Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.
Fundstücke
1) How Republican Billionaires Learned to Love Trump Again
Der Artikel beleuchtet die Bemühungen von Donald Trump, reiche republikanische Spender für seine Präsidentschaftskampagne 2024 zu gewinnen, nachdem er in den Vorwahlen auf Widerstand gestoßen war. Nach dem Sturm auf das Kapitol hatten viele wohlhabende Republikaner, darunter Nelson Peltz, ihre Unterstützung zurückgezogen, doch angesichts von Bidens Präsidentschaft und der wirtschaftlichen Lage haben sich viele reiche Spender, wenn auch widerwillig, erneut hinter Trump versammelt. Trump hat sich als transaktionaler Kandidat erwiesen, der den Spendern verspricht, politische Entscheidungen zu ihrem Vorteil zu treffen. Die Unterstützung von milliardenschweren Unternehmern wie Elon Musk und Steve Wynn zeigt, dass viele Spender trotz persönlicher Bedenken den pragmatischen Nutzen einer Trump-Präsidentschaft höher bewerten als die Unterstützung alternativer Kandidaten. Trumps Wandel in der Haltung zu Themen wie Kryptowährungen und Unternehmensinteressen zeigt seine Bereitschaft, die Interessen der Superreichen in den Mittelpunkt seiner Kampagne zu stellen. (Susan Glasser, New York Magazine)
Warum genau sollte man von diesen Leuten auch irgendeine Art commitment zur Demokratie erwarten? Bei allen proto-faschistischen Tendenzen Trumps ist nicht zu erwarten, dass in nächster Zeit Milliardäre aus den Fenstern des 10. Stocks fallen werden. Und ein Trump wird besser für die Geldbörse dieser Leute sein als eine Harris. Das ist keine ernsthafte Frage. Ja, sie lehnen Trump als Person ab, weil er ein Prolet ist und sie sich für etwas Besseres halten. Aber sie können trotzdem die Nase zuhalten um zu verhindern, dass sie künftig nur noch 1,15 statt 1,2 Milliarden haben. Das ist es schon wert, dass das restliche Land vor die Hunde geht. Dazu gibt es noch die kleine Gruppe von Leuten wie Musk oder Thiel, die Trump aus Überzeugung helfen – und weil sie sich davon politische Macht erhoffen. Wir hatten das im letzten Vermischten.
2) 50 years of tax cuts for the rich failed to trickle down, economics study says
Eine Studie der London School of Economics zeigt, dass Steuersenkungen für Reiche in den letzten 50 Jahren vor allem den Wohlhabenden zugutekamen, ohne signifikante wirtschaftliche Vorteile für den Rest der Bevölkerung zu bringen. Die Analyse von 18 entwickelten Ländern zwischen 1965 und 2015 ergab, dass das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und die Arbeitslosenquoten in Ländern mit und ohne Steuersenkungen für Reiche nach fünf Jahren ähnlich blieben. Allerdings stiegen die Einkommen der Reichen in Ländern mit gesenkten Steuern deutlich stärker. Die Forschung deutet darauf hin, dass diese Maßnahmen die Einkommensungleichheit verschärfen, anstatt Wohlstand breiter zu verteilen. Der Ko-Autor Julian Limberg argumentiert, dass das wirtschaftliche Argument für niedrige Steuern auf Reiche schwach sei, besonders im Vergleich zur Nachkriegszeit, als hohe Steuern mit starkem Wirtschaftswachstum und niedriger Arbeitslosigkeit einhergingen. Er schlägt vor, Steuererhöhungen für Reiche nach der Pandemie ernsthaft in Betracht zu ziehen, um die wirtschaftliche Erholung zu unterstützen. (Aimee Picchi, CBS)
Nun…das ist nun wahrlich nicht überraschend. Trickle Down war schon immer eine Lüge. Das ist aber auch nicht die relevante Frage, wenn es um die Steuerkürzungen geht. Die Debatte ist von ihrer eigenen Werbung so sehr verschlungen worden, dass es praktisch gar nicht möglich ist, darüber zu reden, was die Policy eigentlich wirklich ist. Wenn der Staat die Steuern für die Reichen senkt, sorgt er im Endeffekt für einen Kapitalüberhang. Der wird üblicherweise irgendwo investiert. Die Frage ist, ob dieses Investment für die Volkswirtschaft gut ist oder nicht – oder ob eben die Abschöpfung die besseren beziehungsweise relevanteren volkswirtschaftlichen Effekte hat. Das kann sein oder nicht, und die Überlegungen dazu sollten die Steuerpolitik mit beeinflussen, nicht irgendwelche moralistischen Behauptungen, die ohnehin nichts mit der Realität zu tun haben.
3) Netanjahu wird für Israel zunehmend gefährlich
Der Artikel beschreibt die aktuelle Eskalation der Gewalt in Israel und den palästinensischen Gebieten. Während Israel die Hisbollah im Libanon bekämpft, verstärken sich auch Angriffe auf den Gazastreifen, wo es zu zahlreichen Toten und Verletzten kommt. Israel rechtfertigt die Angriffe mit der Zerstörung von Hamas-Kommandozentralen, obwohl Berichte darauf hindeuten, dass die Offensive ohne klaren militärischen Grund begann. Stattdessen scheint der Druck auf die Zivilbevölkerung erhöht werden zu sollen. Die USA kritisieren die unzureichenden humanitären Hilfen und drohen mit Kürzungen militärischer Unterstützung. Zudem wird Israel für den Angriff auf ein Krankenhaus zur Rechenschaft gezogen. Die internationale Kritik an Israels Taktik wächst, da diplomatische Lösungen vernachlässigt werden. Politische Radikalisierung innerhalb der israelischen Regierung sowie zunehmende internationale Spannungen verschärfen die Situation weiter. Israel riskiert einen politischen Bruch mit den USA, die für seine militärische Sicherheit essenziell sind. (Steffi Hentschke, ZEIT)
Ich würde auch betonen, dass Netanyahus Politik für Israel eine zunehmende Gefahr darstellt. Seine extremistischen Koalitionspartner stellen permanent Forderungen auf, die den Vorwurf des „Genozids“ bestätigen, der Israel derzeit so beständig an den Kopf geworfen wird. Die Aktionen der IDF überschreiten immer mehr ein Maß, das auch Verteidiger*innen Israels akzeptieren können oder das sich mit militärischer Notwendigkeit erklären ließe. Das Land ist aber letztlich von der Unterstützung der USA (und in weit geringerem Ausmaß der EU) abhängig. Ein Bruch steht zwar aktuell nicht zur Debatte, könnte aber durchaus – vergleichbar mit Suez 1956 – in der Zukunft winken. Das Problem im deutschen Kontext scheint mir zu sein, dass die Debatte sehr stark den Vorwurf bestätigt, bestimmte Dinge nicht sagen zu dürfen oder zu können, aus Furcht, gleich als Antisemit gebrandmarkt zu werden. Damit leistet man sich auch einen Bärendienst, denn wenn sich dieses Gefühl als Mehrheitsmeinung durchsetzt, werden Tabus fallen, die einen deutlich größeren Antisemitismus auslösen werden, weil da dann mit Sicherheit keine nuancierte sicherheitspolitische Debatte stattfinden wird.
