HINWEIS: Ich habe die Länge des Vermischten reduziert, um die Diskussion etwas mehr zu kanalisieren. Dafür erscheint es ab jetzt öfter.
Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.
Fundstücke
1) A four-day workweek pilot was so successful most firms say they won’t go back
Companies that participated could adopt different methods to “meaningfully” shorten their employees’ workweeks — from giving them one day a week off to reducing their working days in a year to average out to 32 hours per week — but had to ensure the employees still received 100 percent of their pay. At the end of the experiment, employees reported a variety of benefits related to their sleep, stress levels, personal lives and mental health, according to results published Tuesday. Companies’ revenue “stayed broadly the same” during the six-month trial, but rose 35 percent on average when compared with a similar period from previous years. Resignations decreased. […] Of the 61 companies that took part in the trial, 56 said they would continue to implement four-day workweeks after the pilot ended, 18 of which said the shift would be permanent. Two companies are extending the trial. Only three companies did not plan to carry on with any element of the four-day workweek. […] There is precedent for a large-scale change in the standard workweek: As The Washington Post has previously noted, before the Great Depression, it wasn’t uncommon for employees in the United States to work six-day weeks. The 40-hour workweek was first codified into U.S. law in 1938. The argument put forward by groups such as 4 Day Week Global is that “we’re overdue for an update.” (Annabelle Timsit, The Washington Post)
Die Studie ist natürlich nicht halb so repräsentativ, wie man sich das wünschen würde (die teilnehmenden Firmen sind klein, flexibel und digitalitätsaffin), aber das ändert wenig daran, dass die 40-Stunden-Woche und der Acht-Stunden-Tag Auslaufmodelle sind – und das nicht deswegen, weil wir alle länger arbeiten müssten. Es ist davon auszugehen, dass die Automatisierung weiter große Fortschritte und die Wirtschaft damit produktiver machen wird, weswegen die Idee vollbezahlter Arbeitszeitreduktionen bei weitem nicht so absurd ist, wie sie auf den ersten Blick scheint. Natürlich werden sich die Früchte dieser Reduzierung nicht gleichmäßig verteilen und riesige Disruptionen schaffen, aber das ist bei jedem Strukturwandel so.
2) Hinter verschlossenen Türen: Kultusminister der Länder planen neue Regeln fürs Abitur
Auf deutsche Abiturienten könnten dann rechnerisch bis zu 70 Klausuren zukommen, die Abi-Prüfungen am Ende nicht eingerechnet. Im Moment liegt die Zahl der Klausuren in vielen Bundesländern deutlich unter der neuen Rekordmarke. Im strengen Bayern sind es zum Beispiel nur 40. […] Der Abiturexperte des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes, Fritz Schäffer stört sich am Übergewicht der Klausuren. „Die Festlegung der Zahl von Klausuren, also einem Prüfungsformat, das aus dem 19. Jahrhundert stammt, ist in meinen Augen nicht das richtige Instrument, um eine Oberstufe der Zukunft zu gestalten“. Stattdessen sollte das Abitur stärker für alternative Prüfungsformate geöffnet werden, wie sie auch in der Corona-Pandemie nötig waren. Gemeint sind damit mündliche Prüfungen, Seminararbeiten, fachübergreifende Projekte und so genannte Portfolios, in denen Schüler verschiedene Kompetenznachweise lernbegleitend erbringen. Dem Chef des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger gehen die Pläne der Kultusminister indes nicht weit genug. „An die Frage, ob nicht Teile der Abiturprüfung in bestimmten Fächern komplett identisch sein müssen, um echte Vergleichbarkeit zu erreichen, hat man sich nicht rangetraut“, sagte Meidinger dem Tagesspiegel. (Christian Füller, Tagesspiegel)
3) „Russland ist ein in Auflösung befindliches Imperium“ (Interview mit Jan C. Behrends)
Ist Russland denn eine Kolonialmacht?
Selbstverständlich. Das Russische Reich war ein Imperium, schon seit dem 16. Jahrhundert, der Zeit Iwans des Schrecklichen. Es war kein Übersee-Imperium wie Frankreich oder Großbritannien, sondern eine Landmacht, ein Vielvölkerreich, und als solches hat es immer koloniale Beziehungen zu anderen Völkern unterhalten – von den Tataren über Polen oder Finnland bis hin zu den Völkern Sibiriens, Zentralasiens oder des Kaukasus. Überall dort und auch in der Ukraine ist Russland als imperiale Macht aufgetreten. Doch seit 1917 ist es ein in Auflösung befindliches Imperium.
Seit 1917? Ist das nicht ein sehr langer Zeitraum für einen Verfall?
Imperien lösen sich langsam auf, das sehen wir an den historischen Großreichen von Rom bis zum britischen Empire. Das passiert nicht mit einem Knall, sondern dauert Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte. Im Fall des russischen Imperiums haben wir es mit einem Prozess zu tun, den wir seit dem Ersten Weltkrieg beobachten können: eine langsame Ablösung der Peripherien erst von Petersburg, dann von Moskau, und darauf reagierend die Versuche, das Imperium wiederherzustellen. Einer dieser Versuche war die Sowjetunion, ein Russisches Reich unter kommunistischen Vorzeichen, das dann aber 1991 zerfallen ist. Unter Putin findet jetzt ein weiterer Versuch des Zentrums statt, die alten Beziehungen wiederherzustellen. Aber wir sehen in der Ukraine zugleich die Stärke der nationalstaatlichen Idee und die Bereitschaft der Ukrainer und Ukrainerinnen, für ihre Souveränität und gegen die Unterwerfungsversuche Moskaus zu kämpfen. (ntv)
Ich zitiere diesen Ausschnitt hauptsächlich deswegen, weil die Idee Russlands als Kolonialmacht eigentlich eine in der Forschung bereits seit Längerem anerkannte Selbstverständlichkeit ist, die sich aber in der breiten Wahrnehmung nicht durchgesetzt hat. Das liegt denke ich an zwei Gründen. Zum einen verbinden wir „Kolonialismus“ mit „Süden“ – Menschen mit brauner bis schwarzer Hautfarbe werden kolonisiert, Palmen, Feuchtigkeit, Hitze. Kokosnüsse, Bananen. Das sind die Klischees. Dazu kommt, dass wir „Kolonialismus“ als „weit weg“ definieren. Man muss mit dem Schiff hinfahren. Darüber übersehen wir Kolonisierung im Norden, wie Russland sie etwa in Sibirien oder auch die USA und Kanada auf dem nordamerikanischen Kontinent betrieben haben. Das war immer direkt angrenzend, aber nicht weniger eine koloniale Landnahme als Deutsch-Südwest.
4) Der Unersetzliche wirkt ratlos
Lindner ist zweifelsohne einer der besten Vorsitzenden, den die Liberalen je hatten, wenn nicht der beste. Er ist bis in die Haarspitzen politisch, er denkt strategisch, kann aus dem Stand glänzende Reden halten, hat eine starke Fernsehpräsenz, beherrscht aber auch das parlamentarische Parkett, verfügt über ein stabiles bis strotzendes Selbstbewusstsein, außerdem über die Fähigkeiten eines Stand-up-Comedians, kann aber auch ernst sein, ja pathetisch; Lindner ist, kurzum, ein politisches Ausnahmetalent. […] In der Abhängigkeit von einer Person verbirgt sich allerdings auch die Tragödie der FDP, die gerade wieder virulent wird. […] Der Erste, der die verlorene Funktion der FDP im Parteiensystem durch sein eigenes Charisma ausglich, war Guido Westerwelle, Parteivorsitzender von 2001 bis 2011. Er verfügte über ähnliche Fähigkeiten wie heute Christian Lindner, verschliss sich dann aber im Regieren, weil seine großen, großen Worte aus der Oppositionszeit ihm hinterherliefen wie ein Rudel bissiger Dackel. […] Das Problem, das Lindner heute hat – und jeder Schnupfen von ihm ist eine Grippe der FDP – ist von anderer Art. Es geht nicht mehr um die Funktion der FDP im Parteiensystem, sondern im Jahrhundert. Passt die Partei des 19. Jahrhunderts ins 21.? Wie vertragen sich die antietatistischen Reflexe der Partei mit dem durch die multiplen Krisen bedingten Neo-Etatismus aller realistischen Regierungspolitik? Was fängt die FDP damit an, dass das Jahrhundertthema Ökologie Spurenelemente von Verzicht enthalten könnte, dass die Klimakrise sich beißt mit dem individualistischen Anspruchsdenken von Besserverdienenden, die besonders gern FDP wählen und besonders viel CO₂ emittieren? Wie mimt man die Stimme der bürgerlichen Vernunft in einer immer erregteren Öffentlichkeit? […] An den Personen kann man es erkennen, die Ursache für die Fehlaufstellung der FDP sind sie aber nicht. Der wichtigste Grund für den relativen Misserfolg der Liberalen liegt darin, dass sie sich bisher einigen zugleich fundamentalen und drängenden Fragen nicht stellen: Was bedeutet es für eine FDP, dass sich die Kräfteverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt strukturell und drastisch zugunsten der Arbeitnehmer verschieben, dass Arbeitskräfte knapp werden und Zielkonflikte sich verschärfen? Wie kann der Begriff der Freiheit dematerialisiert werden, also mit weniger Zerstörung auskommen? Was soll passieren, wenn unübersehbar wird, dass die technischen Innovationen allein nicht ausreichen, um die Klimaziele einzuhalten? Wie geht man damit um, dass es in den kommenden Jahren absehbar wenig reales Wachstum geben wird, man also irgendjemand etwas wegnehmen muss, um die Armen in den Krisen zu stabilisieren und den Staat in den Stand zu setzen, ebendiese Krisen zu bewältigen? Wie lässt sich Begeisterung für die ökologische Revolution entfachen, ohne dass dabei in jedem Fall ein materielles Mehr versprochen werden kann? Wie können Menschen, die FDP wählen, motiviert werden, viel und gut zu arbeiten, wenn sie dafür nicht mehr so sehr mit wachsendem materiellem Konsum belohnt werden können? (Bernd Ulrich, ZEIT)
Der Artikel ist insgesamt sehr empfehlenswert; ich habe an der Stelle nur einige mir besonders wichtige Punkte herausgegriffen.
