Die Schockwellen des Bundesverfassungsgerichtsurteils zur Verfassungsmäßigkeit des Haushalts von 2022 laufen immer noch durch das politische System, prallen gewissermaßen an seinen Kanten ab und laufen wieder zurück. Entsprechend sind die politischen Verhältnisse gerade im Fluss. Wie unter einem Vergrößerungsglas legt die Haushaltskrise Bruchstellen innerhalb der Koalition offen und verdeutlicht Trends ebenso, wie sie sie beschleunigt. Neuwahlen indes, wie sie CDU-Chef Friedrich Merz ritualisiert fordert, stehen wohl eher nicht ins Haus: die Koalitionsparteien müssten herbe Einbußen (SPD, FDP) oder doch zumindest den Verlust der Regierungsbeteiligung (Grüne) fürchten; die CDU stünde vor ihnen wie der Hund, der die sprichwörtliche Stoßstange des Autos gefangen hat und nun nichts mit ihr anzufangen weiß und die LINKE, reduziert auf den Status einer Gruppe, müsste um den Wiedereinzug in irgendeiner Stärke fürchten. Höchstens die AfD könnte ihnen hoffnungsfroh entgegensehen. Keine guten Aussichten, um das, was sich wie der Embryo einer potentiellen Verfassungskrise ausnimmt, einzuhegen.
Dass das Schuldenbremsenurteil die Koalition bis an die Zerreißgrenze spannt, ist eine Binse. Für die Grünen stehen sämtliche programmatischen Ansprüche auf dem Spiel, für deren Erfüllung man die ganzen unangenehmen Kompromisse eingegangen ist; für die FDP ihre Kernglaubwürdigkeit als Hüterin der Haushaltsdisziplin, für die sie ihre Kompromisse einging. Die SPD scheint sich dagegen nicht entscheiden zu können, ob sie die Schuldenbremse als Errungenschaft ihrer Koalition im Kabinett Merkel I verteidigen will (das ohnehin in der Partei kaum gut gelitten sein dürfte und wie nichts anderes für das Verharren der Partei im elektoralen Jammertal verantwortlich ist) oder ob sie für eine Reform oder gar Abschaffung plädieren soll. Grüne und FDP haben hier immerhin den Vorteil, seinerzeit gegen die Konstruktion (wenngleich nicht ihre Grundidee) gestimmt zu haben. Die CDU indes leidet an ihrem Merz-Kater: nachdem man mit Begeisterung in die imaginierte Vergangenheit einer klaren konservativen Linie zurückkehrte, zeigt sich jetzt, dass Gepolter alleine wenig ausmacht und die Kritiker*innen wohl Recht hatten: Merz‘ Format genügt den Anforderungen nicht. Schon allein eine Rhetorik, die die grüne Transformation als parteipolitisches Herzensprojekt betrachtet (siehe auch hier), ist kaum zukunftsfähig.
Aber gehen wir die Parteien und ihre Situation der Reihe nach durch und beginnen aus aktuellem Anlass bei den Grünen, die gerade ihren Parteitag hinter sich gebracht haben. Trotz der üblichen ritualisierten Aufstände aus der Parteibasis sitzt die aktuelle Führung fest im Sattel. Ricarda Lang und Omid Nouripor wurden beide in ihren Ämtern als Co-Parteichefs bestätigt, was angesichts des Mangels an Konkurrent*innen auch keine große Kunst war (Friedrich Merz linst neidisch herüber). Die Parteibasis trug die meisten Ampelmaßnahmen von Habecks Energiepolitik zu Baerbocks eher inkonsistenten Anwendung der wertegeleiteten Außenpolitik auch klaglos mit; allein die Asylpolitik wurde zu einem „Aufstand“, der Potenzial zeigt, die Partei zu zerreißen. Das überrascht kaum. Wie die Schuldenbremse für die FDP ist dieses Thema der Basis besonders emotional, am Herzen, wichtig. Und die hehren Ansprüche von einer besseren, einer moralisch aufrechteren Politik finden sich hier wie unter dem Brennglas: wo die Außenpolitik schmutzige Kompromisse eingehen muss, weil eine böse Welt um uns herum uns zwingt – Putin lässt sich nicht an Parteitagsbeschlüsse binden – haben wir es hier selbst in der Hand, können wir hier souverän unsere Haltung bestimmen.
Wenig überraschend daher, dass genau hier die Sollbruchstelle innerhalb der Partei besteht. Jonas Schaible beschreibt das Dilemma der Partei treffen als „Gefangen in der Logik des Regierens„, eine Erfahrung, die linke Parteien immer wieder machen müssen. Die Realität ist nie so glorreich, die Erfolge nie so durchschlagend, wie man sich das gerne gewünscht hätte. Die Macht innezuhalten ist dabei anders als etwa für die CDU oder SPD kein Trostpflaster, das sonderlich überzeugen will. Entsprechend groß ist die Enttäuschung über das Nicht-Erfüllen der „umfassenden Transformationswünsche“, wie Ann-Kathrin Büüsker das ausdrückt. Dazu kommt der Eindruck der breiten Öffentlichkeit, dass die Grünen die aktuell wohl am moralischtischsten auftretende Partei ist und den Leuten in den Ohren liegt, ein Eindruck, an dem Ricarda Lang ihre Partei in klassischem Understatement für »nicht ganz unschuldig« hält.
In der politischen Rhetorik zeigte der Parteitag ebenfalls einen Wandel: der Fehdehandschuh Merz‘ wurde aufgegriffen und pflichtschuldig eine Spitzen in Richtung der CDU gefeuert. Besonders motiviert allerdings sind diese nicht: zu schmerzlich bewusst ist den in der Regierungslogik gefangenen Grünen, dass wohl allein eine Koalition mit der CDU ihre Regierungsbeteiligung sichern kann. Dieser Widerspruch wurde durch Katharina Dröge deutlich, die eine Reform der Schuldenbremse mit Union anstrebt – eine billige Kopie der SPD-Strategie, die wir weiter unten sehen werden. Die Grünen schauen einer schmächlichen Abwahl 2025 entgegen, die durch das weitgehend stabile Halten ihrer Wahlergebnisse nicht übermäßig versüßt werden dürfte.
Die FDP indessen bleibt in einer ähnlichen Situation gefangen. Auch hier wird von der Parteibasis ein linientreueres Vorgehen gefordert. Das wären in einem Fall die Jungen Liberalen, die von Christian Lindner „klares Bekenntnis“ zur Schuldenbremse fordern, aber auch diejenigen, die eine Unterschriftensammlung für das vorzeitige Ende der Ampelkoalition initiiert und durchgeführt haben. Die Flucht in die Opposition, wo man liberale Grundsätze nur rhetorisch statt in Regierungsverantwortung verteidigen muss, ist für diese Leute genauso attraktiv wie für ihre Gesinnungsgeschwister bei den Grünen. Die Gefangenschaft in der Regierungslogik, noch dazu in der ungeliebten Ampel-Koalition, spürt man jedenfalls auch in den Knochen der liberalen Partei.
