Bohrleute 45: Und täglich grüßt das Murmeltier, mit Ariane Sophie

In den USA droht eine radikale Mehrheit der Republicans im Abgeordnetenhaus mit der Zahlungsunfähigkeit der USA, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden. Eine Mehrheit der Democrats im Senat und ein demokratischer Präsident versuchen zu verhandeln und mahnen zur Vernunft. Für viele republikanische Politiker*innen ist der Konflikt auch Teil der Arena um die Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur der Partei, die bereits am Horizont wetterleuchtet und eine weitere Radikalisierung verspricht. Ist es 2013 oder ist es 2023? Täglich grüßt das Murmeltier, und wir sind so furchtbar müde.

Shownotes:

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  • Ralf 23. Mai 2023, 23:01

    Zum Widerspruch zwischen Objektivitätsanspruch der Medien und Trump-Coverage:

    Niemand fordert, dass die Medien Donald Trump ignorieren oder seine Kandidatur verschweigen sollen. Was ich gefordert habe, ist keine Live-Veranstaltungen mit Demokratiefeinden durchzuführen, wenn diese nicht (fast) unvermeidbar sind (z.B. die etablierten Kandidaten-TV-Duelle). Was ich zudem gefordert habe ist, nicht jede Äußerung und Forderung extremistischer Kandidaten ungefiltert und skandalträchtig zu publizieren (nicht jeder Furz von Trump ist News), sondern sich auf Kernaussagen zu beschränken und diese nur in neutraler, indirekter Sprache und im Kontext der Wirklichkeit kommentiert wiederzugeben. Was ich weiter fordere ist, die Dominanz der lauten Populisten zu verwässern, indem Alternativen eine Bühne geboten wird. Im Falle der Republikaner könnte man einen Teil der Sendezeit z.B. an Nikki Haley, Asa Hutchinson und Tim Scott geben.

    Im übrigen können es sich die New York Times oder CNN absolut leisten klar auf der Seite der Demokratie zu stehen. Anders als in Deutschland geben viele US-Medien vor dem Urnengang sogar klare Wahlempfehlungen ab. Trump-Wähler lesen nämlich die New York Times nicht und schauen auch kein CNN.

    • Stefan Sasse 24. Mai 2023, 07:04

      Diese Wahlempfehlungen haben eh praktisch keine Auswirkungen. – Grundsätzlich sympathisiere ich mit deinen Forderungen. Aber die Trump-Fürze sind News und produzieren Klicks ohne Ende. Und Medien sind Unternehmen. Zu fordern, dass die das nicht senden, ist wie fordern, dass Supermärkte keine Süßigkeiten an die Kasse stellen.

      • Ralf 24. Mai 2023, 07:59

        Understood!

        Wenn das richtig ist, dann sind die privaten Medien keine idealisierte “vierte Gewalt”, die dem Gemeinwohl mit Information und Kontrolle der Regierung dienen. Stattdessen sind Medien dann einfach rein profitgeleitete Unternehmen, die mit einem Produkt handeln, das extrem gefährlich ist, weil es enorm zerstörerisches und gesellschaftsmanipulatives Potential hat.

        Da wir dennoch eine vierte Gewalt benötigen – unsere Demokratie erfordert die Kontrolle der Regierung – führt der erste Punkt in die Notwendigkeit öffentlich-rechtlicher Medien, die unabhängig von der Regierung sind, unabhängig von Profit sind und ausschließlich nach journalistischen Maßstäben und geleitet von Gemeinwohl arbeiten.

        Der zweite Punkt führt in die Schlussfolgerung private Medien entweder ganz zu eliminieren oder durch harte staatliche Regulierung in ihrem negativen Einfluss zu begrenzen. So wie man das bei anderen Unternehmen, die mit extrem gefährlichen Produkten handeln (Waffenindustrie, Zigarettenindustrie, Banken) ja auch tut.

        • Stefan Pietsch 24. Mai 2023, 08:18

          Finden Sie das? Finden Sie, dass Deutschland mit dem teuersten ÖR weltweit die besten Medien hat?

          Fast sämtliche Skandale diese Landes wie auch zuletzt wurden von privaten Medien aufgedeckt und verfolgt. Wie soll das mit einem ÖR funktionieren, der sich genau da nie einen besonders investigativen Ruf erworben hat und der sich heute Akteure leistet, die zielgerichtet Menschen zerstören?

