Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.
Fundstücke
1) The Philosophy of Liberty – On Liberalism
Der Artikel beleuchtet die politischen Grundsätze des Liberalismus, auf denen die Vereinigten Staaten gegründet wurden, und setzt sich mit deren Bedeutung und Wirksamkeit auseinander. Liberalismus im ursprünglichen Sinne betont individuelle Freiheiten und Rechte gegenüber den Ansprüchen der Gemeinschaft. Historisch gesehen entstand der Liberalismus als Antwort auf die intensivere staatliche Kontrolle und religiöse Fragmentierung im frühmodernen Europa, insbesondere nach den Religionskriegen und dem Englischen Bürgerkrieg. Der Liberalismus setzt darauf, bestimmte persönliche Freiheiten – wie Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und Eigentumsrechte – aus der politischen Sphäre herauszunehmen, um gesellschaftliche Konflikte zu minimieren. Die USA wurden 1776 als erste liberale Nation gegründet, basierend auf den Prinzipien der Gleichheit und unantastbaren Rechten. Diese Ideale wurden jedoch oft unvollständig umgesetzt, was die Abschaffung der Sklaverei und den Kampf um Bürgerrechte und Gleichberechtigung einschloss. Trotz dieser Unvollkommenheiten haben liberale Demokratien im Vergleich zu anderen politischen Systemen enorme Erfolge in Bezug auf Lebensqualität, Stabilität und Sicherheit erzielt. Aktuell steht der Liberalismus vor Herausforderungen durch anti-liberale Bewegungen und autoritäre Regime. Der Artikel betont, dass die USA an ihren liberalen Grundsätzen festhalten müssen, um Freiheit und Wohlstand zu sichern. (Bret Deveraux, A Collection of Unmitigated Pedantry)
Ich empfehle den kompletten Artikel zur Lektüre, wie üblich bei Bret Deveraux ist er lang, ausführlich und absolut lesenswert. Seine Betonung des Liberalismus als Problemlösungsmaschine finde ich super wichtig, weil das Narrativ von seiner angeblichen Ineffizienz gegenüber autoritären Lösungen einfach nicht totzukriegen ist. Sein Hinweis darauf, dass es gerade liberale Gesellschaften sind, die sich in den Kriegen des 20. Jahrhunderts als besonders resilient erwiesen haben, finde ich an der Stelle besonders wertvoll. Deveraux arbeitet auch schön die dem Liberalismus inhärenten Spannungen heraus, vor allem bezüglich der verschiedenen Lösungsansätze, und vermag es, allzu platte Kontraste zu vermeiden und eine tiefschürfende wie detailreiche Erklärung zu bieten. Absolute Leseempfehlung!
2) Prüfungen in Räumen mit hohen Decken führen zu schlechteren Ergebnissen
Eine neue Studie von Wissenschaftlerinnen der University of South Australia und der Deakin University zeigt, dass größere Räume mit hohen Decken negative Auswirkungen auf die Prüfungsergebnisse von Studierenden haben. Die Forscherinnen Isabella Bower und Jaclyn Broadbent analysierten die Daten von 15.400 Studierenden und stellten fest, dass diese in Räumen mit höheren Decken schlechter abschnitten als erwartet. Dabei wurden individuelle Unterschiede und frühere Leistungen berücksichtigt. Die Ergebnisse legen nahe, dass hohe Decken und große Räume möglicherweise Konzentrationsprobleme verursachen. Faktoren wie die Nutzung der Räume für andere Zwecke, schwankende Temperaturen und schlechte Luftqualität könnten ebenfalls eine Rolle spielen. Vorhergehende VR-Experimente zeigten, dass größere Räume zu einer Gehirnaktivität führen, die mit erhöhter Konzentration auf schwierige Aufgaben verbunden ist, was die Leistung negativ beeinflussen könnte. Die Forscherinnen betonen die Wichtigkeit, die physischen Umgebungen so zu gestalten, dass alle Studierenden gleiche Chancen auf Erfolg haben. (News4Teachers)
Man sollte die Überschrift nicht überbewerten; wie der eigentliche Artikel deutlich zeigt, ist die Kausalität nicht eindeutig beweisbar. Relevant ist für mich etwas anderes: Prüfungen in anderen Räumen zu schreiben hat eine signifikante Korrelation zu den Noten, signifikanter als viele andere Faktoren. Das belegt einmal mehr, wie wenig objektiv Noten sind und wie viele Faktoren in ihre Bildung hineinspielen, die völlig außer Kontrolle der Schüler*innen liegen. Sie messen einfach nicht, was sie vorgeben zu messen, sie sind scheingenau. Das sollte man immer im Hinterkopf haben, wenn man sie begutachtet oder bewertet. Siehe zum Thema auch dieses Fundstück von cimourdain und Resteramp n).
3) Let’s Talk About Trump’s Gibberish
Donald Trump hat es geschafft, seine bizarren Reden als normale politische Äußerungen erscheinen zu lassen, so dass sie von vielen Menschen und den Medien akzeptiert werden. In Las Vegas sprach er kürzlich über die hypothetische Situation, wie man einen Hai mit einer Bootsbatterie elektrokutiert – ein weiteres Beispiel seiner seltsamen Monologe. Solche Momente zeigen deutlich, dass er emotional instabil ist und nicht für ein politisches Amt geeignet ist, besonders nicht für das Präsidentenamt mit der Kontrolle über das Nukleararsenal. Trump wird oft dafür bewundert, dass er seine emotionalen Ausbrüche als Ausdruck seiner New Yorker Art oder seiner Leidenschaft darstellt. In Wirklichkeit aber weisen sie auf tiefere Probleme hin. Seine Reden beinhalten oft unzusammenhängende Fantasien und zeigen seine Unfähigkeit, bei einem Thema zu bleiben. Seine Mitarbeiter versuchen, einige politische Aussagen in seine Reden einzubauen, um sie als substanzielle politische Statements erscheinen zu lassen, was Trumps irrationale Kommentare verdecken soll. Ein weiteres Problem ist die Reaktion der Medien und der politischen Gegner. Während jeder Fehler von Joe Biden als Zeichen von Demenz interpretiert wird, werden Trumps viel gravierendere Ausrutscher oft ignoriert oder verharmlost. Viele in den Medien und der demokratischen Partei vermeiden es, seine mentale Stabilität direkt in Frage zu stellen, aus Angst, als voreingenommen oder elitär zu gelten. Es ist höchste Zeit, die offensichtliche Wahrheit anzuerkennen: Donald Trump ist emotional und kognitiv nicht in der Lage, das Amt des Präsidenten auszuführen. Ein zweites Trump-Präsidium würde mit Opportunisten und unqualifizierten Personen besetzt sein, was die Gefahr von Fehlentscheidungen in kritischen Momenten erhöhen würde. Trumps Unfähigkeit, rational zu handeln, stellt eine Gefahr für die nationale und globale Sicherheit dar. (Tom Nichols, The Atlantic)
Nichols kommentiert entsprechend auch The Double Standard in Trump-Biden Coverage. Relevant sind seine Analysen vor allem deswegen, weil er nicht dabei stehen bleibt, diesen Doppelstandard zu erkennen, sondern auch, ihn als gegebenen Faktor einzuplanen. Es hilft nun einmal wenig, sich hinzustellen und ihn zu beklagen. Die New York Times wird deswegen nicht ihre Berichterstattung ändern, CNN keine Redaktionskonferenz abhalten. Die Medien werden weiter an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen. Genauso wichtig festzustellen ist, dass Trumo zwar mindestens genauso psychisch unzuverlässig ist wie Joe Biden, ein Proto-Faschist dazu und generell wesentlich ungeeigneter und ungefährlicher; dass aber nichts davon die Probleme Joe Bidens in irgendeiner Weise beseitigt. Diese Denkweise, die sich gerade leider bei vielen Parteigänger*innen der Democrats feststellen lässt, ist genau die, die uns in das Trump-Desaster geführt hat: dass der Kandidat irgendwie dadurch geadelt würde, dass der jeweilige Gegner völlig unakzeptabel ist. Das amerikanische Mehrheitswahlrecht macht es nur praktisch unmöglich, eine andere Handlungsoption zu wählen, die nicht die jeweils befürchtete Katastrophe herbeiführt, und da beißt sich die Maus selbst in den Schwanz.
Die gute Nachricht der gestrigen Wahl ist, dass die rechtsradikale Partei Rassemblement National (RN) trotz massiver Stimmenzuwächse nicht regieren wird. Die schlechte Nachricht jedoch ist, dass Emmanuel Macrons Entscheidung, Neuwahlen auszurufen, nicht gerechtfertigt war, da seine Fraktion stark an Sitzen verloren hat. Trotz einer beeindruckend hohen Wahlbeteiligung, die größte in den letzten 40 Jahren, wurde der RN auf den dritten Platz verwiesen, hinter dem Linksbündnis und Macrons Regierungsmehrheit. Das Wahlergebnis zeigt, dass das französische Mehrheitswahlrecht an seine Grenzen stößt, da es den politischen Willen der Wähler nicht korrekt widerspiegelt. Trotz 32,05 Prozent der Stimmen für den RN im zweiten Wahlgang, verhinderte eine Allianz aus konservativen, liberalen und linken Parteien eine Regierungsübernahme durch den RN. Diese sogenannte republikanische Front hat zwar kurzfristig funktioniert, aber langfristig bleibt die Gefahr bestehen, dass viele Wähler das Gefühl haben, ihre Stimmen würden nicht ernst genommen. Macrons Ziel, durch die Neuwahlen politische Klarheit zu schaffen, wurde nicht erreicht. Die politische Zukunft Frankreichs bleibt ungewiss, und das Land steht vor einer potenziellen Phase der Instabilität. Der RN könnte in den kommenden Jahren von dieser Situation profitieren, sich weiter professionalisieren und moderater auftreten, um sich als einzige politische Alternative zu präsentieren. Die Herausforderung für die moderaten Kräfte wird es sein, stabile Koalitionen zu bilden und die Anliegen derjenigen Wähler zu berücksichtigen, die den RN stark gemacht haben. (Britta Sandberg, Spiegel)
Ich verstehe die Prämisse des Artikels nicht. Ich habe nicht das Gefühl, dass das irgendjemand (außer vielleicht Macron selbst. und ich glaube, der tut auch nur so) das als Macrons Sieg betrachtet. Es ist vor allem eine Niederlage des RN. Dazu scheinen wir gerade einen generellen Trend von Siegen der Linksparteien im Jahr 2024 zu haben, der kurios unterbelichtet bleibt. Was sowohl der Sieg Labours in Großbritannien als auch der Front Populaire in Frankreich zeigen ist, dass ihre Siege tendenziell als illegitim betrachtet werden: sie zählen alle aus irgendwelchen Gründen nicht – das Mehrheitswahlrecht (siehe auch Resterampe r)) und die Stimmenanteile werden hier vor allem vorgebracht – während die exakt spiegelbildlichen Argumente gerne bei Trump angebracht wurden: da wurde gerne darauf verwiesen, wie irrelevant das popular vote ist und dass das Resultat alles ist, was zählt, während es bei den Linken nun genau umgekehrt gelten soll. Diese transparent parteipolitische Argumentation ist nicht ernstzunehmen.
Das ändert an den Realitäten wenig. Relative Mehrheiten im Parlament übersetzen sich nicht in gesellschaftliche Mehrheiten, sie übersetzen sich in politische Macht (und in Frankreich vielleicht nicht einmal in das). Dass Wahlbündnisse zum Verhindern der Rechten keine sonderlich attraktive Option sind, ist auch allen klar. Dass Kolumnisten wie etwa im Spiegel Maria Fiedler („nicht ideal“) das für eine umstrittene Erkenntnis halten, mit der sie gegen den Strich bürsten, ist ein alberner Habitus: Niemand sieht die reine Abwehr von Rechtsextremisten als Hauptziel als ideal; sie ist nur gerade das Gebot der Stunde. Das ist ähnlich wie der linke Vorwurf, man wolle die Aufrüstung gegen Russland um ihrer selbst Willen und nicht, weil sie eben eine durch die Zeiten bedauerliche Notwendigkeit ist.
