(Un-) Solide Finanzpolitik | Wachstum & Schulden

These 2: Kreditaufnahmen erweitern den Handlungsspielraum von Staaten. Sie ermöglichen kurzfristig Investitionen.

2013 veröffentlichte der US-Ökonom und Professor an der Harvard Universität Kenneth S. Rogoff zusammen mit seiner Kollegin Carmen Reinhart das vielbeachtete Essay „Growth in a time of debt“. Sie stellten darin die These auf, dass mit steigendem Schuldenstand das Wachstumspotential einer Volkswirtschaft abnimmt. Der Ansatz legt nahe, dass mit der Aufnahme von Krediten der Staat nicht seinen Handlungsspielraum erweitert, sondern im Gegenteil auf Dauer die Prosperität des Landes schwer beschädigt. Die These wurde heftigst angegriffen und am Ende diskreditiert, weil den Wissenschaftlern bei der Auswertung ihrer Datensätze in Excel Formelfehler unterlaufen waren.

Dennoch bleibt für Konservative wie Liberale ein ungutes Gefühl, wenn die Schuldenberge des Staates wachsen. Mit Blick auf die führenden Volkswirtschaften scheint die Skepsis berechtigt. Gerade die Mitgliedsländer der Europäischen Union bestätigen die Richtigkeit der These Rogoffs und Reinharts.

27 Staaten zeigen ein klares Bild: Niedrige Schulden, hohes Wirtschaftswachstum. Hohe Schulden, niedriges Wachstum. In diesem Fall lässt sich auch kein Excel-Fehler nachweisen. Die Auswertungen wurden mit dem Datenbankprogramm Access erstellt.

Besonders deutlich zeigt sich die fatale Wirkung hoher Kreditaufnahme auf das Wirtschaftswachstum im Vergleich der beiden führenden Nationen. Zwischen 2001 und dem Beginn der globalen Finanzkrise 2008 wuchs die französische Wirtschaft um durchschnittlich 3,8%, während rechts des Rheins die Produktion nur um 2,4% zulegte. Direkt nach der Finanzkrise lagen Deutschland (82% des BIP) und Frankreich (85%) im Schuldenstand noch nahezu gleichauf. Doch dann ist die Grande Nation in der Endphase des Gaulisten Sarkozy und seinem sozialistischen Nachfolger Francois Hollande falsch abgebogen. Der Schwung steigender Verschuldung konnte selbst unter dem Mitte-Links-Präsidenten Emmanuel Macron nicht eingefangen werden. Deutschland unter dem Regime der Schwarzen Null senkte seine Kreditaufnahme und boosterte sein Wachstum.

Das Wort „einfangen“ hat hier seine Berechtigung. Einmal die Schuldenspirale in Gang gesetzt, ist sie nur noch schwer zu stoppen und frisst Wachstum und Möglichkeiten des Staates. Für das Volk der Gallier bedeutete das, dass die nominellen Staatsschulden zwischen 2010 und 2016 um 29% zulegten, zwischen 2016 und 2019 jedoch nochmal um 9% trotz eines gleich hohen Wirtschaftswachstums.

Die Staatschulden sind in der Europäischen Union sehr ungleich gewichtet. Während im Norden knapp die Hälfte der Wirtschaftsleistung erbracht wird, tragen die Bürger dort mit 35% eine weit geringere Schuldenlast (3,9 Billionen Euro). Der Süden ist mit 6,6 Billionen Euro weit überproportional verschuldet.

Im vorherigen Kapitel haben wir gesehen, dass neben Deutschland die mediterranen Staaten mehr Steuereinnahmen von ihren Bürgern holen. Die Einnahmeseite des Staates wächst schneller als das BIP. In Zeiten einer rezessiven Konjunkturphase ist eine solch expansive Entwicklung kontraproduktiv zur wirtschaftlichen Erholung. Obwohl das Wachstum gerade im Süden Europas zwischen 2010 und 2013 nur allmählich Fahrt aufnahm, war die Fiskalpolitik auf Ausweitung der Einnahmeseite gerichtet.

Wer dies nun einfach auf die Austeritätspolitik, macht es sich zu einfach. Denn:

  • Den von der Finanzkrise stärker gebeutelten Ländern, allen vorneweg den Niederlanden, der Schweiz und Deutschland, gelang der Re-Start weit besser und kehrten schon 2010 auf den Wachstumspfad zurück.
  • Auch Frankreich, das nie Begünstige der Rettungspakete war, verfolgte die gleiche expansive Steuerpolitik.
  • Der Fokus der Krisenländer lag eben auf der Einnahmenseite, also eben nicht dem Sparen.

Wenn die Einnahmen überproportional steigen, liegt weniger Druck auf der Rückführung der staatlichen Ausgaben, um zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen. Wenn dennoch das Defizit gleich bleibt oder wächst, liegt das Problem eindeutig auf der Ausgabenseite.

In der vergangenen Dekade haben im Westen Europas nur die Ministaaten Luxemburg und Malta ihre staatlichen Ausgaben mehr gesteigert als Deutschland. Das Ausgabenwachstum ist für eine entwickelte Volkswirtschaft mit +27% geradezu gigantisch. Und trotzdem sind die Schulden geringfügig geschrumpft. Diese Zahlen beschreiben die Stärke der deutschen Ökonomie. In den meisten Nordländern sind die Staatsausgaben im Einklang mit dem BIP gewachsen.

Ganz anders das Bild in den südeuropäischen Ländern. Obwohl im Mittelmeerraum deutlich auf die Ausgabenbremse gedrückt wurde, blieb das Schuldenwachstum über der Entwicklung in den meisten nordeuropäischen Staaten. Wohlgemerkt, dies obwohl die Einnahmeseite erweitert wurde und die Ausgaben relativ sanken.

