Mehrere Monate lang war es still um die FDP, als der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine vor allem Sicherheits- und Energiepolitik ins Zentrum rückte, die beide nicht in das Portfolio der Partei fallen. Ich habe an dieser Stelle immer wieder darauf hingewiesen, dass sich das wieder ändern wird, sobald Themen aus den FDP-geführten Ministerien die Agenda bestimmen. Und wer hätte es gedacht (Fangfrage: alle), genau das ist der Fall. Es ist wohl ein Symptom für die auch nach Merkel immer noch beherrschende Unernsthaftigkeit der deutschen Politik, dass ausgerechnet das 9€-Ticket Lindner wieder ins Scheinwerferlicht katapultierte. Aber das Thema ist, wie auch die Debatten hier im Blog gezeigt haben, dermaßen identitätspolitisch aufgeladen, dass Lindner kaum daran vorbeigehen konnte. Stattdessen sprang er mit beiden Füßen hinein. Ich will versuchen, die Geschichte auf zwei Ebenen zu besprechen: einmal der Politics-Ebene, auf der auch der ganze identitätspolitische Unfug, die möglichen Auswirkungen auf Wahlchancen und so weiter vonstatten gehen, und einmal die Policy-Ebene, wo wir darüber sprechen, welche Ziele hier eigentlich verfolgt werden sollen und welche konkreten Policies dahinterstehen. Es sei den geneigten Lesenden überlassen zu beurteilen, wie gut mir das gelingt.
Zuerst zur Politics-Seite. Ob in einer bewussten Ansprache an die eigene Basis oder einfach nur aus Gewohnheit und Prägung benutzt Lindner eine Sprache, die ideologisch aufgeladen ist und maximalen Widerstand bei bestimmten Gruppen der Bevölkerung (nicht gerade der FDP-Kernwählendenschaft, selbstverständlich) hervorruft. Wie berechtigt und übertrieben dieser Widerstand ist, wäre glaube ich einen eigenen Artikel wert; für unser aktuelles Thema reicht aus, dass er existiert.
Dies beginnt etwa bei der Verwendung der Rhetorik über „starke Schultern“, der „arbeitenden Mitte“, „Leistungsträgern„, und ähnlichen Begriffen, in denen klare Abgrenzungen in der Wertigkeit von Menschen innerhalb der Gesellschaft vorgenommen wird (genauso wie in der Überbetonung von Landbewohner*innen gegenüber Städter*innen, als ob letztere irgendwie weniger wert seien). Es ist ein Rückbezug auf die Hochzeiten der Reformära Mitte der 2000er Jahre, als diese Art von Rhetorik bis weit in die SPD hinein verbreitet war. In dieser Zeit wäre Lindner damit kaum aufgefallen, aber der politische Wind hat sich gedreht. Mittlerweile wirken solche Worte aggressiv, herabwürdigend und verletzend, was von Seiten bemerkt und kritisiert wird, die vor fünfzehn Jahren dieselbe Sprache noch bejubelt hätten.
So muss sich Lindner etwa harsche Kritik von der Journalistin Slomka gefallen lassen, deren offensiver Interviewstil noch vor nicht allzulanger Zeit die SPD auf die Barrikaden trieb. Auch in der bürgerlichen ZEIT findet sich eine flammende Kritik an Lindners Kommunikationstil. Natürlich gibt es diese, wie etwa hier bei Ann-Kathrin Büüsker, auch von eher progressiven Journalist*innen, während die Rhetorik umgekehrt auch von der CDU benutzt wird, etwa bei Jens Spahns Rede vom „Ferienticket“. Aber Lindner ist als FDP-Chef und Finanzminister natürlich in einer hervorgehobenen Position.
Angesichts der Kritik legte Lindner nun noch weiter drauf: Er verurteilte die Kritik am Dienstwagenprivileg als „linkes Framing„, was selbst die nicht eben linker Umtriebe verdächtige (Wirtschaftswoche zu einem Faktencheck animierte, in dem sie Lindner der Verwendung „alternativer Fakten“ schuldig sprach, und sein Versuch, die breite Unterstützung für das 9€-Ticket auf die Umtriebe der Antifa zu schieben war eine Geschmacksentgleisung, die in seiner Position eigentlich nicht passieren sollte. Die Unsouveränität, rechtlich gegen Satire-Plakate vorzugehen, verstärkt diesen Eindruck noch.
Ob sich das Ganze für die FDP, die in den Umfragen derzeit stark nachgelassen hat, auszahlen wird, kann ich nicht sagen. Gut möglich, dass es im Sinne der Bindung der Kernwählendenschaft eine lohnenswerte Unternehmung ist; gleichzeitig aber birgt es die Gefahr eines backlash, weil es die „hässliche“ FDP zeigt (genauso wie die tollen Spartipps diverser Grüner von „kürzer duschen“ über „Waschlappen benutzen“ die „hässlichen“ Grünen zeigen). Mich erinnert das jedenfalls sehr unangenehm an die Phase der schwarz-gelben Koalition, in der die Partei deutlich die Attitüde von „eure Armut kotzt uns an“ vor sich her trug, die zu guten Teilen mitverantwortlich für den damaligen backlash gegen die Partei war.
So richtig entzündet aber hat sich die ganze Debatte natürlich am Wort von der „Gratismentalität“, die Lindner den Millionen Nutzer*innen des 9€-Tickets unterstellte. Und spätestens hier wird es für ihn und seine Partei gefährlich. Erstens aus dem offensichtlichen Grund, dass das 9€-Ticket eine unglaublich beliebte Policy ist, und zwar schichtenübergreifend. Eingeschlossen die Abo-Besitzer*innen, die das Ticket automatisch erhalten (rund zehn Millionen) kaufen rund 30 Millionen Menschen jeden Monat das Ticket. Das sind fast 40% der deutschen Bevölkerung. So eine Menge Menschen zu beleidigen ist politisch kein sonderlich cleverer Zug.
Zweitens aber auch, weil das Wort eine große Gefahr hat, kleben zu bleiben. Das liegt daran, dass es einerseits so eingängig und ärgernd ist – wer sich von Lindners Kritik angesprochen fühlt, und das sind erneut ziemlich viele potenzielle Adressaten – wird das nicht so leicht vergessen, weil die Formulierung so gut ist. Wenn es dumm läuft für Lindner, wird es ihm genauso lange nachhängen wie Westerwelle seine „spätrömische Dekadenz“ über die Lebensumstände der ärmsten Bevölkerungsteile – bis zum Ende seiner Karriere nämlich. Für einen Politprofi ist das ein ziemlicher Fehltritt.
Und drittens, und das ist die Crux an der Geschichte, wendet sich die Gratismentalität massiv gegen die FDP selbst. Noch vor kurzer Zeit – zusammen mit dem 9€-Ticket nämlich – hat die Partei Milliarden dafür ausgegen, um Benzin für Autofahrende billiger zu machen. Warum das keine Gratismentalität war, das 9€-Ticket aber schon, ist praktisch nicht erklärbar. Mit den nun rapide steigenden Gaspreisen und dem ungeschickten Agieren der gesamten Regierung – Stichworte Umlage und Mehrwertsteuersenkung – ist es leicht, die alte Leier von der FDP als Büttelin der Konzerninteressen das Wort zu reden (und angesichts der Liste der Konzerne, die in den Genuss der Umlage kommen werden, ist das geradezu babyleicht; dazu befürworten 58% der FDP-Wählenden eine Übergewinnsteuer). „Gratismentalität für Gaskonzerne“ ist eine leichte Angriffslinie, die nicht zu nutzen für jeden politischen Gegner der FDP geradezu fahrlässig wäre.
Ein letztes Politics-Problem für die FDP ist, dass sie ja das Verkehrsministerium hält. Sie ist damit in der blöden Situation, verantwortlich für eine unglaublich populäre Politik zu sein, die aber vom eigenen Parteichef massiv kritisiert wird. Man sehe sich nur an, wie hochzufrieden Verkehrsminister Wissing ist, und stelle das neben die Attacken von Parteichef Lindner. Da würde jemand nur zu gerne den Ruhm für eine populäre Policy einstreichen, aber die Parteiräson lässt ihn nicht – weswegen der ganze Erfolg den Grünen und der SPD in den Schoß fällt. Auch das ist kein sonderlich geschicktes Agieren.
Natürlich ist Lindner das durchaus bewusst. Deswegen bringt er auch Policy-Argumente für das Ende des 9€-Tickets vor, die ohne die Antifa, linke Framings und Gratismentalitäten auskommen. Sein Hauptargument macht erst einmal Sinn: die FDP ist für eine Entlastung der Bürger*innen durch Steuersenkungen, und da man gleichzeitig ja unbedingt die Schwarze Null halten will (ohnehin eine dubiose Zielsetzung), ist schlichtweg das Geld nicht da. Nur, hier kommt wieder das Problem, das alle Steuerreformen aus dieser Ecke haben: sie helfen vor allem den oberen 30%. Das kann man natürlich machen, aber das bestätigt natürlich gleich wieder das Narrativ einer den Reichen dienen FDP, die als Partei der „sozialen Kälte“ (oder was auch immer die von links vorgebrachten Schlagworte sind) rangiert.
Nun ist es natürlich möglich, sowohl die FDP-Steuerpläne als auch eine wie auch immer geartete Fortführung eines verbilligten ÖV-Tickets zu fahren. Die eine Möglichkeit besteht darin, einfach „fuck it“ zu sagen und beides gleichzeitig aufzulegen, was natürlich zu höheren Schulden führen würde – die rote Linie, die die FDP nie überschreiten wird und auch nicht überschreiten kann. Ich will bei diesem Punkt kurz länger verharren, weil es mich unendlich frustriert, wenn Linke das nicht verstehen. Die conditiae sine qua non für die FDP zum Eintritt in eine Ampel, wahrlich nicht die Lieblingskoalition der Partei oder Lindners, waren die Unantastbarkeit der Schuldenbremse und das kategorische Ausschließen von Steuererhöhungen. Es war der implizite Deal, mit dem Lindner die Ampel sowohl der eigenen Partei als auch der Wählendenschaft verkauft hat. Jedem mitdenkenden Beobachtenden muss das bereits vor der Wahl klargewesen sein. Jede Partei hat solche rote Linien; man schaue sich nur mal an, wie sich die Grünen gerade mit der Laufzeitverlängerung in Knoten verwickeln. Diese rote Linie ist daher ein Naturgesetz der Ampel. Das muss man einfach anerkennen; alles andere ist unehrlich.
Und damit kommen wir zu der anderen Möglichkeit, die theoreitsch gesehen auch der FDP möglich sein sollte: die Abschaffung von klimaschädlichen Subventionen. An und für sich ein Gewinnerthema: die FDP kann Subventionen streichen (Hurra, Marktwirtschaft!) und die grüne Seele wird gestreichelt. Einige Ziele bieten sich dafür auch an, etwa die Steuerbefreiung von Kerosin oder das Dienstwagenprivileg. Letzteres ist es, das gerade die Debatte bestimmt. Und auch hier macht die FDP keine gute Figur – wie bereits beschrieben versucht Lindner sehr aggressiv, schon allein die Existenz des Dienstwagenprivilegs zu leugnen, was einfach nur lächerlich ist.
Politisch ist das natürlich verständlich: das Dienstwagenprivileg ist ein Oberschichtenprivileg; fast nur Top-Verdienende profitieren davon (die überdurchschnittlich FDP wählen) und die Autoindustrie profitiert massiv von dieser Subvention (die überdurchschnittlich an die FDP spendet). An dieser Stelle ist es sinnvoll, einen kurzen Exkurs zu Dienstwagen einzulegen.
Dienstwagen sind zumeist Oberklasseautos (jeder vierte Porsche ist ein Firmenwagen!), weil Firmen den Kaufpreis von der Steuer absetzen können und die Nutznießer ihn nur zu geringen Teilen versteuern müssen. Theoretisch müssen Dienstwagen zu mehr als 50% auch dienstlich genutzt werden; praktisch sabotiert die Politik seit Jahrzehnten jeden Versuch, das zu kontrollieren, weswegen davon auszugehen ist, dass dies in vielen Fällen nicht so ist. Oft werden Benzin, Wartungskosten etc. auch von der Firma übernommen. Diese geldwerten Vorteile müssen zwar versteuert werden, sind aber wesentlich günstiger als ein solches Auto selbst zu kaufen und zu unterhalten. Gleichzeitig entsteht ein großer Anreiz, viel zu fahren – in Autos, die oft besonders viel Benzin brauchen. Ihre Nutzungsdauer ist zudem, wie bei Leasing-Fahrzeugen, geringer als bei selbstgekauften Autos, so dass sie schnell in den Gebrauchtwagenmarkt gehen und so weniger klimaschädliche Modelle vom Markt verdrängen.
Kurz, es ist eine gewaltige Subvention auf Kosten der Steuerzahlenden für eine kleine Oberschicht und dazu noch klimaschädlich. Die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs würde so viel Geld bringen, dass das 9€-Ticket locker weiter finanziert werden könnte. Dasselbe Muster finden wir übrigens bei der Pendlerpauschale, die ebenfalls so konstruiert ist, dass sie den Spitzenverdienenden mehr bringt als den Niedrigverdienenden; auch hier könnte eine andere Konstruktion für einen wesentlich zielgerichteteren Einsatz von Steuergeldern sorgen. Doch solcherlei Einschnitte in sozialen Wohltaten für die oberen 50% kommen natürlich elektoral nicht gut an.
Doch all diese Diskussionen ignorieren soweit eine ganze andere Fragestellung: wie sinnvoll ist das 9€-Ticket eigentlich? Ich finde es auffällig, dass Lindner einerseits identitätspolitisch („Gratismentalität“) und andererseits haushalterisch argumentiert, nicht aber auf der Policy-Ebene selbst (die in den Diskussionen hier im Blog eigentlich die Hauptrolle eingenommen haben. Und hier ist das Bild ziemlich differenziert.
Die Geister scheiden sich bereits bei der Frage, welches Ziel das 9€-Ticket eigentlich genau haben soll. Ging es nur darum, in der Ferienzeit den Leuten Geschmack auf den ÖV zu machen? Dann hat es offensichtlich super geklappt. Ging es darum, Vekehr vom Auto auf die Schiene zu bringen? Da ist das Ticket bestenfalls ein Mini-Erfolg; nach ersten Untersuchungen wurden nur 3% der Autofahrten durch ÖV ersetzt, der Rest sind zusätzliche Fahrten. Ging es darum, sozial benachteiligten Schichten Mobilität zu verschaffen, wie Samira el Ouassils Plädoyer für eine Verlängerung nahelegt? Dann war es ein riesiger Erfolg.
Insgesamt aber ist auf jeden Fall deutlich, dass sich die Hoffnungen der heißesten Befürworter*innen, eine Bewegung weg vom Verbrennermotorindividualverkehr (Komposita, man muss Deutsch dafür einfach lieben) nicht erfüllt haben. Natürlich würden diese Befürworter*innen argumentieren, dass das nur daran liegt, dass das Ticket zeitlich begrenzt war und dass man es verstetigen muss, aber sind wir ehrlich, das sagen Leute immer, wenn eine Maßnahme nicht das gewünschte Ziel bringt. Wir sind auch immer nur eine Steuersenkung von einer echten Entfesselung der Wachstumskräfte und eine Mindestlohnerhöhung von einer Bekämpfung der Armut entfernt.
Tatsächlich ist die Frage, wie man weiter verfahren soll, nicht leicht zu beantworten. So zum Beispiel haben wir einen Grundsatzstreit über die Reihenfolge von Alternativen und Subvention: braucht es zuerst einen voll ausgebauten ÖV, der in der Lage ist, den bisher über Autos laufenden Verkehr aufzunehmen – also quasi die Angebotstheorie des 9€-Tickets – oder braucht es zuerst den Druck zahlreicher erboster Kund*innen und Wählenden, die – sozusagen in seiner Nachfragetheorie – den Druck aufbauen, dass diese Alternative überhaupt geschaffen ist? Klar beantworten lässt sich das, wie in der Wirtschaft so oft, nicht. Zu einem gewissen Punkt ist es Glaubenssache.
Gleiches gilt für die Bewertung des Status Quo. So wurde in letzter Zeit oft eine Karte zur Qualität des ÖV geteilt, aus der hervorgeht, dass die meisten Menschen (wenngleich mit starken regionalen Unterschieden; Baden-Württemberg steht etwa wesentlich besser da als Bayern) im direkten Einzugsgebiet einer ÖV-Haltestelle mit mindestens 20 Abfahrten am Tag oder in 1200m von einem Bahnhof leben. Dies scheint die schon klischeehafte Beschwerde, die Menschen „auf dem Land“ würden benachteiligt, zu widerlegen. Aber gleichzeitig sind diese zahlen weniger aussagekräftig, als es den Anschein hat, weil ja nicht nur das bloße Vorhandensein von Haltestellen und Abfahrten, sondern die Verbindungen zu Orten, an die ich will, entscheidend sind – und da hapert es häufig. Ingesamt ergibt sich also ein schwieriges, kompliziertes Bild.
Definitiv zutreffend ist aber die Kritik, dass das 9€-Ticket oder andere Politiken nur dann in irgendeiner Weise Wirkung entfalten können, wenn sie nachhaltig und langfristig sind. Auch das müsste gerade die FDP, der das Verständnis von Anreizen und Zukunftserwartungen so im Blut liegt, eigentlich klar sein. Das Chaos der 82 Verkehrsverbünde in Deutschland zu lichten wäre da ein genuines Gewinnerthema für die Partei, die sich wie keine andere der Vereinfachung verschreibt. Auch das Tarifsystem selbst könnte gut vereinfacht werden und dabei den ÖV attraktiver machen. Und die steigenden Fahrpreise schaffen den nötigen politischen Handlungsdruck. Volker Wissing jedenfalls dürfte nicht sonderlich glücklich darüber sein, sich bei der Frage der Nachfolgeregelung von den Grünen und der SPD die Butter vom Brot nehmen zu lassen.
Und leider setzt sich die FDP auch mit Feuereifer für eine ganz andere Gratismentalität ein: Nicht nur schaufelt sie Steuermilliarden beim Dienstwagenprivileg in die Rachen von Autofahrenden, sondern auch an anderer Stelle. So kostet etwa der Erhalt und Ausbau des Straßennetzes mehr als doppelt so viel, wie die KfZ-Steuer einbringt: Gratismentalität. Deutschlandweit sind gigantische Flächen versiegelt, nur damit Autofahrende kostenlos ihre Autos abstellen können: Gratismentalität. Und eine, zu der sich die FDP offen und stolz bekennt! CO2-intensive Unternehmen bezahlen viel zu niedrigen CO2-Preis: Gratismentalität. Mir ist schon klar, warum die FDP das anders sieht und dieser Teil des Liberalismus anderen Parteien bleibt. Aber es zeigt eben auch, wie fehlgeleitet Lindners Kommentare sind.
Starker Text. Konfliktlinien und Widersprüche exakt nachgezeichnet. Chapeau.
Zentraler Punkt: Sind die Autofahrenden nun die „Melkkuh der Nation“ und produzieren „riesige Überschüsse für den Staatshaushalt“ (Stefan Pietsch) oder frönen sie einer Lindner’schen „Gratismentalität“ (Stefan Sasse). Die Diskussion hier wird mich hoffentlich aufklären.
Hmmm….glaube nicht, dass das mit der Aufklärung objektiv funktionieren kann. In diesem Fall könnte man Parteien abschaffen und an deren Stelle träte die Volonté générale à la Rousseau. „Sachlich richtig/falsch“ ist kein Politikum, „Gefällt mir/schmeckt mir nicht“ schon eher^.
