Die Union würde eine aktive Zusammenarbeit mit der AfD zur Implosion bringen und spätestens 2029 wäre dann die AfD tatsächlich in einer Mehrheitsposition. Man kann eigentlich noch von Glück sagen, dass Weidel eben nicht die Finesse einer Meloni oder LePen besitzt, sonst wäre die AfD bereits viel weiter.
Ob sich Merz Antrag-Strategie auszahlt, werden wir Ende der Woche wissen. Ich persönlich kann es als Versuch den gordischen Knoten der Richtungswahl zu zerschlagen verstehen, aber es ist ein erhebliches Risiko, was er da eingeht.
Wir diskutieren ja darüber, warum sich die Bürger angeblich von der Demokratie abwenden (obwohl die Wahlbeteiligung steigt) und solche Parteien wie die AfD wählen.
Sie skizzieren es ja auch: Einerseits sagt auch Stefan, Wahlen sollen etwas bewirken. Und dann sagt man, es spielt keine Rolle, ob jeder Dritte in Thüringen eine Partei wählt, die Stimmen werden einfach neutralisiert und – schlimmer – die gegenteilige Politik des Gewollten gemacht.
Die große Mehrheit in den Demokratien hat Verständnis, dass politische Wünsche sich nicht 1:1 in Realpolitik übersetzen lässt. Da gibt es schon genügend demokratische Reife. Wenn die Mehrheitsmeinung aber ist, wir wollen Migration nur von solchen, die ein wirkliches Hilfeanliegen nebst Wohlverhalten haben oder sicher integrierbar sind und die Politik sorgt dafür, dass (so auch das Wahlprogramm der Grünen von 2021) jeder Einlass bekommt und bleiben kann, dann fühlen die meisten ihre Stimme missbraucht. Und ich würde sagen: Zu Recht!
Egal ob in Dänemark, Schweden, Spanien: Die Stimmanteile populistischer Parteien gingen immer zurück, wenn Konservative oder Sozialdemokraten die Top-Anliegen der Wähler zu ihrem Thema machten und ihre Politik anpassten. Wenn behauptet wird, die Leute würden im Zweifel das Original wählen, so stimmt das nicht. Beispiel 2021: Die SPD warb offensiv für einen Mindestlohn von 12 Euro, die LINKE setzte einen drauf und bot 13 Euro. Das Ergebnis ist bekannt: Die SPD schaffte es ins Kanzleramt, die LINKE wurde aus dem Bundestag gewählt.
Ob Merz Strategie funktioniert, wird die Bundestagswahl zeigen. Und ja, er geht All-in. Die Wähler wissen nun, dass die Union notfalls mit den Stimmen der AfD ein Gesetz durchbringen will. Und sie wissen, dass die Union sich notfalls einer Koalitionsbildung verweigern wird, wenn der (kleinere) Koalitionspartner nicht auf Unionslinie in der Migrationspolitik einschwenkt.
All das könnte gemäßigte Wähler abschrecken. Allerdings zeigen die Umfragen das Gegenteil. Eine Mehrheit von CDU- über FDP bis hin zu Grünen Sympathisanten befürwortet dies. Wenn ich jetzt einen Tipp abgeben sollte, gehe ich davon aus, dass das Manöver die Union deutlich über 30 Prozent tragen wird (33-35 Prozent) und die AfD bei 20 Prozent abbremsen. SPD und Grüne werden eher eingehegt. Angesichts der Reaktionen von Bundeskanzler und Parteispitze wird die SPD kaum über 15 Prozent kommen, die Grünen bei 12 Prozent.
Diese aktuellen Zahlen sprechen nicht für diese Sichtweise:
https://www.n-tv.de/politik/Union-rutscht-nach-Asyl-Vorstoss-ab-AfD-legt-zu-article25520403.html
Doch eher das Original. Und die Gemäßigten bleiben weg.
Nun, Demoskopen kalkulieren meines Wissens mit einem ein- bis zweiwöchigen Versatz, bis sich die Wirkung eines Ereignisse in den Umfragewerten abbildet. SPRINGER hatte am Sonntag gegenteilige Zahlen gehabt, dort legten Union und AfD zu.
Eigentlich hat die politische Linke kein Risiko. Das liegt voll bei der Union. Sinkt die CDU weiter – und selbst auf Kosten der AfD, steigt der zukünftige Einfluss des linken Koalitionspartners in spe. Allerdings, ist das Manöver erfolgreich, tritt genau das Gegenteil ein. Dann erleben SPD und Grüne nicht nur eine desaströse Wahlniederlage, sondern die jahrelange Strategie, trotz Minderheit die Regierungspolitik maßgeblich steuern zu können, wäre perdu. Genau deswegen wird so gezetert, denn bisher hat der Aufstieg der AfD den Einfluss gerade der Grünen gemehrt.
Sie können ja einsteigen, ich habe meine Prognose genannt. Wenn Sie von Ihrer Einschätzung überzeugt sind, der Wetteinsatz beträgt 1 Flasche argentinischen oder chilenischen Rotweins.
In dieser Situation ist mir nicht nach Wetten. Das ist kein Spiel.
Der FORSA-Chef teilt meine Bedenken:
„Wenn Friedrich Merz billigend in Kauf nimmt, dass die AfD seinen Anträgen zustimmt und damit auch mitentscheiden kann, dann entsteht zumindest der Eindruck einer Aufwertung der AfD durch die CDU. Für die Union ist das fatal.“
https://www.n-tv.de/politik/Forsa-Chef-Matuschek-im-Interview-Fuer-die-Union-ist-das-was-Merz-macht-fatal-article25521390.html
Vielleicht sollten Sie sich bewusst machen, dass Sie Null Einfluss auf das Ergebnis haben.
Wissen Sie, ich bin durch meine Karriere trainiert, in meine Einschätzungen nach Möglichkeit nicht meine persönlichen Wünsche einfließen zu lassen. Gerade heute wurde ich detailliert um mein fachmännisches Statement in einer existenziellen Frage gebeten. Unter solchem Druck muss man sich die eigenen Wünsche beiseiteschieben.
In solchen Diskussionen habe ich manchmal zu sehr den Eindruck, dass der Wunsch Vater des Gedankens ist und nicht die distanzierte Bewertung. Eine Wette belegt die eigene Position mit einem Preis. Für Merz ist der Preis ungleich höher. Er kann sich Ihren Luxus nicht leisten. Das sollten Sie sich bewusst machen.