Punkt 1: Lindners politisches Talent und die relativ dünne Bank hinter ihm. Stimme ich völlig zu, in beiden Punkten, und würde noch die Ironie anmerken, dass die FDP damit das Problem der Merkel-CDU reproduziert hat. Eine treibende Führungspersönlichkeit, deren Image von dem der Partei weitgehend entkoppelt ist, ohne Plan für ein „Danach“.
Punkt 2: Die Partei wird von ihrer Oppositionszeit verfolgt. Man merkt ihr einfach an, dass sie schon lange nicht mehr an der Regierung war (anders als den Grünen, faszinierenderweise). Und die Instinkte sind da einfach falsch. Angesichts dieser Erscheinungen stimme ich mittlerweile zu, dass Lindners Entscheidung gegen Jamaika 2017 wohl richtig war.
Punkt 3: Das Image der digitalen Partei und des Hippen, Neuen, das nicht unerheblich zu dem Erfolg der Partei bei den Jungwählenden beigetragen haben dürfte, ist genau das, ein Image. Bisher liefert die Partei da nichts. Mir wäre auch aus NRW nicht bekannt, dass besondere Initiativen wären, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.
Punkt 4: Die Partei tut sich schwer, selbst offensichtliche Erfolge zu nutzen. Das Mysterium Volker Wissing fällt da besonders auf, der weder das 9-Euro- noch nun das 49-Euro-Ticket irgendwie verbucht bekommt, obwohl beides populäre Erfolgsstories sind.
Punkt 5: Die Konzeptionslosigkeit. Die ist natürlich nicht gerade exklusiv FDP, um es mal milde auszudrücken, aber die Partei hat sich ihre Latte halt durch ihren Image-Wandel und die Wahlkämpfe selbst ziemlich hoch gelegt und kriecht dann auch noch drauf zu. Die Oppositionsreflexe haben das lange überdeckt, aber an der Regierung zeigt sich halt schnell, wie viel Kleider der Kaiser anhat (ich sag nur: Baerbock und feministische Außenpolitik).
5) Heeding the Warning from the Future
Weill calls conspiracy theories “warnings from the future.” We laugh at flat earthism or the stipulation of lizard people just as many nineteenth-century Germans mocked spiritualism, theosophy, and World Ice Theory. But it bears remembering that these esoteric views formed a good part of the intellectual scaffolding on which an overarching antisemitic “Volk theory” grew and which helped lead the world into catastrophe. We may not be on a similar path, but lest anyone feels too comfortable, we did just elect (or re-elect) a non-trivial number of QAnon and QAnon-adjacent members to Congress, as well as a whole host of cynical pols willing to use whatever passions are at hand to secure power. The long-term lesson of conspiracy is that the convergence of social forces under extraordinary economic and social pressures can split the atom of esoteric theories and lead to critical chain reactions. If you don’t believe me, consider those who have suffered through post–World War II pogroms—the Rwandan Tutsis massacred in 1994, for instance, or the southern European communities ravaged in the 1992-95 Bosnian war. It doesn’t take a lot of imagination to envision an unscrupulous politician in this country welding a majority out of conspiracists and a beleaguered suburban middle class by focusing public anger on an imaginary “other.” Teachers, university professors, drag queens, and “pedophiles” come to mind as such a figure’s potential targets. It has happened before, and it can happen again. (Brent Orell, The Bulwark)
Michael Butter hat in seinem Buch „Nichts ist so, wie es scheint“ (hier besprochen) die Dynamiken von Verschwörungstheorien und ihre Funktionsweise detailliert analysiert und erforscht. Ich finde den hier genannten Punkt relevant, dass die Albernheit von Verschwörungstheorien, dieses darüber Lachen, besonders wichtig ist in dem Zusammenhang. Denn dass der Kram lächerlich ist ändert ja nichts daran, dass er von teilweise sehr gefährlichen Leuten geglaubt wird. Die Reichsbürger glauben an völlig absurden Mist, aber ihre Todeslisten sind sehr real. Wer sich mit der Ideologie des Nationalsozialismus beschäftigt, kommt aus dem Kopfkratzen kaum heraus, aber trotzdem betrieben die Todeslager. Der Wikinger der 1/6 Riots in den USA sieht albern aus, aber hätte er Alexandria Ocasio-Cortez in die Finger bekommen, hätte das üble Folgen haben können. Verschwörungstheorien sind unglaublich gefährlich.
Resterampe
a) Immer mehr Eltern missachten die Grundschulempfehlung ihrer Kinder; das betrifft aber wesentlich mehr die Realschule als das Gymnasium. Die Folgen daraus sind unklar.
b) Zahlreiche EU-Staaten verstoßen seit 2016 routinemäßig gegen Schengen. Die Crowd derjenigen, die immer die Einhaltung der Verträge in der Eurokrise beschworen haben, sind merkwürdig still.
c) Masken helfen übrigens immer noch.
d) Vermutlich korrekte Einschätzung der Untergangssorgen.
e) Aus der Reihe „Ich hatte angenommen, das ist schon längst Gesetz“.
f) Es ist echt krass, wie unpopulär abortion bans in den USA sind. Die Republicans binden sich da echt einen Mühlstein um den Hals.
g) Der Erfolg unserer Gaspolitik wird meiner Meinung nach völlig unterschätzt. Auch positiv hinsichtlich des Klimawandels.
b) Zahlreiche EU-Staaten verstoßen seit 2016 routinemäßig gegen Schengen. Die Crowd derjenigen, die immer die Einhaltung der Verträge in der Eurokrise beschworen haben, sind merkwürdig still.
Liegt daran, dass vertragsgemäßes Grenzregiment etwa an der dänisch-deutschen Grenze für den Fortbestand der Union weniger bedeutend ist als vernünftige Währungspolitik.
Aber: Ja, die EU ist ein scheinheiliger Haufen. Vertragsgemäß ist man immer dann, wenn es einem in den Kram passt.
Das stimmt natürlich schon auch.
e) Schon längst ist relativ. Bei uns konnten bis 2017 mit Zustimmung des Familiengerichts auch 16-jährige heiraten:
https://www.buzer.de/s1.htm?g=BGB+21.07.2017&a=1303
Und vor 1974 sogar noch früher (Ehefrau, mit Einwilligung der Eltern) . Der Ehemann musste in der Regel mindestens 21 sein.
Völlig richtig. Echt krass, immer wieder. Vor allem die Geschlechtsunterschiede.
Die Gleichberechtigung von Mann und Frau stand ja bloß im Grundgesetz, da schaut ohnehin niemand genau hin. Alles halb so wild.
🙁
BGB alte Fassung. Da sind die Chancen gut, dass der §1303 noch aus dem Kaiserreich stammt. Und wahrscheinlich hatte er für damals ‚progressive‘ Intention, nämlich die Versorgung schwangerer Minderjähriger – durch den Ehemann, der deswegen altersmäßig ein Standing haben sollte.
Oh gar nicht mitbekommen, dass das überhaupt hochgesetzt wurde^^ Danke.
Zu 1) … 40-Stunden-Woche und der Acht-Stunden-Tag Auslaufmodelle sind …
Sehr wahrscheinlich, nur wird es länger dauern, als Du annimmst. Ich habe dasselbe schon in den neunzigern prognostiziert, aus exakt denselben Gründen – und das ist jetzt fast 30 Jahre her. Die Studie ist für diese Einschätzung allerdings tatsächlich wertlos.
Zu 2)
Seufz …
Zu 5)
Wo soll man da anfangen? Ich fürchte, der wahrscheinlich angeborene menschliche Glaube an einfache Wirkmechanismen plus die menschliche Fähigkeit zur Selbstsuggestion machen Verschwörungstheorien unausrottbar. Eine der historisch ältesten hält sich jetzt seit 2.000 Jahren „ganz gut“ – der Antisemitismus.
Zu b)
Stimmt absolut. So ist das, wenn politischer Wille und aktuelle Gesetzeslage zu weit auseinanderklaffen, aber niemand sich aus Gründen medialer Wirkung die Dinger daran verbrennen will, die Gesetzeslage dem politischen Willen anzupassen (EU-Flüchtlingsrecht).
Zu e)
Mit 16 ist man nach deutschem Recht sexuell selbstbestimmt und noch vor ziemlich kurzer Zeit trat ein erheblicher Teil der Jugend mit 15 in den Arbeitsmarkt ein (nach abgeschlossener Hauptschule). Ob der auch in diesem Kommentar durchscheinende Wunsch nach Verlängerung der Kindheit – einer der Megatrends der Moderne – wirklich gut ist, wird irgendwann die Historie beschäftigen.
Zu f)
Hier scheint mir der Wunsch der Vater des Kommentars. Denn nicht die (Un)Popularität einer Politik entscheidet über den „Mühlstein“, sondern deren Gewicht für eine Mehrheit von Wählern. Werden die Wahlergebnisse der nächsten Jahre zeigen, aber meine Prognose bleibt, dass die Bedeutung des Themas massiv überschätzt wird.
Gruss,
Thorsten Haupts
1) Hah! Schon Keynes hat sich in der Dauer deutlich getäuscht. Ich habe keine großen Hoffnungen, dass das schnell geht. Davor sind Führungskräfte viel zu unflexibel.
5) Allerdings.
b) Jepp.
e) Das ist grundsätzlich richtig. Ich denke aber: ja.
f) Zumindest bei den Midterms hat es sie übel gekostet. Aber ja, wir werden sehen.
Ich habe keine großen Hoffnungen, dass das schnell geht. Davor sind Führungskräfte viel zu unflexibel.
Klar. Ein beliebter Reflex: Andere sollen das machen, aber sie sind zu doof/unflexibel/unwillig/knauserig usw. 🙂
Warum machst Du es nicht selbst? Gründe Deine eigene Schule und mach dort alles richtig. Aufwendig, sicher – aber möglich.
Anders gefragt: Wie schlimm findest Du das Problem noch, wenn Du selbst eine Lösung auf die Beine stellen müsstest?
Good point 😀 Aber bei Schulen ist das eh ein gewisses Problem mit den festen Stundentafeln und Stundenplänen.