5) Was die CDU aus Macrons Scheitern lernen kann
Die politischen Turbulenzen in Frankreich bieten wichtige Lehren, auch für Deutschland. Emmanuel Macron hatte das Ziel, die traditionellen politischen Lager der Konservativen und Sozialisten zu überwinden und eine neue mittige Partei zu etablieren. Dieses Vorhaben scheiterte, trotz seines Überraschungserfolgs als zweitstärkste Kraft bei den Neuwahlen. Die Linken mit ihrem Bündnis „Nouveau Front Populaire“ landeten auf dem ersten Platz, gefolgt vom Rassemblement National (RN) auf Platz drei. Macrons Plan, die politische Landschaft zu verändern, führte jedoch zu einer Schwächung der bürgerlichen Mitte und einem Wiedererstarken der extremen Kräfte. Sein Erbe ist eine fragmentierte politische Mitte, was dem RN zugutekommen könnte. Die rechte Partei Marine Le Pens nutzt diese Spaltung geschickt und könnte sich mit einem moderateren Auftreten weiter professionalisieren und mehr Wähler gewinnen. In Deutschland zeigt sich eine ähnliche Situation, wo die CDU/CSU als Volkspartei eine wichtige Rolle spielt. Sie bietet konservativen und rechten Wählern eine politische Heimat und verhindert somit den Aufstieg der AfD. Ein starker Union bleibt die beste Verteidigung gegen den Einfluss rechtsradikaler Parteien. Es wäre ein Fehler der Ampel-Koalition, die CDU/CSU weiterhin als rechtsradikal zu diffamieren, da dies letztendlich die AfD stärkt. Stattdessen sollten linksliberale Kräfte ein Interesse an einer starken und moderierenden Union haben, um die politische Mitte zu stabilisieren und extremen Parteien den Wind aus den Segeln zu nehmen. (Thomas Schmid, Welt)
Ich halte wenig von den direkten Analogien. Die AfD ist nicht der RN, weil die AfD aktuell grundsätzlich regierungsunfähig ist, und die Vorstellung, dass Sahra Wagenknecht ein republikanisches Bündnis gegen Rechts anführen könnte, ist nachgerade albern. Unser Wahlsystem schafft außerdem ganz andere Möglichkeiten, mit dem Problem umzugehen. Wir BRAUCHEN keine front populaire, weil das Verhältniswahlrecht es unnötig macht: solange die AfD keine 51% der Stimmen bekommt – und zur Erinnerung, das gelang in der Geschichte der Bundesrepublik EINMAL der CDU – wird es immer möglich sein, sie von der Macht fernzuhalten.
Als eine Nebenbemerkung: ich halte es auch für albern, Macron als völlig Gescheiterten darzustellen. ALLE Politiker*innen scheitern am Ende, immer. Aber der Mann hat eine komplett neue Bewegung aus dem Nichts geschaffen und nicht nur eine, sondern zwei Präsidentschaftswahlen gewonnen. Jetzt so zu tun, als wäre er quasi schon immer ein Problemfall gewesen und Hollande (!) positiv mit ihm zu vergleichen, taugt für mich überhaupt nicht. Macrons zweite Amtszeit ist kein Erfolg, aber man kann kaum behaupten, dass er ohne Wirkung geblieben sei.
Resterampe
a) Sascha Lobo über Antisemitismus von Progressiven.
b) Diese Zahlen sind echt krass.
c) Wow, ich stimme Maschmayer zu.
d) Wie die Tories das britische Universitätssytem zerstörten.
e) Gute Einschätzung zum Haushalt 2025.
f) Noch so ein optimistischer Artikel zum Stand von Wissenschaft und Technik.
g) Nachtrag zum Biden-Podcast. Und noch einer.
i) Nachtrag zum Supreme-Court-Artikel.
j) Annalena Baerbock und die feministische Außenpolitik: Im Auswärtigen Amt stößt sie an ihre Grenzen. Kein Zweifel, die Obstinenz des AA ist legendär („uns ist egal, wer unter uns Außenminister*in ist“). Es gibt kein Ministerium, das seine Minister*innen dermaßen nach seinem Willen formt wie das AA. Von daher wundert mich das keine Sekunde.
k) NS-Gedenkstätten: Schulklassen rauschen in 90 Minuten durch – „das war’s“. Ich spreche mich ja immer vehement gegen Pflichtbesuche von Schulklassen in KZs aus, und da hat man mal wieder einen super Grund dafür, warum das dummer Aktionismus ist.
l) Europe has a lot more elevators than the US. Immer wieder spannend, wie wenig das Klischee von den weniger verregulierten USA zutrifft.
m) Behold the 2024 Republican Party platform. Spannend. Trump scheint seine Strategie von 2016 wiederholen zu wollen statt den Blödsinn von 2018, 2020 und 2022: Weitgehender Verzicht auf Kulturkampf, Inszenierung als die moderate Alternative.
n) Tschüss Noten? Schulsenatorin: Schulen dürfen bis zur 9. Klasse auf Zensuren verzichten.
o) There’s no embarrassment in getting something wrong. So wichtig!
p) Wie viele Arbeiter brauchten die Pyramiden von Gizeh?
q) Annalena Baerbock verzichtet sie auf grüne Kanzlerkandidatur, Weg für Robert Habeck frei. Nur konsequent. Ich halte immer noch wenig von der Kandidatur überhaupt, aber schauen wir mal.
Fertiggestellt am 11.07.2024
Zu c)
Einer der langwierigsten und schwierigsten Prozesse in meinem praktischen „Bewerbungstraining by doing“ war herauszufinden, welche Stellenbeschreibung sich in welches (ungefähre) Gehalt übersetzen lässt. Denn dabei sind Unternehmensgrösse, Branche, Anstellungsart (Festanstellung, Arbeitnehmerüberlassung, Freiberufler) und Führungsanforderung (keine, nur fachlich, disziplinar) entscheidende Kenngrössen, die man sich mit sehr wenig praktisch nutzbarer Hilfe in Bewerbungsliteratur und/oder Indernet weitgehend selbst erarbeiten darf.
Womit Frust und Zeitverschwendung in Bewerbungsprozessen vorprogrammiert sind, wenn man darauf nicht vorbereitet ist und bereits initial fokussiert den möglichen Rahmen abfragt (und sich nicht mit Schafscheissantworten abspeisen lässt).
Aus Sicht der Unternehmen – hier könnte Maschmeyer irren – ist diese bewusste Verschleierung, begleitet von rechtlich ungültigen „nicht drüber sprechen“ Klauseln zu Entlohnung in Arbeitsverträgen, wahrscheinlich trotzdem rational. Nach meiner anekdotischen Überschlagsrechnung sparen die Unternehmen bei Fach- und Einstiegs-Führungskräften dabei pro Person einen mehrfach fünfstelligen Betrag in Euro pro Jahr gegenüber einer „idealen“, also völlig transparenten, Informationslandschaft für Entlohnung. Das dürfte der Hauptgrund dafür sein, dass sich da seit Jahrzehnten nichts bewegt, obwohl Maschmeyers Argumentation (Prozessvereinfachung und Zeitersparnis) nicht falsch ist. Offenbar sind seine angeführten Gründe einfach nicht ausschlaggebend.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich halte Maschmayers Vorstellungen für völlig realitätsfern (für die meisten Firmen und Branchen).
Wenn eine Stelle exakt nach einem Tarif bezahlt wird, dann kann man den natürlich auch in die Stellenausschreibung schreiben.
Aber ansonsten ist die Normalität, daß es für eine zu besetzende Stelle einen gewissen Korridor an möglicher Gehaltshöhe gibt. Da hängt es dann vom konkreten Bewerber ab, welches Angebot man ihm mit seiner Qualifikation oder Vorgeschichte machen kann.
In der Regel wird nie ein Bewerber sämtliche gewünschten Eigenschaften und Qualifikationen zu 100% abdecken. Also muß man sehen, was fehlt bzw. wo Einarbeitungsbedarf besteht. Oder er bringt Sachen mit, die bei der Stellenausschreibung nicht erwartet wurden, aber mit Mehrwert eingesetzt werden können. Das beeinflußt die Gehaltshöhe erheblich.
Und nicht zuletzt sieht man ja erst nach Stellenausschreibung, wie die Marktlage wirklich gerade ist.
Aber ansonsten ist die Normalität, daß es für eine zu besetzende Stelle einen gewissen Korridor an möglicher Gehaltshöhe gibt.
Und genau diesen Korridor sollte man in der Ausschreibung angeben.
Wie bescheuert ist das denn? Wenn ein Kandidat nicht weiß, dass der potentielle Arbeitgeber ihn zum niedrigst möglichen Preis will dann ist ihm auch nicht zu helfen. Wenn so ein Korridor genannt wird, kann man es gleich wieder lassen. Denn jeder Bewerber wird sich an der Obergrenze orientieren, während jeder Arbeitgeber die untere Schwelle als Orientierung nimmt.
Vorschlag zur Güte: Der Bewerber schreibt in seinem Anschreiben oder besser Lebenslauf, was sein niedrigster Gehaltsanspruch wäre. Fair ist fair.
Dazu passend: es gibt für Arbeitnehmende keine dümmere Norm als dieses „nicht über Geld reden“.
Das ist doch weitgehend Quatsch. Wer sich mit den Stellenanzeigen beschäftigt, dem sollte auffallen, dass dort potentielle Kandidaten aufgefordert werden, ihre Gehaltsvorstellungen zu nennen. Auch bei der Registrierung in den Bewerberdatenbanken ist das eine Standardabfrage, gemeinsam mit der Kündigungsfrist / frühester Eintrittstermin. Dieses Procerdere gilt inzwischen für 70 bis 80 Prozent aller Stellenausschreibungen. Wer also behauptet, „über Geld“ würde nicht gesprochen, zeigt damit nur, dass er vom aktuellen Arbeitsmarkt keine Ahnung hat. Aber Hauptsache meinungsstark.
Wer seine finanziellen Konditionen nicht nennt, wird des öfteren per E-Mail auf die Beantwortung dieser Frage hingewiesen. Wer trotzdem ohne Nennung seines Preises eingeladen wird, da muss man voraussetzen, dass derjenige genauso wie das Unternehmen den Markt und damit das Preisniveau kennt. Im Vorstellungsgespräch ist der Teil über die finanziellen Konditionen dann Pflichtbestandteil. Das liegt ja in der Natur der Sache, was soll man sonst in § 3 des Arbeitsvertrages schreiben?
Schönes Beispiel also, dass das eigentliche Problem nicht erfasst wird. Im angelsächsischen Raum ist es Standard, neben der Job Description auch den Finanzrahmen zu schreiben, den das Unternehmen setzt. Das ist im deutschsprachigen Raum zwar längst noch nicht üblich. Dennoch versuchen Stellensuchmaschinen wie Stepstone und Portale wie LinkedIn die Gehaltsspanne aufgrund von Erfahrungswerten zu treffen. Meist kann man da aber noch etwas drauflegen.
Das Problem ist also die eigene Verkaufe. Wer als erstes einen Preis nennen muss, ist verhandlungstechnisch in der Defensive. Wer prinzipiell am offerierten Job interessiert ist, muss die Spanne am oberen Ende treffen. Dazu gehören Erfahrungswerte und eine gesunde Selbstreflexion. An beidem mangelt es den meisten Bewerbern. Wer sich unterhalb des Budgets des Unternehmens positioniert, fliegt genauso aus dem Bewerbungsprozess wie derjenige, der mit völlig überzogenen Gehaltsvorstellungen ins Gespräch geht.
Prinzipiell besteht für den Bewerber die Gefahr, sich zu billig zu verkaufen. Und das lässt sich im Laufe der Karriere im Unternehmen nicht mehr wettmachen. In meinem Job und bei meinem Profil liegt die Spanne des erzielbaren Einkommens immerhin bei bis zu 70.000 Euro. Das ist eine ganze Menge Holz und genug Raum, beim eigenen Preis daneben zu liegen. Wie in jedem Markt gilt also, Spezialist für das zu werden, was man verkaufen will: die eigene Arbeitskraft. Profis passiert es eben nicht, dass sie sich zu billig verkaufen.
Ich meinte nicht bei Vorstellungsgesprächen, sondern innerhalb des Betriebs.
Der Thread beginnt mit:
Wer die besten Mitarbeitenden will, sollte offen über das Gehalt sprechen!
Doch leider riskieren viele Unternehmen in Zeiten des Arbeitskräftemangels nach wie vor, Talente nicht für sich zu gewinnen.
Warum? Weil sie in ihren Stellenausschreibungen eher einen Obstkorb anpreisen, als den entscheidenden Faktor anzugeben: Das Gehalt.