Das Dilemma für die FDP ist allerdings dasselbe wie bei den Grünen: ihnen droht für 2025 die Abwahl. Anders als die Grünen sind sie zudem zum zweiten Mal innerhalb eines Jahrzehnts in ihrer Existenz bedroht: Wie bereits 2013 kratzten sie hart an der 5%-Grenze und sind ernsthaft gefährdet, erneut aus dem Bundestag zu fliegen. Kein Wunder, dass die Stimmung gereizt ist; ein Wunder, wie fest Christian Lindner nach wie vor im Sattel sitzt. Ähnlich wie bei Lang und Nouripor ist aber auch hier ein Mangel an Alternativen sichtbar – inhaltlich wie personell. Natürlich kann man wieder in die Opposition und „lieber nicht regieren als falsch“, aber eine wirklich attraktive Aussicht ist auch das nicht.
Anders als die Grünen wurde die FDP zwar von der CDU nicht als Hauptgegner identifiziert. Stattdessen nehmen die Konservativen die Liberalen in eine Art Bärenumarmung und erdrücken sie. Die Freude der Konservativen, wenn sie die FDP als Schuldenmacher, die Grünen ermöglichende Finanzhallodris zeichnen können, ist mit Händen greifbar. Eine gute Verteidigung dafür hat die Partei nicht, gibt es auch nicht. Die Regierungslogik zwingt auch den Liberalen ihre eigenen Probleme auf, die sich in einer Jamaika-Koalition genauso fänden, wo eher die Grünen der Vetospieler wären. So viel Macht wie in der Ampel werden sie so schnell nicht wieder bekommen.
Auch bei der CDU dürfte die Freude über die Situation aber eher begrenzt sein. Zwar fährt Friedrich Merz pflichtbewusst seine Angriffe gegen die Ampel und besonders gegen die als „Hauptgegner“ auserkorenen Grünen, aber er sitzt äußerst unsicher im Sattel. Wer es sich verbitten muss, dass seine Gegner einen Keil in die eigene Partei treiben, der hat ein ziemliches Problem, weil selbiger Keil dann schon ganz schön fest sitzt. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst etwa lässt die Spekulationen über seine Kanzlerambitionen auffällig unbeantwortet, und mit dem jüngsten Wahlerfolg Daniel Günthers in Schleswig-Holstein ist ein weiterer potenzieller Nachfolger ins Blickfeld gerückt. Dass beide Ministerpräsidenten mit ordentlicher Hausmacht ausgerechnet mit einem eher liberalkonservativen denn wertkonservativen Kurs reüssieren und damit Merz‘ ganze raison d’ètre in Frage stellen, ist nur die Spitze dieses Eisbergs.
Merz weiß seine Partei auch im Konflikt um die Schuldenbremse alles andere als hinter sich. Der Berliner CDU-Vorsitzende (noch ein Wahlsieger) Kai Wegner etwa wendet sich offen gegen seinen Parteichef. Markus Söder, dessen Irrlichterei und miese Umfrageergebnisse in zeitweise schon haben wie einen Mann von gestern aussehen lassen, kann sich plötzlich auch wieder als Kanzlerkandidat durch das Spekulationskarussell tragen lassen./Selbst die Ost-CDU macht Merz immer mehr Druck. Wenig überraschend: während Merz und die Bundes-CDU Oppositionsspielchen spielen können und keine reale Verantwortung tragen müssen, sind in den Ländern Haushalte zu führen, deren Schuldenbremsen die Spielräume viel krasser einschränken als die im Bund – was die CDU-geführten Landesregierungen dazu bringt, den einen oder anderen Notstand auszurufen und so Spielräume zu schaffen – ein Vorbild, das etwa ein Daniel Günther im Bund durchaus wiederholen könnte. Nicht einmal im Umgang mit der AfD hat Merz irgendeine Autorität: die Ost-CDU befindet sich praktisch in offener Rebellion und würde lieber heute als morgen gemeinsame Sache mit den Proto-Faschisten machen, während der Ostbeauftragte Marco Wanderwitz öffentlich für AfD-Verbot wirbt.
Die strategische Situation der Partei wäre dabei eigentlich gar nicht schlecht: die kaum verhüllten Angebote an die SPD, eine Große Koalition „zur Rettung des Landes“ einzugehen, könnten die Partei ohne den Umweg über Bundestagswahlen ins Kanzleramt befördern. Selbst mit Neuwahlen ist anzunehmen, dass eine solche Koalition möglich wäre. Implizit ist dabei die Reform der Schuldenbremse, das größte Projekt, das eine solche Koalition angehen könnte – und müsste, denn die Sackgasse, in der die Politik gerade steckt, betrifft ja auch die Union. Das fällt den Beteiligten nicht einmal selbst mehr auf: wenn Friedrich Merz etwa im Interview erklärt, dass „beitragsfinanzierte Lohnersatzleistungen, wie etwa das Arbeitslosengeld, anders bemessen werden müssen als steuerfinanzierte Sozialleistungen, wie das Bürgergeld. Man kann doch keinem langjährigen Beitragszahler erklären, dass er dann dasselbe bekommt wie ein Flüchtling„, dann scheint er dabei zu vergessen, dass genau das vor 20 Jahren explizites Ziel der Sozialpolitik war: eine Grundsicherung für alle, egal ob sie eingezahlt haben oder nicht (einmal abgesehen davon, dass es wieder einmal nicht stimmt: Arbeitslosengeld, Bürgergeld und Leistungen nach Asylbewerbergesetz werden anders bemessen). Diese selektive Amnesie kann natürlich einer Art Neuauflage von 1966, in der ein entschlossenes Kabinett mit einer „konzertierten Aktion“ den politischen gordische Knoten zulasten der kleinen Parteien durchschlägt, nur helfen und ist jedenfalls aktuell ein mehr als realistisches Szenario, das die lahmen Kooperationsangebote der Grünen ebenso erklären dürfte wie die Panik der FDP – von der Ruhe der SPD ganz zu schweigen.
Denn obwohl die SPD die herbsten Verluste in den Umfragen zu beklagen hat, ist es hier merkwürdig ruhig. Diese Grundtendenz zieht sich seit dem Wahlkampf 2020/21 durch die Partei. Irgendwie scheint sie in sich zu ruhen. Es fiele mir auch schwer zu sagen, was sie eigentlich will, abgesehen vom Behalten der Macht. Seit 2021 hört man von Kevin Kühnert gar nichts mehr, Saskia Esken fällt praktisch nicht auf, mittlerweile gibt es auch keine ministerialen Skandale mehr, sieht man einmal von Nancy Faesers wenig souveränem Wahlkampf-Praktikum in Hessen ab.