4) The progressive era is over. Again.
Der Artikel argumentiert, dass der jüngste Rückgang des Progressivismus in der amerikanischen Politik einem historischen Muster folgt, bei dem progressive Bewegungen zunächst an Einfluss gewinnen, aber später auf Widerstand und Rückzug stoßen. Dieses zyklische Phänomen habe sich mehrfach gezeigt, etwa beim New Deal, der nach dem Zweiten Weltkrieg auf Widerstand stieß, und der Gegenkultur der 1960er Jahre, die aufgrund radikaler Maßnahmen wie des Bus-Transports zur Rassentrennung und steigender Kriminalität an Unterstützung verlor. Der aktuelle Wandel spiegele die Unzufriedenheit der Öffentlichkeit mit Themen wie „Wokeness“, extremem Trans-Aktivismus und einer zu offenen Einwanderungspolitik wider. Trotz dieses Rückgangs bleiben viele Errungenschaften des Progressivismus – wie Obamacare, die Ehe für alle und die Legalisierung von Marihuana – bestehen. Die Demokraten stehen nun vor der Wahl, sich entweder dem Rechtsruck entgegenzustellen oder sich anzupassen. Letzteres könnte nur geringfügige Anpassungen erfordern, da die zunehmende Radikalisierung der Republikaner die Demokraten moderater erscheinen lässt. Diese Entscheidung ist jedoch selten einfach. (Kevin Drum, Jabberwocking)
Die von Drum beschriebene Dynamik halte ich absolut für korrekt. Ich erinnere mich bei der Thematik immer an Sebastian Haffners „Überlegungen eines Wechselwählers“ (auch wegen der völlig unzutreffenden Prognose einer Entwicklung zum Zwei-Parteien-System, bei dem die FDP mit der SPD fusioniert), der beschrieb, dass die rechte Hand diejenige ist, die für das Machen, Tun und den Alltag zuständig ist und es daher nur natürlich ist, dass die meiste Zeit die Konservativen an der Macht sind, weil das genau ihr Ding ist. Er endete mit dem Hinweis, dass es auch Linkshänger gebe. Der Ausnahmeeffekt erfolgreicher progressiver Regierungen ist demgegenüber augenfällig; einen Obama oder Schröder kriegt man nicht allzu oft, während auf konservativer Seite die Anforderungen andere sind – die Erhaltung des Status Quo ist einfach leichter als seine Veränderung. Ich bin auch völlig bei Drum, was den „overreach“ angeht, den darauf folgenden backlash und die Dauerhaftigkeit der Veränderungen angeht. Gleichwohl scheint es mir, als würde eine gewisse „Müdigkeit“ auch ohne den Overreach eintreten. Irgendwann ist einfach genug Veränderung und es braucht eine (meist längere) Phase der Stabilität.
Der Artikel beschreibt die Kontroverse um die SPD-Politikerin Aydan Özoğuz, die durch das Teilen eines Beitrags der Organisation Jewish Voice for Peace auf Instagram in die Kritik geraten ist. Der Beitrag zeigte Bilder verbrannter Patienten in einem Krankenhaus in Gaza und war mit dem polemischen Kommentar „This is Zionism“ versehen. Özoğuz hat sich mehrmals für das Teilen entschuldigt und den Beitrag gelöscht, doch ihre Kritiker fordern weiterhin ihren Rücktritt, darunter die Union, die FDP und der Zentralrat der Juden. Özoğuz, eine etablierte Politikerin der SPD und Vizepräsidentin des Bundestages, sieht sich wiederholt Vorwürfen ausgesetzt, die teilweise mit ihrer türkischen Herkunft verknüpft sind. Obwohl sie für ihre bedächtige Art bekannt ist, wird ihr Handeln oft besonders kritisch beäugt. Der Vorwurf des Antisemitismus, der nun gegen sie erhoben wird, erscheint widersprüchlich, da der geteilte Beitrag von einer jüdischen Organisation stammt, die Israels Kriegspolitik kritisiert. Der Artikel betont, dass die Debatte in Deutschland mehr Empörung über missverständliche Äußerungen als über mögliche Kriegsverbrechen weckt. (Daniel Bax, taz)
Als Vertiefung von Fundstück 3 möchte ich hier noch einmal auf den Diskurs aufmerksam machen. Hier scheint mir nämlich von einer Art übergeordneten Koalition der demokratischen Parteien ein Konsens durchgedrückt zu werden, der immer wieder zu Problemen führt. In diesem Fall ist es die Neigung des außerisraelischen Diskurses, Israel als monolithisch zu betrachten und ihm keinen Pluralismus zuzugestehen. (Was man übrigen auch wieder als antisemitisch bezeichnen könnte…) Aber die Schärfe, mit der hier auf jede auch nur leicht abweichende Haltung reagiert wird, mit der alles in denselben Topf geworfen wird – irgendwelche Gebäude stürmende „From the River so the Sea“-Spackos und eben jemand wie Aydan Özoguz – ist genau der Mechanismus, den vor allem das rechtere Lager immer an die Progressiven geworfen hat, wo es um den Rassismus- oder Sexismusvorwurf ging. Und wie wir in Fundstück 4 gesehen haben, provoziert das immer einen Backlash.
Resterampe
a) The Democrats’ pro-union strategy has been a bust. Mag sein, but it’s the right thing to do.
b) Die ZEIT hat was zur Änderung der Aufbewahrungsfristen, die wir letzthin diskutierten.
c) Guter Thread zu den EU-Fiskalverhandlungen.
d) Fuck Berlin.
e) Wer sich ein bisschen für Wirtschaftswissenschaft interessiert und den aktuellen Nobel.
f) Hintergründe zu John Roberts‘ Schutz Trumps.
g) Thread zu Nordkorea und Ukraine.
h) Bleibt eine dumme Entscheidung, ja.
i) Das ist leider auch Israel.
j) Die Nazis kommen immer offener raus.
l) Jupp, läuft super mit den Milliardären.
m) Donald Trump’s contempt for the military, quote by quote. And it doesn’t matter one bit.
n) Yes, Kamala Harris really does have a clarity problem. Don’t know if it’s a problem tbh.
o) “Rufschädigend”: Familie entzieht Otfried-Preußler-Gymnasium das Namensrecht. Nur aus dem Artikel heraus klingt das nach einem echt dummen Streit seitens des Gymnasiums.
p) Trump fakes a stint at McDonald’s today. Warum verstehen so viele Progressive nicht, dass das gute Symbolpolitik für Trump ist? Es interessiert seine Wählenden keine Sekunde, dass das fake ist. Darum geht’s doch gar nicht.
q) The free speech event that wasn’t. Immer dasselbe bei dem Thema.
r) Dieses Interview mit Ricarda Lang ist durchaus spannend.
s) Zum Thema „dumme Regeln für den ÖRR“. Ich find das als Gebührenzahler einfach krass.
t) FDP unterstellt Robert Habeck Wahlkampf mithilfe seines Ministeriums. Gott ist das nervig. Es war doof, als Lindner genau dasselbe gemacht hat, und es ist hier doof.
u) Die elektorale Logik, nicht über Klimawandel zu reden.
v) Kolumne in der Welt zu Ungarn. Siehe dazu auch hier.
