Weil Larry Summers im ländlichen Amerika keine Autobahnen baut und mit Gas heizt gibt es keinen Frieden in der Ukraine – Vermischtes 08.08.2022

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Fundstücke

1) The Democrats’ Rural Problem

The nationalization of American politics and news media consumption is a big part of the Democrats’ rural problem. Perhaps the most critical step the party could take in rural areas is to return the focus to local, place-based considerations. […] Equally important, party elites need to allow rural candidates to run their way. This means giving candidates the space to build their brands in a way that comports with their districts. Moreover, the nomadic hoard of volunteers and consultants needs to adapt to rural terrain. Frequently, there is a significant cultural divide between campaign staff and volunteers—to say nothing of activists—and rural voters. But for the voters Democrats have been hemorrhaging, the issues that galvanize many progressives—climate change, identity politics, gun safety—can be downright poisonous. The issues that fire up the younger, better-educated types who often staff campaigns have, at best, an indirect effect on improving the economic standing of lower-middle-class rural voters. […] Localized campaigns offer the best hope for breaking out of the nationalization trap. Political psychology research suggests that emphasizing local issues of particular significance to voters’ districts is Democrats’ best shot at resonating with rural voters. […] And let’s not forget that this is a democratic problem, not just a Democratic one. Lacking party competition undercuts accountability in government, decreases representative quality, and reduces empathy for those who live differently. It’s not just crucial for Democrats to find a way to disrupt the density divide. It’s also vital for the well-being of the American polity. (Robert Saldin/Karl Munis, Washington Monthly)

Ich stimme der Analyse weitgehend zu. Die Democrats haben ein rural problem, und die Aktivist*innen und der DNC sind ein guter Teil davon oder zumindest genauso oft ein Hindernis wie eine Hilfe. Die aktuellen Vorgänge in Kansas, einem Staat, der das letzte Mal 1964 blau war und wo die Democrats gerade bei der Abtreibungs-Abstimmung einen großen Sieg erzielen konnten, zeigt das recht gut. Nur ist natürlich der Ansatz, lokale Kandidat*innen lokale Botschaften machen zu lassen, nicht ohne Kosten und Gefahren: der Vorteil, wenn alle Kandidat*innen bundesweit dieselbe Botschaft haben, ist eine große Einigkeit und Wiedererkennungswert. Die Republicans sind darin spitze. Message discipline haben diese Leute richtig im Griff. Je individueller die Botschaften, desto weniger ist das Gesamtprodukt erkennbar. Keine Strategie ohne Nachteil.

2) The Supreme Court’s Originalist Obsession Continues

There, five justices joined an opinion by Thomas, striking down New York’s requirement that those seeking a concealed carry show good cause. New York had this legislation in place since 1911 when William Howard Taft was president (he later became chief justice of the Supreme Court), and there was no evidence that it hasn’t been working. No Supreme Court—whether it was led by Taft, Earl Warren, or William Rehnquist—has felt any compelling need to substitute its judgment for New Yorkers and to declare that it was tyranny to ask citizens if they had a good reason for carrying a concealed weapon. […] What was the justification for Thomas’s judgment? Apparently it seemed too difficult to apply constitutional principles of what the 19th- or 18th-century societies thought about concealed guns. So Thomas abandoned originalism and bizarrely turned to 13th-century English history for a standard for carrying dangerous weapons, omitting that handguns were not developed until the 15th century. Thomas opined that history, not original understanding, will inform the Court’s decision. This is hazardous. Historians choose facts, ignore others, and assemble them selectively in ways that can be illuminating, biased, or even misleading. […] Reliance on history is a recipe for judicial crusading, not judicial restraint. Gone is the reliance on decided cases (stare decisis), the fabric of common law. We know now that the Court’s right wing is cavalier about precedent. (James D. Zirkin, Washington Monthly)

Ich sag es immer wieder: die Leute am SCOTUS sind die schlechtesten Historiker*innen der Welt. Der Artikel weist gut auf die Gefahr an der Sache hin: das Ende des common law. Für uns hier in Deutschland ist das oft nicht wirklich nachvollziehbar, aber die angelsächsische Jurisprudenz baut in einem erheblich stärkeren Maße als unsere auf Präzedenzfällen auf. Wenn nun plötzlich von Hobbyhistoriker*innen beschlossen wird, dass deren (oftmals groteske) historische Einordnungen entscheidend sind, bekommen die USA ein Rechtssystem, das wesentlich näher an religiösem Recht ist als an irgendetwas, das mit einem modernen Rechtsstaat vergleichbar wäre.

3) Why Andrew Yang’s New Third Party Is Bound to Fail

First, let’s talk about the program of the Forward Party. Writing for The Washington Post, Yang, Whitman and Jolly say that their party is a response to “divisiveness” and “extremism.” “In a system torn apart by two increasingly divided extremes,” they write, “you must reintroduce choice and competition.” The Forward Party, they say, will “reflect the moderate, common-sense majority.” If, they argue, most third parties in U.S. history failed to take off because they were “ideologically too narrow,” then theirs is primed to reach deep into the disgruntled masses, especially since, they say, “voters are calling for a new party now more than ever.” […] It is not clear that we can make a conclusion about the public’s appetite for a specific third party on the basis of its general appetite for a third party. But that’s a minor issue. The bigger problem for Yang, Whitman and Jolly is their assessment of the history of American third parties. It’s wrong. […] The biggest problem with the Forward Party, however, is that its leaders — like so many failed reformers — seem to think that you can take the conflict out of politics. “On every issue facing this nation,” they write, “we can find a reasonable approach most Americans agree on.” No, we can’t. When an issue becomes live — when it becomes salient, as political scientists put it — people disagree. The question is how to handle and structure that disagreement within the political system. Will it fuel the process of government or will it paralyze it? Something tells me that neither Yang nor his allies have the answer. (Jamelle Bouie, New York Times)

Alles, was Bouie sagt. Aber ich will noch ein paar Ergänzungen machen. Die fixe Idee, die alle paar Jahre wieder aus der Versenkung hervorgeholt wird, dass ein Potenzial für eine mittige dritte Partei existiere, ist genau das: eine fixe Idee. Die Wählenden wollen das nämlich gar nicht. Oh, sicher, in Meinungsumfragen bekommt die Option, eine dritte Partei zu haben, ständig hohe Zustimmungswerte. Allein, das ist eine abstrakte Umfrage. Wann immer eine tatsächliche dritte Partei auf den Plan tritt, sinkt sie wie eine besonders gut abgehangene Gurke. Das liegt vor allem daran, was in den letzten Jahrzehnten ständig für dritte Parteien vorgeschlagen wurden. Es ist praktisch immer der gleiche unpolitische Mist wie bei Yang (erinnert sich noch wer an Bloomberg…?). Und den wollen die Wählenden halt eben nicht.

Dem zugrunde liegt der Irrtum, dass es eine relevante Menge an „Moderaten“ gäbe. In Umfragen finden sich immer erstaunliche Zahlen für diese Gruppe; ein starkes Drittel der Amerikaner*innen rechnet sich jener Gruppe zu, genauso wie den „Independents“. Allein, wenn man die Ergebnisse genauer anschaut sieht man sofort, dass diese Leute weder indepent noch moderate sind. Ich bin auch kein Parteigänger, aber ich neige manchen Parteien wesentlich mehr zu als anderen. Genauso ist das bei praktisch allen anderen auch.

Den Mythos der Moderaten hat Ezra Klein in seinem bahnbrechenden Essay von 2015 auseinandergenommen. „Moderate“ vertreten zwar meist nicht die Parteilinien. Mittig aber sind sie nur im Aggregat. Diese Leute haben oft ziemlich extreme Positionen, sie haben sie nur nicht konsistent im Sinne einer Parteiideologie. Da gibt es Leute, die sowohl für ein Verbot von Verbrennermotoren als auch unbegrenzten Waffenzugang sind, oder Menschen, die harte Abtreibungsgegner*innen, aber dafür Fans des Wohlfahrtsstaats sind. Alles extreme Positionen, aber im Aggregat sind sie dann „mittig“. Nur, die „Mitte“ eines Bloomberg oder Yang ist für diese Leute völlig uninteressant. Und deswegen scheitern diese Parteien auch ständig. Ihre Gründer können keine Umfragen lesen. Und ihre Spender*innen auch nicht. Letzteres aber ist wenig verwunderlich.

4) „Viele werden im Winter nicht mehr jeden Raum heizen können“ (Interview mit Monika Schnitzer)

ZEIT ONLINE: Wenn die hohen Gaspreise im Winter voll durchschlagen, könnten sehr viele Menschen dennoch nicht vorbereitet sein. Was machen wir dann?

Schnitzer: Eine Möglichkeit, die gerade diskutiert wird, ist eine Kontingentierung von Energie. Das heißt, es gibt eine bestimmte Menge Gas für die Grundversorgung zu einem niedrigen Preis – für alles darüber zahlt man den tatsächlichen Marktpreis oder wenigstens einen mit der Umlage versehenen höheren Preis. Das hätte den Effekt, dass die Menschen einerseits entlastet werden – aber auch einen Anreiz haben, zu sparen. Dann werden vielleicht auch viele Wohlhabende darauf verzichten, den Pool zu heizen oder die Sauna aufzudrehen. Und wenn es einige Superreiche nicht tun und lieber horrende Gaspreise bezahlen wollen, dann sollen sie das tun, aber zumindest zur Kasse gebeten werden. […]

ZEIT ONLINE: Zentral ist ja, die Preissteigerungen wieder in den Griff zu bekommen. Auch deswegen hat die Europäische Zentralbank vergangene Woche die Zinsen erhöht. Wann wird sich die Inflation denn wieder dem Zwei-Prozent-Ziel nähern?

Schnitzer: Würde Deutschland im Herbst in eine massive Rezession rutschen, dann werden auch die Preise sinken oder zumindest nicht weiter ansteigen. Aber das ist natürlich kein Szenario, das ich mir wünsche. Vor allem die Unsicherheit über die Energieversorgung treibt derzeit die Preise. Mit jedem Schritt, mit dem wir uns unabhängiger machen vom russischem Gas, bekämpfen wir auch die Inflation. Ob das nun schon in einem oder erst in zwei oder drei Jahren passieren wird, wage ich nicht vorherzusagen – aber es handelt sich um einen überschaubaren Zeitraum. (/, ZEIT)

Mir ist völlig unklar, wie höhere Leitzinsen der EZB irgendeinen Einfluss auf die Gas- und Strompreise haben sollen. Klar, eine Rezession wird allgemein den Schnitt der Preise senken und dadurch auch die Inflation, aber das kann ja wohl nicht das Ziel der Übung sein? Oder übersehe ich da etwas Zentrales? Wie ich im Artikel zur westlichen Strategie beschrieben habe ist das unabhängig Machen von russischem Gas das sicherste Rezept, mittelfristig das Problem zu lösen. Ich bezweifle, dass kurzfristig überhaupt irgendwas möglich ist, dafür ist die Energiepolitik viel zu sehr in der Sackgasse. Das wird ein kalter Winter, in vielerlei Hinsicht.

5) The Lessons of Last Year’s Larry Summers Hatefest

There are a few lessons here that everybody could take from this episode, but that apply with special force to the left: (1) Intellectual humility can be a virtue. Some questions have fairly clear answers, but progressives have gotten overinvested in the notion that every political question has an undeniably correct answer. […] (2) Assumptions about motives are often wrong. Once you assume every position you hold is obviously correct and good, it is easy to believe that everybody who disagrees is evil or corrupt. Summers was not trying to sabotage Biden — he was trying to steer the administration away from what he genuinely believed was a risky policy choice. […] The months progressives spent persuading themselves that Manchin was simply out to protect his coal interests led them to advocate some truly stupid ideas: refuse to waste time negotiating with him, threaten him with a primary challenger, or throw him out of the party. Bad analysis led to bad strategy. (3) Credibility matters. Suppose Summers had been a good team player and swallowed his fears that the American Jobs Plan would stoke inflation. He would have become a less persuasive advocate for Biden’s social policies. His willingness to openly admit the American Jobs Plan risked an inflationary spiral gave him more credibility to argue that Build Back Better — now the Inflation Reduction Act — would reduce inflation. […] But another problem is that it ignores the role of credibility. There is a persuadable audience, and people who are willing to concede errors or excesses on one side can address that audience with more credibility. Applying more partisan will to every contest is not a superpower. (Jonathan Chait, New York Magazine)

Ich stimme Chait in seinen Schlussfolgerungen völlig zu (inwieweit Summers Recht hatte oder nicht kann nich nicht beurteilen). Allerdings: credibility ist kein Wert an sich. Wenn ich Glaubwürdigkeit dadurch gewinne, dass ich auf meiner Ansicht beharrte, obwohl die falsch war, ist das eine ziemlich teuer erworbene „Glaubwürdigkeit“ – und auch eine völlig absurde. Das kommt in meinen Augen daher, dass Menschen es völlig überbewerten, wenn jemand seinen Prinzipien treu bleibt. Prinzipientreue ist kein Wert an sich! Wenn das Prinzip entweder ganz oder für die Situation nicht taugt, ist es sogar hinderlich. Das ist wie „Ehrlichkeit“. Manchmal ist Ehrlichkeit gut. Manchmal nicht.