Die heutige Umfrage von Forsa hat für starken Wirbel gesorgt, da sie im Kontrast zu den Daten anderer Institute und detaillierten Befragungen steht. Das kommt manchmal vor. Schon bald wird sich zeigen, ob Forsa die Einschätzung exklusiv hat oder nur schneller ist. Und in Dreieinhalb Wochen wissen wir es genau. Auf jeden Fall liegt auf Ihnen nicht die Last des CDU-Chefs.
@Stefan Pietsch 28. Januar 2025, 22:01
Vielleicht sollten Sie sich bewusst machen, dass Sie Null Einfluss auf das Ergebnis haben.
…
In solchen Diskussionen habe ich manchmal zu sehr den Eindruck, dass der Wunsch Vater des Gedankens ist und nicht die distanzierte Bewertung.
Ich teile diese Sicht.
@ CitizenK 28. Januar 2025, 21:07
Das ist so eine wohlfeile, wetterwendige Diskussion. In der politischen Landschaft wird diese Art von Schutz des Landes konservativen bzw. rechten Parteien zugeordnet. Nun gab es in den letzten Monaten doch eine Häufung von Vorfällen, die in diesem Land große Wellen geschlagen haben. Die Position der AfD zum Thema ist seit über 10 Jahren bekannt, und erfährt wachsende Zustimmung. Was passiert, wenn die Union nicht reagiert? Was passiert, wenn sie sich weiterhin offen und einreisefreudig gibt oder, schlimmer noch, gar nicht reagiert?
So gering die Zahl der Täter im Vergleich zur Zahl der eingereisten Migranten ist, ist mir doch aus meinemlangen Leben kein Fall bekannt, dass ein „Biodeutscher“oder „Bioeuropäer“ in eine Kita rennt, um kleine Kinder abzustechen. Das geht auf einer gewissen Ebene überAMokläufe an Schulen noch hinaus.
Jetzt gibt es aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten. Entweder unser Staat agiert und verhindert solche Taten, oder (wenn er das nicht kann) er verhindert, dasssolche Täter hier her kommen.
Das man das Kind mit dem Bad ausschüttet, trifft sicherlich zu. Aber KEINE Reaktion zu zeigen, die üblichen leeren Betroffenheitsfloskeln abzusondern und zur Tagesordnung überzugehen, wäre das Schlimmste, was man machen könnte. Die zunehmende Fremdenfeindlichkeit hierzulande ist darauf zurückzuführen.
Wir haben ein Rechtsverfolgungssystem, dass vom Niveau her geeignet ist, um Gartenstreitigkeiten zwischen verrenteten Nachbarn zu klären. Für Größeres wie die Offenlegung und Verfolgung islamistischer oder rechter Gewaltstrukturen, Klan-Kriminalität, oder (um Dir da entgegenzukommen 🙂 ) auch Wirtschaftsbetrug in großem Stil Von Subventions- und Steuerbetrug bis zur Abzocke alter Leute) sind wir nicht wirksam in der Lage.
Wenn Dir das nicht gefällt, bring doch mal einen praktikablen,mehrheitsfähigen Vorschlag, wie man mit der Situation besser umgehen sollte.
Einreisesperren werden die Wahrscheinlichkeit mindern, aber die Gefahr nicht beseitigen. Ich hätte mir eine besonnene Reaktion gewünscht wie die von Stoltenberg nach dem Breivik-Massaker in Norwegen. Gerade jetzt hätte es die Chance gegeben.
In den meisten Fällen war Behörden-Versagen die Ursache. Polizeibekannte Täter wurden nicht aus dem Verkehr gezogen. Hier muss man zuerst ansetzen. Wer als Migrant kriminell, gar gewalttätig handelt, hat keinen Schutz verdient.
Wenn abschieben nicht geht: einsperren. Hier konsequenter vorzugehen, wäre wirksamer.
Wenn man jetzt die AfD als einzigen Schutz empfiehlt, sollte man die freiheitlich-demokratischen „Folgekosten“ sehen.
Sollen solche Gewalttaten dazu führen, dass eine „… in Teilen…“ – Du weißt schon – die Politik dominiert?
Wir haben häufig festgestellt, dass Deutschland innerhalb Europas ein Magnet für Illegale ist. Warum das so ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Aber sinnvoll wäre doch, den Magnet abzustellen und uns im Recht (Umgang mit Abgelehnten, Illegalen) an die Verfahren unserer Nachbarn anzulehnen. Dazu ist deutsches Recht zu beachten. Zur Klarstellung: laut Verfassungslage durfte und darf Deutschland nur dann Kompetenzen auf eine höhere Gebietsebene wie die EU verlagern, wenn dies nicht den Regeln des Grundgesetzes widerspricht. Dies war intensiver Diskussionsgegenstand während der Eurokrise, sollte also bekannt sein.
Breivik war ein Terrorakt, wir reden von einer permanenten Situation. Aschaffenburg allein wäre kein Grund für eine Politikänderung.
Denken Sie, es wird zukünftig kein Behördenversagen mehr geben? Sorry, gutes Management und Menschenführung schließt die Kalkulation von menschlichem Fehlverhalten ein und baut nicht auf weltfremdem Best-Case.
In Deutschland gibt es über 500 Personen, die von den Behörden als sogenannte Gefährder eingestuft werden. Allein deren Überwachung binden enorme Personalressourcen. Dazu kommen Personen in vierstelliger Zahl, die ebenfalls unter Beobachtung stehen. Das sind zu viele, das ist der Punkt.
Niemand hier empfiehlt die AfD als Schutz. Die Union möchte das Recht deutlich in Richtung anderer EU-Partner anpassen. Und schon das führt hier zu Entsetzen im linken Spektrum.
Besser formuliert (ntv heute) als ich das kann:
„Er hätte ankündigen können, dass unter seiner Regierungsführung umgehend die Rechtsgrundlagen und die polizeilichen Kapazitäten geschaffen würden, um die deutschen Außengrenzen in einem geordneten Verfahren dichtzumachen. Der Effekt wäre derselbe gewesen, der Weg dorthin realistisch. Mit der gewählten Vorgehensweise aber wird Merz unmittelbar exakt gar nichts verändern in der Migrationspolitik. (…)
Es scheint, der Instinktpolitiker Merz habe in seinem verständlichen Impuls der Empörung die Dinge nicht zu Ende gedacht. Das lässt nicht nur tief blicken, es ist auch verdammt gefährlich. Für die Union und für das Land.