Fertiggestellt am 24.10.2024
Zu w)
Nur als höflicher Hinweis: Die meisten Anhänger der Schuldenbremse haben überhaupt kein Problem mit Verschuldung. Sie haben ein Problem mit dem, was die Schuldenbremse verhindern sollte – jedes Jahr wachsende Schulden, deren Schulden- und Zinstilgung jedes Jahr einen wachsenden (!) Anteil des Bruttosozialproduktes einer Wirtschaft kosten. Das exakt war die Situation vor der Schuldenbremse.
Zur Klarstellung – auch die deutsche Schuldenbremse verhindert keine Schulden. Sie begrenzt, wenn Politik die Regeln einhält, die Verschuldung, das ist alles.
Gruss,
Thorsten Haupts
Nur als höflicher Hinweis: Die meisten Anhänger der Schuldenbremse haben überhaupt keine makroökonomische Ahnung. Zur Klarstellung – das ist auch schon alles, was man darüber wissen muss.
„das ist auch schon alles, was man darüber wissen muss“
Mag für Sie so sein; für uns unwürdige Unwissende wären ein paar Argumente hin und wieder ganz hilfreich…
Es fängt schon damit an, dass die Behauptung, dass die „Zinstilgung jedes Jahr einen wachsenden (!) Anteil des Bruttosozialproduktes einer Wirtschaft kosten» nicht nur komplett gelogen ist, sondern auch eklatante Unkenntnis über einfache Begriffe und Prozesse verrät. Dementsprechend kann man stets und zuverlässig feststellen, dass die meisten Anhänger der Schuldenbremse überhaupt keine makroökonomische Ahnung haben.
@ DerDieDas 13. November 2024, 10:16
Es fängt schon damit an, dass die Behauptung, dass die „Zinstilgung jedes Jahr einen wachsenden (!) Anteil des Bruttosozialproduktes einer Wirtschaft kosten» nicht nur komplett gelogen ist, sondern auch eklatante Unkenntnis über einfache Begriffe und Prozesse verrät. Dementsprechend kann man stets und zuverlässig feststellen, dass die meisten Anhänger der Schuldenbremse überhaupt keine makroökonomische Ahnung haben.
Also eine bestimmte Aussage ist „komplett gelogen“ (= wissentlich falsch verkündet), sondern verrät „eklatante Unkenntnis über einfache Begriffe und Prozesse“ (= unwissentlich falsch verkündet). Sie ist – selbstverständlich – keinesfalls unscharf oder mißverständlich formuliert. Aus dieser Formulierung einer Person leitet sich also ab, „dass die meisten Anhänger der Schuldenbremse überhaupt keine makroökonomische Ahnung haben.
Selbstverständlich folgt dieser etwas wirren Behauptungsorgie keinerlei Erklärung, wie es Ihrer Meinung nach richtig ist, obwohl Mitdiskutant Floyd genau darum gebeten hatte.
Mit dem von Ihnen an den Tag gelegten Argumentationsmuster käme ich darauf, dass Sie selbst
es auch nicht so genau wissenvon Tuten und Blasen respektive vom Thema überhaupt keine Ahnung haben, uns deswegen die Hucke volllügen, und auf die Nachfragen und Erklärungsbitten interessierter Kollegen mit Arroganz und Ignoranz reagieren.Die Schuldenbremse in ihrer derzeitigen Ausgestaltung erfüllt nicht ihre eigentliche Funktion, den Nettokapitalstock unserer Volkswirtschaft für zukünftige Regierungen, Parlamente und letztlich die Bürger zu sichern. Sie verhindert, dass Staatsschulden ihre wichtigen ökonomischen Funktionen erfüllen können. Sie ist dringend reformbedürftig.
Es gibt hier bereits aus der ökonomischen Forschung eine Reihe guter Ansätze, ohne dass man den Grundgedanken der Schuldenbremse aus dem Fenster werfen müsste. Leider ist die Debatte um die Schuldenbremse auf der politischen Ebene von rechts und links so erbärmlich platt, so dass hier weder in die eine, noch in die andere Richtung eine für das Land notwendige Reform auf den Weg gebracht werden dürfte.
@ Soeren Schmitz 12. November 2024, 13:14
Die Schuldenbremse in ihrer derzeitigen Ausgestaltung erfüllt nicht ihre eigentliche Funktion, den Nettokapitalstock unserer Volkswirtschaft für zukünftige Regierungen, Parlamente und letztlich die Bürger zu sichern. Sie verhindert, dass Staatsschulden ihre wichtigen ökonomischen Funktionen erfüllen können. Sie ist dringend reformbedürftig.
Das is die eine Seite der Medaille. Die andere ist: Seit 2004 (Amtsantritt von Angela Merkel) haben wir bis heute eine Inflation von etwa 48%. Die Steuereinnahmen stiegen im gleichen Zeitraum über 100%. Es standen also über den Inflationsausgleich hinaus Jahr für Jahr zusätzliche Einnahmen in erheblicher Milliardenhöhe etwa für Bildung, Infrastruktur, Klimaschutz, Verteidigung zur Verfügung. Was ist mit dem ganzen Geld passiert, bzw. wo ging es hin? Hat mir noch keiner was zu erzählen können, außer, dass es weg ist.
Meine Wahrnehmung, dass wir kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem haben, konnte bislang von niemandem widerlegt werden. Wenn wir aber mit Geld nicht umgehen können / es für die falschen Dinge ausgeben / es in der Bürokratie versandet / es mangels fehlender oder falscher Strukturen nicht in produktive Ergebnisse umgesetzt werden kann, können noch mehr Schulden meiner Wahrnehmung nach nicht helfen. Das Geld wird genauso verschwinden wie der Bundeswehr-Sonderfond, aus dem man jetzt die Militärhilfe für die Ukraine bezahlt (und nichts anderes gebacken kriegt).
Das häufigste Argument, das ich höre, ist, dass wir doch etwas tun müssen. Dem stimme ich zu; wir müssten endlich damit anfangen, die Probleme lösen, die uns daran hindern, produktive Ergebnisse zu erzielen. Hab (von wenigen halbherzigen Versuchen der FDP einmal abgesehen) noch niemanden gesehen, der sich das geben will. Und die kriegen gerade von den Medien und der Mehrheit der Wähler ordentlich auf die Nase; keine Motivation für Grüne, SPD oder Union, sich ebenfalls daran zu versuchen.
zu 4
Irgendwann ist einfach genug Veränderung und es braucht eine (meist längere) Phase der Stabilität.
Und genau darin liegt das Problem: Die Welt um uns herum ist derart volatil, dass eben Veränderung das neue Normale ist. Viele Gesellschaften sind bereits mit dieser Dynamik überfordert und es kommt dann zur Flucht zu denjenigen, die versprechen den Wandel aufzuhalten und die „gute alte Zeit“ zu bewahren. Das war schon immer ein Stück weit eine Chimäre, aber in den letzten 5 Jahren hat die Dynamik nochmals stark zugenommen.