Aber die SPD kann auch die Frage, wozu man sie eigentlich noch braucht, heute genauso schwer beantworten wie vor einigen Jahren. Zwar hat sie sowohl CumEx als auch ihre Verwicklungen mit Russland bemerkenswert geräuschlos überstanden. Aber die Grundproblematik, dass sie nicht mehr in der Lage ist, effektive Kommunikation von Klassenpolitik zu betreiben, weswegen das der AfD in den Schoß fällt, ist kaum von der Hand zu weisen. Es scheint beinahe, als hätten sich die Genossen entweder bereits mit der Rolle als Mehrheitsbeschaffer der CDU abgefunden und übten sich bereits im staatstragenden Habitus des großen Verfassungskompromisses, oder als hofften sie alle, das Wunder von 2021 möge sich wiederholen und Merz sich als zweiter Laschet erweisen. Möglich ist das natürlich; sonderlich wahrscheinlich nicht. Auch in der Politik schlägt der Blitz üblicherweise nicht zweimal an derselben Stelle ein.
Bleibt die AfD, der aktuelle Umfragenkönig. Die endlose Debatte, worin ihre Stärke beruht und die auf der einen Seite ein beständiger Rorschach-Test ist, auf der anderen Seite aber hartnäckig die Antwort ignoriert, dass ein ordentlicher Anteil der Deutschen schlicht mag, was die Partei anbietet, ist zum reinen Ritual geronnen. Fakt ist, dass die AfD von Krise und Chaos im Moment profitiert. Als ideologisches Gegenstück zu den Grünen bieten sie einen Fokuspunkt für Hass auf den politischen Gegner, bei dessen Wahl man sich nicht der Gefahr eines Kompromisses oder einer Koalition aussetzt. Als Xenophoben bieten sie einen Fluchtpunkt für alle, denen keine Abschiebeforderung von Demokrat*innen hart genug sein kann. Sie inszenieren sich als Verteidiger*innen des kleinen Mannes, plädieren für die Schuldenbremse, erklären den Klimawandel zur Lüge und posieren dennoch als Verfechter*innen der Freiheit. Dass nichts davon kohärent ist, ist egal.
Die AfD ist kein Teil des restlichen Parteienspektrums. Sie steht für Koalitionen nicht zur Verfügung. Sie macht keine konstruktive Oppositionspolitik. Sie ist nicht einmal demokratisch. Sie ist der Stachel im Fleisch des Rechtsstaats und der Demokratie, der allen Probleme macht und auf deren korrekte Wundbehandlung sich niemand einigen kann. Die Sepsis und der Wundbrand greifen immer mehr um sich.
Ebenfalls kein Teil des restlichen Spektrums ist die LINKE, allerdings aus anderen Gründen. Nachdem sie 2021 die 5%-Hürde knapp verpasste, retteten nur Direktmandate den Fraktionsstatus – den Sahra Wagenknecht nun zertrümmert hat. Die Partei ist nur noch eine Ruine, ein Schatten ihrer selbst, der weder einen Platz im Parteiensystem noch eine Zukunft hat. Dass ausgerechnet ein so merkurialer Charakter wie Wagenknecht in der Lage wäre, eine neue Linkspartei aus der Taufe zu heben, ist kaum vorstellbar. Wahrscheinlicher ist, dass die radikale Linke wieder aus den Parlamenten hinaussinkt; konsequent wäre, wenn ein Aufgehen der demokratischen Teile in SPD und Grünen stattfände und man den zerstrittenen, ohnehin nie konstruktiven Rest in den Orkus rutschen lassen ließe.
Ich glaube nicht, dass es zu Neuwahlen kommen wird, auch wenn einige irrgeleitete Beobachter*innen wie Anna Clauß dies fordern. Neuwahlen brächten keinen Ausweg aus dem Dilemma, sie verschöben nur die Zuständigkeiten, Gleichgewichte und Verantwortlichkeiten. Solange das strukturelle Problem ungelöst bleibt, das in diese Krise geführt hat, die immer mehr wie der Beginn einer veritablen Verfassungskrise wirkt, kann die Abrechnung nur immer weiter in die Zukunft verschoben werden – aber irgendwann wird sich irgendjemand den Realitäten stellen müssen und das Heft politischen Handelns wieder in die Hand nehmen, das man so leichtfertig abgegeben hat. Die Hoffnung muss sein, dass die Demokrat*innen zusammenhalten und dem Sirenengesang der AfD widerstehen werden – und dass sie sich zusammenraufen, bevor der Schaden zu groß wird.
Solange das strukturelle Problem ungelöst bleibt, das in diese Krise geführt hat,
Das strukturelle Problem ist dasselbe wie in vielen anderen westlichen Gesellschaften: Auflösung der Gemeinschaft mit immer geringerer Bereitschaft zu gemeinschaftlichen Lösungen. Jede Art von Politik wird immer einen großen Teil der Bevölkerung dermaßen enttäuschen, dass die Enttäuschung in Resignationen, Wut oder Hass umschlägt. Das ist vollkommen unabhängig von Verhalten oder Inhalten der Parteien.
Die Antwort kann nur in viel weniger Politik auf den großen politischen Ebenen (EU, Bund) und einer Stärkung der Regionen liegen.
Korrektur zur Abstimmung Schuldenbremse 2009:
Die FDP hat nicht wie du schreibst dagegen gestimmt sondern sich mehrheitlich enthalten. Grüne und Linke haben dagegen gestimmt.
https://www.abgeordnetenwatch.de/bundestag/16/abstimmungen/schuldenbremse
Ah ok danke.
Krise, gar eine Verfasungskrise, holla.
Warum eigentlich? Die Schuldenbremse wurde mit 2/3 Mehrheit verabschiedet und jetzt ist es ein Problem, wenn das Verfassungsgericht darum bittet, diese doch einzuhalten?
Ich sehe das nicht als Verfassungskrise, sondern als Intelligenzkrise. Wir haben die höchsten Steuereinnahmen seit Gründung der BRD und das Geld reicht angeblich nicht.
Komisch wo doch jetzt nicht mehr AKWs die Netze verstopfen, und Millionen Facharbeiter zuwandern, die Coronapolitik und Zuwanderung das Bildungssystem zu Spitzenwerten im internationalen Vergleich gepuscht hat, Gruppenvergewaltigungen nur im rückständigen Indien vorkommen, Spitzentechnologie sich ohne Subventionen in Deutschland bereitwillig ansiedelt, die Aussage von Trump, dass sich Deutschland in eine extreme Abhängigkeit von Russland begibt als falsch herausgestellt hat, die deutsche Wirtschaft robust ist und wir sogar biologische Grenzen überwunden haben in denen das XY Chromosom keine Rolle mehr spielt.
Dieses Land hat keine Verfassungskrise dieses Land hat Realitätsverlust.
Jens Happel 7. Dezember 2023, 10:30
Dieses Land hat keine Verfassungskrise dieses Land hat Realitätsverlust.
Zustimmung. Leider wahr.