Wir haben hier bisher nur über Bewerbungsprozesse gesprochen. Ansonsten gilt: Löhne und Gehälter steigen entsprechend der Tarifvereinbarungen. Nicht-Tarifgebundene wie AT und Führungskräfte müssen für ihre Gehaltsanpassungen selbst sorgen. Wo ist das Problem?
Gehälter steigen entsprechend der Tarifvereinbarungen. Nicht-Tarifgebundene wie AT und Führungskräfte müssen für ihre Gehaltsanpassungen selbst sorgen.
Ja und nein – in vielen Großunternehmen gibt es auch hier Gehaltsspannen. Bzw. die Unternehmensleitung übernimmt den Tarifabschluss auch für die Gehälter jenseits der Tarifgrenze. Dann ist die spannende Frage, wie stark ist dann noch der Spielraum der Führungskraft, wegen Betriebsvereinbarungen und betrieblicher Übung.
Davon abgesehen ist es ja auch eine spannende Frage, wer welche Tarifstufe wann wie erhält…
Kennen Sie einen Bereich, in dem es keine Spannen gibt? Selbst im Apple-Store können Sie einen Rabatt erzielen bzw. werden Artikel anfangs teurer angeboten als Monate nach ihrer Markteinführung. Es ist ein typisch deutsches Denken, dass Preise fix wären.
Kommt darauf an, was Sie mit „Großunternehmen“ meinen. Ich habe nie bei einem DAX-Konzern gearbeitet. Aber: Es gibt für den Arbeitgeber keine arbeitsrechtliche Verpflichtung zur Gehaltsanpassung. Auch ein Anrecht auf Übernahme der tariflichen Erhöhung existiert nicht. Hinzu kommt, dass AT- und Führungskräfte pro Kopf die höchsten Gehälter kassieren.
Ich arbeite seit Jahrzehnten im Change Management. D.h., Unternehmen sind im Umbruch. Gerade habe ich einen Artikel gelesen, dass der Großteil der Gehaltserhöhungen der letzten Jahre auf die Gewinnmarge gehen. Sie konnten nicht adäquat am Markt weitergegeben werden. Der Grund liegt in der Innovationsarmut der deutschen Wirtschaft.
Wenn ein Unternehmen also bei den Personalkosten sparen will / muss, dann tut es das als erstes bei den Gehältern der Führungsschicht. Das ist das, was unsere Sozialisten nicht kennen. Eine Führungsperson kann nicht alle 1-2 Jahre wechseln, wenn seine Gehaltsentwicklung hinter den Tariferhöhungen zurückbleibt. Zum einen ruiniert er sich mit der Methode sehr schnell sein Kapital, seinen CV. Zum anderen braucht es seine Zeit – i.d.R. Monate – bis man eine andere Position bekommt, wo ein deutlich sechsstelliges Gehalt gezahlt wird.
Dazu gehören Erfahrungswerte und eine gesunde Selbstreflexion. An beidem mangelt es den meisten Bewerbern.
Jo. Wahrscheinlich. Aber eben nur die halbe Story. Für meinen Bereich – Ihren kann ich gar nicht beurteilen – ist der andere Teil des Problems die Titelinflation. „Projektleiter“ in Stellenbeschreibungen kann heute alles sein – vom Einkäufer für 50 Bleistifte über den Projektkkordinator (für den eigentlichen Projektleiter in der Linie des Unternehmens) bis hin zum Projektdirektor für ein Grossprojekt. Dasselbe für Projektingenieur, Schedule-Manager, etc.
Dementsprechend unterschiedlich ist der Bezahlungsrahmen. Und wer sich da nicht durch intensive eigene Recherchen, Berufserfahrung und Erfahrung durch eigene Fehler mit sehr viel Arbeit selbst aufschlaut, wird mit blumig formulierten Stellenbeschreibungen ziemlich alleine gelassen. Deshalb wäre die Angabe des Gehaltsrahmens sehr sinnvoll – er ist ein starkes Indiz dafür, wen das Unternehmen tatsächlich sucht.
Gruss,
Thorsten Haupts
Die Situation ist keineswegs unique für Ihren Bereich. Ist die CFO-Position in einem Start-up, nur der nationalen Einheit eines Konzerns oder ist damit der CFO der Gruppe gemeint? Sind Head of Finance, Director Finance Kaufmännischer Leiter oder Finance Manager das Gleiche oder völlig verschiedene Dinge?
Ich erwarte von meinen Mitarbeitern, von meinem Händler, Broker, meinem Verein und der Prostituierten meiner Wahl Professionalität. Und das heißt als erstes, dass sie alle die Gegebenheiten, das Selbstverständliche und die Standards ihres Marktes kennen. Im Zweifel weit besser als ich selbst.
Ein Bewerber, der für seine Arbeitsleistung bezahlt werden will, behauptet damit Profi zu sein. Dann erwarte ich auch, dass er aufgrund Stellenbeschreibung, Titel, Unternehmensgröße und Branche eine Vorstellung hat, was ein angemessener Preis für seine Arbeitsleistung ist. Wenn er es nicht weiß – wer zum Teufel soll es denn dann wissen?
Und wie gesagt, wenn er es nicht weiß, hilft ihm heute die KI auf Jobportalen. Was aber dann nur beweist, dass die KI mehr Profi ist als der, der bezahlt werden möchte.
Dann erwarte ich auch, dass er aufgrund Stellenbeschreibung, Titel, Unternehmensgröße und Branche eine Vorstellung hat, was ein angemessener Preis für seine Arbeitsleistung ist.
Das ist einfach Quatsch. Wer weiss, wie „Stellenbeschreibung“ und „Titel“ vielfach zustande kommen un d wie aussagefähig sie sind, wird diese steile These nicht widerholen. Sie mag für Ihre winzigkleine, berufliche, Nische korrekt sein (da geht´s auch um sehr viel Geld und Verantwortung), aber ganz sicher nicht für die Masse an Fachkräften und Einstiegs-Führungskräften.
Gruss,
Thorsten Haupts
Dann weiß ich mehr als Sie. Mir ist es allerdings noch nie passiert, dass sich Kandidaten beim Gehaltsrahmen völlig verschätzt haben. Scheint ein spezielles Ingenieursproblem zu sein. 🙂
Dann weiß ich mehr als Sie.
Oder Ihre Stellenausschreibungen waren besser, als viele derjenigen, die mir untergekommen sind. Was an sich keine besondere Leistung sein sollte …
Kaum. Ich mach‘ das seit über 30 Jahren.
Leider haben Sie bisher nichts zum aufgezeigten Widerspruch Ihrer Forderung gesagt. Wenn eine Spanne angegeben wird, orientiert sich ein Bewerber immer am oberen Rand oder sogar darüber, obwohl objektiv das Unternehmen gar nicht bereit ist, für „so einen“ Kandidaten den Höchstpreis aufzurufen. Damit läuft Ihr Ansatz ins Leere und wir stehen wieder da, wo wir heute sind.
Nur ist der sich selbst überschätzende Bewerber gar nicht mein Punkt. Die Gehaltsspanne würde mir, automatisch und ohne weitere Einzelheiten checken zu müssen, verraten, ob der Job sich an mich (pars pro toto) richtet oder nicht. Kurz – die Gehaltsspanne oder auch ein ca. Gehalt in der Stellenausschreibung verhindern zuverlässig, dass Personaler UND Bewerber, vor allem erfahrene Bewerber, Zeit und Energie verschwenden.
Davon gibt’s aber ’ne ganze Menge. Tatsächlich werde ich meist mit Gehaltsvorstellungen konfrontiert, die über dem Gehaltsrahmen der Kollegen liegen. Da nützt die Angabe der Spanne auch nix. Vor allem nehmen Sie das, was Markt ausmacht: Die direkte Konfrontation von Anbieter und Nachfrager.
Nehmen Sie einen durchaus typischen Fall, der auf dem oben genannten aufbaut: Sie schreiben eine Stelle aus. Was setzen Sie als Gehaltsrahmen? Kaum 20 Prozent über dem was der Durchschnitt der Mitarbeiter der Abteilung verdienen. Sonst können Sie die alle sofort zu einer Runde Extra-Bingo einladen.
Allerdings haben die Gehälter deutlich angezogen und potentielle Kandidaten werden durch den niedrigen Ansatz abgeschreckt. Dabei hätten sie bei entsprechender Präsentation durchaus eine Chance gehabt. Am Ende werden Individuen vom Markt gekauft und keine Standardprodukte. Kein Buchhalter ist wie der andere. Irgendwann steht das Unternehmen vor der Wahl, die Stelle nicht besetzen zu können oder einem Top-Kandidaten 10 Prozent mehr zu geben als Ihrem besten Mitarbeiter.
Wenn ein Profi seinen eigenen Preis nicht kennt, wie soll er dann das Unternehmen vertreten? Bei jeder Sache muss man ihn ja gesondert briefen, was er geben kann. Ich habe eine Unterschwelle und eine Oberschwelle. Und in den Gesprächen versuche ich mich zu Beginn so zu positionieren, dass ich mich nicht sofort ins Aus schieße und mir gleichzeitig Optionen offenhalte. Am Ende treffe ich immer ganz gut den Punkt. Das heißt, mein Gehalt liegt im Gehaltsrahmen und ich bin zufrieden.
Und noch eins: Wenn Sie von Unternehmen die Offenlegung eines Rahmens fordern, dann sollte das doch umkehrt auch für die Bewerber gelten, richtig? Am besten mit Nachweis des letzten Gehalts.
@ Thorsten Haupts
Dort, wo ich mich auskenne (= kleinere und mittlere Unternehmen, Jobs hoch bis mittlere Führungskräfte), haben Bewerber und Arbeitgeber in der Regel keine klare Vorstellung. Die einen wollen so viel mehr als beim vorigen Arbeitgeber, dass sie netto einen merklichen Unterschied spüren. Die Unternehmen wiederum orientieren sich an dem, was sie vergleichbaren Kollegen zahlen, und wollen etwas, dass sie „Gehaltsgefüge“ nennen, nicht durcheinander bringen (man ist sich bewusst, dass man Gehälter nicht geheim halten kann, und will vorhandene Mitarbeiter nicht ermuntern).
Personalabteilungen sind in Sachen Gehalt / Einstufung meiner Erfahrung nach entweder komplett ahnungslos, oder wälzen das Thema auf den Chef ab, um sich nichts zu Schulden kommen zu lassen.
Ich kenn das nur von der Betroffenenseite her, aber es gibt wenig, was in Belegschaften zu so viel Frust führt wie Unzufriedenheit über Gehaltsstrukturen.
Ein kleines Beispiel: ein Mitbewerber von uns bezahlt 80% des TDL. Und wundert sich, warum er keine Lehrkräfte findet. Man könnte da auf einen Zusammenhang kommen.
Und wieder etwas aus der Rubrik „Wir sind ja so besonders in Deutschland“.
Ich kenne es von der Arbeitgeberseite. Vor Jahren führte der Konzern, bei dem ich damals arbeitete, eine internationale Mitarbeiterbefragung durch. Das ging von Bewertungen der Vorgesetzten bis zur Zufriedenheit mit dem eigenen Gehalt. Beim Einkommen war die Zufriedenheit mit am niedrigsten, im globalen Schnitt bei 40-45 Prozent. Deutschland war da noch relativ gut mit irgendwas um die 50 Prozent.
Vor so 1, 2 Jahren las ich eine ähnliche Studie. Mit ähnlichen Ergebnissen. Die meisten Menschen sind mit ihrem Einkommen unzufrieden, weil sie immer meinen mehr verdient zu haben. Da das anscheinend überall so ist, außer man arbeitet bei Apple oder Nvidia, muss man sagen: dann geh‘ dahin. Leider nehmen die nicht jeden, vor allem nicht Leute, die sich völlig selbst überschätzen.
Die meisten Unternehmen in Deutschland müssen inzwischen Gehaltssteigerungen aus der Substanz bezahlen. Da tut es besonders weh. Unternehmen, wo Umsatz und Gewinn sich jährlich verdoppeln, können leicht 10 Prozent Gehaltssteigerungen verkraften. Unternehmen, die stagnieren, können das normalerweise nicht.
Ich mag keine Menschen, die permanent unzufrieden sind und sich für etwas besseres halten. Meine Gehälter liegen mit 2, 3 Ausnahmen seit über 30 Jahren meist im unteren Bereich des oberen Drittels, was ich überhaupt erzielen könnte. In Zahlen übersetzt ist das immer noch ein höherer fünfstelliger Betrag, den ich nicht bekomme. Und ich muss noch dazu damit leben, jeden Monat die Gehälter zu sehen, vor allem von jenen, die (deutlich) mehr als ich verdienen.
