Bohrleute 53 – Eingrenzen oder Ausgrenzen?, mit Marcel Schütz

Nachdem ich in Folge 51 mit Marcel Lewandowsky über die AfD diskutiert habe, möchte ich heute dasselbe Thema noch einmal aufrollen. Dieses Mal habe ich Marcel Schütz dabei, der sowohl den Vornamen als auch den Beschäftigungsgegenstand mit Marcel Lewandowsky teilt.

~

Shownotes:

Der Autor beschreibt seine Erfahrungen als Journalist bei Veranstaltungen mit Donald Trump und betont, wie Trump die Journalisten und Medien als Feinde des Volkes diffamiert. Er stellt fest, dass Journalisten bei solchen Ereignissen Demut lernen und ihre Glaubwürdigkeit in Frage gestellt wird. In Deutschland hingegen hält sich immer noch die Hoffnung, dass die aufgeklärten Kräfte im Journalismus die Bedrohung durch rechtsextreme Kräfte bekämpfen können. Es wurden verschiedene Empfehlungen gegeben, wie die Medien mit dem Aufstieg der AfD umgehen sollten, wie zum Beispiel keine Interviews mit AfD-Politikern zu führen oder bestimmte Begriffe zu vermeiden. Der Autor ist skeptisch gegenüber solchen Maßnahmen und betont, dass die AfD ihre Anhänger nicht durch Sprachänderungen verliert. Er argumentiert, dass Journalisten sich auf das Beschreiben der Realität konzentrieren sollten, anstatt zu versuchen, Politik zu machen. Er betont die Wichtigkeit des Journalismus in der heutigen Zeit, in der die Leser mit einem Klick Zugang zu unterschiedlichen Perspektiven haben, und dass Journalismus am besten ist, wenn er die Dinge so beschreibt, wie sie sind. (René Pfister, Spiegel)

Friedrich Merz, der konservative Oppositionsführer der CDU, sorgt erneut für Aufregung und Verwirrung, indem er seine Position zur Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene widersprüchlich darstellt. Obwohl er zuvor betont hatte, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene geben werde, nahm er diese Aussage später zurück und erklärte, dass Kooperationen in den Kommunen legitim seien, wenn AfD-Politiker dort gewählt wurden. Diese inkonsistente Kommunikation schadet der CDU, lenkt von den eigentlichen politischen Inhalten ab und erhöht die Unzufriedenheit mit der Partei. Merz hat in der Vergangenheit wiederholt durch kontroverse Aussagen für Aufsehen gesorgt und Zusagen nicht eingehalten. Sein Umgang mit der AfD und ihren Ideen ist besonders problematisch. Er kündigte beispielsweise Parteiausschlussverfahren für Zusammenarbeit mit der AfD an, aber es folgten keine Sanktionen, als ein CDU-Landrat einem AfD-Antrag zustimmte. Er erklärte auch die Grünen zu Hauptgegnern, obwohl die CDU in einigen Ländern mit den Grünen regiert und die AfD die Grünen bereits als Feind betrachtet. Es ist klar geworden, dass die CDU eine Führungspersönlichkeit mit klarem politischem Geschick und einem klaren Kompass benötigt, um diese herausfordernden Zeiten zu meistern. Doch Friedrich Merz hat sich als ungeeignet erwiesen. Seine jüngste Äußerung zur Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene ist ein weiteres Beispiel für sein Versagen. Es ist wichtig, dass die CDU klare Leitplanken und eine konsistente Führung hat, die sich gegen Hass und für die Demokratie einsetzt. Merz ist dafür nicht die richtige Wahl. (Sabine am Orde, taz)

Zahlreiche Berichte vor der Parlamentswahl in Spanien prophezeiten einen Rechtsruck und eine mögliche Regierungsbeteiligung der rechtsextremen Partei Vox. Doch das Wahlergebnis zeigte ein anderes Bild: Vox verlor an Zustimmung und Sitzen, die konservative PP wurde stärkste Partei, erreichte jedoch keine Mehrheit, auch nicht zusammen mit Vox. Die regierenden Sozialisten gewannen Stimmen hinzu, verloren jedoch Sitze aufgrund des schlechteren Abschneidens ihres linken Koalitionspartners. Viele Medien übernahmen diese Vorhersage eines Rechtsrucks vor der Wahl, basierend auf ersten Prognosen. Doch die tatsächlichen Wahlergebnisse zeigten eine andere Entwicklung. Die Schlagzeilen vor der Wahl mit Begriffen wie „Spanien vor dem Rechtsruck“ oder „Rechtsruck bei vorgezogener Parlamentswahl“ spiegelten nicht das tatsächliche Ergebnis wider. Dieser Trend zur Vorwegnahme von Ereignissen in der Berichterstattung ist problematisch, da Journalisten sich nicht auf Meinungsumfragen verlassen sollten und die Zukunft unvorhersehbar ist. Obwohl Umfragen Indikatoren für die Stimmung im Land sind, können sie die tatsächlichen Wählerentscheidungen nicht vorhersagen. Journalisten sollten die Komplexität der politischen Realität respektieren und sich nicht auf vereinfachende Narrativen wie den „drohenden Rechtsruck“ verlassen, da dies andere wichtige Aspekte der politischen Entwicklung in den Hintergrund drängt. Wahlen werden letztendlich von den Wählern entschieden und können Überraschungen bringen, die manchmal nicht den Erwartungen entsprechen. (Stefan Niggemeier, Übermedien)