          Auch private Medien unterliegen einem journalistischen Kodex. Und bei in Augenscheinnahme scheinen sie dem besser als der ÖR zu genügen.

          Menschen werden immer von etwas getrieben. purer Idealismus ist da längst nicht besser als Profitinteressen. Denn derjenige, der nach Gewinnstreben handelt, ist oft vorsichtiger, die Grundlagen seines Geschäfts nicht zu zerstören. Der blinde Idealismus heute, in Medien wie bei Klimaaktivisten, ist zerstörerisch für das Land.

          Ansonsten haben Sie ja nicht gerade eine konsistente Position:
          Da wir dennoch eine vierte Gewalt benötigen – unsere Demokratie erfordert die Kontrolle der Regierung (..) führt [dies] in die Schlussfolgerung private Medien entweder ganz zu eliminieren oder durch harte staatliche Regulierung in ihrem negativen Einfluss zu begrenzen.

          Weil die Notwendigkeit besteht, die Regierung zu kontrollieren, sind Medien notwendig, die von der Regierung kontrolliert sind. Irgendwie hatte ich das Konzept von Kontrolle anders verstanden.

          • Ralf 24. Mai 2023, 08:21

            Vor dem Antworten den Kommentar, auf den man antwortet, einfach mal zu lesen, ist gewöhnlich hilfreich.

            • Stefan Pietsch 24. Mai 2023, 08:59

              Das habe ich, schließlich habe ich Sie sogar wörtlich zitiert. Nur befinden Sie es anscheinend nicht für nötig Ihre wieder einmal wilden Thesen zu verteidigen.

              Jede, ausnahmslos jede Ihrere hier präsentierten Positionen steht regelmäßig im Konflikt mit dem Grundgesetz. Ihre kleine Einlassung hier gleich mit mindestens drei. Nach meiner inoffiziellen Zählung sind Sie damit unangefochtener Spitzenreiter.

              Leider kann ich Ihnen dazu nicht gratulieren.

        • Stefan Sasse 24. Mai 2023, 09:12

          Die Medien sind ja auch keine vierte Gewalt in dem Sinne, dass sie eine verfassungsmäßige Funktion ausüben. Sie haben vom GG garantierten Schutz, weil wir sie für wichtig halten, aber keine offizielle Kontrollfunktion, die man auch einfordern könnte. Der Schutz gilt, ob sie dem würdig sind oder nicht.

          Ich bin der letzte, der die ÖR abschaffen will oder dir da widersprechen würde.

          Nope. Nicht, weil es da nicht Missstände gäbe, sondern weil ich nicht sehe, wie das gigantische Missbrauchpotenzial hier einhegbar wäre. Ich sehe die Privaten in ihrer derzeitigen Form eher als die demokratischen cost of doing business, genauso wie das der Protest der Klimakleber ist.

        • Thorsten Haupts 27. Mai 2023, 19:57

          Da wir dennoch eine vierte Gewalt benötigen – unsere Demokratie erfordert die Kontrolle der Regierung …

          Wenn wir sie benötigten, stünde sie in unserer Verfassung. Die kennt aber gar keine vierte Gewalt, schon gar keine, die die Regierung kontrolliert. Zu deren Kontrolle sind Parlament und Opposition da, nicht eine „vierte Gewalt“.

          Die Forderung nach harter staatlicher Regulierung von Medien ist hingegen offen verfassungsfeindlich. Sie hebelte bei Umsetzung den gundgesetzlichen Schutz von Presse- wie von Redefreiheit aus – ebenso unvermeidbar wie endgültig.

          Ich kenne die Forderung nach staatlicher Kontrolle (ersatzweise Enteignung) privater Medien jetzt seit mehr als 40 Jahren. Sie wurde und wird ausschliesslich von linker Seite geäussert, was für mich nur beweist, wie sicher sich die Linken ihrer Kontrolle der öffentlich- rechtlichen sind. Danke für den erneuten Nachweis.

          Gruss,
          Thorsten Haupts

          • Ralf 27. Mai 2023, 20:27

            Ich bitte darum, dass wir mit diesem “Links”-, “Rechts”-Quatsch aufhören. Wenn Sie Argumente für Ihre Sicht haben, dann bringen Sie die doch.