Vor Jahren, als Merz als Kanzler noch eine vage Vorstellung war, hat sogar Stefan Pietsch seine Eignung für das Amt sehr in Frage gestellt. Das bestätigt sich gerade.
Bekanntermaßen ist die Union Opposition im Deutschen Bundestag, nicht Regierung. Die Regierung wiederum hat, wie bereits die Vorgängerregierung, alles unterlassen, um die Außengrenzen vor illegalen Übertritten zu schützen. Bekanntlich hat namentlich die Bundesinnenministerin Kontrollen verweigert, obwohl dies von Bayern gemäß einem Abkommen mit dem Bund exerziert und als erfolgreich bewertet wird.
Sicher, meine Einschätzung von Merz hat sich nur um Nuancen verändert. Anders als bei Scholz. Von allen vier zur Debatte stehenden Kandidaten bietet Merz noch das beste Gesamtpaket für das Kanzleramt. Oder gibt es da tatsächlich zwei Meinungen?
Ich halte die drei demokratischen Alternativen alle für grundsätzlich tauglich. Ich will Merz vor allem aus politischen Prioritäten am wenigsten im Amt sehen, traue meiner Urteilsfähigkeit ansonsten deswegen nicht sonderlich. Ich hoffe mal wir sind uns alle einig, dass Weidel die mit Abstand schlimmste Alternative wäre.
Ich weiß nicht, ob Du wählbar und geeignet als Synonyme verwendest. Wie ich bereits 2021 darlegte, müssen sich die Verantwortlichen, die Personen für Führungsaufgaben auswählen, frei machen von eigenen fachlichen und in diesem Fall politischen Ansichten. Im Vordergrund müssen charakterliche Eigenschaften und Führungsfähigkeiten stehen.
Unter diesen Bedingungen halte ich keinen der Kandidaten für geeignet, mit Abstand nicht. Zu Merz habe ich viel gesagt. Ergänzend sollte man hinzufügen, dass er überraschenderweise in den letzten Monaten fähig war, sein Temperament zu zügeln. Positiv ist auch zu werten, dass es ihm gelungen ist, die CDU wieder zu einer schlagkräftigen Einheit zu formen. Das zählt nicht wenig.
Bei Scholz ist offensichtlich, warum er für das Amt der Nummer 1 nicht geeignet ist.
Habeck zeigte sich in seiner Amtsführung und in der Partei oft führungsschwach. Was über die Wochen der Entscheidung über den endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft öffentlich geworden ist, schmeichelt ihm nicht. Das zentrale Vorhaben seiner Amtszeit, das Heizungsgesetz, überließ er in der Konzeption vollständig einem Mitarbeiter einer Lobbyorganisation und meinte sich mit umfangreichen Vertrauensbekundungen zu retten. Das Ergebnis war, dass das Gesetz, das seine Kompetenzen herausstreichen sollte, im politischen Räderwerk völlig zerfleddert wurde.
Als Spitzenkandidat weiß er um die Bedeutung des Migrationsthemas. Ohne dass dies in seiner Partei geklärt ist, ist jedes Antichambrieren mit dem voraussichtlichen Wahlsieger aussichtslos. Ein starker Kandidat (wie z.B. Joschka Fischer) kann Mehrheiten drehen. Habeck kann das nicht. Sowohl beim Parteitag in Wiesbaden als auch beim Wahlparteitag ließ man das Thema außen vor. Ergebnis: Keine Aussicht auf Machtteilhabe, außer in einem ganz besonderen Ausnahmefall.
Auch bei dem Skandal um Stefan Gelbhaar duckt sich der Kandidat weg, obwohl das Thema öffentlich brodelt und die mangelnde Aufarbeitung seiner Partei schadet.
Auch neigt Habeck zu manchen Unbeherrschtheiten, wie nicht zuletzt seine Twittergeschichte belegt. Und er zeigt eine große Abneigung, sich in Fachthemen einzuarbeiten und bläst wie ähnlich strukturierte Persönlichkeiten (Boris Johnson, Björn Engholm) Themen auf, die ihm dann um die Ohren fliegen. So erweckt er den Eindruck des Leichtgewichts und der Inkompetenz.
Du beurteilst aus der parteiischen Brille. Klar haben die alle Schwächen. Aber Merz halt auch. Nur kann ich über die hinwegsehen, wenn ich zum bürgerlichen Lager gehöre, und finde sie disqualifizierend, wenn ich es ablehne.
Und Habeck, der die Klappe zu Gelbhaar hält, ist ein seltener Moment politischer Vernunft.
Das ist doch absurd, Stefan. Du würdest Sachlichkeit nicht mal erkennen, wenn es der Duden bescheinigt. Der Verriss von Merz hat Dir wie allen Linken gefallen. Da hattest Du keine Einwände, obwohl ich viele der politischen Positionen teile. Aber es geht bei der Auswahl von Führungspersonal eben nicht darum. Zum Glück hast Du kein Mitspracherecht bei solchen Entscheidungen, es wäre ein Desaster.
Entscheidungsschwäche kritisiere ich an jeder Führungskraft wo es mir begegnet. Und auch Du wolltest jemanden wie Habeck nicht als Chef, der sich in die Büsche schlägt, wenn Du gemobbt würdest.
Think about.
@ CitizenK 29. Januar 2025, 07:56
Einreisesperren werden die Wahrscheinlichkeit mindern, aber die Gefahr nicht beseitigen.
Also auch aus Deiner Sicht ein Argument, es zu machen.
Ich hätte mir eine besonnene Reaktion gewünscht …
Wie an anderer Stelle erklärt ist das nicht mein Weg, aber mein Weg ist derzeit nicht möglich. Unter diesem Gesichtspunkt und unter dem Aspekt, dass es jetzt ein paarmal hintereinander geknallt hat, halte ich die Reaktion für besonnen.
Gerade jetzt hätte es die Chance gegeben.
Nicht bös sein, Citizen, das ist dummes Zeug. Die AfD, ds muss man ihr lassen, stellt zu diesem Thema schon richtige Fragen, wenn mir auch die Antworten nicht passen. Als wir vor knapp zehn Jahren hier diskutierten, war der Standpunkt von u.a. Dir oder Stefan Sasse, dass, wer Flüchtlinge ablehne, tief rechts sei. Mein Punkt war, dass wir das Thema breit und öffentlich diskutieren müssten, und auch Du meintest damals. dass das nur rechtsextreme Positionen stärken würde.