Das ist nix für Sozialisten.
@ Stefan Sasse 15. Juli 2024, 18:34
Ich kenn das nur von der Betroffenenseite her, aber es gibt wenig, was in Belegschaften zu so viel Frust führt wie Unzufriedenheit über Gehaltsstrukturen.
„Betroffenen“Seite … 🙂
All die frustrierten „Betroffenen“ sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie durch ihre Arbeitsleistung dem Unternehmen einen Gewinn liefern müssen, der ein Stück weit über dem Bruttogehalt (samt Arbeitgeber-Anteilen an den Sozialversicherungen) liegt.
Mehr haben wollen ist in der Regel leichter, als den entsprechenden Gegenwert zu liefern.
… haben Bewerber und Arbeitgeber in der Regel keine klare Vorstellung.
Yup, das entspricht meiner Erfahrung sogar in Konzernen, abgesehen von den Einstiegs-Tarifstufen der Branchen- oder Haustarifverträge (bei denen es üblicherweise auch keinen Verhandlungsspielraum gibt).
Gruss,
Thorsten Haupts
indernet, hehe.
Zu 5 … solange die AfD keine 51% der Stimmen bekommt – und zur Erinnerung, das gelang in der Geschichte der Bundesrepublik EINMAL der CDU – wird es immer möglich sein, sie von der Macht fernzuhalten.
Ja. Mit einem Zusatz: Zu sich akkumulierenden politischen Kosten, die dazu führen könnten, dass sie DESHALB irgendwann bei über 50% landet. Denn eine politische Landschaft, die am Ende nur noch eine Allarteienkoalition einzig zur Abwehr einer nicht verbotenen (!) Partei darstellt, ist inhärent instabil und IMHO auf Dauer auch nicht durchhaltbar.
Gruss,
Thorsten Haupts
Grundsätzlich ja, aber: wenn diese Situation eintritt, haben wir keine Demokratie mehr. Ein Land, in dem 51% der Leute eine Partei wie die heutige AfD wählt, ist verloren. Das hat ja nicht mal die NSDAP unter den Bedingungen der Diktatur im März 1933 geschafft!
Interessanter Punkt. Die AfD bräuchte nicht 51 % der abgegebenen Stimmen, sondern 51% der Sitze im Parlament (hier Debatte um 5% Hürde einfügen).
Und da ist dein Vergleich mit März 1933 ein guter Beleg: Die NSDAP hatte zwar nur 44% der Stimmen bekommen, sie hat daraus aber 51 % der Sitze machen können, indem Sie die Sitze der KPD einfach annuliert hat.
Ok, true enough. But my point still stands.
(b – Griechenland)
Tja, das passiert, wenn man die Chancen einer Krise nicht nutzt. Die Griechen haben schon kurz nach der akuten Krisenbewältigung wieder damit begonnen, wirtschaftliche Entwicklung zu bekämpfen:
https://tradingeconomics.com/greece/ease-of-doing-business
Ob die Wirtschaftsleistung Griechenlands anno 2014 wirklich um 25 % aufgebläht war, kann ich jetzt aus dem Kopf nicht sagen, aber ungefähr dürfte das wohl hinkommen. Sie hatten sich ja bis zur Besinnungslosigkeit verschuldet.
Üble Situation, aber mein Mitleid hält sich in Grenzen. Griechenland hat unser aller Vertrauen missbraucht.
Üble Situation, aber mein Mitleid hält sich in Grenzen. Griechenland hat unser aller Vertrauen missbraucht.
Yup. Und zwar bewusst und vorsätzlich, um Mitglied des Euroraumes werden zu können. Fand es bei den Diskussionen immer bemerkenswert, dass bei der damaligen linken Kritik an „Austerität“ und „EU-Diktat“ dieser schwere Betrug entweder unerwähnt blieb oder in Nebensätzen als Bagatelle entschuldigt wurde.
Gruss,
Thorsten Haupts
Man muss allerdings dazusagen, dass die EU dieses Verhalten massiv gefördert hat. Staatsanleihen von Euro-Staaten galten gemäß EU-Finanzmarktregulierung nicht als Risiken. Soweit ich weiß, ist das auch heute noch so.
Normalerweise ist Inkompetenz die wahrscheinlichste Erklärung für staatliches Fehlverhalten, hier hatte ich allerdings schon immer einen starken Absichtsverdacht. Politiker jeglicher Couleur können dem Zugriff auf das Geld anderer Leute einfach nicht widerstehen. Da bastelt man sich gern einen passenden Rechtsrahmen.
Ja, ist nicht falsch. Wobei natürlich die Frage ist, wie viel da die breite Bevölkerung für kann. Weil die Verluste entstehen ja nicht denen, die das verbrochen haben.
Die Frage ist mir weitgehend egal – das ist ein Problem der für diese Bevölkerung verantwortlichen Regierungen. Die in Demokratien übrigens von dieser Bevölkerung gewählt wird – und Griechenland war und ist eine Demokratie.
Jo.
Zu 4)
Der „Sieg“ gegen 33% der Bevölkerung könnte sich als Pyrrhus-Sieg erweisen, wenn die nächsten Präsidentschaftswahlen anstehen … Schaun wie mal, ich werde das in Erinnerung behalten.
Siehe meine Antwort zum Thema AfD, hier gilt effektiv dasselbe.
Nee. Man braucht bei der Präsidentenwahl im ersten Wahlgang keine 50%. Und im zweiten käme es auf den Gegenkandidaten an. Da gäbe es auf der frz. Linken durchaus Leute, denen gegenüber Le Pen NICHT die schlechtere Besetzung wäre.
Ja, das mag durchaus zutreffen.
@ Stefan Sasse
Sehr schöne Überschrift des „Vermischten“ diesmal, übrigens. 🙂
Ich bilde mir ein, IMMER schöne Überschriften zu machen 😛 Danke!
Die sind auch immer schön, keine Frage. Besonders gut sind die Überschriften, wenn man fast so etwas wie Sinn darin erkennen kann, finde ich. 🙂
Ich frage mich übrigens, warum nicht auch Medien solche launischen Presseschauen wie Du machen.
Es gibt das Altpapier vom MDR, das macht so was Ähnliches. Aber danke für die Blumen.
2.) „Prüfungen in anderen Räumen zu schreiben hat eine signifikante Korrelation zu den Noten, signifikanter als viele andere Faktoren. “
Vielleicht. Die Studie gibt halt wieder einmal nur Korrelationen wieder und sagt nichts über Kausalitäten. Ich halte es eher für relevant daß es spezielle Sorten von Prüfungen sind, bei denen große Räume verwendet werden.
Ist aber letztlich egal, denn Du hast recht, daß jede Note einen hohen Unsicherheitsanteil enthält, wegen diverser Faktoren.
Sicherheit erhält man weitgehend, wenn es viele Noten sind. Deren Gesamtbild gibt einen guten Eindruck von manchen Fähigkeiten der Kandidaten.
4.) Ein Trend von linken Siegen? Aber nun wirklich nicht. Sowohl im UK wie in F sind das taktische Auswirkungen des Mehrheitswahlrechts kombiniert mit einer Zersplitterung im rechten Lager. In beiden Ländern kommt die Linke weiterhin nicht über ein Drittel der Wähler hinaus und ist weit entfernt von früherer Stärke. Weil sie in beiden Ländern einen guten Teil ihrer Wähler an die neue Rechte verloren hat – das ist eine europaweit bebachtbare Verschiebung, und die wird auch nicht reversibel sein.
In F gilt zusätzlich, daß die Linke fast so zersplittert ist wie die Rechte (aber mit viel weniger Wähleranteil). Mélenchon und Glucksmann haben fast keine politischen Gemeinsamkeiten und haben sich nur zu einer rein taktischen Absprache gefunden.
Aus demokratischer Sicht ist Mélenchon eigentlich viel schlimmer als der RN-Spitzenkandidat. Aber Gott sei Dank wird er für die Bildung einer Regierungsmehrheit keine Rolle spielen.
5.) Zustimmung.
b) Wieso?
j) Daß Baerbock auch hier so komplett gescheitert ist, hängt wohl kaum an einer „Obstinenz“ des AA. Die ganzen Verfahrensänderungen wurden ja durchgeführt, sind aber nachweislich gescheitert.
Der Punkt ist halt, daß im AA Qualitätskontrolle stattfindet und das auch geprüft und gemessen wird. Damit ist grüne Personalpolitik nicht möglich.
Im übrigen hieß „feministische Außenpolitik“ ja eigentlich viel mehr als nur Frauenquote im Amt. Aber da ist sie noch viel peinlicher gescheitert. Weil halt gerade die frauenfeindlichsten Regimes den Grünen aus anderen Gründen so sehr am Herzen liegen – dieser Widerspruch ist mit keiner Kosmetikfachkraft aufzulösen.
r) Seufz. Es ist immer wieder erstaunlich daß sich Leute aus dem Feuilleton berufen fühlen über Themen aus Politik oder Wirtschaft zu schwurbeln, von denen sie keine Ahnung haben. Umgekehrt kommen die Leute aus der Politik- oder Wirtschaftsredaktion ja auch nicht auf die Idee, regelmäßig Opern oder Bücher zu rezensieren.
Also kommen auch die üblichen Mythen. Im britischen Wahlrecht bekommt niemand einen Bonus, um kraftvoll regieren zu können. Es ist eher Zufall, daß es auch dieses Mal noch eine Parlamentsmehrheit einer Partei rausgekommen ist – eigentlich schreitet die Parteienzersplitterung in GB immer weiter voran, und das schlägt sich auch im Parlament nieder.
Und in Frankreich gibt es eben ein Stichwahlsystem. Was den Wählerwillen insgesamt deutlich besser abbildet als das UK-Modell. Wenn Bahners da von einer „Entmachtung“ der Wahlverlierer redet ist das grober Unfug.
Im übrigen: Nach wie vor hat Irland das mit Abstand beste Wahlsystem in Europa. Mit starker Personenkomponente, ohne Verzerrungen à la 5%-Hürde und trotzdem ohne sinnlose Kleinstparteien.
r) Der Verweis auf Irland hat mich gefreut, ich bin auch ein Freund von Präferenzwahlen, die am besten den Wählerwillen abbilden.
Zitat R.A:
„Im übrigen: Nach wie vor hat Irland das mit Abstand beste Wahlsystem in Europa. Mit starker Personenkomponente, ohne Verzerrungen à la 5%-Hürde und trotzdem ohne sinnlose Kleinstparteien.“
Gem. den Wikipedia-Artikeln (D/engl.) zähle ich 9 Parteien im Parlament in Dublin, darunter mehrere mit Mini-Anteilen unter 3 %. Ferner eine ganze Latte parteiunabhängiger Kandidaten. Nach der letzten Wahl Koalitionsverhandlungen über Monate, weil die beiden traditionellen irischen Platzhirsche die Nr. 1 (so gesehen der Wahlsieger) Sinn Fein von der Regierung fern halten wollten. Die beiden Platzhirsche hatten aber ihrerseits zusammengerechnet auch keine absolute Mehrheit. Nach langem Gezeter konnten wohl die Grünen zum Einsteigen überredet werden, vermutlich eher gekauft werden. Eine Art Groko plus, deutsch gesprochen.
so was und Ähnliches kommt einem ja grundsätzlich bekannt vor^ – aus anderen weniger idealen Wahlsystemen^.
Egal wie man das dreht: Um so was wie Regierung zu veranstalten, muss man halt die diversen, zunehmend zahlreichen gesellschaftlichen Lager (früher waren das mal weniger als heutzutage) mehr oder weniger brutal glattbügeln – auf wenige parlamentarische Aggregate. Anders geht das nicht. Oder die geneigten Wählerinnen und Wähler entscheiden sich gleich für „große Volksparteien“, wie früher mal, jedenfalls in D. Das würde viel Durcheinander ersparen. Das wollen die aber nicht (mehr).
2) Ja und nein; das Problem mit vielen Noten ist meist, dass sich die Zahl nur über hohe Standartisierung erreichen lässt, was wiederum alle Arten von Sekundäreffekten hat.
b) Weil das massive Verluste für die Leute bedeutet…?
r) Jepp, ich halte von dieser Art der Glaskugelleserei auch wenig. Mehrheit ist Mehrheit, fertig.