Giftpfeil zum Grünen-Parteitag:
Es sagt viel über die Partei, dass sie ihren Slogan von der Bundeswehr und das Farbdesign von der NVA (Strichtarn) abgekupfert haben:
https://th.bing.com/th/id/OIF.gGQ0hmao2KQHTS8elEoTyQ?rs=1&pid=ImgDetMain
… aber irgendwann wird sich irgendjemand den Realitäten stellen müssen …
Betonung auf „irgendwann“. Im Moment gleicht Deutschland ohne Übertreibung einem trotzigen kleinen Kind, das sich weigert, seine Schaukel auf dem Spielplatz zu verlassen. Und das gilt mit wenigen Ausnahmen flächendeckend für seine Fubnktionseliten, womit eine schnelle Änderung nahezu unmöglich wird.
Fairerweise muss ich feststellen, dass Jens sarkastischer Beitrag die Lage unvollständig, aber gut und nicht einmal unfair umreisst.
Gruss,
Thorsten Haupts
„Dass ausgerechnet ein so merkurialer Charakter wie Wagenknecht in der Lage wäre, eine neue Linkspartei aus der Taufe zu heben, ist kaum vorstellbar.“
Warum nicht?
Das Potential für vagabundierende Wählermassen, die von einer populistischen Gruppierung zur nächsten strömen, gibt es hierzulande ebenso wie in den Niederlanden, wo Wilders im Wahlkampf punktete, indem er seine extremen Forderungen herunterspielte, während die BoerBurgerBeweging, die noch vor einem halben Jahr bei den Senatswahlen stärkste Partei war, unter ferner liefen rangierte.
Das BSW könnte auch zur Gefahr für die FDP werden, denn die Forderung nach „gesundem Menschenverstand“ in der Wirtschaftspolitik kann gerade in deren Wählerschaft verfangen.
Das Potenzial ist nicht das Problem. Wir hatten in Deutschland auch jahrzehntelang das Potential für eine Rechtspartei. Aber Wagenknecht kann in meinen Augen keine Partei aufbauen, keine Bündnisse schmieden, keine Beziehungspflege betreiben. Nichts von dem, was es für eine Parteineugründung braucht. Vielleicht hat sie gute Leute dafür in der zweiten Reihe. Wir werden sehen. Aber ich bin sehr skeptisch.
Abgesehen davon hat doch ihr gross angekündigter Bewegungsaufbau vor einigen Jahren auch geflopt?
Ja, aber ich finde man sollte Frau Wagenknecht nicht unterschätzen. Ich halte Sie durchaus für eine kluge Frau und ich vermute, dass Sie aus dem Aufstehen Desaster gelernt hat. In meiner Beobachtung ist sie eine starke Frontfrau, Lautsprecher und Aushängeschild, jedoch eben nicht die Organisatorin und Parteiaufbauerin. Hier wird sich zeigen, ob sie hier eine Mannschaft um sich scharen konnte, die das Ziel Parteiaufbau wirksam unterstützen können.
vgl. auch:
https://www.fr.de/politik/die-schweren-geburtswehen-des-bsw-92710980.html
Klugheit ist keine Kategorie, sondern Persönlichkeit.
Noch ein Bericht von der Veranstaltung:
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178231.bsw-wagenknecht-partei-sozialistische-stiefmuetterchen.html
An Sahras Zimmerwand hing ja einst das Bild eines Mannes, von dem der Ausspruch überliefert ist: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“
Ich habe auch auf die harte Tour gelernt, sehr manipulative und narzistische Persönlichkeiten nicht für wirklich klug zu halten. Genau das ist diese Trulla nämlich. Die will einfach nur bewundert werden. Problem sind die Leute, die solche Führer benötigen.
Spot on!
Der ist für mich auch Beweisstück 1.
Alles, was du hier über Wagenknacht sagst, läßt sich auch über Wilders sagen – und dennoch hält er sich seit den 2000ern in der Politik.
Interessante Parallelen übrigens: Obwohl beide seit über drei Jahrzehnten im politischen Betrieb sind, schaffen sie es, sich als Anti-Politiker zu inszenieren, wobei sie schon durch ihr Aussehen sich von ihren Konkurrenten abheben. Und beide sind in der Lage, alleine Talkshows zu dominieren – über Wilders heißt es, nur Ex-Premier Mark Rutte hätte ihm effektiv Paroli geboten.
@ sol1 7. Dezember 2023, 21:58
Obwohl beide seit über drei Jahrzehnten im politischen Betrieb sind, schaffen sie es, sich als Anti-Politiker zu inszenieren, wobei sie schon durch ihr Aussehen sich von ihren Konkurrenten abheben. Und beide sind in der Lage, alleine Talkshows zu dominieren …
Ja, da hast Du einen Punkt
Ja, aber einer von beiden ist Chef einer Partei. Die andere ist halt hauptsächlich in Talkshows.
Wilders hat halt effektive Wahlkämpfe gemacht und eine Partei zusammengehalten. Wagenknecht nicht.
Er hatte es gar nicht nötig, die Partei zusammenzuhalten:
„Die Partei hat zwei Mitglieder, Wilders als Person und die Geert Wilders Foundation.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Partij_voor_de_Vrijheid
So ein Konstrukt ist in Deutschland natürlich unmöglich. Deshalb bin ich gespannt, wie die Leute um Wagenknecht das kompensieren werden.
Sure, aber er muss ja trotzdem Abgeordnete, Kandidat*innen etc. haben und zusammenhalten.
Exakt. Jemand, der das kann, hat schon einen erstaunlichen Satz an Fähigkeiten, in- oder ausserhalb einer Partei im deutschen Sinn.
Die Analyse ist vom ersten bis buchstäblich letzten Satz falsch. Die überwölbende Feststellung, die wie ein Elefant im Raum nicht genannt wird, ist absurd. Das strukturelle Problem der aktuellen Politik ist nicht, dass die Regierung (um niemand anderes geht es) sich nicht nach Belieben verschulden kann. Ihr Problem ist, dass sie sich unfähig zeigt, ihre politischen Vorhaben zu priorisieren, das heißt auch auf Anliegen zu verzichten. Wenn wir von strukturellen Problemen der Staatsfinanzen sprechen, dann, dass nach nüchterner Ansicht von Finanzwissenschaftlern, der Staat aufgrund seiner bisherigen Finanz- und Gesetzespolitik auf die meisten Ausgaben keinen echten Einfluss mehr hat. Der Bundesrechnungshof spricht hier von der Versteinerung der Staatsausgaben. Das Problem wird aber nicht dadurch kleiner, dass der Staat die Verschuldung erhöhen darf. Das führt ja klar zum Gegenteil.
Welche unangenehmen Kompromisse sind bisher die Grünen eingegangen? Selbst nach Ansicht des SPIEGELs sind die Grünen bisher der dominierende Faktor der Koalition gewesen. Sie durfte zwei Jahre lang ungebremst ihre gesellschaftspolitischen Vorstellungen umsetzen. Das allererste Gesetz dieser Regierung, ein Zeichensetzer, war eines der alten Kernanliegen der Partei. Sie durfte sogar ihren Vorstellungen beim sogenannten Heizungsgesetz frönen und damit erst die große Mehrheit der Bevölkerung und schlussendlich noch die Verfassungsrichter gegen die Regierung aufzubringen. Sie durfte zwei Jahre lang sämtliche Einigungsbemühungen zur Einwanderungssteuerung auf deutscher wie europäischer Ebene sabotieren. Sie durfte mutwillig die ohnehin schwelende Energiekrise verschärfen.