Nur: ist es nicht Aufgabe von Führungskräften, die Effizienz zu erhöhen? Und wenn (dickes wenn) die 4-Tage-Woche das leistet, müssten sie sie dann nicht einführen?
Die ineffizientesten 10% der Mitarbeiter zu entlassen, erhöht ebenfalls die Effizienz. Trotzdem ist das darum nicht zwangsläufig die Aufgabe der Führungskräfte. 🙂
Wenn du die zweifelsfrei identifizieren UND ersetzen kannst…
Ich gehöre leider ziemlich sicher zu diesen 10%, darum denke ich darüber lieber nicht weiter nach. 🙂
Hehe.
1) A four-day workweek pilot was so successful most firms say they won’t go back
Es ist davon auszugehen, dass die Automatisierung weiter große Fortschritte und die Wirtschaft damit produktiver machen wird, weswegen die Idee vollbezahlter Arbeitszeitreduktionen bei weitem nicht so absurd ist, wie sie auf den ersten Blick scheint.
Zustimmung – es ist für jedes Unternehmen in erster Linie eine Kosten- und Produktivitätsfrage. Können die Mitarbeiter in 80% der Arbeitszeit 100% der Arbeitsleistung erbringen, mögen viele Chef:innen sich über die Effizienzsteigerung freuen; andere mögen denken, dass die Mitarbeiter:innen vorher faul oder bequem waren. Ist an beidem etwas dran.
Doch es passt dieser Deckel nicht auf jeden Topf: Was in der Finanzbuchhaltung oder im Marketing unter Umständen noch klappen kann, wird am Fließband nicht funktionieren; dort wird einfach weniger produziert. In meinem Fall mag das gehen, dass ich meine Aufgaben weiterhin erledige, während mir der Arbeitgeber größere Flexibilität zubilligt. Aber was macht beispielsweise ein Lehrer?
Natürlich werden sich die Früchte dieser Reduzierung nicht gleichmäßig verteilen und riesige Disruptionen schaffen, aber das ist bei jedem Strukturwandel so.
Ich bin mir sicher, dass wir (wenn es soweit ist) hier nachlesen können, wie ungerecht das alles ist 🙂
a) Immer mehr Eltern missachten die Grundschulempfehlung ihrer Kinder ; das betrifft aber wesentlich mehr die Realschule als das Gymnasium. Die Folgen daraus sind unklar.
Gymnasium ist die neue mittlere Reife, Bachelor das neue Abitur. Mittlere Reife bedeutet „nicht klug oder lernwillig genug“. Bei unter 400 Ausbildungsberufen und über 30.000 Bachelor- und Master-Studiengängen würde ich meine Kinder auch aufs Gymnasium schicken wollen.
By the way: Habe ich gemacht. Keine meiner vier Töchter hat eine Empfehlung fürs Gymnasium bekommen, aber alle haben Abitur.
g) Der Erfolg unserer Gaspolitik wird meiner Meinung nach völlig unterschätzt. Auch positiv hinsichtlich des Klimawandels.
Wie ein bekannter Mitdiskutant in dieser Runde immer wieder vorgetragen hat, wird es der technische Fortschritt schon richten 🙂
1) Zustimmung zu allem. Ja, allem 😀
a) Korrekt, aber ich würde das nicht negativ framen wollen.
Zu 1)
Es handelt sich um eine völlig andere Diskussion als die 35 Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich – Diskussion vor 40 Jahren. Wir reden hier von Wissensarbeitern, die typischerweise überhaupt keine definierte Arbeitszeit mehr haben. In dieser Art von Arbeit gibt es keine 40 Tage- Woche. Gearbeitet wird in diesem Bereich seit mindestens 15 Jahren Montag bis Freitag, wenn nötig auch abends oder am Wochenende (und die Mehrarbeit wird nicht direkt vergütet). Die Wissensarbeit hat sich entgrenzt und diese Entgrenzung hat im Zusammenspiel mit komplexen Kollaborationsprozessen zu hoher Ineffizienz der Arbeit geführt, weil der Faktor Zeit nicht mehr Mehrkosten verursacht hat.
Die neue Arbeitszeitdiskussion muss daher zunächst als Reaktion auf diese Entwicklung verstanden werden. zB die kleinen Unternehmen die den 5-Stunden Tag vereinbaren, gehen gezielt die Ineffizienzen (nutzlose Meetings, Kaffeemeschinen blabla und ähnliches an) und legen den Schwerpunkt auf fokussiertes Arbeiten in einem festen, kürzeren Keitraum. Die 4-Tage Woche ist der Versuch, die Entgrenzung durch eine Pauschalisierung wieder einzudämmen. Aber natürlich wird – wenn nötig – am jetzt längeren Wochenende doch gearbeitet.
Stimme ich dir zu. Ich meine, in meinem Beruf gibt es so was wie Wochenenden und Feierabend eh de facto nicht.
zu Punkt 4
Punkt 1: Lindners politisches Talent und die relativ dünne Bank hinter ihm.(…)
Anders als die gute Frau Merkel hat er aber nicht unliebsame Konkurrenten weggebissen (bzw. wegbefördert), sondern lässt diese gewähren. Ich finde, die FDP tun diese Flügelkämpfe nicht gut und man wundert dann schon, dass der Mann der die professionelle politische Kommunikation so gut beherrscht, die Kubickis und Schäfflers nicht besser einfängt
Punkt 2: Die Partei wird von ihrer Oppositionszeit verfolgt. (…)
Das würde ich so nicht unterschreiben. Die FDP fremdelt mit sich und der Ampel, da Sie noch keine Agenda für sich gefunden hat. Aktuell kommt sie als Dagegen-Partei daher und bekommt bei den Landtagswahlen regelmäßig die Klatsche – es fehlen die 2 bis 3 großen liberalen Projekte, die ein positives Agenda Setting erlauben würden. Das Bildungsressort würde echte Chancen bieten, aber hier kommen keine großen Würfe, sondern Klein-Klein, das versanden muss.
Punkt 3: Das Image der digitalen Partei und des Hippen, Neuen, das nicht unerheblich zu dem Erfolg der Partei bei den Jungwählenden beigetragen haben dürfte, ist genau das, ein Image.
Das wäre eigentlich ein zentrales Thema dieser Partei: Verwaltungswende in der Digitalisierung – jedoch fehlen dazu die passenden Ministerien bzw. der sogn. Digitalminister ist gefangen in seinem Kampf für e-Fuels.
Punkt 4: Die Partei tut sich schwer, selbst offensichtliche Erfolge zu nutzen. (…)
Naja, diese Erfolgsstorys werden aber von den ÖPNV Betrieben unterlaufen. Ja, Bahnfahren wird billiger – aber was die Themen Pünktlichkeit, Verfügbarkeit und Komfort angeht, werden die Lücken immer größer. Nebst der letzten Posse um den Deutschlandtakt, der nun auf 2070 verschoben wurde.
Punkt 5: Die Konzeptionslosigkeit. Die ist natürlich nicht gerade exklusiv FDP, um es mal milde auszudrücken, aber die Partei hat sich ihre Latte halt durch ihren Image-Wandel und die Wahlkämpfe selbst ziemlich hoch gelegt
Zustimmung – man fragt sich, was ist die Idee der FDP für diese Regierung und für dieses Land? Ich finde den fiskalpolitischen Kurs von Lindner nicht grundsätzlich falsch, da bei aller Krisen der Staatshaushalt nicht völlig ruiniert werden sollte, aber es fehlen konkrete Schwerpunktsetzungen bei der Bewältigung der größten Krisen dieses Landes. Hinzu kommen ungeplante Ausgaben im Verteidigungsbereich, die sämtliche mögliche Spielräume sehr arg begrenzen. Insofern wird man priorisieren müssen. Ich finde die FDP sollte für die Zukunftssicherheit eintreten: Sie sollte das Bildungsthema maximal pushen, da es die Basis für den Wohlstand Deutschlands darstellt. Das steckt so viel liberale Idee drin – es ist auch das Unterscheidungsmerkmal zu den anderen Parteien (insb. die Union), die im Zweifelsfall viel mehr Rücksicht auf die Rentner nehmen wird müssen (ähnlich wie Linke und SPD) und liberale Antworten auf die Herausforderungen der Klimakrise formulieren.
4)
Punkt 1: Er ist halt der Chef und deswegen immer verantwortlich. Merkels Konkurrenten haben sich oft genug auch selbst demontiert.
Punkt 2: Aber kommt das nicht aus der Oppositionszeit?
Punkt 3: WÄRE. Genau. Das ist das, was ich nicht verstehe. In meinen Augen verschwenden die da wahnsinnig Chancen; aber ich bin natürlich auch kein FDP-Wähler. Ich glaube ich schaue da drauf wie viele FDP-Sympathisant*innen in den 2000er Jahren auf die SPD.
Punkt 4: Schon, aber da ginge trotzdem mehr.
Punkt 5: Yes.
@ Stefan Sasse 6. März 2023, 14:06
4)Merkels Konkurrenten haben sich oft genug auch selbst demontiert.
Jaja, die Fische starben alle an Altersschwäche, als sie an dem Chemiewerk vorbeischwammen …
Du bist und bleibst ein Merkel-Boy 🙂
Quatsch. Ich finde ihre Regierungszeit katastrophal. Und natürlich hat die ihre Konkurrenz auch beseitigt. Aber das ist nicht merkelspezifisch, das ist mein Punkt.
@ Stefan Sasse 7. März 2023, 07:53
Und natürlich hat die ihre Konkurrenz auch beseitigt. Aber das ist nicht merkelspezifisch, das ist mein Punkt.
Kein Kanzler hat einen derartigem Headcount.
Außer Kohl hat natürlich auch niemand so lange regiert, aber you got a point.
@ Kning4711
Das wäre eigentlich ein zentrales Thema dieser Partei: Verwaltungswende in der Digitalisierung
Ich sehe nicht, wie man mit Verwaltungsreformen Wahlen gewinnen sollte. Darum juckt das in der FDP auch niemanden. Deutschlands Behörden sind in einem schrecklichen Zustand, aber wer würde schon eine Partei wählen, nur weil die die Verwaltungswende geschafft hat? Abgesehen davon, dass die Situation so schlimm ist, dass eine Besserung sicher Jahrzehnte dauert.