Das bestätigt die Feststellung vom Beginn: Steigerung der Steuereinnahmen und Sparsamkeit auf der Ausgabenseite können die Staatsfinanzen nicht retten, wenn die Schuldendynamik erst einmal gezündet wurde.

Bleibt an diese Stelle als letzte Frage: Konnten die neuen Kredite zur Verbesserung der Investitionstätigkeit genutzt werden? Dazu betrachten wir uns die Parameter Konsumausgaben, Bruttoinvestitionen und Staatsdefizite. Es gibt an dieser Stelle schon aus zwei Gründen eine gewisse Voreingenommenheit. Zum einen war der Autor des öfteren in Spanien, Portugal, Italien und ganz besonders in Griechenland. Dass der Staat dort als großer Investor auftritt, ist mit dem bloßen Auge nicht erkennbar. Dort, wo modernste Infrastruktur erlebbar ist, wurde sie meist mit Geldern aus der EU-Kasse bezahlt und das nicht selten überdimensioniert. Zum anderen ist es ökonomisch nur zu leicht nachvollziehbar, dass in Krisenzeiten die Ausgaben zusammengestrichen werden, die über den Tag hinaus Nutzen erbringen. Staaten unterscheiden sich da selten von den anderen Wirtschaftsbereichen.

Erwartungsgemäß wird dort in Europa fleißig investiert und konsumiert, wo die Länder prosperieren. Das ist im Norden und Osten der Fall. Im Süden dagegen fallen die Zahlen entgegen gesetzt aus. Zum einen halten die Konsumausgaben aufgrund der Sparnotwendigkeiten nicht mit dem niedrigen Wirtschaftswachstum Schritt. Und die Investitionstätigkeit liegt am Boden.

Fazit

Die Idee, mit Schuldenaufnahmen den Staat in die Lage versetzen, Aufgaben vorzuziehen, ist zwar gut gemeint. Die Wirklichkeit ist eine andere. Wirtschaftswachstum schafft die Voraussetzungen für Investitionen, da ergeht es dem Staat nicht anders als profanen Unternehmen. Die einfache Regel ist: je höher die Schulden, desto niedriger das Wirtschaftswachstum. Ist erst die Schuldenspirale in Gang gesetzt, ist es selbst unter größten Anstrengungen kaum mehr möglich, dem Niedergang zu entgehen.

Das sollten gerade jene zum Umdenken veranlassen, die die Schuldenbremse im Grundgesetz immer noch für eine dumme Idee halten. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die Begrenzungen der Verfassung hindern die Politik, Harakiri zu begehen. Wenn die politische Elite schon das Risiko der Staatsverschuldung eingehen will, so sollte dies nur mit qualifizierten Mehrheiten erfolgen. Regierungen wie die derzeitige Ampelkoalition erfüllen dieses Kriterium schon deswegen nicht, weil sie durch eine Laune am Wahltag entstanden sind. Und gerade solche Bündnisse neigen dazu, auftretende Konflikte nicht mit politischen Kompromissen und Verzicht zu lösen, sondern mit Schulden – nicht zum Vorteil des Landes, sondern von Interessengruppen.

 

BIP Wachstum 2012 – 2019

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  • Tim 30. März 2022, 09:26

    Erfolgreich investieren ist verdammt schwierig. Das weiß jeder, der es schon mal getan hat. Warum ausgerechnet Bürokraten besser darin sein sollen, Wachstumsmärkte zu erkennen, hat sich mir noch nie erschlossen. Kein Bürokrat hat jemals Arbeitsplätze geschafft, keiner musste jemals groß selbst ins Risiko gehen.

    Höhere Staatsausgaben sind für Politiker bequem. Sie können sich in einem politischen Erfolg sonnen und mit dem Geld (oft auf Pump) strukturelle Defizite kurzfristig überdecken. Aber diese bleiben in der Regel bestehen. Das ist für mich der Haupteffekt von höheren Staatsausgaben: Sie machen faul und verschärfen langfristig die Probleme. Wer nachhaltig Wachstum schaffen will, muss die Bedingungen für Wachstum verbessern.

    Aber das ist leider sehr schwer zu vermitteln, weil diejenigen, die darüber entscheiden, eben selbst noch nie investiert haben. Und die meisten Wähler ebenfalls nicht. Also gibt es am Ende des Tages wieder den typischen Spending-Populismus.

  • Mikefromffm 30. März 2022, 09:38

    Noch mal meine Frage nach den Zinsquoten. Denn die Höhe der Schulden sagt gar nichts aus. Relevant ist, wie viel man für die Finanzierung aufwenden muss.

    • Erwin Gabriel 30. März 2022, 10:24

      @ Mikefromffm 30. März 2022, 09:38

      Denn die Höhe der Schulden sagt gar nichts aus. Relevant ist, wie viel man für die Finanzierung aufwenden muss.

      Ich stimme zu – der Punkt ist nicht von der Hand zu weisen. Solange man die Zinsen bequem stemmen kann, ist man im grünen Bereich – fürd en Moment.

      Aber Zinsen ändern sich in der Regel schneller, als sich Schulden abbezahlen lassen. Schaut man auf die Südländer mit ihrem Schuldenberg, der das BIP spürbar übertrifft, kann so etwas (siehe Griechenland 2009) böse in die Hose gehen. Wenn in 10 Jahren der Zinssatz bei 5 Prozent liegt, ist dort Land unter.

      Ein weiterer Punkt ist der von Tim zu Recht angesprochene Punkt der Gewöhnung: Wenn der Staat immer raushaut, wird das so selbstverständlich, dass die Fähigkeiten, aus eigener Kraft mit Krisen umzugehen, geschwächt wird.

      • Tim 30. März 2022, 10:43

        Aber Zinsen ändern sich in der Regel schneller, als sich Schulden abbezahlen lassen.