Hinzu kommt das inbesondere die GEsellschaften anfällig sind, deren Digitalisierung unzureichend fortgeschritten ist, denn alleine die Digitalisierung ist die Möglichkeit mit der zunehmenden Geschwindigkeit Schritt zu halten. In Deutschland dämmert es jetzt, wie sehr wir schon in den letzten 10 Jahren den Anschluss verloren haben.
Ohne einen Veränderungskraftakt wird uns das nicht gelingen – es bräuchte ein Höchstmaß an Staatskunst, Klugheit und Mut unsere Demokratie hier zusammenzuhalten. Ich habe große Zweifel, dass unsere aktuelle politische Klasse der Aufgabe gewachsen sein wird, aber es muss versucht werden.
Letztlich muss der Souverän der Politik den Spielraum zugestehen. Du kannst noch so ein geiler Typ sein, wenn das Wahlvolk keine Änderung WILL, partout nicht, kannst nix machen.
Ja, absolut richtig – hinzu kommt noch der Bundesrat – da sind die Stimmen auch komplett fragmentiert.
In meinen Augen sind wir in einer ähnlichen Situation wie 1966 – es gibt große Aufgaben im Land und nur eine breite Koalition kann diese grundlegenden Reformen beschliessen.
Deswegen sollten sich Union, Grüne und SPD auf Zeit zusammentun und grundlegende Reformwerke in Gang setzen. Zusammen bringt man die 2/3 im Bundestag und Bundesrat auf. Nach spätestens 2 Jahren sind die Reformwerke erledigt und dann sollen Neuwahlen die weitere Richtung festlegen.
Ist so realistisch wie eine Kanzlerschaft Christian Linders, aber IMHO die einzige Möglichkeit, dass das Land einen großen Schritt nach vorne macht.
Für echte Reformwerke ist vieles noch zu volatil.
In vielen Fragen wissen wir nicht, was da rauskommt. Deutschland ist zu klein, um die Linien zu bestimmen.
Ich wünsche mir eine engere Zusammenarbeit mit den Nachbarn in Benelux, Frankreich, Polen, Tschechien, Skandinavien und dem Baltikum.
Die Ampel war leider viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
Ich glaube, es ist gar nicht so relevant, WER die Regierung bildet (2/3 Mehrheit brauchen wir nicht wirklich) als dass der Entschluss für Reformen da ist. Dann kann auch eine 51%-Mehrheit das durchziehen.
Da wäre ich skeptisch denn die wesentlichen Reformen betreffen in meinen Augen vier wesentliche Kernthemen:
– Föderalismusreform
– Reform der Schuldenbremse / Fiskalpolitischer Instrumente
– äußere Sicherheit / Streitkräfte
– Energie
Alle diese Themen sind derart grundlegend, dass diese in meinen Augen nur intrafraktionell gelöst werden können. Das sind wesentliche Weichenstellungen für die kommenden Jahrzehnte. Es sind Blocker, die jeder künftigen Regierung erhebliche Steine betreffend der Handlungsfähigkeit in den Weg legen. Hier bräuchte es einen grundlegenden Kompromiss / Lösungsweg, der von Folgeregierungen fortgeschrieben wird.
Das löst sich zur in einer breiten Mehrheit und das Zeitfenster wird durch das erstarken der extremen Rechten und LInken sehr knapp.
Ich sehe halt nicht, dass dieser Kompromiss geschlossen wird. Aber ich werde da echt gerne eines Besseren belehrt.
„erstarken der extremen Rechten und LInken“
der Linken? Die erstarkt nicht, im Gegenteil.
Kommt drauf an ob der BSW unter „links“ läuft.
4) Ich mochte den Vergleich von Haffner, weiß aber gar nicht, ob der noch so gilt, in einem Mehrparteiensystem vielleicht auch gar nicht so gelten kann.
denn a. liebäugelt auch das konservative Lager mit radikalen Tendenzen, was mit dem Status Quo nicht mehr soviel zu tun hat (konservative Revolution oder sowas)
und b. sowohl Schröder als auch Merkel haben vor Wahl/Regierungswechsel schon zur anderen Seite geneigt aus taktischen Gründen (zb. Ehe für alle oder Mindestlohn)
Auch der Alltagstrott kann ja ermüden und zu Veränderungsdruck führen, es dauert nur länger und ich sehe da den Wechsel zu den Progressiven auch als eine Art Aufräumkommando, um überfällige (dann sogar oft wegweisendere) Änderungen anzustoßen, die Konservative nicht aus eigenem Antrieb machen würden. Glaub in den 60ern unter Brandt (?) war das z.B. die Liberalisierung der Familienpolitik oder wie mir nach Steinkes Buch aufgefallen ist auch Richtungswechsel im Justizwesen.
Da fehlt mir jetzt das Faktenwissen, aber ich wäre nicht verwundert, wenn jeder fünf große legislative Durchbrüche aufzählen würde und das Gros wäre auf kurze Phasen von Linksbündnissen zurückzuführen (die die Konservativen dann halt die nächsten 20 Jahre verwalten – die andere Regel ist nämlich auch, dass sie in der Umsetzung häufig geschickter sind^^)
Ja, das vergessen die Freiheitsfreunde gern – dass wir (auch sie) vieles von dem, was eine freiheitliche Gesellschaft ausmacht, den schlimmen Linken verdanken, die ja nie was kapieren und in ihren Schädel reinkriegen (wie man hier immer wieder lesen kann).
@ CitizenK 13. November 2024, 08:31
Ja, das vergessen die Freiheitsfreunde gern – dass wir (auch sie) vieles von dem, was eine freiheitliche Gesellschaft ausmacht, den schlimmen Linken verdanken, die ja nie was kapieren und in ihren Schädel reinkriegen (wie man hier immer wieder lesen kann).
Wenn Du die „schlimmen Linken“ durch die „schlimmen Rechten“ oder die „schlimmen Liberalen“ ersetzt, passt es genau so gut. Und Vieles von dem, was unserer Gesellschaft schadet, kommt ebenfalls von links, rechts oder von irgendwo dazwischen.
Was aber links in der Tat nicht in den Kopf zu kriegen scheint, ist, dass es einen halbwegs lockeren Zusammenhang zwischen Ausgaben und Einnahmen geben sollte.
Seh‘ ich doch:
https://www.finanzwende-recherche.de/insider-story/wir-koennten-mehr-steuern-zahlen/
Dem (oder der) kannste nich „Sozialneid“ vorwerfen wie mir.
@ CitizenK 14. November 2024, 07:14
Vorab: Fühl dich wegen des Sozialneid-Vorwurfs bitte nicht persönlich angesprochen. Aber ich denke, dass für die meisten, die von anderen, besser verdienenden Menschen höere Steuern eintreiben wollen, Sozialneid eine bewusste oder unbewusste Komponente ist.