3) Let’s Talk About Trump’s Gibberish
Nun, Du hast Dich zuletzt nicht gerade als Experte für die mentale Verfassung des Präsidenten hervorgetan. Nach Wahrnehmung professioneller Beobachter ist Biden nicht mehr geeignet, das Amt auszuüben. Die Frage des Gegenkandidaten ist dabei erstmal völlig irrelevant.
4) Macrons Scheinsieg
Wieso ist die Abwehr von Rechtsextremisten das Gebot der Stunde? Das grundsätzliche Problem der Linken ist, dass sie die massiven Schäden übersehen. Sie ist blind für den grasierenden Linksextremismus und Islamismus. Nur Ideologen können zu der Ansicht gelangen, Melenchon sei besser als Le Pen. Wieso denn das?
5) Was die CDU aus Macrons Scheitern lernen kann
Macron hat sein eigentliches Ziel, den Extremismus einzuhegen, völlig verfehlt. In Frankreich sind die Extreme so stark wie nie. Gleichzeitig hat er die politische Mitte zertrümmert, zumindest den konservativen und liberalen Teil Frankreichs. Die Antwort auf Obama war Trump, die Antwort auf Merkel ist die AfD, die Antwort auf Macron ist Le Pen.
c) Wow, ich stimme Maschmayer zu.
Stimmt, es braucht Erfahrung, um den Gehaltsrahmen einer Stelle einzuordnen. Dazu haben viele Unternehmen selbst keine rechte Ahnung über die tatsächlichen Marktpreise. Hier sind Personalberater außerordentlich hilfreich. Sie sorgen manchmal dafür, die Recruiter einzunorden und geben dem Bewerber früh einen Rahmen.
4) Frankreich
Die Kandidaten der Zentristen (Ensemble) gingen in der zweiten Wahlbündnisse mit den Linken und nicht mit RN-Kandidaten ein. Offensichtlich doch wohl, weil sie RN als größeres Risiko einschätzen, obwohl die Linke (Nouveau Front populaire) schon deutlich links von SPD/Grüne stehen.
Ensemble hat im zweiten Wahlgang 23% der Stimmen erhalten. Im ersten Wahlgang 20% und in der Europawahl 13%. Man könnte mit sehr guter Laune noch die Les Républicains als mögliche Koalitionspartner hinzuzählen (7%). Macron ist zur Zeit extrem weit von einer Mehrheit entfernt. Es erscheint sehr wahrscheinlich, dass das Land demnächst links oder rechts ausbricht.
3) Lol, natürlich nicht. Weder bin ich Psychologe noch hatte ich Zugang zum amerikanischen Präsidenten.
4) Ja, ich verstehe auch nicht, warum man Rechtsextremisten abwehren sollte, komische Frage eigentlich.
Zu 4)
War erkennbar nicht Stefan Ps Ansatz. Seine Frage – explizit so formuliert- war, warum man einen linksradikalen Quartalsirren wie Jean-Luc Mélenchon gegenüber Le Pen präferieren sollte? Und auf die Antwort darauf wäre ich auch gespannt.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich weiß bisher nicht viel über Melenchon, aber was ich sehe begeistert mich sehr wenig, politisch gesehen. Ich muss mich noch genauer informieren, ob der Mann wenigstens ein dummer Demokrat ist statt ein dummer Autokrat wie Le Pen. Bis dahin würde ich die Antwort aufschieben. Verlink mir gerne Material wenn du welches hast.
Melenchon ist ein ausgesprochener Deutschland-Hasser und Verächter der EU. Er ist in seiner Grundhaltung ein Nationalist. Er ist ein Antisemit, einer der Gründe, warum die bekannten Nazi-Jäger Klarsfeld sich für die Wahl Le Pens ausgesprochen haben.
Als Kinder haben wir, naiv wie man da ist, gefragt, was schlimmer sei, wenn es drauf ankäme: Nazi-Herrschaft oder sozialistische Dikatur. Linke sind bis heute nicht erwachsen. Sie beantworten die Kind-Frage noch immer mit „im Zweifel Linksextremismus“ wie Rechtsextremismus ist Extremismus plus Ausländerhass und Rassismus.
Ich weiß dass er Deutschlandverächter ist und wie Corbyn antisemitische Haltungen hat. Das unterscheidet ihn null von Le Pen. Das ist ja gerade mein Punkt: außenpolitisch sehe ich recht wenig Unterschied zwischen den beiden. – Soweit ich das überblicke ist das Risiko eines Premier oder gar Präsidenten Melenchon allerdings wesentlich geringer; ich sehe nicht aktuell, dass der Mann eine Mehrheit kriegt. Aber ausschließen kann man es nicht. Ich ordne den gerade auf der Achse Wagenknecht vs. Weidel ein, ungefähr.
Bei den letzten beiden Präsidentschaftswahlen erhielt der Kandidat Melenchon im ersten Wahlgang kaum weniger Stimmen als Le Pen und landete jeweils auf Platz 3. „Wesentlich geringer“ ist das nicht. Nun sorgt die linke Mitte dafür, dass dieser Kandidat auch noch stärker ist als Le Pen. Das heißt das Böse mit dem Belzebub austreiben.
Das gleiche Muster sehen wir doch auch in anderen Demokratien: Mit Corbyn sollte Boris Johnson bekämpft werden, Podemos gegen VOX in Spanien, BSW gegen AfD in Deutschland, Fünf Sterne gegen Lega in Italien. Meist gewinnt da das Rechtspopulistische, aber das heißt ja gerade nicht, dass das Linkspopulistische besser wäre.
Nö, heißt es nicht, bin ich völlig bei dir. Von mir aus können die beide weg. Aber das ist ja leider nicht die Frage…
Mein Punkt ist ein anderer. Dieser „Kampf gegen Rechts“ beschert der politischen Mitte nicht mehr Stabilität, sondern weniger. Wer zu (linken) Demos gegen Weidel aufruft, bekommt Wagenknecht. Das läuft nun schon seit sehr vielen Jahren so. Daraus könnte man lernen. Man bekämpft Rechtsextremismus nicht, in dem man gegen Rechtsextreme protestiert und auch nicht, in dem man die propagierten Themen ignoriert. Sondern in dem man praktikable Lösungen anbietet und vor allem: umsetzt.
Warum werden dann linke Themen ignoriert? Seit wann rufst du dazu auf, linke Koalitionen zu machen und die Leute „mitzunehmen“, um alles zu „stabilisieren“? Ich kann mich erinnern, dass du vehement dafür warst, Ramelow von der Macht auszuschließen. Deine Argumentation gilt immer nur für rechts, nicht für links.
Das stimmt alles nicht.
„Rechte“ vs. „Linke“ Themen
In der Demokratie, wo Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip gefällt werden sollen, geht es nicht um rechte oder linke Themen, sondern allein um den Mehrheitswillen. Du kannst in den vielen regelmäßigen Umfragen, demoskopischen Studien und Nachwahlbefragungen nachlesen, was die Wähler umtreibt. Das verändert sich, setzt immer andere Prioritäten. Aktuell ist es die ungesteuerte Migration und die Wirtschaftslage. Die Bürger sind unzufrieden bis erbost über den Zuzug so viele Menschen aus sehr armen Ländern, die, obwohl sie nach der Rechtslage kein Bleiberecht haben, dennoch bleiben. Wirtschaftliche Stagnation bedeutet sinkenden Wohlstand. Gerade hat eine Studie gezeigt, dass das Vermögen der Deutschen zuletzt gesunken ist, während Amerikaner und Chinesen immer mehr davon ziehen. Deutschland verarmt, das zeigt die Statistik und das spüren die Menschen.
Es geht derzeit nicht um linke Themen, weil sie nicht mehrheitsfähig sind. Was Postmaterialisten (12 Prozent) und ökologisch orientierte Bürger (8 Prozent) bewegt, sind eben ausgesprochene Minderheitenthemen und ihre Lösungsansätze werden von weiten Teilen abgelehnt. Demokratie ist ein Entscheidungsprinzip zum Finden von der Mehrheitspositionen. Das hat jeder Demokrat zu akzeptieren, egal ob ihm Themen und Lösungsansätze gefallen oder nicht.
Ramelow
Weder habe ich je geschrieben noch die Meinung vertreten, Bodo Ramelow von der Macht fernzuhalten.
Richtig ist, das der thüringische Ministerpräsident ein Choleriker ist und über ein aufbrausendes Temperament verfügt. Das ist seit sehr vielen Jahren bekannt. Ich habe in meiner Karriere ein paar Mal mit Cholerikern arbeiten müssen. Sie sind prinzipiell nicht zur Führung von Menschen geeignet.
2009 hatte die Linke erstmals in Thüringen die Möglichkeit eine linke Regierung zu bilden. Eine Koalition scheiterte damals an der Persönlichkeit des Spitzenkandidaten. Die Verhandlungspartner der SPD erlebten Ramelow damals als wenig vertrauenswürdig, so wurde es in einigen Medien beschrieben. Ramelow übte Selbstkritik und bemühte sich in den folgenden Jahren um den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zu den Akteuren von SPD, Grünen und auch CDU. Dafür wurde er 2014 mit dem Amt des Ministerpräsidenten belohnt.
Ich beschäftige mich nun seit Jahrzehnten mit Themen der Führung von Menschen, gerade im Spitzenbereich. Ohne Vertrauen, Berechenbarkeit und Zuverlässigkeit geht gar nichts.
Nach der Wahl 2020 verlor die rot-rot-grüne Regierung ihre Mehrheit im Landtag. Bemerkenswerter Weise wollte man das in der Thüringer Machtzentrale nicht wahrhaben. Obwohl ohne eigene parlamentarische Mehrheit, stellte sich Ramelow im Februar 2020 zur Wiederwahl vor die Abgeordneten – und erwartete, spätestens im dritten Wahlgang ein Mandat durch die relative Mehrheit zu bekommen. Er setzte dabei einfach voraus, dass die CDU sich gegenüber einem linken Kandidaten neutral verhalten würde.
Ein solches Vorgehen tritt den Wählerwillen mit Füßen, denn es hätte de facto die abgewählte linke Regierung parlamentarisch bestätigt. Aus gutem Grund verlangen Verfassungen die Wahl eines Regierungschefs mit absoluten Mehrheiten. Relative Mehrheiten sind für Sonderfälle reserviert.
Diese Nötigung freier Abgeordneter, einen Kandidaten zur Mehrheit verhelfen zu sollen, den sie völlig ablehnen, finde ich eine eklatante Verletzung des Demokratieprinzips und der demokratischen Kultur. Zum Glück hatte Ramelow in der Geschichte der Republik keine (mir bekannten) Vorgänger noch Nachfolger. Und das aus guten Gründen.
Vielleicht hilft das hier ein wenig weiter:
https://www.nzz.ch/international/sie-ist-extrem-rechts-er-ist-extrem-links-und-doch-haben-sie-mehr-gemeinsam-als-ihnen-lieb-ist-marine-le-pen-und-jean-luc-melenchon-ld.1839008
thx
Gerade angesichts dessen und der geführten Diskussion würde wahrscheinlich nicht nur mich brennend interessieren, warum Du den Kampf gegen den Rechtsextremismus (der häufig nur ein Rechtspopulismus ist) für wichtiger ansiehst und dafür bereit bist Linkspopulisten / Linksextremisten zur Macht zu verhelfen. Und bitte, wie jeder weiß auch ich, dass Du keine Sympathien für Linksextremisten hegst. Aber Du bist bereit, ihnen an die Macht zu verhelfen, um Rechtspopulisten zu verhindern.
Artikel wäre toll!
3) Als ich vor einigen Wochen schrieb, Biden zeige so viele Ausfälle in der Öffentlichkeit, dass er kaum für eine zweite Amtszeit vermittelbar wäre, war Deine voller Überzeugung vorgetragene Replik, nach dem, was Du über die internen Prozesse lesen würdest, sei der Mann topfit. Und Du hättest keinen Grund zu zweifeln. Da hätte ich Dir das entgegenschleudern können, was Du gerade schreibst. 🙂
4) Thorsten hat für mich nochmal insistiert. Könntest Du bitte sagen, was an Melenchon besser ist als an Le Pen, und warum es gut ist, Rechtsextremisten zu bekämpfen, nicht jedoch Islamisten und Linksextremisten?