Der Lyriker und Publizist Max Czollek äußert sich besorgt über die jüngsten Äußerungen von Friedrich Merz zur AfD und warnt vor einem möglichen Schritt zur Aufhebung der „Brandmauer gegen die AfD“ zumindest auf kommunaler Ebene. Czollek sieht in diesen Äußerungen einen weiteren Stein, der aus der Abgrenzung gegenüber der rechtsextremen Partei entfernt wird und vermutet, dass dahinter eine systematische Strategie steckt, ähnlich wie bei Kemmerich und der FDP in Thüringen. Er kritisiert Merz‘ Argumentation, dass auf kommunaler Ebene eine Zusammenarbeit mit der AfD notwendig sei, wenn diese gewählt werden. Czollek betont, dass es auch mit den Stimmen anderer demokratischer Parteien möglich sei, Projekte umzusetzen, und dass symbolische Handlungen der Abgrenzung wichtig seien. Czollek warnt vor der zunehmenden Zustimmung zur AfD in Umfragen und beklagt, dass die entscheidenden Fragen in Bezug auf den Umgang mit dieser Partei nicht gestellt werden. Er fordert, dass die Gesellschaft darüber nachdenkt, wie eine plurale Demokratie Schutz und zeitgemäße Konzepte bieten kann. Czollek sieht den Staat in der Verantwortung, glaubwürdige Maßnahmen zu ergreifen, um alle Teile der Gesellschaft zu schützen und in die Verteidigung der pluralen Demokratie einzubeziehen. Er weist darauf hin, dass viele Menschen in seinem Umfeld Angst angesichts der Umfragewerte der AfD haben und betont die Wichtigkeit, den Stimmen von marginalisierten Gruppen zuzuhören und ihnen Raum in der Gesellschaft zu geben. Czollek hofft, dass die deutsch-deutsche Gesellschaft endlich die Herausforderungen erkennt, die für breitere Teile der Bevölkerung durch die zunehmende Zustimmung zur AfD entstehen. (Oliver Buschek, BR)

Die Kolumne zeigt sich besorgt über die jüngsten Aussagen von Friedrich Merz zur AfD und lobt den starken Widerspruch, den er aus seiner eigenen Partei erfahren hat. Die CDU scheint mehrheitlich nicht bereit zu sein, sich der AfD auf kommunaler Ebene zu ergeben, obwohl Merz eine Lockerung der „Brandmauer“ vorgeschlagen hatte. Der Autor betont, dass in unsicheren Zeiten die Menschen nach Orientierung suchen und dass populistische Parteien freie Bahn bekommen, wenn diese Orientierung fehlt. Die CDU, unter Merz‘ Führung, habe jedoch kein schlagkräftiges Gegenmittel gegen die AfD gefunden. Stattdessen habe Merz die AfD durch seine Äußerungen auf Augenhöhe mit der CDU gehoben und die Partei kleiner gemacht, als sie sein sollte. Das wiederholte Führungsversagen Merz‘ sei nicht nur für die CDU problematisch, sondern für die gesamte demokratische Gesellschaft. Die CDU müsse sich auf Inhalte konzentrieren und demokratische Alternativen zur Regierungspolitik formulieren. Die Linke, als Oppositionspartei, stehe ebenfalls vor Schwierigkeiten, da sie derzeit durch Selbstzerfleischung auffällt. Die Kolumne mahnt zur dringenden Notwendigkeit einer klaren Ausrichtung der Parteien im Umgang mit der AfD, insbesondere mit Blick auf die anstehenden Wahlen in Ostdeutschland. Es fehle an einem Kompass, wie man sich von Rechtsextremen abgrenzen und dennoch in Kommunen mit starker AfD erfolgreich agieren könne. Die Situation werde dramatischer, da die AfD kampagnenfähig sei und die einzige Alternative zur Regierungspolitik der Ampel bieten könne, während CDU und Linke keine überzeugenden Antworten auf die Probleme der Gesellschaft präsentierten. Der Autor schließt mit der Sorge, dass, sollte die AfD als einzige Alternative verfangen, es schlecht um Deutschland stehe. (Lisa Caspari, ZEIT)

CDU-Bundesvize Karin Prien kritisiert Jan Böhmermanns Äußerung über CDU-Chef Friedrich Merz scharf. Böhmermann hatte Merz wegen umstrittener Aussagen zu möglichen Kooperationen mit der AfD auf kommunaler Ebene satirisch kommentiert. Prien nannte den Tweet „widerlich und unentschuldbar“ und warnte vor der Verharmlosung von Nazis. Merz hatte zuvor die Union als „Alternative für Deutschland mit Substanz“ bezeichnet, was als Aufweichung der Abgrenzung zur AfD interpretiert wurde. Merz betonte, dass der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU gelte, doch er erntete Kritik sowohl von außen als auch aus den eigenen Reihen. (Focus)

Der Vorsitzende der Linken, Martin Schirdewan, kritisiert, dass ostdeutsche Identitäten und Erfahrungen in der Bundesrepublik zu wenig Aufmerksamkeit erhalten. Er beklagt einen „ostdeutschfreien Elitenraum“ und fehlende Berücksichtigung ostdeutscher Biografien, auch in der Politik. Obwohl die Wiedervereinigung für viele Ostdeutsche eine Befreiung war, habe es auch massive Frustrationen und Verlusterfahrungen gegeben, die in der gesamtdeutschen Geschichtserzählung zu wenig Platz fänden. Schirdewan betont, dass ostdeutsche Löhne und Renten im Jahresdurchschnitt niedriger sind und sieht darin eine wachsende Diskriminierungserfahrung. Die Linke müsse sich gegen die Spaltung durch die AfD stellen und gemeinsame Interessen betonen. Er lehnt die Gründung einer Partei von Sahra Wagenknecht ab. (Spiegel)

