Frührrentner Mitch McConnell packt mit irritierender Psychologie den Zwang zum freien Wort an – Vermischtes 12.03.2024

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) Die irritierende Psychologie der Protestwähler

Der Artikel behandelt das Phänomen der Protestwahl, insbesondere die Entscheidung einiger Bürger, aus Enttäuschung und Wut die AfD zu wählen, in der Hoffnung, etablierte Parteien zur Verbesserung ihrer Arbeit zu bewegen. Der Autor, ein Psychoanalytiker, reflektiert über die Unzulänglichkeit von Vorwürfen als Mittel zur Problemlösung und argumentiert, dass diese Haltung die Probleme eher verstärkt. Er zieht Parallelen zwischen persönlichen Beziehungen und politischen Einstellungen, indem er aufzeigt, wie Vorwürfe in beiden Kontexten kontraproduktiv wirken. Die Neigung, aus Frustration und Enttäuschung heraus Protestwahlen zu tätigen, wird als Ausdruck einer tieferen menschlichen Tendenz verstanden, Unzufriedenheit direkt und impulsiv zu äußern, ähnlich wie ein Baby, das schreit, wenn es unzufrieden ist. Der Artikel hinterfragt diese Haltung kritisch und deutet an, dass ein konstruktiverer Ansatz zur Verbesserung der politischen Landschaft notwendig ist, anstatt durch Protestwahl und Vorwürfe eine negative Dynamik zu fördern. (Wolfgang Schmidbauer, Welt)

Ich bin nicht hundertprozentig überzeugt, ob ich die Paarpsychologie-Allegorie teilen möchte, aber Protestwahl ist ein zutiefst irrationaler Vorgang. Das steckt ja im Konzept bereits drin. Bei einer Wahl wähle ich etwas, in dem Fall meine Repräsentant*innen und mittelbar meine Regierung für die nächste Legislatur. Das ist ein zutiefst gewichtiger Vorgang mit schwerwiegenden Konsequenzen. Begehe ich den als Protest, macht das keinen Sinn. Das ist wie Protestessen. Oder Protestschlafen. Oder Protestspielen. Oder was auch immer. Ich kann das schon machen, aber jedes Mal zweckentfremde ich den eigentlichen Vorgang, um jemandem eines auszuwischen. Dabei kann ich mir unter Umständen selbst schaden. Mein Sohn ist da sehr gut drin, der bestraft mich etwa, indem er aus Protest seine Hausaufgaben nicht macht oder das Mittagessen verweigert. Rational? Nein, aber den Protest zum Ausdruck gebracht. Er hat die Entschuldigung, gerade in die Frühpubertät einzutreten. Welche haben Protestwählende?

2) Die Freiheit des Wortes umfasst auch die Freiheit des dummen Wortes

Der Artikel setzt sich mit der Debatte um Antisemitismus und Israelkritik innerhalb des deutschen Kulturbetriebs auseinander, insbesondere im Kontext der Berlinale. Der Autor argumentiert, dass es nicht gerechtfertigt sei, aus einzelnen pro-palästinensischen Äußerungen von Künstlern auf der Berlinale auf ein generelles Problem des deutschen Kulturbetriebs mit Israelhass und Antisemitismus zu schließen. Solche Schlussfolgerungen seien oft politisch motiviert oder beruhten auf einer überzogenen Selbstkritik, die in Deutschland historisch gewachsen sei. Der Text betont, dass die internationalen Akteure, die in der Debatte eine Rolle spielen, zeigen, dass die Diskussion um Antisemitismus und Israelkritik nicht ein spezifisch deutsches Phänomen ist, sondern eine internationale Dimension hat. Zudem kritisiert der Autor die Tendenz innerhalb Deutschlands, nicht mehr in der Lage zu sein, andere Meinungen zu tolerieren und eine Diskussion zu führen, ohne sofort nach Einschränkungen zu rufen. Dies wird als das eigentliche deutsche Problem identifiziert: eine abnehmende Fähigkeit, mit unterschiedlichen Ansichten umzugehen und die Meinungsfreiheit zu wahren, selbst wenn es um kontroverse oder unpopuläre Ansichten geht. Der Artikel schließt mit dem Hinweis, dass es wichtig ist, sich der Diskussion zu stellen und unterschiedliche Perspektiven auszuhalten, anstatt sich in Abschottung und Zensur zu flüchten. (Denis Yücel, Welt)

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Yücel auf Kommentare wie den seines Herausgebers Ulf Poschardt anspielt. Ich fühle mich in meiner These sehr bestärkt, dass Cancel Culture a) schon immer existierte und b) völlig normal ist. Was Ulf Poschardt in der verlinkten Kolumne fordert, würde er, beträfe es einen Rechtsradikalen, mit Verve bekämpfen, assistiert von Anna Schneider (die natürlich eine eigene Kolumne hat, in der sie das Canceln der Berlinale fordert). Es liegt eben immer im Auge der Betrachtenden. Entweder ist radikalen und/oder dummen Scheiß zu sagen ein Grundrecht, das in praktisch allen Fällen unbedingt verteidigt werden muss, oder halt nicht. Aber nicht mal Voltaire und Luxemburg haben das so gehalten, egal wie oft man sie fehlzitiert, und kein anderer Mensch wird es jemals tun. Der Anspruch ist zu hoch und nicht einzuhalten. Man kann ihn natürlich als Ideal formulieren, sollte man vielleicht sogar, aber die Vorstellung, er wäre umsetzbar (wie Yücel mit der Kritik an dem „inzwischen haben wir verlernt…“ leider auch insinuiert) ist falsch. Es war zu allen Zeiten so, und es wird zu allen Zeiten so sein. Wir müssen auf die Selbstreinigungskräfte und interne Kritik vertrauen, um die Auswüchse in Zaum zu halten.