            Im übrigen beschreibe ich mit meinen Vorschlägen im wesentlichen die BRD kurz vor Beginn der 90er Jahre, also bevor das Privatfernsehen auf der Bühne erschien und bevor das Internet existierte. Eine Zeit, in der die CDU regierte. Wir sind uns vermutlich einig, dass die BRD damals nicht im permanenten Verfassungsbruch lebte und dass Meinungs- und Redefreiheit nicht bedroht waren.

            Aber Meinungs- und Redefreiheit war ein lokales Gut. Ich konnte mit Familie, Freunden, Nachbarn und Kollegen streiten. Ich konnte mich sogar auf den Marktplatz stellen oder von Haustür zu Haustür gehen – man denke an die Zeugen Jehovas – aber “mit ganz Deutschland kommunizieren” konnte ich nicht. Dafür hätte ich ins Fernsehen gemusst und, obwohl das theoretisch möglich gewesen wäre, haben mich in der Realität Journalisten, Content-Redakteure und Editoren aus diesen Medien ausgeschlossen. Mit anderen Worten, wenn ich als “kleiner Bürger” zur besten Sendezeit in der ARD verkünden wollte, dass die Erde eine Scheibe ist oder dass unsere Politiker Reptilienmenschen sind, dann wurde mir das schlicht und ergreifend nicht ermöglicht. Ich kenne ehrlich gesagt niemanden, der das damals als Einschränkung der Meinungs- und Redefreiheit interpretiert hätte.

            Aber eben diese Brandmauern gegenüber Spinnern und Wirrköpfen, oder noch schlimmer, Verbrechern und Terroristen aller Couleur, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen noch eingezogen hatte, sind vom profitgeilen Privatfernsehen im Zeichen der Einschaltquoten eingerissen worden. Und das Internet hat diesen Verbrechern dann die Bühne fast vollständig überlassen.

            Die Folgen sehen wir überall: Verlust von Vertrauen in Staat und Medien; Wahlsiege von Extremisten; Spaltung der Gesellschaft; Anschläge und Terror; Verrohung; Gewalt.

            • Thorsten Haupts 28. Mai 2023, 22:31

              Ich bitte darum, dass wir mit diesem “Links”-, “Rechts”-Quatsch aufhören.

              Ich habe davon unabhängig zwei Argumente vorgetragen, auf eines sind Sie ja auch eingegangen. Sie können den „Links-Rechts-Quatsch“ gerne ignorieren, er begründet nur eine meiner Motive, Ihre Ideen entschieden abzulehnen.

              … dass die BRD damals nicht im permanenten Verfassungsbruch lebte …

              Ja. Aber nur deshalb, weil bis dahin die terrestrischen Sendefrequenzen begrenzt und an den ÖRR bereits vergeben waren. Heute wäre ein Verbot privater Medien verfassungsrechtlich völlig unmöglich, eine Ihnen vorschwebende „harte“ Regulierung sehr wahrscheinlich ebenso.

              Aber eben diese Brandmauern gegenüber Spinnern und Wirrköpfen …

              … existierten auch damals nicht, wenn die Medien mit den Aktivisten sympathisierten. Vieles, was damals unkorrigiert und unbestritten von der Friedens- oder der Anti-AKW-Bewegung zu besten Sendezeiten oder auf besten Druckplätzen vorgetragen wurde, hatte rein faktisch Tucker Carlson-Niveau.

              Die Folgen sehen wir überall …

              Wenn eine Demokratie mit mehrheitlich ordentlich gebildeten Bürgern Meinungs- und Redefreiheit von Spinnern oder Bösewichten nicht aushält, ist sie schlicht keine gute staatliche Organisationsform. Ich jedenfalls begehe nicht Selbstmord aus Angst vor dem Tode. Genau darauf aber laufen Ihre Ideen zur „Regulierung“ von dem hinaus, was Medien drucken oder senden dürfen.

              Gruss,
              Thorsten Haupts

              • Ralf 28. Mai 2023, 23:47

                Wenn eine Demokratie mit mehrheitlich ordentlich gebildeten Bürgern Meinungs- und Redefreiheit von Spinnern oder Bösewichten nicht aushält, ist sie schlicht keine gute staatliche Organisationsform.