  1. Die AfD als rechte Protestpartei ist in ganz Europa präsent und wächst in verschiedenen Ländern.
  2. Menschen, die Probleme mit ihrer Regierung haben, sollten nicht beschimpft werden, sondern ernst genommen werden, um die Demokratie zu schützen.
  3. SPD und Grüne werden es schwer haben, AfD-Wähler zurückzugewinnen. Die Union versucht, diese Wähler durch konservative Themen anzusprechen, was keine Rechts-Populismus ist, sondern Realpolitik.
  4. Der inflationäre Gebrauch des Nazi-Vorwurfs in Deutschland verharmlost den Faschismus und treibt potenziell mehr Wähler zur AfD. Bezeichnungen wie „Brandstifter“ für Politiker wie Friedrich Merz sind übertrieben und wenig pragmatisch.
  5. Auch wenn es schmerzhaft sein mag, Unzufriedene wählen die AfD als Proteststimme, und dies ist ein demokratischer Prozess, der respektiert werden sollte, auch wenn nicht alle mit den Ergebnissen einverstanden sind. Demokratie bedeutet nicht, dass alles nach den Vorstellungen bestimmter Politiker verlaufen muss. (Thomas Tuma, Twitter)

Die AfD nutzt Parlamente und Kommunalvertretungen als Plattform für ihre Inszenierung als „Anti-Establishment-Partei“ und vertritt Identitätsthemen sowie Ressentiments in der Bevölkerung. Sie provoziert, um den Diskursrahmen nach rechts zu verschieben, sieht sich aber nicht nur auf parlamentarische Arbeit beschränkt. Die Partei strebt eine fundamentaloppositionelle Bewegungspartei an, die letztendlich eine liberale und offene Gesellschaft zugunsten einer homogenen und autoritären Gemeinschaft überwinden und transformieren will.

Der Twitter-Thread von Jacob Edenhofer befasst sich mit der möglichen Koalitionsbildung der CDU mit der AfD und den Faktoren, die diese beeinflussen könnten. Er unterscheidet zwischen „vote-seeking,“ „office-seeking“ und „policy-seeking“ Motivationen der Akteure. Edenhofer hält eine blau-schwarze Koalition für möglich, abhängig von der Dominanz dieser Motivationen. Er betont, dass die CDU in Ostverbänden eine größere Sympathie für eine Koalition mit der AfD aufweist, was die Bundes-CDU vor Herausforderungen stellen könnte. Zwei Szenarien werden skizziert: mögliche Koalitionen mit der AfD auf Landesebene und eine Minderheitenregierung, die von der AfD unterstützt wird. Die Normalisierung solcher Kooperationen könnte eine Koalition auf Bundesebene mittelfristig wahrscheinlicher machen, aber hängt von den Überzeugungen der Parteigranden und der Wählerschaft ab. Edenhofer hofft, dass die Wählerschaft solche Machenschaften durchschaut und entsprechend reagiert, bleibt aber skeptisch.

Der Sozialforscher Marcel Schütz erklärt in einem Interview die Tücken von Wahlen und Prognosen. Er betont, wie stark Prognosen unseren Alltag beeinflussen und dass wir ständig auf die nächste Entwicklung fixiert sind. Im Hinblick auf die Bundestagswahl zeigt er, wie sich die politische Stimmung eines Landes schneller ändert als früher, da die Parteibindung abnimmt und die politische Landschaft vielfältiger wird. Schütz erklärt auch den Einfluss von Umfragen auf die Wahlen. Zahlen erzeugen Stimmungen und umgekehrt. Die Berichterstattung, die sozialen Medien und persönliche Gespräche formen das Meinungsbild und beeinflussen die Wahlentscheidungen. Die zunehmende Bedeutung der Personen in der Politik hängt damit zusammen, dass die Wähler unsicher sind, welche Koalition am Ende regieren wird, aber sie vertrauen bestimmten Kandidaten. Er warnt davor, Überraschungen zu unterschätzen, da sich Stimmungen schnell ändern können. Die hohe Erwartung, dass es immer so weitergeht wie zuvor, spielt uns einen Streich. Statt sich auf die Langzeitprognosen zu verlassen, sollten Wähler/-innen vielfältige Informationsquellen nutzen, wie Wahlprogramme, Medien, Diskussionen mit anderen und politische Formate, um sich eine informierte Meinung zu bilden. Am Ende betont Schütz, dass die Wahlentscheidung eine persönliche Begründung haben sollte, da Emotionen und Sympathien eine wichtige Rolle spielen. (NBS)

{ 48 comments… add one }
  • Thorsten Haupts 27. Juli 2023, 20:56

    Mein Fazit aus dem Gespräch – es wird auf einbinden hinauslaufen müssen, es sei denn, durch ein Wunder bekommt man die AfD wieder klein. Äh – ja.

  • Ralf 28. Juli 2023, 21:11

    Mein Gefühl ist, dass die CDU nur deshalb ein Problem hat, weil alle Journalisten und Pundits laufend erzählen, dass die CDU ein Problem hat.

    Tatsächlich ist für die Konservativen seit Merkel vieles besser geworden. Noch zu Kohl-Zeiten waren Koalitionen mit den Grünen völlig unvorstellbar und Große Koalitionen mit der SPD verpönt. Die CDU war sklavisch auf die FDP angewiesen und musste sogar Leihstimmenkampagnen durchführen, um die Liberalen vor dem Tod zu bewahren. Heute ist die CDU offen für Schwarz-Gelb, Schwarz-Grün, Schwarz-Rot und Jamaika und hat folglich dramatisch mehr Optionen. Da die CDU trotzdem in der Regel die stärkste Fraktion stellt, kann sie meist regieren. Der arme Herr Merz …

    Probleme gibt es nur im Osten. Dort ist die AfD aber auch nur deshalb so stark geworden, weil die CDU versucht hat sich rechtspopulistisch zu profilieren. Das ist – wie eigentlich immer – schief gegangen und stattdessen hat man die Extremisten gestärkt. Das Problem ist also hausgemacht.