Es ist ein linkes ideal, dass alle menschen in Gleichheit leben sollen, und sie beziehen in die Gleichheit das Vermögen oder das Einkommen mit ein (und wählen – oh Wunder – das eigene Vermögen oder Einkommen als Normal). Das Normal ist nicht „ich habe ein Dach über dem Kopf, kann ausreichend essen, mich kleiden, werde vom Staat geschützt, meine Kinder können zur Schule gehen“ whatever, sondern stets die Abweichung zu jemandem, der mehr hat; keiner schaut nach unten, wo sich 80 bis 90% der restlichen Welt herumtreiben. Wenn aber nun ein besserverdienender oder vermögender Mensch fordert, dass dann alle die gleiche Leistung bringen müssen, ist das Geschrei groß.
Egal,wohin Du schaust: Die Natur ist auf Wettbewerb ausgelegt, der Starke / Erfolgreiche soll den Schwachen / weniger Erfolgreichen verdrängen. Und wenn nun einer fordert, dass (wie Du es immer wieder gerne formulierst) starke Schultern mehr tragen sollen, dann tun die das bereits.
Zu Deinem Beispiel: Da geht es um ein Unternehmen, nicht um Privatpersonen. Und jeder, der glaubt, zu wenig Steuern zu zahlen, kann doch freiwillig mehr machen – passiert aber nur in homöopathischen Dosen.
An der Stelle kommen wir vermutlich nicht mehr aufeinander. Das liegt nicht daran, dass ich so unglaublich viel Geld habe (ich nehme an, dass unsere Lebensstandards nicht so sehr voneinander abweichen), sondern dass ich zu hart dafür arbeiten musste, als dass ich mir von einem Rosinenpicker (wieder allgemein und nicht persönlich gemeint) was wegnehmen lassen möchte.
„der glaubt, zu wenig Steuern zu zahlen, kann doch freiwillig mehr machen“
Interessanter Punkt. Warum geschieht das nicht? Das Argument kommt ja immer wieder, auch hier (StefanP).
Anekdotisch: Bei der Steuererklärung frage ich mich manchmal: Wenn ich höhere Staatseinnahmen will, sollte ich konsequenterweise dann nicht auf die (legale, natürlich) Absetzung dieses oder jenes Postens verzichten? Dann denke ich an die legalen und illegalen Möglichkeiten der wirklich Großverdiener und Hochvermögenden. Es geht um Gleichbehandlung, der Ehrliche will halt auch nicht immer der Dumme sein (Ulrich Wickert). Das gilt wohl auch für die Tax-the-Rich und die Tawmenow-Leute.
„keiner schaut nach unten“. Ich schaue in beide Richtungen. Auch bei staatlichen Einnahmen und Ausgaben.
@ CitizenK 15. November 2024, 10:13
Interessanter Punkt. Warum geschieht das nicht?
Mit dem Mundwerk sind alle Helden.
Dann denke ich an die legalen und illegalen Möglichkeiten der wirklich Großverdiener und Hochvermögenden. Es geht um Gleichbehandlung, der Ehrliche will halt auch nicht immer der Dumme sein …
Es fällt mir immer schwer, auf so etwas angemessen zu antworten. Wenn Du Dir Gedanken über die Besteuerung von Menschen machst, urteilst Du. Wenn Du Deine Steuervorteile nutzt und vermutest, dass andere, die mehr haben oder verdienen, noch mehr Steuervorteile nutzen, urteilst Du (Vermutung meinerseits: ohne exakte Kenntnisse der Umstände), und ich krame wieder in der Kiste mit der Aufschrift „Sozialneid“ nach den passenden Vorwürfen. Ein Herr Wickert hat locker das Doppelte verdient wie ich in meinen besten Zeiten, aber auch er scheint sich als „ehrlich“ und „normal“ zu betrachten und „verbrüdert“ sich mit Leuten, die weniger haben als wir; das ist billig.
Das mit der Gleichbehandlung ist schwierig. Wer das 5-fache von 2.000 Euro verdient, zahlt das 14-fache an Steuern – ist das Gleichbehandlung?
Die Menschen sind nicht gleich, zwischen den Ohren nicht, und im Portemonnaie nicht. Zu versuchen, sie gleichzustellen, ist dementsprechend genauso ungerecht wie der Versuch, den Status quo festzuschreiben.
… „keiner schaut nach unten“. Ich schaue in beide Richtungen. Auch bei staatlichen Einnahmen und Ausgaben.
Irgendwie kommt das nie so richtig rüber. Bei Lohn, Gehalt oder sozialen Leistungen ist es Dir irgendwie immer zu wenig, bei Steuern auch. Staatsausgaben sollen hoch, obwohl Du mir – außer, dass wir „was machen müssen“ – noch kein einziges Mal ein Argument gebracht hast, warum wir mehr Geld ausgeben können, ob wohl wir es offenbar nicht vernünftig ausgeben können.
Ist für mich schwierig, gegen idealisierte Vorstellungen anzuargumentieren, die so gar nicht meiner Lebenserfahrung entsprechen.
… ich nehme an, dass unsere Lebensstandards nicht so sehr voneinander abweichen …
Ist richtig und auch so eines der Dinge, die mich an aktuellen „Reichen“-Debatten so sehr stören: Der Lebensstandard der unteren bis oberen Mittelschicht, also von mehr als zwei Dritteln der deutschen Bevölkerung, ist grosso modo ähnlich mit qualitative, aber graduellen, Abweichungen. Gemeinsam ist allen, dass sie morgen nicht aufhören können, für ihre Lebensunterhalt zu arbeiten.
Drastische Abweichungen gibt es (unten) nur für Hartz IV-Empfänger bzw. Leuten, die auf ähnlichem Niveau verdienen, und (oben) für deutlich weniger als 1% der Einkommenbezieher.
Gruss,
Thorsten Haupts
Aber von denen ist doch die Rede. Der Vorwurf ist ein wenig ungerecht: es sind ja gerade die Bürgerlichen, die diese Unterschiede ständig verwischen, indem sie suggerieren, dass „Reiche“ eben irgendwie 60% wären und nicht 1%.
@ Stefan Sasse 15. November 2024, 12:50
Aber von denen ist doch die Rede. Der Vorwurf ist ein wenig ungerecht: …
ich finde nicht, denn von den 1% spricht man in der Theorie; wenn es um konkrete steuerliche Massnahmen geht, betreffen die in der Regel die oberen 30% bis 60%.
… es sind ja gerade die Bürgerlichen, die diese Unterschiede ständig verwischen, indem sie suggerieren, dass „Reiche“ eben irgendwie 60% wären und nicht 1%.
Die oberen 10% (also nicht nur das obere Prozent der „Reichen“) zahlt 50% der Einkommenssteuer. Und die allermeisten der oberen 10% sind nicht „reich“, da sie für ihren (sicherlich gehobenen) Lebensstandard arbeiten müssen. Was ist an einer solchen Schieflage gerecht?
Das als OK wahrzunehmen geht nur, wenn man darauf schaut, wie viel man wem wegnehmen kann. „Fair“ wäre ein konstanter Steuersatz (von, sagen wir mal, 25% wie bei der Kapitalertragssteuer) unabhängig vom Einkommen. Dann würde jemand, der das x-fache des Gehalts eines anderen verdient, auch das x-fache an Steuern zahlen. Diese Situation haben wir nicht.
Ich nicht. Dass das in der Politik immer wieder passiert – korrekt.