Das einzige Winnerthema in diesem Bereich ist Entbürokratisierung, und zwar für Bürger und Unternehmen wirksame Entbürokratisierung. Genau das wird aber nicht passieren, weil die meisten Bürokraten viele Formen der Bürokratie gar nicht als Bürokratie begreifen. Wie sollte z.B. eine Behörden-Taskforce Problemanalysen, geschweige denn Umsetzungsvorschläge für die Politik erarbeiten? Es ist ganz einfach unmöglich. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.
Ich denke Du kannst schon damit Wahlen gewinnen, da es für die Bürger / Unternehmen ein massives Ärgernis ist und Du es wunderbar mit KPIs unterlegen kannst.
Die Frage ist doch immer wie du es verpackst – ich denke, du kannst das entsprechend gut verpacken und verkaufen, wenn das Versprechen eingehalten wird, sprich: statt Unternehmensgründung in 30 Tagen in 72h.
Das meine ich mit “ für Bürger und Unternehmen wirksame Entbürokratisierung“. Nur mit Digitalisierung der Verwaltung as such wird man nichts reißen können.
Klar, und wie viele Leute wollen in 72h ein Unternehmen gründen? 😀
Mit diesen Zeitangaben meint man in der Regel die Dauer des formalen Prozesses, also z.B. die Anmeldung einer GmbH.
Mein Punkt ist: wie viele Leute lassen sich in ihrer Wahlentscheidung von der Dauer der Gmbh-Anmeldung beeinflussen?
Stefan, das ist ja kaum zum Aushalten.
Offensichtlich die, die das professionell machen. Und das sind jene, die im Zweifel richtig Kapital mitbringen. Zumal die Gründung einer Kapitalgesellschaft nicht in Tagen gemessen wird, sondern in Wochen bzw. eigentlich Monaten.
Aus diesem Grund hat sich längst eine eigene Branche gebildet, die das für Investoren übernimmt. Unternehmer gründen dabei selbst neue Gesellschaften, die den Mantel geben. Die heißen dann 1-2-3-GmbH, Blitz-GmbH oder Atrium GmbH. Dabei übernimmt der Unternehmer die ganzen damit verbundenen Aufwendungen, Gewerbeanmeldung, IHK, Steuer-ID, Umsatzsteuer-ID und und und.
Mein Unternehmen ist gerade in so einem Prozess. Gekauft haben wir eine Atrium Kapitalgesellschaft Ende Oktober 2022. Arbeitsfähig ist die Gesellschaft aber heute noch nicht ganz. Wenn Du in den Kalender schaust, wir haben Anfang März 2023. Bei vielen Finanzämtern braucht allein die Vergabe einer Steuer-ID Monate, weswegen wir übrigens von Verlagerungen vorläufig Abstand nehmen mussten.
Sorry Junge, das macht keinen Spaß.
@ Stefan Sasse 6. März 2023, 18:38
Klar, und wie viele Leute wollen in 72h ein Unternehmen gründen? 🙂
Das Bittere ist, dass Du solche Fragen erst meinst.
Ein Bekannter von mir (türkische Nationalität) hat sich als Reinigungsunternehmer selbstständig gemacht (die Putzleute aus unserem Büro). Der wollte nach zehn Jahren von seinem Boss ein paar Euro mehr, die er nicht bekam. Der will nur seine Aufträge, sein Räume, dort putzen, und Geld dafür zum Leben.
Der hat nun die IHK an der Hacke, viel überflüssigen Papierkram etc. bis hin zur Krankenkasse, wo man auch nicht mal eben ins Internet gehen und ein paar Kreuzchen setzen kann; ich konnte ein wenig helfen, aber auch nicht viel.
Oder nimm irgendwelche App- oder Spiele-Programmierer: Haben eine gute Idee, verstehen was vom Programmieren, und müssen sich nun mit Ämtern, Anwälten und Steuerfachleuten herumplagen.
Du findest lustig, dass man je nach Fachrichtung und Unternehmensgröße Monate braucht, um loslegen zu können? Jemand mit sozialem Einschlag (um mal den Begriff „Linker“ zu vermeiden) sollte alle Hebel in Bewegung setzen, um Unternehmensgründungen zu beschleunigen. Je schneller das geschieht, je früher die in den Geschäftsbetrieb gehen, um so eher verdienen Unternehmensgründer Geld, um so eher kann man sie besteuern.
Mir ist das Lachen über unseren Bürokratiewahnsinn schon lange vergangen.
Laienhafte Frage: Die Zwangs-Mitgliedschaft in der IHK könnte doch durch ein einfaches Gesetz abgeschafft werden. Bestrebungen dazu gab es. Die Wirtschaft hat doch das Ohr der Regierenden. Wenn das Problem so groß ist, warum lassen die Lobbyisten das liegen?
IHKs werden von „der Wirtschaft“ selbst verwaltet, nicht von Beamten. Warum schurigeln die ihre eigenen Leute? Privat immer besser als staatlich?
„Leute mit sozialem Einschlag“ wie ich verstehen das nicht.
So unglaublich das für Leute mit sozialem Einschlag vielleicht auch klingt: Die Unternehmen haben nicht das Ohr der Politik.
Es gibt natürlich immer wieder Einzelfälle, wo einzelne (in der Regel große) Unternehmen Einfluß auf Entscheidungen der Politik nehmen. Aber die Wünsche und Interesse der vielleicht 2,8 Mio. nicht so großen Unternehmen in Deutschland sind der Politik oft egal.
Die allermeisten Firmen haben keine Lobbyisten. Darum macht die Politik so oft Gaga-Politik.
Aber doch wohl ihre Verbände?
https://www.mit-bund.de/
https://www.familienunternehmer.eu/
https://www.bvmw.de/
Nur mal kurz gegoogelt. Mit CDU und FDP vernetzt, also mit Regierungsparteien über Jahrzehnte.
Einfluss auf die reale Politik? Nahe null.
Überbordende Bürokratie ist der größte Hemmschuh kleinerer und mittlerer Unternehmen und wird seit Jahrzehnten beklagt. Ändern tut sich – nichts. Weil sich kein Politik abseits von Sonntagsreden für solche Unternehmen interessiert.
Sowohl in der Union als auch in der FDP gibt es schon ein paar, die sich dafür interessieren, aber ja, das war´s dann auch schon. Grosse Bürokratien wie Konzerne und gerwerkschaften passen einfach besser zum Funktionsmechanismus der politik.
Mein Punkt ist nicht, dass das so gut wie niemand ist, sondern dass das vergleichbar zu Jungwählenden ist: eine gesellschaftlich wichtige Gruppe, die aber so klein ist, dass sie für Wahlausgänge vernachlässigbar ist.
Stimme ich zu.
@ Tim 6. März 2023, 14:50
Abgesehen davon, dass die Situation so schlimm ist, dass eine Besserung sicher Jahrzehnte dauert.
Leider wahr
Zu 4):
Linders Problem ist in der Tat, dass die moderne digitale FDP zunächst einmal ein Image hat, dass weit progressiver ist als ein erheblicher Teil der FDP Klientel. Für diese sind die Grünen ein Kulturkampffeindbild und die Abgrenzung zu grüner Regulierung ist wichtiger, als die eigentliche Redukation von Regulierung oder die Digitalisierung der Verwaltung. Es stimmt, dass von der FDP zu digitaler Verwaltung nix kommt, aber in Wahrheit könnte die FDP die egsamte Veerwaltung digitalisieren und würd etrotzdem deutlich Wahlen verlieren, weil sie mit Grünen in einer Koaltiion sitzt.
Ist das dann mehr eine grundsätzliche Grünenfeindschaft? Und was ich mich zunehmend auch frage: ist das nicht eine sehr einseitige? Weil umgekehrt gilt das ja bei Weitem nicht so.
Es ist eine im Wählermilieu begründete Abneigung gegen die Grünen, die auf vielen Faktoren beruht. Selbständige vs Beamte/öffentlicher Dienst, materielle Errungenschaften vs Postmaterialismus, freier Markt vs Gestalten durch Regeln, Zukunftsoptimismus vs Zukunftspessimismus, Technikglaube vs Naturorientierung…
Umgekehrt ist es weniger eine Feinschaft als schlicht Ahnungs- und Verständislosigkeit.
Wie gesagt, ich bin kein Grüner, deswegen kann ich da nicht autoritativ drüber sprechen. Zu meinen linken Zeiten war die FDP schon klares Feindbild, aber auch nicht so wie die SPD 😀
4) Wenn man Wähler mit populistischen Sprüchen einfängt, können die genauso schnell wieder weg sein, wenn ein anderer noch stärkere klopft.
Eine Wagenknecht-Partei hätte unter FDP-Anhängern ein größeres Potential als bei Wähler der Union, der SPD oder gar der Grünen:
https://www.focus.de/politik/deutschland/sahra-wagenknecht-umfrage_id_187231078.html
Hate darauf gewettet, wer mit diesem Take um die Ecke kommen würde, deshalb Dank dafür.
@ Stefan Sasse
Das Mysterium Andi Scheuer fällt da besonders auf, der weder das 9-Euro- noch nun das 49-Euro-Ticket irgendwie verbucht bekommt, obwohl beides populäre Erfolgsstories sind.
Was aber wahrscheinlich nur daran liegt, dass sich der Wähler überhaupt nicht für zukunftsweisende Verkehrspolitik interessiert und auch gar nicht weiß, was im Ausland so alles passiert. Billig, billig, billig – das kommt bei den Deutschen halt immer gut an.
Ich kann jeden Kritikpunkt von Christian Böttger sofort unterschreiben:
https://www.fr.de/politik/verkehrs-experte-wir-brauchen-das-49-euro-ticket-nicht-deutschlandticket-christian-boettger-zr-92115923.html
Kommt im nächsten Vermischten 😀
Klasse, freue mich drauf!