        Die Zinsen sind in fast allen entwickelten Volkswirtschaft seit den frühen 80er Jahren gesunken – eine Folge des unglaublichen Wohlstands und der enormen Kapitalvermehrung.

        Nun stehen wir aber vor dem größten Investitionsbedarf seit vielen Jahrzehnten: Die Energiewende wird auf unabsehbare Zeit global viel Kapital verschlingen und leider ebenso die Rüstung. Das wird zu höheren Zinsen führen.

        Für die Nordländer wird das wohl noch zu stemmen sein, aber für viele südeuropäische Länder wird es wahrscheinlich richtig bitter. Eine Folge der unseriösen Schönwetter-Politik der EZB in den letzten 15 Jahren. Hätte uns doch bloß jemand davor gewarnt, dass Quatschpolitik Quatsch ist.

        • Erwin Gabriel 30. März 2022, 16:18

          @ Tim 30. März 2022, 10:43

          Nun stehen wir aber vor dem größten Investitionsbedarf seit vielen Jahrzehnten: Die Energiewende wird auf unabsehbare Zeit global viel Kapital verschlingen und leider ebenso die Rüstung. Das wird zu höheren Zinsen führen.

          Die niedrigen Zinsen haben auch dazu geführt, dass Geldanlagen eigentlich nur noch spekulativ erfolgen können. Lebensversicherungen, Sparbriefe, Staatsanleihen sind praktisch bedeutungslos geworden, während die Preise für Immobilien oder Aktien nach oben marschieren, und die Preise auf breiter Front steigen. Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine macht nichts besser.

          Eine Folge der unseriösen Schönwetter-Politik der EZB in den letzten 15 Jahren.

          Yep. Der bequemste Weg ist nicht immer der Beste.

          Hätte uns doch bloß jemand davor gewarnt, dass Quatschpolitik Quatsch ist.

          Ja, das wäre so cool gewesen. Hat aber NIEMAND so voraussehen können 🙂

          • Milefromffm 30. März 2022, 16:46

            „Die niedrigen Zinsen haben auch dazu geführt, dass Geldanlagen eigentlich nur noch spekulativ erfolgen können“? Ja, wie denn sonst? Wir leben im Kapitalismus, da sind risikolose Geldanlagen nicht vorgesehen. Ausnahme sind ausgerechnet: Staatsanleihen. Denn tatsächlich ist das Risiko des Zahlungsausfalls einer italienischen Staatsanleihe nahezu null.

            • Erwin Gabriel 31. März 2022, 11:37

              @ Milefromffm 30. März 2022, 16:46

              Ja, wie denn sonst? Wir leben im Kapitalismus, da sind risikolose Geldanlagen nicht vorgesehen. Ausnahme sind ausgerechnet: Staatsanleihen.

              Der Punkt ist, dass man früher entscheiden konnte, Geld mit geringer Rendite sicher oder mit potentiell höherer Rendite Spekulativ anzulegen. Durch die jahrelange Null-Zins-Politik gibt es keine sicheren Anlagen mehr; entweder man wird (hoch)spekulativ, oder man verliert Geld.

              All die Menschen, die auf sichere Geldanlagen angewiesen sind (kleine Sparer, Kunden von Lebensversicherungen, Rentner etc.), sind dadurch ziemlich gekniffen und haben in den letzten Jahren durch die EZB-Politik für jetzt und die Zukunft einiges an ‚Vermögen‘ bzw. finanzielle Sicherheit im Alter verloren. Wer ein paar Millionen hierhin oder dorthin schieben kann, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit ordentlich zugelegt.

              Das halte ich nicht für selbstverständlich, und erst Recht nicht für gut.

              • Mikefromffm 31. März 2022, 11:53

                Das ist halt leider auch so eine Erzählung, die einem Faktencheck nicht stand hält. Eine Analyse der Realzinsen seit Beginn der Aufzeichnungen der Deutschen Bundesbank 1968 zeigt, dass diese im Schnitt negativ waren und nur in kurzen Ausnahmen positiv. Im übrigen rechnen Sie doch mal aus, wie viel Zinsen „kleine Sparer“ denn tatsächlich erzielen würden, selbst wenn der Realzins positiv wäre. Noch mal: wir leben im Kapitalismus. Schauen Sie doch noch mal nach, was dieses Wort bedeutet.

                • Erwin Gabriel 31. März 2022, 12:34

                  @ Mikefromffm 31. März 2022, 11:53

                  Das ist halt leider auch so eine Erzählung, die einem Faktencheck nicht stand hält. …
                  Im übrigen rechnen Sie doch mal aus, wie viel Zinsen „kleine Sparer“ denn tatsächlich erzielen würden, selbst wenn der Realzins positiv wäre.

                  Genauso richtig wie die Aussage, dass man bei Regen nass wird, und genauso wenig relevant. Ich sehe bei mir die Entwicklung meiner zwei Lebensversicherungen, und sehe, wie sich die Kurve senkt. Natürlich hat das eine Relevanz

                  Noch mal: wir leben im Kapitalismus. Schauen Sie doch noch mal nach, was dieses Wort bedeutet.

                  Ich schätze Sie, verglichen zu meinen politischen Positionen, eher auf der Gegenseite. Trotzdem mache ich mir die Mühe, meine offenbar unscharf oder unverständlich formulierten Punkte zu erklären, und mache mir die Mühe, bei Ihnen nachzufragen.

                  Die Arroganz, mit der dann Ihre Antworten kommen, verleidet mir aber die Diskussion.

                  Mit „Wir leben im Kapitalismus“ implizieren Sie, dass ich offenbar die Zusammenhänge nicht verstehe, dass mir die Akzeptanz dieser Aussage und das Nachschlagen des Begriffs schon so die Augen öffnen würde, das ich auf Ihre Linie einschwenke, und dass mit Ihrer Feststellung alles gesagt sei.