3) Nein, das ist ja nicht vergleichbar. Ich brauche um zu zweifeln ja vernünfigte Grundlagen. Ich habe mich auch nie an dem Spiel beteiligt, Trump irgendwelche Geistesstörungen zu attestieren und das immer als dämliche Küchentischpsychologie abgelehnt. Fair ist fair.
4) Siehe Antwort an Thorsten.
3) Bidens Auftreten sollte eigentlich ausreichen. Irgendwann hat jeder einen alten Opa und wenn der so auftritt, weiß man, mit Großvater ist nicht mehr so zu rechnen.
Ich hatte Dir vorgehalten:
– Biden ist in einem Alter, in dem das Demenzrisiko statistisch hoch ist;
– ein Großteil der Amerikaner stirbt;
– er sich in den Jahrenden Medien weitgehend entzogen hat, in denen man sich einen Eindruck seiner geistigen Verfassung hätte machen können.
Deine Replik wie gesagt: Er mache eine vernünftige Politik und aus seinem Umfeld sei nichts Entsprechendes verlautet. Nun denn, inzwischen gibt es diesbezügliche Berichte unter dem Siegel der Vertraulichkeit. Das hieße dann im Umkehrschluss, dass Du Biden nicht mehr für geeignet ansiehst. Richtig?
Und nochmal: Das hat mit Trump nicht das Geringste zu tun. Was ich Dir noch an der Stelle entgegenhalten muss: Die Amerikaner wie die meisten Demokraten wählen lieber einen Mafiaboss aus einen Dementen zum Regierungschef.
Wie kommst du darauf, dass die meisten Demokraten das tun würden…?
Das zeigen die Umfragen überdeutlich. Gegen den Dementen wäre selbst eine Kamala Harris ein besseres Angebot. Es gibt derzeit niemand Seriöses in Washington, der Biden eine realistische Chance gegen den Mafioso zubilligt.
Das zeigen die Umfragen überhaupt nicht. https://www.npr.org/2024/07/12/nx-s1-5036518/biden-trump-poll Das ist ja genau das Problem. Und „dement“ – ich würde mich an deiner Stelle mit so etwas mehr zurückhalten.
In den relevanten Swing States liegt überall Trump vorne, manchmal sogar mit deutlichem Vorsprung.
https://www.nytimes.com/interactive/2024/us/elections/polls-president.html
Zur Erinnerung: Da wird die Zustimmung zum Präsidenten gegenüber einem vorbestraften, sehr unsympathischen und skrupelosen Anti-Demokraten gemessen. Und der Amtsinhaber ist nicht einmal da in der Lage, Wähler zu überzeugen. Gegen wen will er überhaupt überzeugen?
Trump ist auch kein Mafioso. Tatsächlich könnte Biden an Parkinson leiden. Sowohl der Fernsehzuschauer als auch professionelle Beobachter bemerken am Präsidenten einen schnell voranschreitenden Abbau seiner geistigen Kapazitäten. Laut Mitarbeitern des Präsidenten ist er nur noch wenige Stunden am Tag in der Lage seine Amtsgeschäfte wahrzunehmen.
Das hast Du sicherlich auch mitbekommen. Denkst Du, den Job im Oval Office ließe sich auch in Teilzeit bewerkstelligen?
4) Das Problem ist, dass die Schnittmenge zwischen dem Linksbündnis und Macron echt gering ist.
Am Wahlabend erklärten sich die Linken zum Wahlsieger, obwohl sie ja nur eine relative Mehrheit von deutlich unter 40% erreicht hatten. Ihre Beteiligung ihrer Regierung steht ihnen ja noch zu, aber dann forderten sie wiederholt, dass ihr gesamtes Programm (tout le programme) umzusetzen wäre. Dem kann aber die gemäßigte Mitte nicht zustimmen, ohne ihre Grundüberzeugungen zu verraten.
Ich kann den Ärger der Linken über Macrons Arroganz verstehen, aber so wie die sich das Vorstellen, wird es nicht funktionieren.
Natürlich sitzen in Deutschland auch Grüne, einige verbliebene SPD-Linke und FDP gemeinsam in einer Regierung. Allerdings sind hier v.a. die Linken zu starken Zugeständnissen bereit.
Einigen sich die beiden Blöcke der Zentristen und Linken im Parlament nicht, kann sich Rassemblement National (RN) als Fels im Regierungschaos aufspielen, um dann in den nächsten Wahlen wirklich zu gewinnen.
RN hat gegenüber der letzten Parlamentswahl neue Wahlkreise in der Bourgogne und in Nord-Frankreich gewonnen. Seit der Entschließung zum gemeinsamen Europäischen Binnenmarkt gewinnt FN und RN sehr stetig Wählerstimmen hinzu. Für mich stellt sich die sehr ernste Frage, ob in Frankreich die Tiefe des in den 80/90ern erreichten Grades der Europäischen Integration unter den Franzosen mittelfristig überhaupt mehrheitsfähig ist.
Ich denke nicht, dass dies so klar in Deutschland gesehen wird.
„Am Wahlabend erklärten sich die Linken zum Wahlsieger, obwohl sie ja nur eine relative Mehrheit von deutlich unter 40% erreicht hatten. Ihre Beteiligung ihrer Regierung steht ihnen ja noch zu, aber dann forderten sie wiederholt, dass ihr gesamtes Programm (tout le programme) umzusetzen wäre. “
Langsam!
Es gibt (auch dort) nicht „die Linken“. Dieses Wahlbündnis war ein rein taktisches Manöver um die Wahlkreisergebnisse zu optimieren. Die beteiligten Parteien sind in keiner Weise inhaltlich verbündet und haben auch kein gemeinsames Programm.
Dieser Anspruch, man müsse das komplette Programm durchsetzen, ist von Mélechon. Der mit seiner Gruppe zwar etwas mehr Mandate (70) als Glucksmanns Sozialisten (60) und die Grünen (30) errungen hat – aber deswegen nicht der Chef der Linken ist.
Allein schon diese Idee, man müsse jetzt SEIN komplettes Programm durchsetzen zeigt, wie völlig durchgeknallt dieser Typ ist.
Weder Sozialisten noch Grüne werden sich von Mélechon und seinen programmatischen Irrungen irgendwie beeindrucken lassen, sie sind ihm auch zu nichts verpflichtet. Und sie werden auch kein Problem haben, mit Macron politische Kompromisse zu finden.
Das Problem ist nur, daß die vernünftigen Linken und Macron gemeinsam noch keine Parlamentsmehrheit haben. Dazu brauchen sie auch noch die Unterstützung der Republikaner. Vielleicht nicht als Koalition, aber wenigstens als Duldung.
Aber das wird lösbar sein.
Das Wahlbündnis Nouveau Front Populaire hat ein gemeinsames Wahlprogramm. Das wollen sie durchsetzen.
https://lafranceinsoumise.fr/2024/06/19/le-programme-du-nouveau-front-populaire/
Nach meinem Verständnis bestand das taktische Mannöver darin, dass Ensemble oder Nouveau Front Populaire Kandidaten im zweiten Wahlgang auf eine Kandidatur verzichtet haben, um gegen den RN Kandidaten zu gewinnen. So erhielt die RN zwar die meisten Stimmen aber die wenigsten Sitze.
Möglicherweise überschätzt Du die Möglichkeiten und das Interesse der Sozialisten und Grünen mit Ensemble (Macron) eine Koalition einzugehen. Aus Sicht der nächsten Wahlen ist es wohl auch nicht vernünftig zu eng mit Macron zu kuscheln, weil der in Frankreich nämlich sehr unbeliebt ist.
Weder Le Monde noch Hugo Décrypte erscheint die Bildung einer Regierung einfach.
Hugo Décrypte: https://www.youtube.com/watch?v=QGXbVx4gfYM
https://lafranceinsoumise.fr/2024/06/19/le-programme-du-nouveau-front-populaire/
Sehr gutes Erklärstück, danke. Ich hab’s sogar einigermaßen verstanden. Zu meiner Zeit war ja noch der De Gaulle am Ruder, in seinen letzten Lebensjahren. Der ist am allem Schuld^, weil der Autor der Verfassung. Eigentlich sollte das Parlament deutlich geschwächt werden und Parteien waren nach seiner Auffassung sowieso das Letzte. Die vertreten Privatinteressen und nicht die Interessen des Staates, so seine Auffassung. Die Parteien der politischen Rechten aus der IV., zum Teil noch aus der III.Rep., hat er ruiniert, an deren Stelle trat eine Sammlungsbewegung rund um De Gaulle. Nach dessen Tod kam es zu den üblichen Erbschaftskämpfen und der Chirac hat dann 1976 mit RPR einen neuen Laden aufgemacht, aber da hatte erstmal die Linke zunehmend Oberwasser. Der Mitterrand (ursprünglich stramm-rechts) hatte seinerseits als seine Plattform den PS gekapert. Das war schon ’71.
Parteien im Wesentlichen als Unterstützungsvereine des Präsidenten oder von jemandem, der/die das werden will. Tatsächlich ist das auch heut noch der Kern. Die Parteien sind fluid und das Muster ist Bäumchen-wechsel-dich – bei Extremisten weniger.
Nachdem der Macron – ursprünglich ein typischer Lifestyle-Linker – den PS verlassen hat, kam das künstliche Gebilde La République En Marche ! mit Ausrufezeichen daher, geboren in 2016, mittlerweile der Name 2 x geändert. Die Sammlungsbewegung à la De Gaulle heißt aktuell Ensemble. Alles so wie früher, nur in dünn und schwindsüchtig, wenngleich anfangs mit deutlichen Überraschungserfolgen. Die Franzosen schmeissen politische Spielzeuge bei zunehmenden Nichtgefallen gern schnell wieder beiseite.
Aber auch die gaullistischen Vorkehrungen funktionieren nicht mehr. Macrons „moment gaullien“ der herrschaftlichen Parlamentsauflösung mit Überraschungseffekt hat dem Schlamassel komplettiert und der Ergebnis erinnert ulkigerweise an die IV. Republik. Jetzt kommt es u.a. drauf an, wer die besseren Nerven hat. Mal sehn.
danke. Sehr interessant.
Ach Gott, man geht immer mit den Maximalforderungen in Verhandlungen. Die wären auch doof, wenn sie ohne Not sagen würden „wir sind zwar mit toute programme angetreten, aber eigentlich wollen wir gar nicht alles umsetzen“. Das ist politisches Einmaleins.
Oh là là. Je ne voulais pas exprimer cela.
[Übers: Oje. Das wollte ich nicht ausdrücken]
Vielleicht gehst Du und R.A. da zu sehr mit einem deutschen mindset daran, dass man sich unbedingt in der Mitte treffen wird. Natürlich bin ich kein Frankreich-Experte, aber vielleicht sind die Energie-Verhältnisse in der französischen Politik aktuell anders. Das besorgt mich.
Gut möglich!
Kleiner Nachtrag zu d).
Ich habe da mal einen Freund gefragt, der seit etwa 20 Jahren das britische Unisystem miterlebt (derzeit als Dekan).
Der meinte, der Artikel wäre in der Analyse bzw. Beschreibung der Entwicklung absolut korrekt. Nur bei den conclusions am Ende fände er ihn nicht überzeugend.
Auf jeden Fall hat die neue Regierung da eine heftige Baustelle.
Aus Interesse: welche conclusions zieht er denn?
2) Vorsicht : Korrelation =/= Kausalität. Aber die Umgebung istz ein wichtiger Faktor für Konzentration. Deswegen ist es von praktischem Interesse, welche Erklärung dieser Beobachtung zugrunde liegt. Zwei, die imho in Frage kommen:
– Hohe Räume sind fremde Räume und es ist verständlich, dass die Konzentration in vertrauter Umgebung besser ist.
– Hohe Räume sind große Räume mit vielen Prüflingen (und oft guter Akustik), Hintergrundgeräusche vervielfachen sich.
Weitere Frage: Wie ist es mit dem Extremfall: Lernen unter freiem Himmel? Einen höheren Raum gibt es nicht.
3) Dennis hat im letzten Vermischten auf eine wichtige Funktion von „Lagern“ in der Politik hingewiesen: Dass man auch eine Regierung abwählen und stattdessen die Opposition wählen kann. Wenn jetzt die eine Seite eine totale Katastrophe auffährt (die Liste m spricht Bände), strengt die andere sich nicht mehr an. Biden ist auch in Umfragen unglaublich unbeliebt. Und was das Alter betrifft, so ist er nicht allein, sondern betrifft weite Teile der Democrats Eliten (was ein ernstes Problem ist, CitizenK hat die Gerontokraten zum Ende der UdSSR angesprochen) Pelosi ist weit über 80, Clinton, Schumer, Durbin, Murray sind mindestens Mitte 70.