Das andere ist die Geschichte mit der Parteilichkeit. Chait hat absolut Recht wenn er sagt, dass „applying partisan will to every contest“ (ich wüsste nicht, wie ich das übersetzen würde) keine gute Idee ist. Die Republicans erleben gerade, welche Probleme das macht, und man muss nur auf die sozialistischen Parteien des Ostblocks schauen um zu sehen, wo einen das ultimativ hinbringt. Daher ist es durchaus zu begrüßen, wenn die Democrats sich da einen internen Pluralismus bewahren.

Zuletzt das Thema dumme Reaktionen. Mich macht es wahnsinnig, wenn ständig die Progressiven in ihre Tiraden gegen Manchin, Sinema und Co starten. Klar, mir wäre es auch lieber wenn der Mann nicht von der fossilen Brennstoffindustrie gekauft wäre. Aber was will man machen? Die Democrats haben de facto 48 Senator*innen, und zwei, die meistens mit ihnen abstimmen. Das ist einfach ein politischer Fakt. Den kann man scheiße finden, aber Manchin und Sinema sind nur relevant, weil die Democrats keine größere Mehrheit haben. Hätten sie 52 oder 53 Senator*innen, wären die beiden einfach egal. Die Lösung ist daher einfach: Wahlen gewinnen. Und da muss man halt schauen, mit was Rezepten und Botschaften das überhaupt möglich ist. Aber die Idee, dass ein*e progressive*r Aktivist*in Manchin in einer Primary schlagen UND DANN IN WEST VIRGINIA GEWINNEN könnte ist völlig absurd. Progressive sollten dreimal täglich dem Herrn danken, dass es Manchin gibt, denn ohne ihn wäre der Sitz einfach ein roter und fertig.

6) Why America Can’t Build

As California Governor Gavin Newsom succinctly put it, “NIMBYism is destroying the state.” It is also destroying the U.S.’s ability to build nationally. The economist Eli Dourado reported in The New York Times that “per-mile spending on the Interstate System of Highways tripled between the 1960’s and 1980’s.” […] The NEPA consultants are just one of the numerous types of consultants that benefit from the way we build. Most infrastructure in the U.S. is built through a huge number of state and local agencies: for example, there are 51,000 community water systems alone in the U.S. This decentralized structure makes it much more difficult to develop the depth of expertise needed to manage the complexities posed by megaprojects. Often, the multiple public agencies that are involved with projects also have overlapping authorities, creating bureaucratic delays and slowing decision making. […] Should the U.S. ever commit to a developmentalist strategy, it will have plenty of examples to learn from. Between 1995 and 1999, the City of Madrid designed and built 39 new metro rail stations, laid 35 miles of rail—including 23.5 miles which required expensive tunneling—and completed all work at an average cost of $65 million per mile. It has subsequently completed multiple other phases of similar size with similar results. How did Madrid accomplish this? It used simple modular designs for each station and did not use any new construction techniques, novel engineering designs, or train technology. When tunneling segments, instead of using one TBM as is typical, it deployed up to six at a time—a number previously unheard of. Most importantly, Madrid ran its construction crews 24 hours a day, seven days a week, and achieved consistent worker productivity gains. Reducing complexity and repeatedly building the same simplified design made iterative improvements possible. (Brian Balkus, Palladium)

Wir haben praktisch das identische Problem hier. Ich halte zwei Dinge für ausschlaggebend, dass sich die Baukosten so drastisch erhöht und Bauzeiten so verlängert haben. Einerseits die ganzen zusätzlichen Regulierungen, die vielfach (aber bei weitem nicht nur) mit Umweltschutz zu tun haben, und andererseits die vielen Mitspracheregelungen, die im Namen der Demokratie eingeführt wurden. Ersteres bräuchte einen umfassenden Kahlschlag. Regulierungen sind ein Werkzeug; sie können geeignet sein oder auch nicht. Wenn sie adverse Effekte haben, müssen sie gegebenenfalls weg. Die Mitspracherechte sind in meinen Augen ein „zu viel des Guten“. Ja, Transparenz und Partizipation sind toll. Aber im Resultat führen sie vor allem zu ständigen Blockaden. Der NIMBY-Effekt hat mittlerweile einfach eine zerstörerische Wirkung. Hier müssen Mitspracherechte aktiv zurückgeschnitten werden, und zwar, um Demokratie zu erhalten. Das klingt zwar instinktiv absurd, ist es aber nicht.

7) Warum es in Deutschland nicht vorangeht

Der Grund für alle diese Mängel ist immer der gleiche und schon seit Jahren bekannt: Die öffentliche Hand investiert nicht genug. Im Durchschnitt haben die EU-Länder in den vergangenen 20 Jahren 3,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in staatliche Investitionen gesteckt, Deutschland aber nur 2,1 Prozent. Mindestens seit dem Jahr 2000 liegt Deutschland im EU-Vergleich auf den hinteren Plätzen. Der Investitionsstau beläuft sich inzwischen auf hunderte Milliarden Euro. Umstritten ist, woran das liegt. Von links werden gerne die Schuldenbremse und die schwarze Null verantwortlich gemacht. Dabei wird vergessen, dass vor der Pandemie in Olaf Scholz’ Finanzministerium zweistellige Milliardenbeträge aufgelaufen sind, die für Investitionen eingeplant waren, aber nicht ausgegeben wurden. […] Jüngere Länder investieren demnach etwas mehr, Staaten mit einer Schuldengrenze etwas weniger. Am wichtigsten aber war das Deutschland-Problem. Deutschland investiert rund 1,2 Prozent der Wirtschaftsleistung weniger, als es die Bedingungen erwarten ließen – einfach weil es Deutschland ist. Das sei „eine Art chronische Investitionsschwäche, die sich nicht wegerklären lässt“, schreiben die Wissenschaftler. Sie haben eine Idee, wie sie entstehen könnte: durch Bürokratie und umständlichen Planungsverfahren. […] Deutschland hat sich das Leben in seinen guten Jahren selbst kompliziert gemacht. Jetzt müssen die Abläufe dringend vereinfacht werden. Für erneuerbare Energien hat die Bundesregierung schon ein Vorranggesetz beschlossen. Doch es gibt noch andere wichtige Vorhaben. Dass diese Vereinfachungen in den Gedanken der Ampelkoalitionäre gerade nicht mehr ganz vorne stehen, ist verständlich. Aber in der großen Bundesregierung gibt es genügend Abteilungen, die an solchen Fragen arbeiten können. Sie sollten es tun. Damit bekämpfen sie zwar nicht mehr die aktuelle Krise, aber sie bereiten Deutschland schon für die nächste vor. (Patrick Bernau, FAZ)

Ich möchte noch einen weiteren Aspekt hinzufügen: Personalmangel. Nun ist der Öffentliche Dienst nicht gerade ein Bereich, bei dem man instinktiv sagt, dass es hier mehr Beschäftigte bräuchte. Das Problem ist auch nicht die reine Menge, sondern das, was diese Leute arbeiten. Wie in Fundstück 6 angesprochen behindert eine wahre Flut von Regulierungen unterschiedlicher Sinnhaftigkeit alle möglichen Initiativen (man denke nur auch mal an den Digitalpakt, um mal vom Bauen wegzukommen). All diese Regulierungen müssen ja verwaltet werden. Das sind die Graeber’schen „Bullshit Jobs“. Die Privatwirtschaft braucht Fachleute, um gesetzkonform zu arbeiten, und der Öffentliche Dienst braucht Fachleute, um das zu überwachen. Das ist eine Ressourcenverschwendung vor dem Herrn.

8) Verhandeln, aber wie? – Die Aussicht auf einen endlosen Krieg in der Ukraine könnte der Anreiz zur Einwilligung in einen baldigen Frieden werden

Die Verfasser der Aufrufe zum sofortigen Frieden ahnen, dass diese Konstellation auf einen langen Weg zum Frieden hinausläuft. Deswegen folgen sie der Logik des Kremlsprechers Peskow, laut dem in der Ukraine sofort Frieden herrschen werde – wenn das ukrainische Militär die Waffen niedergelegt habe. So direkt wollen Befürworter eines schnellen Kriegsendes die Kapitulationsaufforderung an die Ukraine nicht aussprechen; stattdessen fordern sie die sofortige Beendigung der westlichen Waffen- und Munitionslieferungen an die Ukraine. Wenn man keine Waffen hat, erübrigt sich deren Niederlegen. […] Einmal mehr bestätigt sich hier die kühle Antwort des grossen Politikers Talleyrand, der auf die Frage, was eigentlich Nichtintervention sei, nach kurzem Nachdenken antwortete, es sei vermutlich dasselbe wie Intervention. Was im konkreten Fall heisst: Die Einstellung der Waffen- und Munitionslieferungen an die Ukraine ist eine politische Parteinahme für Russland, die sich als neutral tarnt. […] Das Argument der unermesslich hohen Kosten, das in der Regel gebraucht wird, um den Beginn eines Krieges zu verhindern, ist auch ein Argument gegen die Weiterführung eines Krieges. Es relativiert die Aussicht auf den Sieg, indem es diesen mit untragbar hohen Kosten verbindet. Die Aussicht auf einen langen Krieg wird so zum Motiv für die Wahl des Wegs zum baldigen Frieden. Das ist paradox, aber Krieg ist ein Tummelplatz von Paradoxien; der Weg zum Frieden ist es nicht weniger. […] Insofern bleibt für den Verhandlungs- oder Kompromissfrieden nur die zweite Option, nämlich die Ukraine so stark zu machen, dass sie sich nicht nur gegen Russland behaupten kann, sondern auch in der Lage ist, ihm die Aussicht auf einen Sieg zu nehmen. Das ist jedoch nur durch westliche Waffenlieferungen möglich. Das ist eine der Paradoxien des Krieges: die Aussicht auf einen endlosen Krieg als Anreiz zur Einwilligung in einen baldigen Frieden. (Herfried Münkler, NZZ)

Ich empfehle Münklers Artikel zur gänzlichen Lektüre, weil er das zentrale Problem des Diskurses gut auf den Punkt bringt. So gut es auch immer klingt, verhandeln zu wollen und sich neutral zu positionieren: eine Neutralität gibt es effektiv nicht. Die Apologeten dieses Kurses übersehen immer gerne, dass Nicht-Handeln auch eine bewusste Entscheidung ist. Wer nicht eingreift, ergreift genauso Partei wie jemand, der eingreift. Dass am Ende dieses Konflikts in irgendeiner Form ein Kompromiss stehen wird, ist allen Beteiligten klar. Der Krieg wird sicher nicht damit enden, dass ukrainische Panzer über den Roten Platz rollen. Und auch dank westlicher Hilfen erscheint es zunehmend unwahrscheinlicher, dass die russische Trikolore über Kiew aufgezogen wird.

9) Leibniz-Institut für Deutsche Sprache plädiert für gegenseitige Toleranz beim Thema „Gendern“

Insgesamt, so sieht es das IDS, gibt es nicht die eine „richtige“ Form des Umgangs. Weder solle eine bestimmte Form des Genderns verpflichtend sein, noch solle der Wunsch nach mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache als ideologisch abgetan werden. Dazu Prof. Dr. Henning Lobin, Wissenschaftlicher Direktor des IDS: „Auch in unserer Belegschaft am IDS sehen wir ein buntes Bild an Sprachverwendungen. Einige Mitarbeitende nutzen den Genderstern oder -doppelpunkt, andere lieber Doppelformen oder auch das generische Maskulinum. So zeigt sich auch bei uns ein vielfältiges Bild. Wir stehen dem entspannt gegenüber.“ Dass die Sprachwissenschaft dem Thema geschlechtergerechte Sprache insgesamt offen gegenübersteht, zeigt sich auch darin, dass die „Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft“ dieses Jahr mit großer Mehrheit eine geschlechtergerechte Satzung verabschiedet hat. Auch die immer wieder öffentlich geäußerte Haltung, „die Sprachwissenschaft“ stehe geschlechtergerechter Sprache kritisch gegenüber, spiegelt nicht den gegenwärtigen Forschungsstand (vgl. den offenen Brief hier) wider. […] Dass es in diesem Themenbereich unterschiedliche Positionen und kontroverse Diskussionen gibt, ist selbstverständlich und durchaus zu begrüßen. „Wir müssen aber im Moment mit unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten leben, bis sich in der Sprachgemeinschaft mehr einheitliche Schreib- und Sprechgewohnheiten etabliert haben“, so Lobin. „Dabei sollten wir akzeptieren, mit Sprachformen konfrontiert zu werden, die nicht die sind, die wir selber präferieren. Dies ist eine Form von Toleranz, die man in einer pluralistischen Gesellschaft erwarten können sollte“, ergänzt Müller-Spitzer. Für einzelne Sprachformen zu werben, sei natürlich legitim, aber eine gegenseitige Offenheit trotzdem notwendig. (Leibnitz-Institut für Deutsche Sprache)

Ich kann diese Presseerklärung nur von Herzen unterstützen. Ansatt ständig irgendwelche Sprachverbote zu erlassen und zu versuchen, das zu regulieren, sollte man einfach Toleranz beweisen. Jemand will nicht geschlechtergerechte Sprache benützen? Fein, dann soll die Person es lassen. Jemand will es machen? Fein, dann soll die Person es tun. Da wird sich dann schon irgendwann ein gesellschaftlicher Konsens herausstellen. Und wenn der am Ende genau das ist – manche tun es, andere nicht – dann ist das nicht der Untergang des Abendlandes. Siehe zum Thema auch dieses Interview in der FAZ.