3) Wenn Asylbewerber mit anpacken, ist das keine Zwangsarbeit

Im Saale-Orla-Kreis in Thüringen hat der Landrat Christian Herrgott (CDU) eine Arbeitspflicht für Asylbewerber eingeführt, die auf dem Asylbewerber-Leistungsgesetz basiert. Diese Maßnahme erlaubt es, Asylbewerber zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten, allerdings mit strengen Arbeitsschutzvorgaben und unter bestimmten Bedingungen: Eine Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden pro Woche ist nicht vorgesehen, und bestimmte Gruppen wie Rentner, Schulpflichtige, Kranke und teils Erziehungspflichtige sind ausgenommen. Die Idee dahinter ist nicht nur, die Integrationschancen durch Arbeit zu verbessern, sondern auch, Asylbewerbern die Möglichkeit zu geben, aktiv zur Gesellschaft beizutragen. Bei Nichtteilnahme drohen finanzielle Kürzungen. Der Landrat sieht darin einen Anreiz für die Asylbewerber, sich am Arbeitsmarkt zu orientieren und möglicherweise eine Ausbildung zu beginnen. Die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen im Kreis übersteigt das Angebot, was für Asylbewerber eine Chance darstellen könnte. Die Maßnahme zielt auch darauf ab, die Akzeptanz von Asylbewerbern in der Gesellschaft zu erhöhen, indem gezeigt wird, dass sie bereit sind, einen Beitrag zu leisten. Der Artikel deutet an, dass solche Initiativen die Migrationspolitik realistischer gestalten und möglicherweise das Wählerverhalten beeinflussen könnten. (Jan-Alexander Casper, Welt)

Ich halte die aktuelle Aufregung im progressiven Lager diesbezüglich (vor allem den Vorwurf der „Sklavenarbeit“) auch für total überzogen. Wie schon bei der Bezahlkarte steigert sich das progressive Lager da gerade in eine regelrechte Hysterie, die in meinen Augen völlig überzogen ist (dasselbe wie mit den Versuchen, im Rahmen der Pro-Demokratie-Demos die Union auszuschließen und mit der AfD gleichzusetzen; völliger Irrsinn und grundfalsch). Aber der Fall zeigt auch eine größere, demokratietheoretische Dimension:

Ich erinnere mich an total viele clevere Takes von „ach, ein Landrat ist eh nicht wichtig, kann auch von der AfD sein“ – an diesem Beispiel sieht man, was Landrät*innen tun können und welchen Gestaltungsspielraum sie haben. Stellt euch mal solche Macht über Menschen in Händen von Leuten wie der AfD vor. Aber grundsätzlich: Der Mann hat nie versprochen, etwas anderes zu sein als ein konservativer Hardliner. Er wurde von allen Demokrat*innen gewählt, weil er ein Demokrat ist, nicht, weil er moderate Politik machen würde. Das ist auch Demokratie – wenn eine klare Mehrheit für rechte Positionen besteht, werden diese gewählt. Und das ist hier der Fall, ob es mir gefällt oder nicht. Das ist natürlich für uns Progressive extrem ungenehm. But let’s not kid ourselves: so schaut es aus, wenn alle demokratischen Kräfte zusammenstehen. Das bedeutet auch, dass man voll und ganz an die CDU die Erwartung richten kann, ggf. mit zugehaltener Nase jemand linkes zu wählen. Und dann halt damit zu leben, dass diese Person linke Politik macht. Das ist nur extrem unwahrscheinlich, weil nirgendwo linksextremistische und linke Kandidat*innen in Stichwahlen stehen. Aber nehmen wir an, es geht um jemand von BSW oder Grünen. Es muss von der CDU dann erwartet werden, grün zu wählen. Ich halte es für wichtiger, diese Anspruchhaltung aus dem Fall Herrgott abzuleiten als nutzlos das Ergebnis einer demokratischen Wahl zu kritisieren.

4) Später in Rente gehen – aber bitte freiwillig

In Deutschland verschärft sich der Fachkräftemangel, da die Babyboomer-Generation in den nächsten zehn Jahren das Rentenalter erreicht. Trotz eines Allzeithochs von 46 Millionen Erwerbstätigen sinkt die Arbeitszeit pro Kopf, was in verschiedenen Bereichen zu spürbaren Engpässen führt. Der Artikel betont die Notwendigkeit, ältere Arbeitnehmer durch finanzielle Anreize zu motivieren, länger im Berufsleben zu bleiben. Ein Vorschlag von Wirtschaftsminister Robert Habeck, der jedoch von der SPD abgelehnt wurde, sieht vor, die Sozialbeiträge der Arbeitgeber an die Rentner als Lohn auszuzahlen, was ein Gehaltsplus von über 9000 Euro im Jahr bedeuten könnte. Die CDU schlägt eine „Aktivrente“ vor, die es erlaubt, bis zu 24.000 Euro jährlich steuerfrei zu verdienen. Solche Maßnahmen sollen dazu beitragen, den Erfahrungsschatz der Babyboomer länger zu nutzen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die gegenwärtige Praxis des frühen Ruhestands, besonders durch die „Rente mit 63“, wird kritisch betrachtet. Es wird argumentiert, dass die Gesellschaft das Potenzial älterer Arbeitnehmer noch nicht voll ausschöpft und dass durch geeignete Anreize ein Kulturwandel hin zu einem späteren Berufsausstieg erreicht werden könnte, ähnlich wie in skandinavischen Ländern, den USA oder Japan. (Dorotea Siems, Welt)