    Allerdings gibt es auch im Osten eine Lösung, nämlich zur Not Koalitionen mit den eher pragmatischen Verbänden der Ost-Linken. Wie das geht, kann man in Österreich sehen. Da haben sich eine grüne Partei (entspricht politisch dem linken Rand der deutschen Grünen) und eine konservative Partei (entspricht politisch dem rechten Rand der CDU) zusammengerauft, in einer Situation, in der nichts anderes ging. Die Beteiligten hatten fundamentale Meinungsverschiedenheiten, konnten sich menschlich nicht ausstehen und es fehlte an jeglicher politischer Kompatibilität. Aus Staatsräson hat man sich trotzdem geeinigt. Die Grünen bekamen ihr Klimaschutzthema. Die ÖVP hasst Klimaschutz, agitiert massiv dagegen, stimmt aber am Ende zähneknirschend dafür ab. Die ÖVP bekam ihr Anti-Migrationsthema. Die Grünen hassen diesen xenophoben Populismus, agitieren massiv dagegen, stimmen aber am Ende zähneknirschend dafür ab. Allen Dauergerüchten zum Trotz – das Ende der Koalition wird von der Presse alle zwei Wochen vorhergesagt – steht der Pakt immer noch. Und es funktioniert. Eine Koalition muss keine Liebesheirat sein. Und man kann sich auch auf ein “agree to disagree” verständigen. In keinem Beruf bekommt man immer was man will. In jedem Beruf muss man auch mit Leuten zusammenarbeiten, die man für Idioten hält. Das ist bei Lehrern so, bei Sachbearbeitern, bei Gemüsehändlern und bei Taxifahrern. Warum das beim Vorsitzenden der CDU anders sein sollte, erschließt sich mir nicht.

    • Stefan Sasse 29. Juli 2023, 10:58

      stimme dir zu, was die koalitionsoptionen angeht; gleiches gilt übrigens für die spd. generell sind die vier demokratischen parteien untereinander sehr anschlussfähig; am schwersten tut sich noch die fdp.

      ich denke aber, deine analyse zur lage des ostens macht es sich etwas einfach: die afd-stärke ist sicher nicht nur oder auch nur hauptsächlich auf den rechtspopulismus der cdu zurückzuführen. jede analyse, die nicht in der lage ist zu erklären, warum vorher die LINKE stark war und nun gegen die AfD verliert, lässt da einen entscheidenden mosaikstein vermissen. ich sag immer wieder, dass der osten nicht meine expertise ist, aber dass er IRGENDWIE ANDERS ist, kann glaube ich kaum wegdiskutiert werden.

      ich bin sehr gespannt, wie sich das mit der pragmatischen linken entwickeln wird. thüringen wird da dieses jahr wohl ein testlabor. aktuell scheint ja eine fortsetzung der tolerierung einer minderheitenregierung nicht unwahrscheinlich.

      • Ralf 29. Juli 2023, 15:38

        die afd-stärke ist sicher nicht nur oder auch nur hauptsächlich auf den rechtspopulismus der cdu zurückzuführen.

        Ja, das hab ich falsch ausgedrückt. Der Aufstieg der AfD ist multikausal. Aber dass die CDU ständig in die rechtspopulistische Schlammschlacht einsteigt, nur um sich dann wieder und wieder vom Original rechts überholen zu lassen, hat zum gegenwärtigen Problem signifikant beigetragen.

    • Thorsten Haupts 29. Juli 2023, 15:08

      Dort ist die AfD aber auch nur deshalb so stark geworden, weil die CDU versucht hat sich rechtspopulistisch zu profilieren.

      Das halte ich für Unsinn.

      Allerdings gibt es auch im Osten eine Lösung, nämlich zur Not Koalitionen …

      Unabängig davon, wie man das beurteilt – es löst schlicht das Problem nicht. Das darin besteht, dass ggf. alle anderen Parteien ausser der AfD eine Koalition bilden müssten, um eine Parlamentsmehrheit zu haben.

      Und in der Konstellation habe ich dann eine ganz einfache Frage:

      Ist die AfD so gefährlich für Demokratie und insbesondere Rechtsstaat, dass man diesen Preis zahlen will? Wenn sie das nachweisbar ist, müsste ein Verbot aussichtsreich genug sein, um es vor dem BVerfG durchzubekommen. Andernfalls ist sie das nicht und dann würde ich niemals zu dieser Lösung greifen.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      • Ralf 29. Juli 2023, 15:25

        Ja, ich glaube, man müsste die AfD verbieten. Allerdings sind die juristischen Hürden dafür so extrem hoch, dass ein Verbot de facto ausgeschlossen ist. Bleibt also nur die Isolierung. Demokraten – egal welcher Couleur – können halt nicht mit einer menschenverachtenden Führerpartei zusammenarbeiten, ohne ihre Werte restlos zu verraten.

        CDU und LINKE hätten im übrigen den meisten Umfragen nach eine Mehrheit in den ostdeutschen Bundesländern. Dass SPD und FDP und Grüne da alle zu einer Allparteienkoalition gebraucht würden, ist extrem unwahrscheinlich. Dass die AfD 51% erreicht, ist ebenfalls extrem unwahrscheinlich. Also kein Problem – wenn die Demokraten zusammenstehen. Wenn die Demokraten nicht mehr zusammenstehen, dann haben wir allerdings ein fettes Problem.