Weder noch und beides. Autofahrende bezahlen viele Steuern, das steht glaube ich völlig außer Frage. Gleichzeitig sind sie aber auch Rezipienten gewaltiger staatlicher Leistungen. Wie die Mittelschicht generell, quasi.
Seit wann hast du dich denn von der Rechtschreibung verabschiedet, Stefan? Hatte ich überhaupt nicht mitbekommen.
Bei „Wählendenschaft“ ist für mich Schluss, sorry. Kann man ja nicht lesen, das Gewürge.
Es ist ein Rückfall in Zeiten schlimmster Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Sie haben jedes Mass verloren und einen an der Waffel :-).
Nach meinem Befinden hängt die ganze Partei zu stark in den Diskursen der 90er fest. Dazu gehört neben der Überbetonung der Entfesselung der Marktkräfte in der Wirtschaft auch ein übertriebener Begriff von individueller Freiheit. Mit anderen Worten:
Ist es so schwer nachzuvollziehen, dass sich die Hoffnungen der Liberalisierungen post 1980 in vielen Punkten nicht erfüllten. Siehe etwa die Finanzkrise oder das teilweise Scheitern neoliberaler Konzepte in Schwellenländern in Osteuropa und Lateinamerika.
Warum hat sich die liebe Frau Strack Zimmermann eigentlich ausgerechnet lärmendes Motorradfahren als Hobby ausgesucht?
Ich sehe andere Themenfelder, in denen sie sich einbringen könnten:
– Deutschland für ausländische Fachkräfte attraktiver machen
– Eine besser durchdachte Außenpolitik mit wirklich pragmatischer Unterstützung demokratisch-rechtsstaatlicher-marktwirtschaftlicher Strömungen in anderen Ländern und ein sicherer Zugang zu Rohstoffen in der Zukunft.
Einen Bestand an Kernwählern lässt sich mit der bestehenden Linie sicher halten, aber der scheint geringer zu sein als das Wahlergebnis in der letzten Bundestagswahl.
Nuja, Strack-Zimmermann kann sich ihre Hobbys frei aussuchen. Wenn sie Motorräder liebt, ok. Ich will da nicht drüber urteilen. Ich schiebe Plastikraumschiffe über den Tisch.
Die einseitige Ausrichtung der Partei bemängele ich ja auch schon seit Längerem. Inwieweit ich beim Pauschalen „hängt in den 90ern“ mitgehen würde…gerade beim Thema Digitialisierung trifft das offenkundig nicht zu. Da ist die Lage schon etwas komplexer.
Das die FDP den Sprung in dieses Jahrtausend noch nicht geschafft hat sehe ich genauso. Wobei die Betonung der individuellen Freiheit nicht übertrieben finde. Bei der FDP ist der Zug nur völlig entgleist und fährt irgendwo anders hin.
Eine politische Unterstützung von individueller Freiheit hätte Themen wie Verbraucherschutz, Emmissionsreduzierung (nicht nur CO2, sondern auch z.B. Motorradlärm), Bildung und Integration auf der Agenda. Da ist die FDB nur beim B-Wort mit dabei und das auch nur auf Plakatniveau, wie sie in NRW während der Pandemie bewiesen hat.
Es gibt halt leider keine Liberalen mehr. Die haben sich vom reaktionären Kapital ordentlich foppen lassen und sind irgendwie verorthodoxt. Oder besser: kaputtorthodoxt?
@ Lemmy Caution 24. August 2022, 09:48
Nach meinem Befinden hängt die ganze Partei zu stark in den Diskursen der 90er fest. Dazu gehört neben der Überbetonung der Entfesselung der Marktkräfte in der Wirtschaft auch ein übertriebener Begriff von individueller Freiheit.
Die FDP ist die einzige Partei, die die Interessen der Selbstständigen, der Unternehmer und der beruflich Erfolgreichen vertritt. Dass man sich gegen überbordende Bürokratie (vulgo „Entfesselung der Märkte“) wehrt, liegt auf der Hand. Damit vertritt die FDP irgendwo zwischen 5 bis 15 % der Wähler nach Stimmen, und mindestens 80 % der Wähler nach Leistungsbeitrag für unseren Staat.
Ich habe in meinen „guten“ Jahren von meiner Einkommenssteuer einen Briefträger und zwei Studenten finanziert (ja, ich habe das nachgerechnet). Und mich hat es damals ordentlich aufgeregt, wenn mir jemand erzählte, dass ich „zu viel“ verdiente und „zu wenig“ Steuern zahlte. Ehrlich gesagt regt es mich immer noch auf, selbst wenn ich im Laufe meines Berufslebens auf zwei Studenten heruntergebuchst wurde und den Briefträger an Stefan Pietsch abgeben konnte.
PS: Was den „übertrieben“ Begriff von individueller Freiheit angeht, ist die FDP das einzige Korrektiv bei dem Versuch des Staates, die Bürger immer weiter einzuengen. Wenn Dir das nicht plausibel erscheint, nenne mal drei Beispiele von Bedeutung dafür, wo sich der Staat in den letzten 10, 20 Jahren für mehr Rechte des Individuums eingesetzt hat.
Und das sind auch alles wichtige Funktionen der FDP.
Ich hab im Artikel keinen vernünftigen Platz gefunden, aber „Feel the News“ hat eine gute Folge zum Thema: https://open.spotify.com/episode/6ZKZ438UgueYuDZHVDb3gn?go=1&sp_cid=3146b7e25c07b05add370ebddd0fabb0&utm_source=embed_player_p&utm_medium=desktop&nd=1
Oh je – das angebliche „Dienstwagenprivileg“ mal wieder. Eine der erfolgreichsten Framing-Vorstöße der linken Propaganda.
Im Kern ist das „Privileg“ nur eine sinnvolle Pauschalisierung von Einzelfahrtabrechnungen. Wie bei jeder Pauschalisierung würde die detailgenaue Abrechnung mal etwas drüber, mal etwas drunter liegen. Deswegen kann man sich natürlich nach Belieben absurde Einzelfälle konstruieren, bei der die Pauschale eine Bevorzugung oder Benachteiligung darstellt. Ist aber nur sinnvoll, wenn man auf sachfremde Stimmungsmache aus ist.
Im Detail:
Wenn eine Firma Autos kauft, weil ihre Mitarbeiter die für ihre Arbeit brauchen, dann gibt das natürlich ganz normale Kosten und die gehen vom steuerpflichtigen Ertrag ab. Allgemeines Prinzip der Steuergesetzgebung.
Wenn ein Mitarbeiter ein Auto häufig genug nutzt, daß ihm statt der Nutzung eines Fahrzeugpools ein Wagen persönlich zugeordnet wird, ist das ein Dienstwagen. Auch noch völlig unstrittig.
Das kann man dann so handhaben, daß er im Dienst den Firmenwagen benutzt, und dann nach Feierabend sein privat gekauftes Auto. Obwohl insgesamt für diesen einen Fahrer auch immer nur ein Fahrzeug gebraucht wird. Da liegt es ökonomisch und ökologisch nahe, daß insgesamt nur ein Auto angeschafft wird und je nach Besitzer wird entweder die private oder die geschäftliche Nutzung der anderen Seite in Rechnung gestellt. Bedeutet halt ein Fahrtenbuch und einen bürokratischen Aufwand auf beiden Seiten, wurde aber früher oft so gemacht.
Weil das aber auch beim Finanzamt einen erheblichen Aufwand bedeutet, wurde (wie in diversen anderen Fällen) eine Pauschalisierung eingeführt: Die private Nutzung wird mit einem am Fahrzeugwert orientierten Betrag monatlich abgegolten und entsprechend als geldwerte Leistung versteuert.
Dieser Monatsbetrag ist relativ hoch, weil er sich am Listenpreis eines Neuwagens orientiert – der in der Praxis wohl nie gezahlt wird.
Viele Arbeitnehmer, denen grundsätzlich ein Dienstwagen möglich wäre, verzichten deswegen auf dieses „Privileg“, weil sie mit Privatwagen und Fahrtenbuch deutlich günstiger wegkommen.
Da es inzwischen auch Apps gibt, die die Fahrten per GPS erfassen und die monatliche Fahrtenbuchabrechnung mit ein paar Mausklicks machbar ist, verzichten inzwischen auch Dienstwagennutzer auf das „Privileg“ – muß halt das Finanzamt mit dem Zeug fertig werden.
Die praktischen Vorteile eines Dienstwagens sind für die meisten Anwender überschaubar. Man fährt einen Neuwagen anstelle eines fast gleichwertigen leicht Gebrauchten, man gönnt sich vielleicht wegen der indirekten Finanzierung ein Ausstattungsdetail mehr – und man spart natürlich die ganze Bürokratie.
Manche profitieren auch davon, daß ihre Firma die kompletten Spritkosten übernimmt (was die Ausnahme ist) und sie deutlich mehr fahren, als sie dafür an Steuern und Lohnminderung zahlen müssen. Aber siehe oben: Bei Pauschalen gibt es halt immer Spezialfälle nach oben oder unten.
Eine Abschaffung des „Privilegs“ würde bedeuten, daß wieder alle Dienstwagennutzer auf Einzelfahrtabrechnung umsteigen müßten. Was unterm Strich wahrscheinlich dazu führt, daß sie (bzw. die Firmen) etwas weniger Steuern bezahlen. Aber umgekehrt entsteht bei den Finanzämtern natürlich deutlich mehr Aufwand.
Man könnte natürlich auch die private Nutzungsüberlassung von Firmenwagen komplett verbieten. Dann würden halt einige Autos mehr angeschafft, die übrigen Nutzer würden das Auto dann privat anschaffen und per Einzelabrechnung das Geld von der Firma holen. Gibt unterm Strich noch weniger Steuern und mehr Aufwand.
Auf den Automarkt hätte das insgesamt einen eher geringen Einfluß. Wenn jemand das Geld hat um die geldwerten Vorteile eines Firmenwagens zu versteuern, der wird sich auch privat so ein Auto leisten. Die Autos würden etwas länger gefahren und hätten vielleicht etwas weniger Ausstattung. Würde die Autofirmen etwas schädigen, aber insgesamt wäre das marginal.
Auf jeden Fall sind bei der Abschaffung dieses „Privilegs“ keine Milliardeneinnahmen zu erzielen, wie sich das die Linken zur Finanzierung irgendwelcher Wahlgeschenke erhoffen.
Übrigens ein typischer Denkfehler bei linker Finanztheorie: Man sieht sich einen aktuellen Zustand an, hat eine Steuer drauf, und erhofft sich durch simple Multiplikation einen Riesenertrag.
In der Realität verändert die Einführung der Steuer aber das Verhalten der Leute und in der Regel kommt dann wenig oder gar nichts an Zusatzeinnahmen.
Ich verweise auf den WiWo-Beitrag. Und 38% aller Neuzulassungen in Deutschland sind Dienstwagen. Und kein anderes Land hat das.
„Ich verweise auf den WiWo-Beitrag.“
Ist nicht frei zugänglich. Und auch wenn die Zeitung Wirtschaftsknowhow beansprucht – sehr zuverlässig ist das Niveau nicht. Einfach nur „WiWo sagt das“ ist per se kein Argument.
Ich wüßte auch wirklich nicht welchen meiner Punkte die widerlegen könnten.
„Und 38% aller Neuzulassungen in Deutschland sind Dienstwagen.“
Ja und? Was genau soll das belegen?
Es ist wohl so, daß sich in Deutschland ein 3-Jahres-Turnus beim Firmenleasing etabliert hat. Eher Gewohnheitssache, einen sachlichen oder (steuer-)rechtlichen Grund gibt es dafür m. W. nicht.
Jedenfalls weiß ich, daß Kollegen aus anderen Ländern ihre Dienstwagen meist etwas länger fahren (5-7 Jahre).
Das sorgt dann natürlich für einen höheren Anteil bei den Neuzulassungen, aber ein „Privileg“-Indiz ist das nicht.
„Und kein anderes Land hat das.“
Dito. Ist für die Nicht-Existenz des „Privilegs“ völlig irrelevant.
@ Stefan Sasse 24. August 2022, 14:24
Ich verweise auf den WiWo-Beitrag. Und 38% aller Neuzulassungen in Deutschland sind Dienstwagen. Und kein anderes Land hat das.
„Kein anderes Land hat …“ ist kein Argument.
Den Wiwo-Artikel hast Du wohl als Einziger gelesen. Wie sieht die Rechnung denn im Detail aus? Wenn 38 % aller Neuzulassungen Dienstwagen sind, sagt das was? Dass diese Dienstwagen azum Ende ihrer Dienstzeit als bezahlbare Fahrzeuge mit moderner technischer Ausstattung den normalen Menschen zum Kauf zur Verfügung stehen?
das 38 % aller in der Kfz-Industrie beschäftigten Mitarbeiter nur wegen der Dienstwagenregelung einen Job haben? Dass ohne Dienstwagenregelung die gleiche Anzahl an Dienstwagen angeschafft, die gleiche Zahl an Dienstreisen durchgeführt wird, nur die Abrechnung dieser Dienstfahrten einzeln und nicht pauschal erfolgt? Dass die Finanzämter genügend Spielraum haben, alle diese individuellen Abrechnungen zu prüfen? Dass wir durch unsere zu einfachen, zu schlichten Steuergesetze Probleme haben, die armen Steuerberater auszulasten, und wir deswegen ein Hilfspaket brauchen?
Wenn Themen wie „zusätzliche Belastungen für Unternehmer und Mitarbeiter“ oder „zusätzliche Belastungen für (Finanz-)Behörden“ nicht erfasst sind, taugt der Artikel nicht. Ist (wie jede Debatte, in der es um „Gerechtuigkeit“ geht) einmal mehr eine Neid-Debatte, die von denen, die sie ständig lostreten, nicht zu Ende gedacht wurde. Wie immer.
Natürlich ist das kein Argument. Es wurde aber von diversen Leuten hier, mindestens mal von Stefan, schon zahlreiche Male im Zuge der AKW-Debatte gebracht. Warum gilt es da, aber hier nicht? Antworte nicht, die Frage war rhetorisch: der Verweis darauf, ob andere etwas machen oder nicht, ist immer nur relevant, wenn er die eigene Position stützt. Mir ist der Rest der Welt bei den AKW ja auch egal. 🙂
Ich hab mir den Artikel leider nicht auswändig gemerkt, als ich ihn verlinkte, war er noch frei zugänglich.
@ Stefan Sasse 26. August 2022, 07:43
Natürlich ist das kein Argument. Es wurde aber von diversen Leuten hier, mindestens mal von Stefan, schon zahlreiche Male im Zuge der AKW-Debatte gebracht. Warum gilt es da, aber hier nicht? Antworte nicht, die Frage war rhetorisch: der Verweis darauf, ob andere etwas machen oder nicht, ist immer nur relevant, wenn er die eigene Position stützt.
Hmm, ist was dran, da hast Du einen Punkt.
Nicht, dass ich das benutze, aber ja …
Sic! Insbesondere diese kritiklose Berechnung von entgangenen Steuereinnahmen ist schlicht dumm.
Eine sinnvolle Pauschalisierung von Einzelabrechnungen. Stimmt, wäre für den Flickenteppich der ÖPNV-Verbünde auch sinnvoll. Hm, vielleicht, ich weiß, völlig absurd, aber wie wäre es mit einem Nachfolger für das 9 Euro Ticket, wenn auch gerne teurer?
Das Lindner so provokativ auftritt verwundert mich schon. Mein Erklärungsansatz ist ein bisschen banaler:
Er ist als Regierender totaler bloody beginner. Entweder hat er noch nicht geschnallt, dass ein Minister sich nicht allzeit wie ein Parteifunktionär im Wahlkampf verhalten sollte, oder er ist gerade etwas überfordert.
Ersteres wäre ein völliges Nogo. Letzteres ist menschlich. Aber angesicht der Tatsache, dass er es in seinem Ressort – wie Stefan es richtig beschrieben hat – gerade sehr ruhig war, auch nicht aktzeptabel.
Den Erklärungsansatz halte ich für plausibel.
Ein bisschen kann einem Lindner fast leidtun. Er weiß selbst am besten, dass er nichts besser kann als Opposition (das dafür aber richtig gut) und ich habe keinen Zweifel daran, dass er auch beim zweiten Mal das Nichtregieren dem Falschregieren deutlich vorgezogen hätte. Nur hätte seine Parteibasis ihn dann vom Hof gejagt. Deshalb musste er diesmal mitmachen und er musste das Finanzressort übernehmen, da bei der FDP am Geld nunmal die meiste Parteifolklore hängt.
Jetzt ist er Teil einer Regierung, die er nicht wollte, stellt, wie schon Westerwelle, überrascht fest, dass das vermeintlich prestigeträchtige eigene Ressort in der aktuellen Politiklage weniger Glanz versprüht als in den vergangenen Legislaturperioden, und weiß nicht recht, wie er seine Rolle als Regierungsmitglied mit seinem konfrontativen Stil als Parteivorsitzender in Einklang bringen soll. Also flüchtet er sich in bewährte Muster und macht ordentlich Wind, vorzugsweise indem er sich ungefragt zu Themen äußert, die Baustellen anderer Kabinettsmitglieder sind.
Ob die Masche dauerhaft trägt, wird sich zeigen.
Ich finde eigentlich, bisher hat Lindner sich ziemlich gut geschlagen, und ein Anfänger ist er ja auch nicht, er bringt Regierungserfahrung aus NRW mit.
Ja, aber man muss schon sagen, dass Lindner zu solchen „Ich hau mal einen raus“-Dummheiten neigt.
Sehr meinungsstark; danke dafür. Es ist damit zu rechnen, dass kommentarmäßig die Fetzen fliegen 🙂
Hier nur ein ganz kleiner Fetzen: Der Punkt ist doch der: Die FDP ist aktuell wieder auf die „alten Zeiten“ zurückgeworfen, als – wie typischerweise in der Bonner Republik – Einstelligkeit das Schicksal war, das aber stabil mit gelegentlichen Ausreißern. Die jüngste Ausflug in die Zweistelligkeit scheint jetze erstmal deutlich perdu, was die Herren offensichtlich nervös macht, zumal die Guillotine 5 % nicht soooo weit weg ist.
Denn es könnte ja so kommen wie im neusten „Modell“ Schleswig-Holstein und NRW, dass die jetzt „großen Drei“ (okay, relativ groß natürlich, im Vergleich zu früher bei SPD/Union eher klein-klein, aber früher zählt nicht) politisch sich selbst genug sind und die lästigen Mätzchen der Kubickis und Lindners nicht mehr brauchen. Das wäre grundlegend anders als bei den weiland binär angelegten beiden „großen Volksparteien“ seligen Angedenkens. 6 % oder so haben der FDP früher mal gereicht; z.B. 1969 für die damalige „Wende“. Neuerdings muss das aber deutlich mehr sein um oben mitzureden.
Zu allem Unglück wirkt Merz auch noch als Magnet für das FDP-Milieu, ähnlich wie vor langer Zeit mal Erhard, den ja die FDP ja auch deshalb unbedingt los werden wollte; obwohl ideologisch „befreundet“.
Der Kieler Winkeladvokat hat offensichtlich die Gefährlichkeit dieser Konstellation erkannt und fischt heftig in den in den Gewässern der AfD. Wenn man da ’n bissle was abfischt und das mit dem klassischen Sozialdarwinismus aus dem altbackenen „Mittelstand“ zusammenfügt, könnte es für die interessante Sperrminorität vielleicht auch weiterhin reichen.