Was „fair“ ist, ist subjektives Gerechtigkeitsempfinden. Das kann man nicht objektivieren.
@ Stefan Sasse 17. November 2024, 19:43
Was „fair“ ist, ist subjektives Gerechtigkeitsempfinden. Das kann man nicht objektivieren.
Das weiß ich doch. Und Du weißt, dass mir das klar ist.
Die Begrifflichkeiten werden ja immer wieder in die Debatte eingeworfen, deswegen war es mir wichtig, auch für die Mitlesenden nochmal drauf hinzuweisen. Ich will dir ja nicht deine Fairness-Definition absprechen oder so, aber ich bin anderer Ansicht, wie ebenfalls hinreichend bekannt ist 🙂 Nur lohnt es wenig zu sagen „nein, fair ist X“, weil es eine normative Zuschreibung ist; daher mein Kommentar.
Ja.
Zum letzten Absatz (fünf große legislative Durchbrüche) fange ich mal an:
Familienrecht: Scheidungsreform 76 – Sozialliberal – Gut gemacht
Sozialrecht: Hartz IV – Rotgrün – gut gemeint, abgrundtief schlecht umgesetzt
Mietrecht: Entfristung MV, Staffel- und Indexmieten – theoretisch gut, aber Zementierung des Wohnungsmangels
Steuerrecht (ESt): Abgeltungssteuer – konservativliberal – gut gedacht, aber ausnutzbare Lücken
Arbeitsrecht : Mindestlohn – Groko – gute Umsetzung, weniger Probleme als befürchtet
Puh, na da hab ich ja was losgetreten. Das ist natürlich subjektiv, aber ich würde da tatsächlich hauptsächlich an Liberalisierungen denken oder Arbeitnehmerrechte.
Entkriminalisierung Homosexuelle 1969 Straffreiheit- (entweder Brandt oder GroKo davor, hab den Monat nicht gefunden^^) – Streichung btw 1994 unter Kohl, dann Rot-Grün mit eingetragener Lebenspartnerschaft & erster Anerkennung + Entschädigung früherer Urteile (übrigens da auch erst in der NS-Zeit), das ging dann in der GroKo weiter mit Anerkennung früherer Urteile und Ehe für alle
Liberalisierung Familien/Scheidungsrecht – Brandt
heutige Abtreibungsregel – Schmidt
Vergewaltigung in der Ehe – Schröder (hallo Herr Merz!)
die kleineren Sachen wie eigenes Konto, Job ohne Genehmigung des Mannes etc. hab ich jetzt nicht gegoogelt, ich will mal stark hoffen, dass die Konservativen da zumindest mal irgendwo beteiligt waren?
Entgeltfortzahlungsgesetz – Bismarck^^ die heutigen Regelungen entstammen von 1969 (Brandt) und 1994 (Kohl – der hat btw einen Wiedervereinigungsbonus^^)
gewaltfreie Kindeserziehung – 2000 – Schröder
Mindestlohn – Merkel/GroKo
Gibt bestimmt vieles, wo ich jetzt nicht dran gedacht hab oder was nicht in Listen passt (Wiedervereinigung) – oder die mehr ein Prozess waren/sind (Ostpolitik oder zb Holocaust/Nazi-Aufarbeitung),
Zitat Ariane:
„Entkriminalisierung Homosexuelle 1969 Straffreiheit- (entweder Brandt oder GroKo davor, hab den Monat nicht gefunden^^) “
Groko davor. Bei der Verabschiedung des gesamten Gesetzespaketes, das noch zahlreiche weitere Liberalisierungen im Strafrecht enthielt, im Mai ’69 im BundesRAT war ich zufällig dabei (als Zuschauer auf der Tribüne); dank Schul-Exkursion zwecks politischer Bildung^. Motor des Ganzen war Justizminister Heinemann. Zu diesem Zeitpunkt schon zum Bundespräsidenten gewählt.
Zitat:
„die kleineren Sachen wie eigenes Konto, Job ohne Genehmigung des Mannes etc. hab ich jetzt nicht gegoogelt, ich will mal stark hoffen, dass die Konservativen da zumindest mal irgendwo beteiligt waren? “
Eher Weinger bis gar nicht^. Die „kleineren Sachen“ gehen darauf zurück, dass es im Art 3, Abs. 2, GG lapidar heißt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Punkt, Ende. Der eigentlich geplante Hintertürchen-Zusatz im GG, der bewirken sollte, dass das in der „normalen“ Gesetzespraxis keine Auswirkungen hat, wurde von konservativen Herren ALLER PARTEIEN, einschl. SPD angestrebt, aber wesentlich von dieser Frau verhindert:
https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_Selbert
Sie wurde danach von ihrer angeblich fortschrittlichen Partei allerdings nicht belohnt, sondern eher geschnitten.
Zahlreiche „kleinere“ Gesetze mussten daraufhin angepasst werden, was konservativen Herrschaften ALLER PARTEIEN sind sonderlich gefallen hat und deshalb vetzögert wurde. Von Wahlerfolgen bei Frauen aus diesen Gründen kann allerdings auch keine Rede sein, eher im Gegenteil. So ist das Leben.
Zitat:
„Entgeltfortzahlungsgesetz – Bismarck^^ die heutigen Regelungen entstammen von 1969 (Brandt) “
Ähm…im Wesentlichen Groko. Die wird ja immer unterschätzt. Aber diese Diskussion hatten wir hier ja schon mal vor längerer Zeit^.
Der Punkt ist u.a. der, dass die Frage wer jeweils in welchen Topf (konservativ/fortschrittlich) reingehört, gar nicht so einfach zu klären ist^, ganz zu schweigen davon, dass die Begriffe selbst schon Wanderdünen sind.
Vielen Dank für die Ergänzungen! 🙂
Groko davor. Bei der Verabschiedung des gesamten Gesetzespaketes, das noch zahlreiche weitere Liberalisierungen im Strafrecht enthielt, im Mai ’69 im BundesRAT war ich zufällig dabei (als Zuschauer auf der Tribüne); dank Schul-Exkursion zwecks politischer Bildung^. Motor des Ganzen war Justizminister Heinemann. Zu diesem Zeitpunkt schon zum Bundespräsidenten gewählt.
Sehr cool, war eine richtig tolle legislative Periode zu der Zeit irgendwie.
Sie wurde danach von ihrer angeblich fortschrittlichen Partei allerdings nicht belohnt, sondern eher geschnitten.
Zahlreiche „kleinere“ Gesetze mussten daraufhin angepasst werden, was konservativen Herrschaften ALLER PARTEIEN sind sonderlich gefallen hat
Ist ja nicht so, dass die alten Männer in der SPD ihren Chauvinismus bis heute nicht gelegentlich pflegen würden^^
Sie haben sich halt weniger vehement dagegen gestellt oder hatten die kämpferischeren Frauen – btw auch die FDP zur damaligen Zeit nicht zu vergessen, als das mit der Liberalität noch ernstgemeint war.