        • Stefan Sasse 29. Juli 2023, 15:43

          korrekt, aber ich sehe das von thorsten aufgeworfene problem durchaus. daher auch meine aktuelle denkrichtung: wo die afd tatsächlich extremistisch ist (thüringen) führt daran kein weg vorbei. aber was, wenn wir zukünftig „moderate“ landesverbände haben?

          • Ralf 29. Juli 2023, 16:10

            Moderate Landesverbände in der AfD? Mit wem hättest Du denn in der NSDAP koaliert? Mit Göring? Weil der moderater war als Himmler oder Bormann? Oder mit dem bürgerlich-soliden Albert Speer?

            Im übrigen besteht Thorstens Problem de facto gegenwärtig überhaupt nur dort, wo die AfD gerade besonders extrem ist – nämlich im Osten. Da hatte ich mich bereits während des Podcasts über Deine Argumentation gewundert (danke für’s Erinnern). Niemand ist im Westen genötigt mit einer nationalsozialistischen Partei zu koalieren. Es gibt ohne Ende Alternativen. Auch rechts. Siehe AfD. Siehe Freie Wähler. Siehe CSU.

            • Stefan Sasse 29. Juli 2023, 17:03

              Wie gesagt, meine perspektive war mittelfristig. aktuell sehe ich in keinem bundesland die grundlage. aber das muss ja nicht so bleiben

            • cimourdain 31. Juli 2023, 12:42

              Die Fragestellung „Mit wem hättest Du denn in der NSDAP koaliert?“ ist so ein wenig ahistorisch: Der Hitler-Flügel war die damals für die Mitte ‚koalitionsfähigere‘ (weil wirtschaftsfreundlichere) Teilausrichtung der NSDAP. Der andere Teil waren die „Nationalbolschewisten“ Strassers.

              • Thorsten Haupts 31. Juli 2023, 14:43

                Bei aller Liebe für starke Polemik – aber der inzwischen übliche Hitler/Nazi-Vergleich ist in Bezug auf die AfD einfach Quatsch in jeder Hinsicht.

              • Ralf 31. Juli 2023, 17:55

                Der Hitler-Flügel war die damals für die Mitte ‚koalitionsfähigere‘ (weil wirtschaftsfreundlichere) Teilausrichtung der NSDAP. Der andere Teil waren die „Nationalbolschewisten“ Strassers.

                Ich möchte mit beiden nicht koalieren. Aber die Frage ging ja nicht an mich …

              • Stefan Sasse 31. Juli 2023, 19:35

                das sind doch politische kampfnarrative von vor anno dazumal.

        • Thorsten Haupts 29. Juli 2023, 17:00

          Sie widersprechen sich selbst: Allerdings sind die juristischen Hürden dafür so extrem hoch, dass ein Verbot de facto ausgeschlossen ist. Bleibt also nur die Isolierung. Demokraten – egal welcher Couleur – können halt nicht mit einer menschenverachtenden Führerpartei …

          Eine nachweislich menschenverachtende Führerpartei könnte man auch mit den existierenden jusristischen Hürden problemlos verbieten. Ich glaube schlicht, Sie verrennen sich da in Ihre Interpretation der Wirklichkeit.

          CDU und LINKE hätten im übrigen den meisten Umfragen nach eine Mehrheit in den ostdeutschen Bundesländern.

          Bis zu dem Moment, in dem sie ankündigen, zu koalieren. Danach nicht mehr.

          Gruss,
          Thorsten Haupts

          • Stefan Sasse 29. Juli 2023, 17:05

            Bis zu dem Moment, in dem sie ankündigen, zu koalieren. Danach nicht mehr.

            zumindest wäre das für die CDU-wählenden eine ganz schöne kröte. verratsvorwürfe, abwanderungen – mir scheint es wenig zu geben, das dergestalt eindeutig der afd helfen würde. ich denke, da wird es bei tolierung bleiben müssen, das ist für die cdu schon schlimm genug. umgekehrt muss man sehen, ob die LINKE bereit wäre, ein CDU-FDP-minderheitskabinett zu tolerieren…..

            • Ralf 29. Juli 2023, 17:46

              Ich halte das für ein Gerücht. Österreich ist für genau das der Testfall gewesen. Und am Anfang waren sowohl ÖVP- als auch Grüne-Klientel entsetzt. Letzten Endes haben sich alle eingekriegt. Die ÖVP hat gute Chancen nach der nächsten Nationalratswahl eine schwarz-rote Koalition anzuführen. Und die Grünen haben zwar nichts hinzugewonnen, sind aber auch nicht massiv eingebrochen. Zugegeben – im Augenblick ist die FPÖ extrem stark. Aber das hat nichts mit der schwarz-grünen Regierungskoalition zu tun, da der Aufstieg der Faschisten zeitlich klar entkoppelt war. Triebkraft für die FPÖ war Covid und die Inflation.

              • Stefan Sasse 29. Juli 2023, 20:45

                War ja auch ein wichtiger punkt im podcast: die afd profitiert massiv von krisenwahrnehmungen.

  • Matthias Klagges 29. Juli 2023, 16:44

    Dem doch sehr versöhnlichen, positiven Abschluss („habitueller Optimismus“) kann ich mich nach der Lektüre von Wilhelm Heitmeyer: Autoritäre Versuchungen. Signaturen der Berdrohung I. Berlin 2017 (über Ursachen, Entwicklung des autoritären Nationalradikalismus (= AfD) bis 2017 und die „Zukünfte“) nicht anschließen.

  • cimourdain 31. Juli 2023, 10:49

    Bemerkenswert analytische Diskussion, leider auch bemerkenswert, dass sich Marcel am Anfang mehrere Minuten rechtfertigt, dass er keine(!) vorgefertigten Handlungsanweisungen liefert, sondern „nur“ Zustandsbetrachtungen.