Ich habs nur verlinkt 😀 Mangels Sachkenntnis, effektiv. Wollte mehr ausdrücken „ich hab den Artikel auch schon gefunden und gelesen“. Klingt für mich soweit sinnig, wenngleich er natürlich die politische Dimension ignoriert: das 49-Euro-Ticket ist anders als die anderen Maßnahmen serh sichtbar.
4) Punkt 4: Das große „Mysterium Andi Scheuer“ ist, was der überhaupt in diesem Kommentar zu suchen hat. Meinst du nicht eher den amtierenden Verkehrsminister Volker Wissing ?
Klar. 🙁 Ich korrigiere.
Ist allerdings ein schöner Beweis für deine These^^
1) A four-day workweek pilot was so successful most firms say they won’t go back
Nun, das gab’s schon in meiner Jugend, dass sich Lehrer berufen fühlten, die Zukunft vorauszusagen. In meinem späteren Leben hatte ich jedoch immer mehr Zweifel bekommen, ob Beamte die Richtigen seien, wenn man eine Glaskugel befragen will. Anyway, wo sich bisher am meisten die 4-Tage-Woche durchgesetzt hat, ist eben der Lehrerberuf.
4) Der Unersetzliche wirkt ratlos
Beweis #789, dass Du kein Liberaler bist. Das 9-Euro-Ticket war und ist bis heute ein großes Verlangen der grünen Community. Genau aus den Gründen, warum das 9-Euro-Ticket bei Grünen so beliebt ist, kann es kein Erfolg für die FDP sein.
Bei der Sozialleistung handelt es sich um eine reine Subvention, noch dazu einer öffentlichen Leistung, die für die Gleichmacherei par excellence steht. Der Verkehrsträger ÖPNV ist nicht in der Lage, nur annähernd seine Kosten zu tragen. Umso mehr müssen alle Bürger in Haftung genommen werden, um das Verkehrsmittel auf einen Preis herunter zu subventionieren, damit es zumindest für eine Reihe von Menschen attraktiv ist.
ÖPNV ist eine uniforme Leistung des Staates und noch dazu eine miserable, die an schlimmste Zeiten des Sozialismus erinnert. Deswegen lieben es Linke. Liberale wollen sich unterscheiden, eben nicht uniform sein. Einheitspreise und Einheitsleistungen sind dem freiheitlichen Denken abhold. Umgekehrt gehen Linke beim Individualverkehr vor. Selbst wenn alle Indikatoren dagegen sprechen, werden so lange kalkulatorische Kosten aufgeschlagen, bis man bei einer Subvention ist.
Die FDP erlebte unter Westerwelle und Lindner ihre besten Wahlergebnisse. Und wie unter Westerwelle macht die Partei zu oft den Fehler, einer Mehrheit gefallen zu wollen. Doch der Liberalismus ist in Kontinentaleuropa unbeliebt, er steht für alles, weswegen Menschen seit Jahrhunderten auswandern. Hier wird Staatsliebe groß geschrieben und Gemeinschaft und Uniform. Der Liberale verachtet das alles.
Die FDP, das haben die großen Erfolge gezeigt, wird wegen ihrer Staatsskepsis gewählt. Ohne die Liberalen gäbe es hier eine allgemeine Impfpflicht, die Staatsschulden wären weiter explodiert, der Spitzensteuersatz läge bei 60%, die Steuerbelastung für alle wäre gestiegen. Aber wie ich schon zum Sondierungspapier der Ampelparteien schrieb: Nur zu verhindern ist nicht attraktiv.
Der liberale Wähler erwartet, dass seine Partei den Einfluss des Staates zurückdrängt. Auf diesem Feld war die FDP nicht erfolgreich. So viel Staatseinfluss auf das private Leben war nie in der Nachkriegszeit, Ergebnis von zwei linken Parteien, die sich längst von der Bevölkerungsmehrheit abgekoppelt hat. Dies hat man im Hans-Dietrich-Genscher-Haus inzwischen verstanden und tut endlich das, was SPD und Grüne immer befürchtet haben: Ihre Lieblingsprojekte werden gestutzt. Die Wahlen in diesem Jahr werden zeigen, ob das auf das Konto der Partei einzahlt. Die Koalitionspartner jedenfalls schäumen, aber der Kanzler lässt Lindner aus politischer Klugheit gewähren.
c) Masken helfen übrigens immer noch.
Ja, diese These ist die letzte Rückzugslinie der Befürworter staatlicher Zwangsmaßnahmen in der Pandemie. Deswegen wird sie auch gegen jede Untersuchung verteidigt.
Wer der Metastudie nicht folgen mag, hätte andere Anhaltspunkte. Im Frühjahr 2021 entschied sich die deutsche Politik gegen alle anderen europäischen Länder, die Maßnahmen gegen die Pandemie zu verstärken, wozu auch eine verschärfte Maskenpflicht gehörte. Trotzdem entwickelten sich die Infektionszahlen anders als vorausgesagt nicht in Opposition zur Benchmark Schweiz. Wir hatten hier die Diskussion, inklusive eines unsäglichen Artikels von Marc, der sich zu Beschimpfungen verstieg und letztendlich Deutschland als rückständig gegenüber allen anderen Nationen sah.
Dänemark schaffte früh die Maskenpflicht ab, erntete aber nicht mehr Kranke und Tote. 2021 warnte Lauterbach vor dem paneuropäischen Turnier EM. Das Oktoberfest 2022 brachte mehr Infektionen, die dann wieder völlig ohne Maskenpflicht abflauten. Und so lief es schon, als vermeintlich kluger Modellierer immer wieder völlig danebenlagen: die Infektionszahlen gingen zurück, noch bevor Maßnahmen greifen konnten.
Außer Theorie und Labortests gibt es keinen Beleg für den angeblich segensreichen Einfluss von Masken auf das pandemische Geschehen. Und das ist, das muss nach Corona selbst für Befürworter von staatlichen Zwangsmaßnahmen außerordentlich ernüchternd sein. Außer man betet Glaubensbekenntnisse.
1) Vier-Tage-Woche
Klar, geht es beileibe nicht überall, aber es wundert mich doch, dass es noch kein flächendeckendes Thema ist. Bei Arbeitnehmern wohlgemerkt, dass Arbeitgeber davon nicht begeistert sind (und auch Home-Office nicht feiern) – geschenkt.
Ich hatte über ein Jahr lang eine Vier-Tage-Woche (bzw 3 Monate davon waren 5 Tage, aber 1 Tag Home-Office für Restarbeiten) und bin jetzt wieder auf fünf Tagen (sogar mit fast gleicher Wochenarbeitszeit) und es fehlt mir extrem. So ein halber Freitag schlaucht einfach viel mehr (gerade bei meiner aktuellen Pendelei) als wenn man die Zeit woanders draufschlägt, oder eben wegfallen lässt.
4) Lindner und die FDP
Muss sagen, so dramatisch sehe ich das gar nicht, bzw vieles ist eh nicht so FDP-exklusiv. Und diese Fokussierung auf Lindner war ja mehr Feature als Bug und wird ähnlich wie bei der CDU vermutlich erst dann wirklich zum Problem, wenn er nicht mehr da ist.
Das größere Problem sehe ich tatsächlich eher darin, dass sich das „neue, hippe Image“ ganz erheblich mit Klientel und Programmatik beißt (hat Kning ja auch geschrieben).
Gutbürgerliche Gutverdiener mit Studienabschluss sind nun mal eher 50 als 20. Dazu wissen oder ahnen die heute 20jährigen, (war glaub ich Thema in einem letzten Vermischten), dass sie auch nicht mehr so einfach auf den Stand eines reichen, gutbürgerlichen 50jährigen kommen, es sind also nicht mal zwingend künftige „reiche Säcke“^^
Und das beißt sich nun mal an sehr, sehr vielen Stellen. Siehe auch Wissing und ÖPNV-Ticket. Das ist entweder ein ökologisches Thema (nicht Kernfeld der FDP) oder ein soziales. (schon gar nicht Thema der FDP). Von einem FDP-Verkehrsminister wird aber nun mal erwartet, für den BMW mit Verbrennungsmotor und Dienstwagenprivileg zu streiten und nicht, dass Studierende für wenig Geld durch die Gegend kommen.
Mit anderen Dingen, die eher für die Jugend sind: Start-Ups, Digitalisierung, blablubb – sehe ich ähnlich wie Tim, das sind mehr Wahlkampfschlager, als dass die Umsetzung leicht ist oder noch wen interessiert. Sprich: in der Regierung wird das gerne „vergessen“
Und die Kernklientel findet das dann auch weniger wichtig als weniger Steuern oder den Dienstwagen.
In der Regierung kann man unmöglich dauerhaft zweigleisig fahren, da bleibt zwangsläufig was liegen.
e) Ehe ab 18
Och naja, als ehe-hassende Linke wäre es mir ziemlich egal, ob die nun mit 16 oder 18 heiraten dürfen, weil die Bedeutung der Ehe so abgenommen hat^^
Aber der größere Unterschied ist ja vermutlich, dass man heute auch als unverheiratete Mutter eine ehrbare Frau ist und das Kind kein Bastard mehr und das war nun mal der häufigste Grund.
Außerdem haben patriarchale Länder noch sehr viel niedrigere Grenzen und da wollte man vermutlich gerade bzgl Familiennachzug nachregulieren.
Insofern würde ich Thorsten nicht pauschal zustimmen, dass es um eine grundsätzliche Verlängerung der Kindheit geht (was ich ok fände), sondern eher um Verschiebungen. Vieles hat sich deutlich nach hinten geschoben, man geht länger zur Schule, arbeitet dafür später, gründet später Familien etc. Andere Dinge werden Jugendlichen heute aber teils auch früher „gestattet“ bzw sie können das auch quasi unter dem elterlichen Dach meistens erkunden. Autofahren, sexuelle Selbstbestimmung, je nach Beobachtungszeitraum, ausziehen, unverheiratet mit Partner zusammenleben, etc.
Früher war es zum Beispiel vielleicht normaler, mit 16 verheiratet und schwanger zu sein, dafür war es absolut nicht ungewöhnlich mit Mann und Kind noch bei den Eltern/Schwiegereltern zu wohnen und das etliche Jahre. Da startet das Erwachsenenleben heutzutage zb eher umgekehrt.