In weiten Teilen der Bevölkerung war bereits seit 2015 Stress, aber die meisten haben erstmal die Füße still gehalten. 2013 war die AfD nicht im Bundestag vertreten, 2017 bekam sie satte 94 Sitze. Da war der richtige „Gerade-jetzt-Moment“ schon eine ganze Weile vorbei.
Man kann trefflich darüber diskutieren, ob die Ängste in großen Teilen der Bevölkerung eine reale Grundlage haben oder eher nicht. Aber auf Ängste in großen Teilen der Bevölkerung nicht zu reagieren ist ein Riesenfehler.
Und gerade SPD und Grüne haben sich einer ergebnisoffenen Diskussion mit der Union jahrelang verweigert, bis der Druck für Merz so groß wurde, vorzupreschen. Und statt ihn zu unterstützen, statt auf ihn zuzugehen, haben sie die Gelegenheit genutzt, ihn vorzuführen.
Vielleicht kann man im Wahlkampf nichts anderes erwarten, aber ich halte den Versuch, die Union an den rechten Rand zu drängen, für einen Riesenfehler. Und gerade die Rhethorik von Scholz, Klingbeil oder Lauterbach ist derart persönlich, bösartig und ehrenrührig, dass hier die Demokratie meiner Einschätzung nach Schaden nimmt.
In den meisten Fällen war Behörden-Versagen die Ursache. Polizeibekannte Täter wurden nicht aus dem Verkehr gezogen. Hier muss man zuerst ansetzen.
Umso schlimmer; wenn man weiß, wer die potentiellen Täter sind, und sich nicht kümmert bzw. kümmern kann, es trotz Kenntnis nicht schafft, sie aus dem Verkehr zu ziehen, ist doch der EINZIGE Schutz, sie nicht reinzulassen.
Wer als Migrant kriminell, gar gewalttätig handelt, hat keinen Schutz verdient. Wenn abschieben nicht geht: einsperren. Hier konsequenter vorzugehen, wäre wirksamer.
Jaja …
SEIT JAHREN jammert die Polizei, dass sie zu wenig Mittel habe, dass gefasste Täter zu schnell wieder freikommen, dass die Urteile zu weich sind. Hier muss man nicht ansetzen; hier hätten Merkel bzw. Innenminister De Maizere oder die Nachfolger Scholz und Faser ansetzen müssen. Aber da kommen nur große Worte und Absichtserklärungen, geschehen ist nichts.
Wenn man jetzt die AfD als einzigen Schutz empfiehlt, ….
Tut keiner aus der AfD.
… sollte man die freiheitlich-demokratischen „Folgekosten“ sehen.
Das ist grob scheinheilig. Seit Jahren wird der Wunsch nach einem wirksameren Rechtsstatt, nach Regulierung des Flüchtlingsstroms, nach einem stärkeren bzw. wirksameren Rechtsstaat ignoriert. Die demokratischen Folgekosten dieser sträflichen Unterlassungen kannst Du am Abend des 26. Februar sehen.
Ich kann niemanden auch nur ansatzweise Ernst nehmen, der nach all den Jahren vergeblicher Bemühungen um effektivere Lösungen jetzt von demokratischem Schaden oder einer eingerissenen Brandmauer spricht. Diese Spackos sind derart oideologisch verblendet, dass die Realität jahrelang an ihnen vorbeigerauscht ist.
Das Verhalten der CDU ist eher Notwehr als sonst irgend etwas,und durch die Zustimmung der AfD zu den Unionsvorschlägen wurde genauso wenig eine Brandmauer eingerissen, wie wenn der Kanzler sich beim Thema Ukraine neben der AfD und dem BSW als Putin-Versteher einreiht und populistische Ängste schürt.
Sollen solche Gewalttaten dazu führen, dass eine „… in Teilen…“ – Du weißt schon – die Politik dominiert?
@ Stefan Sasse 29. Januar 2025, 12:47
Ich will Merz vor allem aus politischen Prioritäten am wenigsten im Amt sehen, …
Friedrich März ist für mich keine gute, aber die beste Wahl; meine zweite ist – mit weitem (!) Abstand – Robert Habeck. Olaf Scholz steht bei mir inzwischen auf einer Stufe mit Alice Weidel.
Oh ok warum?
@ Stefan Sasse 1. Februar 2025, 08:38
Oh ok warum?
Umgang mit Lindner und Merz nicht im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung, sondern als so grob wie möglich verletzende Ad-Hominem-Angriffe.
Er beleidigt gewesene und potentielle Koalitionspartner auf dem gleichen üblen Niveau, mit dem die AfD über politische Gegner herfällt, und macht– sicherlich nicht gewollt, aber dennoch effektiv – damit deren üble Tonalität akzeptabel und zum Standard.
Danke.
@Sören Schmitz 28. Januar 2025, 11:36
Dieses Argument kann ich nicht teilen, denn es liefe auf eine Vulgär-Demokratie hinaus, in dem der Wille der Mehrheit immer 1:1 umgesetzt werden müsste.
Nein, natürlich nicht.
Abgesehen davon, dass eine Mehrheit mal sehr deutlich sein kann (Euro-Krise, Migrtation), oder schon knapper (etwa bei der Schuldenbremse oder der Energiewende), bedeutet eine Verweigerungshaltung in jedem Falle eine Missachtung des Wählerwillens.
Die Mehrheit der Deutschen ist für die höhere Besteuerung von Millionären.
Das ist eine populistische Diskussion. Jeder normale Besitzer eines abbezahlten Häuschens in München, Hamburg, Berlin etc. ist theoretisch Millionär. Praktisch hat er allerdings nichts davon, denn er kann den Wertzuwachs seines Hauses nicht realisieren. Da kann ich Dir auch ein paar Nullen an Deinen Kontostand anhängen; wenn Du das nicht abheben kannst, hast Du nichts davon.
Dann zahlen Millionäre bereits deutlich mehr Steuern als Kleinverdiener. Der Wunsch ist schon seit Jahrzehnten umgesetzt.
Populismus ist ein anderes Wort für: „Es handelt sich um etwas, was mir nicht in dem Kram passt.“
Dieser im Sinne der Initianten erfolgreiche Volksentscheid aus 2021 z.B. ………
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Wohnen_%26_Co._enteignen
…. ist selbstverständlich komplett populistisch und deswegen indiskutabel.
Migrationspolitisch ist vox populi was anderes . Es handelt sich um die Quelle tiefer Wahrheiten. Der Begriff Populismus wäre ganz umangebracht.
Korrekt.