    Auch dass man die AfD nicht als homogenen Block betrachtet, sondern sowohl ihre Sympathisanten als auch die Funktionäre unterschiedliche ideologische Grundlagen haben (was zur Folge hat, dass auch der Umgang differenziert sein muss), sollte eigentlich eine Binse sein.

    Was allerdings in meinen Augen zu wenig beleuchtet wird, ist die Frage, was eine policy gegenüber der AfD mit den anderen Parteien und mit der Gesamtgesellschaft machen würde. Zwei Beispiele, was ich meine:
    – Bei der ÖVP hat die Zusammenarbeit mit der FPÖ wohl eine Verschiebung der eigenen Orientierung nach rechts bewirkt. Würde das auch der CDU passieren?
    – hätten repressive Maßnahmen gegen ‚rechts‘ a la Radikalenerlass eine Gegenradikalisierung zur Folge?
    Ich fürchte, dieses Thema ist von vielen Richtungen her nicht ausdiskutiert.

    • Thorsten Haupts 31. Juli 2023, 11:34

      Das „nicht ausdiskutiert“ liegt in der Natur der Sache. Ein nicht geringer Prozentsatz auch der deutschen Nicht-AfD-Wähler (mich eingeschlossen) betrachtet viele Positionen der AfD (Nationalismus, Migrationsfeindlichkeit, Genderfeindlichkeit, EU-Feindschaft) als im Zweifel zwar radikal, aber zulässig/legitim. Für viele andere (hier im Blog exemplarisch Ralf und Stefan S) ist damit die Grenze zu den „Nazis“ längst überschritten.

      Für die zweite genannte Gruppe verbleibt damit ausschliesslich ewige Ausgrenzung als einzige Option, jede Diskussion über eine andere Politik gegenüber „Nazis“ ist zwangsläufig bereits eine Unterstützung dieser „Nazis“.

      Diese Positionen sind ihrer Natur nach unvereinbar und damit auch nicht seriös diskutierbar. Da sich beide genannte Grossgruppen die Voraussetzungen/Axiome ihrer Argumente selten explizit klarmachen, reden sie in der Öffentlichkeit auch konsequent aneinander vorbei.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      • Stefan Sasse 31. Juli 2023, 19:35

        Für viele andere (hier im Blog exemplarisch Ralf und Stefan S) ist damit die Grenze zu den „Nazis“ längst überschritten.

        Das ist schlicht nicht wahr! ich sage explizit dasselbe wie du. EXPLIZIT. Das ist so unehrlich, mir kommt das kotzen.

        • Thorsten Haupts 31. Juli 2023, 20:15

          Dann habe ich Dich wirklich falsch verstanden, sorry dafür. Das war kein geplanter Tiefschlag oder so.

          • Stefan Sasse 1. August 2023, 09:48

            ich habe jetzt wirklich schon oft gesagt, in den kommentaren wie auch im podcast, dass die partei zu verbieten nicht funktionieren kann weil sie nicht als ganzes verfassungsfeindlich ist, sondern nur teile wie der höckeflügel. ich würde ja auch nie für die option einer cdu-afd-regierung optieren, wenn ich die für allesamt nazis hielte. es sind rechtsradikale, und sie sind super eklig und anathema zu allem, an was ich glaube, und ich bin überzeugt, dass sie schlecht für deutschland generell und sehr, sehr schlecht für meinesgleichen wären. aber nazis? nope.

      • cimourdain 1. August 2023, 08:39

        Sie sprechen etwas wichtiges an: Wer „Nazis“ sagt, der kommt aus dem moralischen Schwarz-Weiss Modus nicht mehr raus.

        Deshalb bitte einfach anschauen, was die historische NS-Ideologie war: Antisemitismus, Führerprinzip, völkischer Nationalismus, Sozialdarwinismus, Militarismus etc.. . Das sind andere Kaliber als die diskutierten Punkte.

        Für mich persönlich gilt die Faustformel: Erst wenn jemand seinen Mitmenschen aufgrund irgendeiner Gruppenzugehörigkeit das Recht auf Leben oder die grundsätzliche Menschenwürde abspricht, kann man über den Begriff „Nazi“ nachdenken.

        • Ralf 1. August 2023, 09:52

          Ich gehe mit Dir mit, dass wer “Nazi” sagt, auch “Nazi” meinen sollte. Mit Blick auf die AfD, die mittlerweile vollständig zur Höcke-Partei geworden ist, ist der Begriff angemessen. Die AfD repräsentiert die NSDAP unter neuem Namen. Hier z.B. ein gesammeltes Zitatenwerk ihres Führers:

          https://www.volksverpetzer.de/analyse/25-krasse-hoecke-zitate/#:~:text=„Und%20diese%20dämliche%20Bewältigungspolitik%2C%20die,einfach%20herauslesen%20kann%2C%20Quelle.)

          Es kann – gemessen an den eigenen Zitaten – überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass die AfD völkischem Nationalismus frönt, offenen Rassismus predigt und für den Fall der Machtergreifung Gewalt und das Ende der Demokratie ankündigt. Ich sage voraus, dass der Militarismus schnell folgen wird, wenn diese Typen erstmal an den Schalthebeln der Macht sitzen.

          Zum Abschluss vielleicht noch der Hinweis, dass auch Hitler immer wieder versucht hat sich bieder und bürgerlich zu geben, um Beamte und Bourgeoisie nicht zu verschrecken. Kader wie Himmler und Heydrich haben derweil im Hintergrund Pläne geschmiedet. Und die AfD ist eng vernetzt mit Reichsbürgern, militanten Rechtsextremen und NPD-Kadern. Die Idee, man solle diese Mischpoke erst dann als das bezeichnen, was sie ist, wenn sie wieder Konzentrationslager auf deutschem Boden errichtet, ist eine sehr schlechte. Denn dann ist es zu spät.