Ich habe das Thema bei der Rente schon öfter angesprochen: ich bin absolut für ein flexibles Eintrittsalter, aber halt flexibel im Sinne von „ich kann wenn ich will länger arbeiten“ – einfach, weil eine feste Regelaltersgrenze Unsinn ist. Manche Berufe erlauben eine Weiterarbeiten einfach nicht, andere tun es problemlos. Manche können gesundheitlich nicht mehr, andere problemlos. Ich habe keine Ahnung, wie tragfähig der „Erfahrungsschatz der Babyboomer“ tatsächlich ist; die Praxis der Unternehmen, Leute ab 50 nicht mehr für einstellungswürdig zu erachten, spricht irgendwie dagegen, dass der überragend groß ist (und by the way auch gegen eine höhere Regelaltersgrenze). Aber vielleicht täusche ich mich da. Gibt es da so was wie verlässliche Daten aus der Industrie? Als letzter Gedanke: was ich nicht mehr hören kann, nicht nur beim Thema Rente, ist dieses „lasst es uns machen wie Land X, die sind viel besser“. Erstens ist das Gras auf der anderen Seite immer grüner und zweitens sind die Umstände fast nie vergleichbar.

5) Diesem Mann sollte man nicht hinterhertrauern

Mitch McConnell, der seit 1985 im US-Senat sitzt und seit 2007 die republikanische Fraktion anführt, hat angekündigt, sich im November von seiner Führungsposition zurückzuziehen. Dieser Schritt reflektiert den politischen Wandel innerhalb der Republikanischen Partei, die zunehmend isolationistische Tendenzen aufweist und sich von McConnells außenpolitischer Linie entfernt hat, insbesondere in Bezug auf die Unterstützung der Ukraine. McConnell, der für seine reaktionäre und opportunistische Politik bekannt ist, hat maßgeblich den Rechtsruck am Obersten Gerichtshof der USA vorangetrieben. Durch die Verweigerung einer Anhörung für Barack Obamas Kandidaten Merrick Garland und die Durchsetzung von drei extrem konservativen Richtern unter Donald Trump hat McConnell die juristische Landschaft Amerikas langfristig geprägt. Trotz privater Kritik an Trump unterstützte McConnell dessen Agenda und lehnte es ab, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 anzuerkennen. Sein Abtritt als Fraktionsführer deutet auf eine zunehmende Dominanz des Trumpismus in der Republikanischen Partei hin, was die politische Ausrichtung der Partei auch im Hinblick auf die kommenden Präsidentschaftswahlen beeinflussen könnte. McConnell selbst hatte einst angenommen, die Partei würde Trump verändern, doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein. (Jörg Wilamasema, Welt)

Mitch McConnell ist für mich eine der wenigen Personen im Politikbetrieb, die ich mit dem Attribut „böse“ belegen würde. Er ist ein böser Mensch, und ich hoffe, er wird einmal in der Hölle schmoren. Kaum jemand hat so viel für die Zerstörung der Demokratie getan und so viel Leid verursacht wie er, und was mich dazu bringt ihm anders als Leuten wie Trump oder McCarthy und Konsorten dieses Attribut zu geben ist, dass er nicht aus Impulsen, ideologischer Veranlagung oder schlicht mangelndem Denkvermögen oder Kompetenz handelt, sondern es besser weiß, hochgradig fähig ist und sich bewusst zu diesen Handlungen entschieden hat. Dem bleibt Kevin Drums berechtigte Sorge, dass Schlimmeres nachfolgen könnte, unbenommen. Wer sich mehr für McConnells Wirken interessiert, sei dieser Artikel von Jonathan Chait, in New Republic oder dieser (Mitch McConnell’s real legacy is anarchy) empfohlen, die aus den letzten Tagen sind. Ansonsten findet man hier im Archiv oder mit einer kurzen Googlesuche weitere Hinweise.

Resterampe

a) Im Fall des Landrats Herrgott lernen gerade ein paar Leute Demokratie, fürchte ich.

b) Faszinierend: es gibt immer noch untergetauchte RAF-Terrorist*innen. Ob die wohl irgendwann mal dasaßen und über ihre Lebensentscheidungen reflektiert haben? Wie kann man sein Leben so wegwerfen?

c) Enshittification des Internets, mal wieder.

d) Wen dieser ZEITMagazin-Artikel zu Palästinenser*innen interessiert, der so viel Wellen geschlagen hat: hier ohne Paywall.

e) Super Artikel zum Thema Grüne und AfD.

f) Alabama is loco. Was für ein failed state. Kein Wunder stehen die in allen Metriken so katastrophal da.

g) White rural rage isn’t about economics. Siehe dazu auch hier.

h) Auch so Schlagzeilen, die völlig irreal klingen: Habeck wirbt für Carbon Capture, und die SPD sagt, nein, wir müssen die Umwelt schützen.

i) Diesem Artikel zum Schutz des BVerfG stimme ich voll zu.

j) Er spricht von Europa, denkt aber nur an sich und Frankreich. Siehe auch: Wenn zwei sich streiten …

k) What could Biden do to stop the fighting in Gaza? Exakt.

l) Zur Bezahlkarte.

m) An der Wirtschaftsflaute ist nicht nur die Ampel schuld.

n) Kann man Jan Fleischhauer nur Recht geben hier.

o) Bei der Gleichberechtigung ist laut diesem Artikel das Gras in Island grüner.

p) Republicans in Arizona, völlig crazy.

q) Irrationaler Grünen-Hass. Siehe auch hier.

r) Warum sind viele Autorinnen vergessen? – „Männer verstanden die Texte nicht“. Nicht von der reißerischen Übersicht abschrecken lassen.

s) Wir sind schon viel zu abgestumpft gegenüber solchen Nachrichten.

t) Als Nachtrag zur Covid-Diskussion.

u) Das kann ich leiden wie Fußpilz.

v) Gute Gedanken zur Nostalgie-Welle.

w) Guter Thread zur Digitalisierung von Schulen.

x) Guter Beitrag zum Thema Gewalt gegen Grüne. Diese Leute sind völlig abgedreht. Siehe auch hier.