                  Ist es natürlich nicht.

                  So lautet der erste Satz bei Wikipedia (deutsche Version): Kapitalismus bezeichnet zum einen eine spezifische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, zum anderen eine Epoche der Wirtschaftsgeschichte.
                  Der erste Satz der englischen Wikipedia-Version lautet Capitalism is an economic system based on the private ownership of the means of production and their operation for profit. Dann bieten nicht nur Marx als auch Lenin voneinander abweichende Erläuterungen.

                  Welche Definition wird heute von der Gesellschaft als gemeingültig angesehen? Welche wird von Ihnen als gültig für unsere Gesellschaft angesehen? Sehen Sie diese wirklich zu 100 Prozent umgesetzt, oder haben wir Mischformen und andere ergänzende Elemente?

                  Mit dieser rüden Art, abweichende Meinungen nicht als Infragestellung Ihrer Aussagen, sondern als Nichtwissen zu interpretieren, hilft vielleicht dabei, eigene Blähungen loszuwerden, aber nicht dabei, beim anderen Verständnis für die eigenen Standpunkte zu wecken.

                  Selbst wenn ich mich immer wieder dabei ertappe, zu pauschal und zu allgemein zu formulieren, sollte es in den meisten Fällen trotzdem möglich sein, meine Meinung abzuleiten (zumindest gelingt es den meisten).

                  Ihre Aussage „wir leben im Kapitalismus“ könnte ich beispielsweise nach der von Ihnen praktizierten Methode bequem ‚widerlegen‘: Sie haben meiner Meinung nach nicht 100-prozentig Recht, also ist Ihre Aussage falsch. Solch ein Verhalten macht aber jede sinnvolle Diskussion unmöglich.

                  Wenn Sie mich lieber weiterhin wie einen Blödmann behandeln wollen, erwarten Sie aber bitte nicht, dass ich auf Ihre Beiträge ernsthaft antworte.

                  es grüßt
                  E.G.

              • Tim 31. März 2022, 11:54

                All die Menschen, die auf sichere Geldanlagen angewiesen sind (kleine Sparer, Kunden von Lebensversicherungen, Rentner etc.), sind dadurch ziemlich gekniffen und haben in den letzten Jahren durch die EZB-Politik für jetzt und die Zukunft einiges an ‚Vermögen‘ bzw. finanzielle Sicherheit im Alter verloren.

                Hinzu kommt, dass die Politik Finanzberatung für Menschen mit geringem Vermögen praktisch aus dem Markt herausreguliert hat. Finanzberatung ist für Banken regulatorisch heute so aufwendig, dass sie sich eigentlich nur noch für größere Vermögen lohnt.

                Man kann eigentlich nur feststellen, dass die Finanzmarktpolitik der letzten 15 Jahren so asozial wie noch niemals zuvor war. Alles im Dienste der guten Sache („Finanzmarktstabilität“), versteht sich.

                • CitizenK 1. April 2022, 07:29

                  Dass Finanz- und Vermögensberater offenlegen müssen, ob sie Provision für die von ihnen empfohlenen Produkte erhalten, ist auch für Kleinanleger eher von Vor- als von Nachteil. Die paar Formulare sind schnell ausgefüllt – und haben einen Sinn, anders als der Datenschutz-Quatsch.

                  • Tim 1. April 2022, 09:35

                    Die Welt wieder mit ein paar Formularen verbessert. Wunder der Bürokratie! 🙂

      • Stefan Sasse 30. März 2022, 13:26

        Griechenlands Problem war ja aber nicht die Bezahlung alter Schulden sondern die Aufnahme von neuen. Ich weiß nicht, ob das in dem Fall Jacke wie Hose ist, aber trotzdem. 🙂

        • Stefan Pietsch 30. März 2022, 14:11

          Nein. Premierminister Giorgos Papandreou rief die EU-Staatschefs an, weil er im Frühjahr 2010 nicht mehr in der Lage war, die in dem Jahr fälligen Anleihen abzulösen. Das ist nämlich das Problem bei der immer vorgetragenen Staatsschuld: die Anleihen müssen immer wieder neu aufgelegt werden. Werden sie fällig, braucht der Finanzminister neue Gläubiger, die zeichnen.

      • Mikefromffm 30. März 2022, 16:44

        Du scheinst nicht zu verstehen, wie Staatsanleihen funktionieren. Sollte in „10 Jahren der Zinssatz bei 5 Prozent“ für GRE liegen, muss GRE doch nicht auf alle seine Schulden 5 % zahlen, sondern nur für die Anleihen, die in 10 Jahren begeben werden. Für die 10-jährigen von heute sind 2,5 % fällig, kein einziger Cent mehr.

        • Erwin Gabriel 31. März 2022, 11:53

          @ Mikefromffm 30. März 2022, 16:44

          Du scheinst nicht zu verstehen, wie Staatsanleihen funktionieren.

          Ja, das wird es sein …

          Sollte in „10 Jahren der Zinssatz bei 5 Prozent“ für GRE liegen, muss GRE doch nicht auf alle seine Schulden 5 % zahlen, sondern nur für die Anleihen, die in 10 Jahren begeben werden. Für die 10-jährigen von heute sind 2,5 % fällig, kein einziger Cent mehr.

          Keine Einwände, und kein Widerspruch zu meine Aussage.

          Laufende Anleihen sind und bleiben mit dem ursprünglichen Zinssatz belegt. Auslaufende Anleihen sind nicht betroffen, wenn sie zurückgezahlt wurden.

          Jetzt werden langsam die 10-jährigen Anleihen von 2012 fällig, nächstes Jahr die von 2013. Man kann wohl davon ausgehen, dass diese Anleihen nicht aus dem Haushalt beglichen werden können, sondern durch Neuauflage abgedeckt werden.