Zitat:
„Mich erinnert das jedenfalls sehr unangenehm an die Phase der schwarz-gelben Koalition, in der die Partei deutlich die Attitüde von „eure Armut kotzt uns an“ vor sich her trug, die zu guten Teilen mitverantwortlich für den damaligen backlash gegen die Partei war.“
Glaub ich eigentlich nicht so. Es war vielmehr primär so, dass Merkel und vor allem Seehofer in dieser Sache diametral anders gedacht haben als weiland Kohl und ganz im Gegensatz su diesem systematisch die Zerstörung der FDP betrieben haben und der perplexe Westerwelle, der von der Union unbedingt geliebt werden wollte, dem nichts Gescheites entgegen zu setzen wusste.
Dass Lindner und Kubicki die Wiederauferstehung der FDP gelungen ist, war zweifellos ein Meisterstück, dass in der Partei offenbar einen Genialitätsnimbus erzeugt. Ohne die geht’s nicht, ist offenbar die allgemeine Ansicht und deren strategische Einfälle müssen immer gut sein – sind sie ja vielleicht auch^. Im besprochenen Problem geht das FDP-Framing ja so, dass mit dem anstehenden Jahressteuergesetz 2023 primär an die „hart arbeitende Krankenschwester“ sowie an diejenigen, die „jeden Tag früh aufstehen“ gedacht sei, die beide aktuell „zu viel“ Steuern bezahlen müssen. Könnte verfangen. Der Punkt ist ja der, dass in der Welt da draußen sich keine Sau steuerrechtliche Einzelheiten genau anguckt.
Zitat:
„So richtig entzündet aber hat sich die ganze Debatte natürlich am Wort von der „Gratismentalität“ “
Kann schon sein. Wenn man’s mit dem Sozialdarwinismus zu dolle treibt, könnte auch Klientel verloren gehen.
Was das Dienstwagenprivileg angeht, hier schon mal die Argumente von Stefan Pietsch^ :
Das ist kein Privileg!!!!! Ein toller BMW mit allen Schikanen als Dienstwagen führt z.B. hier zu deutlich höheren Sachbezügen als ein Polo. Ferner: Alle Fahrten aufzuschreiben und einzeln zuordnen bringt nichts. Führt letztlich fiskalisch um selben Ergebnis. Irgendwelche „Experten“, die das bestätigen, finden sich immer^. Die aktuelle Regelung ist jedenfalls eine typisierende Vereinfachung. So was wollen doch angeblich alle bei der Steuer^.
Trifft ja auch zu für den Werbungskosten-Pauschbetrag (heißt nicht mehr so, egal) zu. Wäre dann auch ein „Privileg“. Kriegt auch der/die, der/die keine oder jedenfalls nicht in dieser Höhe Werbungskosten hat, also alle; wird halt der Vereinfachung halber unterstellt; ohne Prüfung.
Zitat:
„So kostet etwa der Erhalt und Ausbau des Straßennetzes mehr als doppelt so viel, wie die KfZ-Steuer einbringt: Gratismentalität.“
Die Energiesteuer auf Fahrbenzin/Diesel muss man allerdings auch dazu packen. Ferner die Mehrwertsteuer darauf sowie die Mehrwertsteuer der verkauften PKWs und so weiter und so weiter.
Solche Berechnungen, egal wie man die macht, sind grundsätzlich nicht viel wert. Der Staat ist kein Kaufladen und die Bürger:innen keine Kunden und Kundinnen, auch wenn das der neo-liberale Wahn anders sieht.
Verkehrspolitische Entscheidungen sind, wie der Begriff schon sagt, POLITISCH. Die Buchhalterseele ist da nicht primär gefragt und das ist auch gut so.
Was der letzte Absatz insinuiert, nämlich dass das Gerede von „Gratismentalität“ kompletter Unsinn ist, is ja klar, einverstanden. Wie das draußen im Lande ankommt ist die eigentliche Frage. Glaube wie du, dass das seitens der genialen FDPler nicht so sehr schlau war^.
Zitat:
„Mir ist schon klar, warum die FDP das anders sieht.“
Klar, krasse und schamlose Klientelpolitik. Richtig wäre der Einwand: So was ist anderen Parteien ja auch nicht ganz fremd^. Letztlich geht es um die Frage des Ausmaßes und natürlich auch darum, dass die Leut heutzutage individuell bedient werden wollen. Wie im Kaufladen. Gemeinwohl und dgl. alter Kram ist ja soooooo was von mega out. Dieses Phänomen kann man aber nicht einfach bei irgendwelchen Lindners abladen, das wäre vielmehr ein weiteres Feld.
Ich bin SEHR vorsichtig bei der Formulierung elektoraler Naturgesetze. Die Einstelligkeit ist kein Schicksal der FDP.
Ich halte diese Anziehungskraft Merz‘ für völlig überinterpretiert. Dafür gibt es fast keine Anzeichen.
Klar haben Kubicki und Lindner die Wiederauferstehung der FDP gemanagt. Aber von „hat früher was Tolles gemacht“ kannst heute ja nichts kaufen, in der Politik schon dreimal nicht. 🙂
Das Dienstwagenprivileg ist nicht satisfaktionsfähig in meinen Augen.
Zustimmung bei der Verkehrspolitik.
Und klar ist das bei anderen Parteien genauso! Ich wollte hier auch echtes Verständnis ausdrücken, keine Kritik äußern.
Dass Lindner und Kubicki die Wiederauferstehung der FDP gelungen ist, war zweifellos ein Meisterstück, dass in der Partei offenbar einen Genialitätsnimbus erzeugt.
Das halte ich durchaus für einen wichtigen Punkt. Generell scheint mir die FDP da tatsächlich ein bisschen zerrissen zwischen konstruktiver Regierungsarbeit und populistischer Attitüte und beides zusammen geht oft nicht so gut.
Es bleiben ja auch wenig Punkte zum Handeln, natürlich kann er für das Dienstwagenprivileg kämpfen und die Freiheit der Autofahrer verteidigen, aber sich dem ganzen Wandel und dem größeren sozialen Bewusstsein, das aktuell herrscht, wird er sich nicht entgegenstellen können. Könnte auch dazu führen, Wechselwähler zu vergraulen und die angesprochene Klientel zu enttäuschen und dann hat man lose-lose und steckt wieder im einstelligen Bereich fest.
Das ist quasi wie wenn Ralf Stegner in der SPD eine zentrale Regierungsposition hätte…
Was nun das 9-Euro-Ticket betrifft: Natürlich ist Freibier bei den Leuten mit der Gratismentalität immer beliebt. Aber es gibt auch viele Leute denen bewußt ist, daß sie dieses Freibier zahlen müssen. Also abseits von Schwurbelwörtern wie „Identitätspolitik“ ein ganz normaler Fall von politischen Interessenkonflikten.
Auf jeden Fall ist nur ein Teil der 30 Millionen Nutzer auch begeistert von diesem Projekt – die meisten kaufen es nur, weil es halt da ist und auf ihren geplanten ÖV-Fahrten Geld spart. Sind aber nicht unbedingt ein Fan davon, weitere Monate in überfüllte Zügen pendeln zu müssen.
Interessant ist die Entstehungsgeschichte.
Schon länger geplant wurde ja der Sprit mit einer Steuererhöhung belegt (wg. Klima oder ähnlichen gängigen Ausreden). Eine gewisse Mehrbelastung der Autofahrer war also politisch gewünscht.
Durch Putins Krieg stiegen aber zeitgleich die Rohstoffpreise und den Koalitionären von SPD und FDP war diese Doppelbelastung zu schnell und zu hoch. Es war aber politisch mit den Grünen nicht machbar, einfach die Steuererhöhung für eine Weile auszusetzen. Also wurde über diverse merkwürdige Zwischenschritte ein „Rabatt“ von drei Monaten beschlossen.
Dafür wollten nun die Grünen eine politische Kompensation haben.
Grundsätzlich gäbe es auch eine Menge Ideen, wie man den ÖV fördern oder attraktiver machen könnte. Da liegt viel ausformuliert im Regal.
Aber keine dieser Maßnahmen erfüllte das Kriterium, dem Tankrabatt zu entsprechen – also direkte Geldwirkung für die Betroffenen und Begrenzung auf 3 Monate.
Und deswegen wurde ad hoc in den Verhandlungen das 9-Euro-Ticket erfunden. Ohne irgendwelche Verkehrsexperten zu fragen (die waren entsetzt) und ohne die Machbarkeit zu überprüfen (die Verkehrsunternehmen haben geschäumt).
Es hat sich ja inzwischen gezeigt, daß die prognostizierten Probleme eingetreten sind und die Bilanz des 9-Euro-Tickets aus Sicht einer fortschrittlichen Verkehrspolitik deutlich negativ ist.
Angebracht wäre also nicht eine Fortsetzung mit irgendeinem x-Euro-Modell, sondern die Realisierung der schon länger erarbeiteten Vorschläge zur ÖV-Förderung.
Zum Schluß:
„So kostet etwa der Erhalt und Ausbau des Straßennetzes mehr als doppelt so viel, wie die KfZ-Steuer einbringt: Gratismentalität.“
Das ist natürlich Unsinn.
Autofahrer bezahlen ja deutlich mehr Steuern und Abgaben, damit wird nicht nur das komplette Straßennetz bezahlt, sondern noch viele andere Ausgaben im Staatshaushalt. Sie produzieren also Überschüsse im Staatshaushalt – und das läßt sich auch mit diversen populären „externe-Kosten“-Konstruktionen nicht widerlegen.
Wer sich übrigens überhaupt nicht an den Kosten des Straßenausbaus beteiligt sind die politisch gehätschelten E-Auto-Fahrer. Aber das ist ein anderes Kapitel.
Zitat R.A. :
„sind die politisch gehätschelten E-Auto-Fahrer.“
Gehe ich recht in der Annahme, dass du eine Partei wählst, von der du erwartest verprügelt zu werden? Das mit dem Hätscheln könnte also ubiquitär sein; mal abgesehen von den durchaus verschiedenen Hätschelbedürfnissen.
z.Zt. hätschelt die gesamte Autoindustrie rund um den Globus in dieser Sache; China, USA, allenthalben. Da sieht man, welchen Einfluss die Ricarda Lang und solche Leute haben:
https://futurezone.at/produkte/die-15-beliebtesten-meistverkauften-elektroautos-china-liste/401872625
„Das mit dem Hätscheln könnte also ubiquitär sein“
Sicher, E-Autos sind derzeit eine allgemeine Modewelle.
Und es ist ja durchaus so, daß sie in vielen Anwendungsbereichen sinnvoll sein können. Aber eben nicht in allen.
Derzeit werden massiv Subventionen ausgeschüttet um E-Autos auch in Bereiche zu drücken, in denen sie wegen ihrer Nachteile normal keiner kaufen würde.
Witzig finde ich halt nur, daß genau die Linken, die E-Autos propagieren, den übrigen Autofahrern vorwerfen ihr Straßennetz nicht zu zahlen. Was eben nur für die E-Autos zutrifft, nicht für die konventionellen.
Nicht-Autofahrende zahlen genauso Steuern.
„Nicht-Autofahrende zahlen genauso Steuern.“
Hat keiner bestritten, ist hier aber völlig irrelevant.
Die Aussage war, daß die Autofahrer wesentlich mehr Geld in der Staatskasse abliefern als sie in Form von Straßenbau etc herauskriegen. Dabei sind natürlich nur die Gelder gemeint, die sie bezahlen müssen WEIL sie Autofahrer sind. Daneben zahlen sie natürlich wie die Nicht-Autofahrer alle möglichen anderen Steuern.
Aha. Und Du als Autofahrer zahlst über deine Steuern für den Straßenverkehr. Ich als Nicht-Autofahrer zahle mit einem Monatsticket und Steuern für den ÖPNV.
Wirkt jetzt auf mich schon irgendwie unfair.
„Und Du als Autofahrer zahlst über deine Steuern für den Straßenverkehr. Ich als Nicht-Autofahrer zahle mit einem Monatsticket und Steuern für den ÖPNV.“
Aua, aua, aua – Äpfel mit Plastik-Wassermelonen verglichen.
Der Autofahrer zahlt spezielle Autofahrer-Steuern. Mit denen wird der komplette Straßenbau finanziert, und darüber hinaus ein fetter Brocken in den allgemeinen Haushalt gezahlt.
Außerdem zahlt der Autofahrer natürlich seine eigenen Kosten für Fahrzeug etc.
Der Autofahrer zahlt also seine kompletten Verkehrskosten und liefert noch Milliarden beim Staat ab.
Und außerdem zahlt der Autofahrer natürlich wie jeder Bürger seine allgemeine Steuern für allgemeine Staatsaufgaben.
Der ÖV-Fahrer zahlt mit seinem Ticket etwa die Hälfte der Verkehrskosten, die er verursacht. Der Rest seiner Kosten wird aus dem allgemeinen Staatshaushalt subventioniert.
Daneben zahlt er dieselben allgemeinen Steuern wie der Autofahrer, die haben mit dem Verkehrsmittel eben nichts zu tun.
Insgesamt also eine extrem unfaire Situation zu Lasten der Autofahrer.
In D betrug der Deckungsbeitrag durch Tickets im ÖPNV mW um die 75 Prozent und ist damit ganz schön hoch.
Nun, da man ja keine Maut erhebt bzw. keine verbrauchsorientierte Abgabe, ist es immer ziemlich leicht zu sagen, dass da mehr übrig bleibt.
Soweit ich weiß, zahlen auch Bahn- und Busbetriebe Kraftstoff- und Stromsteuer, womit eine genaue Abgrenzung schwierig ist und man zumindest die Mineralölsteuer der DB rausrechnen musste.
Dann kommt noch dazu, dass die Kosten, die der Verkehrsverbund für den Verkauf meines Tickets hat, transparent ausgewiesen werden, während die Kosten für die Erhebung der PKW-Steuern irgendwie unterm Teppich fallen.
Dann reden wir doch noch Mal über Unfälle und deren Vorsorge. Während DB Netz, die ihr operatives Geschäft rein über Trassenpreise finanzieren müssen (Investitionen laufen über Staatshaushalt) zB eigene Rettungstrupps für die Tunnel auf der Neubaustrecke Unterhalt, die durch Trassenpreise finanziert werden, werden Rettungskräfte, die zu einem Straßenunfall kommen, rein aus allgemeinen Mittel bestritten.
Zu den weiteren externen Kosten hat ja CitizenK schon Links gepostet, da wir ich nichts weiter sagen, auch weil es echt schwierig ist, was da reingerechnet wird.
Aber ein wichtiger Punkt würde noch nicht genannt und den finde ich am wichtigsten: Die Opportunitatskosten des Straßenverkehrs, insbesondere in Metropolen! Hier hat der Flächenverbrauch des Autoverkehrs insbesondere die notwendigen Flächen für das Abstellen der Autos (und nein, die Kosten dafür werden nicht Mal ansatzweise erhoben) massive Auswirkungen, da diese Flächen für Wohnraum oder andere Nutzungen fehlt
Alles richtig. Allerdings hat auch R. A. einen Punkt mit dem Opportunitätsnutzen: Der Patient kommt schneller in die Klinik, der Arzt notfalls nachts zum OP, der Tourist an Orte, die kein Bus erreicht usw.
Um das Mal klarzumachen: das Auto war eine der genialsten Erfindungen der letzten paar hundert Jahre und hat eine enorme Wohlstandssteigerung gebracht. Und ich bin weder dafür das Auto komplett abzuschaffen noch es komplett aus der Stadt zu verbannen.
Es ist halt mE einfach so, dass wir in Sachen Autoverkehr über den Punkt hinweg sind, wo er tatsächlich Nutzen stiftet. Wir müssten da wieder etwas zurück, sowohl in den größeren als auch in den kleineren Städten.
Aber hier geht es mir um den Punkt aufzuzeigen, dass in R.A.s Rechnung mitnichten alles enthalten ist. Genau auseinanderschlüsseln lässt sich das eh nicht, da Verkehrsträger zu sehr miteinander verwoben sind. So wäre zB die wahrscheinlich effizienteste Politik zur Entlastung von Autobahnen ein forciertes Verlagern des LKW Fernverkehrs auf die Schiene, da gerade LKWs die Straßen übermäßig belasten. Und dann hat vielleicht der PKW-Fahrer für den Ausbau der Schiene, aber über die Verlagerung spart er damit bei der Instandhaltung von Autobahnen.
Aber dazu müsste man anders denken. So wie aktuell von der Verkehrswende geträumt wird, wird die niemals kommen, da der Status von Autos bei uns ungefähr den Status von Waffen in den USA entspricht und daher eine weitreichende Verkehrswende so wahrscheinlich ist, wie ein striktes Waffengesetz in den USA
Die Opportunitätskosten des Straßenverkehrs, insbesondere in Metropolen! Hier hat der Flächenverbrauch des Autoverkehrs insbesondere die notwendigen Flächen für das Abstellen der Autos (und nein, die Kosten dafür werden nicht Mal ansatzweise erhoben) massive Auswirkungen, da diese Flächen für Wohnraum oder andere Nutzungen fehlt
Das stimmt nicht. Die Straßen verlaufen wie seit Jahrtausenden zwischen den Häusern. Sehr alte Städte wie Rom oder Athen sind im Innenstadtbereich so eng gebaut, dass Automobilverkehr kaum möglich ist – trotzdem wird in Rom wie verrückt gefahren.
Auch in Berlin, Frankfurt und anderen Städten wären die Straßen lange vor dem Auto da. Dann hatte man es halt für Kutschen (die mit Pferden) gebraucht sowie für Flanierzüge. Selbst wenn man die Parkplätze wegnähme (was längst passiert), könnte man da keine Häuser drauf bauen, dazu ist die Fläche weit zu schmal. Sie wird halt heute wie früher mehr für Fahrräder und Fußgänger nutzbar gemacht.
Nur, dann dreht sich Ihr Argument um: Fahrräder und Fußgänger verbrauchen immer mehr Fläche ohne dafür zu bezahlen.
1. Das massive Wachstum der Städte in Europa begann erst mit der Industrialisierung der jeweiligen Städte und damit in den meisten Fällen erst ab ungefähr Ende des 19. Jhds. Das bisschen mittelalterliche Innenstadt, sofern nach dem 2. WK überhaupt noch vorhanden stand der autogerechten Stadt und deren Planern in den 1950er/1960er in den ältesten Fallen im Weg.
2. Natürlich kann man zwei Parkplätze vor einem Haus wegnehmen und dann da ein neues Haus bauen. Das Problem ist anderer Natur. Die Städte sind aktuell so gebaut, dass man vor jede Haustür mit dem Auto fahren können soll und idealerweise auch noch direkt davor zu parken. Erst wenn man sich überlegt hat, wie man es auch weiträumig anders macht, ohne dass es zu großen Einschränkungen kommt, erst dann kann man seriöserweise sagen, was tatsächlich möglich ist. Aber, da ist was möglich. In manchen Gründerzeitvierteln hat man Beispiel kurze Verbindungsstraßen, zwei Spuren und dann links und rechts jeweils Parkmöglichkeiten am Straßenrand, so dass die Straße gut und gerne 10-12m breit ist. Da könnte man ja die Straße bebauen, als Verbindung nur Gehsteig und kleine Radweg und die Parkmöglichkeiten zB darunterlegen.