Fertiggestellt am 02.03.2024

{ 38 comments… add one }
  • Stefan Pietsch 12. März 2024, 09:56

    1) Die irritierende Psychologie der Protestwähler

    Protestwähler gab es schon immer. Aber den Parteien der Mitte muss es zu denken geben, wie rasant diese Gruppe wächst. Die AfD hat binnen zwei Jahren ihre Zustimmungswerte verdoppelt. Natürlich kann man gerne darauf verweisen, dass Protestwahl irrational wäre. Aber eine solche Position ist selbst irrational. Denn in der Demokratie ist es so, dass auch eine Proteststimme so viel zählt wie eine „rational“ abgegebene Stimme. So lange das Problem der Protestwahl auf regionale Verhältnisse und sich im zahlenmäßig Kleinen abspielte, ließ sich darüber hinweggehen. Aber es ist weder rational, ein Drittel der Bürger zu Kleinkindern zu erklären noch die Trends zu missachten. Das ist schlichtweg dumm.

    Die Ampel alldieweil macht mit einer Gesellschaftspolitik weiter, die zunehmend 70 Prozent der Bürger aufbringt. Das sind dann keine Spinner mehr und man kann Roten und Grünen mit einiger Berechtigung vorwerfen, ihr demokratisches Mandat zu missbrauchen. Auch das zeigt wenig politische Reife.

    2) Die Freiheit des Wortes umfasst auch die Freiheit des dummen Wortes

    Die Forderung, den Kulturbetrieb nicht mehr mit Steuermitteln zu pampern, der die Prinzipien unserer Gesellschaft mit Füßen tritt, ist kein Canceln. Niemand hat in einer freien Gesellschaft einen Anspruch auf Förderung aus Steuermitteln.

    • Stefan Sasse 12. März 2024, 10:46

      1) a) Ja, Gleichwertigkeit aller Stimmen, nie was anders behaupetet.
      b) Die AfD speist sich nicht mehrheitlich aus Proteststimmen, in meinen Augen die völlig falsche Debatte.
      c) Die Ampel besteht aus drei Parteien; ansonsten finde ich es nur noch langweilig, dass du deinen politischen Gegnern ständig antidemokratische Handlungen unterstellst.

      2) Ich kringle mich am Boden vor Lachen, du bist echt so ein Heuchler.

      • Stefan Pietsch 12. März 2024, 14:15

        1a) Ich bezweifele nicht, dass Du die mathematischen Grundlagen einer demokratischen Wahl verstehst. Nur, wo ist die Schlussfolgerung daraus? Wo finde ich die Konsequenzen in Deinem Kommentar wieder?

        b) Laut einer aktuellen Umfrage, über die ich vor kurzem in einem Kommentar geschrieben habe, sehen nur knapp 5 Prozent die AfD als ihre erste Wahl, also 15 Prozent nicht. Wenn wir großzügig sind, hat die AfD 10 Prozent überzeugte Wähler – jene von der letzten Bundestagswahl. Keine andere im Bundestag vertretene Partei hat so wenig harten Kern.

        c) Die Ampel ist dysfunktional, weil sie eben nicht aus drei ähnlich gerichteten Parteien besteht. In der zentralen Finanz- und Wirtschaftspolitik verfolgen Sozialdemokraten und Grüne einerseits und Liberale andererseits nicht nur konträre Konzepte, sondern auch Überzeugungen. Und es ist ihnen auch wichtig, diese Unterschiede überdeutlich zu machen: Bei den Bundestagsreden zum Haushalt 2024 kam kein Redner von Rot-Grün ohne den Hinweis aus, dass eine Reform der Schuldenbremse, ihre Aussetzung und Steuererhöhungen die zeitlich angezeigten Mittel wären. Habeck verteidigte nicht sein Budget, sondern machte überdeutlich, dass er die verfolgte Politik für falsch hält. Eben Rot-Grün gegen Wirtschaftsliberale.

        2) Wenn Du nur eine Sekunde nachdenken würdest vor dem Schreiben eines solchen Satzes, dann müsste Dir klar sein, dass „Heuchler“ das falscheste Wort an dieser Stelle ist. Denn dann wäre Dir bewusst, dass ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohnehin ein fundamentaler Gegner einer allgemeinen Kulturförderung aus Steuermitteln bin. Ich bin sicher, Du hast Dir nicht die Sekunde Zeit genommen.

        • Stefan Sasse 12. März 2024, 17:27

          1b) *hust* Die FDP *hust* Ernsthaft, hast du nicht selbst in der Vergangenheit argumentiert, die FDP habe einen harten Kern unter der 5%-Hürde?

          2) Ich rede nicht von Subventionen, sondern von Canceln. Und das Wort ist völlig richtig. Ansonsten geht der Vorwurf direkt zurück.