                Welche alternative staatliche Organisationsform schlägst Du für Deutschland vor?

                Ich jedenfalls begehe nicht Selbstmord aus Angst vor dem Tode.

                Wenn ich mich auf Deine Analogie einlasse und mein Vorschlag der “Selbstmord” ist, dann herrschte in der BRD in den 80er Jahren – als im wesentlichen der Zustand bestand, den ich anstrebe – der Tod. Das kommt mit weit überzogen vor. In den 80ern ging es dem Land super und es herrschte Wohlstand und Freiheit allenthalben …

                Vieles, was damals unkorrigiert und unbestritten von der Friedens- oder der Anti-AKW-Bewegung zu besten Sendezeiten oder auf besten Druckplätzen vorgetragen wurde, hatte rein faktisch Tucker Carlson-Niveau.

                Sorry, aber das ist so schlicht falsch. Klar gab es immer auch Berichterstattung, die etwas stärker in die eine als in die andere Richtung tendierte. Der WDR kommunizierte wenig überraschend eher ein bisschen in SPD-Richtung, während der BR eher in Richtung CSU blinkte. Alles in einem gesunden Rahmen. Genau das ist eben auch der Vorteil von dezentralen öffentlich-rechtlichen Medien, wie ich sie fordere. Da sich politische Einflüsse, die sich begrenzen, aber nie zu 100% eliminieren lassen – übrigens auch nicht bei den Privaten – regional unterscheiden, erlauben dezentral organisierte Medien eine breite Repräsentation von Meinungen und Ideen.

                Extremistische Positionen sind aber im öffentlich-rechtlichen Fernsehen der 80er Jahre zu keinem Zeitpunkt propagiert worden. Tucker Carlson hingegen ruft offen zum Umsturz des Systems und zur Abschaffung der Demokratie auf und alliiert sich mit Gewalttätern und Mördern. Entsprechende Analogien sollte man folglich nicht anstellen, auch wenn ich verstehe, dass Du möglicherweise mit der einen oder anderen Sendung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens früher unzufrieden warst. Ging mir bei den Diskussionsformaten auf BR – aus umgekehrtem Grund – genauso.

                • Stefan Pietsch 29. Mai 2023, 10:49

                  Welche alternative staatliche Organisationsform schlägst Du für Deutschland vor?

                  Aber wieso denn? Thorsten Haupts ist doch gerade der Meinung, dass unsere Demokratie Spinner aushält. Es zeigt sich ja auch immer, Populisten sind der Eiter der freien Gesellschaft. Sie zeigen an, dass ein Problem seiner Lösung harrt. Nur sehen Sie das eben nicht, obwohl es eindeutig ist. Wo die Probleme der Mehrheitsgesellschaft angegangen werden, gehen die Zustimmungswerte für Populisten zurück. Dort, wo man versucht sie zu verkleistern, wachsen sie. In Griechenland wurde gerade gewählt, das Land befindet sich auf einem guten Entwicklungsweg, die Einkommen steigen seit einiger Zeit. Folgerichtig hatte die links-populistische Syriza mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Tsipras nur geringe Stimmenanteile.

                  Ihre Kritik richtet sich ja auch offensichtlich nicht gegen das Privatfernsehen, obwohl Sie das behaupten. Sie kritisieren die Auswüchse des Internets, während die die enorm gewachsene Seriosität der privaten Fernsehkanäle ignorieren und so tun als gäbe es heute noch den Heißen Stuhl bei RTL. Das war allerdings 1989. Ganz schön in der Zeit stehengeblieben.

                  Keine Kritik dagegen haben Sie, wenn selbst Intendanten behaupten, es sei im Grunde kein Problem, wenn Journalisten des Öffentlich-Rechtlichen in großer Mehrheit „links“ eingestellt seien. Kein Problem hatten Sie bisher, wenn sich ARD und ZDF als regierungstreue Sender geben. Kein Problem haben Sie, wenn die Gebührensender völlig an Tagesaktualität vorbeisenden. Kein Problem haben Sie, wenn mit Zwangsabgaben finanzierte Journalisten konsequent gewählter Politiker ignorieren und stattdessen solche einladen, die eigentlich in der außerparlamentarischen Opposition sind. Kein Problem haben Sie, wenn gefällige Journalisten lieber Kriminellen eine Bühne für ihr Anliegen geben.