3. Es geht mir auch eher um die Abstellmöglichkeiten. Ich kenne inzwischen viele Städte, die in Innenstadtnähe eine große, unbebaute Fläche zum kostenlosen bzw. kostengünstigen Parken haben, die aber völlig ineffizient genutzt wird. Man könnte ja auch ein Parkhaus bauen und den Rest der Fläche mit Wohnungen bebauen. Aber da man Angst vor dem Volkszorn hat, der losbricht aus Angst, dass man nicht mehr kostenlos parken kann, wird da nichts gemacht.
4. Ja, auch Fahrradfahrer und Fußgänger verbrauchen Fläche, aber deutlich weniger als Autofahrer. Tatsächlich wird das das Problem der Zukunft. Immer mehr Fahrradfahrer werden Fläche beanspruchen, der Klimawandel wird die Städte dazu zwingen, mehr Grünflächen einzurichten um die Temperaturen in der Stadt zu senken, der ÖPNV (sofern er ausgebaut wird), wird auch Platz brauchen und das wird nur gehen, wenn man den Autofahrern Fläche wegnimmt. Wird spannend, was da tatsächlich kommt.
1. Rom, Athen, Hamburg waren auch im 17. Jahrhundert große Städte. Ich weiß, was Sie meinen, aber es trifft relativ nicht zu. Denn im 17. – 19. Jahrhundert waren die Länder insgesamt auch weit weniger dicht besiedelt. Kriege, Krankheiten und Auswanderung hielten den Bevölkerungsstand immer relativ niedrig. Das änderte sich erst mit der Industrialisierung. Nur, da gab es immer noch lange keine Autos. Als die Städte wuchsen, nahm vor allem der Speckgürtel zu, nicht der Kern. Das sehen Sie noch heute bei der Vogelperspektive auf Lissabon, Madrid oder auch Köln.
2. Kann ich nicht erkennen. Ich sehe eine deutliche Reduzierung von Parkraum in Hamburg, Frankfurt und München. Dazu werden Parkmöglichkeiten untertunnelt und für die Stellplätze hohe Gebühren erhoben. Aber die Autos verschwinden aus dem Stadtbild.
4. Erstaunlicherweise nicht. Gibt es keine Autos wie in der Berliner Friedrichstraße, nehmen Fahrradfahrer und Fußgänger den Raum. Und wie gesagt, zuvor gab es da Kutschen.
Schon mal auf Großtstädte geschaut? Die haben deutlich mehr Grünflächen als mittelgroße Städte. Schon immer brauchten Menschen Orte der Erholung und der Weg in den Außenbereich ist in Millionenmetropolen viel zu weit. Was wäre New York ohne den Central Park? Oder Sao Paulo ohne den Parque da Aclimação?
Keine Frage, in solchen Städten ergibt ÖPNV viel Sinn. Nur, das war zu keinem Zeitpunkt die Diskussion, weil es niemand in Zweifel gezogen hatte.
„zahlt mit seinem Ticket etwa die Hälfte der Verkehrskosten“
Was würde es kosten, wenn Hunderttausende (Millionen?) Angestellte, Studenten und Schüler alle mit Autos morgens hin und abends zurückgebracht würden?
@ Citizen
Was würde es kosten, wenn Hunderttausende (Millionen?) Angestellte, Studenten und Schüler alle mit Autos morgens hin und abends zurückgebracht würden?
Was ist das denn für ein abstruses „Argument“?
Es ging um Kosten. An der Stelle zahlen Autofahrer deutlich mehr, als sie infrastrukurmäßig herausbekommen. Bei Nutzern des ÖP(N)V ist es andersherum.
Dieser Sachverhalt hat viele verschiedene Gründe, die sich grob mit „politischem Willen“ und „technisch Machbarem“ zusammenfassen lassen.
Es stimmt, was Du schreibst, aber das ist eine vollkommen andere Diskussion und ändert nichts an den vorliegenden Fakten. Es würde genauso stimmen für die Situation, dass der ÖP(N)V nun ALLE Arbeitnehmer transportieren müsste.
@ R.A. 24. August 2022, 11:41
[„So kostet etwa der Erhalt und Ausbau des Straßennetzes mehr als doppelt so viel, wie die KfZ-Steuer einbringt: Gratismentalität.“]
Das ist natürlich Unsinn.
Autofahrer bezahlen ja deutlich mehr Steuern und Abgaben, damit wird nicht nur das komplette Straßennetz bezahlt, sondern noch viele andere Ausgaben im Staatshaushalt. Sie produzieren also Überschüsse im Staatshaushalt – und das lässt sich auch mit diversen populären „externe-Kosten“-Konstruktionen nicht widerlegen.
Zustimmung.
Hatten wir schon mal, mit Kostenberechnungen für „Lärm“ etc. Wurde schon mal widerlegt, aber da schlafen einige Leute wohl auf dem Resetknopf.
Nur eine Handvoll Zahlen für 2021:
Einnahmen Mineralölsteuer Diesel: 18,9 Mrd. Euro
Einnahmen Mineralsteuer Benzin: 14,1 Mrd. Euro
Einnahmen Kfz-Steuer: 9,5 Mrd. Euro
Einnahmen Lkw-Maut: 7,6 Mrd Euro
Das sind zusammen nur an Einnahmen durch Verbrauch/Betrieb gut 50 Mrd. Euro; nicht berücksichtigt sind Steuern auf Gewinne der Mineralproduzenten und -händler (soweit sie in Deutschland anfallen), Tankstellen, Auto-Hersteller, Zulieferbetriebe oder Händler; nicht berücksichtigt sind Einnahmen von Mehrwertsteuer auf Pkw- und Lkw-Verkäufe sowie Zubehör; (ebenfalls nicht berücksichtigt sind die Einnahmen durch „Versteuerung von Dienstwagen als geldwerter Vorteil“ 🙂 ).
Aufwand für Fernstraßenbau und -sanierung: Landstraßen, Bundesstraßen, Autobahnen, Brücken etc.: 16,7 Mrd. Euro; nicht berücksichtigt sind kommunale Aufwendungen für Kreisstraßen, Städte und Gemeinden, die allerdings deutlich niedriger liegen als Fernstraßen, was mit technischer Ausstattung (Auslegung auf höhere Tragfähigkeit, größere Brücken, Breite der Fahrbahnen etc. zu tun hat).
es grüßt E.G.
Nicht berücksichtigt sind auch die Abschreibungen. Auf der anderen Seite brauchen auch Busse und Sammeltaxis Straßen. Die Hoffnung auf eine halbwegs objektive Berechnung muss ich wohl aufgeben. Das Argument Flächenfraß bleibt ebenso wie das Umweltargument. Auch E-Autos brauchen Platz und produzieren Feinstaub durch Reifenabrieb.
Welche Abschreibungen? Sie argumentieren mit einem festen Ziel. Deswegen ignorieren Sie einfach Argumente.
Meines Wissens verbrauchen auch Wohnungen und Häuser Fläche. Sie müssten mal in die USA (oder sonst ein weniger dicht besiedeltes Land) um ein Gefühl dafür zu bekommen, dass Autos für die meisten Menschen die einzige, auch noch wirtschaftlich auf die Beine zu stellende Form der Mobilität ist. Allgemeiner öffentlicher Verkehr funktioniert sinnvoll nur in Ballungsräumen.
Wissen Sie, wann eigentlich die Feinstaub-Belastung in den letzten Jahren am höchsten war? Im Jahr 2020, als Deutschland sich durch Lockdowns quälte.
„Deswegen ignorieren Sie einfach Argumente.“
Welche? Meinen Wunsch hab ich doch klar formuliert: Aus der Diskussion hier (quasi als Resultierende) ein halbwegs objektives Bild zu bekommen, ob „das Auto“, also der motorisierte Individualverkehr, den Staat/Steuerzahler mehr oder weniger kostet als er durch Steuern und Abgaben einbringt.
Nach meinem Kenntnisstand fallen Straßen, Brücken und auch Parkflächen nicht vom Himmel und halten nicht ewig. Es gibt Anschaffungs- oder Herstellungskosten – folglich Abschreibungen. Was ist daran falsch?
Die Frage ist doch, ob man einen Teil des IMV durch Formen des ÖV ersetzen kann, auch auf dem Land. Die Vorteile des Autos muss man mir nicht erklären – ich hatte nämlich nie eines, unfreiwillig.
Feinstaub -Typisches Eigentor 😉 Weniger Verkehr, weniger Feinstaub.
„Nach meinem Kenntnisstand fallen Straßen, Brücken und auch Parkflächen nicht vom Himmel und halten nicht ewig.“
Natürlich. Und die entsprechenden Kosten finden sich komplett in den öffentlichen Haushalten. Und betragen in Summe nicht einmal die Hälfte der von Autofahrern abkassierten Gelder.
Das sind ganz simple und nachprüfbare Fakten.
Wie soll das objektive Bild gelingen, wenn die eine Seite kein Interesse an einer seriösen Darstellung der Fakten hat?
Stefan begann mit einer Finte, i.d.R. die Ursünde: Als spezielle Steuern des Autoverkehrs nannte er allein die Kfz-Steuer. Kann sein, dass das ein Fehler war. Als Opener jedenfalls denkbar schlecht. Dann korrigiert man das möglichst schnell. Das geschah nicht.
Folglich startete die Debatte wieder bei Null: Autofahrer bezahlen quasi nichts, womit der Individualverkehr zu einem Zuschussgeschäft würde. Dann müssen ein paar Leute diese Basics richtigstellen, was ihnen den Vorwurf des Lobbyismus einbringt.
Es ist geradezu erstaunlich, dass hier ein paar Lehrer zur Linken sitzen, die offensichtlich nicht wissen, wie man Debatten führt.
Die Anschaffungskosten sind im Bundeshaushalt. Das hat Erwin verglichen. Wenn Sie jetzt noch die Afa hierauf als weiteren Aufwand berücksichtigen wollen, rechnen Sie doppelt. Was ist das? Sie haben gesagt, Sie hätten Ahnung.
Und zum Schluss Leseschwäche:
Feinstaub -Typisches Eigentor Weniger Verkehr, weniger Feinstaub.
Denkt man. Ich schrieb aber:
Wissen Sie, wann eigentlich die Feinstaub-Belastung in den letzten Jahren am höchsten war? Im Jahr 2020, als Deutschland sich durch Lockdowns quälte.
Das ist dann kein Eigentor. Aber ich will Sie nicht unnötig beleidigen.
Dort war nur von „Erhaltungsaufwand“ die Rede, darauf habe ich mich bezogen. Wenn ich da was falsch verstanden habe, werde ich mich korrigieren.
Die externen Kosten jedenfalls sind in den Rechnungen nicht enthalten.
https://www.vcd.org/fileadmin/user_upload/Redaktion/Themen/Verkehrspolitik/Versteckte_Kosten_im_Verkehr/Versteckte_Kosten.pdf
Zum Feinstabub: Mehr km, mehr Abrieb, mehr Feinstaub, mehr Mikroplastik. Quasi naturgesetzliche Funktion. Für die Zunahme während der Pandemie müssen dann andere Faktoren verantwortlich sein. Logisch? Und E-Autos verringern das Problem, aber lösen es nicht:
https://www.sueddeutsche.de/auto/mikroplastik-feinstaub-reifenabrieb-elektroautos-1.5296008
https://www.stern.de/auto/service/reifenabrieb-und-mehrgewicht—mehr-feinstaub-durch-elektroautos-9536914.html
Und der ADAC , linker Umtriebe eher unverdächtig:
https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/ausstattung-technik-zubehoer/reifen/reifenkauf/reifenabrieb-mikroplastik/
Das Umweltbundesamt: „In Ballungsgebieten ist vor allem der Straßenverkehr eine bedeutende Feinstaubquelle. Dabei gelangt Feinstaub nicht nur aus Motoren in die Luft, sondern auch durch Bremsen- und Reifenabrieb sowie durch die Aufwirbelung des Staubes auf der Straßenoberfläche.“
P.S. Das mit dem Eigentor war eine Panne. Ein Hinweis darauf ist keine Beleidigung. Die Vermutung, es sei eine, schon eher.
@ Stefan Pietsch 25. August 2022, 17:25
Wie soll das objektive Bild gelingen, wenn die eine Seite kein Interesse an einer seriösen Darstellung der Fakten hat?
Stefan begann mit einer Finte, i.d.R. die Ursünde: Als spezielle Steuern des Autoverkehrs nannte er allein die Kfz-Steuer. Kann sein, dass das ein Fehler war. Als Opener jedenfalls denkbar schlecht. Dann korrigiert man das möglichst schnell. Das geschah nicht.
Ähnliche Sachen passieren jedem von uns gelegentlich. Muss man nicht gleich böse manipulatorische Absicht unterstellen. Wenn Du die guten Argumente hast, reichen die doch.
@ CitizenK 25. August 2022, 21:15
P.S. Das mit dem Eigentor war eine Panne. Ein Hinweis darauf ist keine Beleidigung. Die Vermutung, es sei eine, schon eher.
Zustimmung.
Ähnliche Sachen passieren jedem von uns gelegentlich.
Sicher. Nur ist da eine kurze Klarstellung hilfreich. Was mich halt unheimlich ärgert und das zeigt eben ein Stück Unreife, wenn eine Debatte immer wieder so startet, als hätte es die Gegenargumente nicht gegeben.
Da wird von bestimmter Seite halt immer wieder auf die gleiche Stelle gehauen in der Erwartung (oder Selbstbefriedigung) zu anderen Überzeugungen zu gelangen. Lies mal meine Artikel unter dem Aspekt. Ich versuche immer die bisher genannten und validierten Argumente einzubauen und mit neuen Erwiderungen anzugehen.
Hallo Stefan
Natürlich verstehe ich den Punkt. Ändert nichts: wenn Du jedesmal persönliche Seitenhiebe austeilst, lesen sich Deine meist guten Argumente nur noch wie plumpe Rechthaberei. Ist immer schade.
Es grüßt
E.G.
CitizenK war laut eigener Aussage am Anfang an der Debatte interessiert. Doch die drehte sich dann weitgehend um verkürzte Statistiken und Argumente, die längst ausgetauscht waren, weil die eine Seite alles wieder auf Anfang setzte. Das nervt kolossal. Ist es zu viel verlangt, dass intelligente Menschen, die Gegenargumente, die sie zu ihrer Meinung erhalten haben, in ihre eigene Argumentation einbauen? Ist es das?
Hallo Stefan,
mag Dich nerven, dass jemand aufgrund von gegnerischen Argumenten sein Weltbild nicht umschmeißt; geht Dir nicht anders.
Ich meine nur, dass Deine Argumente mehr Kraft haben, wenn sie nicht mit persönlichen Angriffen unterlegt sind.
Du solltest mich soweit kennen, dass es mir nicht darauf ankommt, anderen meine Meinung aufzuzwingen.
Nur, wenn ich im Job immer mit dem Status des letzten Jahres käme und eine bestimmte Maßnahme fordern würde, obwohl die mit einigen Begründungen bereits durchgefallen war, würde man irgendwann fragen, ob ich zu doof für den Job wäre.
Wir haben hier zu vielen Themen viele Argumente ausgetauscht. Bei den Standardsachen (Einkommen- und Vermögensteuer, Klimaschutz, Schuldenbremse) sollte man die Bottom Line der anderen Seite kennen. Und damit in die eigene Argumentation einbauen.
Wenn nicht, braucht man sich nicht zu wundern, wenn der mancher tierisch genervt ist. Denn: bis dann die Bottom Line aufgearbeitet ist, reicht den meisten die Debatte.
Sie haben doppelt gezählt. Nach den GoB (Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung) werden Investitionen aktiviert. Ihr Kauf hat keinen Einfluss auf die Erfolgsrechnung. Erst ihre Abschreibungen haben einen erfolgswirksamen Einfluss.
In der Kapitalflussrechnung sind Investitionen ausgabewirksam. Der Betrag geht direkt vom Konto ab. Dafür haben Abschreibungen keine Wirkung auf die Liquidität.
Der Staat rechnet ähnlich: Investitionen sind sofort ausgabewirksam. Dafür gibt es jedoch keine Abschreibungen. Wenn ich Ausgaben (Investitionen) und Aufwendungen (zahlungsunwirksame Kosten) zusammennehme, wird die eine Sache doppelt gezählt.
Die Energiesteuer internalisiert die Klimakosten. Darüber hinaus liefert der Automobilverkehr über die Steuern ein Vielfaches der durch ihn verursachten Infrakstrukturaufwendungen bei der Allgemeinheit ab. Das gilt für den ÖPNV wie den Bahnverkehr übrigens nicht.
Feinstaub ist eine schwierige Diskussion, wie die vergangenen Jahre und die internationale Bewertung gezeigt haben. Den meisten Feinstaub verursachen übrigens in den Städten Busse und Bahnen.
https://www.focus.de/auto/news/abgas-skandal/ueberraschende-messungen-doppelter-tagesgrenzwert-soviel-feinstaub-schlucken-sie-in-der-u-bahn_id_8932224.html
Das sind die Fakten. Und dann muss man eine Debatte auf diesen Fakten aufsetzen und nicht sie ignorieren. Das ist jedoch wesentlich anspruchsvoller, als immer die selben Argumente auszutauschen. Sie und Stefan haben die Auflistung der Zahlen schon zigmal bekommen. Es nervt, wenn man mit den Basics immer wieder von vorne beginnen muss. Dann kommen wir nämlich nicht weiter.
Die Hoffnung auf eine halbwegs objektive Berechnung muss ich wohl aufgeben.
Stefans war jedenfalls vollkommen unseriös. Und das selbst dann, wenn man völlig unter den Tisch fallen lässt, dass wir Strassen selbst mit 0 Privatautos noch immer für den Lieferverkehr bräuchten – eine städtische Versorgung mit Bahn und Lastenrädern ist in den nächsten 30 Jahren nicht einmal theoretisch realisierbar (und selbst Lastenräder brauchen Strassen, also vielleicht Lastenträger?).
Gruss,
Thorsten Haupts
@ CitizenK 25. August 2022, 10:40
Nicht berücksichtigt sind auch die Abschreibungen.
Es entgehen dem Staat keine Steuereinnahmen durch Abschreibungen, wenn kein Gewinn erzielt wird. Erst wenn ein Gewinn entsteht, lassen sich die Kosten, die zur Erzielung eines Gewinns anfallen, entweder direkt absetzen oder über eine Zeitfunktion abschreiben.
Auf der anderen Seite brauchen auch Busse und Sammeltaxis Straßen. Die Hoffnung auf eine halbwegs objektive Berechnung muss ich wohl aufgeben. Das Argument Flächenfraß bleibt ebenso wie das Umweltargument.
Immer wieder irritiert mich Deine selektive Wahrnehmung. Welche Autos stören Dich? Autos grundsätzlich? Autos in Privatbesitz? Dienstwagen? Pkw? Lkw? SUV?
Wenn Du Autos als Gesamtheit siehst – unabhängig von der Nutzung – nimmt der Staat durch diese DEUTLICH mehr Geld ein, als er ausgibt, um die Infrastruktur für Autos bereitzustellen. Da diese Mehreinnahmen in den Steuertopf fließen und die Hälfte aller Staatsausgaben in den sozialen Bereich geht, kannst Du Dir ausrechnen, wer davon besonders profitiert.
Gleichzeitig minimiert und optimiert er Folgen (etwa durch Lärm, Emissionen etc., aber nicht nur) durch immer strengere Vorschriften, oder tut es eben nicht. Das kannst Du den Autofahrern genauso wenig vorwerfen wie Radfahrern oder Hundebesitzern.