@ Stefan Pietsch
ÖPNV ist eine uniforme Leistung des Staates und noch dazu eine miserable, die an schlimmste Zeiten des Sozialismus erinnert.
„ÖPNV“ kann man hier übrigens verlustfrei durch „Das Autobahnnetz“ ersetzen. Nur zur Erinnerung, weil wir das Thema hier schon mal hatten. 🙂
Nur zu verhindern ist nicht attraktiv.
Das ist leider wahr und wohl wirklich das zentrale Problem liberaler Parteien. Dummerweise stellen die Zwangsbeglücker die große Mehrheit. Es ist jammerschade, dass so viele Menschen sich auch im 21. Jahrhundert als Teil einer Herde betrachten.
Das Autobahnnetz ist uniform?
Ich hatte dazu ja etwas gesagt. Der Staat verausgabt weit weniger für die automobile Infrastruktur als er durch die Mineralölsteuer und die Kfz-Steuer einnimmt. Fürs Parken erhebt er einen (willkürlichen) Preis, den kein anderer Verkehrsteilnehmer entrichten muss. Und für die CO2-Emissionen erhebt er ebenfalls einen gesonderten Preis.
Dass die Herstellung von Automobilen zunehmend einer der reguliertesten Märkte ist, sei hier nur als Add-on erwähnt.
Liberale Parteien haben die Aufgabe, den Staat in seinem Wachstum zurückzudrängen. Eine kleine Partei wie die FDP kann das nicht alleine erfüllen. Außerdem gilt hier gerade zu berücksichtigen: Die FDP musste in den letzten 15 Monaten vor allem politisches Kapital für Maßnahmen aufwenden, die aufgrund der Verfassungslage eigentlich politisch kostenlos sein müssten:
– Verhinderung einer allgemeinen Impfpflicht und Abschaffung der pandemiebedingten Maßnahmen;
– Einhaltung der in der Verfassung festgelegten Schuldenbremse;
– Inflationsausgleich im Einkommensteuertarif.
Allein die Aufzählung zeigt, wie weit entfernt die linken Koalitionspartner von einer verfassungskonformen politischen Haltung sind.
Das Autobahnnetz ist uniform?
Vor allem ist es sozialistisch.
Fürs Parken erhebt er einen (willkürlichen) Preis, den kein anderer Verkehrsteilnehmer entrichten muss.
Damit hat es hoffentlich bald ein Ende. Der öffentliche Raum ist nicht dafür da, dass dort manche privates Eigentum günstig lagern können. Parkmöglichkeiten sollte es nur für Berufs- und Lieferverkehr geben. Alles andere ist Privatsache.
Ich finde es unbegreiflich, dass man darüber 2023 überhaupt diskutieren muss. Wir haben uns so sehr an die Autoschwemme gewöhnt, dass wir diesen Parkirrsinn nicht mal sehen, wenn wir direkt davor stehen.
Autobesitzer zahlen einen hohen Preis dafür, ihr Auto abstellen zu dürfen. Zur Erinnerung: die Kfz-Steuer ist an den Besitz eines Fahrzeugs gekoppelt. Und dann darf man es nicht im öffentlichen Raum abstellen? Warum dann die Steuer?
Fahrradbesitzer, Rollerbesitzer usw. brauchen keine Steuer und sonstige Abgabe zu entrichten und dürfen trotzdem ihr Gerät überall abstellen. Sie müssen selbst dann nicht zahlen, wenn sie damit andere im öffentlichen Raum behindern. Viel Spaß dabei, demnächst das Abstellen von Koffern zu verbieten. 😉
Sie haben zum Auto eine extremistische Einstellung. Das macht es nicht leicht mit Ihnen darüber zu diskutieren.
@ Stefan Pietsch
die Kfz-Steuer ist an den Besitz eines Fahrzeugs gekoppelt. Und dann darf man es nicht im öffentlichen Raum abstellen? Warum dann die Steuer?
Ganz einfach: weil die Kfz-Steuer nicht für die Finanzierung der Kfz-Infrastruktur da ist. Ich bin persönlich ja gar nicht der Meinung, dass der Staat das Recht hat, willkürlich auf irgendwelche Tatbestände Steuern zu heben, aber so ist es nun mal. Mir wäre es sehr viel lieber, die realen externen (ökologischen, gesundheitlichen und sozialen) Kosten in die Autonutzung einzupreisen, statt diesen verkorksten Umweg über diverse Willkürsteuern rund ums Auto zu gehen. Von einer vernünftigen neoliberalen Steuerung ist das aktuelle Steuermodell meilenweit entfernt. Eigentlich müssten doch gerade wir in diesem Punkt Einigkeit erzielen.
Sie haben zum Auto eine extremistische Einstellung. Das macht es nicht leicht mit Ihnen darüber zu diskutieren.
Das kann man nur sagen, wenn man > 40 Mio. Autos in Deutschland als gottgegeben empfindet. Wenn ich mir unser Straßennetz und die Belegung der Straßen mit Blech so ansehe, finde ich nur unsere aktuelle Autopolitik extremistisch. Unsere Städte sind menschenfeindlich, unsere Landnutzung draußen im Umland zerstört auch noch die letzten Lebensräume. Ich finde meine Autovision genauso extremistisch wie die gegenüber Chemotherapien. Not nice, but necessary.
Exakt.
@ Tim 7. März 2023, 11:25
Trotz viel Zustimmung zu vielen Themen kommen wir beim Auto nicht aufeinander.
Das kann man nur sagen, wenn man > 40 Mio. Autos in Deutschland als gottgegeben empfindet.
Nein. Vom Staat gewollt.
Unsere Städte sind menschenfeindlich, unsere Landnutzung draußen im Umland zerstört auch noch die letzten Lebensräume.
Wenn dem so ist, warum ziehen dann so viele in die Stadt? Bestimmt nicht, um ihre Autos dort zu parken.
Unsere Gesellschaft ist von Mobilität abhängig. Da gehört auch da Auto zu. Wenn man das nun abschaffen will, gehören FUNKTIONIERENDE Ersatzlösungen bereitgestellt. Die kann ich weit und breit nicht erkennen.
@ Stefan Sasse:
Natürlich nicht „Exakt“, bestenfalls Deine Meinung.
Das drücke ich damit aus.
@ Erwin Gabriel
Wenn dem so ist, warum ziehen dann so viele in die Stadt?
Unsere Städte sind autofreundlich und sehr viele Menschen setzen sich aus Bequemlichkeit ins Autos, selbst für kurze Strecken. Auch heute noch stehen die Belange der Autofahrer bei Verkehrsplanern ganz oben auf der Liste. Die Folge ist aber, dass die Straßen den Autos gehören und nicht Kindern und Passanten. Das meine ich mit „menschenfeindlich“.
Vielleicht hast Du mich auch ein bisschen falsch verstanden. Ich finde es ja gut, dass Menschen in die Stadt ziehen. Aus ökologischen Gründen brauchen wir noch einen sehr viel höheren Grad an Urbanisierung. Nur muss sich eben auch die Stadt ändern und wegkommen von der Droge Auto.
Die Folge ist aber, dass die Straßen den Autos gehören und nicht Kindern und Passanten. Das meine ich mit „menschenfeindlich“.
Sie übersehen dabei grosszügig, dass auch sehr viele Passanten immer mal wieder Autofahrer sind – die von Ihnen aufgemachte Trennung funktioniert deshalb einfach nicht. Genau deshalb gibt es keine breite Anti-Auto-Koalition in den Städten.
Exakt.
1) Das Pendeln ist echt der größte Teil daran, und das taucht halt in keiner Unternehmensbilanz auf.
4) Good point.
e) Guter Punkt.
@ Ariane 6. März 2023, 16:48
1) Vier-Tage-Woche
Klar, geht es beileibe nicht überall, aber es wundert mich doch, dass es noch kein flächendeckendes Thema ist. Bei Arbeitnehmern wohlgemerkt, …
Geld ohne bzw. bei geringerer Zeitbeanspruchung ist natürlich schön. Deswegen ist ja die Rente durchaus beliebt. 🙂
… dass Arbeitgeber davon nicht begeistert sind (und auch Home-Office nicht feiern) – geschenkt.
Arbeitsplätze sind meist so eingerichtet, dass es für die gewünschte Arbeitsleistung am meisten Sinn macht. Die Arbeitszeiten von Einzelhandelsverkäufer:innen orientieren sich normalerweise an den Öffnungszeiten, die von Schaffner:innen an den Abfahrtszeiten der zugeteilten Züge. Im Büro beginnt man so, dass die Kunden eine gute Erreichbarkeit erhalten, so dass die Arbeitszeiten in einer Reederei, einer Spedition oder beim Bau anders liegen als in Verlagshäusern oder in der Gastronomie. Die Bequemlichkeit der/des Einzelnen ist da sicherlich nachrangig, aber dafür werden die betreffenden Mitarbeiter auch bezahlt.
Ansonsten sehe ich gerade in der Bauindustrie den Effekt, dass viele Hochbau-Projekte in Städten gekippt werden. Hotels und Bürogebäude stehen auf Hold, weil einerseits (dank Teams, Zoom & Co) ein Teil der geschäftlichen Reisetätigkeit entfällt, andererseits mobiles Arbeiten (Home Office wird sich aufgrund bürokratischer Hürden nicht durchsetzen) für geringeren Büroflächenbedarf sorgt.
Geld ohne bzw. bei geringerer Zeitbeanspruchung ist natürlich schön. Deswegen ist ja die Rente durchaus beliebt
Ist ja kein Verbrechen, das Optimum herausholen zu wollen, dafür gibts ja Gewerkschaften bzw Arbeitgeber-Vereinigungen.
Die Arbeitszeiten von Einzelhandelsverkäufer:innen orientieren sich normalerweise an den Öffnungszeiten
Jein, auch Einzelhandelskaufleute haben eine 5-Tage-Woche, während Supermärkte sechs Tage/Woche aufhaben. Insofern finde ich das Beispiel schlechter gewählt als zb bei einer Behörde mit Publikumsverkehr, bei denen Arbeitszeit und Öffnungszeiten meist gut zusammenfallen. Es geht nicht immer und überall, aber theoretisch wäre schon ne Menge möglich, bzw ist gerade die Vier-Tage-Woche oft ein Verkaufsargument, wenn jemand dringend Leute sucht. Was dann sogar oft günstiger kommt, als den Lohn extrem hochzuschrauben.