          Müsste das auf Basis marktüblicher Zinsen geschehen, gäbe es in kürzester Zeit ein Riesen-Problem. Solange die EZB jeden Schrott aufkauft und Null Prozent Zinsen nimmt, wird es weiterhin gut gehen. Aber irgendwann geht es nicht mehr gut, und dann ist das Krachen unvermeidbar.

          • Mikefromffm 31. März 2022, 12:07

            Soso, der Erwin ist jetzt eine Ratingagentur und entscheidet, welche Staatsanleihen „Schrott“ sind? Auf welchen Kriterien beruhen diese Urteile? Anhand welcher Zahlen kann er denn sein Urteil belegen? Glaubt der Erwin denn ernsthaft, dass Italien nicht in der Lage sein wird seine Staatsanleihen zu bedienen? Und wenn das Ausfallrisiko gleich Null ist, sollten da nicht auch die Zinsen gleich Null sein? Glaubt der Erwin etwa, es sei „normal“, dass der private Finanzsektor über die Rendite von Staatsanleihen entscheiden darf? Kann sich der Erwin vorstellen, dass der private Finanzsektor andere Interessen hat als der Staat? Dass seine „marktüblichen Zinsen“ ein ideologisches Konstrukt sind?

            • Erwin Gabriel 31. März 2022, 14:25

              @ Mikefromffm 31. März 2022, 12:07

              Soso, der Erwin ist jetzt eine Ratingagentur und entscheidet, welche Staatsanleihen „Schrott“ sind?

              Immer wieder diese Arroganz …

              Wenn Sie lesen würden, um zu begreifen, was Ihr Gegenüber schreibt, käme vielleicht rüber, dass ich diesen Anspruch nicht erhoben habe.

              Dass seine „marktüblichen Zinsen“ ein ideologisches Konstrukt sind?

              Ich finde, dass die Abwesenheit von „marktüblichen Zinsen“ ein ideologisches Konstrukt ist.

            • CitizenK 1. April 2022, 07:46

              „Der Erwin….“

              Nix gegen Polemik, aber diese Besserwisser-Arroganz ist schwer zu ertragen – und kontraproduktiv. „Der Erwin“ bemüht sich um sachliche Argumentation und hat relevante Punkte.

              „Der Mike“ sollte sich den Sinn von „deliberation“ vor Augen halten.

              • Erwin Gabriel 1. April 2022, 14:37

                @ CitizenK 1. April 2022, 07:46

                merci

    • Stefan Pietsch 30. März 2022, 10:52

      Das gilt, wenn wir von einem Konsumentenkredit sprechen. Doch die Staatsschulden sind in Ewigkeit gezimmert. In längeren Zeitabläufen ändern sich die Zinsen erheblich. Weil ich es bei der Hand habe: Die USA zahlen auf ihre derzeitigen Anleihen zwischen 1 und über 7%. Das ist eine enorme Spanne. Frankreichs Zinsen bilden sich nicht am Markt. Wegen seit einer Dekade anhaltenden Interventionen der EZB sind die Spreads deutlich gedrückt. Das ist aber nicht in Stein gemeißelt. Dazu kommt, Frankreich hat seit langem sein AAA-Rating verloren, eben weil die Schulden in die Höhe geschossen sind. Schlechtere Bonität heißt relativ höhere Zinsen.

      Im obigen Artikel wird ein Zeitraum wirtschaftlicher Prosperität betrachtet, auch für Frankreich. In dieser Zeit konnte der Staat seine Einnahmen schneller steigern als überhaupt die Wirtschaftskraft des Landes zunahm. Gleichzeitig wurden die Ausgaben unter das Wirtschaftswachstum gedrückt, nicht nur zur Freude der Franzosen. Und dennoch kommen Einnahmen und Ausgaben nicht zu einem Ausgleich. Wenn es schon nicht unter so günstigen Bedingungen gelingt, dann ist der französische Staat möglicherweise nicht mehr in der Lage, ohne stetige Neuverschuldung auszukommen.

      Das ist dann ein Indiz, dass die Schulden nicht mehr tragfähig sind. Schließlich sollte ein Staat prinzipiell in der Lage sein, die fällig werdenden Kredite durch eigene Einnahmen und nicht durch Prolongation auszugleichen. Das kann Frankreich nicht einmal ansatzweise, während Deutschlands nominelle Schulden um 3% gesunken sind. D.h., Deutschland kann tilgen.

      • Mikefromffm 30. März 2022, 16:39

        „Das ist dann ein Indiz, dass die Schulden nicht mehr tragfähig sind“? Das ist dann halt so eine Behauptung, wenn man keine Zahlen & Fakten hat. In allen Staaten der Eurozone sind die Zinsausgaben in Prozent des BIP seit Jahren am Sinken. In der Eurozone haben sich die von 2008 bis 2020 halbiert (von 3 % auf 1,5 %). Im übrigen scheint Dir nicht klar zu sein, dass die Vermögen der Haushalte und Unternehmen schrumpfen, wenn der Staat seine Schulden tilgt. Das ist eine banale logische Tatsache der Saldenmechanik. Dein grundlegendes Missverständnis ist, dass du den Staat für ein Unternehmen hältst. Das ist er aber nicht und deswegen differenziert die Makroökonomie private Haushalte, Unternehmen sowie den Staat (und das Ausland).

        • Stefan Pietsch 30. März 2022, 17:23

          Ich lege Wert darauf, von Ihnen gesiezt zu werden. Bei Ihnen fehlt jeder Respekt und dann ist das DU nicht die richtige Anredeform.