          • Stefan Pietsch 12. März 2024, 19:45

            1) Ja, nur laut der gleichen Umfrage sehen doppelt so viele Wähler die FDP als ihre erste Wahl.

            2) Ich stimme Tim zu: Die können sagen was sie wollen, nur halt nicht noch steuerlich subventioniert. My point. Und der von Anna Schneider.

            • Stefan Sasse 13. März 2024, 07:42

              2) Oh, ich bin da völlig dabei. Ich sehe nur nicht, wo man dann ein Grundrecht auf Sprechen am Uni-Campus herleitet.

  • Stefan Pietsch 12. März 2024, 09:57

    4) Später in Rente gehen – aber bitte freiwillig

    Was bedeutet „freiwillig länger arbeiten“? Warum sollte jemand freiwillig weiter erwerbstätig bleiben, wenn er daraus keinen Vorteil gegenüber Nichtarbeitenden ziehen kann? Seit Jahren sträubt sich die politische Linke dagegen, arbeitenden Rentnern die Beiträge zur Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung zu erlassen, schon weil Rentner nicht mehr arbeitslos werden können und damit die Betragsäquivalenz aufgehoben ist. Auch steuerliche Vergünstigungen für jene, die der Gemeinschaft geringere Kosten und noch dazu einen Mehrwert produzieren, sind im Hochsteuerland Deutschland ein No-Go.

    Wie also will man die dringend notwendige Ausweitung der der Erwerbsarbeit Älterer schaffen, wenn dies einerseits ohne Zwang und andererseits ohne eigene finanzielle Vergünstigungen erfolgen soll? Gutes Zureden wird da wohl nicht helfen.

    Zwischen Anfang der Nullerjahre bis Einführung der Rente mit 63 stieg die Erwerbstätigkeit der Ü50jähren und Ü60jährigen so schnell wie in keiner anderen Altersgruppe. Das war der Beweis, dass die Politik zuvor mit Frühverrentungsprogrammen und ausgeweiteten Schutzregeln vieles (alles) falsch gemacht hatte. Wir sind bereit, die gleichen Fehler wieder zu begehen. Das zeigt nicht die Reife, sondern die Dummheit eines Landes und seiner politischen Klasse.

    Fragt man Personalberater, dann stehen die Babyboomer mit ihrer Arbeitsmoral weit höher im Kurs als die GenZ, die sich inzwischen einen völlig miserablen Ruf „erarbeitet“ hat.

  • Stefan Pietsch 12. März 2024, 10:03

    h) Auch so Schlagzeilen, die völlig irreal klingen: Habeck wirbt für Carbon Capture, und die SPD sagt, nein, wir müssen die Umwelt schützen.

    Sorry, aber von dem Mann will ich zu dem Thema wahrlich nichts mehr hören. Habeck besitzt Null Glaubwürdigkeit. Er bekämpft sein gesamtes politisches Leben CCS, sorgt mit dafür, dass es aus Deutschland verbannt wird und die Branche ihren technologischen Vorsprung verliert und als alles zerstört ist und viele Länder (und Wissenschaftler) das Thema promovieren, kommt der unklare Nordländer und meint, unter engen Bedingungen könnte man sich das vorstellen – aber bitte nur weit auf See und auf keinen Fall für die in großen Mengen produzierenden Steinkohle- und Braunkohlemeiler. Anschließend lobt er sich für seine kluge und aktive Politik. Da fragt sich der ein oder andere schon, aus welchem Zoo der Mann ausgebrochen ist. Die Amerikaner jedenfalls hat’s nicht interessiert, was der deutsche Vize-Kanzler so von sich gibt. Gut so.

    m) An der Wirtschaftsflaute ist nicht nur die Ampel schuld.

    Eine lebendige Marktwirtschaft aber braucht keinen Staat als
    Wirtschaftsplaner – dafür Manager, die Verantwortung übernehmen.

    Ich verstehe nicht den Beifall: Habecks von Dir gelobte Wirtschaftspolitik will genau den Staat als Wirtschaftsplaner. Und nein, die Automanager haben nicht die Elektromobilität verschlafen. Sie schützen ihren Markenkern und kennen die Bedürfnisse ihrer Kunden. Die Zahlen zeigen: Niemand kauft Elektroautos, wenn nicht der Staat Kunden dazu zwingt und Prämien oben drauflegt.

  • Tim 12. März 2024, 10:30

    (2 – Freiheit des dummen Wortes)

    Entweder ist radikalen und/oder dummen Scheiß zu sagen ein Grundrecht, das in praktisch allen Fällen unbedingt verteidigt werden muss,

    Derailing. Klar muss dieses Recht verteidigt werden. Aber darum geht es hier doch nicht. Es geht darum, dass wir alle Dummheit mitfinanzieren sollen. Sollen diese Trottel doch ihr Festival aus eigener Tasche bezahlen.

    Aber „Freiheit“ bedeutet für die meisten Kulturleute in Deutschland halt, vom Zwangsgeld anderer Leute zu leben. Ihre Arroganz ist unübertrefflich.

    oder halt nicht. Aber nicht mal Voltaire und Luxemburg haben das so gehalten

    Weder Voltaire noch Luxemburg lebten gemütlich in der Blase der Subventionskultur.