Zufällig entdeckt: dass Lenelotte von Bothmer die Ehre hatte als Erste im Hosenanzug aufzutreten lag an ihrer Figur, die symbolische Idee kam von Funcke aus der FDP:
https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag4530.html
Der Punkt ist u.a. der, dass die Frage wer jeweils in welchen Topf (konservativ/fortschrittlich) reingehört, gar nicht so einfach zu klären ist^, ganz zu schweigen davon, dass die Begriffe selbst schon Wanderdünen sind.
Ja, ist nicht so eindeutig, wie es hier scheint (war selbst etwas erstaunt tbh) – also zumindest haben ja die meisten Konservativen wohl ihren Frieden mit Rechten für Frauen und Homosexuelle etc. gemacht.
Aber gerade da das Thema ja backlashes waren, find ich es nicht falsch, darauf hinzuweisen, dass das die großen Errungenschaften sind, nicht ein Heizungsgesetz oder 1% Steuern rauf oder runter.
Wenn im Februar Merz – womöglich mit Söder und Lindner im Schlepptau – gewählt werden und überall ne Autobahnspur mehr dranklatschen und das AKW in Brunsbüttel wieder hochfahren, bin ich nicht begeistert, aber ein Weltuntergang wirds wohl auch nicht.
Wenn hier aber die ersten ernsthaft mit „Your body, my choice“ um die Ecke kämen, wäre das schon ein anderer Schnack.
Ich habe bewusst auf Strafrecht verzichtet, weil man da viel zu gut streiten kann, was Fort- und was Rückschritt ist (gilt doppelt für Sexualstrafrecht).
aber da hast du ein paar zeitliche Fehleinschätzungen drin (alle zulasten der Kohl-Regierungen nach der Wiedervereinigung):
Der § 175 wurde 1992 endgültig abgeschafft.
Der § 218 Abtreibungskompromiss ist von 1994
Die Vergewaltigung in der Ehe wurde schon 1997 unter Strafe gestellt.
Ich denke, die gesellschaftliche Dynamik dieser Jahre und der Wunsch, eine „Gesellschaft für alle Deutschen“ zu schaffen wird heute stark unterschätzt.
Ah danke für die Ergänzungen:
Der § 175 wurde 1992 endgültig abgeschafft.
Der § 218 Abtreibungskompromiss ist von 1994
Hier finde ich aber sowieso die Straffreiheit ist der eigentliche Durchbruch, damit ist der Hauptkampf ausgefochten. Sieht man ja bei Abtreibung und ich wäre sehr für eine komplette Entkriminalisierung, aber das eigentliche Recht auf Abtreibung wird nur noch von einer geringen Minderheit generell in Frage gestellt. Bei Homosexualität genauso (die Zeitspanne zwischen Straffreiheit und Entkriminalisierung war deutlich länger als von da zur eingetragenen Lebenspartnerschaft)
Ich denke, die gesellschaftliche Dynamik dieser Jahre und der Wunsch, eine „Gesellschaft für alle Deutschen“ zu schaffen wird heute stark unterschätzt.
Das gilt ja generell, die individuellen Freiheiten haben sich in der Gesellschaft viel schneller und extremer durchgesetzt als es die Gesetze abbilden (können) und das passiert ja auch genauso innerhalb der Parteien, die Union hat ja auch kein Problem mehr mit Frauen in Hosen oder der Ehe für alle.
@ Ariane 13. November 2024, 18:18
Die Liste ist zutreffend, aber dennoch Rosinenpickerei. Es liegt in der Natur der Sache, dass Progressive deutlich mehr Veränderungen vom Status quo anstreben als Konservative. Es sollte klar sein, dass nicht alle Veränderungen gut sind. Sich nur diese herauszupicken (wobei nicht jeder all das als gut empfindet, was Progressive für gut halten), gibt ein schiefes Bild.
Klar, aber wie du schon sagst, ist das auch eine normative Frage. Progressive finden Veränderungen im Aggregat eher gut, Konservative eher schlecht. Jede solche Liste ist daher mit einer Schieflage versehen. Eine Liste toller Änderungen wird immer Konservative annerven, während eine Liste mit verhinderten Veränderungen Progressive nervt.
Zu 4)
Now we’re suffering through the usual backlash and politics is moving slightly rightward. Mainstream Democrats can either fight this or accept it. The former guarantees irrelevance while the latter delivers public acceptance at a modest price …
Diese Beurteilung ist sehr klar und entspricht grosso modo der Einschätzung einer Reihe von „traditionellen“ amerikanischen Liberalen, denen ich auf twitter folge. Entweder die US-Demokraten folgen dem Rechtsruck ein Stück weit oder sie finden sich für viele Jahre dauerhaft in der Opposition.
Gruss,
Thorsten Haupts
Korrekt, gilt ja für die Grünen auch.
m) Im Gegenteil, genau die Veteranen waren deutlich pro-Trump
https://responsiblestatecraft.org/veterans-vote-trump/
h) Bleibt eine dumme Entscheidung, ja.
Diesen Post zu veröffentlichen … ja.
Robert Boni:
Stell dir vor du bekämpfst 1,5 Jahre völlig sinnlos die #Gruenen weil du ideologisch vollkommen verblendet bist und hast dann als Resultat die deutsche Vertreterin eines Massenmörders als Koalitionspartners an der Backe, die dir Bundespolitik diktiert.
So viel hohlen Mist auf so wenig Platz zu verfassen mag eine sehr spezielle Kunst sein, mehr aber auch nicht. Wieso ist es „völlig sinnlos“, die Grünen zu bekämpfen, wenn man eine andere politische Meinung hat? Was bedeutet in diesem Zusammenhang “ ideologisch vollkommen verblendet“?
Unbestätigten Gerüchten zufolge gehört zur Demokratie, dass man mit unterschiedlichen Vorstellungen und Themen gegeneinander antritt; sollte man dem jungen Mann (vom Niveau seines Textes her steckt er mental im Anfang der Pubertät) mal erklären.
Und was das Thema Ideologie angeht, hat er recht, wenn man jede Abweichung von grünem Gedankengut (dass offenbar nie nicht, unter keinen Umständen durch Ideologie geprägt ist) als ideologisch brandmarkt.
Danke,
Bruno BananiRobert Boni! Dein erschreckend hohler Kommentar ist für mich einmal mehr eine intellektuell scharfsinnig vorgetragene Begründung, um Themen wie „links“, „Populismus“ oder „X“ noch weitere Bögen zu schlagen als bisher.Erwin, Du verstehst den Mindset solcher Beiräge nicht 🙂 . Aus der Sicht des Verfassers sind wir NICHT beim Streit um die richtige Politik, sondern im Endkampf der Demokraten gegen Nazis. Der aber wird von ALLEN Demokraten gegen die Macht der Finsternis geführt und darum ist es folgerichtig, jeden internen Streit innerhalb dieser Demokraten als Spaltung zu brandmarken.
Gruss,
Thorsten Haupts
@ Thorsten Haupts 14. November 2024, 10:04
Aus der Sicht des Verfassers sind wir NICHT beim Streit um die richtige Politik, sondern im Endkampf der Demokraten gegen Nazis. Der aber wird von ALLEN Demokraten gegen die Macht der Finsternis geführt und darum ist es folgerichtig, jeden internen Streit innerhalb dieser Demokraten als Spaltung zu brandmarken.