                  Dieses Fernsehen will aber eine Mehrheit nicht. Warum sollten die Bürger dennoch zu ihrem Glück gezwungen werden?

                  Eine Haltung, die so stark in die Vergangenheit gerichtet ist, nennt man im Politischen eigentlich „reaktionär“. Das Internet wollen auch Diktatoren abschaffen und erheblich regulieren. Worin unterscheidet sich also ihre Position, wenn Freiheit und Diktatur eigentlich ein Gegensatzpaar sein sollen?

                • Stefan Pietsch 29. Mai 2023, 10:52

                  Übrigens: Die doppelte Staatsbürgerschaft fördert eher, dass hier lebende Türkisch-Stämmige ihre nationalistisch-autoritären Vorstellungen so ausleben können, dass sie selbst nicht davon betroffen sind, aber ihre Landsleute ins Gefängnis schicken können.

                  Die Möglichkeiten zur doppelten Staatsbürgerschaft erheblich einschränken wäre eine sinnvolle Maßnahme, ob Diktatoren zumindest etwas das Wasser abzugraben.

                • Thorsten Haupts 30. Mai 2023, 13:58

                  Sorry, aber das ist so schlicht falsch.

                  Nee, das ist absolut korrekt. Bsp.: Eine taktische (!) Gefechtsfeldvorschrift (!) IM Militär (!) – Air Land Battle 2000 – wurde damal von Teilen der Friedensbewegung zum Beweis für angriffskriegerische Absichten der NATO stilisiert. Zu besten Sendezeiten im Fernsehen. Das war verschwörungstheoretischer Sondermüll, passte aber zum Zeitgeist.

                  Wir werden uns da ohnehin kaum mehr einigen, aber ich weiss jetzt wenigstensm, was für Sie „neutral“ ist. Auf meine verfassungsrechtlichen Argumente gehen Sie eh nicht ein, statt dessen zeichnen Sie ein Bild aller privaten Medien als Verbrecherorganisation. Anderer, auch diametral entgegengesetzter, Meinung zu sein und das zu senden ist aber genau kein Verbrechen – und eben deshalb lässt es sich in einer freien Gesellschaft nicht verbieten. Ihre ganze Argumentation lässt sich übrigens mit nur extrem wenigem Feintuning in die fünfziger zurückverlegen und den damaligen Kultur- und Nationalkonservativen in den Mund legen. Die hatten damals nicht Recht und Sie haben heute nicht Recht. Und selbst, wenn Sie Recht hätten – die Umsetzung Ihrer Vorschläge IST der Tod freier Gesellschaften, Sie würden also verlieren, was Sie angeblich schützen wollen.

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

                  • Ralf 30. Mai 2023, 15:00

                    Bsp.: Eine taktische (!) Gefechtsfeldvorschrift (!) IM Militär (!) – Air Land Battle 2000 – wurde damal von Teilen der Friedensbewegung zum Beweis für angriffskriegerische Absichten der NATO stilisiert. […] Das war verschwörungstheoretischer Sondermüll, passte aber zum Zeitgeist.

                    Gestern hab ich im Supermarkt Orangen gekauft. Zuhause angekommen hab ich das Netz geöffnet und mich geärgert, dass zwei Orangen bereits verschimmelt waren. Sowas sollte eigentlich nicht mehr verkauft werden. Bedeutet dieses anekdotische Ereignis, dass der Supermarkt systematisch ständig verschimmeltes Obst verkauft? Nein, natürlich nicht.

                    In vielen Jahrzehnten öffentlich-rechtlichem Fernsehen wird selbstverständlich auch vieles schief gegangen sein. Es wird Berichte gegeben haben, die ungenügend recherchiert waren oder die unglücklich präsentiert waren. Das ist überhaupt nicht überraschend. Heißt das, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen systematisch verzerrend berichtet? Nein, natürlich nicht.

                    Auf meine verfassungsrechtlichen Argumente gehen Sie eh nicht ein

                    Weil ich die Argumente für falsch halte. Der Staat darf bei Gefahren regulieren. Sonst gäbe es keine Waffengesetze oder Tempolimits. Und dass Informationen in unserer heutigen Zeit enorme gesellschaftliche Gefahren bergen, steht meiner Meinung nach außer Zweifel.