10) Transfrauen: Weiblich genug für den Frauenbereich?

Die Frage, die dabei in den Sozialen Medien diskutiert wird: Was, wenn Transfrauen, die noch männliche Geschlechtsmerkmale aufweisen, Bereiche und Zeiten in Schwimmbädern nutzen wollen, die für Frauen reserviert sind? Beliebtestes Beispiel: die Frauensauna. […] Aber natürlich befasse man sich mit dem Thema und der Frage nach dem Umgang mit Transpersonen. Als einer der größten Bäderbetriebe Deutschlands mit rund 2,5 Millionen Besuchern könne man sich gesellschaftlichen Diskussion kaum entziehen. „Und das Thema ist ja in allen Medien.“ In der Praxis allerdings seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so gut wie gar nicht damit konfrontiert. […] In der Praxis stellt sich also nicht die Frage, ob Transfrauen [in Frauenhäusern] aufgenommen werden können, sondern ob überhaupt noch jemand aufgenommen werden kann. Degel, die auch in der Arbeitsgemeinschaft der hessischen Frauenhäuser in Trägerschaft aktiv ist, betont, dass ihr in Hessen bislang kein Fall bekannt sein, in dem eine Transfrau Schutz in einem Frauenhaus gesucht habe: „Wir reden hier über Theorie.“ […] In der Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz wird des Öfteren die Befürchtung geäußert, männliche Insassen könnten ihren Geschlechtseintrag ändern, um in den Genuss der vermeintlich angenehmeren Haftbedingungen in Frauengefängnissen zu kommen. Tatsächlich aber gibt es keinen Automatismus, der eine Verlegung von Transfrauen in Frauen-Justivollzugsanstalten vorschreiben würde. (Danijel Majić, Hessenschau)

Es ist wirklich völlig absurd, welche Szenarien für diese Gesetzgebung immer aufgefahren werden. Besonders auffällig war das im US-Wahlkampf, wo die Republicans damit identitätspolitisches Stroh zu dreschen hofften und sich unabsichtlich selbst entlarvten, wenn sie groß tönten, dass wenn sie die Option hätten, ihr Geschlecht selbst zu definieren, sie sich sofort als Frau erklären und in Damenduschen eindringen würden (und nein, so äußerte sich nicht nur einer…). Aber wie Udo Vetter korrekt anmerkt, ist dieses Szenario auch rechtlich überhaupt nicht zu halten. Würden diese Creeps das machen, würden sie eindeutig als Sexualstraftäter verurteilt und fertig. Und die obigen Zitate zeigen ja auch, dass diese ganze Trans-Panik genau das: eine weitere von unzähligen moral panics, die ständig durch den gesellschaftlichen Diskurs schwappen.

Resterampe

a) Eine Studie, nach der Unsicherheit über die eigene Männlichkeit und MAGA-Fantum korrelieren. Scheint mir methodisch eher…grob zu sein.

b) Damon Linker setzt sich mit seinem Verhältnis zu Rod Dreher und Victor Orban auseinander.

c) Spekulation über Joe Manchin und Chuck Schumer bezüglich ihres Coups gegenüber McConnell.

d) Ratet mal, wer gerade unter der Inflation leidet.

e) Die Chancen der Democrats für November verbessern sich, was ein kleines Wunder darstellt.

f) Nicht, dass das die nutzlosen Spekulationen stoppen würde, aber: Lauterbach schließt Schulschließungen im Herbst/Winter kategorisch aus. Die Aufforderung, Luftfilter anzuschaffen, wird weiterhin auf taube Ohren fallen, weil es geht ja nur um die Kinder und Jugendlichen (und Lehrkräfte, aber die interessieren ja erst recht niemand).

g) Die Haltung der Kultusministerien angesichts des Lehrkräftemangels ist wirklich absurd.

h) Leseempfehlung: How to Energiewende in 10 Jahren, Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5 und Teil 6.

i) Ich will euch schon ewig von einer Werbung erzählen, die mich völlig kirre macht. Es ist ein Podcast von MSNBC, und hier ist der Text: „These days, the news never stops. The morning’s headlines change by afternoon, and in the evening, it’s all totally different. So let’s get into it. What’s happening right now, what it all means to you, for an hour, every day. I get it. I know it can be hard to keep up. So, let’s get started together and go from there. „Hi, I’m Hallie Jackson and we have ton going on tonight. So, here’s the deal.“ Hallie Jackson now, weekdays, 5pm Eastern on MSNBC News Now.“ Nachrichten, die eine Halbwertszeit von nicht einmal acht Stunden haben, sind per Definition Nachrichten, die ich nicht wissen muss. Wie beknackt ist das Konzept einer solchen Sendung? Was für ein völlig krankes Verständnis von News und Nachrichten wird hier gepflegt? Ich habe nie eine Sendung gesehen, die das Problem des 24/7-Newscycle so verkörpert wir das.

j) Die NYT kann es echt nicht lassen mit diesen Free-Speech-Mythen.

k) Die Nostalgie mancher Briten ist echt nur absurd.

l) Die USA entkarbonisieren in rasantem Tempo den Truck-Sektor. Während die Deutschen steif und fest behaupten, dass das nicht gehe und sich in die eFuel-Fantasie verrennen.

m) Wir haben unter anderem so wenig Gas auf Halde, weil wir die Ausfälle der sicheren und zuverlässigen französischen Kernenergie ausgleichen mussten.

n) Guter Thread zur Maskenpflicht.

o) Das 9-Euro-Ticket als Anlass für Investitionen nutzen, Praxisbeispiel.

p) Es geschehen noch Zeichen und Wunder: ich stimme einem Artikel von Tom Friedman zu.

q) Was nicht so alles geht, wenn man nur will.

r) Keir Starmer is right – for Labour to win power, it can’t wade in on every strike going.

s) Die Ampel schont die Reichen und belehrt die Armen.

t) Ein ganz großartiger Artikel von Hedwig Richter und Bernd Ulrich zur Instrumentalisierung der deutschen Geschichte.

{ 83 comments… add one }
  • Erwin Gabriel 8. August 2022, 10:10

    7) Warum es in Deutschland nicht vorangeht

    Die öffentliche Hand investiert nicht genug. Im Durchschnitt haben die EU-Länder in den vergangenen 20 Jahren 3,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in staatliche Investitionen gesteckt, Deutschland aber nur 2,1 Prozent.

    Von links werden gerne die Schuldenbremse und die schwarze Null verantwortlich gemacht. Dabei wird vergessen, dass vor der Pandemie in Olaf Scholz’ Finanzministerium zweistellige Milliardenbeträge aufgelaufen sind, die für Investitionen eingeplant waren, aber nicht ausgegeben wurden.

    Wohl wahr.

    Nun ist der Öffentliche Dienst nicht gerade ein Bereich, bei dem man instinktiv sagt, dass es hier mehr Beschäftigte bräuchte. Das Problem ist auch nicht die reine Menge, sondern das, was diese Leute arbeiten. …

    Heftige Zustimmung

    8) Verhandeln, aber wie? – Die Aussicht auf einen endlosen Krieg in der Ukraine könnte der Anreiz zur Einwilligung in einen baldigen Frieden werden

    So gut es auch immer klingt, verhandeln zu wollen und sich neutral zu positionieren: eine Neutralität gibt es effektiv nicht. Die Apologeten dieses Kurses übersehen immer gerne, dass Nicht-Handeln auch eine bewusste Entscheidung ist. Wer nicht eingreift, ergreift genauso Partei wie jemand, der eingreift.

    Vollkommen richtig! Jede „Verhandlung“ in dem Konflikt wird dazu führen, dass Aggressor Russland anschließend in irgend einer Form „mehr“ hat als vorher – mehr Land, mehr Einfluss, was auch immer.

    Selbst wenn Russland sich komplett aus der Ukraine zurückzieht, allein und schnell den kompletten Wiederaufbau finanziert, alle Umwelt- und Infrastrukturschäden beseitigt, den Vorzustand so weit wie möglich wieder herstellt, die Verwandten der Zehntausenden Toten großzügig entschädigt, ist die Ukraine immer noch der Verlierer; Familien ohne Väter, Mütter ohne Kinder, traumatisierte Menschen, Jahrzehnte für die Menschen und das Land verloren.

    f) Lauterbach schließt Schulschließungen im Herbst/Winter kategorisch aus.

    g) Die Haltung der Kultusministerien

    Idiots at work

    h) How to Energiewende in 10 Jahren

    Danke. Muss mich wohl langsam mal wieder über Photovoltaik informieren.

    o) Das 9-Euro-Ticket als Anlass für Investitionen nutzen

    Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer

    s) Die Ampel schont die Reichen und belehrt die Armen.

    Es ist bemerkenswert, wie lautlos die SPD unter Scholz nach einem Wahlkampf voller Anerkennungsrhetorik zu knallharter Umverteilung von unten nach oben übergegangen ist.

    Dass mit Lindner der Bodyguard der Superreichen ins Finanzministerium einzieht, war von Anfang an klar. Substanzsteuern wie die Vermögensteuer oder Steuererhöhungen bei der Einkommen- und Unternehmensteuer wurden bereits im Sondierungspapier vor den Koalitionsverhandlungen ausgeschlossen.

    Jeder Konflikt wird auf Kosten der großen Mehrheit gelöst anstatt zulasten der oberen ein Prozent

    Hallo Stefan,

    verschon uns doch mit solch einem dümmlichen Quatsch. Die Seite nennt sich „Jacobin“, was ganz offenbar Programm scheint. Grundsätzlich mag bei dem Autoren ja Intelligenz vorhanden zu sein, aber sie versteckt sich doch stark hinter dick verkrusteter linksextremer Ideologie.
    Scholles Annahme, dass ein Prozent unserer Gesellschaft in der Lage sei, die anstehenden Lasten für die anderen 99 Prozent mitzutragen, ist derart dümmlich, dass es schmerzt. Sein Verständnis darüber, wie „Superreiche“ ihr Vermögen anlegen und welchen Beitrag das obere Drittel der Gesellschaft für die zwei unteren Drittel bereits leisten, wohl gar nicht vorhanden.

    Mir gehen diese Spinner, die in jungen Jahren zu viele Micky-Mouse-Bücher gelesen haben und nun ihr „erwachsenes“ politisches Weltbild von Zeichnungen ableiten, die Dagobert Duck mit einer Schubkarre voller Geld zeigen, die man halt statt in den eigenen Geldspeicher auch woanders hin fahren könnte, echt auf die Nerven.

    • Stefan Sasse 8. August 2022, 18:26

      Naja, dass sie die Armen gerne belehren ist ja nun nicht eben falsch. Aber klar, Jacobin ist nicht gerade eine mittige Seite, ich les die auch nicht regelmäßig.

    • cimourdain 9. August 2022, 08:23

      s) Sie täuschen sich bei dem Namen: Das Magazin „Jacobin“ bezieht seinen Namen auf Toussaint Louverture beziehungsweise C.L.R. James‘ Buch „The Black Jacobins“. Deshalb auch das Logo mit dem behelmten Schwarzen.
      https://en.wikipedia.org/wiki/The_Black_Jacobins

      • Erwin Gabriel 9. August 2022, 09:12

        @ cimourdain 9. August 2022, 08:23

        Sie täuschen sich bei dem Namen: Das Magazin „Jacobin“ bezieht seinen Namen auf Toussaint Louverture beziehungsweise C.L.R. James‘ Buch „The Black Jacobins“. Deshalb auch das Logo mit dem behelmten Schwarzen.

        Also Bezug auf ein Buch über die haitische Revolution, die sich aus der französischen Revolution ableitet? Nun gut, beim Durchstöbern der Seite ist mir der Unterschied nicht aufgefallen; einen Kommentar relativierende, positive Darstellung der mit der französischen Revolution einhergehenden Hinrichtungswelle schon.

        Dennoch danke. Ich werde mal ein paar Zeilen zur haitischen Revolution lesen müssen.

        • Stefan Sasse 9. August 2022, 10:48

          Die ist ein super spannendes Thema. Wenn du es lieber hörst, empfehle ich den Podcast „Revolutions“.

          • Erwin Gabriel 9. August 2022, 14:55

            @ Stefan Sasse 9. August 2022, 10:48

            Die ist ein super spannendes Thema. Wenn du es lieber hörst, empfehle ich den Podcast „Revolutions“.

            danke !

    • bevanite 13. August 2022, 14:52

      Hatten Sie hier nicht mal was vom Magazin „Spiked“ verlinkt? Die sind doch noch einen ganzen Zacken ideologischer und gehören einer Polit-Sekte an, deren führende Köpfe seit den 1980ern mit der Taktik des „entryism“ überall ihre (heute rechtslibertäre) Linie durchdrücken wollen und es dann unter Boris Johnson sogar geschafft haben, „ihre“ Leute in Regierungsposten zu bringen… Im „Jacobin“ hat man hingegen sehr verschiedene Autoren und Autorinnen, von denen einige gar nicht gehen (z.B. Branko Marcetic, in etwa vergleichbar mit dem „Lafoknecht“-Flügel der Linkspartei), viele aber fundierte Analysen vorlegen. Und dass es seit den späten Siebzigern eine immer stärkere Wohlstandskonzentration in den obersten Schichten gibt, ist ja wohl nicht von der Hand zu weisen. Die erfolgreichen Kampagnen von Bernie Sanders entstanden ja nicht aus dem Nichts.