          Die Zinssätze sind mit dem Eingreifen der EZB deutlich gesunken. Sie sind also vor allem politisch (auch Geldpolitik ist Politik) induziert. Die letzten echten Spreads hatten wir 2010. Das heutige Zinsniveau ist damit keine Reaktion auf gesunkene Anlagerisiken oder Wachstumspotentiale, sondern das Ergebnis politischer Einschätzungen, was an Zinsen zulässig ist.

          Sagte ich schon, dass ich mich nicht gerne mit haltlosen Behauptungen beschäftige? Einfach mal hinschauen, wer in Staatsanleihen investiert und sie hält. Dann werden Sie auf den Trichter kommen, dass Staatsanleihen nicht vorrangig von Haushalten und Unternehmen des nicht-finanzwirtschaftlichen Sektors gehalten werden.

          Ansonsten: mit den dargestellten Fakten des Artikels beschäftigen oder selbst nachrechnen. Sonst reden wir nur über theoretischen Müll.

          • Mikefromffm 31. März 2022, 01:00

            Sie wissen offensichtlich nicht, wie sich Staaten finanzieren. Das ist schon erschütternd. Sie verstehen offensichtlich auch nicht dem Sinngehalt der Aussage, dass die Ausgaben des einen Wirtschaftsobjekt zwingend die Einnahmen eines anderen sind. Nichts anderes habe ich geschrieben und das hat nichts damit zu tun, wer deutsche Staatsanleihen hält. Die Ausgaben die der Staat tätigt indem er Güter und Dienstleistungen nachfragt sind wessen Einnahmen? Die der Haushalte und Unternehmen. Das ist doch so schwierig nicht zu verstehen, oder? Das ist kein „theoretischer Müll“ sondern eine Tatsache der Saldenmechanik und diese beruhen nicht auf den Annahmen und Voraussetzungen eines Modells, sondern sind trivialarithmetischer Natur. Es gibt kein Vermögen ohne Schulden. Es ist unmöglich, dass Haushalte, Unternehmen und der Staat gleichzeitig Vermögen haben.

            • Stefan Pietsch 31. März 2022, 08:35

              Sie wissen offensichtlich nicht, wie eine Bilanz aussieht, nicht einmal die der deutschen Volkswirtschaft. Ihr Irrtum liegt darin zu meinen, eine Bilanz bestände allein aus Forderungen und Verbindlichkeiten. Nur so ist zu erklären, wie Sie aus der Saldenmechanik theoretischen Müll machen. Damit entsteht Vermögen nicht allein durch Verbindlichkeiten auf der der anderen Seite. Lernt jeder in den ersten Stunden Buchhaltung.

              • Mikefromffm 31. März 2022, 11:37

                https://de.wikipedia.org/wiki/Saldenmechanik?wprov=sfti1 Ihrer selbstgefälligen Bräsigkeit zum Trotz empfehle ich die Leküre des Lemmas Saldenmechanik bei Wikipedia. Auch wenn ich mir sicher bin, dass das sinnlos ist.

                • Stefan Pietsch 31. März 2022, 12:15

                  Nochmal: aus was besteht eine Bilanz neben Forderungen und Verbindlichkeiten? Sie brauchen nicht mit der Theorie der Saldenmechanik zu kommen, wenn Sie über Grundkenntnisse der Bilanzierung völlig blank sind. Da haben Sie was gelesen und nehmen sich die für Sie appetitlichen Häppchen.

                  • Mikefromffm 31. März 2022, 12:53

                    Q.e.d.

            • Erwin Gabriel 31. März 2022, 12:00

              @ Mikefromffm 31. März 2022, 01:00

              Die Ausgaben die der Staat tätigt indem er Güter und Dienstleistungen nachfragt sind wessen Einnahmen? Die der Haushalte und Unternehmen. …
              Das ist kein „theoretischer Müll“ sondern eine Tatsache der Saldenmechanik …

              Nur aus ernsthafter Neugier – was hat dann Griechenland falsch gemacht?

              Vielleicht redet man hier aneinander vorbei?

              Selbst wenn ich der Aussage: „Des einen Ausgabe ist des anderen Einnahme“ im gemeinten Sinne zustimmen kann, ist es doch so, dass Griechenland finanziell am Ende war und nur durch Hilfe von außen Schlimmeres verhindern bzw. im Euro bleiben konnte.

  • Mikefromffm 30. März 2022, 09:54

    „27 Staaten zeigen ein klares Bild: Niedrige Schulden, hohes Wirtschaftswachstum. Hohe Schulden, niedriges Wachstum. In diesem Fall lässt sich auch kein Excel-Fehler nachweisen“. LOL, diese Behauptung wird ja nicht mal von der Grafik bestätigt. Varianz und Standardabweichung? Wozu, man behauptet einfach etwas. Deine Behauptung stimmt übrigens schon nicht mehr, wenn man sich die Zahlen für 2021 anschaut. Da haben die von dir sogenannten Südländer viel höhere Wachstumsraten als die Nordländer. Abgesehen davon, ist es vollkommen bizarr alleine aus einer Zahl (hier der Schuldenstand) Wachstumspotenziale zu bestimmen. Du verhebst dich hier gehörig.

    • Stefan Pietsch 30. März 2022, 10:43

      Seit wann ist es üblich, Entwicklungen in 1-Jahres-Schritten darzustellen? Wie erklärt habe ich die Darstellungen generell mit dem Jahr 2019 enden lassen, und zwar nicht deshalb, weil darüber hinaus keine Daten zur Verfügung standen. Nur sind wegen der Pandemie die Schuldenstände 2020/2021 enorm angestiegen, was jedoch nichts mit normaler Haushalts-, Finanz- und Wirtschaftspolitik zu tun hat. Deutschlands Wachstum bleibt in diesen Jahren stärker zurück, weil wir länger an einschränkenden Maßnahmen festhalten.