                    Im übrigen würde eine harte Regulierung – und selbst die komplette Abschaltung des Internets – keine Einschränkung der Meinungs- und Redefreiheit bedeuten. Deine Meinung könntest Du nach wie vor sagen. Halt nur nicht mehr ganz Deutschland auf Knopfdruck.

                    statt dessen zeichnen Sie ein Bild aller privaten Medien als Verbrecherorganisation.

                    Nö. Überhaupt nicht.

                    Anderer, auch diametral entgegengesetzter, Meinung zu sein und das zu senden ist aber genau kein Verbrechen

                    Stimmt. Deshalb ging es ja auch nie um Meinungen. Und deshalb war mir der dezentrale Charakter meiner vorgeschlagenen Lösung so wichtig. Es geht nämlich genau darum eine Vielfalt an Meinungen zu repräsentieren.

                    Und selbst, wenn Sie Recht hätten – die Umsetzung Ihrer Vorschläge IST der Tod freier Gesellschaften,

                    Damit definierst Du das Deutschland der 80er Jahre als unfreie Todesgesellschaft. Da kann ich Dir nicht folgen. Ich hatte damals keine Sekunde lang das Gefühl in meiner Rede- und Meinungsfreiheit eingeschränkt zu sein. Aus meiner Sicht war es damals super.

                    • Thorsten Haupts 30. Mai 2023, 16:54

                      Im übrigen würde eine harte Regulierung – und selbst die komplette Abschaltung des Internets – keine Einschränkung der Meinungs- und Redefreiheit bedeuten.

                      Na prima. Damit hat Ungarn komplette Rede- und Meinungsfreiheit – nur erfährt Regierungskritisches halt nur noch der Stammtischnachbar, weil es kein Medium mit Reichweite gibt, das Orban-Regierungskritisches noch sendet oder druckt.

                      Bitte denken Sie einen Moment darüber nach, was Sie schreiben. Ich bin ziemlich sicher, das BverfG würde sich Ihrer schrägen Auffassung von „Meinungsfreiheit“ nicht anschliessen.

                      Und dass Informationen in unserer heutigen Zeit enorme gesellschaftliche Gefahren bergen, steht meiner Meinung nach außer Zweifel.

                      Die katholische Inquisition ab dem 13. Jahrhundert war 100% Ihrer Auffassung …

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Ralf 30. Mai 2023, 18:08

                      Viktor Orban und die katholische Inquisition sind nicht schlechte Player, weil sie verstanden haben, dass Information gefährlich ist, sondern weil sie gewalttätig und totalitär waren bzw. sind. Sie repräsentieren exakt die Art von Player, die wir gegenwärtig mit dem missverstandenen Freiheitsdenken im Internet züchten und kultivieren. Bestes aktuelles Beispiel hierfür ist Donald Trump, der die USA in die schwerste Systemkrise seit dem Bürgerkrieg gestürzt hat – explizit mit Hilfe von Twitter und den privaten Medien, die ihm aus Profitgier Wahlkampfcoverage im Gegenwert von mehreren Milliarden Dollar spendiert und die amerikanische Demokratie damit fast zu Grabe getragen haben.

                    • Thorsten Haupts 30. Mai 2023, 23:09

                      In dem Moment, in dem Sie einer Behörde/Institution die Macht geben, Information und Meinung zu „regulieren“, wird sie automatisch beginnen, schleichend totalitär zu werden. Das ist nämlich im Menschen – praktisch jedem Menschen – angelegt und eine Menschheitskonstante.

                      Wir werden uns da nicht mehr einigen. Sie erschreckt eine aus meiner Sicht historisch vorübergehende Entwicklung so sehr, dass Sie eines der liberalen Grundprinzipien über Bord werfen wollen. Da spiele ich nicht mit – und, soweit ich das beurteilen kann, ist dafür auch nicht ansatzweise eine politische Mehrheit in Sicht. Gut so.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 1. Juni 2023, 19:00

                      Das ist mein Hauptding auch. Ich teile ja Ralfs Kritik weitgehend, nur sehe ich nicht, wie sich das beheben ließe – unter Wahrung der freiheitlichen Ordnung.