  • Stefan Pietsch 8. August 2022, 10:35

    2) The Supreme Court’s Originalist Obsession Continues

    Die Demokraten machen seit Jahrzehnten auf widerliche Weise Wahlkampf mit dem Abtreibungsthema, statt ihre politische Macht zu nutzen. Leider schreibst Du x Artikel über die Niedertracht der Republikaner und die Engstirnigkeit des Supreme Court, wunderst Dich, das Konservative gegen Abtreibung sind, aber nicht, wie tatenlos Demokraten dastehen.

    In den vergangenen Jahrzehnten hatten die Demokraten mehrfach die Möglichkeit, Abtreibungsgesetze zu verabschieden. Sowohl Barack Obama als auch Joe Biden hatten im Wahlkampf entsprechende Versprechungen gemacht, dann aber nicht eingelöst. Stattdessen machte man mit der Angst vor republikanischen Mehrheiten, die konservative Richter an den Supreme Court bringen können, Dauerwahlkampf, und blieb in der Sache selbst untätig. Joe Biden stimmte in den 80er-Jahren sogar noch selbst für eine Abkehr von Roe v Wade, Hillary Clinton nominierte 2016 den Abtreibungsgegner Tim Cain als Vizepräsidentschafts-Kandidaten.

    Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch dient vor allem den Eliten der Demokraten als Geldmaschine. Seit den 80er-Jahren treibt die Spendensammel-Organisation „Emily’s List“ in jedem Wahlkampfzyklus Millionen-Beträge ein, um in Verteilungsfragen oft konservative „Pro Choice“-Kandidaten zu unterstützen. Linke Graswurzel-Kandidaten gehen bei Emily’s List dagegen regelmäßig leer aus.
    https://www.welt.de/debatte/kommentare/article239620697/Abtreibungs-Urteil-in-den-USA-Das-doppelte-Spiel-der-Demokraten.html?icid=search.product.onsitesearch

  • Stefan Pietsch 8. August 2022, 10:51

    4) „Viele werden im Winter nicht mehr jeden Raum heizen können“ (Interview mit Monika Schnitzer)

    Das Problem beginnt damit, dass die meisten den Unterschied zwischen Wachstum und Konjunktur nicht kennen. Der Wachstumspfad zielt darauf, langfristig den Wohlstand einer Volkswirtschaft zu mehren. Konjunkturpolitik hat die Aufgabe die Ups & Downs zu dämpfen (nicht zu verhindern). So wachsen solide Volkswirtschaften selbst dann kräftig, wenn sie mal für 1 oder 2 Jahre ein Rezession verkraften mussten.

    In Westeuropa und erst recht in den USA sind die Produktionskapazitäten übererschöpft. Es herrscht ein wachsender Mangel an Arbeitskräften, die Nachfrage nach Produkten übersteigt das Angebot. Gleichzeitig schießen die Preise durch die Decke, was eben nur zum Teil mit der Energieknappheit zu tun hat, sehr viel aber auch mit der hohen Auslastung. In einer solchen Lage sind stark dämpfende Maßnahmen erforderlich. Die sind immer unpopulär, aber eine galoppierende Inflation lässt sich in binnen Monaten mehr einfangen und ruiniert den Wachstumspfad.

    7) Warum es in Deutschland nicht vorangeht

    Beamte schaffen Bürokratie. Was denn sonst? Die Bauvorschriften haben sich binnen der Nullerjahre verfünffacht. Das gilt nicht nur dem Umweltschutzgedanken.

    Ein Beamter, der Regulierungen abschafft, muss erst noch erfunden werden.

    9) Leibniz-Institut für Deutsche Sprache plädiert für gegenseitige Toleranz beim Thema „Gendern“

    Kein Problem. In der taz kann man nach Herzenslust gendern. Aber wenn ein mit über 8 Milliarden Euro aus Steuermitteln finanzierter Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk wild durch die Gegend gendert, obwohl dies von der großen Mehrheit der Bevölkerung wie der Zuschauer abgelehnt wird, ist das inakzeptabel. Der ÖRR ist der deutschen Sprache verpflichtet und hat sein Angebot so zu vermitteln, wie in der Bevölkerung gesprochen wird, die die Journalisten bezahlt.

    Leider bleibt bei dem Thema der Umerziehungsgedanken der Genderbefürworter bei Dir immer auf der Strecke, siehe zuletzt beim BR. Und was ist mit Klausuren, wo Studenten mit Punktabzug bestraft werden, wenn sie nicht entgegen dem Duden schreiben?

    Toleranz ist gut. Sie endet, wenn ich entgegen der Einbahnstraße fahren will.

    10) Transfrauen: Weiblich genug für den Frauenbereich?

    Und da gab es vor kurzem diese Transfrau in einem amerikanischen Gefängnis, die zwei Mithäftlinge schwängerte. Tolle Sache!

    • Stefan Sasse 8. August 2022, 18:27

      7) Ich wäre sofort dabei, wenn ich dürfte. Ich muss den Mist halt umsetzen.

      9) Ich wette, du hast kein Problem dass die ÖR seit Jahrzehnten Aktienkurse bringen, obwohl nur eine verschwindend geringe Menge der Bevölkerung Aktien besitzt. Du entdeckst den Legitimationseffekt von Mehrheiten auch immer dann, wenn er dir gerade reinläuft.

      • Stefan Pietsch 8. August 2022, 20:03

        7) Leider bleibt es dabei: mehr Beamte, mehr Bürokratie. Weniger Beamte, weniger Bürokratie. Das Gesetz der Verwaltung.

        9) Die Wette gewinnst Du, weil mich wenig Programme stören. Schließlich gibt es den Aus-Knopf. Wenn allerdings in meinen Sendungen eine Sprache verwandt wird, die nicht die „unsere“ ist, und gekluckst, das man denkt, die Leute hätten Schluckauf, fühle ich mich maximal gestört.

        Aber Du bist schon putzig: Du glaubst ernsthaft, Leute mit Aktien informieren sich in den „Börse vor Acht“. Das machen vielleicht solche, die einen ETF für 1.000 Euro besitzen und sich für große Kapitalisten halten. Sorry, Stefan, das können viele andere (privaten) Sender besser.

        Die Sendungen sind nicht die Privatangelegenheit der Moderatoren. Und es fällt auf, dass Du die albernsten Repliken rausschickst, weil Du keine Argumente fürs Gendern im ÖR hast. Gendern ist nicht als Teil der deutschen Sprache anerkannt. Punkt. Dein Problem ist: würde im ÖR und an den Unis nicht mehr gegendert, wäre das Thema tot. Dein Thema. Und das weißt Du. Also tu bitte nicht so, als ginge es Dir um Toleranz, wo es um die Durchsetzung Deiner Interessen geht. Rücksichtslos, gegen Regeln und notfalls gegen Mehrheiten.

        • Stefan Sasse 8. August 2022, 21:03

          7) Sicher. Wenig Beamte können per Definition nicht viel Bürokratie durchsetzen. Aber leider ist halt wenig Bürokratie nicht automatisch gut. Dass wir aktuell zu viel haben – unbenommen. Aber die Geister scheiden sich, wo und bei was. Btw, die allermeisten Leute im öffentlichen Dienst sind keine Beamten.

          9) Wie gesagt, du willst es nicht, deswegen entdeckst du vox populi für dich.

          • Stefan Pietsch 8. August 2022, 21:33

            7) Ich weiß. Ändert aber nichts. Das eigentliche Problem ist nicht einmal der Öffentliche Dienst, sondern die mangelnde Kontrolle. Zwischen Kontrolle, Leitung und Arbeitnehmervertretung herrscht eine Kumpanei, die dem Schmoren im eigenen Saft förderlich ist. In Unternehmen haben die drei Gruppen entgegengesetzte Interessen, im öffentlichen Sektor gibt es eine gewisse Identität.

            Menschen neigen dazu, um sich herum Regelwerke aufzubauen, die ihnen Spezialwissen gibt. In meinem Bereich sind die Controller Excel-verliebt und gestalten komplizierte Dateien. Auf Konzernebene entwerfen die Stabstellen umfangreiche Regelwerke. Wenn die Führung nicht gegen solche Bürokratiesierungen des Unternehmens arbeiten wurde, gbit es auch den Regelungsdschungel (Stichwort: Bullshit Castle).

            9) Ich hätte von Dir zur Abwechslung mal ein Argument. Ansonsten betone ich seit ich bei Dir kommentiere und schreibe, dass ich in erster Linie Demokrat bin und Mehrheitsentscheidungen achte – womit Du ja immer mal wieder Deine Probleme hast (Stichwort: Kompetenzverlagerungen auf die EU).

            • Stefan Sasse 9. August 2022, 07:55

              7) Jepp, völlig richtig. Kennst du da eine Methode dagegen? Oder bist du da wie ich eher Leidtragender dieser Dynamik?

              • Stefan Pietsch 9. August 2022, 10:00

                7) In dieser Frage lassen sich Privatwirtschaft und Staat sicher nicht vergleichen.

                Es gibt kein Patentrezept, leider. Das wesentliche Rezept dagegen ist die unterschiedliche Interessenlage der Stakeholder Eigentümer, Leitung und Mitarbeiter(vertreter) nicht zu verwischen.

                Ich selbst arbeite immer in operativen Einheiten, nie auf der Konzern-/Holdingebene. Große Konzerne gehen den Kampf gegen die Bürokratie gerne auch mal mit der Operation Kahlschlag an, dann werden zighundert bis tausend Mitarbeiter in den Zentralen entlassen. Die Methode steht aus naheliegenden Gründen Behörden nicht offen.

                Ich stelle immer um, Reduzierung der Excel-Friedhöfe, Implementierung von Datenbanken. So wird Expertenwissen und Clusterung bei einzelnen zerstört – und entsteht mit der Zeit an anderer Stelle. Die Methode verlangt ein gewisses IT-Know-how auf Seiten der Mitarbeiter und ggf. Kapitalbildung durch Einführung professioneller Datenbanksysteme.

                Und ich spiele mit den Leuten in der Konzernleitung. Ich teste aus, welche Berichte und Informationen benötigt werden, in dem ich sie zeitweise nicht sende. Beschwert sich keiner, war es eine reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Auch das geht auf staatlicher Ebene natürlich nicht.

                Also, es gibt keine generelle Lösung, nur ein permanenter Kampf dagegen durch Interessengegensätze.

  • Stefan Pietsch 8. August 2022, 10:56

    m) Wir haben unter anderem so wenig Gas auf Halde, weil wir die Ausfälle der sicheren und zuverlässigen französischen Kernenergie ausgleichen mussten.

    Wieso steht da nichts von GB? Oder der Schweiz? Oder Polen? Eine stabile Energieversorgung setzt auf mehrere Energiequellen. Also das Gegenteil, was Deutschland macht (Die dümmste Energiepolitik ever). Ansonsten gleichen die Mitgliedsländer permanent Strommengen aus.

    s) Die Ampel schont die Reichen und belehrt die Armen.

    Sozialtransfers gut, Steuersenkungen schlecht. Das habe ich vor 40 Jahren schon gelesen und seitdem mehrmals in jeder Woche. Die Originalität des Ansatzes ist überschaubar. Und klar, normale Leute sparen an einer Sache, wenn die Kosten dafür steigen. Aber doch nicht Kostgänger der Gesellschaft!

    • Erwin Gabriel 8. August 2022, 11:33

      Stefan Pietsch 8. August 2022, 10:56

      m) Wir haben unter anderem so wenig Gas auf Halde, weil wir die Ausfälle der sicheren und zuverlässigen französischen Kernenergie ausgleichen mussten.

      Wieso steht da nichts von GB? Oder der Schweiz? Oder Polen? Eine stabile Energieversorgung setzt auf mehrere Energiequellen. Also das Gegenteil, was Deutschland macht (Die dümmste Energiepolitik ever). Ansonsten gleichen die Mitgliedsländer permanent Strommengen aus.

      @ Stefan Pietsch 8. August 2022, 10:56

      s) Die Ampel schont die Reichen und belehrt die Armen.

      Sozialtransfers gut, Steuersenkungen schlecht. … Die Originalität des Ansatzes ist überschaubar.

      Hast Du Dir diese Idiotenseite mal angeschaut? Da fabuliert irgendein Philosoph darüber, dass die Jacobiner gar nicht solche Schlächter waren wie angenommen, und Robespierre wäre ein „moderater“ Revolutionär gewesen …

      Schräg …

      Was manche Leute so im Kopf haben …

      • Stefan Pietsch 8. August 2022, 12:31

        Nein, habe ich nicht. Stefan ist für seine Links verantwortlich und solche Spinner laufen halt überall herum. Man muss sie nicht noch verlinken…

        • hallo ihr kaspers 8. August 2022, 13:30

          immer wieder schön wenn alten weissen männern der geifer zu gesicht steht obschon des verlustierens ihrer allgemeingültig geglaubten weltexegese

          times are changing 🙂

          • Hotzenplotz 8. August 2022, 16:51

            @ Kasper 8. August 2022, 13:30

            times are changing

            Indem man heute begründet, warum die Jacobiner der französischen Revolution harmlos waren? Ich bin schließlich alt genug, ich war damals dabei: Glaub mir, so toll war das nicht. 🙂

            Viele Grüße, und weiterhin gute Unterhaltung
            E.G.