  • cimourdain 12. März 2024, 13:27

    1) Gegenthese: Protestwählende handeln im Rahmen ihrer Möglichkeiten hochrational. Gehen wir von dem Primärziel aus, dass sie (aus welcher Motivation auch immer heraus) sowohl der Partei (oder dem Parteienblock) A als auch der Partei B misstrauen und deren Möglichkeiten einschränken wollen. Welche Optionen bestehen bei der Wahl ?
    i) Nichtwählen – passiv oder aktiv (vote blanc) hat keine Auswirkungen, diese Stimmen werden nicht berücksichtigt.
    ii) „Unschädliche“ Kleinparteien fallen unter das 5%-Raster – bringt genauso wenig wie i)
    iii) Starke Fundamentalopposition – die Stimme wird gezählt und „schadet“ den anderen Parteien.

    2) (lose) Radikalen und/oder dummen Scheiß zu äußern ist sowohl Grund- (national) als auch Menschenrecht (International). Einschränkungen dürfen nur auf gesetzlicher Grundlage und mit wirklich gutem Grund passieren. Aber unsere Musterdemokrat*innen stellen sich Meinungsfreiheit im Kreisslerschen Sinne vor „Meine Freiheit ja – deine Freiheit nein“ und schaden damit der Demokratie realer als es die Radikalen tun:
    https://www.svz.de/deutschland-welt/meinung/artikel/verfassungsrechtler-faeser-gefaehrdet-mit-programm-die-demokratie-46606549

    3) a) „workfare“ bewegt sich , was das Zwangsarbeitsverbot betrifft in einer Grauzone; Der Grundkonsens geht von drei Kriterien aus, die erfüllt sein müssen: klar reguliert und extern kontrolliert, gemeinnützig, keine existenzbedrohende Sanktion. Die ersten Kriterien sind laut Artikel erfüllt, das dritte könnte kritisch sein.
    b) Die Argumentation „Das ist ok, weil es ein CDU-Landrat macht, aber ein AfD Landrat könnte das ja auch tun“ müffelt nach Doppelstandard. Entweder eine konkrete(!) policy ist ok, dann ist sie es auch, wenn es die AfD macht – oder sie ist es nicht, dann ist sie es auch nicht, wenn es die CDU macht.

    h) Interessant ist doch, welche CCS-Bedingungen sich Habeck vorstellt:
    i) maritim: Deutschland ist ein Erstunterzeichner des UN-Meeresschutzabkommens von 2023 (good stuff !), und verfügt über ausgedehnte Meeresschutzgebiete. Das erschwert die Wahl von Standorten, da sich Tiefenverpressung über Aquifere auch in weiter Entfernung auswirken kann.
    ii) „hohe See“ Damit kommen wir in den Bereich den Unrealistischen. Hohe See ist jenseits der 200-Meilen-Zone, also internationale Gewässer und außerhalb des Festlandsockels. Nord- und Ostsee fallen aus.
    iii) CO2 aus Kraftwerken und Industrie, aber nicht die naheliegendere Quelle Schifffahrt. (ein Transport- und Verladevorgang weniger)
    Daraus folgt imho., dass da jemand einen Fuß-in-der-Tür-Vorschlag machen will, um irgendwann zu Lasten der Meeresökosysteme die CO2 Bilanz seines Ressorts aufzuhübschen.

    • Stefan Sasse 12. März 2024, 17:24

      3b) Geht ja eher darum, weil so viele Leute überrascht sind, was ein Landrat kann.

  • Erwin Gabriel 12. März 2024, 13:34

    1) Die irritierende Psychologie der Protestwähler

    … Protestwahl ist ein zutiefst irrationaler Vorgang.

    Für mich nicht. Ob ich für etwas entscheide oder dagegen, hängt doch von der Priorität des Themas ab. So ist beispielsweise die Entscheidung, sich vegan zu ernähren, eine Entscheidung gegen den Konsum von Tierprodukten, egal von welchem Tier, und unabhängig von der Zubereitung.

    Wenn mir das Thema „Zuwanderung“ als größte änderbare gesellschaftliche Herausforderung bzw. Gefährdung unserer Gesellschaft erscheint (und das tut es halt, warum auch immer), ist eine Stimmabgabe dagegen genauso in Ordnung wie obige Entscheidung.

    • Stefan Sasse 12. März 2024, 17:25

      In Ordnung ist grundsätzlich jede Stimmabgabe. One person, one vote.

  • Erwin Gabriel 12. März 2024, 13:37

    3) Wenn Asylbewerber mit anpacken, ist das keine Zwangsarbeit

    Ich halte die aktuelle Aufregung im progressiven Lager diesbezüglich (vor allem den Vorwurf der „Sklavenarbeit“) auch für total überzogen. Wie schon bei der Bezahlkarte steigert sich das progressive Lager da gerade in eine regelrechte Hysterie, die in meinen Augen völlig überzogen ist.

    Zustimmung

    Das bedeutet auch, dass man voll und ganz an die CDU die Erwartung richten kann, ggf. mit zugehaltener Nase jemand linkes zu wählen. Und dann halt damit zu leben, dass diese Person linke Politik macht.

    Das ist ein bisschen einfach gedacht. Wenn alle so agieren, wer entscheidet dann über welche Politik? Wenn so alle Parteien marginalisiert werden, welche Politik setzt sich dann durch? Und warum soll ich gegen meine Interessen wählen? Um Deinen entgegenzukommen?

    • Stefan Sasse 12. März 2024, 17:26

      Um den Faschismus zu verhindern. Nichts sonst rechtfertigt es in meinen Augen. Aber wenn es darum geht, das zu tun, dann bitte, wähle „gegen deine Interessen“, wobei ich die Hoffnung habe, dass das Verhindern des Faschismus deiner Interessenlage entspricht.