                    • Ralf 30. Mai 2023, 23:45

                      Da widerlegt Dich die Realität. Es gibt nicht den Hauch eines Anzeichens dafür, dass die öffentlich-rechtlichen Medien totalitär geworden wären. Im Gegenteil. Sie sind jahrzehntelang ein Garant unserer stabilen Demokratie gewesen und mit ihrem Einflussverlust hat die Erosion und Zersetzung unseres Gemeinwesens begonnen.

                    • Stefan Sasse 1. Juni 2023, 19:02

                      Es ist schon ironisch, dass sie dich für überzogene Kritik an den Privaten kritisieren und dann direkt dasselbe für den ÖR machen 😀

                    • Thorsten Haupts 31. Mai 2023, 17:05

                      In den achtzigern gab es keine Regulierungsbehörde zur Unterscheidung von zulässigen und unzulässigen Meinungen. Daher widerlegt mich hier gar nichts. Mein Beitrag bezog sich auf Ihre Ideen.

                    • Ralf 31. Mai 2023, 17:43

                      Nein, das bezieht sich kein Stück auf meine Ideen. Ich habe nie eine Behörde vorgeschlagen, die zulässige von unzulässigen Meinungen unterscheidet. Meine bevorzugte Lösung ist die Abschaltung des Internets oder zumindest ein grundsätzliches Verbot sozialer Netzwerke, Foren, Blogs und anderer “Massenkommunikationsmittel”. Dafür brauchst Du keine Behörde.

                    • Thorsten Haupts 31. Mai 2023, 19:58

                      Dann habe ich sie a) missverstanden, mein Fehler. Und b) lohnt dann die Debatte nicht mehr – die Idee ist wahlweise völlig illusorisch ODER zwangsläufig totalitär. Wahrscheinlich beides.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Ralf 31. Mai 2023, 20:19

                      Ich zitiere mal aus dem Wörterbuch für “totalitär”:

                      mit diktatorischen Methoden jegliche Demokratie unterdrückend, das gesamte politische, gesellschaftliche, kulturelle Leben [nach dem Führerprinzip] sich total unterwerfend, es mit Gewalt reglementierend

                      Wie das auf eine internetfreie Gesellschaft mit starken, dezentral und plural organisierten, dem Journalismus verpflichteten, unabhängigen öffentlichen Medien zutreffen soll, bleibt unerklärt.

                    • Thorsten Haupts 31. Mai 2023, 20:46

                      Das „totalitär“ bezog sich auf „Abschaltung des Internets“. Warum das nur totalitär ginge, erarbeiten Sie sich bitte selbst.

                    • Ralf 31. Mai 2023, 21:45

                      Da brauche ich mir nichts zu erarbeiten. Gesetze werden in der BRD im Bundestag gemacht, wenn entsprechende gewählte Mehrheiten vorhanden sind.

                    • Thorsten Haupts 1. Juni 2023, 16:27

                      Okay. Viel Spass bei der Gesetzesintiative zur Abschaffung des Internets in Deutschland. Ich stelle schon mal Popcorn und Bier bereit.

                    • Stefan Sasse 1. Juni 2023, 19:09

                      Von daher ist das eh akademisch.

            • Stefan Sasse 29. Mai 2023, 17:45

              Ich fürchte, du malst das Bild von „früher“ in rosa Farben. Dazu kommt, dass das Privatfernsehen praktisch unpolitisch ist. Bislang hat in Deutschland kein Pendant zu FOX News Erfolg. Die BILD versucht das ein bisschen, Reichelt versucht es, aber Wirkung hat das bislang nicht.

              • Ralf 29. Mai 2023, 19:13

                Naja, als Gerhard Schröder verkündete, zum Regieren brauche er nur “Bild, BamS und Glotze”, hatte er von der politischen Bedeutung der BILD-Zeitung wohl eine etwas positivere Einschätzung als Du. Aber dass der Schaden, den dieses Medium in Deutschland angerichtet hat, begrenzt geblieben ist, dürfte daran liegen, dass seit den 60er Jahren das Fernsehen zum Leitmedium im Land geworden ist. Und die Nachrichten im Fernsehen waren – bis Ende der 80er Jahre – rein öffentlich-rechtlich.