          • Thorsten Haupts 2. August 2023, 14:01

            Es kann – gemessen an den eigenen Zitaten – überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass die AfD völkischem Nationalismus frönt, offenen Rassismus predigt und für den Fall der Machtergreifung Gewalt und das Ende der Demokratie ankündigt.

            Doch, kann es. Den völkischen Nationalisten und Rassisten kann man mit der Zitatesammlung wohl nachweisen, den Rest eher nicht. Und das Führerprinzip in der AfD sehe ich ebenso nicht. Eklig mit Sicherheit, aber von „Nazi“ noch immer Meilen entfernt.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Stefan Pietsch 2. August 2023, 14:46

              Das ist diese linke Spinnerei, die Fakten nicht interessieren.

              Es ist gerichtlich festgestellt, dass es sowohl völkische als auch rechtsextremistische Tendenzen in der AfD gibt. Warum die AfD jedoch keine verfassungsfeindliche Partei, sondern „nur“ ein Verdachtsfall für den Verfassungsschutz ist, liegt darin begründet, dass das Verwaltungsgericht Köln dies längst nicht für die Gänze der Partei als erwiesen ansieht, sondern heftige Richtungsstreite in der Partei konzidiert.

              Wer von „bewiesen“ redet, spricht einfach Blödsinn.

            • Ralf 2. August 2023, 17:17

              Den völkischen Nationalisten und Rassisten kann man mit der Zitatesammlung wohl nachweisen, den Rest eher nicht.

              Du findest nicht, dass Zitate wie “Ja, neben dem Schutz unserer nationalen und europäischen Außengrenzen wird ein großangelegtes Remigrationsprojekt notwendig sein. Und bei dem wird man, so fürchte ich, nicht um eine Politik der ‚wohltemperierten Grausamkeit‘, wie es Peter Sloterdijk nannte, herumkommen. Das heißt, daß sich menschliche Härten und unschöne Szenen nicht immer vermeiden lassen werden” oder “Auch wenn wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen” irgendwie Gewalt ankündigen im Falle der Machtergreifung? Und das neben Drohungen gegen Journalisten und gegen das Parteiensystem?

              Ich finde das eigentlich ausgesprochen offen von Höcke. Rechtsextreme Politiker versuchen sich sonst eigentlich mehr in einem vagen Ambiguitätssprech und kündigen nicht so klar Verbrechen an. Donald Trump, beispielsweise, hat im Wahlkampf niemandem erzählt, dass er 200 Jahre US-Demokratie beenden und sich zum autokratischen Herrscher küren lassen möchte. Die österreichische FPÖ hat niemandem vor der Nationalratswahl 2017 erzählt, dass sie vorhat das eigene Land an russische Oligarchen auszuverkaufen. Die Crux ist, dass Extremisten sich meist erst deutlich als solche zeigen, wenn sie im Amt sind. Zumindest dafür muss man Höcke dankbar sein. Der ist glasklar und sehr unmissverständlich.

              • Stefan Sasse 2. August 2023, 20:42

                und dennoch wird genauso wie bei den von dir genannteren unklareren die zusammenarbeit gefordert…

                • Ralf 2. August 2023, 21:23

                  Von wem wird die Zusammenarbeit gefordert? Also abgesehen von Opportunisten in der Ost-CDU, die um jeden Preis die Macht haben wollen? Ich sehe hier keine starke Volksbewegung, die auf Zusammenarbeit drängt. Umfragen zeigen, dass selbst große Teile der AfD-Wähler ihre Stimmabgabe mehr als Protest bzw. Denkzettel betrachten, als dass das eine Aufforderung sein soll, die Nationalsozialisten an die Regierung zu bringen. Genauso war das übrigens bei der Brexit-Wahl. Sowas kann halt nur ins Auge gehen -> siehe Brexit-Wahl …

                  • Stefan Sasse 3. August 2023, 08:48

                    Es ist doch ziemlich offensichtlich. CDU-FDP-Koalitionen sind absehbar nicht mehr realistisch. Das heißt die CDU kann nur Mehrheiten und Regierungen gegen links bilden, wenn sie sich der AfD bedient.

                    • Ralf 3. August 2023, 09:47

                      Definier mal, wer dieses “links” ist, gegen den die CDU Politik machen soll. In Österreich setzt die ÖVP z.B. aggressive anti-Migrationspolitik (ist das nicht rechts?) und nationalstaatliche anti-EU-Politik – man denke an die Blockade von EU-Coronahilfen oder das Veto gegen den Beitritt Rumäniens zum Schengenraum – durch (ist das nicht rechts?). Dafür muss die ÖVP dem grünen Koalitionspartner halt Erfolge beim Klimaschutz geben. Auch in Deutschland hat eine Allianz aus Rot und Grün und Gelb – teilweise mit starken Bauchschmerzen – den neuen Internierungslagern für Migranten an den EU-Außengrenzen zugestimmt (ist das nicht rechts?). Da sollte die CDU doch Anknüpfungspunkte finden. Steuersenkungen für Reiche wären schwerer durchsetzbar. In einer CDU-SPD-Koalition müssten die Konservativen wohl mindestens steigende Investitionen in Soziales geben – die Steuersenkungen also schuldenfinanzieren. Den Grünen in einer Jamaika-Koalition müsste man wohl massive Zugeständnisse beim Ausbau der erneuerbaren Energien und beim Klimaschutz machen. Manches davon – z.B. ein Tempolimit auf Autobahnen – würde noch nichtmal etwas kosten. Dass politische Ziele in Demokratien nur über Kompromisse und Kuhhandel unter Koalitionspartnern erreichbar sind, sollte niemanden verwundern. Auch die CDU nicht. Aus moralischer Perspektive füge ich hinzu, dass es für eine Steuersenkungspolitik auch in keinster Weise eine Mehrheit in der Bevölkerung gibt. Auch unter AfD-Wâhlern nicht. Letztere wählen meist entweder aus Protest oder gegen Ausländer. Staatliche Leistungen für Bio-Deutsche sind in diesem Biotop eigentlich sehr beliebt. Ist ja kein Zufall, dass die Nationalsozialisten auch den Sozialismus im Namen tragen.