Und klar, gerade für Büro/Kopfarbeiten bieten sich flexiblere Lösungen an, und meiner Meinung nach ist eine 4-Tage-Woche häufig (was Bürokratie/Datenschutz/etc angeht) noch einfacher umzusetzen als Home-Office.
Obwohl ich persönlich vier Tage Präsenz, ein Tag Home-Office am angenehmsten fand, weil es einfach Tätigkeiten gibt, die ich mit meiner Ausrüstung und Ruhe am besten erledigen kann (und wenn es nur die Tastaturlade ist!^^)
a) Das ist interessant: Die FDP will das Elternrecht schwächen und das von Staatsdienern stärken. Und sie hat ein Stück recht damit – die Realschullehrer sind am Verzweifeln. Ob das Liberale zum Nachdenken bringt über ihre Weltsicht?
P.S. Die „Vermischtes“-Reform ist eine gute Idee.
a) Mit Sicherheit nicht. Aber erneut, niemand orientiert sich permanent an Prinzipien. Ich sehe diese Nicht-Einsicht eher als Feature denn als Bug.
Danke für’s Feedback, ich wollte schon fragen!
4)
Pnkt 2. Nach dieser Theorie darf sich die FDP ja bis in alle Ewigkeit an keiner Regierung mehr beteiligen, weil die klassische „Funktion“ neben den ehemaligen beiden „großen Volksparteien“ einfach wech ist.
Zitat Stefan Sasse:
„stimme ich mittlerweile zu, dass Lindners Entscheidung gegen Jamaika 2017 wohl richtig war.“
Klar, ein Jamaika unter Merkel und Seehofer wäre für die FDP schon was ganz Spezielles gewesen^. Nach der Papierform traditionell betrachtet wären da FDP und Union das Liebespaar und die Grünen der lästige Dritte gewesen. Merkelistisch/seehoferianisch war das aber ganz anders und keineswegs so. Masochismus kann man wohl von keiner Partei erwarten. Aber Dreier sind natürlich generell herausfordernd. Es gibt dabei nu mal einen eigentlichen Zweier und einen lästigen Dritten, aber gegenwärtig achtet der gute Onkel Olaf schon darauf, dass die „Freunde“ von der FDP nicht gemobbt werden. Insofern anders als Merkel, eher wie Kohl.
Das Problem mit Punkt 3 haben alle Parteien, IMHO. Das hippe Gehabe bringt nicht viel, weil die fetten Wahlbrocken in der Wirklichkeit primär bei den Alten zu holen sind; das gilt auch für die FDP. Das Schnöselgehabe ändert ja nichts an der Sachlage Altherrenpartei. Die Jungen (großzügig mal bis 30 = ca. 15 % aller potenziellen Wähler:innen ) sind wahlstrategisch Kleinkram. Das ist nicht nur wegen der natürlichen Kohortenaufteilung so, sondern weil die Beteiligungsquoten sich dramatisch unterscheiden, zu Gunsten der Alten – auf die kommt es an. Ab 60 wird’s richtig interessant^. Das sind knapp 40 % und außerdem die treuen und fleißigen Wähler:innen. Schon ab immerhin 50 aufwärts ist manfrau in der deutlichen Mehrheit (gut 60 %) der Wahlvolkes.
Hauptpunkt – der hier nicht gennant wurde – ist IMHO aber der Fakt, dass der Merz der beste FDP-Chef aller Zeiten ist. Die sich daraus ergebende Kannibalisierung ist heftig; für die CDU nur Kleinkram, der dazu kommt, für die FDP aber womöglich der letzte Rest, der wegkommt.
Übrigens: Der verlinkte Autor, der Herr Ullrich, der der FDP ihre Klimalümmelei vorhält…..
“ In den Augen der FDP soll die Jahrhundertaufgabe, die ökologische Krise einigermaßen abzuwenden, ohne Verhaltensänderung der Menschen auskommen, alle Veränderung soll durch Marktanreize in Gang gesetzt und durch Technik bewerkstelligt werden; die Menschen mit ihren Gewohnheiten und Ansprüchen, die sie Freiheiten nennen, bleiben unbehelligt.“
…..ist einer derjenigen, der die superökologischen ZEIT-Leser aus den gehobenen Ständen um die weite Welt begleitet, jedenfalls begleitet hat, wenn die Herrschaften mit „ZEIT-Reisen“ klimasensibel auf den Weltmeeren rumschippern…
https://twitter.com/hwieduwilt/status/1176097320221454337
Aus der Sicht des lifestyle-linken ZEIT-Publikums ist dergleichen offenbar existentiell notwendig, jedenfalls muss soviel Spaß sein. Gehört auf gar keinen Fall zu den von Ulrich angesprochenen „Gewohnheiten und Ansprüchen“, die er eigentlich nicht unbehelligt wissen will, aber vermutlich nicht ausnahmslos^. Das läuft dann letztlich doch auf das Lindnersche Paradigma heraus, dass alles durch Zauberei „technisch“ und vom „Markt“ gelöst werden muss; niemand darf von Klimapolitik irgendwas merken, ZEIT-Mensch Ulrich schon mal gar nicht. Mal hier gucken, falls da jemand klimasensibel mitreisen will, nicht zuletzt um abends an der Bar mit Zeit-Redakteuren z.B. über die Grenzen des Wachstums zu plaudern :
https://zeitreisen.zeit.de/die-grosse-weltentdeckerreise-mit-zeit-reisen/
Diese Diskrepanz springt schon bei den Werbeanzeigen ins Auge – nur Luxuskonsum. Trotzdem stehen in den Blatt auch gute Artikel. Kann man diese Schizophrenie – oder ist es Heuchelei? – mit der Notwendigkeit entschuldigen, Geld verdienen zu müssen?
Yes!
Danke, interessante Perspektive.
1) Sorry, aber das klingt mir wieder nach einer privilegierten Debatte innerhalb der ‚verwaltenden Klasse‘. Gerade dort, wo die (besonders belastenden) Personendienstleistungen erbracht werden, ist so wenig Personal da, dass die Deckung des Grundbedarfs nur durch überlange Arbeitszeiten erreicht wird.
2) Ein Aspekt, der bei der Frage nach der ‚Effizienz‘ dieses Prüfungsformats imho zu kurz kommt, ist, dass gerade dieser veraltete(?) Modus eines unterstreicht: den Charakter eines Initiationsritus, einer symbolischen Feuerprobe, die ein junger Mensch bestehen muss, um als voll angenommen zu werden. Beobachte mal eine Familienfeier, wenn Schüler kurz vor dem Abitur stehen, wie da die Leute von ‚ihren‘ Prüfungen erzählen.
3) Spannendes Thema, allerdings sind die Begriffe Kolonialismus und Imperialismus so ausgedünnt durch eine Grauzone (Satellitenstaaten, Offshore-Stützpunkte, etc..), dass es inzwischen echt schwer ist, darüber zu reden. Zwei kurze Beobachtungen:
i) Russland und China geben (ähnlich wie damals die Sowjetunion) den peripheren Regionen weitgehende Autonomie bei Verwaltung und Gesetzgebung im Normalbetrieb. Aber wenn es Krisen gibt (etwa durch Autonomiebestrebungen), interveniert die Zentralmacht.
ii) Wären nach Ethnie aufgespaltene ‚postrussische‘ Kleinstaaten wünschenswert? Sieh dir die Konflikt- und Korruptionsherde in den postsowjetischen Staaten des Kaukasus und Zentralasiens an.
4) Ich möchte noch zwei weitere Punkte anführen:
Punkt 6: Die FDP musste im Bereich Wirtschaftspolitik ähnlich bittere Kröten schlucken wie die Grünen bei Umwelt und Energie: Umdeklarieren von Schulden zu ‚Vermögen‘; Übertünchen von Wirtschaftsproblemen mit Helikoptergeld; Inflationspolitik mit damit einhergehender ‚schleichender Enteignung‘; direkte Enteignung; etc..
Punkt 7: Im Bereich (digitale) Bürgerrechte haben die liberalen nicht nur nichts vorangebracht (außer die Innenministerin bei der Chatkontrolle einzubremsen), nein die Partei hat es auch mitzuverantworten, dass unsere Gesellschaft dank innerer Militarisierung deutlich illiberaler geworden ist.
5) Angesicht des Schadens, den ‚Verschwörungspraktiker‘ (Geheimdienste, Think-Tanks, Elitennetzwerke) anrichten, ist es für diese sehr praktisch, mit ‚Verschwörungstheorien‘ ein Feindbild zu schaffen. So können sie sich den Rücken freihalten gegenüber allzu kritischen Journalisten. Um nichts anderes geht es bei diesem Begriff von Anfang an (er wurde erst 1964 im Zuge der Untersuchung des Kennedy-Attentats populär).
b) vor lauter ‚meine Tante – deine Tante‘ übersiehst du das Gesamtbild: Aktuell (2021, aber es dürfte sich nicht sehr geändert haben) laufen ca. 80 EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, das damit in dieser Kategorie in der Spitzengruppe liegt. Eines der wichtigsten aktuell ist der mangelhafte Schutz von Whistleblowern.
g) Milde Milchmädchenrechnung. Ein Bestandteil der Gaspolitik ist das Ersetzen ‚konventionellen‘ Erdgases durch Flüssiggas, das unter Klimaaspekten ca. doppelt so teuer ist. Das frisst den positiven Effekt aus Einsparungen wieder auf.
1) Sicher, aber das ändert ja nichts an der Sache. Ich bin auch nicht eben in Sichtweite einer 4-Tage-Woche.
2) Ja 🙁
3) ii) Nein, denke nicht.
4) Punkt 6: Ja, darüber habe ich ja auch schon geschrieben.
7) „innere Militarisierung“?
5) Aha.
b) Daraus folgt?