Ganz offensichtlich fehlen mir Deine Erfahrungen mit studentischer Politik. Oder einigen anderen Leuten fehlen Erfahrungen mit dem ganz normalen Leben.
Ich erinnere mich mit Wehmut an die Zeit, als ich – als einziger Mensch auf dem Planeten – alles wusste und immer recht hatte. Aber irgendwann war halt die Pubertät vorbei.
Wenn Begriffe wie „fair“ und „gerecht“ ganz und gar subjektiv und in gar und überhaupt keiner Weise ent-subjektivierbar (objektivierbar) wären, wären sie sinnlos.
John Rawls‘ „Gerechtigkeit als Fairness“ ist ein Versuch. Ein gelungener, wie ich meine.
Ich bin kein Rawls-Experte, hast ein tl;dr?
Muss Ihnen da widersprechen. Rawls Gerechtigkeitstheorie ist theoretisch interessant, abstrakt, blutleer und letztendlich natürlich nicht „objektiv“. Kann sie auch gar nicht sein, das ist Menschen immanent. Und er legt – anders als z.B. mein Hausphilosoph Popper – nach meiner Erinnerung die in seine Theorie einfliessenden Axiome nicht offen.
Ich halte schon sehr lange den Versuch, „Gerechtigkeit“ zu objektivieren, für eine rein gymnastische Denkübung.
Gruss,
Thorsten Haupts
@Stefan: Als kurze Einführung
https://www-drze-de.translate.goog/en/research-publications/in-focus/animal-experiments-in-research/modules/john-rawls-justice-as-fairness?_x_tr_sl=en&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=rq
Genau diese Replik von Ihnen hatte ich erwartet 🙂 Es stimmt ja auch: Handlungsanweisungen für konkrete politische Entscheidungen kann man daraus nicht ableiten. Das ist aber auch nicht Zweck der Übung.
Rawls (Amerikaner) wendet sich gegen extreme Formen des Liberalismus und des Kollektivismus. Soweit nichts Neues. Die (sozial-)liberalen Demokratien Westeuropas sind bzw. waren da ja mehr oder weniger nah dran, auch wir: Soziale Marktwirtschaft, Sozialstaat.
Ich bin halt der Auffassung, dass Diskussionen über „soziale Gerechtigkeit“ nicht sinnlos sind (wie E. G.) , weil halt alles subjektiv sei. There is “ a such thing as society“ und daher gibt auch die Frage nach „social justice“ durchaus Sinn. „Objektivierbar“ ist als Suchbewegung gemeint, weg von reiner Beliebigkeit/Willkür.
„Fairness“ ist ein besserer Begriff als das religiös/ideologisch aufgeladene „Gerechtigkeit“ und säkular/ideologiefrei weitaus mehr akzeptiert (Sport). Wenn das Tor von Team A einen Meter breiter ist das das von Team B, dann ist das – unfair. Wie die Lebenschancen von Individuum A mit reichem Eltern und die von Individuum B ohne diese. Und so weiter.
Fairness kann man leichter negativ definieren als positiv.
Wenn man allerdings Fairness als Kriterium völlig negiert, dann ist eine Diskussion in der Tat sinnlos.
Sie wissen ja aus vorangegangenen Diskussionen, wie ich z.B. zum Ausgleich frühkindlicher Bildungsnachteile stehe 🙂 .
Aber lassen Sie mich an Ihrem Argument … unfair. Wie die Lebenschancen von Individuum A mit reichem Eltern und die von Individuum B ohne diese. einmal meine Bauchschmerzen durchexerzieren. Um das – vollständig – auszugleichen, müssen alle Menschen in einer engen Bandbreite etwa gleich viel Geld verdienen. In einer halbwegs freien Gesellschaft nicht umsetzbar. Und selbst, wenn es umsetzbar wäre: Aus der empirischen Sozialforschung wissen wir, dass schöne oder besonders grosse Menschen Lebensvorteile im Beruf haben. Ebenso Menschen aus Bildungshaushalten, unabhängig vom Einkommen. Aus meiner persönlichen Lebenserfahrung weiss ich, welche Rolle Willensstärke, Einsatzbereitschaft oder persönlicher Charme spielen. Überwiegend angeboren.
Mit dem vollständigen Ausgleich strikt materieller Nachteile, selbst wenn der machbar wäre, hätten Sie also geschätzt maximal 25% der anderen Vor- und Nachteile der genetischen Lotterie, deren Produkt wir (bisher, das ändert sich gerade) sind, eliminiert. Ich bin nicht davon überzeugt, dass die Kosten hier den Nutzen rechtfertigen, das ist alles. Abgesehen davon landen Sie mit dem vollständigen Ausgleich materieller Geburtsnachteile automatisch im weltweiten Zwangssozialismus, anders ist das nicht zu bewältigen 🙁 .
Gruss,
Thorsten Haupts
Ja. Aber mit welcher Begründung beim frühkindlichen Ausgleich stehenbleiben?
Einen „vollständigen Ausgleich“ will Rawls nicht, ich nicht, und auch sonst niemand außer ein paar verbohrten Ideologen oder Träumern. In meiner Sicht ist die Sozialdemokratie (nicht unbedingt die real existierende!) die Umsetzung von Rawls‘ theoretischem Ansatz. Dass dies nicht schon „der Weg in die Knechtschaft“ ist (wie Hayek und seine Jünger meinen), hat die Geschichte gezeigt.
Sie sind „…nicht davon überzeugt, dass die Kosten hier den Nutzen rechtfertigen“ Ich schon. Das ist unser Dissens in dieser Frage, eigentlich der einzige. Ich finde, es ist den Schweiß der Edlen wert, es zu versuchen.
Ja. Aber mit welcher Begründung beim frühkindlichen Ausgleich stehenbleiben?
Genau diese Frage ist der Grund, warum ich diese abschüssige Strasse gar nicht erst betreten werde. Sie landen folgerichtig und denknotwendig bei „dem vollständigen Ausgleich strikt materieller Nachteile“, weil – warum vorher stehenbleiben?
Die Zeitläufte sind eigentlich nichts für solche theoretischen Diskussionen, aber eines möchte ich Sie doch noch gern fragen: Ist Ihnen bewusst, dass Sie mit dieser aus Lebenserfahrung gewonnen Einsicht
„….welche Rolle Willensstärke, Einsatzbereitschaft oder persönlicher Charme spielen. Überwiegend angeboren“
die Begründung aushebeln für die materielle Ungleichheit (Arm/Reich) in der „Leistungsgesellschaft“?
Ja. Ich frage mal höflich zurück: Glauben Sie wirklich, die Idee der „Erfolg ist überwiegend auf eigene Leistung zurückzuführen“ hätte jemals eine Mehrheit von Leuten ernstgenommen? Dann hätten diese Leute nämlich darauf schliessen müssen, dass ihr Misserfolg überwiegend auf ihr eigenes, zu steuerndes, Fehlverhalten zurückzuführen ist ?! Ich habe extrem selten (ca. 1 von 500) jemanden getroffen, der das wirklich so sah.
Gruss,
Thorsten Haupts