        • Lemmy Caution 8. August 2022, 14:11

          Ist der sidekick eines in der linken Szene einflußreichen US-Magazins.
          Kann man sich aber als Meinungs-Konsument schon mal gönnen. Man muß dem ja nicht zustimmen und wir haben hier Meinungsfreiheit. Zumindest sind die Putin kritisch.
          Die US-Mutter änderte so um 2017 teilweise ihre redaktionelle Linie zu Venezuela. Die 15 Jahre vorher waren allerdings sehr peinlich. Vielleicht sind sie ein bisschen erwachsen geworden.
          Wirklich jenseits ist für mich eigentlich nur die Junge Welt. Die sind konsistent durchgeknallt mit deutscher Gründlichkeit
          Hier übrigens interessantes Gespräch zu links-außen-Medien und Jugoslawien-Krieg -> https://ballaballa-balkan.de/episode/clueless-oder-die-deutsche-linke-und-jugoslawien

          • Erwin Gabriel 8. August 2022, 18:26

            @ Lemmy Caution 8. August 2022, 14:11

            Danke vorab für die Info.

            Kann man sich aber als Meinungs-Konsument schon mal gönnen.

            So habe ich vielleicht mit 16 noch getickt, als unser Azubi-Sprecher (KPD-ML) mich zu meiner ersten (und letzten) 1-Mai-Demo einlud. Aber die scheinen alle erwachsen zu sein … 🙂

            Man muß dem ja nicht zustimmen und wir haben hier Meinungsfreiheit.

            Keine Einwände

            Zumindest sind die Putin kritisch.

            Da hängt die Latte aber tief. Immerhin: eine Latte …

            Merci, und viele Grüße
            E.G.

            • Lemmy Caution 8. August 2022, 21:48

              Mit der KPD-ML wäre ich bestimmt mehr als einmal mit marschiert. Die Ökobewegung flashte meine später BWL studierte und sich beruflich auf Jeep Camps tummelnde Schwester mehr als mich.
              Während des Studiums machte ich den Fehler mit Hilfe der Lektüre von Mario Vargas Llosas, Pez en el agua (Fisch im Wasser) mein Spanisch zu verbessern. Vargas Llosa hat ein paar wirklich großartige Romane geschrieben, aber diese Erinnerungen wirkt auf einige Menschen leider als eine harte ideologische Droge. So wurde ich zu einem Neoliberalen, habe mich aber seit etwa 2001 schrittweise davon emanzipiert.

          • Stefan Sasse 8. August 2022, 18:30

            Junge Welt hab ich seit sicher 15 Jahren nicht mehr reingeschaut 😀

            • Lemmy Caution 8. August 2022, 21:27

              Mach ich manchmal.
              Das härteste ab.
              Ich finde, man sollte sich mit Desinformanten auseinandersetzen, auch wenn das das seelische Gleichgewicht schon angreifen kann. Immer kann ich das nicht.
              Hab unter meiner Großeltern-Generation mindestens 2 ideologisch heftig geflashte Menschen, mit denen ich als Kind/Jugendlicher eine sehr gute Beziehung hatte (Kommunismus, Katholizismus). Die hatten Details in ihrem Lebenslauf wie stark von absoluter Verelendung bedrohter vaterloser Familie nach WK I, Begegnungen mit der Roten Armee als 16-jähriger in Schlesien und 6 Jahre Sibirisches Arbeitslager.
              Ich kann mir auch vorstellen, dass man auch ohne diese historischen hardcore Krisen nicht so leicht von so einer Ideologie-Wolke runterkommt.

              • Stefan Sasse 9. August 2022, 07:55

                Na, danke. Wie gesagt, ich les den Jacobin nicht, aber wirre Theorien über Robespierre sind jetzt auch nicht unbedingt der größte Grund, ihn zu exkommunizieren. Das ist als würde die Welt irgendwelchen kruden Unsinn über die Kreuzzüge schreiben oder so. Man schüttelt den Kopf und schaut den Rest an. Da finde ich die jungeWelt ein ganz anderes Kaliber; da sind die ganzen Relativierungen sozialistischer Verbrechen, die Freundlichkeit gegenüber Diktaturen und so weiter drin.

                • Erwin Gabriel 9. August 2022, 14:59

                  @ Stefan Sasse 9. August 2022, 07:55

                  Man schüttelt den Kopf und schaut den Rest an.

                  Hab ich gemacht, und kam aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus. Die Welt besteht dort aus ausgebeuteten Armen und ausbeutenden Reichen, und das obere 1 % soll für alles abkassiert werden etc. Wirr.

          • cimourdain 9. August 2022, 08:45

            „Die 15 Jahre vorher waren allerdings sehr peinlich.“ Das Magazin existiert erst seit 2010…
            Ansonsten findest du vielleicht meinen Hinweis zur Namensgebung (Toussaint Louverture) an Erwin Gabriel weiter oben interessant.

        • Stefan Sasse 8. August 2022, 18:29

          Ich hab auch nicht den krassen Unfug verlinkt sondern einen spezifischen Artikel.

          • Stefan Pietsch 8. August 2022, 20:07

            Würde ich auf Tichys Einblick oder Achgut verlinken, wären viele (Du inklusive) auf den Barikaden. Vorteil: ich treibe mich gar nicht auf Seiten rum, die ich als unseriös einstufe. Und wenn mache ich Feindbeobachtung. Übrigens kritisiere ich die Leute in meinem Umfeld mit den gleichen Worten, wenn sie auf die beiden rechten Seiten oder andere der Kategorie verlinken oder zitieren. Da habe ich halt Berührungsängste.

          • Erwin Gabriel 9. August 2022, 09:19

            @ Stefan Sasse 8. August 2022, 18:29

            Ich hab auch nicht den krassen Unfug verlinkt sondern einen spezifischen Artikel.

            Ich weiß …

            Aber Stefan P. hat da einen Punkt 🙂

            Viele Grüße
            E.G.

  • Tim 8. August 2022, 11:12

    (MSNC)

    Was für ein völlig krankes Verständnis von News und Nachrichten wird hier gepflegt?

    Im Gegensatz zu ihren deutschen Kollegen haben die US-Medien verstanden, was ihre Leser und Zuschauer eigentlich kaufen: Unterhaltung. Das ist auch kein neuer Effekt oder eine Art Kollateralschaden des Internets, sondern war schon immer so.

    Die Zeitungsauflagen bröckeln, seit es Mitte der 80er Jahre private Konkurrenz in Radio und TV gab und die Familie am Frühstückstisch nicht mehr unbedingt eine Zeitung brauchte, um die Zeit zu strukturieren. Immer mehr Menschen fanden, dass diese kostenlosen Angebote besser unterhielten als das Abo für 30-40 Mark im Monat. Später gab es dann sogar das extrem auf Unterhaltung getrimmte Frühstücksfernsehen.

    Heute konkurrieren Medien nicht vorrangig mit anderen Medien, sondern mit Tiktok, WhatsApp und App-Spielen. Es geht immer darum, wie man sich in den nächsten 10 Minuten am besten die Zeit vertreiben kann.

    Natürlich gibt es Ausnahmen, auch heute zahlen Menschen für Information (für wertvolle Information sogar richtig viel). Aber grundsätzlich sollten Medien Unterhaltung verkaufen, wenn sie überleben wollen.

    • Stefan Sasse 8. August 2022, 18:28

      Das macht es halt kein Stück besser.

      • Tim 9. August 2022, 09:16

        Ah, Unterhaltung ist böse? 🙂

        • Stefan Sasse 9. August 2022, 10:48

          Nein, aber Politik als Unterhaltung machen ist nicht gut.

          • Tim 9. August 2022, 10:53

            Was wäre Dir lieber? Dass die Leute Hayday spielen? Entweder verstehe ich Deinen Punkt nicht oder Du nicht die Situation.

          • Thorsten Haupts 9. August 2022, 20:10

            Nein, aber Politik als Unterhaltung machen ist nicht gut.

            Eine noble, aber völlig lebensfremde Einstellung :-).

            Ich vertrete seit sehr langer Zeit schon die (nicht beweisbare) Auffassung, dass wir unter den Bedingungen Rechtsstaat, Sozialstaat und Pressefreiheit mehrheitsfähig zum Feudalismus zurückkehren könnten. Politik wäre da etwas für die 0,01% Insider und Profis, der Rest würde sich an opulenten Hochzeiten adliger Herrschaften, schönen Kleidern, Jagd- und Reitwettbewerben und den süffigen Berichten zu den Fehltritten des Barons von und zu Fettnapf ergötzen.

            Demokratie ist ein ebenso rationales wie empathisches Elitenprojekt und dient im wesentlichen der Sicherung von Rechts- und Sozialstaat, alles andere ist Illusion bzw. Selbstbetrug.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Stefan Sasse 10. August 2022, 09:02

              Darf ich dir zur Lektüre Hedwig Richter ans Herz legen? Die vertritt, wenngleich weniger polemisch, eine ähnliche These. Ich stimme dir weitgehend zu.

            • CitizenK 10. August 2022, 10:31

              Naja, aber 0,01 Prozent ist deutlich zu tief gegriffen. Ich würde von 5 bis 10 Prozent ausgehen.

  • Stefan Pietsch 8. August 2022, 11:25

    o) Das 9-Euro-Ticket als Anlass für Investitionen nutzen, Praxisbeispiel.

    Die ganze Dummheit des 9-Euro-Tickets in zwei Minuten. Klingbeil will den Nachfolger über eine Übergewinnsteuer finanzieren. Was mehreres bedeuten kann. Die Regierung erwartet, das die Krise dauerhaft ist. Oder sie will die Maßnahme nicht als Dauereinrichtung verstanden wissen. Vernünftiges kommt da nicht raus, außer, dass sich Linke wieder mal in Ideen austoben können, die Arbeitenden der Gesellschaft noch zu schröpfen.

    Außerdem: wer nicht völlig besoffen durch die Gegend läuft, hätte es ahnen können. Die Öko-Maßnahme der Grünen schadet eher dem Klima. Soviel zu deren Ernsthaftigkeit:

    Einer neuen wissenschaftlichen Auswertung zufolge führt es nicht dazu, dass viele Menschen ihr Auto stehen lassen. „Viele der aktuellen Daten muss man mit Vorsicht genießen“, sagte der Projektleiter öffentlicher Verkehr des Interessenverbands Agora Verkehrswende, Philipp Kosok.

    „Das, was vorliegt, sind allerdings sehr alarmierende Daten. Es deutet darauf hin, dass mit dem 9-Euro-Ticket mehr Verkehr erzeugt und vor allem kaum verlagert wird“, so Kosok. Der Versuch habe somit keine positive Klimaschutzwirkung, möglicherweise sogar eine negative, sagte Kosok weiter. „Es deutet sich an, dass wir hier keinen klaren Klimavorteil mit dieser Aktion haben.“

    Unter anderem bei Befragungen des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) als auch bei einer Untersuchung im Großraum München war zuletzt herausgekommen, dass lediglich rund drei Prozent der Befragten ihr Auto zugunsten des öffentlichen Nahverkehrs stehen ließen.
    https://www.welt.de/politik/deutschland/article240351279/Klingbeil-will-Nachfolger-des-9-Euro-Tickets-mit-Uebergewinnsteuer-finanzieren.html

  • Lemmy Caution 8. August 2022, 11:51

    vielen dank für h)
    Das klärt viele offene Fragen.

  • Stefan Pietsch 8. August 2022, 12:04

    4) „Viele werden im Winter nicht mehr jeden Raum heizen können“ (Interview mit Monika Schnitzer)

    Die noch immer lockere Geldpolitik der EZB und die Schwäche der Südländer, allen voran Italien, führen zum Wertverlust des Euro gegenüber dem Dollar. Bekam man vor einigen Monaten noch für 1 Euro knapp 1,10 US-Dollar, so liegen wir inzwischen bei Parität. Das verteuert aber erheblich die Rohstoffkosten, weil sie meist in Dollar gehandelt werden. Zudem fällt der Euro durch seinen Wertverfall als Leitwährung aus und mehr Marktteilnehmer schwenken zur Bewertung in Dollar.

    So verarmt die Eurozone. Aber wir hatten vor 30 Jahren gelebte Erfahrung mit dem Franc und der Lira. Warum müssen wir alles Schlechte mehrmals erleben ohne zu lernen?