Außerdem ist es wohl umgekehrt, dass die Grünen Friedrich Merz den Fehdehandschuh hingeworfen, den er nach einiger Zeit aufgenommen hat. Merz war von Anfang an der Punchingball der Grünen. Die Grünen haben über die Jahre den Großteil der Bevölkerung gegen sich aufgebracht und offensichtlich Spaß dran, jeden zu drangsalieren, der nicht so denkt wie sie. Oder wie es ein alter Wissenschaftler es diese Tage ausdrückte: Die Grünen haben nie besondere Anstrengungen darein gesetzt, andere mit Argumenten zu überzeugen. Sie höhnten noch über Merz: Der soll mal schauen, mit wem seine Partei regiert. Inzwischen wurden die Grünen aus den Regierungen in Berlin und Wiesbaden regelrecht rausgeschmissen, in Hannover steht der grüne Oberbürgermeister ohne jede Handlungsmehrheit da. In der Politik ist Arroganz tödlich.
Die FDP hat ein völlig anderes Problem. Die CDU hat, anders als im Artikel analysiert, kein Interesse, die Liberalen unter Wasser zu drücken. Sie hätte keinen Vorteil davon. Zum einen würden sich die Stimmen der FDP bei deren Rausschiss aus dem Bundestag auch auf die linken Parteien verteilen und dem rechten Lager fehlen. Zum anderen werden die Liberalen noch strategisch sowie für eine Deutschland-Koalition gebraucht, sollte es mit der SPD allein nicht reichen.
Aber die Parteiführung wandelt auf einem fadendünnen Grad. Die FDP bekam drei Punkte in den Koalitionsverhandlungen: Die Schuldenbremse (die im Grundgesetz steht und, wie zu sehen war, notfalls vom Verfassungsgericht überwacht wird), die Verpflichtungen zu keinen Steuererhöhungen (was ohnehin nicht geht, da die wichtigsten Steuergesetze der Zustimmung des Bundesrates bedingen), und kein generelles Tempolimit auf auf den Autobahnen. Anscheinend glauben die Grünen, die FDP würde hauptsächlich von Autofestischisten gewählt.
Mit anderen Worten: Die FDP hat fast nur Selbstverständlichkeiten erhalten und auch diese sollen nun geopfert werden. So soll die Schuldenbremse in dieser Legislaturperiode in 3 von 4 Haushaltsjahren ausgesetzt werden. Und warum? Damit die Grünen die von Habeck verwalteten Sondertöpfe für ihre Sonderwünsche erhalten können. Sollte Lindner auch für 2024 die Notlage erklären, brauchen die Liberalen 2025 gar nicht anzutreten. Dann verlieren sie ihre letzten Anhänger.
Was der Artikel auch übersieht, ist das Dilemma der FDP: Sie scheiterte 2013 mit der Union. Sie sagte 2017 Jamaika ab. Wenn sie jetzt aus der Ampel aussteigt, stellt sich die Frage, mit wem die Liberalen überhaupt noch regieren wollen.
Käme es heute zu Neuwahlen, hieße der natürliche Kanzlerkandidat der Union Friedrich Merz. Alle anderen konnten bisher keine Stellung aufbauen. Wüst ist zum einen zu jung im Amt. Zum anderen, und das wiegt in diesen Tagen schwer, hat er als letzter in der CDU erkannt, dass sich der Wind weg von den Grünen gedreht hat. Wer heute gegen Schwarz-Grün wettet, bekommt keine guten Quoten mehr. Fataler ist da noch die Situation des anderen Möchtegern-Kanzlerkandidaten, dem Stefan Sasse irrigerweise gute Chancen attestiert. Daniel Günter hat sich nicht nur vor anderthalb Jahren ohne Not gegen die FDP und für die Grünen entschieden. Er führt einen zahlenmäßig schwachen Landesverband, der auf Parteitagen wenig zu sagen hat. Und ob NRW und Baden-Württemberg sich für einen Kandidaten verwenden, der schon eine Koalition mit der abgehalfteten Linkspartei für möglich hielt, darf doch bezweifelt werden. Da war keine politische Analyse, kein bisschen.
Kai Wegners Landesverband ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Berliner Finanzen völlig zerrüttet sind. Wegner spricht da nur für sich, nicht für die Partei. Und wieso sollte die Union eigentlich auf eine große Koalition ohne Neuwahlen eingehen? Man erfährt so wenig.
Hartz-IV war eine Grundsicherung. Das erhöhte und ohne Auflagen beziehbare Bürgergeld ist es nicht. Oder will Stefan Sasse ernsthaft erzählen, dass die Finanzierung des Hausdachs bei einem Eigenheimbesitzer zur sozialen Grundsicherung zählt? Really?
Das Problem der SPD ist kurz gesagt, dass sie seit Jahren den Beispielen ihrer erfolglosen Schwestern in Frankreich, Italien und auch Österreich folgt, sich aber dezidiert von den nordischen Schwestern abgrenzt, die doch lange als Vorbild galten. Nach über zwei Jahrzehnten merkt man sehr langsam im Willy-Brandt-Haus, dass die Grünen kein natürlicher Partner, sondern Konkurrent sind, der die eigene Wählerbasis zertrümmert.
Und dann sind da noch ein paar andere Elefanten im Raum. Bisher hat das gemäßigte politische Lager eine strategische, verfassungsändernde Mehrheit. Wenn jedoch die radikalen Kräfte von AfD bis Wagenknecht-Partei 29-30 Prozent absaugen können, wäre diese Position perdu. Das allein, so heißt es hinter vorgehaltener Hand aus der Union, könnte die Konservativen zum Umdenken bei ihrem Veto zur Schuldenbremse bringen. Dann ständen aber definitiv Neuwahlen ins Haus.
Populisten sind die Wölfe und Haie der Demokratie. Es bringt wenig, sich wegen der Haie von den Meeren fernhalten zu wollen.
Die Hoffnung muss sein, dass die Demokrat*innen zusammenhalten und dem Sirenengesang der AfD widerstehen werden – und dass sie sich zusammenraufen, bevor der Schaden zu groß wird.
Wie kann man so etwas als Demokrat schreiben??? Die Demokratie ist geschaffen, um dem Bürger Alternativen zu geben. Wenn die Wähler offensichtlich keine rot-grüne Politik mit freier Geschlechterwahl, Steuererhöhungen und Leistungsausweitungen für Langzeitarbeitslose sowie unbegrenzte Zuwanderung wollen, muss es möglich sein, eine solche Politik abzuwählen. Welcher Alternativen sich dabei der Wähler bemüht, darüber haben die Parteien nicht zu richten.
Danke für das Teilen Deiner Gedanken.