Dennis 29. Januar 2025, 13:30
Populismus ist ein anderes Wort für: „Es handelt sich um etwas, was mir nicht in dem Kram passt.“
Man kann eine Diskussion sachlich führen oder niedrige Instinkte ansprechen. Gerade im von linken Sozialhilfeempfängern überlaufenen Berlin mit seinem enormen Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist eine sozialneidige Kampagne, Wohnungsbau-Konzerne zu enteignen, nachvollzuiehbar erfolgreich.
Aber was passiert, wenn diese Kampagne Erfolg hat?
• Berlin übernimmt die Wohnungen, muss die Enteigneten schädigen (ca. 4Mrd.Euro,wenn das reicht), und überschuldet sich drastisch.
• Da in den Wohnungen bereits Menschen leben, wird keine neue Wohnung frei.
• Man wird von der Stadt Berlin erwarten, die Mieten zu senken; das erhöht die Verschuldung, kommt aber nur denen zugute, die bereits dort wohnen.
• Da Berlin sich durch die Enteignung verschuldet hat, ist kein Geld verfügbar, marode Wohnungen zu renovieren.
• Da Berlin kein verfügbares Personal hat, müssen es die Wohnungsverwaltungen auslagen (mein Tipp: Da werden die früheren Besitzer mit ihrem Personal und Know-how ordentlich die Hand aufhalten).
• Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass zahlreiche von der Stadt Berlin geförderten Projekte aus Geldmangel nicht mehr gefördert werden können und eingestellt werden müssen.
• Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Bayern, die Berlin allein mit etwa einer Milliarde im Jahr unterstützen müssen, den Länderfinanzausgleich aufkündigen.
Und das beste zum Schluss:
• Keine einzige neue Wohnung ist entstanden.
Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, auch nur ein einziges halbwegs sinnvolles Argument für eine Enteignung zu finden. Aber bei einer hoch verschuldeten, weitgehend dysfunktionalen Stadt wie Berlin und angesichts der Realität wird das echt schwierig. Wenn Dir dazu ein Sachgrund einfallen, lass es mich bitte wissen.
@ Stefan Sasse 29. Januar 2025, 18:20
Korrekt.
Nein. 😐
Begründung siehe oben.
Diese Argumentation verfolgt Stefan auch nur, solange sie sich mit seinen Vorstellungen deckt, keine Sorge.
c) Migration: Gewerkschaft der Polizei hält Merz-Pläne für neue Grenzkontrollen nicht umsetzbar (Spiegel). Natürlich nicht, aber das weiß Merz auch. Rechtlich wahrscheinlich nicht möglich, teilweise verfassungswidrig, umsetzbar auch nicht. Aber Hauptsache Krach gemacht.
Das belegt die Unernsthaftigkeit. Die Kritik am Vorgehen Merz‘ bezieht sich auf die Praktikabilität und möglicher Konflikte mit europäischem Recht. Doch auf die Idee, dass es möglicherweise gegen das Grundgesetz verstößt, muss man erstmal kommen. In Artikel 16a GG können auch Nicht-Juristen in klarer Sprache nachlesen, dass jemand keinen Anspruch auf Asyl in Deutschland hat, der aus einem sicheren Herkunftsland einreist. Deutschland ist umgeben von sicheren Drittstaaten, daher kann jemand nach geltendem Recht keinen Anspruch haben, der über die Landesgrenzen kommt.
Die links-dominierten ÖRR, mit Skandalen am Hacken, schießen seit Tagen aus allen Rohren gegen eine Politik, die von der großen Mehrheit geteilt wird. Deutlicher lässt sich die Wählerverachtung einer kleinen, selbsternannten Elite nicht dokumentieren.
@ Stefan Pietsch
Zustimmung zu Deiner Argumentation.
Ich halte zwar aus Gründen, die ich hier schon mehrfach vorgetragen habe, die Politik der Ausgrenzung für falsch; aber das ist eine abweichende politische Sicht. Die Argumente, die derzeit gegen die 5 Punkte öffentlich vorgebracht werden, sind aber in der Regel albern.
Noch eins: Es gibt keinen Rechtsruck. Nicht in den USA und nicht in Deutschland. Vor einigen Monaten fand ich eine interessante US-amerikanische Studie, die sich mit gesellschaftlichen Einstellungen beschäftigte. Über alles hatten sich die Einstellungen der Amerikaner zu Themen wie Migration, Wirtschaft, Klima, Minderheitenschutz, Abtreibung u.ä. über einen langen Zeitraum von 20-30 Jahren nicht verändert. Was sich offensichtlich verändert hat, sind die Parteien und wie sie Wähler ansprechen. Ich denke, das lässt sich so auch auf Europa und Deutschland übertragen.
Wenn die Parteien die Bürger in den Konflikt treiben, insbesondere wenn Minderheiten versuchen die Mehrheit zu dominieren, braucht man sich nicht zu wundern, wenn der eigentliche Grundkonsens aufgekündigt wird.
Über alles hatten sich die Einstellungen der Amerikaner zu Themen wie Migration, Wirtschaft, Klima, Minderheitenschutz, Abtreibung u.ä. über einen langen Zeitraum von 20-30 Jahren nicht verändert.
Yup, das entspricht meiner Beobachtung auch in Deutschland. Den gegenteiligen Eindruck haben üblicherweise Leute mit sehr beschränktem gesamtgesellschaftlichen Kontakt, leider gehören genau dazu die liberalen Leitmedien und grosse Teile userer politischen Funktionseliten.
Zu 1) Sie ist an universelle Werte wie die Menschenwürde und den Rechtsstaat gebunden, die nicht zur Disposition stehen.
Und nach Schieritz Auffassung ist genau deshalb Migrationsbegrenzung oder Migrantenzurückweisung nicht mit Demokratie vereinbar – er subsumiert das unter „Menschenwürde“ und macht Massenmigration damit unverhandelbar. Sein Problem ist, dass immer weniger Leute diese eigenwillige Interpretation teilen. Deshalb dieser seltsame Besinnungsaufsatz.
Gruss,
Thorsten Haupts
1) Die ganze Crux beginnt damit, wenn ein (politischer) Kommentator von „Wir“ spricht. Gemeint ist damit „Ihr“ (Kommentator selbst ist schlauer) und beim Leser kommt an „Die“ (weil Leser natürlich auch schlauer ist).
2) Ich halte es für bemerkenswert (wenn auch nicht falsch), dass du das als „linke“ Positionen betrachtest. Bei dem Löwenanteil von Höfgens Vorschlägen profitiert am meisten eine obere Mittel- bzw. niedere Oberschicht.