    • Lemmy Caution 8. August 2022, 13:06

      Zu den Unsicherheiten wegen Krieg und Gasversorgung im nächsten Winter noch Zinsen hoch?
      Genialer Plan.
      In Sachen des klassischen Inflationstreibers Staatsverschuldung ist die US of A übrigens gerade dabei Italien zu überholen.
      Inflation beträgt: USA -> 9,1%, Deutschland 7,9%. Die höhere Inflation in den USA konterkariert die Auswirkung der höheren FED-Rates auf den Realzins.
      USA -> 1,75% – 9,1% = – 7,35%
      Deutschland -> 0,5% – 7,9% = -7,4%
      Die Märkte wetten aktuell nicht auf weitere Zinssteigerungen der FED.
      Wenig diskutiert wird btw, dass die Inflation ja die Schuldenlast extrem hoch verschuldeter Länder wie Italien und den USA real verringert…

      • Stefan Pietsch 8. August 2022, 13:53

        Das sind so argumentative Foulspiele, die ich Dir echt übel nehme. Jemand wie Du weiß, dass die USA traditionell um 1 – 2 Prozent höhere Inflationsraten wie Deutschland haben. Und dazu erklärst Du den Unterschied zwischen 7,9 und 9,1 Prozent für signifikant. Außerdem sind die USA wesentlich dynamischer aus der Pandemie herausgekommen als der jahrzehntelange Motor der EU-Wirtschaft. Auch das wirkt preistreibend.

        Die Kerninflation (ohne Energiepreise) in der EU liegt bei 4,0% bei einer Gesamtinflation von 7,9%. Die Kerninflation der USA beläuft sich auf 5,9% bei einer Gesamtinflation von 9,1%. Mit anderen Worten: Die Energiepreisentwicklung trifft die Amerikaner deutlich weniger.

        Die USA sind eine der dynamischsten Volkswirtschaften der Erde, die italienische eine der lethargischsten der EU. Das weiß schon ein Häuslebauer: solange ich Dampf auf dem Kessel habe und der Wohlstand mir nur zufließt, sind Schulden ein überschaubares Problem. Aber wenn nicht, dann sterbe ich daran.

        • Lemmy Caution 8. August 2022, 15:52

          Hömma: Ich argumentiere mit dem REALZINS. Das hat wirklich nix mit fieser Rhetorik zu tun. Entscheidend für Investitionsentscheidungen ist nicht der Nominalzins sondern der erwartete Realzins (d.h. näherungsweise Zins – Inflation).
          Wenn die US-Wirtschaft insgesamt so dynamisch ist, warum haben die dann seit Jahrzehnten dieses sehr hohe Handelsdefizit?
          Wenn es dort so viel besser ist, warum attrahieren die als Einwanderer überwiegend Latinos? Warum ist es für Europäer verhältnismässig unatraktiv geworden? Könnte das eventuell mit der teuren Gesundheitsversorgung, der geringen Zahl an Urlaubstagen und der geringen Attraktivität US-amerikanischer Städte zusammenhängen?

          • Stefan Pietsch 8. August 2022, 16:21

            Auch Großbritannien und Australien haben traditionell hohe Außenbilanzdefizite. Das Schöne für diese Länder: die Exportnationen finanzieren die Defizite und das inländische Wachstum. Denn zufälliger Weise (oder auch nicht) attrahieren diese Länder auch weit mehr Kapital als abfließt.

            Was macht denn ein Exporteur, der dauernd Produkte nach Übersee vertackert? Der Verkaufspreis fließt auf ein Konto. Das kann bei einer deutschen oder amerikanischen Bank sein. Unglückseligerweise für das europäische Bankenwesen ist es meist die amerikanische Konkurrenz.

            Der deutsche Exporteur kann sich dafür jetzt was in Amerika kaufen. Er kann investieren, eine Tochtergesellschaft gründen, Immobilien erwerben oder schlicht das Kapital anlegen. In all diesen Fällen profitiert allein die amerikanische Ökonomie, während die deutsche mit Kapitalexport bestraft wird.

            Aus Sicht deutscher Bürger macht es absolut Sinn, ihr Geld auf dem amerikanischen Markt anzulegen. Nur fehlt es damit hier. Das ist das, was hiesige Voodoo-Keynesianer nicht verstehen.

            • Lemmy Caution 8. August 2022, 18:43

              Für Australien hat sich das mit dem Außenhandelsdefizit in den letzten Jahren gedreht. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/15606/umfrage/handelsbilanz-von-australien
              UK ist für mich ökonomisch nicht wirklich satisfaktionsfähig.

              Der deutsche Exporteur kann seine Gewinne auch einfach ins Heimatland repatriieren. Aber es stimmt schon: In Deutschland wird zu wenig investiert. Mögliche Erklärung wären die vielen lukrativen Investitionsmöglichkeiten im nahen Ost-Europa in den letzten Jahren.

              Bei meinem Ersparnissen schlagen sich aktuell die US-zentrierten am besten… die einzigen mit ein bisser plus .. machen leider nur 15% aus. Die Deutschen (35%) waren das letzte Jahr Katastrophe. Chilenische Staatsanleihen (10%) auch übel, aber die kommen wieder. Europa-Fond dreht wieder ins gerade-noch-erträgliche. Ostasien: nicht gut, aber erträglich. Schichte nicht Richtung USA um, weil ich die für überbewertet halte. In den letzten 4 Jahren eine Fehleinschätzung.
              Wie mehrfach angemerkt: Bin das Gegenteil von einem Daytrader. Haltefristen unter 10 Jahre fällt bei mir unter hektisches Zocken.

              Wenn Du meinst, ich wäre ein „Vodoo Keynesianer“… für mich nicht mal eine Beleidigung, weil das bin ich definitiv aber sowas von überhaupt nicht.
              Find genau diesen Ansatz höchst spannend: https://www.youtube.com/watch?v=RTWXK0z0f2o&t=2s . Hab angefangen ihr ebook zu lesen. Noch nicht klar, ob man diese Richung von-Wolffersdorffist oder Jeannetist nennen sollte. Letzteres klingt besser. Oder Ordoliberalismus für das 21. Jahrhundert.
              Wenn die in den USA wieder sowas wie Trump oder ähnliches wählen, spielen die politisch in der Sachsenliga und natürlich wird das langfristig Auswirkungen auf die Wirtschaft haben.

              • Stefan Pietsch 8. August 2022, 20:18

                Ich hatte zu dem Thema mal einen guten weil sehr aufwendigen Artikel geschrieben.
                https://www.deliberationdaily.de/2016/08/linke-wirtschaftsmythen-2-exportweltmeister-deutschland-und-das-leben-unter-den-verhaeltnissen/

                Es gibt viele Länder, die traditionell importieren. Aus dem Ergebnis der Handelsbilanzen lassen sich entgegen Deiner These keine Rückschlüsse auf die Lebensqualität und die Wirtschaftsstärke einer Volkswirtschaft ziehen. Das ist ein ziemlicher Schlag ins Kontor aller Exportkritiker. 😉

                Die Frage ist daher nicht, wie viel exportiert ein Land, sondern: wo bleibt das Geld. Und es gibt wenige Argumente, es in Europa zu lassen.

                Mit Voodoo-Keynesianer meinte ich nicht Dich. Hey, Lemmy, ich will Dir doch nicht (unnötig) vors Schienbein treten. Ich bewundere Dich für Deine Vita und Deine vielen Jahre in Südamerika – und das ist keine Honig-Maul-Geschichte.

                • Lemmy Caution 8. August 2022, 22:59

                  Habs damals nicht gelesen, aber ich kenne die Argumentation ja. Kapital-Export bewirkt, dass dieses Vermögen vererbbar in Deutschland bleibt, es sei denn der Halter wird Schweizer oder so.
                  Starke Exporte in einem Hochlohnland bewirkt in jedem Fall die Schaffung von einer Menge anspruchsvoller Tätigkeiten. In der u.a. von Ricardo Hausman vertretenen Entwicklungsökonomie haben Exporte eine sehr wichtige Funktion. Es geht da aber weniger um das Saldo, sondern um die Fähigkeit schrittweise in stärker humankapitalintensive Sektoren hineinzuwachsen. Dafür sind Deutschland, Südkorea und China sehr gute Beispiele.
                  Die von dir damals attestierte Wachstumsstärke der Türkei ist schlecht gealtert. Australien hat heute starke Exportüberschüsse. Tourismus taucht in der Handelsbilanz nicht auf, deshalb können sich viele Südländer diese Defizite leisten.
                  Australien ist übrigens ein interessantes Beispiel. Als Rohstoffexporteur mit relativ wenig Einwohnern gelang denen Weltmarktführerschaft in bestimmten kapitalintensiven Nischen von Bergbau-Maschinen.
                  Wir sehen wohl beide Frankreich als ökonomisch problematischer als Deutschland an. Interessant ist in diesem Zusammenhang die unterschiedliche Entwicklung der Anteile Deutschlands und Frankreichs am Weltexport. Das sieht nicht gut aus für unsere sympathischen Freunde westlich des Rheins -> https://de.wikipedia.org/wiki/Welthandel/Tabellen_und_Grafiken#Exporte
                  Natürlich übersehen viele linke Ideologen, dass es bei Exporten erstmal um harte Arbeit und eben nicht um lauschige Dominanz und f*cking Geostrategie geht.
                  Natürlich ziehen die Importeure nicht selten größeren Nutzen aus unseren Qualitätsprodukten als der Preis. Ich kenne in der Region Ñuble einen Mann, der mit dem refurbishment von allerhand second hand Agrarmaschinen aus oft deutscher Produktion gut Geld verdient, aber das ist ein feature, kein bug der globalen Marktwirtschaft. Chile scheint aktuell viel ungenutztes Land nördlich des Bio Bio (500 km südlich der südlichsten Kaktee) mit Solaranlagen vollzustellen, ohne dass die die Entwicklungskosten in v.a. China aber auch Deutschland 1 zu 1 bezahlen.
                  Ich selbst hänge an der Nadel von IT-Tutorials, die für mich nur so kostengünstig sein können, weil Leute aus einkommensschwächeren Ländern den gleichen Preis wie ich zahlen.
                  Wir wissen beide, dass man sich als erfolgreicher Exporteur gegen viel mehr Wettbewerber durchsetzen muss. Die vielfältigen positiven Wirkungen des Wettbewerbs gelten schon seit Adam Smiths als Erfolgsgaranten eines markwirtschaftlichen Systems. Ein engerer Kreis von Anbietern führt leicht zu marktschädigenden diskretionären Absprachen.

                  • Stefan Pietsch 9. August 2022, 10:15

                    Auch in dem Artikel hatte ich nach dem Generellen gesucht, deswegen die Betrachtung über Jahrzehnte und Herausstellung von Ländern mit ausgeprägten Tendenzen. Ich war nie ein Handelsbilanzfetischist und die Untersuchung hat mich bestärkt. Der Wohlstand einer Volkswirtschaft hängt an einer Reihe von Kriterien, nicht an einem.

                    Die Türkei ist in Richtung Staatsdiktatur abgebogen, daher muss sie wie China aus der Wertung genommen werden. Ich vergleiche nur freie marktwirtschaftliche Systeme. Frankreich wird ganz offensichtlich durch seine rasant wachsende Staatsverschuldung geschädigt.

                    Ich war einmal für über einen Monat in Australien. Ich fand das Land faszinierend und abschreckend zugleich. Die Menschen haben eine unglaubliche Lockerheit und wenn wir hier von Work Life Balance reden, dann sollten wir uns das mal in Down Under ansehen! Aber gleichzeitig sind die Menschen in den großen Städten eingesperrt, Reisen ist fast ausschließlich nur mit dem Flugzeug möglich. Außerhalb der Städte ist praktisch nichts, nicht einmal ländliche Idylle.

                    Was hältst Du eigentlich von dem chilenischen Konzept des Aufbaus einer Wasserstoffindustrie? Dem Land steht enorme Mengen an Sonnenenergie zur Verfügung, die zur Synthese genutzt werden kann, zu niedrigen Kosten. Das Land ist dünn besiedelt und gebirgig, was sich als vorteilhaft für regenerative Energien erweist. Es sind ja zahlreiche Länder in den Aufbau einer Wasserstoffindustrie eingestiegen, Marokko könnte der wichtigste Lieferant der EU werden.

    • Lemmy Caution 8. August 2022, 13:19

      10% Schwankung sind für die Rohstoffmärkte der letzten 2 Jahre absolut lächerlich. Such mal nach den Preisen für Kupfer und Soja, 2 Preise ohne die man chilenische und argentinische Wirtschafts-Politik nicht versteht.

  • Tim 8. August 2022, 12:35

    So verarmt die Eurozone. Aber wir hatten vor 30 Jahren gelebte Erfahrung mit dem Franc und der Lira.

    Glücklicherweise ist die EU ja dank Lissabon-Strategie seit 2010 die wettbewerbsfähigste Region der Erde. Wir können den weisen Planern nur dankbar sein.

  • Dennis 9. August 2022, 10:14

    1)

    Bezeichnet am Ende des Tages und runtergekocht eigentlich DAS Grundproblem von Parteien, die sich mehr oder weniger, aber jedenfalls so einigermaßen, als links verstehen. Wagenknechts Argumentation in ihrem letzten Buch, das hier auch mal besprochen wurde, geht im Grunde in die selbe Richtung; da hieß es aber nicht „ich stimme der Argumentation weitgehend zu“ ^^. Das lag womöglich am polemischen und schrillen Ton der Frau W. sowie an deren Reputation, die sich zudem zwischenzeitlich aus anderen Gründen weiter verschlechtert hat.