                Auch anschließend haben sich die Privaten in Deutschland im Nachrichtenwesen nie durchsetzen können, was schlicht an dem Vorsprung und Prestige lag, das ARD und ZDF mit Flaggschiffen wie der Tagesschau oder dem Heute Journal hatten. RTL und SAT1 haben am Anfang eine Zeitlang probiert auf dem Gebiet zu konkurrieren (erinnert sich noch irgendwer an Peter Kloeppel?) und sind krachend gescheitert. Allerdings ist das eine Sondersituation in Deutschland, die wie gesagt durch den historischen Vorsprung der Öffentlich-Rechtlichen bedingt war. Dieser Vorsprung schrumpft aber mit jedem Jahr, in dem die Bedeutung des Fernsehens ab- und die des Internets zunimmt. Den gegenwärtigen Zustand kannst Du also nicht beliebig in die Zukunft extrapolieren.

                Anderswo sehen wir den katastrophalen Schaden, den private Medien hinterlassen bereit deutlich. In den USA übrigens nicht nur durch FOX-News, sondern auch durch Talk-Radio und Breitbart. Und seit Anfang der 2010er Jahre durch massive rechtsextreme Propaganda im Internet. Neuerdings durch Twitter. Aber auch in Europa haben wir das erlebt. Nimm z.B. die Berlusconi-Sender in Italien. Oder Feindprogramme wie Russia Today. In der Covid-Pandemie konntest Du erleben, was passiert wenn Bots und Trolle eine Gesellschaft infiltrieren, manipulieren, in die Irre führen. Die sind natürlich nicht alle politisch motiviert – obwohl das in sehr vielen Fällen wohl so ist. Manche sind halt einfach an Zerstörung, Zersetzung und Chaos interessiert. Aber das macht es ja nicht besser …

                • Stefan Pietsch 29. Mai 2023, 19:22

                  Auch wieder falsch. ARD und ZDF haben nur bei ihrer Kerngruppe, den über 50jährigen einen Vorsprung. Bei jüngeren Menschen liegen die Privaten als bevorzugte Informationsmedien vorn und konnten dies in den letzten Jahren noch ausbauen.

                  • Stefan Sasse 30. Mai 2023, 09:26

                    Ja, aber die jüngeren Menschen informieren sich über sehr unterschiedliche Dinge als ältere.

                    • Stefan Pietsch 30. Mai 2023, 11:38

                      Ich kann Menschen Informationen nicht aufzwingen. Ralf scheint das zu meinen in dem man eben Informationsquellen begrenzt und den Informationsfluss streng reglementiert. Die Menschen erfahren nur das, was sie erfahren sollen.

                • Stefan Sasse 30. Mai 2023, 09:24

                  Dass de Boulevard in Deutschland mächtig ist (und früher noch mächtiger war) steht ja außer Zweifel. Aber die BILD gibt es seit es die BRD gibt, das stützt deine These ja gerade nicht, sondern widerlegt sie eher. Und wie du schon sagst, in Deutschland haben die Privaten sich im Nachrichten- und Politiksegment nie festsetzen können. Das Fernsehen ist politisch eine von den ÖR dominierte Zone – was ja ein Grund dafür ist, dass sie von links wie rechts so erbittert bekämpft werden.

                  • Ralf 30. Mai 2023, 09:52

                    Das wiederholt ja nur, was ich oben bereits gesagt hatte. Den entscheidenden Punkt hast Du aber ausgelassen. Du leitest aus der gegenwärtigen Situation, die historisch bedingt ist und deren Rahmenbedingungen sich durch das Aufkommen des Internets derzeit drastisch ändern, ab, dass kein Handlungsbedarf besteht. Damit extrapolierst Du unseren heutigen Zustand sorglos in die Zukunft. Zeitgleich übernehmen Private das Nachrichtenwesen und neutralisieren die Hoheit der Öffentlich-Rechtlichen über Information (denke an Twitter, Facebook, Telegram im besonderen, aber auch sonstige private Player im Internet außerhalb der sozialen Netzwerke).

          • Stefan Sasse 29. Mai 2023, 17:43

            Ich bin da inhaltlich bei dir. Die Invektiven kannst aber gerne weglassen.

  • Stefan Sasse 24. Mai 2023, 09:09

    Noch ein gutes Beispiel für unsere Diskussion:
    https://twitter.com/JeffSharlet/status/1661173949089161217

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