3) und 4) Schön, dass du beide Fundstücke unmittelbar nebeneinander gestellt hast. Besser kann man nicht demonstrieren, wie arbiträr die ganze Aufregerkultur ist.
3) Außer deiner „klammheimlichen Freude“ liefert der Artikel hauptsächlich die bahnbrechende Erkenntnis, dass ein „reales“ Mittelalter keine Basis für entspanntes Gameplay ist. Aber das wussten Fachkreise schon 2011:
https://www.der-postillon.com/2011/12/durchschnittlicher-rollenspieler-wurde.html
4a) Gebe ich dir recht, es ist ein gutes Beispiel für Aufregung um ihrer selbst willen. Dass nationalistische Politiker mit reinbolzen, macht es nicht besser.
4b) Warum ich es so interessant finde, ist, dass es ein gutes Beispiel ist, wie jeder für sich eigene Grenzen des akzeptierten zieht. Das von dir als Gedankenexperiment angedachte „Züge nach Auschwitz“-Spiel würde wohl jeder hier als „cancelnswert“ betrachten. Aber man kann auch ein bisschen kleiner rangehen, um (als Erkenntnisgewinn) die eigenen Grenzen auszuloten:
4c) Fändest du diskriminierende Stereotype immer noch ok, wenn es verschiedene „Ethnoclans“ (Libanesen, Roma, Albaner), die eine Karte von Berlin unter sich aufteilen? Würdest es auch so beschreiben dass „eine 88jährige Rentnerin (…) einen Rappel bekommen (hat)“, wenn die Verwandte eines Vergewaltigungsopfers über „Gang-Rape, the Game“ aufregen würde ?
4d) Du schreibst: „The Underground Railroad“ musste sich angesichts seiner Klötzchenfizierung der Sklaven Kritik gefallen lassen.“. Da stellt sich mir die Frage, von wem die Kritik kam. Von externen Sich-Aufregern oder von Spielern selbst? Bei boardgamegeek (oberflächliche Suche) habe ich dazu nichts gefunden.
d) Von der anderen Seite her wird die Preisverleihung als „greatest promotion scheme“ bezeichnet…
f) (Eigenfund) Wir sind wieder bei Berufsverboten :
https://www.spiegel.de/panorama/bildung/bayern-lehramtsstudentin-wegen-klimaschutz-aktivitaeten-vom-schuldienst-ausgeschlossen-a-1c65a78b-0b90-43aa-86bc-566902eed84e
g) Eigenes Nichtfundstück: Inzwischen hat sich bis runter zum Hund meines Friseurs jeder zu dem Fall Gelbhaar geäußert. Da das Themen betrifft, die hier im Forum schon öfter intensiv diskutiert wurden (Belästigungsvorwürfe, ÖRR, „die Grünen“-Vorurteile), wundert mich das etwas.
2) Ja, auch noch ein Punkt. Echt weirde Sammlung.
3) Klar!
4) b) Aktuell ja. Gib dem Ganzen noch zwei Jahre, und in der Welt wird es als wichtig für Kunst- und Meinungsfreiheit verhandelt.
4c) Ich finde das überhaupt nicht ok! Ich teile die Kritik völlig. Ich finde es nur spannend zu beobachten, wie der Empörungsmechanismus ablöuft.
4d) Vielleicht täusche ich mich auch, aber ich dachte, da gabs ne Kritik zu.
f) Kommt im nächsten Vermischten schon vor, hat es vor Redaktionsschluss nur nicht mehr reingeschafft.
g) Ich weiß nix drüber. Das scheint mir eine Berliner Geschichte zu sein. Ich wüsste nicht, was ich dazu sagen sollte.
2) positiv formuliert: „Everything and the kitchen sink“
4c) Genau das meine ich: Es ist furchtbar leicht, sich über anderer Leute Empörungsmechanismen aufzuregen, aber die von der „eigenen“ Seite (Fundstück 3) zu rechtfertigen.
4d) Zweites Hinschauen hat ergeben, dass manche als Kritikpunkt hatten, dass es für Spielgruppen unangenehm war, manche Sklaven „opfern“ (nicht retten) zu müssen. Das ist aber genau das Gegenteil von „Klötzchenfizierung“ – sondern eine Identifizierung mit dem Thema.
g) Legitim. Aber es kann sein, dass jemand in Zukunft darauf Bezug nimmt.
4c) Total.
4d) Ah. Ich hab das Ding zugegebenermaßen nie gespielt, war nicht für vernünftige Preise zu bekommen.
g) Ja, aber das ist eigentlich eine lokale Geschichte.
zu 1) “ Demokratie”
“Internet abschalten nicht realistisch”, sagst Du. Stimmt so pauschal vermutlich – verlangt so pauschal aber auch niemand.
Ein Riesenschritt wäre schon mal getan, wenn soziale Netzwerke abgeschaltet würden. Dass man zu entsprechenden Regelungen kommen kann, zeigt das parteiübergreifend beschlossene TikTok-Verbot in den USA (vermutlich das einzige, worauf sich Demokraten und Republikaner in der vergangenen Legislaturperiode einigen konnten), sogar mit Zustimmung des rechtsextremen Supreme Courts. Hätten die Chinesen Trump nicht geschmeichelt, wäre eine Hass-Plattform jetzt schon mal weg. Immerhin die mit weitem Abstand beliebteste Plattform bei Jugendlichen. Und in Deutschland eines der wirkungsmächtigsten Rekrutierungswerkzeuge der Nationalsozialisten.
Als Nächstes könnte man die übrigen Betreiber von Webseiten voll juristisch haftbar machen für Content, der auf ihren Seiten erscheint, auch wenn dieser Content von Dritten kommt (z.B. über Beiträge in Foren). Und eine Ausweitung des Verbots auf Beiträge, die geeignet sind den gesellschaftlichen Frieden zu stören, wäre nötig – auch dann, wenn sie nicht strafrechtlich relevant sind. Ein Internetforum für politische Debatten zu bieten, wäre damit z.B. in der Praxis fast unmöglich. Geöffnet würde die Möglichkeit solcher Debatten für Lizenznehmer, die einen professionellen journalistischen Hintergrund haben und deren Institutionen sich auf Sachlichkeit, Information und Fairness verpflichten.