Solange das strukturelle Problem ungelöst bleibt, das in diese Krise geführt hat, die immer mehr wie der Beginn einer veritablen Verfassungskrise wirkt, kann die Abrechnung nur immer weiter in die Zukunft verschoben werden
Ich bin mir unsicher, was Du genau mit den strukturellen Problemen meinst. In meinen Augen das strukturelle Defizit der aktuellen Regierungskoalition, dass sie kein einigendes Band mehr hat. Ich erlebe da kein Miteinander – kein Zusammenwirken, kein Aufeinanderzugehen. Diese Regierung wird nur noch von Angst zusammengehalten und driftet vor sich hin. In zwei Jahren ist da keine gemeinsame Vision von einem Deutschland entstanden – geschweige denn eine Vision wie man die gemeinsame Regierung nach der nächsten Wahl fortsetzen möchte.
Schleierhaft ist mir auch der Plan der Union – Merz kann ja nur mit der SPD, oder den Grünen eine künftige Regierung bilden. Seine Präferenz ist sicherlich eine Neuauflage der GroKo – aber wo sind dort die gemeinsamen Projekte, die Themen, die ein Band knüpfen könnten? Eigentlich ist die SPD Basis doch auch die Union leid. Gleichsam sind Union und Grüne in der Migrationsfrage auf anderen Planeten unterwegs, so dass ich auch dort auch keine Zusammenarbeit sehe.
Ich halte auch nichts von Neuwahlen, da sich aufgrund der aufgezeigten Defizite nichts ändern würde. Allerdings ist der Stillstand der aktuellen Regierung ebenso unerträglich. Insofern frage ich mich, ob nicht eine ROt-Grüne Minderheitsregierung, oder eine Rot- Gelbe Minderheitsregierung helfen könnte das Heft des Handelns für die Regierung zurückzugewinnen. Der äußere Druck ist so groß, dass von den Demokraten sich keine Partei fallweisen Kompromissen verschließen kann. Und Merz würde sich nicht von AfD und FDP zum Kanzler wählen lassen, denn diesen Weg würde eine Sperrminorität in der Union nicht mitmachen. Allein Scholz ist zu wenig Hasardeuer, dass er ein solches Manöver wagen würde…
Vielleicht brauchen wir gar nicht große eigene Projekte von Parteien, sondern einfach nur seriöses Regierungshandwerk? Eine Regierung jedenfalls, die keinen verfassungskonformen Haushalt hinbekommt – also im Falle der Ampel die Haushalte 2022, 2023 und offensichtlich 2024 – und sich nur mit Hilfe von „Tricks“ (Saskia Esken) zu helfen weiß, leistet den politischen Offenbarungseid.
Das linke Lager, ohnehin strategisch seit sehr langer Zeit in der Minderheit hat sich in der Hälfte gespalten. Die einen hängen, wohlsituiert, den Grünen an, die anderen irgendwie noch der SPD. Dazu haben die Sozialdemokraten lange nicht gemerkt, dass die Politik ihres strategischen Koalitionspartners gegen die eigene Klientel geht. Nie wurde das so offensichtlich wie in Berlin. Die Innenstadtbezirke gingen im Februar gänzlich an die Grünen. Dort, wo man vieles zu Fuß und das Wenige mit dem Fahrrad oder der U-Bahn erreichen kann, braucht niemand ein Auto und die Wohnung kann man sich auch bequem leisten. Die SPD-Hochburgen liegen darum. Dort, im Wedding z.B., wo die Konflikte mit Migranten hochkochen und wo die öffentlichen Verkehrsmittel eine höchst unsichere Angelegenheit sind, wo es viel häufiger zu Vergewaltigungen und anderen schweren Gewalttaten kommt, dort badet man die Wokeness der Leute aus Berlin-Mitte und Charlottenburg aus.
Wer sich nur diese Karte der Wahlhochburgen ansieht und ein bisschen Ahnung von Berlin hat, der versteht (und wundert sich über den späten Zeitpunkt), warum die SPD lieber auf das Rote Rathaus verzichtet hat, als noch eine Legislaturperiode mit den Grünen zu regieren.
Und schlimmer für die Wähler als Dreierkonstellationen sind Minderheitsregierungen. Müssen in Bündnissen mit drei heterogenen Parteien schon außerordentlich viele Wählergruppen bestochen, begünstigt usw. werden, wächst das bei einer Minderheitsregierung exorbitant. Und dazu sind sie noch maximal instabil.
„Dort, im Wedding z.B., wo die Konflikte mit Migranten hochkochen und wo die öffentlichen Verkehrsmittel eine höchst unsichere Angelegenheit sind, wo es viel häufiger zu Vergewaltigungen und anderen schweren Gewalttaten kommt, dort badet man die Wokeness der Leute aus Berlin-Mitte und Charlottenburg aus.“
Du verzapfst einfach nur Unsinn:
„Würde der aufgelöste Bezirk Wedding noch existieren, dann wären in ihm die Grünen die Sieger bei der Wiederholungswahl vom Sonntag. Sie holten 26,4 Prozent der Zweitstimmen (2021 waren es 23,9 Prozent). Während in Berlin die CDU gewonnen hat, gelang ihr dies auf dem Gebiet des alten Weddings vor allem im Englischen Viertel. Dort kommt die CDU an ihren Berliner Durchschnitt heran und holt 27 Prozent. Hochburg der Linken ist der Fleck rund um den Nauener Platz, wo die Linke 24,9 Prozent holt. Über 20 Prozent liegt sie im Osramkiez/Leo, im Brüsseler Kiez und im Soldiner Kiez. Die SPD bleibt in allen Kiezen unter 20 Prozent, kratzt im Englischen Viertel mit 19,9 Prozent an diesem Wert. Die Grünen kommen im Sprengelkiez auf 36,7 Prozent. Auch im Antonkiez und im Osramkiez/Leo sind sie mit über 30 Prozent quasi Volkspartei.“
https://weddingweiser.de/wahlergebnisse/
Strukturell: Die Politik lässt sich nur durch Exekutive und Judikative (vor allem letztere) die Richtung vorgeben, und das geht wegen der Widersprüchlichkeit nicht mehr auf.
Sonst Zustimmung.
Vielleicht brauchen wir gar nicht große eigene Projekte von Parteien, sondern einfach nur seriöses Regierungshandwerk?
Energiewende oder Verkehrswende sind schon Projekte (eigentlich Programme), die ein Zusammenwirken der Ampel und (aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat) auch die CDU benötigen. Solange diese Themen aus dem Klein-Klein der ideologischen Brille der Parteien betrachtet werden, so lange wird es hier keine substanziellen Fortschritte geben. Ich sehe historische Parallelen zur ersten GroKo 1966 – auch diese konnte lang umstrittene Frage wie bspw. die Notstandsgesetze, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und eine Haushaltssanierung umsetzen. Nun ist Scholz kein Brandt und Merz nicht Kiesinger.