Warum Du gerade beim Auto immer wieder auf „Besonderheiten“ abhebst, die in allen Lebensbereichen gelten, erschließt sich mir nciht.
„nimmt der Staat durch diese DEUTLICH mehr Geld ein, als er ausgibt, um die Infrastruktur für Autos bereitzustellen“
Ich will im 1. Schritt nur wissen, ob diese Behauptung stimmt. Die politische Bewertung folgt dann im 2. Schritt.
Externe Kosten jedenfalls sind in eurer Berechnung nicht enthalten.
https://www.vcd.org/fileadmin/user_upload/Redaktion/Themen/Verkehrspolitik/Versteckte_Kosten_im_Verkehr/Versteckte_Kosten.pdf
@ CitizenK 25. August 2022, 20:56
geht unten weiter …
Allgemein gesprochen changiert der Artikel zwischen ein Stück Fairness und eindeutigem Unverständnis über die FDP. Die Mentalität und Denkweise von Liberalen ist den meisten Deutschen schlicht fremd. Bei Stefan wundert das, schließlich hat er seit acht Jahren einen waschechten Hardcore-Liberalen im Blog zum Studieren.
Liberale definieren sich in der Abgrenzung. Das ist der Ursprung des Liberalismus, der klare Grenzziehungen zwischen Bürger und Staat forderte (und erlangte). Das liegt übrigens auch in meiner Natur. Die meisten Menschen sind nicht so, sondern definieren sich durch Gemeinschaft und Zugehörigkeit. Während ein Lindner seine Karriere über darin auflebte, mit politisch anders Denkenden in den Infight zu gehen, zieht sich eine Ricarda Lang in ihre Blase zurück.
Es ist also eine Albernheit, Liberalen mit Mehrheiten zu kommen. Liberale sind Minderheit und stolz darauf, gegen den Strich zu sein. Manchmal überziehen ihre politischen Vertreter jedoch. Oder biedern sich an. Der Niedergang der FDP 2009-2013 lag in zwei Punkten begründet. Zum einen war die Partei trotz Rekordergebnis maßlos erfolglos. Westerwelle versuchte allen Ernstes die Erhöhung des Kindergeldes und die Abschaffung der Praxispauschale als Kernanliegen der Liberalen zu verkaufen. Und dann war der Auftritt desaströs und gipfelte 2013 in einer Betteltour um Leihstimmen. Doch liberale Bürger sind außerordentlich stolz. Sie wollen sich nicht für die Partei schämen, die sie wählen.
Lindner hatte das vom ersten Tag an verstanden. Umso unverständlicher, dass ihm, dem so Kontrollierten, so ein Wort wie Gratismentalität durchrutscht. Liberale geben aus einer Position der Stärke. Nichts ist für sie erniedrigender, als dass sie aus Schwäche heraus um Geld bitten müssen. Sie sind Verschwendung und Unverdientem abgeneigt. „Gratismentalität“ ist brachial und passt nicht zum Stil.
Die FDP wird von Menschen gewählt, die extremen Wert darauf legen, auf eigenen Füßen zu stehen. Das ist nicht allein einkommensabhängig. Ihre Basis zum Wahlerfolg waren jene, denen die Merkel’sche Staatswirtschaft längst zu weit gegangen war und den Pandemiekritikern. Beide haben massive Einschränkungen in den letzten Monaten hinnehmen müssen. So trägt die FDP die Aussetzung der Schuldenbremse auch dieses Jahr mit, damit unter anderem die Grünen mit dem Klimafonds, der mit 60 Milliarden Euro dotiert ist, eines ihrer Lieblingsprojekte verwirklichen konnten. Ebenso wurde für 2022 eine schleichende, signifikante Steuererhöhung im Einkommensteuergesetz durchgeführt. Und Buschmanns Einknicken vor Lauterbachs Amokfahrt bei den Einschränkungen wird auch nicht auf das Konto der FDP einzahlen. Zeit also, die Dinge ein Stück zurückzurücken und Stoppschilder zu setzen.
Das 9-Euro-Ticket war ein politisches Kompensationsgeschäft für den vom Finanzminister forcierten Tankrabatt. Es wäre eine der wenigen Male, dass die Kompensation das eigentliche Anliegen überleben sollte. Das 9-Euro-Ticket ist als Sozialmaßnahme extrem teuer und erreicht seinen umweltpolitischen Zweck nicht. Und das Problem ist nicht die Reizung der Angebotsseite durch steigende Nachfrage. Das kann in funktionierenden Märkten so sein, daher kommt die Theorie ja. Nur ist der Markt der Bahn kein funktionierender. Abgesehen davon, dass der Preis stark politisch beeinflusst ist und ein Staatsunternehmen Anbieter ist, handelt es sich vor allem um einen Monopolmarkt auf der Angebotsseite. Monopolisten erhöhen jedoch nicht ihr Angebot, wenn die Nachfrage steigt. Warum sollten sie? Der Umsatz eines Unternehmens setzt sich aus Preis x Menge zusammen. Der Umsatz lässt sich auch steigern, in dem der Preis angehoben wird, was bei Knappheiten automatisch passiert. Staatsmonopolisten funktionieren nochmal anders.
Die Kosten des 9-Euro-Tickets fallen bei Betreibern, Kommunen und Ländern an. Diese wollen die Kosten nicht tragen, weshalb sie den Bund um Zahlung bitten. Das ist die offensichtliche Subvention. Beim Autoverkehr sieht die Geschichte ein Stück anders aus. Prinzipiell wehre ich mich eigentlich gegen solche Einteilungen, weil Steuern in den allgemeinen Haushalt fließen und darauf allgemeine Aufgaben finanziert werden. Eine Zweckbindung gibt es nicht. Die Betrachtung haben Linke aufgemacht.
Die Kfz-Steuer war ursprünglich eine Landessteuer. Seit 2009 liegt die Ertragshoheit jedoch beim Bund. Wer den Beitrag des Automobilverkehrs zu den verursachten Kosten messen will, darf nicht die spezielle Steuer auf Mineralöl vergessen. Die Energiesteuer entschädigt darüber hinaus für die Umweltschädigung. Erst dadurch ergibt sich das Bild, dass der Individualverkehr weit mehr als die durch ihn verursachte Infrastrukturkosten trägt.
An dieser Stelle spare ich mir die Positionen zum „Dienstwagenprivileg“ und zur Einkommensteuer aus, da für beides Artikel in der Pipeline sind. Zum Dienstwagen folgt morgen ein Artikel, darüber lässt sich dann ausführlicher diskutieren.
Zu den Medien: Slomka hat so ihre eigene Fehde mit Lindner, das ist nicht neu. Die ZEIT ist links sortiert und gefällt sich im Gutmenschentum. Interessant ist auch, dass die schlecht gemachte Gasumlage nun der FDP um den Hals gehängt werden soll, wurde sie doch allein vom Bundeswirtschaftsministerium entworfen. Die FDP ist hinzugezogen worden, als es um die Abfederung der sozialen Folgen ging. Deswegen ist Lindner im Wissen um die Erfolglosigkeit nach Brüssel und hat sich dort nicht nur eine Absage, sondern auch den Fahrplan für die steuerliche Entlastung abgeholt. Sollte man wissen.
Rund 45% der in Deutschland zugelassenen PKW sind gewerblich. Wenn jeder vierte zugelassene Porsche dann ein Dienstwagen ist, spricht das dagegen, dass der Luxuswagenhersteller überproportional von der Regelung profitiert.
ÖPNV.
Warum du immer wieder ÖPVN schreibst ist mir unklar. Sagt man das bei euch so? Öffentlicher Personenverkehr im Nahbereich oder so?
ÖPNV heißt Öffentlicher Personen NahVerkehr.
Übliche Abkürzung für den kommunalen und regionalen Verkehr.
Allgemein ÖV würde auch den Fernverkehr der Bahn mitumfassen.
Good point, danke.
Tja, hätte die FDP mal den Grünen das Verkehrsministerium überlassen, wäre aktuell sehr viel einfacher.
Zur „Eure-Armut-kotzt-mich-an“-Attitüde:
Bin ein bisschen zwiegespalten, denn es ist nun mal die FDP, was will man erwarten? Und doch etwas Verwunderung, weil es ja gerade Lindner war, der nach dem Schwarz-Gelb-Desaster den mitfühlenden Liberalismus ausgerufen hat und das ja auch mehr oder weniger funktioniert hat. Das Klischee wird die FDP eh nicht mehr los, aber jetzt hat er einen riesigen Scheinwerfer draufgeknallt.
Und das halte ich für hochgradig unklug, das hat der FDP damals schon das Genick gebrochen und die Stimmungslage passt überhaupt nicht dazu. Meine Meinung kann der FDP ja egal sein, aber es schreckt sicherlich viele WechselwählerInnen ab. Ich denke da auch gerade an die Jungwählenden, die der FDP zugeneigt sein könnten und in der Regel noch nicht zur priviligierten Oberschicht gehören. (es konterkariert btw auch die guten Ideen, die die FDP zum Aufstieg hatte)
Dienstwagen-Privileg
Deutschland ist nun mal Autoland, ich habe da wenig Hoffnung und wäre schon mit kleinen Kompromissen zufrieden. Meinetwegen können Dienstwagen bleiben, wenn Anreize geschaffen werden, einen Kleinwagen oder E-Auto zu nehmen statt einen Hybrid-SUV. Das ist im Autohandel ja schon das Problem, die Kleinwagen verschwinden nach und nach aus dem Sortiment, weil sie zuwenig Gewinn bringen und an den dicken SUVs wird mehr verdient. Hier mal eine Kehrtwende zu schaffen, wäre ein kleiner aber lohnenswerter Schritt IMO.
9-Euro-Ticket
Ich gebe freimütig zu, dass für mich der soziale Aspekt klar im Vordergrund steht. Es gab da auch mal Untersuchungen, dass hier investiertes Geld extrem den ärmeren Leuten zugute kommt (und das ist selten und gar nicht so einfach zu bewerkstelligen). Mir auch egal, ob sie generell sparen oder halt mehr umherreisen. Außerdem wird beim Rumreisen Geld ausgegeben, was der Wirtschaft zugute kommt. Hallo, Hotels und Restaurants, das müsste der Mövenpick-Partei doch gefallen^^
Und auch Teilhabe ist wichtig, hab mich echt gefreut. Hab einige Bekannte, die noch nicht solange in Deutschland sind und sich endlich mal etwas umsehen konnten, mal an die See, nach Bremen oder Hamburg. Ist doch super.
die Verbindungen zu Orten, an die ich will, entscheidend sind – und da hapert es häufig
Das halte ich übrigens für einen ganz wichtigen Punkt, neben der Kostenfrage. Ich habs zb eher genutzt, um mal nach Bremen oder Verden und musste mich nicht mit dem Tarifdschungel und Bus oder/und Bahn auseinandersetzen. Deswegen bin ich auch dafür, eine Nachfolgeregelung für Gelegenheitsfahrer zu finden, so ein 365€-Ticket würde mir zb nichts bringen. Außerdem hier wieder Monolog zudenken, dass ich generell für einen völlig kostenfreien Nahverkehr bin!
Du kannst natürlich à la Stefan „I welcome your hatred“ sagen, aber clever ist das nicht…
Dienstwagen: Jo.
Ticket: Unbedingt! Ich finde Egghats Vorschlag mit der 1-2-3-4-Euro-Staffelung super.
Du kannst natürlich à la Stefan „I welcome your hatred“ sagen
Das ist für Stefan ja auch weniger riskant als für die FDP an sich. Gerade weil man sich damit weit mehr Feinde macht als wenn man gegen die Grünen oder die bahnfahrende Antifa wettert.
die FDP ist für eine Entlastung der Bürger*innen durch Steuersenkungen, und da man gleichzeitig ja unbedingt die Schwarze Null halten will (ohnehin eine dubiose Zielsetzung), ist schlichtweg das Geld nicht da.
Was von hinten bis vorne eine Legende ist. Das Geld wird knapp, weil der Staat es in der Vergangenheit für dubiose Sozialleistungen rausgehauen hat. Justament heute warnt der Bundesrechnungshof (BRH), dass bereits 90% der Ausgaben im Bundeshaushalt „versteinert“ seien, d.h., die Regierung hat praktisch keine Möglichkeiten mehr, diese fixe Summe zu beeinflussen, insbesondere zu senken. Umso mehr müsse der Staat Sparen, Sparen, Sparen. Das Gleiche sagen seit vielen Jahren die Berichte zur Tragfähigkeit der Staatsfinanzen – die halt manche einfach mal lesen müssten.
Dort steht, wenn dieser Staat so weitermacht wie bisher, wird die Staatsschuld in zweieinhalb Jahrzehnten italienische Größenordnungen erreichen. Die sozialen Konflikte und die Schäden für die Dynamik des Landes lassen sich da gleich am Mittelmeer bewundern. Nach Jahren exorbitanter Krisenausgaben muss endlich die Bremse reingehauen werden.
Odysseus war einer der klügsten Griechen. Er sollte Vorbild sein.
Mein Argument ist: du kannst nicht SOWOHL Tankrabatt ALS AUCH Steuersenkung UND Schwarze Null machen. Something has to give.
Der Tankrabatt läuft bekanntlich aus.
Wer redet eigentlich von Steuersenkung? Der Finanzminister jedenfalls nicht.
Der Finanzminister permanent?
Das, was im Jahressteuergesetz 2023 angedacht ist, heißt offiziell „Tarifanpassung“ . In der FAZ hieß es in einem Artikel „Bonbons für Steuerzahler“.
Framing, wie man das heute so nennt (hieß früher mal Propaganda), ist das halbe Leben, vielleicht sogar das ganze, jedenfalls in politics.
Der Punkt ist ja der, dass es „Steuersenkungen“ und „Steuererhöhungen“ ampelmäßig offiziell nicht geben darf. Da das wechselseitig jeweils mehr oder weniger unter Porno abgebucht wurde, haben die Ampelaner:innen ja damals in grauer Vorzeit, also nach der letzten Wahl, das Thema salomonisch so gelöst, dass man Erhöhungs- und Absenkungsbegehren wechselseitig blockiert, also die Sache neutral stellt.
Alles, was jetze doch darauf hinausläuft, muss anders heißen. Bonbons gefällt mir. Bittere Medizin, aber nur für die Reichen, könnte man sich auch vorstellen, denn es versteht sich von selbst, das auch günlinks lediglich gewisse Anpassungen bei denen mit den breiten Schultern wünscht. Bei den Umschreibungen sind jedenfalls die Poeten gefragt.
„Der Punkt ist ja der, dass es „Steuersenkungen“ und „Steuererhöhungen“ ampelmäßig offiziell nicht geben darf.“
Gibt ja auch keine.
Die Pläne, für die Lindner als angeblich asozial verhauen wird, beinhalten eine reine Inflationskorrektur. D.h. real zahlen die Leute genausoviel wie vorher, auch die Relation zwischen „arm“ und „reich“ bleibt unverändert.
Würde Lindner nichts machen, würde die kalte Progression zuschlagen und das wäre gerade bei den aktuellen Inflationsraten eine massive Steuererhöhung.
Da hörst Du nicht richtig hin. Lindner spricht nicht von Steuersenkungen.
Sind wir mal froh, dass Framings nur von Linken benutzt werden 😀 😀 😀
Linke machen Framing. Hier geht es um Fakten. Und eine Betrachtung, wie sie so in der Wissenschaft gesehen und international hauptsächlich praktiziert wird. Aber wir in Deutschland sind ja wieder so besonders, so herausragend klug, so einfach unschlagbar moralisch.
Mir ist übel.
Linke machen Framing.
Ich weiß nicht, was ich da noch sagen soll.
In diesem Falle ja. Und es ist einfach perfekt – 90% (nach Reichweite) der deutschen Medien plappern „Steuersemkung“ nach, wo es um die Abschaffung einer verdeckten Steuererhöhung geht, nach der man bei gleichbleibendem Realeinkommen wegen höheren Nominaleinkommens höhere Realsteuern zahlt. Ich gratuliere zu diesem gelungenen Öffentlichkeitscoup.
Gruss,
Thorsten Haupts
Des einen Verhinderung der verdeckten Steuererhöhung, des anderen Steuersenkung. Des einen Dienstwagenprivilegs, des anderen völlig gerechtfertige Policy. Und so weiter.
Des einen Verhinderung der verdeckten Steuererhöhung, des anderen Steuersenkung …
Nur ist das eine sachlich korrekt und das andere linkes Framing. That´s the difference.
Na klar, meine Seite hat auch immer Recht und die andere liegt falsch. Das ist immer der Unterschied.
Na ja, wenn der eine den Tag zur Nacht erklärt und der andere den Tag zum Tag, dann hat der andere sachlich recht und der eine lügt (neudeutsch: framet).
Schon, aber das liegt hier ja nicht vor.
Wie Du klare Sachverhalte zu einer Definitionsfrage erklärst – Kopfschüttel…
Hallo Stefan,
Eine Verhinderung einer Steuererhöhung ist keine Steuersenkung. Definitiv nicht.
Es grüßt
E.G.
Die Kalte Progression ist auch keine Steuererhöhung!
Wieso nicht?
@ Stefan Sasse 27. August 2022, 17:11
Die Kalte Progression ist auch keine Steuererhöhung
Aber natürlich. Der Betroffene wird mit einem höheren Steuersatz belegt, obwohl sich die Kaufkraft seines Gehalts nicht erhöhte.
Deine Steuerlast erhöht sich, ja. Aber es ist keine Steuererhöhung. Eine Steuererhöhung ist, wenn der Steuersatz für alle um X% erhöht wird. Sorry, aber wenn wir Korinthen kacken, dann für beide Seiten.
Eine Steuererhöhung ist, wenn der Steuersatz für alle um X% erhöht wird.
Wo steht das? Das ist eine sehr originelle Definition von Steuererhöhungen. Folglich wäre eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes keine Steuererhöhung. Originell ja, aber dennoch wissenschaftlich komplett falsch.
Wie gesagt, wir haben uns in den letzten Jahren – nicht zuletzt in diesem Blog – angewöhnt, Menschen zu Leugnern zu erklären (und zu sperren), die wissenschaftliche und statistische Fakten ignorieren. Sehr gefährliches Eis…
@ Stefan Sasse 4. September 2022, 10:05
Deine Steuerlast erhöht sich, ja. Aber es ist keine Steuererhöhung.
Der Punkt mit der Erhöhung ist, dass sich bei einer Gehaltsanpassung bzw. -erhöhung mit dem Ziel „Inflationsausgleich“ zwar Deine Kaufkraft nicht steigt, der Staat sich trotzdem in größeres Stück abkneift, so dass Du letztendlich weniger Kaufkraft hast.
Eine Steuererhöhung ist, wenn der Steuersatz für alle um X% erhöht wird.
Natürlich nicht. Du kannst auch eine Steuerreform „für alle“ haben, die den einen höhere und den anderen niedrigere Steuersätze beschert.
Selbst das Bundesfinanzministerium nennt die kalte Progression „Steuererhöhung durch Untätigkeit“.
Okay, Realwertprinzip. Im Steuerrecht gilt zwar das Nominalwertprinzip, wird in diesem Fall aber umgeframt.
Warum eigentlich nicht immer? Verbrauchssteuern an den Realwerten der Verbrauchsgüter messen, also aktuell „anpassen“. Wäre notabene KEINE Erhöhung, sondern eine Inflationsanpassung.