Im Grunde geht man in Bezug auf copyright-geschütztes Material im Internet ganz ähnlich vor. Das darf auch nicht einfach irgendwo hochgeladen werden. Ich habe z.B. lange für eine Webseite gearbeitet, auf der Newcomerbands ihr eigenes Musikmaterial hochladen durften. Du würdest nicht glauben, wie viele User die Upload-Funktion genutzt haben, um Fremdmaterial, an dem sie keine Rechte hatten, hochzuladen. Lange war das eben “das Problem der User”. Wer erwischt wurde, musste mit juristischer Verfolgung rechnen. Aber die Plattform war fein raus. Bis der Gesetzgeber beschlossen hat, die Plattformen voll haftbar zu machen. Das hat damals zu massiver Panik geführt und einige Portale haben auch dichtgemacht.
Und eine Ausweitung des Verbots auf Beiträge, die geeignet sind den gesellschaftlichen Frieden zu stören, wäre nötig …
Die Forderung ist nach widerholter und aktueller Rechtsprechung des BVerfG schlicht verfassungswidrig. „geeignet … den gesellschaftlichen Frieden zu stören“ könnte direkt aus dem Handbuch der Kommunistischen Partei Chinas kommen. Ich kenne niemanden und möchte niemanden, der das per „Ordre de mufti“ festlegen darf!
China ist ein Unrechtsstaat, der in hohem Maße abzulehnen ist. Aber das Internet kontrollieren die Chinesen bewundernswert effizient. Da sollten wir uns wirklich eine Scheibe von abschneiden. Anders als wir hat die kommunistische Partei begriffen, wie gefährlich ein World Wide Web ist, das ausländischen Playern Tür und Tor öffnet und Hass gegen die Regierung amplifiziert.
Hast du mal das chinesische Internet erlebt? Bewundernswert ist da gar nichts. Und deren soziale Netzwerke sind nicht sicher vor den negativen Effekten.
Zumindest zeigen sie, dass man mächtige ausländische Social Media-Plattformen ausschalten kann, ohne dass die Welt untergeht.
Ich teile deine Sorge. Unsere Meinungsbildung verläuft weniger rational als vielem bewußt wird.
Aber: Unsere Geistesgeschichte ist voll von dem Gebrauch manipulativer Äußerungen und Argumentationslinien. Ich vermute, dass man etwa bei einigen hochgeschätzten Rhetorikern der antiken Römischen Republik oder Voltaire schnell fündig würde. Wir müssen da wohl mit einem hohen Grad an Freizügigkeit auskommen, wobei das von Popper formulierte Toleranz-Paradoxon im Falle von drohender Zerstörung des Systems immer eine Option bleiben sollte. https://de.wikipedia.org/wiki/Toleranz-Paradoxon
À propos Paradoxon. Ausgerechnet Telepolis hat einen beeindruckenden mission statement zu redlichem Journalismus. https://www.telepolis.de/Ueber-Telepolis-9305053.html
Die Redlichkeit von denen wurde oft in Frage gestellt. Ich traue aufgrund persönlicher Erfahrung insbesondere dem Chef Redakteur bis heute nicht und eine Suche erhärtet meinen Verdacht, dass der Qualitätsoffensive im Zusammenhang der erneuerten Mission nicht wenige seiner eigenen vergangenen Artikel zum Opfer gefallen sind. 😉
https://www.telepolis.de/features/Qualitaetsoffensive-Telepolis-ueberprueft-historische-Artikel-10190173.html
Interessanter Gedanke. Allerdings sind Verstöße gegen das Urheberrecht – bei aller Problematik – leichter festzustellen als die gegen „gesellschaftlichen Frieden“.
Und was wäre gewonnen, wenn Tichy und/oder Döpfner bzw. Pendants von Linksaußen als Lizenznehmer auftreten würden?
Ich teile die Einschätzung, dass Verstöße gegen das Urheberrecht leichter zu identifizieren sind als Verletzungen des öffentlichen Friedens, aus der Praxis nicht. Klar – wer einen Song der Rolling Stones zum Download anbietet, verletzt ohne Frage das Urheberrecht. Wer eine offene Morddrohung gegen den Bürgermeister ausspricht, verletzt ohne Frage den öffentlichen Frieden. Aber die meisten Fälle aus der Praxis sind Grauzonen: Coverversionen, die vom Original stark entfremdet sind. Samples von Originaltiteln, die nur Sekundenbruchteile ein Motiv anklingen lassen und eingebettet sind in ansonsten vollständig eigenes Material. Oder eigene Songs, deren Melodien hörbar angelehnt sind an ein Original, ohne effektiv eine Coverversion darzustellen.
Am Ende kann man es Gerichten überlassen, was “das Verletzen des öffentlichen Friedens” heißt. Und wenn man mit der gelebten Praxis nicht zufrieden ist, dann kann der Gesetzgeber mit klareren Vorgaben nachschärfen.
Es ist sehr schwer nachzuweisen. Manche Menschen entwickeln eine Meisterschaft darin, der Berichterstattung ueber komplexe Ereignisse einen Spin zu geben.
Dieser Film einer Gruppe europaeischer Dokumentarfilmer ueber die Ereignisse in Venezuela, die zu einer Absetzung von Chavez fuer 20 Stunden oder so fuehrten, wirkt erstmal so ueberzeugend, dass er auf einigen namenhaften europaeischen Festivals Preise gewann und mehrmals von Arte ausgestrahlt wurde.
https://www.youtube.com/watch?v=FEsSf7ARpw8
Es ist aber eine riesige Luege. Es war damals faszinierend, die Luegen langsam durch das Studium verschiedener Quellen herauszufinden. Das hat mich politisiert. Ich hatte verstanden, wie maechtig Propaganda sein kann.
Marx hat in der vielzitierten Feuerbach-These aus meiner Sicht der propagandistischen Taetigkeit Tuer und Tor zu oeffnen.
11. Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt drauf an, sie zu verändern.
Aber „Fakten“ einen spin geben, ist nicht auf Marxisten beschraenkt. Wir machen das alle.
Die Art der Lösung von Konflikten in der Ära der westlichen Dominanz hat für Deutschland vergleichsweise prima funktioniert, aber in Haiti, Afghanistan, Kongo, Venezuela, Nicaragua, Guatemala (ok, da gibts jetzt Hoffnung) und vielen weiteren Teilen der Welt eben nicht so. Sogar in unseren eigenen Gesellschaften. Natürlich ist aus meiner Sicht eine Menge an Beschwerden über covid, immer ungleichere Verteilung von Einkommen etc z.T. unfair, unrealistisch und over the top. Aber Kritik verbieten?