    • Kning4711 13. März 2024, 09:37

      Ich bin da ein bisschen bei der Sicht aus dem Podcast Lage der Nation: Warum müssen die Leute für ein Taschengeld von 0,80 EUR arbeiten – wieso ermöglicht man ihnen nicht rascher die Aufnahme echter Arbeit die dann auch vernünftig vergütet wird. Es dauert einfach viel zu lange, bis Asylbewerber eine Arbeitserlaubnis erhalten.

      Denn das Argument, dass der Landrat macht (und ich auch völlig richtig finde), dass Arbeit Struktur gibt und Integration erleichtert, gilt ja auch für vollwertige Erwerbsarbeit.

      • Stefan Sasse 13. März 2024, 09:53

        Völlig richtig.

      • Thorsten Haupts 13. März 2024, 11:06

        … wieso ermöglicht man ihnen nicht rascher die Aufnahme echter Arbeit …

        Weil das erst einmal in enormen Investitionen endet? Wie genau sollte ein z.B. Syrer ohne Deutschkenntnisse und ohne Qualifikation Arbeit finden? Das Argument erleichterter Arbeitsaufnahme leuchtet wirklich nur auf den ersten Blick ein …

        Zudem hat die Politik ein damit verbundenes politisches Problem – sie würde hochoffiziell bestätigen, was sie bisher (auch bei GRÜNEN und SPD) immer geleugnet hat: Nämlich dass wer hier ankommt, auch hier bleibt, unabhängig davon, ob dieser jemand jemals als Asylbewerber anerkannt wird. Bisher zieht sich die Politik auch links der Mitte auf die Vernebelungsposition zurück, dass angeblich wieder gehen muss, wer seinen Asylantrag zu Unrecht gestellt hat. Und drückt sich damit (bewusst) um die einzige Diskussion, die zu führen es wert wäre – wie hält man Migranten ohne stichhaltigen Asylanspruch aus Deutschland heraus.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

  • cimourdain 12. März 2024, 15:19

    l) Nachdem du mehrere Werbeartikel für die Bezahlkarte verlinkt hast, hier mal einer, der darstellt, was für ein (menschen-)rechtliches Minenfeld das gibt:
    https://verfassungsblog.de/bar-oder-mit-karte/

    • Stefan Pietsch 13. März 2024, 09:29

      Selbst der Verfassungsblog stellt noch einmal klar, was viele Linke bestreiten:

      Das Grundgesetz gibt weder einen Anspruch auf Leistungen in einer exakt bezifferten Höhe noch auf eine bestimmte Form der Leistungserbringung vor. Stattdessen eröffnet es dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Existenzsicherungsrechts einen Gestaltungsspielraum. Er kann deshalb entscheiden, das Existenzminimum durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen zu sichern

      Die wichtige Frage ist, ob auch abgelehnte, hier aber noch geduldete Asylbewerber den gleichen Anspruch auf das sozio-kulturelle Existenzminimum haben können wie die Menschen und Bürger mit gesichertem Aufenthaltstatus. Schließlich haben Geduldete, wie der Begriff schon sagt, kein legales Recht, in Deutschland zu sein. Ihre Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben ist damit eigentlich ausgeschlossen.

      So sehen das die übrigen EU-Mitglieder, die Ausreisepflichtigen meist nur noch wenige Sachleistungen zukommen lassen, damit sie eben nicht verhungern müssen. Mehr aber dann auch nicht. Das Recht verlangt nicht Ungleiches gleich zu behandeln.

      • cimourdain 13. März 2024, 13:54

        Grundsätzlich richtig, aber wenn Sie sich den Absatz direkt nach dem zitierten Ausschnitt ansehen, merken Sie, wie eng dieser Spielraum ist. Der Bedarf muss realitätsbezogen transparent und ohne politische Erwägungen festgestellt werden. Im zitierten BVerfG-Urteil ist auch klargestellt (Rz. 94), dass befristeter Aufenthalt oder der Rechtsstatus sich nicht auf diese Bemessung auswirken dürfen.

        Was die Duldung betrifft, so ist diese eben keine Feststellung eines negativen Rechtsstatus, sondern eine Ablaufhemmung der Abschiebung – entweder zur Klärung von Ansprüchen (vergleichbar der Aussetzung der Vollziehung bei behördlichen Rechtsbehelf) oder aus Billigkeitsgründen (zum Beispiel aufgrund Arbeit oder Ausbildung). Sie ist immer konkret befristet und der Flüchtling kann während ihrer Gültigkeit nicht abgeschoben werden.

        Schließlich müssen sie sich klar werden, dass zu niedrige Leistungen („damit sie eben nicht verhungern müssen“) in der Praxis dazu führt, dass Betroffene diese mittels Schattenwirtschaft „aufstocken“. Das ist in meinen Augen nicht einmal verwerflich, wir würden in der Situation wahrscheinlich genauso handeln.

        • Stefan Pietsch 13. März 2024, 14:21

          SPD- und Grünen-Politiker reden in jedes Mikro, die Erhöhung des Bürgergeldes um 25 Prozent binnen 12 Monaten sei durch die Verfassung zwingend. Sie suggerieren damit, das Verfassungsgericht habe eine bestimmte Höhe aufgegeben. Das ist falsch. Karlsruhe hat nur allgemeine Prinzipien für die Ermittlung des Existenzminimums beschrieben. Und das ist nun wirklich nicht neu.

          Was das sozio-ökonomische Existenzminimum ist, dafür gibt es einen breiten Ermessensspielraum. Dass dieser nicht gering bemessen ist, zeigt der Vergleich mit dem angrenzenden europäischen Ausland.