                      Im übrigen gibt es auch jenseits der FDP noch Parteien, die nicht rechtsextremistisch sind. Markus Söder regiert in Bayern z.B. mit den Freien Wählern. Das sind plumpe rechte Populisten. Aber eben keine führerfanatischen Menschenfeinde.

                    • Stefan Sasse 3. August 2023, 17:46

                      Du, du und ich sind da schlicht nicht die Adressaten. ich bin auch nicht begeistert von GroKo-Politik, aber es ist für mich völlig offensichtlich, dass dasselbe für Rechte auch gilt.

                    • Ralf 3. August 2023, 18:11

                      Klar sind wir nicht die Adressaten für die Union. Ich finde halt nur die Behauptung falsch, die CDU könne nur dann kernige rechte Politik machen, wenn sie mit der AfD koaliert. Offensichtlich stimmt das nicht. Oder macht Markus Söder in Bayern etwa linke Politik? Oder hat Volker Bouffier in Hessen etwa linke Politik gemacht? Oder hat Sebastian Kurz in Österreich etwa linke Politik gemacht? In einem Verhältniswahlrechtssystem kann eine Partei nie “durchregieren”. Man muss immer Kompromisse für den Koalitionspartner machen. Die Frage ist in der Praxis halt, ob z.B. man lieber Faschisten den Verfassungsschutz zum Umbau nach eigenen Vorstellungen überlässt (so geschehen bei der Ernennung des FPÖ-Rechtsaußen Herbert Kickl zum österreichischen Innenminister in der ersten Regierung Kurz) oder ob man lieber z.B. den Grünen beim Ausbau der erneuerbaren Energien entgegenkommt (wie gegenwärtig in der amtierenden Regierung Nehammer in Österreich). Oder halt den Sozialdemokraten z.B. mit mehr Wohnungsbau. Ein Demokrat – auch ein rechter Demokrat – sollte da nicht lange drüber nachdenken müssen.

                    • Stefan Sasse 4. August 2023, 09:17

                      ich verstehe einfach, dass es genügend leute gibt, die schon den gedanken an eine koalition mit den grünen zum kotzen finden, weil sie den kulturkampf genug verinnerlicht haben. für die leute ist das eine reale überlegung.

    • Stefan Sasse 31. Juli 2023, 19:34

      – ich wüsste nicht, wie ein solcher rutsch NICHT passieren sollte. ich meine, ist die spd in einer rot-roten oder einer rot-schwarzen regierung weiter links. policymäßig…?
      – naja, das zieht ja auch niemand in Betracht, oder?

  • Lemmy Caution 31. Juli 2023, 21:45

    Ein dermaßen starker Höcke-Flügel läd die Partei Adenauers ja wirklich nicht zu einer Koalition ein. Vielleicht ist es typisch deutsch, dann in der Radikalität zu übertreiben. Vox in Schweden, Republicanos in Chile, Partij voor de Vrijheid in den Niederlanden, Sverigedemokraterna in Schweden, Freiheitliche Partei Österreichs scheinen weniger radikal zu sein.
    Man könnte das positiv sehen, dass die dann schneller weg sind, aber es besorgt mich ziemlich.

    • Stefan Sasse 1. August 2023, 09:49

      wäre die hoffnung, nicht?

      • Lemmy Caution 1. August 2023, 11:19

        Im antiken Griechenland war die Demokratie umstrittener als in der westlichen Wahrnehmung 1945 bis 2023. Eben aus der Furcht, dass sich aufgrund der Instabilität der öffentlichen Meinung ein schlecht regierender Volkstribun durchsetzen könnte.
        Gemäss der wichtigen Latinobarometro Umfrage in Lateinamerikanischen Gesellschaften sank die Zustimmung in der Region zur Demokratie von 63% 2010 auf 48% 2023.
        Ungefähr 2009 sah ich eine Nacht mehrere dieser über 3-stündigen „Alo Presidente“ Sendungen von Hugo Chavez. Sie hatten einen hohen Unterhaltungswert, waren aber kompletter bullshit und hochgefährlich.
        Mittlerweile hat dieser Virus auch Deutschland erreicht. Nicht wenige Deutsche sind Querdenker, Putin-Versteher, Identitäre, Reichsdeutsche, etc.
        Frag mich, ob die demokratischen Kräfte auf lange Sicht den neuen Totalitären wirklich genug entgegen setzen können.

  • Thorsten Haupts 2. August 2023, 12:42

    Im antiken Griechenland war die Demokratie umstrittener als in der westlichen Wahrnehmung 1945 bis 2023. Eben aus der Furcht, dass sich aufgrund der Instabilität der öffentlichen Meinung ein schlecht regierender Volkstribun durchsetzen könnte.

    Ist ja auch faktisch passiert. Athens Niedergang begann mit Perikles, der im Kern versuchte, aus dem athenischen Stadtstaat mit militärischer Gewaltanwendung ein Imperium zu machen. Hat seiner Popularität erst Abbruch getan, als das sichtbar scheiterte.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

Leave a Comment

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.