    „Reaching rural citizens requires recasting the discussion away from divisive “group”-oriented themes toward more inclusive and crosscutting ones, such as class dynamics.“

    …sagt der Autor des verlinkten Artikels. So isses. Hässlicherweise ist das Problem allerdings nicht nur ländlich, sondern betrifft – jedenfalls hierzulande – nicht weniger die städtischen Gebiete mit den großen Miets- und Hochhäusern. Die kultur-konservativen „kleinen Leute“ mit dem dünnen Portemonnaie wieder anzusprechen wäre doch mal ne richtig schöne Aufgabe für „Diversity“. Aber so ist „Diversity“ offenbar nicht gemeint^, denn…

    Zitate:
    „Of course, progressives care about such things as working-class wages, but when they do, it’s often down their list of priorities. Still, others find it distasteful to solicit voters they regard as racist, misogynistic, and so on.

    finger-wagging about white privilege is not well received by farmers and miners who don’t feel especially privileged.  “

    ……das dürfte das Problem bezeichnen.

    Zitat Stefan Sasse:
    „Die aktuellen Vorgänge in Kansas, einem Staat, der das letzte Mal 1964 blau war “

    Tja, das waren noch Zeiten:

    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/c/ce/ElectoralCollege1964.svg/540px-ElectoralCollege1964.svg.png

    Der bis dato fetteste Wahlsieg (drüben) aller Zeiten, jedenfalls mal – ab heute – seit hundert Jahren oder so (in Prozenten „nationwide“ gerechnet). LBJ jedenfalls ist linke Koalitionsbildung optimal gelungen, wenngleich selbige alsdann wegen der „whore Vietnam“ (O-Ton LBJ) wieder verloren ging.

    So was (also eine breite, einigermaßen linke Koalitionsbildung) sei heutzutage wegen des „gesellschaftlichen Wandels“ auf beiden Seiten des Teiches unmöglich, könnte man einwenden.

    Dafür gelingt der Rechten das Zusammenbasteln von heterogenen gesellschaftlichen Koalitionen umso besser^, wie z.B. dem Boris beim Brexit oder auch Marine Le Pen, die den vom alten Le Pen geerbten Neu-Liberalismus weitgehend entsorgt hat…

    https://www.lemonde.fr/en/politics/article/2022/04/21/how-marine-le-pen-gave-up-economic-liberalism-for-a-social-populist-agenda_5981169_5.html

    Okay, Populismus ist ein Schimpfwort. Aber wie will man Politik machen ohne populär zu sein ?

    • Stefan Sasse 9. August 2022, 10:51

      Die Koalition brach nicht wegen der whore Vietnam, zumindest nicht hauptsächlich. Es war der Civil Rights Act von 1965.

    • bevanite 14. August 2022, 18:14

      Der entscheidende Satz im oben verlinkten Artikel ist wahrscheinlich das nur beiläufig erwähnte „acres don’t vote. Only people do.“ Die Frage ist, ob der „urban-rural divide“ nicht ein kleines bisschen überschätzt wird. Rein demographisch gesehen ist das eine Sache, die schon seit mehreren Jahrzehnten zugunsten der Städte entschieden ist – dort leben die meisten Menschen. Wenn man dann noch bedenkt, dass die Demokraten schon im späten 19. Jahrhundert und dann endgültig unter F.D. Roosevelt zur „urbanen Partei“ wurden (dort lebte ihre Kernwählerschaft), ist das mehr oder weniger eine logische Entwicklung. Gleiches gilt auch für Europa: schauen Sie sich mal Karten von Reichtstagswahlen aus dem Kaiserreich ein, da war die SPD ebenso in urbanen Zentren am stärksten, wie es Zentrum, Freikonservative und Deutschkonservative auf dem Land waren. In den USA kommt natürlich noch das „gerrymandering“ hinzu.

      Auch werden in dem Artikel die Bevölkerungsverschiebungen der letzten Jahrzehnte etwas ausgeblendet. Dass Clinton/Gore mehr Wähler auf dem Land ansprachen, könnte zum einen mit ihrem doppelten Südstaatler-Bonus zusammenhängen, aber auch mit dem einfachen Fakt, dass ihre früheren Wählerinnen und Wähler in größere Städte gezogen sind. Selbst aus schrumpfenden Städten ziehen Menschen nur in geringer Zahl aufs Land, sondern in andere Städte: Was Cleveland, Cincinnati und Detroit verloren, gewannen Columbus, Albuquerque oder Tucson hinzu.

      Der Trend ist global und seit 150 Jahren ziemlich konstant. In meiner Schulzeit war mal die Rede von „Suburbanisierung“, aber seit 20 Jahren kam es eher zu einer Neo-Urbanisierung. Während der Pandemie hörte man gelegentlich die schrille These, nach der die Städte aufgrund von Heimarbeit und Digitalisierung aussterben würden. Fakt ist, dass bereits jetzt, wo die Pandemie noch nicht mal ganz vorbei ist, Städte tendenziell eher wachsen als schrumpfen und die These vom Sterben der Städte damit auf dem Level von „Who wants to hear actors talk?“ ist.

      Sich von den Themen der „Urbanen“ zu distanzieren, wäre aus zweierlei Gründen für die Demokraten fatal. Zum einen leben auf dem Land ja nicht nur Waffennarren, Klimawandel-Leugner oder Rednecks; und gerade die „anderen“ wollen auch repräsentiert werden. Außerdem: Wer kann eine Partei noch ernstnehmen, die sich von ihren eigenen Grundsätzen distanziert? (Klimawandel ist ja tatsächlich nicht mal im eigentlichen Sinn ein politisches Thema, da es alle unabhängig von ihrer Ideologie betrifft.)

      Und da Sie Wagenknecht nannten, gilt das auch für die Linkspartei in Deutschland. Wer sich mehrere Jahrzehnte die Gleichberechtigung von Minderheiten ins Programm schreibt, aber sie dann als „obskur“ in die Tonne kloppt, verliert Stallgeruch.

      Viele der Probleme, vor denen die ländlichen Communities stehen (Infrastruktur, Gesundheitswesen, Arbeitsplätze), werden ja auf Staaten- oder Gemeineebene entschieden. Um also in vielen ländlichen „counties“ konkurrenzfähig zu werden, müssten die Demokraten erst mal alles daran setzen, das „gerrymandering“ rückgängig machen und danach einfach mehr Präsenz zeigen – das reicht oft schon aus.

      Und was Le Pen betrifft: wie ernst sie es mit ihrer „sozialen“ Seite meinte, konnte man bei den Protesten gegen die geplanten Rentenkürzungen erleben, mit denen sie sich nicht solidarisierte. Auch wird sie auf der französischen Rechten inzwischen von Leuten wie Eric Zemmour, Robert Menard und ihrer eigenen Nichte, die alle eher ein neoliberales Profil haben, überholt.

      • Stefan Sasse 14. August 2022, 19:31

        Also vorweg: nein, das wird nicht überschätzt. Kaum ein Indikator sagt so zutreffend Wahlergebnisse voraus wie der rural-urban-divide. Das allein macht ihn super wichtig. Dass acres offensichtlich voten, ist demokratietechnisch ein gewaltiges Problem. Eine gewisse Verzerrung lässt sich nie komplett ausschließen, aber in den USA nimmt das mittlerweile rotten-boroughs-Ausmaße an. Oder, für einen lokaleren Vergleich, sieht aus wie die Wahlkreiseinteilung im Kaiserreich.

        Die Democrats waren auch mitnichten schon im 19. Jahrhundert die Partei der Städte. Sie kontrollierten über die „machines“ einige Städte, etwa Chicago oder New York, aber im Süden waren die Democrats eine dezidiert ländliche Partei, und die Republicans hatten die Städte. Der Grund dafür ist recht simpel: die ländlichen Südstaaten wählen reaktionär damals wie heute, und im 19. Jahrhundert waren die Dems die reaktionäre Partei, heute sind es die Reps.

        Dass die Vertretung der ländlichen Gegenden wichtig ist, ist absolut korrekt. Dass die Linke da praktisch in allen westlichen Ländern ein massives Problem hat, auch. Aber das ändert nichts am Divide oder der Verzerrung.

  • cimourdain 9. August 2022, 10:34

    2) Ein Gedanke, der mir dazu mal wieder gekommen ist: Vielleicht ist der Unterschied zwischen Präzedenzrecht und kodifizierten Recht sogar die Wurzel des unterschiedlichen Staatsverständnisses in den angelsächsischen und kontinentaleuropäischen Ländern.

    3) zwei Punkte, die deiner Argumentation entgegenstehen: Erstens unterschlägst du die massiven Markteinstiegshürden, die ein Mehrheitswahlrecht neuen Parteien auferlegt. Zweitens reduzierst du Politik auf die eine links-rechts Dimension, in Wirklichkeit gibt es sehr viele ‚Entscheidungsdimensionen‘, die durchaus Platz für neue Parteien liefern. In einem Verhältniswahlsystem gäbe es z.B in den USA eine grüne Partei (erinnerst du dich an Nader).

    6) Von welchen Mitspracherechten sprichst du konkret? Mir klingt das sehr nach einer populistischen Phrase. In Wirklichkeit gibt es (je nach Bundesland) in der Bauordnung eine Widerspruchsfrist von einem Monat (Bayern) nach der öffentlichen Bekanntgabe eines Bauvorhabens. Sieh dir die Projekte an, bei denen Zeit und Kosten zu hoch waren. Da wirken eher Mechanismen aus Fundstück 7) : Systematisch kleingerechnete Kosten; Verwaltung organisiert das Projekt selbst; Die Gewerke werden nicht über einen Generalunternehmer abgehandelt sondern möglichst kleinteilig einzeln vergeben; Bei der Auftragsvergabe (die womöglich europaweit erfolgen muss), gilt ein Gebot des billigsten Anbieters.

    8) Gratuliere: Sie haben doublethink erreicht: ‚Nichteinmischung ist Einmischung‘
    Wie jedes Mal (denke an die ‚uneingeschränkte Solidarität‘ nach 9/11) soll „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ schlicht und einfach eigenständiges Denken ausschalten. [Was manchen nicht unrecht ist, siehe Fundstück 3) vom 01.08.2022]

    10) angenehm vom Kulturkampf entfernter Artikel mit sehr klar erkennbaren Aussagen: a) Es sind wenige Einzelfälle betroffen; b) diese lassen sich mit etwas Pragmatismus und wechselseitigen guten Willen entscheiden und c) auch den Betroffenen vermitteln.

    l) ok, beim zweiten Hinschauen bleibt nicht mehr viel übrig von deinem (etwas sensationsheischenden) Anreißer: – es geht nur um Kalifornien; – es handelt sich erstmal nur um Investitionsanreize, wie viel realisiert werden ist die Frage; – der weitere ‚Anreiz‘ ist nur ein Zwang, neue Fahrzeuge anzuschaffen, was klimatechnisch erstmal schlechte Nachrichten sind.

    s) leider ein falscher Zusammenhang zwischen zwei länger bekannten Phänomenen: – Natürlich werden ’die Reichen‘ genauso belastet wie ‚die Armen‘, sie spüren es nur weniger. Und letztere zu belehren ist auch hässliche Tradition seit den Hartz-Reformen. Das dient auch eher dazu, Distanz zwischen der Mittelklasse (die von den Medien dafür ‚Spartips‘ kriegt) und denen ‚unten‘, die eines Paternalismus bedürfen, zu schaffen.

    t) Instrumentalisieren tun immer nur die anderen… Mich erinnert nicht nur Argumentationsweise, sondern auch die Wahl der Begrifflichkeiten fatal an die AfD, die auch gerne vor der ‚Instrumentalisierung‘ der deutschen Geschichte gewarnt hat – nur eben mit anderer Stoßrichtung. Und hatten wir nicht bei Richters Demokratie-Buch nicht auch beobachtet, wie sie eine sehr selektive Auswahl bei den Perspektiven einnimmt – mithin wortwörtlich selbst die deutsche Geschichte im Sinne der eigenen Agenda instrumentalisiert.

    • Stefan Sasse 9. August 2022, 10:53

      2) Ist mit sicherheit ein Zusammenhang, ja.

      3) Jepp. Hast du mal geschaut, wie viel Prozent die grüne Partei in Wahlen erreicht in den USA? Die pure Existenz von dritten Parteien ist irrelevant. Auf unseren Wahlzetteln sind auch, was, 40 Parteien gelistet? Relevant sind trotzdem nur sechs.

      10) Jepp.

  • Tobi 9. August 2022, 13:49

    4)
    Das es überhaupt Gasmangel geben muss, liegt doch nur an der Weigerung der Regierung, einfach Nord Steam 2 zu öffnen, denn dann schon herrscht kein Mangel an Gas, dann fallen die Preis automatisch. Füllt die Speicher, soweit es geht, dann können Sie ja wieder zudrehen.
    Verlässlichkeit ist wohl auch kein Wert mehr, den eine Regierung anstreben sollte, oder?

    Wie ich im Artikel zur westlichen Strategie beschrieben habe ist das unabhängig Machen von russischem Gas das sicherste Rezept, mittelfristig das Problem zu lösen.

    Tja, dann sollte man aber auch erst mal unabhängig davon sein, bevor man seinem Lieferanten den Stinkefinger zeigt.