Und schlimmer für die Wähler als Dreierkonstellationen sind Minderheitsregierungen. Müssen in Bündnissen mit drei heterogenen Parteien schon außerordentlich viele Wählergruppen bestochen, begünstigt usw. werden, wächst das bei einer Minderheitsregierung exorbitant.
Zumindest gäbe es aber eine Chance innerhalb der Regierung weniger Streit und mehr Zusammenhalt zu schaffen und stringenteres Regierungshandeln zu demonstrieren, was wiederum stabilisierend wirkt.
Energiewende oder Verkehrswende sind schon Projekte
Wir haben seit 25 Jahren die Energiewende. Sie wurde von einer kleinen Regierungspartei konzipiert. Seit dem hatten wir 6 weitere Regierungen in 3 neuen Farbzusammensetzungen. Die kleine Konzeptionspartei hatte sich nie um einen breiteren gesellschaftlichen Konsens bemüht, sondern nur ein absolut lächerliches Bild in die Welt geblasen: Nicht mehr als eine Kugel Eis würde die Energiewende die Haushalte kosten.
Das ursprüngliche Konzept wurde dann von dem folgenden SPD-Umweltminister eingebremst. Das, obwohl die SPD bei der Konzeption der Seniorpartner gewesen war. Die Agenda 2010 basierte trotz der Proteste auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens. Auch hier war es die SPD, die anderthalb Jahrzehnte ihren ganzen politischen Ehrgeiz darein setzte, die von ihr selbst initiierte Reform zurückzudrehen. Und Sie meinen, Deutschlands Probleme resultierten aus dem politischen Klein-Klein?
Sie gehen auch von falschen Voraussetzungen aus. Es gibt keine Möglichkeit mehr für eine große Koalition. 1966 standen die Koalitionspartner für 87 Prozent der Wähler. Das bekommen heute nicht einmal mehr die vier mittigen Fraktionen in Summe zusammen. Dazu stehen die Grünen in zentralen gesellschaftlichen Fragen quer zur großen Mehrheit in der Gesellschaft. Aufgrund der Spaltung des linken Lagers werden diese Milieus aber auf Dauer zur Regierungsbildung benötigt. Nicht 2025, aber danach schon wieder.
Wir, also Stefan & Co., polemisieren, dass AfD-Wähler ja so abgespact, so entkoppelt in ihren Blasen seien. Es gibt eine Wählergruppe, die noch abgespaceter und entkoppelter in Blasen lebt, wie AfD-Wähler – und das sind die Anhänger der Grünen.
Zumindest gäbe es aber eine Chance innerhalb der Regierung weniger Streit und mehr Zusammenhalt zu schaffen und stringenteres Regierungshandeln zu demonstrieren, was wiederum stabilisierend wirkt.
Lieber Kning4711, bei aller großer Wertschätzung, aber das ist weltfremd. Zur Praxis von Minderheitsregierungen schauen wir z.B. nach Thüringen. Gut regiert?
Abgesehen davon, dass auch zwei Regierungspartner teils große Probleme haben können, sich auf eine stringente Regierungspolitik zu einigen – denken Sie an Schwarz-Gelb 2009 – 2013 (Eurokrise, Steuerpolitik), vergessen Sie eins: Eine Minderheitsregierung hat eine Parlamentsmehrheit gegen sich. Als Roland Koch 2008 seine Mehrheit verlor, regierte er qua Verfassung mit einem Minderheitenkabinett. CDU und FDP waren in dem folgenden Jahr nicht in der Lage, eine einzige eigene Gesetzesinitiative durchzubekommen, sondern mussten die Gesetzesbeschlüsse des links geprägten Parlaments umsetzen, wozu beispielsweise die Abschaffung der Studiengebühren zählte.
In Thüringen versucht die linke Minderheit, Minderheitenpolitik durch Tabuisierung der AfD durchzusetzen. Sie versucht so zu tun, als gäbe es die parlamentarischen Stimmen der Rechtsextremen nicht. Aber sie gibt es. Stellen Sie sich vor, die Union würde einen Steuerreformentwurf vorlegen, der schon heute eine Mehrheit finden würde, da neben den Konservativen auch die FDP und die AfD dafür stimmen würden. Und die Minderheitsregierung müsste genau das Konzept umsetzen, das diametral zu ihren eigenen Vorstellungen steht. Das kann nur lustig werden.
Ihre Idee macht nur konzeptionell Sinn, wenn sich die Oppositionsparteien im Parlament noch stärker der Regierung unterordnen. Eine solche Selbstentmachtung des Deutschen Bundestages wird vom Bundesverfassungsgericht verhindert. Oder die Opposition wäre so zersplittert, dass sie zu eigenen Initiativen nicht in der Lage wäre. Das findet sich in Skandinavien oder in Spanien. Aber das gilt nicht für Deutschland, wo nicht nur die Regierungen traditionell große Stabilität aufweisen, sondern auch die Oppositionsfraktionen.
. Zur Praxis von Minderheitsregierungen schauen wir z.B. nach Thüringen. Gut regiert?
Könnte es daran liegen, dass die Parteien noch mit einem Playbook der Vergangenheit unterwegs sind? Ich habe den Eindruck, dass in vielen Köpfen noch nicht angekommen ist, dass das Vier-Parteien System nicht mehr wiederkommen wird und knappe und widerprüchliche Bündnisse das New Normal sein wird. Da die AfD als Partner ausscheidet werden in der Regel die übrigen 4 (die Linke ist auf dem besten Wege in der Versenkung zu verschwinden, BSW wird noch beweisen müssen, wie die beim Wähler ankommen), zu mehr Kompromissen gezwungen werden.
Oder anders formuliert: Wir müssen in vielen Bereichen nun grundlegende Weichstellungen vornehmen, die eben einen Pfad für kommende Jahrzehnte vorzeichnet: Das ist ein bisschen wie die Westbindung, die Ostpolitik, oder den Kampf gegen den innerdeutschen Terror – hier übernahmen ideologisch anders ausgerichtete Regierungen in wesentlichen Punkten die Richtungsentscheidungen ihrer Vorgänger.
Ich denke bei den großen Herausforderungen unserer Zeit: Klimaneutraler Umbau der Wirtschaft, Migration, Rentenreform braucht es einen ähnlichen Konsens. Mir erinnert der Umgang mit der Energiewende an die Bildungspolitik in NRW: Diese wurde auch immer nach Parteigusto nach jeder Wahl über den HAufen geworfen, so dass sich keine Kontinuität entwickeln konnte, mit dem Ergebnis das NRW in Sachen Bildung in Deutschland auf den letzten Plätzen liegt. Es gibt einfach Themen, die brauchen mehr Kontinuität, um Wirksam zu sein.
Im übrigen: Der Bürger hat die parteilpolitischen Spielchen inzwischen mehr als satt. Nicht zuletzt ist ja das starke AfD Umfrageergebnis Spiegelbild dieser Haltung.
Möglich. Ich bin aber kein Fan von Minderheitenregierungen.