          Sie beleuchten eine Seite. Darum ging es mir eben nicht. Ein abgelehnter Asylbewerber ist grDeundsätzlich nicht erwünscht. Der deutsche Staat kann ihn jedoch nicht abschieben, daran hindern ihn Rechtsnormen. Das ändert jedoch nicht den Status „unerwünscht“. Der Flüchtling selbst kann jedoch das Land verlassen. Er ist frei von dort wegzugehen, wo er eben keinen Anspruch auf Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben hat. Denn wieso sollte jemand, der nicht gewünscht ist, noch unterstützt werden hier mehr als sein Mindestauskommen fristen zu können?

          Das sehen wie gesagt die übrigen EU-Länder so. Warum wir also nicht? Es ist widersinnig, jemanden, den man nicht eingeladen hat, neben etwas zu essen und zu trinken auch noch den Fernseher überlassen zu müssen. Das würden Sie nicht in Ihrer Wohnung dulden.

  • Thorsten Haupts 13. März 2024, 11:15

    Zu 1)
    Der wirksamste Protest ist nun einmal, eine Partei zu wählen, die den anderen Parteien a) wirklich weh tut, b) den für Protestwähler wichtigen Teil von deren Politik ablehnt und c) stark genug ist, dass die eigene Stimme nicht verloren geht. Und da bietet sich die AfD geradezu an. Gegenfrage zum Infantilitätsargument: Was sollten Protestwähler, die einen überparteilichen Konsens aller anderen Parteien ablehnen (Migration, Europa etc.) denn statt dessen tun?

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 13. März 2024, 11:42

      Ich glaube, ich habe mich missverständlich ausgedrückt. Protestwahl ist insofern irrational, als dass sie per Definition eine Partei wählt, nur um Protest auszudrücken. Wenn du die Ziele teilst, ist das keine Protestwahl.

  • Thorsten Haupts 13. März 2024, 11:16

    Zu f) und g):
    Die Links führen ins Nirvana?

  • Thorsten Haupts 13. März 2024, 11:30

    Zu x) Gewalt gegen GRÜNE

    Stefan wird das nicht nachvollziehen können – aber mein Mitgefühl hält sich in Grenzen. Mich erinnert das an die Vortragsauftritte von Ministern (Töpfer, Riesenhuber) an deutschen Hochschulen (z.B. Berlin, Frankfurt, Göttingen) Ende der achtziger, die von gewaltbereiten Linksradikalen gestört oder verhindert wurden. Die Reaktion von damals links? „Ausdruck ein er lebendigen Protestkultur“ und „Sie hätten da halt nicht hingehen sollen“. Okay. Gleiches Unrecht für alle!

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 13. März 2024, 11:43

      True enough. Das stört mich auch gar nicht so. Der Link geht aber auf GEWALT ein. Also richtige, echte Gewalt. Der zweite Link berichtet von einem Faustschlag, beispielsweise. Das wirst du hoffentlich nicht darunter subsumieren, oder?

      • Thorsten Haupts 13. März 2024, 12:51

        Faustschläge gegen Politiker im Alltag? Ganz sicher nicht – aber ob das ein Massenphänomen oder eine Einzeltat ist, halte ich für noch nicht entschieden. Und der Täter gehört natürlich weggesperrt, der ist entweder aggressiv gewalttätig oder gefährlich geistesgestört.

        • Stefan Sasse 13. März 2024, 13:00

          Genau, darauf bezog sich ja mein Kommentar mit. Ich halte es gottseidank noch für kein Massenphänomen. Was allerdings zu einem wird sind Gewaltfantasien.

      • Stefan Pietsch 13. März 2024, 12:55

        Ist Habeck Gewalt angetan worden? Wurde Ricarda Lang geschlagen?

        Nein. Es ist damit die gleiche Situation.

  • Thorsten Haupts 13. März 2024, 12:23

    ICH habe mich hier anscheinend missverständlich ausgedrückt. Ich redete (bei den damaligen Blockaden/Störaktionen) von Barrikaden, vermummten Leuten, Zwillen und Eisenstangen?

    • Stefan Sasse 13. März 2024, 12:59

      Hartes Nein, natürlich. Das geht nicht. Aber wenn sich Leute irgendwo hinsetzen (diese üblichen „Hörsaalbesetzungen“ und so Kram), sich auf die Straße oder Schienen setzen, von mir aus auch festkleben, aber, und das ist entscheidend, keinen Widerstand leisten und keine Gewalt anwenden (und idealerweise nichts beschädigen) ist das eine andere Kategorie.

      • Thorsten Haupts 13. März 2024, 16:20

        Ich nehme DIR auch jederzeit ab, dass das nicht geht. Die von mir geschilderten Reaktionen der demokratischen Linken in Deutschland damals lief auf Schulterzucken hinaus.

        Das Problem von allen eher Rechten, politisch bis heute oder ehemals Aktiven, ist die DErinnerung an das ständige Bedrohungsgefühl im Universitätsumfeld bzw. in Universitätsstädten und die absolut fehlende Solidarität der Linken damals. Und das limitiert mein Mitgefühl heute. Erheblich.

        Das nur ganz nebenbei – auch eine „friedliche“ Besetzung (ich habe als AStA-Referent 2 davon in Aachen selbst erlebt) ist nichts für schwache Nerven …

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 14. März 2024, 12:30

          Zugegeben – ich hab mich als Student aus Unipolitik rausgehalten. Ich hab da keine Erfahrungen.

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