Die Progression (für sich gesehen) schlägt im Übrigen nicht wegen der Inflation zu, sondern wegen Lohnerhöhungen, die alle möglichen Gründe haben können. Inflationsausgleich kommt bei den Gründen natürlich auch in Betracht, wovor Herr Lindner allerdings vehement warnt:
Noch im Mai, laut BR24:
„Bundesfinanzminister Christian Lindner warnt vor einer sich verstärkenden Inflation durch deutlich steigende Löhne und Gehälter. „Die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale ist real“, sagte der FDP-Vorsitzende der Nachrichtenagentur Reuters. „Die Inflationsentwicklung würde dann zusätzlich verstärkt.“
Man muss also nur auf Lindner hören, dann passiert an der Progressionsfront gar nichts und alles ist gut.
Wenn das Realwertprinzip so schön ist, plädiere ich auch bei den Rentenbezügen dafür.
Ähm…da geht das nicht; nicht finanzierbar.
Ma kann das drehen und wenden wie man will: Der Staat kann unmöglich die Inflation durch welche Klimmzüge auch immer fiskalisch oder parafiskalisch allgemein „ausgleichen“. Gezielt bei definierten kleinen Sektoren schon. Da will natürlich jeder dazugehören^.
2022 wurden die Renten um 5,35% in den alten Bundesländern angehoben. Das im Dezember 2021 verabschiedete Steuerentlastungsgesetz ging für 2022 von einer Inflation von 2,5% aus.
Können Sie die Diskrepanz erklären? Beides Bundesebene, aber unterschiedliche Erhöhungsmaßstäbe.
Rentenerhöhungen sollen die Lohnentwicklung nachvollziehen.
Dennis referenzierte auf die Anpassung der Renten gemäß Realwerten.
Die Bruttolöhne steigen 2021 laut Statistischem Bundesamt um 3,1%. Hubertus Heil hat einen besonderen Rechenschieber.
https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Verdienste-Verdienstunterschiede/Tabellen/liste-bruttomonatsverdienste.html
Gerade übrigens diese Statistik zum Dienstwagen-Privileg gefunden. Mercedes G-Klasse, das ist schon heavy. Das Ding passt doch noch nicht mal auf einen normalen Parkplatz drauf.
https://pbs.twimg.com/media/Fa6WjHGXkAAmVWF?format=jpg&name=medium
Würde eben wirklich schon viel bringen, wenn die einfach normale Autos in etwas größeren Abständen anbieten.
Da ist soviel Unschärfe drin, speziell im Bereich Dienstwagen. Und wenn man der FDP eine „Eure Armut kotzt mich an“-Attitüde unterstellt, so hat der linke Teil der Politik eine „Euer Reichtum kotzt mich an“-Attitüde. Aber das ist in offenbar Ordnung.
Klar sind da Unschärfen drin, ich wollte das auch gar nicht in allen Details besprechen und kenne mich da auch zuwenig aus – und wenn dann eher von der Händlerseite her. Wie gesagt, mir würde da etwas Mäßigung schon reichen, die Mercedes G-Klasse sieht halt eher aus, als wäre sie in der Ukraine geeignet statt in deutschen Städten. Das ist nun mal ein wenig absurd.
so hat der linke Teil der Politik eine „Euer Reichtum kotzt mich an“-Attitüde. Aber das ist in offenbar Ordnung.
Ja ist so, ich persönlich finde es ein wenig ermüdend, aber diese Klischees werden die Parteien eh nicht los. Selbst wenn Lindner weiter mit dem mitfühlenden Liberalismus gemacht hätte. Ich persönlich denke, es ist für Parteien am klügsten, solche Reizthemen weitestmöglich zu umgehen. Es würde auch niemand der SPD glauben, dass sie einen ausgeglichenen Haushalt hinterlässt und wenn sie noch so sehr gegen das Klischee ankämpft und auf 300 Seiten Finanzierungspläne entwirft. Die Zeit und Aufwand kann man besser woanders einsetzen.
*hust* http://www.deliberationdaily.de/2020/02/wenn-ich-koenig-der-spd-waer-revisited/
Zitat Ariane:
„Klar sind da Unschärfen drin, ich wollte das auch gar nicht in allen Details besprechen“
Eigentlich auch nicht notwendig. Man kann zwar eine Diskussion scheinbar „gewinnen“ indem man tonnenweise Detailsalat auf den Tisch kippt, ändert aber alles nix am Elefanten im Raum, der da heißt: Förderung der Autoindustrie. Nu ist angesichts der einschlägigen Industrieverhältnisse in D Letzteres ja auch nicht unbedingt abwegig und auch Sozen und die IG Metall und aus naheliegenden Gründen traditionell an dieser Stelle eher „konservativ“.
Weiland bei Rotgrün (Schröder/Fischer) war das auch schon mal ein Aufreger. Geplant war, den Satz von 1 auf 1,5 % zu erhöhen.
Gabriel, damals MP in Niedersachsen, hat das wie ein Löwe bekämpft, im stillen Einverständnis mit Schröder. O-Ton Schröder anno 2003, zitiert nah Manager-Magazin:
„Die Pläne von Finanzminister Hans Eichel (SPD) seien zwar im Ansatz richtig. Es müssen aber auch die Mehrheitsverhältnisse im unionsdominierten Bundesrat beachtet werden. Er habe Verständnis für die Bedenken, die etwa ein Autoland wie Niedersachsen gegen die Erhöhung habe.“
„Im Ansatz richtig“ heißt übersetzt: Ganz falsch.
Gabriel war dann auch beglückt. Zitat Manager Magazin:
„Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) begrüßte die Stellungnahme. „Es bestätigt mich in meiner Haltung, dass diese Steuer ein falsches Signal wäre, gerade in einem Land wie Niedersachsen, in dem Volkswagen der größte Arbeitgeber ist“, sagte er in Hannover. Gabriel hatte angekündigt, Niedersachsen werde einer Erhöhung der Dienstwagensteuer im Bundesrat keinesfalls zustimmen. Vielmehr würde er deswegen den Vermittlungsausschuss anrufen.“
Das Manger-Magazin (gilt im allgemeinen nicht als rotgrün versifft) weiter (2003, wie gesagt) :
„Die Kompromissbereitschaft des Bundeskanzlers könnte sich für die Autoindustrie als Rettung in letzter Minuten erweisen. Denn die deutschen Automobilhersteller spüren bereits die Wirkung der Diskussion um die Dienstwagensteuer. Einer Studie zufolge kostet die Unsicherheit die deutschen Hersteller täglich rund acht Millionen Euro.
Um monatlich rund 10.000 Fahrzeuge seien die Aufträge von Großkunden zurückgegangen, sagt Ferdinand Dudenhöffer….., „Etwa zwei Drittel des Rückgangs, also gut 6000 Auftragseingänge pro Monat, entfallen dabei auf die derzeitige Unsicherheit bezüglich der Dienstwagensteuer“, so der Auto-Experte.“
Unnötig zu erwähnen, dass Eichel (Finanzminister) – wie übrigens auch bei anderen Sachen – als Bettvorleger gelandet ist. Die 1 % gibt’s auch heute noch. Grünens waren damals noch „Kellner“ und haben im Angesicht des Koches gekuscht. Davon kann der Scholz heute nur noch träumen^.
Ich denke, beide Unterstellungen sind nicht ungerechtfertigt.
@ Stefan Sasse 25. August 2022, 09:10
Ich denke, beide Unterstellungen sind nicht ungerechtfertigt.
Es gibt in beiden Lagern Leute, die mit viel Überheblichkeit auf die anderen schauen. Aber das grundsätzliche Problem von links ist Besitz, den andere nicht haben. Das grundsätzliche Problem auf Konservativer Seite ist nicht „die haben nichts“, sondern „die liegen dem Staat (= der Gesellschaft) auf der Tasche“.
Da zählt keinesfalls der „Nicht-Besitz“, sondern die Belastung anderer. Das ist nicht die gleiche Ebene.
Das ist jetzt die Sichtweise der Konservativen, und aus der kann ich das voll nachvollziehen. Ich könnte auch die linke Sichtweise hier aufrollen, aber ich habe keine Lust dazu und teile sie auch nicht weitreichend genug. Nur so viel: das Problem der Linken ist auch nicht Besitz, den andere nicht haben. So pauschal funktioniert das nicht.
@ Stefan Sasse 26. August 2022, 07:45
Nur so viel: das Problem der Linken ist auch nicht Besitz, den andere nicht haben. So pauschal funktioniert das nicht.
Nicht bös sein; ich habe noch nie etwas anderes gehört als „Du hast mehr als der Durchschnitt, Du musst abgeben“; ich kenne zumindest kein anderes Argument.
Aber Du hast wohl Recht, dass das den Rahmen hier sprengt. Wäre vielleicht mal einen eigenen Artikel wert (der mich vermutlich zum Staunen bringt), mit unvermeidlicher Replik vom anderen Stefan (die mich vermutlich zur Zustimmung treibt) 🙂
es grüßt
E.G.
PS: Wenn Du mal einen Link hast, wo man das halbwegs vernünftig nachlesen kann, wäre ich erfreut.
Können wir bitte von diesem allgemein-pauschalen „Nicht-Linke/Anti-Linke gegen Linke/Halblinke“ runterkommen und auf der Ebene der Sach-Argumente bleiben?
Formulierungen wie „Linke denken/wollen immer….“ oder „Was Linke nicht wissen/nie begreifen werden“ gehören nicht dazu. Spiegelbildlich in die Gegenrichtung gibt es das kaum.
Die Argumente kriegst Du von mir immer (nicht, dass es je geholfen hätte:-) ).
Soll ich dann statt „Linke“ in Zukunft schreiben: Leute wie CitizenK.?
Wenn es der Wahrheitsfindung dient…
Von dir aus gesehen bin ich wohl links, aber da sind noch einige, mit denen ich nicht gern in einen Topf geworfen werden möchte.
EG: „Du hast mehr als der Durchschnitt, Du musst abgeben“
LC: Wir bezahlen ja überhaupt keine Steuern auf was wir haben, sondern auf unsere laufenden Einkünfte.
Ich bezahle auf die Einkünfte für meine Dienstleistungen zunächst einmal 19% Mehrwertssteuer und vom Rest nimmt der Staat dann eine Einkommenssteuer, die – wie wir alle wissen – mit der Höhe des Einkommens ansteigt. Für Kapital-Einkünfte fällt gegebenenfalls Quellensteuer an.
Nenn mir ein Einkommenssteuer-System, in dem der Steuersatz NICHT mit der höhe des Einkommenssteuer ansteigt. So etwas existiert nicht. Aus guten Gründen.
@ Lemmy Caution 26. August 2022, 19:46
Nenn mir ein Einkommenssteuer-System, in dem der Steuersatz NICHT mit der höhe des Einkommenssteuer ansteigt. So etwas existiert nicht. Aus guten Gründen.
Das ist nicht der Punkt. Der punkt ist, dass man von „den Reichen“ nach dem Motto „stärkere Schultern sollen auch mehr tragen“ stets verlangt, mehr beizutragen.
Übertrieben formuliert: Ich verdiene 25.000 Euro und zahle Steuern, der verdient 250.000 Euro und zahlt auch „nur “ Steuern. Also muss der mehr Steuern zahlen.
Dass die oberen 10 Prozent Topverdiener bereits 80 bis 90 Prozent der Einkommenssteuereinnahmen leisten, weiß von den unteren 90 Prozent praktisch niemand, und es interessiert auch keinen.
Denen, die „mehr“ verdienen, wird schon so reichlich abgezogen, dass ein „noch mehr“ nicht wirklich etwas bringt, sondern nur ein Gefühl von „Gerechtigkeit“ befriedigt bzw. befriedigen soll. Und „Gerechtigkeit“ ist ein rein subjektives Empfinden.
Für mich ist das der Grund, dass ich die meisten dieser Forderungen (etwa das ganze Gerechtigkeits-Gelaber von Hubertus Heil) als Neid-Debatte wahrnehme.
Das kann ich nachvollziehen. In manchen Fällen ist das sicherlich auch gerechtfertigt. Umgekehrt scheint mir der allzu pauschale Vorwurf aber auch nicht immer angebracht.
Natürlich gibt es Flat Tax-Systeme, vor allem in Osteuropa. Und dann gibt es Steuerstaaten, die nur über einfache Stufentarife verfügen, das Einkommen also nur in 3-5 Stufen höher taxiert wird. Auch in solchen Systemen steigt nur grob der Steuersatz, also meist nicht.
Du bezahlst auf Deine Einkünfte keine Umsatzsteuer. Wenn Du’s ordentlich machst, stellst Du eine Rechnung, dort ist der Nettobetrag (Deine Brutto-Einkünfte) aufgeführt und davon abgesetzt der Umsatzsteuerbetrag. Du bist nur Treuhänder der Umsatzsteuer, die Deine Kunden entrichten.
Nur auf Deine Gesamteinkünfte (Brutto abzüglich Aufwendungen) zahlst Du Einkommensteuer. Die Umsatzsteuer dagegen kannst Du Dir nur zurechnen, wenn Du den Brutto-Rechnungsbetrag nicht anlog zum Steuerbetrag erhöhst.
Weil „mehr als der Durchschnitt“ nicht das Kriterium ist. Du kannst Linken gerne unterstellen, dass sie allen Wohlhabenden ans Leder wollen. Aber sicher nicht den Leuten, die 40k im Jahr machen. Was übrigens mehr als der Durchschnitt ist…
Netto ja, Brutto nein:
https://www.capital.de/karriere/gehaltsatlas-gehalt-hier-verdienen-die-deutschen-am-meisten
Das ist ja teilweise absurd. In Hessen sind die Führungsgehälter im Schnitt am höchsten? Woran mag dies nur liegen, doch nicht etwa daran, dass es der Bankenstandort Nummer 1 ist? Und in BaWü mit dem Durchschnittsgehalt haben wir die ganzen klassischen Sekundärsektor-Betriebe von Bosch über Daimler zu Miele und Porsche, die, anders als die meisten, noch vernünftige Gehälter zahlen. Nur, was hilft mir ein Durchschnitt? Ich werde als Lehrkraft in BaWü auch nicht besser bezahlt als in MeckPomm.
Und sagen wir mal so – ich habe bisher von keinem Linken gelesen, dass sie die Besteuerung von Einkommen höher als der Median irgendwo begrenzen wollen. Sehr häufig allerdings, dass sie die Besteuerung unbedingt erhöhen wollen – Geld von anderen kann man schliesslich nie genug haben :-).
Gruss,
Thorsten Haupts
Was meinst du mit „irgendwo begrenzen“? Wir haben doch Grenzen? 42% und 45%? Oder was meinst du?
Den Wunsch weiter Kreise der Linken, diese Grenze deutlich zu verschieben, ohne dabei jemals zu sagen, an welcher Stelle sie mit der Verschiebung aufhören würden?
Welche Grenzen denn? Ich weiß gerade einfach nicht, von was du redest. Du insinuierst, als wäre völlig klar, was du meinst.
Mann. Die heutige Besteuerung liegt gesetzlich bei maximal X%. Linke wollen sie zu X+% verschieben, für alle sogenannten Besserverdiener. Sie geben dabei weder für das + einen Wert an, noch sagen sie, wann die Prozentgrenze für X+ erreicht wäre, ab der sie auf keinen Fall weiter steuerlich zuschlagen würden.
Meine Schlussfolgerung: Die linke Grenze für Besteuerung ist 100%, danach verteilt der Staat netterweise Taschengelder. Trifft die Geisteshaltung vieler Linker vermutlich exakt.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich denke, wenn es nach diversen Linken ginge, ist eine Besteuerung von extrem hohen Einkommen mit 100% völlig vorstellbar, ja. Und das kann man gerne kritisieren. Ich würde ich nur bitten nicht den Eindruck zu erwecken versuchen, dass das eine Mehrheitsposition wäre oder dass das irgendwie im Bereich von 100k pro Jahr zu erwarten wäre.
Behaupten kannst Du das. Glauben tun Dir nicht mal die Leute mit 60K.
Als Betroffener kann ich das recht einfach zurückweisen. Ich hab auch genug Betroffene im Bekanntenkreis.
Schön, dass Du von leichtgläubigen Menschen umgeben bist :-).
Immer „alle doof außer ich“, nicht? ^^
Das ist der default. Wenige Menschen weichen davon ab, gehörst Du zu den wenigen?
Kaum. 😀
Zur Privatnutzung von Firmenwägen (‚Dienstwagenprivileg‘) hat R.A. schon viel Richtiges geschrieben. Trotzdem noch einmal die Systematik dahinter mit der Frage, an welchem Punkt die Abschaffung ansetzen soll:
– Kosten für ein überwiegend betrieblich genutztes Fahrzeug sind Betriebsausgaben wie das auch bei anderer Betriebsausstattung gilt.
– Die Finanzverwaltung weiß, dass ein Auto auch privat genutzt werden kann und will, dass dieser Vorteil auch versteuert wird.
– Das kann per Einzelnachweis geschehen ( Fahrtenbuchmethode) Das ist zum einen für alle Beteiligten aufwendig und zum anderen manipulationsanfällig.
– Deshalb wird die Privatnutzung pauschal mit 1% des Bruttolistenpreises versteuert. Das ist komplett willkürlich und manchmal günstiger, aber gerade im angesprochenen Oberklassebereich (Porsche) oft deutlich teurer (insbesondere bei Gebrauchtwagen) als das Fahrtenbuch
– Es handelt sich nicht um einen deutschen Sonderweg, sondern ist auch anderswo ähnlich ( z.B. https://www.ffu.eu/steuern-wirtschaftsprufung/geldwerter-vorteil-dienstfahrzeug-in-franzosischen-unternehmen/ )
– Erwähnenswert ist, dass Elektro- und Vollhybridautos noch viel stärker ‚dienstwagenprivilegiert‘ sind. Da beträgt (je nach Preis) die Pauschalversteuerung nur ¼ oder ½ der Steuer für ein Auto mit Verbrennungsmotor.
Zitat cimourdain:
„Es handelt sich nicht um einen deutschen Sonderweg, sondern ist auch anderswo ähnlich“
Zwischen 9 % und 1 % besteht ein gewisser Unterschied. Ferner ist z.B. „Kaufpreis“ was anderes als „Neuwagen-Listenpreis“ unabhängig vom Kaufpreis. Letzteres ist natürlich ein Anreiz: Bloß keinen Gebrauchten, das rechnet sich nicht; die Industrie will ja Neuwagen absetzen. Industriepolitik ist an dieser Stelle der eigentliche Faktor. Steuerpolitik weniger.
Im linksgrün versifften Großbritannien beispielsweise wird bei allen Fahrzeugen in dieser Sache der CO2-Wert in die Berechnung reingepackt. Förderung der Autoindustrie ist bei denen natürlich nicht sonderlich wichtig; die ist eh längst ruiniert und die kläglichen Reste in ausländischer Hand. Die gucken lieber auf die viel bedeutendere Finanzindustrie und beglücken die mit Bonbons. So ist das Leben. Politik halt.
„Zwischen 9 % und 1 % besteht ein gewisser Unterschied.“ Die französischen 12/9% beziehen sich aufs Jahr, nicht auf den Monat, so sind diese Werte vergleichbar. Aber es ist wirklich interessant, dass Frankreich alte Fahrzeuge begünstigt und Deutschland neue. Ein weiterer Unterschied ist im übrigen, dass es in Frankreich eine Sondersteuer auf PKW im Unternehmensbesitz gibt.