4) Ich sehe ein grundlegendes Problem daran, wenn Wahlverzerrungen als gerechtfertigt hingenommen werden, wenn es „den richtigen“ nutzt. Mach einmal die Gegenprobe: Wenn Macron aus „dem Gebot der Stunde heraus“ seine Mehrheiten (wie in manchen US-Bundesstaaten) durch Gerrymandering und voter suppression exzielt hätte statt durch Absprachen, würdest du das Ergebnis immer noch als akzeptabel betrachten?
d) Meta: Ich möchte prognostizieren, dass in den nächsten Wochen gehäuft Artikel kommen, wie viel schlechte Politik die Tories geleistet haben.
k) Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass ein Besuch in den Gedenkstätten dazu dienen könnte, etwas zu „lernen“. Vielmehr schafft er (nach meiner Schüler(!) Erfahrung) eine beklemmende Unmittelbarkeit, als wirklicher Ort, an dem unvorstellbare Verbrechen passiert sind. Das kann man nicht erzwingen, ist aber eine imho so wichtige Erfahrung, dass sie zumindest jedem Schüler nahegelegt werden sollte.
q) und j) Zwei Gelegenheiten für „Grünenbashing“, die aber auf ein reales Problem zeigen: Die Wagenburgmentalität der Partei gegenüber Fehleinschätzungen:
Beispiel j): In einer Organisation werden Führungspositionen nach fachfremden Kriterien besetzt, Mitarbeiter sind damit nicht zufrieden und als Grund wird „Obstinenz“ angegeben ?
Beispiel q) Mit 11 % in Umfragen einen „Kanzlerkandidaten“ aufzustellen, ist natürlich Realitätsverweigerung und dass eine Politikerin, die schlechte Leistungen (s.o.) abgeliefert hat, dafür gelobt wird, wenn Sie auf diesen albernen Anspruch verzichtet, macht es nicht besser.
2) Angesichts des deutschen Wetters ist das eine akademische Frage 😉
3) „Eine Seite“ fährt eine Katastrophe auf…? Habt ihr mal geschaut, wer der Kandidat der Republicans ist?
4) Wenn du nicht zur Wahl antrittst ist das nicht dasselbe wie Gerrymandering.
d) Bestimmt.
k) Oh, sicher. Ich fahre auch immer wieder dahin, wir waren erst dieses Jahr wieder in Auschwitz. Nur ist es halt wirklichkeitsfremd, ALLEN Schüler*innen dazu zu verhelfen und auf diesen Effeekt zu hoffen.
3) Genau diesen meinte ich doch mit Katastrophe, deshalb auch der Verweis auf sein „Programm“ unter m).
4) Dasselbe nicht, aber es ist ein in meinen Augen gefährliches Dammbruchargument, wenn du systematische Wahlverschiebungen akzeptierst. Aus der führenden Gruppe (popular vote) die drittplazierte (Sitze) zu machen, ist eine solche.
3) Ah ok.
4) Naja, wenn du drei Leute mit je um die 30% hast und in der Stichwahl gewinnt dann nur einer…? Denk mal an den damaligen Sieg Jacques Chiracs, das war doch ähnlich.
1995 ist ein innerparteiliches Absprachemanöver (der Verzicht Balladours auf die Präsidentschaftskandidatur) gescheitert, Balladour trat trotzdem an. Aber bei der Stichwahl zum Präsidentenamt sind solche Manöver unerheblich, da es immer auf zwei Kandidaten hinausläuft.
4) Das System in Frankreich funktioniert so: Wenn im 1. Wahlgang jemand 50% macht, gewinnt er. Ansonsten gibt es einen zweiten Wahlgang. Zu dem sind dann alle zugelassen, die im 1. Wahlgang >12,5% erreicht haben.
Wenn nun einzelne Kandidaten von Ensemble oder Nouveau Front Populaire auf ihre Kandidatur verzichten, um einen Sieg des Kandidaten des Rassemblement National zu verhindern, ist das deren persönliche Entscheidung. Eine 3-Drittel Konstellation (links Drittel, mitte Drittel, rechts Drittel) begünstigt Absprachen stark. So eine Repräsentative Demokratie ist halt kein Pony-Hof, sondern Machtpolitik. In der Wählerschaft gab es offensichtlich keine größere Unzufriedenheit über den Verzicht zugunsten des Nicht-RN Partners.
In Chile gab es zwischen 1958 und 1973 sowie 1988 und heute nicht-manipulative Wahlen im gesamten Land.
Dort trat diese nun in Frankreich beobachtete 3-Drittel (tres tercios) Konstellation oft auf. In solchen Phasen ist es immer entscheidend wie stabil zwei Drittel zusammenarbeiten können.
In der Wahl 1964 vorher verzichteten die Konservativen sogar zugunsten der zentristischen Christdemokraten auf einen eigenen Präsidentschafts-Kandidaten, um einen Sieg der Linken zu verhindern. Allerdings erwiesen sich die Christdemokraten an der Regierung als linker als von den Konservativen erwartet.
Wenn das regierende Drittel sehr radikal agiert, treibt es das koallierende Drittel in die Opposition. Das ist unter Allende mit den Christdemokraten geschehen. Die waren 1970 sehr links-geneigt, trieben dann aber angesichts – sagen wir – einiger Themen dem konservativen Drittel zu, so daß es die Putschisten sehr leicht hatten, der ohnehin schon schwachen Regierung den Todesstoß zu versetzen, um eine tragische, widerwärtige und menschenverachtende Diktatur zu errichten.
Aktuell trieb die linke Regierung Boric immer mehr in die Arme der zentristischen ex-Concertación Parteien. Allerdings wird 2025 die 3-Drittel Konstellation wohl wieder für eine Zeit verschwinden. Die Konservativen werden vermutlich gewinnen, allerdings haben rechts-außen Kandidaten wie José Antonio Kast oder Johannes Kaiser vermutlich keine Chance. Vor einem Jahr erschien es zeitweise denkbar, dass sich die 3-Drittel einfach nach rechts verschieben, also Konservativen in der Mitte. Allerdings müßten dafür Kast und Kaiser ihren mega-beef beenden. Das erscheint mir unmöglich.
Ein kleiner Neugierdenachtrag: Im letzten Absatz sagt Broadbent „Prüfungen sind seit mehr als 1300 Jahren ein wichtiger Bestandteil unseres Bildungssystems […]“ Hat von euch jemand eine Idee, welcher historische Bezug die 1.300 Jahre meinen könnte? Merowinger? Angelsachsen? Byzantiner? Aborigenes (Uni Melbourne) ???
Keine ahnung. Aber klingt gut 😀
Ich denke, es „geknackt“ zu haben: Wahrscheinlich sprach Broadbent von „since the thirteen-hundreds“, dem 14. Jahrhundert, als sich das Universitätswesen organisiserte und systematisierte. News4teachers hat das mit „seit 1300 Jahren“ fehlübersetzt.
Das macht Sinn.
l) Interessant auch die Kommentare, zum Beispiel:
„Just about everything in the US costs more because in the US, we’re the kings of regulation. This is not necessarily because we have more regulation, but because we turn standardized model regulations into a million different code-compliance pathways depending on what, where, and when you’re building something.“
In vielen Kommentaren: Anderswo ist es besser.
Yes!
Vielleicht sind wir gar nicht die „Kings of Regulation“?
E.G.?
Manni, your turn.
@ CitizenK 12. Juli 2024, 08:33
Vielleicht sind wir gar nicht die „Kings of Regulation“?
Wir haben DEUTLICH zu viel Bürokratie. Ob es in Einzelbereichen andere Länder gibt, die schlimmer sind, ist dafür irrelevant.
Französisches Haushaltsdefizit: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/167257/umfrage/haushaltssaldo-von-frankreich-in-relation-zum-bruttoinlandsprodukt-bip
Wenn Frankreich rechts wie links Parteien wählen, die ihm Gegensatz zu Macron keine Bewegung hin zu einem ausgeglichenen Haushalt anstreben, wie soll der Euro mittelfristig Bestand haben?
Vielleicht wird das zu etwas einmünden, das man in den 90ern ein Europa der zwei Geschwindigkeiten nannte und damals im Süden mit Händen und Füßen bekämpft wurde. Es bräuchte vielleicht einen anderen Namen.
Ich finde auch nicht, dass wir in den nächsten 5 Jahren die 3% neue Schulden bezogen auf BIP einhalten können. Ich würde den Begriff „Kriegswirtschaft“ bevorzugen, um den temporären Charakter zu unterstreichen.
3) Vielleicht sollte man besser mal nachfragen, ob „mental health“ wirklich so genau bei US-Präsidenten geprüft werden sollte:
https://journals.lww.com/jonmd/abstract/2006/01000/mental_illness_in_u_s__presidents_between_1776_and.9.aspx
Bitte nicht als „plumpen Antiamerikanismus“ verstehen, unsere Bundes- und Reichskanzler wären wahrscheinlich auch ein interressanter Patientenkreis.
„Deutschland verarmt“
Ganz Deutschland?
https://www.wiwo.de/finanzen/geldanlage/vermoegen-in-deutschland-zahl-der-superreichen-in-deutschland-waechst-deutlich/29889790.html
Das Gesamtvermögen stagniert, während es in der Welt wächst. Ihre Neidreflexe können das nicht ausradieren.
https://www.welt.de/finanzen/geldanlage/plus252457064/Vermoegen-Deutschlands-Wohlstands-Schwaeche-trifft-vor-allem-die-Mitte.html#cs-lazy-picture-placeholder-01c4eedaca.png
https://www.welt.de/finanzen/geldanlage/plus252457064/Vermoegen-Deutschlands-Wohlstands-Schwaeche-trifft-vor-allem-die-Mitte.html
Andere Länder machen sich mehr Gedanken über Vermögensaufbau ihrer Bürger als die Verteilung des Vermögens. Das scheint die erfolgreichere Strategie zu sein.
Die Begründung für die Verarmung „Mitte“ liegt leider hinter der Zahlschranke. Schlagzeilen reichen nicht dafür.
Geldvermögen wird eher nicht von Superreichen gehalten. Die Behauptung „Deutschland verarmt“ wird jedenfalls von diesen Zahlen auch nicht gestützt:
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/vermoegen-geld-privathaushalte-100.html
Wie immer: Nabelschau. Deutschland repräsentiert gerade 1% der Weltbevölkerung auf 2 Promille der Erdoberfläche. Es gibt auf diesem Globus noch mehr als Deutschland.
In dem Artikel steht nichts, was Sie nicht fünfzigmal von mir in Artikeln lesen konnten und analysiert bekamen. Aber ich bin ja nur ein gieriger Besserverdiener, der keine Steuern zahlen will. Vermögensbildung ist etwas extrem Langwieriges, Erfolge zeigen sich erst in Jahrzehnten. Fehler auch. Sie ziehen sich darauf zurück, dass die Mittelschicht arm wäre, weil Vermögen vor allem durch Erbschaften entstehen würde. Selbst wenn das wahr wäre (das stimmt von den Zahlen nicht), so erkennen Sie nicht Ihren schädlichen Populismus: Wenn andere viel reicher sind, obwohl sie Erbschaften stärker besteuern, dann deswegen, weil sie ihren Bürger viel mehr vom selbst Erwirtschafteten lassen. Sie dagegen sind ein Freund der extremen Einkommensbesteuerung und sehen Steuererleichterungen nur am unteren Ende gerechtfertigt – also für Menschen, die in keiner Gesellschaft nennenswert Vermögen bilden können.
Das Ergebnis ist das, was Sie wollen: In Deutschland ist der Staat vergleichsweise reich weil gering verschuldet und viele Vermögenstitel in gemeinschaftlicher Hand. Dafür sind die Bürger relativ arm. In den meisten Ländern ist es umgekehrt. Und so wollen Sie es.
Nun zum Artikel:
Deutlich mehr als die Hälfte des Vermögens (knapp 12,3 Billionen US-Dollar) stecken hierzulande in Sachwerten. Insgesamt schrumpfte diese Komponente der Vermögensbilanz um 290 Milliarden Dollar, mehr als zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Wenn sich beim Finanzvermögen der Deutschen eine Tendenz nach oben zeigt, hat das zwei Gründe: Nach einem schwachen Vorjahr entwickelten sich die Finanzmärkte im Jahr 2023 wieder positiv.