Der Bürger hat die parteilpolitischen Spielchen inzwischen mehr als satt. Nicht zuletzt ist ja das starke AfD Umfrageergebnis Spiegelbild dieser Haltung.
Halte ich in der Form für Unsinn.
@ Thorsten Haupts 8. Dezember 2023, 12:55
[Der Bürger hat die parteilpolitischen Spielchen inzwischen mehr als satt. Nicht zuletzt ist ja das starke AfD Umfrageergebnis Spiegelbild dieser Haltung.]
Halte ich in der Form für Unsinn.
Ich denke schon, dass starke links- oder rechts-populistische Parteien immer ein Stück weit auch auf ein Versagen der bürgerlichen Parteien zurückzuführen sind. Wenn man Probleme sieht, aber keine Lösungsansätze, weicht man nach außen aus.
Korrekt, nur ist das etwas anderes, als Parteienstreit.
Thorsten Haupts 9. Dezember 2023, 12:40
Korrekt, nur ist das etwas anderes, als Parteienstreit.
OK, dann hatte ich Dich missverstanden.
Ich sag es ja: Rorschach-Test. Die AfD ist immer so stark wegen dem, was man selbst eh schon glaubte.
In dem Kontext muss man noch einen ganz anderen Sprengsatz betrachten: Die ersten Schatten der kommenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Erste Stimmungstests wird es bereits vorher mit der Europawahl und mit dieser gekoppelten Kommunalwahlen geben. Sachsen und Thüringen wählen dann zusammen mit kurzem Abstand vor Brandenburg – welche Signalwirkung ihre Ergebnisse haben werden, wird man dann sehen.
Aber jedenfalls werden jetzt schon Stimmungen aufgebaut, angeheizt auch durch die Krise in Berlin. Und diese Stimmungen werden die Krise(n) in Berlin ebenfalls wiederum anheizen. Was wiederum…nun ja…es schaukelt sich gut auf.
Wenn sich nicht eine dieser Stimmungswellen bricht, wird die AfD mindestens in Thüringen und Sachsen zur stärksten Partei. Momentan starren deswegen viele auf Thüringen, wo Höcke plötzlich die Option auf den Ministerpräsidentenposten hätte. Oder mindestens die komplette Regierung und Verwaltung des Bundeslandes endgültig lahmlegen könnte. Der Volksverpetzer hat da erst kürzlich Szenarien zu beschrieben. Etwas unbeachteter ist das Szenario in Sachsen geblieben, weil man die Lage dort nicht mit so einem klingenden Namen wie Höcke verbindet (Chrupalla ist ja eher auf Bundesebene vertraut). In Sachsen laufen nach aktuellen Umfragen sogar die Sozialdemokraten Gefahr an der 5 %-Hürde zu scheitern. Die derzeit brodelnde Haushalts-und Verfassungskrise in Berlin hilft nicht unbedingt, die Zustimmungswerte zu steigern. Es könnte die Lage entstehen, dass am Ende nur die AfD und die CDU ins sächsische Parlament kommen. Die AfD vor der Union, was automatisch bedeuten würde: Absolute Mehrheit. Diese Möglichkeit ist noch wesentlich realistischer und wahrscheinlicher derzeit als die Regierungsübernahme in Thüringen. Wenn tatsächlich beides simultan einträte (bei einer Wahl am symbolträchtigen 1. September, wie sinnig), könnte dies auch der ebenfalls leicht erstarkenden AfD in Brandenburg nochmal Schub verleihen. Dort wäre ein mögliches Szenario, dass Linke, Grüne und FDP aus dem Parlament fliegen, AfD, Union und SPD übrig bleiben. Immerhin könnte dort wahrscheinlich eine Große Koalition aus Union und SPD eine AfD-Regierung verhindern, aber die AfD-Fraktion hätte viele Rechte für Posten und Einflussnahme.
Ob diese Wahlen wirklich so fürchterlich ausgehen, wird davon abhängen, ob das Regierungspersonal der Bundesregierung weiter so schlecht performed oder endlich Probleme solide löst. Also auch SICHTBAR solide löst. Diesbezüglich tickt im Grunde die Uhr. Es sind nur noch knapp 10 Monate – die sind ratzfatz um. Vor allem wenn man bedenkt, dass man ja um Weihnachten, Ostern und in den Sommerferien kaum was tut in der Regierung und im Parlament. Die Haushaltskrise mit der zugrundeliegenden strukturellen Verfassungskrise muss also so zeitnah gelöst werden, dass positive Effekte davon und ein Stimmungswandel rechtzeitig vor diesen Landtagswahlen im Land ankommen. Und zwar wahrnehmbar genug, um in Sachsen, Thüringen und Brandenburg eine nennenswerte Anzahl von Wählern davon zu überzeugen nicht AfD zu wählen. (auf den Stimmenabzug durch die Wagenknechtpartei würde ich hier noch nicht hoffen, es wird fraglich sein, wie gut sich diese innerhalb von 9 bis 10 Monaten so flächendeckend etablieren kann, dass das nennenswerte Zahlen sind).
Gelingt das nicht, bekommen wir gewaltige Probleme: Wenigstens zwei Bundesländer im Griff von AfD-Regierungen, bis zu drei Bundesländer fast unregierbar. Sachsen und Thüringen könnten zu einem Block werden, der sich nicht an geltendes Recht hält, Verfassungsgerichtsurteile ignoriert und eine Politik in allen Gremien wie dem Bundesrat betreibt, die die Institutionen weiter erodieren soll und wird. In den betroffenen Bundesländern selbst könnte eine Politik umgesetzt werden, die diesen Zustand weiter zementiert und die dortigen Checks und Balances rasch aushebelt. Höcke und Konsorten ist zuzutrauen, Parallelstrukturen aufzubauen, um sich als Gegenregierung zur Bundesregierung aufzuführen. Die sogenannte Spaltung der Gesellschaft bekäme einen territorialen Gehalt. Wenn in Berlin bis dahin die Haushalts-und Verfassungsfragen nicht geklärt sind, werden sie der Bundespolitik erst recht um die Ohren fliegen, da sie jetzt erst recht nicht mehr gelöst werden. Die FDP würde nach den Desastern in zwei bis drei Bundesländern sich aufreiben; die Union würde durch den Erfolg der AfD wahrscheinlich endgültig in moderate und rechte gespalten werden und wäre mit sich selbst beschäftigt. Eine politische Lähmung ohnegleichen würde drohen und das ein Jahr vor der Bundestagswahl….
Eine wenig beachtete, weil kaum zu glaubende, aber durchaus gegebene Möglichkeit: Dieses Erlangen von „Territorialität“ durch die harte Rechte in Deutschland kann die Basis für einen Bürgerkrieg legen, ähnlich wie damals im Sezessionskrieg in den USA. Je nach Agieren der AfD. Fehlt dann nur noch Anlass und Funke.
Der Weg zum Staatszerbruch ist nicht sooo weit. Deswegen müssen die politischen Eliten des Landes JETZT aufwachen und endlich Lösungsorientiert arbeiten.