Die Sozialisten beim Sachverständigenrat bestätigen: Dienstwagenprivileg existiert, Lindner erzählt Unsinn. https://t.co/A5aVqs0P0R
„Die Sozialisten beim Sachverständigenrat …“
Wenn das ironisch gemeint sein soll: Dem Sachverständigenrat gehören grundsätzlich mindestens zwei Sozis an. Einer auf Vorschlag des DGB, der andere von rot/grün.
“ … bestätigen: Dienstwagenprivileg existiert“
Die Grimm wiederholt zwar den üblichen Mythos, aber ohne Begründung oder gar Herleitung der ominösen 3 Milliarden.
Angesichts ihres Lebenslaufs kann man davon ausgehen, daß sie keine Ahnung von der realen Dienstwagenpraxis hat und nicht in der Lage wäre, meine oben gebrachten Argumente zu entkräften.
Ohje, selbst Deine Quelle ist präziser. Die Überschrift lautet:
Wirtschaftsweise Grimm für Abschaffung des Dienstwagenprivilegs
Ein einzelnes Mitglied ist nicht der Sachverständigenrat. Grimm ist nicht einmal Vorsitzende, da der Sachverständigenrat auf Betreiben von Olaf Scholz und der SPD seit einem Jahr ohne Vorsitzenden auskommen muss. Staat fünf besteht der Rat der Wirtschaftsweisen derzeit nur aus 3 Mitgliedern (2 sind nach langer Diskussion nachnomminiert).
Der Sachverständigenrat gibt Gutachten heraus. Im Zweifel spricht der Vorsitzende für den Rat. Mit anderen Worten: Die bestellte Sachverständige Grimm hat in dieser Angelegenheit ihre Privatmeinung geäußert. Und niemand hat in Zweifel gezogen, dass es Ökonomen gibt, die auch von einem Dienstwagenprivileg sprechen.
Ich frage mich, ob Du Deinen Schülern so eine laxe Betrachtung hättest durchgehen lassen. Hauptsache, das Ergebnis stimmt, gell?
@ Stefan Sasse 25. August 2022, 14:26
Die Sozialisten beim Sachverständigenrat bestätigen: Dienstwagenprivileg existiert, Lindner erzählt Unsinn.
Während man in Richtung Auto alle Nebenkosten bis ins Detail berechnen möchte (dass noch niemand Reinigungskosten in Rechnung gestellt hat, wenn ein vorbeifahrendes Auto bei Regen den Bürgersteig nassspritzt), geht man hier nicht den Weg.
Welcher Schaden wird angerichtet, welche Kosten entstehen, wenn man die Dienstwagen-Regelung kippt?
Das wird mit Sicherheit auf die Absätze von Luxuskarossen durchschlagen.
Das ganze führt dazu, dass sich bestimmte Leute einfach bessere Autos leisten können. Du kannst ja den Kaufpreis so eines Dienstwagen über 6 Jahre voll absetzen. Das hilft dann halt auch unserer lobby- und exportstarken Automobilindustrie. Die setzt aber jetzt mehr auf E-Autos und nicht mehr einseitig auf immer luxuriösere Modelle. Es macht einfach keinen Sinn mehr, viel-sprit-schluckende Autos im 80 Tsd und mehr Segment zu fördern.
Für mich ist diese Diskussion sehr symptomatisch für die Politik dieser Regierung. Es ist ein ständiges Gegenrechnen und Austarieren. Hier Tankrabatt – dort 9-Euro Ticket. Hier Energiepauschale – Dort Gasumlage. Dein Dienstwagenprivileg – Meine Neuverschuldung. Mein LNG-Terminal – Dein AKW. Das ganze wirkt wie ein Kellner, der verzweifelt versucht ein Tablett in Balance zu halten, indem er immer mehr Geschirr darauf stapelt.
Da ist Stefan Sasses Statement, dass nicht einmal beim 9-Euro Ticket klar ist, welchen Zweck dieses eigentlich verfolgt hat, typisch. Die vermutliche Wahrheit ist, dass es rein um koalitionsinternen Ausgleich zur temporär herabgesetzten Mineralölsteuer ging. Danach wurden Begründungen per Bedarf nachgeliefert.
Mit Ernsthaftigkeit gedacht, müsste bei jedem dieser Vorhaben klar gesagt werden, was es wem nützt (Modellrechnungen) und was es kostet – sowohl in Euro als auch in Klimagas.
So wird alle paar Wochen eine neue Idee durchs Dorf getrieben und mit einer Hektik umgesetzt, die wohl kaum handwerklich gute Gesetze produziert.
„Die vermutliche Wahrheit ist, dass es rein um koalitionsinternen Ausgleich zur temporär herabgesetzten Mineralölsteuer ging.“
Nicht nur vermutlich, das hat der grüne Verhandlungsführer ganz stolz in der Pro-Bahn-Zeitung so erzählt.
Wobei es grundsätzlich nicht falsch ist, daß solche Ausgleiche verhandelt werden. Das gehört zum Grundprinzip von Politik.
Nur haben die Grünen da halt ad hoc eine Maßnahme erfunden, von der ihnen jeder Verkehrsexperte abgeraten hätte (und wie schon immer haben sie selber keine). Und jetzt redet alle Welt davon, diese ÖV-schädliche Sache sogar noch zu verlängern.
@ cimourdain
Sehr gute Punkte. Bester Kommentar in diesem Thread – genau so sieht es aus.
Man rechnet sich bei dem Versuch, Kosten und Nutzen zu ermitteln, einen Wolf, während es eigentlich um politische Entscheidungen geht, die irgendwie die Koalition zusammenhalten sollen.
Merci
es grüßt
E.G.
Politik ist seinem Wesen nach immer Kompromiss und Reformen trial and error.
Noch was zu Nahverkehr:
Ich kenne eine Menge Leute, die Straßen/U/S-Bahn nutzen, aber nie Bus, weil Ihnen die vielen Linien einfach zu konzipiert sind (1). Ich bin Bus-Fuchs und studiere die Pläne im Internet. Zumindest in Köln und Hannover fehlen vermutlich Busfahrer. Da fallen nämlich öfters mal Busse in einer 10-Minuten Taktung aus. Im Falle einer Mehr-Nutzung wird das bestimmt nicht besser.
(1) Völlig lächerlich für jemanden der sich in Vor-Internet-Zeiten mit Sammeltaxis/Klein-Bussen durch chilenische Städte bewegt hat. DAS WAR KOMPLIZIERT. Da brauchte man erstmal eine längere Einführung auf der Straße von einem Local, bevor man da eine Chance hatte von A nach B zu kommen.
Das ist halt Politik. Kompromisse und Aushandeln.
„Gratismentalität“ ist der richtige Ausdruck für die allgemeine Einstellung in unserem Land. So wie irgendetwas nicht läuft wie gewünscht, wird nach dem Staat gerufen.
Ölpreise sinken? Wer käme auf die Idee, das gesparte Geld (oder einen Teil davon) dem Staat zu schenken? Richtig, niemand.
Ölpreise steigen? Wer käme auf die Idee, das mehr zu bezahlende Geld (oder einen Teil davon) vom Staat zu fordern? Richtig, alle.
Nein, nicht alle. Die meisten plädieren nur für den Ausgleich für diejenigen, die die Mehrkosten einfach nicht zahlen und auch nicht ausweichen können.
Wenn die Energiekosten steigen – Jammern und Klagen. Wenn sie sinken (bei Benzin und Gas viele Jahre der Fall) hört man nichts. Die Menschen sind so, nicht nur die Linken.
Völlig korrekt.
Hallo Citizen,
Hab nicht von Linken gesprochen, sondern von der allgemeinen Einstellung in unserem Land.
„Nicht zahlen können“ ist subjektiv. Und warum sollte jemand, der halbtags arbeitet, gegenüber jemandem bevorzugt werden, der bei gleichem Stundenlohn ganztags arbeitet?
Nur eine Frage …
Verstehe die Frage nicht. Kontostände sind nicht subjektiv, Nebenkosten-Nachzahlungs-Aufforderungen auch nicht.
@ CitizenK 28. August 2022, 13:04
Verstehe die Frage nicht. Kontostände sind nicht subjektiv, Nebenkosten-Nachzahlungs-Aufforderungen auch nicht.
Es läuft auf Ungleichbehandlung hinaus. Der eine kriegt eine Unterstützung, weil er wenig Geld auf den Konto und geringe Einnahmen hat. Der andere kriegt keine. Unterschied mag sein, dass der eine ganztags arbeitet, der andere halbtags – beide mit gleichem Stundenlohn. Dann würde der, der kürzer arbeitet, dafür belohnt. Der eine kriegt einen Teilausgleich davon, was der andere sich erarbeiten muss.
Deswegen bin ich der Meinung, dass die reine Betrachtung der finanziellen Verhältnisse („Wir unterstützen nur die Bedürftigen“) nicht ausreichend ist. Ich muss auch eine allgemeine Gleichbehandlung anstreben.
Die Antwort ergibt sich aus dem Grundgesetz: Gleichheit vor dem Gesetz, Menschenwürde und Sozialstaatsgebot. Zum Existenzminimum gehört, nicht (sehr) frieren zu müssen. Auch nicht, wenn man nur halbtags arbeitet – oder gar nicht. Auch die Zellen im Knast werden ja geheizt.
@ CitizenK 4. September 2022, 22:22
Die Antwort ergibt sich aus dem Grundgesetz: Gleichheit vor dem Gesetz, …
Darauf wollte ich doch hinaus. Wenn wir beide den gleichen Job haben, das Gleiche verdienen, die gleichen Lebensumstände haben (z.B. verheiratet, ein Schulkind), und ich habe ständig alles rausgehauen, versoffen, verraucht etc., dann stehe ich jetzt blöd da. Du hast gespart, das Geld angelegt oder gespart, und wirst genau deswegen nicht unterstützt – Du hast ja genug.
Läuft darauf hinaus, dass mir Rauchen und Alkoholexzesse nachträglich vom Staat gesponsert werden. Nicht gut, bzw. nicht „gerecht“.
Ist nur eines von vielen möglichen Beispielen.
Der Staat hat aber bezüglich der relativen Preise u.a. auch eine glättende Funktion.
Wenn ein Preis aufgrund eines externen Schocks temporär überschießt, kann es Sinn machen, dass dieser Preis durch temporäre Subventionen eingefangen wird. Ein temporär hoher Preis kann zu Marktaustritten (Pleiten) von Unternehmen in energieintensiven Branchen führen, die bei wieder sinkenden Preisen in einem überschaubaren Zeitrahmen wieder profitabel wirtschaften würden.
Selbstverständlich ist das problematisch, da Prognosen über die zukünftige Entwicklung von Preisen möglicherweise nicht zutreffen. Bezüglich aller Rohstoffpreise wissen wir aber aus der Vergangenheit, dass sie extrem zu starken und dauerhaften Auf- und Abschwüngen neigen.
Sinkende Rohstoffpreise sind aus Sicht des Importeurs nicht so problematisch, weil dann das negative Delta der Ausgaben für Rohstoffe in andere Bereiche fließt, von denen dann andere Unternehmen und der Staat über Steuren profitieren.
@ CitizenK 25. August 2022, 20:56
[„nimmt der Staat durch diese DEUTLICH mehr Geld ein, als er ausgibt, um die Infrastruktur für Autos bereitzustellen“]
Ich will im 1. Schritt nur wissen, ob diese Behauptung stimmt. Die politische Bewertung folgt dann im 2. Schritt.
Gut, können wir mal probieren.
Lass uns also vorher mal ein paar Eckdaten klären:
• Was bzw. welche Themenfelder definierst Du als „externe Kosten“. Lärm, Dreck, Abgase? Parkflächen? Dass Du explizit von „Kosten“ sprichst, macht vieles einfacher. Ich kann also rein bei den Kosten bleiben, die Staat oder Gesellschaft aufwenden, und die nicht von den Autofahrern beglichen werden. Werden negative Folgen durch den Autoverkehr nicht behoben, entstehen also auch keine Kosten.
• Welche Nutzung wird einbezogen? Nur Privat-Pkw? alle Fahrzeuge, inkl. Lkw, also alles außer ÖPNV? In welche Kategorie zählt Warenlieferverkehr, der ja auch Nicht-Autofahrern zugutekommt?
• Was ist, wenn Straßen von Krankenwagen/Feuerwehr/Rettungsdiensten/Polizei/ÖNPV mitbenutzt werden; diese Straßen gäbe es in jedem Fall, auch wenn die Privat-PKW abgeschafft werden. Hier gingen die Erstellungskosten auf die Gesellschaft, und nur die Erhaltungskosten anteilig auf die Autofahrer?
• Geht es absolut ums Auto, oder relativ? Bahnverkehr oder ÖPNV wird stark subventioniert, und bei einem Vergleich müsste das berücksichtigt werden.
• Es ist grundsätzlich so, dass der Staat die Rahmenbedingungen für den Verkehr festlegt, und sich die Verkehrsteilnehmer in diesem Rahmen bewegen.
• Der Staat hätte grundsätzlich die Möglichkeit, etwa den innerstädtischen Verkehr per Vorgabe fast komplett auf ÖVPN umzustellen; tut er das nicht, ist es nicht den Autofahrern vorzuwerfen.
• Die Einnahmen, die dem Staat durch das Thema „Auto“ entstehen, sind extrem. Wenn ich alles hereinrechne, was geht (Steuern auf Gewinne von Herstellern und Zulieferbetrieben, Steuern auf Einkommen der Beschäftigten, dito für Straßenbauindustrie etc.), lande ich vielleicht bei 120 Milliarden; vielleicht nur bei 80; über 50 Mrd. Euro werden aber schon direkt durch Mineralölsteuer, Kfz-Steuer und Maut eingenommen. Der Staat definiert aber nur die Maut als zweckgebundene Einnahmen, den Rest sackt er für andere Zwecke ein. Ist für mich schwer zu beurteilen, ob Berlin genug an Länder und Kommunen abgibt.
Themenfelder: Hier kämen dazu Kosten von Unfällen, Krankheiten aufgrund von Emissionen (Abgase, Feinstau, Mikroplastik), Kosten durch Staus. Ökologische Schäden schon bei der Herstellung und dann bei der Beseitigung von Millionen Fahrzeugen, um nur einige zu nennen. Schwerpunkt bei allen: LKWs. Unbestritten trägt der Verkehrsektor stark zum CO2-Ausstoß bei, die daraus entstehenden Schäden müssten anteilig einbezogen werden.
Den ÖPNV würde ich da gar nicht ausnehmen. Auch Busse, meist noch dieselgetrieben, tragen ja dazu bei. Und selbstverständlich müssen die Subventionen für den ÖV mit eingerechnet werden.
Nicht-materiell zähle ich die Zerstörung vor allem von Innenstädten (Aufenthaltsqualität) dazu. Auch eine weitere Zerstückelung der Landschaft durch neue Autobahnen.
Um das Selbstverständliche nochmal zu sagen: Es geht nicht um die Abschaffung von Autos, das ist doch Quatsch. Aber, wie Kretschmann früher mal gesagt hat: weniger Autos wären halt „besser“ Und aus den Innenstädten sollten sie weitgehend raus wie in Paris, Barcelona, Kopenhagen, Amsterdam.
Eine nicht unbeträchtliche Zahl der Autofahrenden tut das nicht aus „Freude am Fahren“, sondern weil sie keine bessere Alternative haben. Verkehrswende heißt, diese zu schaffen, wo es geht: Mehr auf die Schiene und neue Verkehrssysteme entwickeln. Betriebe könnten auch mit der Herstellung Gewinne erzielen und Steuern zahlen, genauso ihre Beschäftigten. Bei Siemens und Bombardier ist es schon so. Zu tun gibt es doch genug. Andere Länder geben für die Schiene pro Kopf mehr Geld aus als wir .
Steuern auf Kfz und Treibstoffe sind nicht zweckgebunden wie alle Steuern. Aber das ist eine formale Betrachtung. Wenn er Kosten deckt, die zwar durch den Kfz-Verkehr verursacht werden, diesem aber nicht direkt zurechenbar sind, dann ist das kein „Einsacken für andere Zwecke“. Aber warum wird Diesel geringer und Flugbenzin/Kerosin gar nicht besteuert? Beim Dienstwagen gehen andere Länder andere Wege – das hat die Diskussion hier schon erbracht.
Alles diskutierbar – und mittlerweile meilenweit entfernt von Stefans Behauptung. Die lautete „So kostet etwa der Erhalt und Ausbau des Straßennetzes mehr als doppelt so viel, wie die KfZ-Steuer einbringt.“ Und ist sachlich schlicht Unsinn. In absolut jeder Hinsicht – Strassen sind mitnichten exklusiv für privaten, motorisierten, Individualverkehr.
Das hab ich auch nie behauptet.
Ist implizit in der zitierten Behauptung enthalten, ansonsten wäre sie unredlich. Und das kann ich mir bei Dir nicht vorstellen :-).
Jetzt sind wir also endlich weg vom Mythos, die Autofahrer würden zu wenig in die Staatskasse bezahlen.
Diese Mythos wird ja begründet mit den angeblichen „externen Kosten“, d.h. es werden fiktive Zahlungsverpflichtungen des Autofahrers gegenüber „der Gesellschaft“ behauptet und dann dem Staatshaushalt zugerechnet (was schon per se unsinnig ist).
Das Problem ist, daß die „externen Kosten“ ein Sammelsurium unterschiedlichster Themen sind, die ganz unterschiedlich behandelt werden müssen.
So sind z. B. die Kosten von Unfällen oder Staus durchaus Kosten, die werden aber bereits von den Autofahrern selber getragen, da bleibt also nichts mehr schuldig.
Dann gibt es reale oder behauptete Schäden, insbesondere durch Emissionen. Die sind aber erst einmal keine Kosten. Sieht man schon daran, daß keiner zahlt.
Wenn also z. B. jemand sich durch Autolärm belästigt fühlt, dann kann man das als Schaden sehen – aber deswegen zahlt ihm der Staat keine Entschädigung aus dem Überschuß der Autofahrersteuern.
D.h. solche Probleme werden als Vorwand für mehr Steuern genommen, aber das Geld wird nicht für diese Probleme verwendet.
Da die Abgrenzung und Berechnung der „externen Kosten“ ziemlich beliebig ist, kommen unterschiedliche Experten auch zu krass unterschiedlichen Summen für die Höhe dieser angeblichen Kosten.
Da kann dann jeder für wahr nehmen, was ihm politisch gefällt.
Das wesentliche Gegenargument ist aber: Wenn man „externe Kosten“ berücksichtigt, dann muß man im Gegenzug auch den „externen Nutzen“ des Autoverkehrs in Rechnung stellen.
Dieser Nutzen ist genauso schwer abzugrenzen und zu berechnen, hat aber auf jeden Fall eine enorme Gesamthöhe. Wird aber von den Auto-Gegnern grundsätzlich ignoriert.
„muß man im Gegenzug auch den „externen Nutzen“ des Autoverkehrs in Rechnung stellen.“
Relevanter Aspekt. Hatte ich bisher nicht auf dem Schirm. Genau so schwierig bis unmöglich zu berechnen.
Hm, es gibt also keine externen Kosten? Sry, aber das ist einfach Blödsinn. Ich bin bei Ihnen, dass es schwierig ist, diese zu berechnen und die meisten Berechnungen seltsam sind. Aber zu behaupten, es gibt keine ist ein ziemlicher Blödsinn.