So kletterte der Industrieländer-Aktienindex MSCI World, der fast 1600 Papiere umfasst, um rund 14 Prozent. Gleichzeitig partizipiert eine größere Zahl von Bundesbürgern an der Börse. Und noch mehr Menschen kamen in den Genuss steigender Zinsen. Wer die Chancen der Kapitalmärkte für sich nutzte, konnte so seinen Wohlstand vermehren. (..)
Wenig schmeichelhaft für Deutschland sind der UBS zufolge die Kennzahlen für den Wohlstand in der Mitte der Gesellschaft. Wer das Median-Vermögen betrachtet, also jenes Vermögen, das die Mitte zwischen der oberen und der unteren Hälfe definiert, wird die reichsten „Normalos“ in Luxemburg finden.
In dem Großherzogtum beträgt das Median-Gesamtvermögen aus Geld- und Immobilienwerten stolze 372.300 Dollar. Damit ist der normale Luxemburger aus der Mitte der Gesellschaft sogar reicher als der normale Australier mit 261.800 Dollar. Die Franzosen kommen auf 140.600 Dollar, die Niederländer auf 116.900 Dollar.
https://www.welt.de/finanzen/geldanlage/plus252457064/Vermoegen-Deutschlands-Wohlstands-Schwaeche-trifft-vor-allem-die-Mitte.html#cs-lazy-picture-placeholder-01c4eedaca.png
Während es Deutschlands westliche Nachbarn auf respektable Plätze bringen, tauchen die Bundesbürger in dieser Betrachtung der UBS nicht einmal unter den ersten 25 auf. Die Deutschen erreichen beim Medien-Gesamtvermögen nur 70.900 Dollar.
Die Gründe dafür sind vielfältig: Lange haben sich die Einwohner in Europas größter Volkswirtschaft auf den Sozialstaat verlassen und wenig eigenes Vermögen aufgebaut.
So ist Deutschland ein Land der Mieter, die Eigentumsquote bei Wohnungen und Häuser ist bis heute eine der niedrigsten in Europa, sodass über Immobilien weniger Vermögensaufbau stattgefunden hat als anderswo.
Auch die Wohlstandsvernichtung durch den „DDR“-Sozialismus im Osten des Landes wirkt weiter nach. Schließlich legen immer noch viele Bundesbürger bei der Geldanlage größten Wert auf Sicherheit, sodass sie die Chancen höher rentierlicher Investments vernachlässigen. Erst in jüngerer Zeit hat sich das etwas gebessert, kann jedoch nicht die Sparbuch-Präferenz aus Jahrzehnten ungeschehen machen.
Nicht zuletzt die Hochinflation der Jahre 2021 bis 2023 hat die Deutschen hart getroffen: Die Bankeinlagen, die das Gros des Finanzvermögens ausmachen, verloren in der Zeit deutlich an Kaufkraft.
Die schwache Wirtschaft der vergangenen Jahre tut ein übriges. So liegt das Bruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik aktuell immer noch kaum über dem Stand von Anfang 2020, als die Corona-Pandemie und die darauffolgenden Maßnahmen die Weltwirtschaft in eine Rezession schickten.
Während andere Ökonomien nach dem Ende der Pandemie jedoch wieder auf einen Wachstumspfad eingeschwenkt sind, scheint Deutschland in der Stagnation gefangen.
So haben die 2020er-Jahre für die Deutschen ernüchternd begonnen. Laut UBS war der Wohlstand hierzulande zwischen 2010 und 2023 noch um insgesamt 51 Prozent gewachsen, was einem jährlichen Plus von rund drei Prozent entspricht.
In den zehn Jahren davor lag das jährliche Wachstumstempo (2000–2010) noch bei sechs Prozent. Aktuell deutet wenig darauf hin, dass es „Goldene Zwanziger“ für die Menschen in Europas größter Volkswirtschaft werden. BCG wie auch UBS sagen der Bundesrepublik für dieses Jahrzehnt nur geringe Wachstumsraten beim Wohlstand voraus.
https://www.welt.de/finanzen/geldanlage/plus252457064/Vermoegen-Deutschlands-Wohlstands-Schwaeche-trifft-vor-allem-die-Mitte.html#cs-lazy-picture-placeholder-01c4eedaca.png
Danke für den Artikel. Den Vergleich mit Luxemburg halte ich allerdings für ein wenig – unbalanciert.
Dass Deutschland Arbeit hoch und Vermögen/Erbschaften gering besteuert, ist inzwischen allgemein bekannt. Eine Korrektur (aufkommensneutral) wäre sicher sinnvoll.
Die deutsche Zurückhaltung gegenüber Aktien und ist ein Grund für den Rückstand. Hier könnte man sagen: Selber schuld.
International gesehen basieren die sehr großen Vermögen eher auf Unternehmertätigkeit (https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/reichtum-wohlstand-nutzen-gesellschaft-politik-wirtschaft-studien-100.html), in Deutschland spielt Vererbung eine größere Rolle.
Zum Rückstand beim Wohnungseigentum trug auch die deutsche Einstellung zu Ver-Schuld-ung (moralisch verwerflich) bei; anderswo gehört die mortgage wie selbstverständlich zum eigenen Haus.
Was haben Sie gegen Luxemburg? Waren Sie überhaupt schon mal dort, ist ja nicht so weit von Ihnen?
Ansonsten haben wir mal ausnahmsweise ein ähnliches Verständnis.
Dass Deutschland Arbeit hoch und Vermögen/Erbschaften gering besteuert, ist inzwischen allgemein bekannt.
Das schreibe ich seit Jahrzehnten. Und die Schlussfolgerung daraus auch. Nur: Ich bin seit über drei Jahrzehnten erwerbstätig, in denen ich fast immer den Höchststeuersatz gezahlt habe. Dazu habe ich fast immer den Höchstsatz der Sozialversicherungen gezahlt. Nach meiner Erwerbszeit werde ich das Land verlassen und in ein Land mit deutlich niedrigerer Einkommensbesteuerung ziehen. Und hier kollidiert mein persönliches Interesse mit meinen politischen Überzeugungen:
Gewinneinkünfte unterliegen nach UN-Doppelbesteuerungsmusterabkommen (DBA) dem Wohnsitzlandprinzip. Von einer niedrigeren Einkommensteuer in Deutschland hätte ich dann nichts. Umgekehrt werden Vermögen, wozu auch Erbschaften zählen, nach dem Bestimmungsland besteuert. Das würde also dazu führen, dass ich wiedermal die schlechteste aller Welten erwischen würde: Nachdem ich mein Leben lang Höchststeuern auf mein Einkommen gezahlt habe, würde ich nun höhere Steuern auf anstehende Erbschaften zahlen. Warum sollte ich das befürworten? Das zeigt wieder einmal, dass der Staat mit seinen Regeländerungen für systematische Benachteiligungen sorgt. So ist es mir nämlich schon mit dem BAföG und dem Wehrdienst ergangen.
Was interessieren uns sehr große Vermögen? Politisch interessiert mich vor allem die Vermögensbildung in der Breite. Jeder ist frei, selbst ein Unternehmen zu gründen. Spoiler: Die meisten Unternehmensgründungen und Unternehmensfortführungen gehen schief und die Eigentümer sitzen danach leicht auf einem hohen Schuldenberg. Sie sehen nur die Gewinner.
Erbschaften spielen nur deswegen eine größere Rolle, weil Unternehmenstätigkeiten, Vermögensbildung, Immobilienerwerb eine deutlich kleinere Rolle spielen. Ist eine Frage der Relationen, denn Amerikaner erben nach Steuern nicht weniger als Deutsche.
Zum Rückstand beim Wohnungseigentum trug auch die deutsche Einstellung zu Ver-Schuld-ung (moralisch verwerflich) bei; anderswo gehört die mortgage wie selbstverständlich zum eigenen Haus.
Quatsch.
– Ausweisungspolitik der Gemeinden sorgen seit Jahrzehnten für hohe Bodenpreise im Verhältnis zu den Gesamtkosten.
– Hohe Steuern auf Erwerb
– Hoher Mittelentzug durch hohe Einkommensabzüge (aus denen werden schließlich Immobilien bezahlt!) vermindern das Eigenkapital.
– Politisches Klima, das Vermieter diskriminiert und Mieter privilegiert.
– Immobilien haben eine weit geringere Bedeutung für die Altersvorsorge als in anderen Ländern. Grund: Hohe Rentenversprechungen. Ich selbst habe übrigens aus Gründen der Kapitalbindung nie Immobilien vermietet.
=> Kleiner Hinweis: Schulden müssen immer auch getilgt werden. Außer Sie kalkulieren mit Ewigkeitsverbindlichkeiten. Das Hauptgeschäft deutscher Geschäftsbanken war über Jahrzehnte die Immobilienfinanzierung. Da gibt es keinen relevanten Unterschied zu anderen europäischen Ländern. Und über die Subprime Loans in den USA kann man unterschiedlicher Ansicht sein. Wenn’s schiefgeht, waren es immer gierige Banker.
Hallo Stefan,
Das ist mal ein umfassender Überblick. Ich stimme zu!
Viele Grüße
E.G.
@ CitizenK 14. Juli 2024, 18:52
„Deutschland verarmt“
Ganz Deutschland?
Klingt nach Asterix: Ganz Gallien ist von den Römern besetzt. Ganz Gallien? Nein, …
Dahingehend passend, dass die Größenvergleiche in etwa hinkommen: Das ganze Gallien zur Zeit von Julius Caesar im Vergleich zu einem kleinen Dorf mit zwei Dutzend Bewohnern bringt vermutlich ein ähnlich relevantes Verhältnis wie „84 Millionen Einwohner im Vergleich zu 3.300 Superreichen“. Hier wie dort nervt eigentlich nur das Wissen um die Existenz, während die Menge selbst keine Auswirkungen hat.
Was mich halt immer wieder wundert, ist, dass man sich darüber, wie man ein paar superreiche Hanseln relevant zur Kasse bitten kann, DEUTLICH intensiver den Kopf zerbricht als darüber, für die 83.996.700 anderen Bewohner bessere Verhältnisse zu schaffen, denen beim Vermögensaufbau zu helfen, denen eine zuverlässige, sichere, selbst erwirtschaftete Altersvorsorge zu ermöglichen.
Mein Tipp ist an dieser Stelle ja Sozialneid. Ich weiß, dass das von Dir stets bestritten wird, aber eine andere plausible Erklärung habe ich bislang noch nicht vernommen.
Neues von der „Fremdsprachenlernen-like-a-pro“ Front.
Irgendwann sollte man dazu übergehen, das easy french / dtv zweisprachig Ghetto in Richtung Freiheit verlasen (und Duolingo noch mehr).
Ich benutze zum Lesen weitgehend Kindle und habe festgestellt, dass das Standardwörterbuch für Französisch „Dictionnaire francais cordial“ für mich zu advanced ist. Nichts gegen dieses Werk speziell, aber es ist halt ein Französisch-Französisch Wörterbuch. Ich brauche noch ein Französisch-Deutsch Wörterbuch. Pons verkauft die auf der Webseite des großen Online Buchhändlers für 10 Euro. Nach dem Kauf lässt es sich im Kindle über Geräteoptionen/Sprachen und Wörterbücher/Wörterbücher/… problemlos einrichten.
In „richtigen“ französischen Bücher kann ich mit meinem aktuellem Stand manche Seiten problemlos lesen und in anderen fehlt mir in jedem Satz eine oder mehrere Vokabeln, um überhaupt ein akzeptables Verständnis zu erreichen. Wenn ich mich dann noch durch mir unverständliche französischsprachige Erklärungen durchkämpfe, wird das schnell zu anstrengend. Irgendwie gewinne ich sowieso den Eindruck, dass Französisch viel mehr Wörter hat als Deutsch, Englisch, Spanisch oder Portugiesisch, was sicherlich Quatsch ist.
Mit dem neuen Setup kann ich sowas wie Bernard Marchal, Paris, histoire d’une ville, 20 Seiten durchgängig lesen, ohne völlig erschöpft zu sein.
In Spanisch scheint default das Spanisch-Spanisch von der Real Academia dabei zu sein, oder ich hab das irgendwann gekauft. Damit komme ich persönlich gut zurecht, weil ich die Sprache halt beherrsche. Da hätte Pons aber auch ein entsprechendes Angebot.
Spannend, danke!