    Wenn das auf Kosten der Normals geht, denen nun eine 6 fach höhere Abschlagszahlung ins Haus flattert, wie bei meiner Mutter (das übersteigt die Kaltmiete um einiges), dann habe ich nicht das geringste Verständnis für so ein Verhalten.
    Oder auf Kosten der Krankenpfleger, die nach der Spätschicht nicht mehr duschen können, weil jemand feste Zeiten für Warmwasser für eine gute Idee hielt und die nicht mehr wissen, woher das Geld für die Energie kommen soll?
    Weil es ja auch in der Sache nichs bringt und auf „lange Sicht“, wo das angeblich wirken soll, ist meine Mutter obdachlos und die meisten alten Menschen schlicht tot sind, muss das sofort aufhören.
    Der Irrsinn, das angeblich wegen dieser Gruppe (vulnerable alte Menschen) die Wirtschaft abgewürgt wurde und die nun im Regen stehen gelassen werden, ist nicht mehr zu fassen.

    8)
    Der Krieg wird sicher nicht damit enden, dass ukrainische Panzer über den Roten Platz rollen. Und auch dank westlicher Hilfen erscheint es zunehmend unwahrscheinlicher, dass die russische Trikolore über Kiew aufgezogen wird.

    Ach ne, die Ukraine wird Russland nicht besiegen? War das denn nicht der Sinn der Waffenlieferung?
    Welcher Krieg hat nicht mit Verhandlungen geendet? Warum soll das auf einmal etwas schlechtes sein?

    Es war offiziell nie das Ziel, Kiew einzunehmen, das wird den Russen wohl eher weniger ausmachen, welche Fahne da weht. Solange die Regierung aufhört, mit atomarer Bewaffnung zu drohen und die Separatistengebiete zu bekriegen, wie es seit 2014 der Fall war, ist den Russen wohl egal, wer da am Ruder sitzt.

    Die Alternative zu Verhandlungen sind weitere Tote und mehr Zerstörung, ist das gewollt?

  • Thorsten Haupts 9. August 2022, 20:41

    Zu 10) dass wenn sie die Option hätten, ihr Geschlecht selbst zu definieren, sie sich sofort als Frau erklären …

    Auch wenn sie das nicht tun würden – sie hätten die (kostenfreie) Option und bei Erfüllung der Forderungen der Transaktivisten (Geschlechts-Selbstdefinition ab 7 bis 14 Jahren Alter) gäbe es keine geschützten Räume für Frauen mehr.

    Zu s)
    Nettes Anschauungsbeispiel für den absolut typischen deutschen Doppelstandard bei Links- und Rechtsradikalismus. Postete ich hier Artikel der Achse des guten oder Tichys Einblick, hätte ich 5 Minuten später ein halbes Dutzend Belehrungen darüber, was das für schreckliche Publikationen sind … Danke dafür :-).

    Zu t)
    Und das ausgerechnet im Zentralorgan deutschen Bequemlichhkeitspazifismus …

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 10. August 2022, 09:03

      10) Und genau das ist falsch.

      s) Nun, ich hatte fünf Minuten später mehrere Belehrungen darüber, wie schrecklich diese Quelle ist. 😀

      • Thorsten Haupts 11. August 2022, 21:46

        Zu 10):
        Ich sprach von den Forderungen der Trans-Aktivisten. Die da lauten (Belege liefere ich auf nNchfrage im Hunderterpaket nach):

        1) Jede/r kann sich jederzeit im Leben sein Geschlecht selbst aussuchen. Sobald er/sie das getan hat, ist er/sie so zu behandeln, wie es der Erklärung entspricht
        2) Ausschliesslich das selbst gewählte Geschlecht bestimmt den Zugang zu sämtlichen geschlechtsspezifischen Räumen und die Anwendung sämtlicher geschlechtsspezifischer Regeln, so vorhanden
        3) Niemand ist berechtigt, die Erklärung, den Zugang und die Regelanwendung in Frage zu stellen, zu kritisieren oder zu überprüfen

        Wenn das gilt – und das kann ich nachweisen – , was ist dann an der Aussage falsch „Erfüllung der Forderungen der Transaktivisten (Geschlechts-Selbstdefinition ab 7 bis 14 Jahren Alter) gäbe es keine geschützten Räume für Frauen mehr“ ???

        Kannst Du bestimmt auflösen, nur zu.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 12. August 2022, 17:08

          „Die“ Transaktivist*innen gibt es ja nicht. Du hast radikale Leute mit Maximalforderungen, und du hast andere Strömungen.

          • Thorsten Haupts 12. August 2022, 17:37

            Aha. Gib mir einen Namen und ich stöbere mal a weng in der Social Media Historie. Da kommt immer ein Radikaler zum Vorschein. Und nein, Leut, die sich AUCH mal zum Thema geäussert haben, gehören nicht zu den Aktivisten.

            Aber wir sind ja auch schon einen Schritt weiter – es gibt also die radikalen Aktivisten, mit deren Forderungen Schutzräume für Frauen nicht mehr existieren würden. Wurde vorhin noch pauschal als „falsch“ gelabelt.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Thorsten Haupts 13. August 2022, 21:50

              Füge noch hinzu, dass die von Stefan so genannten „Radikalen“ in den USA die Hauptströmung bilden – da ist in Medien, Kultur und Bildung die kleinste Kritik daran oder Abweichung davon beruflich tödlich.

    • cimourdain 10. August 2022, 11:55

      s) i) hat Stefan ein halbes Dutzend Belehrungen bekommen, was für eine furchtbare Seite er verlinkt hat.
      ii) Ironiefrei : Machen Sie es einfach. Sie sind souverän genug, solche Belehrungen abtropfen zu lassen oder als Bestätigung zu sehen. Und ich freue mich über interessante Gedanken außerhalb meines Tellerrandes – selbst wenn sie (siehe meinen Kommentar weiter unten) mein ‚Sittlichkeitsempfinden‘ grob verletzen.

  • cimourdain 9. August 2022, 21:34

    s) Ich habe mir den Artikel zur französischen Revolution angesehen, an dem sich Erwin Gebriel so reibt.
    https://jacobin.de/artikel/slavoj-zizek-die-haitianische-revolution-hat-die-franzosische-revolution-vollendet-interview-jakobiner/
    Zizek ist ein notorischer Provokateur, der gerne Aufmerksamkeit durch ‚unmoralische‘ Thesen generiert. Dennoch kann man – wenn man sich ohne Moralisieren auf die Analyse beschränkt – zumindest zwei Erkenntnisse aus dem Interview herausholen, die nicht nur sachlich bestätigt, sondern auch relevant für das Geschichtsverständnis (und auch das der Gegenwart) sind:
    – Es gibt bei Gewaltherrschern einen furchtbaren Teufelskreis zwischen steigender Paranoia des Machthabers (die manchmal sogar berechtigt sind) und immer mehr Terror.
    – Bei der Restauration durch die ‚konterrevolutionären‘ Thermidorianer gab es ‚weissen Terror‘, der vergleichbar blutig war wie der terreur der Jakobiner. Dieser wird aber komplett aus Gechichtsdarstellungen und Geschichtsbild ausgeblendet.

    • Stefan Sasse 10. August 2022, 09:07

      Ich hab gerade auch mal reingelesen, aber bereits die Eingangsthesen sind Blödsinn (so sehr ich für einen differenzierten Blick auf die Revolution bin, aber das haben andere in letzter Zeit wesentlich besser gemacht). Danton und so weiter waren schuldig. Toll. Darum geht es doch aber gar nicht! Die Attentäter vom 20. Juli waren auch schuldig. Es geht nicht darum, ob der Tatbestand erfüllt ist, sondern aus welchen Motiven und wie der Prozess erfolgt. Auch Zizeks messerscharfe Schlussfolgerung, man habe „40% Chance mit dem Leben davonzukommen“ ist Unfug. Das ist ja kein Würfelwurf! Viele Angeklate hatten keinerlei Chance, völlig unabhängig von den Tatbeständen, weil es politische Prozesse waren. Dass Zizek das nicht anerkennt, diskreditiert die ganze folgende Argumentation. Nur als Start…

      • cimourdain 11. August 2022, 08:30

        Also bitte: Er sagt schon im ersten Satz direkt, dass er vorhat, Linksliberale trollen. Ich weise extra darauf hin, dass das sein ‚Kerngeschäft‘ ist. Und dann kommst du und gehst voll drauf ein.

    • bevanite 13. August 2022, 14:47

      Korrekt. Überhaupt sei es jedem mal empfohlen, sich mit der Situation Frankreichs vor 1789 genauer zu beschäftigen, das dürfte die Perspektive etwas schärfen (Stichwort „la grande peur“). In diesem Fall war es eben so, dass extrem krasse Ungleichheit zu großen Gewaltexzessen auf allen Seiten führte. Wobei es kurioserweise die gemäßigten Girondisten waren, die die Revolution exportieren wollten und damit die Gesellschaft militarisierten.

  • Erwin Gabriel 10. August 2022, 00:19

    cimourdain 9. August 2022, 21:34

    s) Ich habe mir den Artikel zur französischen Revolution angesehen, an dem sich Erwin Gabriel so reibt.

    Ich habe mir nur verwundert die Augen gerieben … 🙂

  • CitizenK 12. August 2022, 13:30
    • Stefan Pietsch 12. August 2022, 13:56

      Sehr vernünftig – als Empfehlung zum Selbstschutz.

      • Thorsten Haupts 12. August 2022, 14:41

        Und als Empfehlung zum Fremdschutz ebenso! Eine Maskenpflicht ist unter bestimmten Umständen absolut sinnvoll, Verstösse dagegen meist ein Zeichen brutaler Dummheit oder ebenso brutaler Gleichgültigkeit gegen andere Menschen.

        • Stefan Pietsch 12. August 2022, 16:08

          Das sind zwei paar Schuhe. Empfehlung ist etwas völlig anderes als eine Pflicht. Und wenn der Staat etwas unter Strafandrohung anordnet, muss dies weit, weit mehr sein als „wäre gut, wenn jemand etwas macht“.

          Übrigens gibt es ein Grundrecht auf Dummheit.

          • Stefan Sasse 12. August 2022, 17:13

            Nicht, wenn du damit anderen schadest. Theoretisch gesehen kann ich auch in einem Anzug aus lauter nach außen gerichteten Messerspitzen in den Bus steigen, praktisch würden glaube ich Leute protestieren. „Brutale Gleichgültigkeit“ trifft es schon.

            • Stefan Pietsch 12. August 2022, 20:10

              Ich gebe Dir mal ein Rechenbeispiel. Derzeit gelten rund 290.000 Menschen in Deutschland als infektiös. Erhöhen wir das wegen der Dunkelziffer auf 800.000, das sind knapp 1% der Bevölkerung. Sagen wir, nur ein Viertel davon geht zu der Zeit unter die Leute, weil es den meisten so übel ist, dass sie lieber auf der heimischen Couch oder Bett bleiben. Dann sind es 200.000. Dein theoretisches Maximalrisiko, auf einen Infizierten zu treffen, liegt folglich bei 2,4 Promille. Jetzt musst Du jedoch eine gewisse Zeit – 1 1/2 -2 Minuten bis nahe bei jemanden stehen, um einem tatsächlichen Ansteckungsrisiko zu unterliegen. Wie oft stehen wir am Tag so lange neben jemanden? Die meisten kein einziges Mal. Gewichten wir das also mit dem Faktor 2%.

              So, jetzt lernen wir aber, dass man mit Maske sein eigenes Infektionsrisiko erheblich senken kann. Ich meine mich zu erinnern, dass man mit Alltagsmaske erst nach 4 Minuten ein Infektionsrisiko hat, wenn man mit jemanden auf Tuchfühlung ist. Ich weiß nicht, wie ich das übersetzen soll, nehmen wir einfach an, dass eine Alltagsmaske das Infektionsrisiko für einen selbst auf ein Zehntel absenkt.

              Dann schauen wir auf das Ergebnis:
              Uih, wenn Du selbst alle Vorsichtsmaßnahmen, insbesondere Masketragen, berücksichtigst, liegt das Risiko, dass Dich ein Maskenverweigerer infiziert, bei 0,000004819%. Wegen diesem nicht messbaren Risiko hältst Du eine allgemeine Maskenpflicht für verhältnismäßig? Nicht wirklich, oder?

  • Thorsten Haupts 13. August 2022, 14:30

    Zu h):

    Die deutsche Energiewende in einem Bild (weltweite Strompreise kw/h):

    https://de.globalpetrolprices.com/electricity_prices/

    • bevanite 13. August 2022, 17:37

      Da sieht man eher, dass diese Statistik nur bedingt was taugt. Immerhin zeigt es, dass die Mär, nach der in Deutschland die teuersten Strompreise der Welt gezahlt werden, Quatsch ist.

      Wenn man das mit dem Human Development- oder Freedom House-Index in Verbindung setzt, könnte man übrigens fast meinen: je freier und wirtschaftlich entwickelter ein Land, desto höher die Energiepreise.

  • Thorsten Haupts 13. August 2022, 19:00

    Immerhin zeigt es, dass die Mär, nach der in Deutschland die teuersten Strompreise der Welt gezahlt werden, Quatsch ist.

    Ja, wir sind nur Viertteuerster und nur zweitteuerstes entwickeltes Land.

    … je freier und wirtschaftlich entwickelter ein Land, desto höher die Energiepreise.

    Bestimmt. Schweden, nur 50% günstiger als Deutschland, ist ja gemeinhin als gefährliche Diktatur bekannt.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

Leave a Comment

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.