Nehmen wir ihr Unfallbeispiel. Das tragen nur die Autofahrer??? Erstens gibt es nicht wenige Unfälle, in denen auch andere Verkehrsteilnehmer involviert sind, wo Autofahrer meist diejenigen sind, die am wenigsten tragen. Und zweitens trägt die Gemeinschaft sehr wohl die nachfolgenden Kosten zB über die Krankenkassen oder evtl. auch Rentenkassen und natürlich die Rettungskosten.
Und was ist mit CO2-Ausstoss? Gibt es keinen durch den Straßenverkehr, ist dieser kein Problem?
Interessant auch das Thema Lärm. Also, wenn ich ihre Argumentation richtig verstehe, sagen sie, ein Schaden verursacht keine Kosten, wenn keiner dafür zahlt? Nach dieser Logik wäre also zB der Ölteppich durch einen Tankerunfall, der den Tourismus an einer Küste kaputtmacht kein Schaden, wenn niemand dafür zahlt. Hab ich das richtig verstanden?
Auch verstehe ich den Punkt nicht: Probleme die durch Lärm entstehen, werden nicht mit dem Geld, dass von den Autofahrern eingesammelt wird, behandelt und das ist dann der Beweis, dass es keine externen Kosten des Autoverkehrs sind?
Prinzipiell haben sie mit dem externen Nutzen Recht. Aber es geht ja um die verursachergerechte Zuordnung von Kosten und Nutzen und das ist bei beim Nutzen ja kein Problem. Genauso gibt es den externen Nutzens eines guten ÖPNVs (weniger Stau für die Autofahrer), aber der ist ja ebenfalls schon eingepreist durch geringere Standzeiten.
Hier noch ein Mosaiksteinchen aus kommunaler Sicht:
„Im Rahmen des EU-Projektes SIPTRAM von VCD und ICLEI wurden deshalb kommunale Haushaltspläne untersucht und analysiert. (…) Gerade beim Autoverkehr gibt es eine ganze Reihe versteckter Kosten. Die höchsten Ausgaben entfallen dabei auf den Unterhalt und Bau von Parkplätzen sowie auf Straßenreinigung, Straßenbeleuchtung und Straßenentwässerung. Darüber hinaus sind erhebliche Mehraufwendungen bei Feuerwehr, Polizei, Wirtschaftsförderung, Grünflächenämtern und städtischen Bauhöfen durch den Autoverkehr bedingt. Je nach Kommune sind aber nur 15 bis 45 Prozent der Ausgaben durch Einnahmen gedeckt.Jeder Bürger finanziert somit indirekt den städtischen Autoverkehr mit durchschnittlich 150 Euro pro Jahr mit.“ (Quelle: VCD)
Gut. Wenn Sie jetzt eine (1!) Studie finden würden, die den Nutzen des Autoverkehrs und der Strassen gegenrechnet – wie hoch bewerten Sie die zuverlässig regelmässige Belieferung Ihres bevorzugten Supermarktes? Oder die Fähigkeit von Rettungsfahrzeugen, Sie binnen 15 Minuten in die Notaufnahme eines Krankenhauses zu bringen? – dann könnte man mich ja davon überzeugen, dass das keine Kampagne-Studien von Leuten sind, die das Auto aus ideologischen Gründen einfach scheisse finden.
Bis dahin sagt man mit, wer eine zitierte Studie mit welchem Ziel in Auftrag gegeben hat – und ich sage demjenigen, ob die Studie wenigstens vielleicht seriös ist.
Die ganze Diskussion ist hochgradig albern. Sie geht nämlich immer davon aus, man könnte auf den Grossteil der Strassen verlustfrei verzichten. Kann man in keinem entwickelten Land ohne richtig gewaltige Wohlstandsverluste. Sie werden das (und weiter Nutzen-) Argument(e) aber in keinem Qualitäts-Zeitungsartikel oder in keiner ÖRR-Propagandasendung finden. Dafür aber jedes Anti-Auto-Argument, das man irgendwie finden kann.
Gruss,
Thorsten Haupts,
seit 1987 Nicht-Autofahrer
Vor sehr vielen Jahren entwickelten die Wirtschaftswissenschaften die Theorie der externen Kosten. Es dauerte jedoch noch Jahrzehnte, bis Linke damit Schindluder trieben und bei allem, das ihnen nicht passte, externe Kosten identifizieren, die selbstverständlich alles unwirtschaftlich machten. So ist es eben nicht.
Wenn meine Frau einkauft, trägt sie die Kosten selbst. Würde sie ein Taxi nutzen, das ich bezahlen würde, wären das externe Kosten des Einkaufs. Zu den externen Kosten gehört nicht mein Missmut über das neue Kleid oder den Zeitverlust.
Gesellschaft und Politik haben über die Jahrzehnte eine ganze Menge dieser externen Kosten internalisiert, wie Ökonomen das nennen. Wenn Unternehmen in den USA solche externen Kosten verursachen, die nicht zuvor „internalisiert“ wurden, sorgen Haftungsklagen der Zivilbevölkerung dafür, dass diese in Rechnung gestellt werden. Hire & Fire ist hier noch ein Begriff, tatsächlich schließen Unternehmen mit zu entlassenden Mitarbeitern Aufhebungsverträge.
In Europa richtet der Staat solche Dinge. Für bestimmte Umweltverschmutzungen werden entweder Gebühren auferlegt oder Versicherungspflichten. Das ist das, was R.A. meinte: Der Staat übernimmt die Aufgabe, identifizierten externen Kosten einen Preis aufzuerlegen, womit die Schäden abgegolten sind. Zuletzt erfolgte das mit der Energiesteuer und dem deutschen „Zertifikatehandel“.
Die Natur (zu der übrigens auch die Menschen zählen) hat enorme Regenerationskräfte. Genau deswegen ist ein gewisses Maß an Umweltverschmutzung und menschlicher Inanspruchnahme auch nicht zu beanstanden und kann ohne Preisschild bleiben. Der entscheidende Punkt ist eben der Grad der Inanspruchnahme.
„Nach dieser Logik wäre also zB der Ölteppich durch einen Tankerunfall, der den Tourismus an einer Küste kaputtmacht kein Schaden, wenn niemand dafür zahlt. “
Nein. Natürlich verursacht der Tankerunfall Schäden. Aber Kosten werden daraus erst, wenn jemand dann diese Schäden mit entsprechendem Finanzaufwand beseitigt.
„Probleme die durch Lärm entstehen, werden nicht mit dem Geld, dass von den Autofahrern eingesammelt wird, behandelt“
Richtig. Genauer: Sie werden in der Regel überhaupt nicht behandelt.
Sondern der Lärm wird nur als Vorwand genommen, damit der Staat wg. der angeblichen „externen Kosten“ Geld einsammeln kann. Aber dann wird das Geld für irgendeinen Tralala ausgegeben, und die Geschädigten bekommen nichts.
Der Grund für meine „Anfrage“ im Blog sind Studien wie diese:
S. Gössling, J. Kees, T. Litman: The lifetime cost of driving a car. Ecological Economics, 194 (2022), 107335. Zitiert nach:
https://blogs.faz.net/fazit/2022/05/11/der-wahre-preis-des-autofahrens-12660/
„Die Forscher weisen darauf hin, dass Autofahrer über Steuern und Nutzungsgebühren zwar für solche externen Folgen aufkommen. Allerdings decken diese Zahlungen nach ihren Berechnungen “nur einen Teil der entstehenden Kosten” ab.“
und
„Bezahlbar ist Autofahren für viele zudem nur, weil die Gesellschaft einen erheblichen Teil der Kosten übernimmt: Mit 5000 Euro im Jahr wird ein Autofahrer im Schnitt von allen anderen subventioniert.“
Solche Quantifizierungen sind sicherlich problematisch und angreifbar. Aber dass die Autofahrer wirklich „riesige Überschüsse für den Staatshaushalt“ abliefern müssen, ist es auch. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.
Btw: Von einem anderen Verkehrsforscher las ich in diesen Tagen diesen Rat: „Fahrt alle Taxi“ – auch auf dem Land. Leere oder halbleere Busse im Taktverkehr seien Geldverschwendung und unökologisch. Da ist was dran. Taxis als Teil des ÖV – in Kombination mit Car Sharing und Mietwagen. Eine Überlegung wert.
Das mit den Taxis halte ich für net zielführend, va. aufm Land, da die Kosten da enorm sind und die Taxifahrer massive Leerfahrten haben.
Am ehesten ist für große Teile des Landes wohl noch autonom fahrende Minibusse sinnvoll, die kleine Strecken zurücklegen und entlegenere Ortsteile mit dem Kernort verbinden. Ansonsten müsste man aufm Land sich einfach endlich Mal Gedanken machen, für wen man den ÖPNV Anbieter und dann dementsprechend handeln.
Die Schichtbusse, die zB BMW in meiner alten Heimat anbietet sind knallevoll. Aber die ÖPNV-Planer aufm Land kommen nicht auf die Idee, den Verkehr zumindest morgens und mittags zusätzlich auf die großen Arbeitgeber abzustimmen.
Das 9-Euro-Ticket sollte die Nicht-Autofahrer entlasten und das hat es sehr gut getan. Zusätzlich hat es meiner Beobachtung nach sehr viele Menschen gerade aus den ländlichen Gegenden dazu animiert, mal mit der Bahn einen Ausflug zu machen, bzw. war tatsächlich eine Option für Arbeitnehmer, die nicht komplett aufs Auto verzichten wollten oder könnten, aber zusammen mit Home-Office tatsächlich öfters das Auto stehen ließen und mit dem Bus fuhren. Die sind aber bei den Preisen ab September auch wieder weg, da es sich für sie net rentiert.
Ich fand es sehr spitze, nicht mehr im Vorfeld verzweifelt versuchen zu müssen durch das lokale Tarifsystem durchzublicken. Alleine das würde wohl einige zum Umstieg bewegen, selbst wenn ein Nachfolge-Ticket deutlich teurer und flächenmäßig deutlich eingeschränkt würde.
Mich würde Mal interessieren, ob es positive Auswirkungen für den regionalen Tourismus gab. Denn gefühlt müssten die Gewinner des Tickets die deutsche Gastronomie und Hotelbranche sein.
Aber würde ich wetten, dann verliert die Ampel und die auch die FDP nicht wegen der Verkehrspolitik oder dem 9 Euro-Ticket. Die Ampel bastelt gerade mit einer geradezu unglaublichen Naivität eine populistische Atombombe für AfD und Linke bei den Energiepreisen. Die massiven Preissteigerungen, die katastrophale Gasumlage und gleichzeitig die kategorische Ablehnung einer Übergewinnsteuer, das Hin und Her bei der Mehrwertsteuer und jetzt deren Absenkung, alles das sind Geschenke für die Populisten der extremen Rechten und Linken, da wird mir richtig Angst vor dem Herbst. Es ist mir unbegreiflich, wie man diesen Tsunami, der sich da auftürmt, übersehen kann.
Das 9-Euro-Ticket sollte die Nicht-Autofahrer entlasten
Sicher, das war der Kompensationseffekt zum Tankrabatt. Der Tankrabatt läuft aus. Genau darauf war auch das Auslaufen des 9-Euro-Tickets abgestimmt. Warum sollen jetzt weiterhin massiv die Nicht-Autofahrer entlastet werden, obwohl ihre Kosten weit weniger gestiegen sind, die Autofahrer aber nicht?
Zusätzlich hat es meiner Beobachtung nach sehr viele Menschen gerade aus den ländlichen Gegenden dazu animiert, mal mit der Bahn einen Ausflug zu machen
Das ist der Haken: Die Mobilität wurde erhöht, obwohl dies das Klima schädigt und die Kapazitäten nicht vorhanden sind. Das kann kaum sinnvoll sein.
Kostenlos fahren rentiert sich immer für den, der nicht zahlen muss. Doch die Kosten sind ja nicht weg und sie berechnen sich nicht nach einer Flat. Die Kosten für Busfahrer und Fahrkartenkontrolleure steigen mit der Frequenz und der Dichte des Verkehrs, während der De-facto-Nullpreis für die Kunden gleich bleibt. Da muss man schon suchen um da einen Sinn zu erkennen.
Ich fand es sehr spitze, nicht mehr im Vorfeld verzweifelt versuchen zu müssen durch das lokale Tarifsystem durchzublicken.
Allein das ist ein wirklich valides Argument, dass ja die Politik aufgenommen hat – inklusive der FDP. Nur muss das etwas mit Kostendeckung zu tun haben. Das ist außerordentlich schwierig, denn da subventionieren Wenigfahrer die Vielfahrer. Es geht also immer darum, die eigenen Kosten anderen aufzubürden.
Was mich richtig geärgert hat: Wahrheitswidrig hat Stefan hier gleich zweimal die Verantwortung für die vermurkste Gasumlage der FDP zugeschoben, obwohl das ein reines Habeck-Projekt ist. Das ist nicht gerade redlich.
„Die linke Grenze für Besteuerung ist 100%“
Immer diese Strohmänner. Gefordert wird eine „Rückkehr zu Kohl“ – eine maßvolle Anhebung des Spitzensteuersatzes. Zumal eine Vermögensteuer – wie vom IWF gefordert – nicht möglich ist.
Sie werden Kohl nicht gerecht. Kohl war in den längsten Phasen seiner Kanzlerschaft ein Steuersenker, wobei er von einem normativ sehr hohen Steuerniveau kam. Das wird von linker Seite immer völlig übersehen.
Die Stoltenberg’sche Steuerreform glättete den Mittelstandsbau und reduzierte die Einkommensteuer über alle Tarifstufen. Die Steuersätze – vom Eingangs- bis zum Spitzensteuersatz – sanken erheblich. Die Körperschaftsteuersätze wurden mehrfach zurückgenommen, die Gewerbesteuer auf den Ertragssteueranteil reduziert. Die Vermögensteuer wurde ausgesetzt, die Börsenumsatzsteuer abgeschafft.
Das war Helmut Kohl. Wenn Sie sich also auf ihn berufen, dann heißt das, sie wollen in seinem Geiste Steuern senken. Damit könnte ich leben. Und nur nebenbei: Der Spitzensteuersatz liegt mit heute 48% (inklusive Soli) nicht so weit von Kohls 53%. Was wollen Sie damit gewinnen? Die Erhöhung des Spitzensteuersatzes geht ohne größere Tarifsprünge nur unter zwei Bedingungen:
1. Alle anderen Tarifstufen werden ebenfalls angehoben, inklusive dem Eingangssteuersatz.
2. Der Spitzensteuersatz von 53% fällt erst bei weit nach oben geschobenen Einkommen an.
Eine dieser Bedingungen müssten Sie akzeptieren, um sich auf Kohls Tarif berufen zu können. Tun Sie das?
Ich hab nicht inhaltlich argumentiert, sondern nur auf die Behauptung reagiert, „die Linken“ wollten einen Steuersatz von 100 %. Es ging also um angebliche Forderungen, die im öffentlichen politischen Raum erhoben werden. Das ist nicht der Fall. Die paar Spinner von der MLPD sind nicht „die Linken“.
Okay, dann habe ich das missverstanden. Sorry.
Kein Problem. Inhaltlich könnte ich das mangels Detailkenntnissen gar nicht beurteilen.
Mit frundlichem Verlaub, aber das ist albern. Hätten Sie Recht, würden Linke in Ländern mit vergleichbar hohem Steuern wie unter Kohl die Forderung nach höheren Steuern einstellen. Da sie das – nachweislich – nicht tun, ist die Grenze also wohl eher Schweden in den siebzigern. Und da lag die Steuerbelastung für Spitzendverdiener nahe 100%.
Bei Astrid Lindgren angeblich sogar bei 102 %, und Ingmar Bergman soll wegen der Steuer emigriert sein. Sozialdemokraten haben die Lektion gelernt.
Sozialdemokraten haben die Lektion gelernt.
Das ist eine Glaubensfrage – und ich glaube es nicht.
Glauben heißt: nicht wissen. Alte Lehrerweisheit.
Wissen KANN das keiner.
Ich habe von Stefan Pietsch gelernt, dass dank großzügiger Ausnahmebestände und Absetzungsmöglichkeiten die reale Steuerrate DEUTLICH niedriger war.
Eben. Das hat Thorsten Haupts ja auch gesagt.
Ich komme wieder auf die berühmte Bareis-Kommission zurück, die 1994 Vorschläge zur Verbreiterung der Bemessungsgrundlage bei gleichzeitiger Senkung der Steuersätze lieferte. Theo Waigel erzählte später oft die Anekdote, er habe zu sich gesagt: Theo, Theo, Du gehst einen schweren Gang. Tatsächlich entsorgte der Finanzminister die Liste im Papierkorb, nur um sie später für die Petersberger Beschlüsse wieder hervorzuholen.
Die letzte Kohl-Regierung kam bekanntlich nicht mehr dazu, eine Steuerreform umzusetzen. Die Schröder-Kabinette wie auch die erste große Koalition unter Merkel machten sich daran, die Liste weitgehend abzuarbeiten. Heute sind, um nur ein Beispiel unter vielen zu nennen, Spekulationsgewinne auf Aktien und Grundstücke (§23 EStG) weitgehend steuerpflichtig.
Wer also die Geschichte zurückdrehen will, darf nicht nur bei den Steuersätzen zulangen, sondern eben auch bei der Verengung der Bemessungsgrundlage. Das will eigentlich keiner. Warum also dann diese rückwärtsgewandten, reaktionären Debatten?
Weiß ich nicht, ich hab sie ja nicht angefangen.
Das ist ein (lässlicher) Irrtum. Es lag nicht direkt an der Steuersatzkurve sondern an einem Systemfehler im schwedischen Steuersystem: Selbständige mussten sowohl die normale Einkommensteuer als auch eine ‚Arbeitgebersteuer‘ für sich selbst zahlen. Dadurch kamen im Extremfall Grenzsteuersätze von nahe 100% und mehr zustande (Pompirossa-Effekt)
„Gefordert wird eine „Rückkehr zu Kohl“ – eine maßvolle Anhebung des Spitzensteuersatzes.“
1.) Gibt es eine solche Fülle von Steuererhöhungsforderungen von links, daß „Rückkehr zu Kohl“ eher eine Minderheitsmeinung ist.
2.) Würde eine „Rückkehr zu Kohl“ eine insgesamt deutliche Senkung der Steuer- und Abgabenlast bedeuten – mit anderen Worten einen Proteststurm der Linken hervorrufen.
Denn der Anhebung des Spitzensteuersatzes würden die Streichung vieler anderer Maßnahmen gegenüberstehen, die seitdem zu Lasten der Steuerzahler eingeführt wurden. Das betrifft insbesondere die Ausweitung der Steuerbasis (d.h. es sind viele Absetzungsmöglichkeiten gestrichen worden), die Einführung neuer Steuern und Abgaben, die Erhöhung von Verbrauchssteuern und vor allem wird natürlich der Spitzensteuersatz nach 30 Jahren Inflation heute bei Leuten fällig, die zu Kohls Zeiten noch lange nicht als Spitzenverdiener galten.
Ich wäre trotzdem für die Rückkehr zu einem Spitzensteuersatz über 50% :-). Linke sind zum Rechnen völlig unfähig, so dass man mit der Wiedereinführung von 1.000 Absetzungsmöglichkeiten die reale Steuerlast senken könnte und dann wieder bei den für Linke psychologisch ungeheuer wichtigen „wir nehmen allen, die besser als wir verdienen, mehr als die Hälft weg, ätsch“. Und ab nominell mehr als 50% stossen Forderungen nach weiteren Steuerhöhungen auf den geballten Widerstand von mehr als 90% der Menschen, deren Gerechtigkeitsempfinden das (zu Recht) verletzt.
Gruss,
Thorsten Haupts