      Übrigens stimmt Ihre Behauptung so auch nicht. Italiens BIP lag im Jahr 2021 mit 1,657 Billionen Euro 1% niedriger als im Vorkrisenzeitraum. Das Niederländische dagegen liegt knapp 6% über Vorkrisenniveau. Auch Frankreich erreicht nur ein zartes Plus von knapp 2%, während Deutschland mit 3,571 Billionen Euro knapp 3% über dem Jahr 2019 liegt. D.h., schauen wir uns nicht ein einziges Krisenjahr, sondern beide an, stimmt Ihre Annahme nicht.

      An dieser Stelle nochmal die Frage: Wollen Sie einfach Ihre Voreingenommenheit frönen oder sich bemühen, nüchtern auf die Zahlen zu schauen. Obwohl Sie selbst die Beispiele eingeführt haben, die sich nun anders darstellen als Sie behauptet haben, bezweifle ich, dass Sie das überzeugt. Was für mich die Frage beantwortet.

  • Marc Schanz 30. März 2022, 10:15

    Ihre Zahlen stimmen nicht. Ich habe mal das Wirtschaftswachstum von Deutschland von 2011 bis 2019 nachgerechnet. Ich komme auf 1,72 %, nicht wie sie auf 3,4%.

    Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/74644/umfrage/prognose-zur-entwicklung-des-bip-in-deutschland/

    Rechnung: 3,9 % + 0,4% + 0,4% + 2,2% + 1,5% + 2,2% + 2,7% + 1,1% + 1,1% = 15,5%
    15,5% / 9 = 1,72%

    • Tim 30. März 2022, 10:21

      Wachstumsraten muss man multiplizieren, nicht addieren. Und man kann auch nicht einfach so durch 9 teilen, um das Durchschnittswachstum zu ermitteln.

      • Marc Schanz 30. März 2022, 11:21

        Das Problem ist, dass 2010 im Gegensatz zur Legende auch dabei ist, aber 2010 und 2011 erhebliche Anteile der Erholungen der Finanzkrise 2009 beinhalten.

    • cimourdain 30. März 2022, 10:32

      Kleine Verfahrenskorrektur (die im Ergebnis keine Auswirkung hat):
      die durchschnittliche Wachstumsrate musst du mit dem geometrischen Mittel berechnen:
      1,039*1,004*1,004*1,022*1,015*1,022*1,027*1,011*1,011=1,1655
      9-te Wurzel aus 1,1655 = 1,0172
      Wie gesagt, bei so niedrigen Wachstumsraten kein Unterschied, aber wenn schon, dann richtig.

      • Marc Schanz 30. März 2022, 11:19

        Ja klar, das stimmt. Noch besser wäre eine z-Transformation mit logarithmieren der Abweichungen. Dann wären die Exrtremwerte 2011 ( und 2010 ist ja laut Pietsch auch dabei) eingefangen worden.

    • Stefan Pietsch 30. März 2022, 11:06

      Deutschlands BIP ist von 2010 (2,564 Billionen Euro) bis 2019 (3,473 Billionen Euro) um 35,5% gewachsen. Frankreich dagegen nur um 22%.

      • Marc Schanz 30. März 2022, 11:12

        2010 und 2011 beinhalten erhebliche Erholungseffekte der Finanzkrise von 2009. Entweder rechnen sie mit 2009 oder ohne 2010 und 2011. Alles andere ist unseriös.

        Ich habe die Grafik angehängt. Sind Sie überzeugt?

        • Stefan Pietsch 30. März 2022, 11:20

          Deutschland war bereits 2010 wieder auf dem Wachstumspfad. Und ich kann Ihnen natürlich die Werte 2012 – 2019 geben. Aber Sie werden enttäuscht sein: das Bild ändert sich dadurch nicht. Das Problem dabei: Sie verengen den Zeitraum immer weiter und sorgen so dafür, dass man weniger Allgemeingültiges darin erkennen kann.

          Ich glaube auch nicht, dass Sie der Kandidat sind, der über Seriosität und Unseriosität befinden kann.

          Die Grafik für den Zeitraum 2012 – 2019 ist angehängt, das Bild bleibt das Gleiche. Doch ich bezweifle, dass Sie das überzeugt.

          • Marc Schanz 30. März 2022, 12:51

            Wie sollte ich auch? Es ist doch ersichtlich, dass einige Länder erst 2015 aus der Krise heraus wachsen. Also muss der Zeitraum weiter eingeengt werden. Ansonsten ist es eine Betrachtung der Finanzkrise, keine allgemeine Betrachtung des Wirtschaftswachstums.

            Ich glaube auch nicht, dass Sie der Kandidat sind, der über Seriosität und Unseriosität befinden kann.

            Keine Angst, das trifft nur für Statistiken zu.

            • Stefan Pietsch 30. März 2022, 14:26

              Jetzt haben Sie sich aber selbst verfangen. Sie haben doch vorgeschlagen:

              2010 und 2011 beinhalten erhebliche Erholungseffekte der Finanzkrise von 2009. Entweder rechnen sie mit 2009 oder ohne 2010 und 2011. Alles andere ist unseriös.

              Jetzt kommen Sie mit weiteren Einschränkungen, mit einer Begründung, die nicht belegt ist. Es ist schlicht vorgeschoben.

              Die Länder, die von der Finanzkrise am heftigsten getroffen wurden, weil ihre Banken an der Wall Street am umfangreichsten involviert waren – USA, Großbritannien, Irland, Niederlande, Schweiz, Deutschland – haben sich davon rasant erholt. Wenn Sie die These aufstellen, Spanien, Italien und Griechenland hätten mehr Zeit wegen der Finanzkrise benötigt, sind Sie begründungspflichtig. Die großen spanischen Banken, voran die Santander, bekamen wegen der Ausfälle auf dem nationalen Immobilienmarkt Probleme. Das hatte eben mit der globalen Finanzkrise nichts zu tun. Noch abgeschotteter war die Situation in Griechenland.