7) Das kommunizierte Gefühl sich im Krieg zu befinden, auch gegen einen inneren Feind, dem der Staat entgegentreten muss. Beispiel : 2022 wurde ein Buchstabe wegen seines möglichen „Feindpropaganda“-Charakters verboten.
b) je nach Deutung : einfach nur schlampige Gesetzerstellung oder böswilliges Ignorieren (Jetzt ist Andi Scheuer mit seiner „Ausländermaut“ ein Musterbeispiel)
Verstehe.
Die Grundschulempfehlung verpflichtend zu machen wäre wohl der falsche Weg. Als Lehrer weiß ich doch selbst, wie wackelig manchmal der Unterschied zwischen 2 und 3 ist.
Ich kann ein definitives Beispiel sagen, wo der Mathelehrer einem Kind zwischen 2 und 3 die 2 und damit die Empfehlung verweigert hat (sonst alle Noten 2), weil der ein eigenes Kind im gleichen Alter hatte und beide Kinder auf die IGS wollten – und da ist der Lostopf für die „Guten“ dann um 1 Person kleiner.
Überhaupt wäre der Weg für mich immer noch mehr Gesamtschulen, aber das erscheint mir unrealistisch.
Korrekt. Wir wissen ja auch, wie die verbindliche Grundschulempfehlung soziale Unterschiede zementiert, deswegen wurde sie ja erst eingeführt (und abgeschafft).
Die FDP ist seit Generationen in weiten Teilen regelrecht verhasst. Selbst als sie 2013 aus dem Bundestag geflogen war, war sie zumindest in Satiresendungen noch Hauptthema. Und die werden zu weiten Teilen von „Comedians“ gemacht, die fest im links-grünen Lager verortet sind.
Vor 25 Jahren outete ich mich auf einer Straßendemo in Frankfurt City als „Liberaler“, wobei ich das nicht parteipolitisch meinte. Genau danach wurde ich von einem der Teilnehmer (ich war keiner!) gefragt, ob ich das so meine.
Du arbeitest Dich hier an Liberalen wie Poschardt und anderen ab, die von anderen wie mir nicht einmal zitiert werden. Mit anderen Worten, auch Du brauchst Deinen Knochen und sei er nur imaginärer Art.
Es gibt ein Milieu und eine Haltung, die anderen Vorschriften über ihre Lebensweise machen wollen. Und sei es, dass sie sie mit ihrer Sprache belästigen. Andernorts gilt es als streng unhöflich, in der Öffentlichkeit in einer Sprache zu kommunizieren, die von anderen nicht gesprochen und nicht verstanden wird. Anglizismen begründen ihre Nutzer oft mit der höheren Bildung (Arroganz). Gendern begründen die Nutzer mit einer angeblich universellen Ansprache, die allein nach ihrer Ansicht die bisherige Sprache nicht hergäbe. Auch lässt sich unter Arroganzgehabe subsummieren. Arroganz ist keine Eigenschaft, die Sympathie herstellt.
Und Grüne sind populärer oder wie? Welche Partei ist denn beliebt?
Die SPD.
Die Grünen haben eine sehr feste Community und einen sehr breiten Kreis von Sympathisanten. Das ist der Unterschied zur FDP. Übrigens ist das nur in Deutschland so, wo sie Chancen auf den Regierungschefposten hat.
Allerdings schaffen die Grünen es immer wieder, ihr breiteres Sympathisantenfeld zu verstören, weshalb sie dann unter den Erwartungen landen, so zuletzt bei der Bundestagswahl, in Schleswig-Holstein und in Berlin. Die FDP muss viel mehr strampeln um Menschen zu erreichen, die nicht nachts geweckt werden und buchstabieren: F.D.P.
Und die LINKE?
„Arroganz ist keine Eigenschaft, die Sympathie herstellt.“
*spiegelhinstell*
Steuern auf bestimmte Gruppen bedürfen der Begründung. Die Kfz-Steuer begründet sich unter anderem mit dem, was ich geschrieben habe.
Ich halte mit zunehmendem Alter immer weniger davon, Umweltabgaben mit vermeintlich kalkulatorischen Kosten zu begründen. Das ist zwar der theoretische Ansatz von Pigou, ließ sich im Politischen aber nicht durchhalten. Ein wesentlicher Grund, warum ich Cap&Trade bevorzuge, das ist weniger politischer Manipulation unterzogen (und wird deswegen skeptisch betrachtet).
Für Ökonomen ist eine relevante Größe die Opportunitätskosten. Ein privater Parkplatz kostet je nach Lage zwischen 20 und 200 Euro im Monat. Eine Parkgebühr von 5 Euro pro Stunde erscheint da absolut kostendeckend.
Die Mineralölsteuer sollte die (anteiligen) Infrastrukturkosten decken. Das tut sie mehr als einmal. Und nochmal: was machen Sie eigentlich mit den anderen Verkehrsteilnehmern, die ebenfalls Platz beanspruchen, für den sie keine Nutzungsgebühr zahlen? Ich halte Ihre Begründungsstruktur für falsch, denn Sie rennen damit genau in solche Löcher rein.
Sie finden 40 Pkw viel? Darin ist ein hoher Anteil gewerblicher Fahrzeuge enthalten. Ohne nachgeschaut zu haben halte ich das für einen durchschnittlichen Wert in Westeuropa und Nordamerika.
Fakt ist: in den meisten Gegenden – und nicht nur in Deutschland – ist das Auto das mit Abstand wichtigste Transportmittel, weil sich anders Verkehr nicht organisieren lässt. Schauen Sie sich die USA an oder Länder wie Chile, Uruguay, Argentinien, Spanien. Länder mit einem wichtigen Ballungsraum aber viel freier Fläche.
Stellen Sie sich mal in Madrid auf den Flughafen: dort geht – anders als in Frankfurt – ein Großteil Inlandsflüge ab: Valencia, Sevilla, Bilbao, Barcelona, Gijón. Ist das besser?
Menschen würden nicht so viel Autofahren, wenn es menschenfeindlich wäre. Eigentlich auf der Hand liegend.
@ Stefan Pietsch
Ein privater Parkplatz kostet je nach Lage zwischen 20 und 200 Euro im Monat. Eine Parkgebühr von 5 Euro pro Stunde erscheint da absolut kostendeckend.
Ich bestreite überhaupt nicht, dass einen Markt für Parkplätze gibt und künftig noch mehr geben wird. Private Anbieter werden das ausreichend abdecken. Staatswirtschaft hat dort aber nichts zu suchen.
Ihr Argument ist, den öffentlichen Raum „wieder“ auf die Menschen zu beschränken. Gegen die Schwachstellen Ihres Konzepts argumentieren Sie gar nicht erst an. Menschen mit Auto sind keine Menschen, Menschen mit Fahrrad schon? Wenn Sie Autos ausschließen, warum nicht alles andere, was mit dem Mensch verbunden ist: Roller, Koffer, Fahrrad, Wagen? Schauen Sie sich Bilder von Berlin 1920 an. Da laufen und stehen auf den Straßen keineswegs nur Menschen. Und schon im Wilden Westen banden die Cowboys ihre Pferde vor dem Saloon an. Ihr Bild von der Vergangenheit ist so idyllisch, das es irreal ist. Kutschen, Pferde, Handwagen und was es sonst noch alles gab.
Im Sommer war ich auf zwei nicht-so-touristischen Inseln Griechenlands. Autos gab es da nicht. Auf der einen gab es Mofas und Quads. Vom Lärmpegel ist das schon krass. Ach ja, und Yachten haben immer in den kleinen Häfen angelegt, so 20-40 Mio. Euro-Dinger. Ich weiß nicht, ob das wirklich Ihrer Vorstellung von Idylle im öffentlichen Raum nahekommt.
Kleiner und selten berichteter Fun-Fact: London wurde die Verkehrsapokalypse vorhergesagt. Ende des 19. (!) Jahrhunderts prä Motorisierung – aufgrund der Strassenverstopfung durch Kutschen und Lasstransporte, der Strassenverschmutzung durch Pferdeäpfel und Kuhmist und der Unmöglichkeit, auch in Zukunft dauerhaft genügend Tierfutter bereitstellen zu können. Vom damaligen Strassenlärm (Holzspeichenräder auf Kopfsteinpflaster) gar nicht zu reden.
Städte waren in der gesamten Menschheitsgeschichte überhaupt niemals Paradiese für Fussgänger und Kinder. Weiss man natürlich nur, wenn man Geschichte nicht nur als Steinbruch für schräge Argumente verwendet.
Und wer – wie ich – seit mehr als 40 Jahren täglich ÖPNV nutzt, der hat auch als Nichtautofahrer sehr viel Verständnis für Autonutzer. Es ist bis heute völlig unmöglich, ein Massentransportmittel bedarfsgerecht, komfortabel, sicher und belästigungsarm zu machen. ÖPNV benutzen ist – u.a. durch die unvermeidbare, dauerhafte Unterschreitung des von Menschen als angenehm empfundenen Mindestabstandes von ca. einem Meter. ÖPNV heisst ein genetisch verankertes, damit unvermeidbares, Unsicherheitsgefühl.
Gruss,
Thorsten Haupts
Dieses Unsicherheitsgefühl ist nicht genetisch bedingt – und ein ganzes Stück weit vermeidbar:
https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Verkehrsunfaelle/_inhalt.html#238556
Link führt auf eine allgemeine Statistikseite über Verkehrsunfälle?
Das ist ein wichtiger Punkt: man kommt eng in Kontakt mit Menschen, mit denen man nichts zu tun haben will, riecht ihren Geruch und muss häufig ihre Musik hören. Und das in verdrecktem Umfeld. Und die Bahn macht sich noch über ihre Kunden lustig.
Würde ich auch nie behaupten. Ich kenne die Geschichte. Deswegen argumentiere ich auch seltenst dafür, irgendwohin zurückzugehen. Ich bin ein Progressiver, ich will nach vorn.
c) Kevin Drum bleibt eine Frage schuldig: Warum vertraut er den Maskenstudien, die entstanden sind, als das Thema ein Politikum war (und die deswegen viel mehr ‚Störfaktoren‘ ausgesetzt waren), mehr als denen, die noch im wesentlichen akademisch motiviert waren.