Unsere Meistererzählungen über die Welt haben Ansehen verloren und je nach Perspektive auch manchmal zu Recht.
Nun sind Haiti, Venezuela, Kongo und all diese sonnigen Länder verdammt exotisch.
Aber: Die amerikanische Historikern Barbara Tuchman nannte ihr schön-schreckliches Buch über den 100-jährigen Krieg „A distant mirror“. Sie sah die damaligen Ereignisse als ein Spiegel unserer eigenen Geschichte. Und sowas sind die Ereignisse in diesen Ländern auch. Nur halt nicht auf der Zeitachse, sondern Parallel-Geschichten zur gleichen Zeit.
Vielleicht behandeln wir das Thema der Sorgen und Nöte der working class dudes in Ohio und Hoyerswerda in der Tendenz mit der gleichen Verachtung, wie wir es mit den Haitianern tun.
Deine Idee, Ralf, sehe ich als einen Versuch. die Verwaltung des Endes der Geschichte einem „neutralem“ Gericht zu übertragen. Das wird nicht funktionieren, weil die Geschichte nämlich nie endet.
Eine Gruppe von Demonstranten hat gestern die Französische Botschaft in Kinshasa zerlegt.
https://www.youtube.com/watch?v=GYFBWIaQS6w
Die Angreifer waren wütend, dass Frankreich und alle westlichen Mächte zu wenig gegen das Vorrücken der ruandanesischen Armee + einiger warlords in den Coltan Gürtel im Osten des Kongos tun.
Wtf? Diese verachtenswerten afrikanischen Bürger eines riesigen Landes fordern von einer ehemaligen Kolonialmacht ein stärkeres Eingreifen gegen die Attacke eines kleinen Landes. Oder findet man gute Gründe, die das gewalttätige Verhalten erklärbar machen?
Es geht nicht darum Kritik zu verbieten. Es geht auch nicht um eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Es geht darum den Menschen das Megaphon aus der Hand zu nehmen, mit dem jeder Clown in Sekundenbruchteilen Millionen Menschen erreichen kann. Ohne politischen Kampf im Internet bleibt den Menschen nur die Oldschool-Methode sich auf den Marktplatz zu stellen und für Inhalte zu werben oder von Tür zu Tür zu gehen. Auch so kann man politisch etwas bewegen. Die Grünen sind z.b. ohne Internet entstanden. Aber es ist langsamer. Es ist mühsamer. Es erfordert Professionalisierung. Es erfordert viele Menschen, die aktiv mitmachen, nicht nur auf Likes klicken. Dafür kriegt man keine Spinner wie “Richter Gnadenlos” in Hamburg. Oder eben Donald Trump. Oder Boris Johnson. Es entsteht nicht alle paar Monate eine neue Partei. Und damit zersplittert das Parlament nicht weiter. Und ohne Zersplitterung ist es wahrscheinlicher, dass sich sinnvolle Mehrheiten mit zwei ideologisch ähnlichen Parteien zu Koalitionen zusammenfinden. Statt instabiler Dreier- und Viererkonstellationen, die sich politisch fremd sind. Das wiederum führt zu sinnvollerer, konsistenterer Politik und schließlich zu zufriedeneren Wählern.
Und das ist nur einer von vielen, vielen positiven Aspekten, die das Abstellen des ganzen Geschreis im Internet hätte.
Die Grünen bildeten sich nach dem Nato-Doppelbeschluss aus den in den 70ern neuen Sozialen Bewegungen schnell und wurden zügig zu einer >5% Partei. Sie brauchten länger, um ihre internen Richtungskämpfe in Griff zu bekommen, um sich an Regierungen zu beteiligen.
Angst vor Überfremdung und die Enttäuschungen im Osten mit der Wiedervereinigung sind nicht neu. Die AfD Influencer sind leider keine Clowns sondern leider oft sehr professionelle politische Kommunikatoren.
Ich sehe aber auch Gründe, dass das Vertrauen in die Lösungskompetenz der politischen Eliten in Frage gestellt wird. Oft fallen denen nur immer neue bürokratische Monster ein.
Wir haben den Einfall der Rechten und die Zersplitterung der Parteienlandschaft ja nicht nur in Deutschland, sondern in vielen europäischen und übrigens auch der Hälfte der Lateinamerikanischen Demokratien. Wir müssen das ernst nehmen, sonst verknöchert die Mitte.
Was gestoppt werden kann, ist vermutlich ein strengeres Einschreiten gegen viele äußerst niederträchtigen und bedrohenden Nachrichten einiger Bürger an Politiker und Journalisten. Die äußern sich aber nicht nur in twitter-Kommentaren sondern auch in Briefen.
Und natürlich geben die Sozialen Medien eine dunklere und zerissenere Sicht Deutschlands wider, als wenn man mit den Leuten einfach redet. Die politische wild side wirkt auch auf mich, nur konsumiere ich halt manchmal bewußt verschiedene Seiten der Extreme.
Dass andere Länder mit denselben Problemen kämpfen, ist nicht verwunderlich. Das Internet ist ein globales Phänomen und produziert überall die gleichen Krisen.
„… bewusst machen, dass Sie Null Einfluss auf das Ergebnis haben.“
???
Das weiß ich doch. Keiner von uns hier hat den. Trotzdem diskutieren wir. Wenn viele das tun, hat es doch Einfluss. Hunderttausende sagen, einer kann ja doch nichts machen.
Sie haben ursprünglich gesagt, dass es Ihnen zu ernst sei. Mein Punkt ist: Ihre Position hat überhaupt keinen Preis. Die von Merz einen sehr hohen. Liegt er falsch (und Sie richtig) saust die AfD weiter nach oben, während die Möglichkeiten der Mitte schrumpfen, das Migrationsproblem noch seriös zu lösen. Er verliert möglicherweise die Chance auf die Kanzlerschaft und beschädigt die CDU irreparabel. Liegt er richtig, wäre das ein Erfolg für alle, die sich als Mitte empfinden.
Und Sie gehen nicht einmal das Risiko einer Weinflasche ein. Ist die Position von Grünen und SPD da nicht verantwortungsloser, welche die Linie beibehalten, welche die AfD innerhalb von 3 Jahren von 10 auf über 20 Prozent hat wachsen lassen?
Und nur der guten Ordnung halber: … Zustimmung des rechtsextremen Supreme Courts … Der SCOTUS ist nach keiner mir bekannten wissenschaftlichen Kategorisierung rechtsextrem. Diese Meinung hat Ralf exklusiv.