              Wir können das auch an den direkten Hilfszahlungen für nationale Banken 2008 / 2009 messen: auch hier sind die genannten Länder vorneweg. Und damit nähern wir uns dem Punkt, wo Sie nicht hinwollen: wenn die Südländer länger in einer Wirtschaftskrise verharrten, obwohl die Auswirkungen der globalen Finanzkrise sie nur am Rande streifte – was war dann die Ursache? Hohe Staatsverschuldung etwa?

              • Marc Schanz 30. März 2022, 15:04

                wenn die Südländer länger in einer Wirtschaftskrise verharrten, obwohl die Auswirkungen der globalen Finanzkrise sie nur am Rande streifte – was war dann die Ursache? Hohe Staatsverschuldung etwa?

                Nein, muss nicht so sein. Es kann auch ein schwacher Finanzsektor sein.

                • Stefan Pietsch 30. März 2022, 15:25

                  Spanien und Italien haben keinen schwachen Finanzsektor.

                  Wieso suchen Sie nach Erklärungen, warum das, was Sie sehen, nicht sein kann?

          • Erwin Gabriel 30. März 2022, 17:20

            @ Stefan Pietsch 30. März 2022, 11:20

            Ich glaube auch nicht, dass Sie der Kandidat sind, der über Seriosität und Unseriosität befinden kann.

            Unnötig …

      • Lemmy Caution 31. März 2022, 11:40

        einen Teil haben unsere sympathischen froschschenkel-verzehrenden Nachbarn in ihre zahlreicheren Kinder investiert. Diese langfristige Investition rechnet sich erst in 20 Jahren.

        • Stefan Pietsch 31. März 2022, 12:26

          Nö. Frankreich gibt generell mehr für die öffentliche Daseinsvorsorge aus, aber da ist nicht generell eine andere Struktur. Und das war vor 20 Jahren nicht anders, folglich müssten sich die „Investitionen“ ja langsam zeigen. Wie wir gesehen haben, zeigen sie sich aber nicht, damit ist die Theorie für die Tonne.

          • Lemmy Caution 1. April 2022, 07:10

            Du hast mich nicht richtig verstanden.
            https://www.laenderdaten.de/bevoelkerung/bevoelkerungspyramiden_vergleich.aspx
            links Deutschland, rechts Frankreich wählen.
            Frankreich hat nicht unser Problem, dass in den letzten 30 Jahren pro Frau wesentlich weniger Kinder geboren wurden.
            Damit haben sie nicht unsere Sorgen mit der Rente und dem fehlenden Nachwuchs für den Arbeitsmarkt.
            Kinder sind eine Investition. In den erste 25 Jahren tragen sie ja nicht so viel zur Wertschöpfung bei.

            • CitizenK 1. April 2022, 20:03

              Bildung gilt ja auch nur metaphorisch als „Investition“, nicht im Budget. Ebenso wie Prävention – gegen Krankheiten, Kriminalität, Versorgungssicherheit etc.

    • cimourdain 30. März 2022, 14:25

      Die Differenz erklärt sich daraus, dass destatis das reale (inflationsbereinigte) Wachstum des BIP angibt, Herr Pietsch dagegen das Nominalwachstum für seine Berechnungen verwendet.

      • Stefan Pietsch 30. März 2022, 14:29

        Exakt. Und ich gehe auf den Vergleich der absoluten Werte, weil dies für die Bürger direkt spürbar ist. Wachstumsraten (relative Werte, dazu noch addiert und wieder relativiert) zu vergleichen, ist selten sinnvoll.

      • Marc Schanz 30. März 2022, 15:00

        Es gab in diesem Zeitraum eine lange Null- bis Deflationsphase. Das erklärt den Unterschied nicht.

  • Erwin Gabriel 30. März 2022, 10:16

    Hallo Stefan,

    vielen Dank. Ich merke immer wieder, dass ich da nicht richtig im Thema bin; ich muss mehrfach und langsam lesen, um folgen zu können.

    Eine Frage: Du schreibst
    „Den von der Finanzkrise stärker gebeutelten Ländern, allen vorneweg den Niederlanden, der Schweiz und Deutschland, gelang der Re-Start weit besser und kehrten schon 2010 auf den Wachstumspfad zurück.“

    Wenn ich mich recht erinnere, hat es das Südland Griechenland so richtig an die Wand gefahren, und wäre es nicht unterstützt worden, hätten wohl auch Frankreich, Spanien und Italien den Löffel abgegeben.

    Die Situation fand ich damals sehr besonders. Versteckt sich das in Deinen Zahlen?

    Viele Grüße
    E.G.

    • Stefan Pietsch 30. März 2022, 11:01

      Die Finanzplätze London, Amsterdam, Zürich, Frankfurt, Dublin haben in Europa die Haupteinschläge abbekommen, und hier vor allem Irland, die Schweiz und Holland – in dieser Reihenfolge. Athen, Rom und Madrid hatten kaum etwas mit dem nordamerikanischen Markt zu tun.

      Allerdings führte der Zusammenbruch des Subprimemarktes zu einer Neubewertung der Staatsanleihen. Das ist ja für Kapitalanleger auch nicht so fernliegend: Subprime – hohes Risiko des Totalverlusts. Hohe Staatsschulden in wirtschaftsschwachen Ländern – möglicherweise auch hohes Risiko? Die Neubewertung versehen mit höheren Zinsforderungen und weniger Nachfragern nach neuen Staatstiteln führte sehr schnell im Falle Griechenlands dazu, dass der damalige Premierminister Giorgos Papandreou den Staatsbankrott ankündigen musste. Und dann kam die Dominotheorie zum Tragen.

  • Kning4711 30. März 2022, 11:00

    Es bleibt am Ende die Frage wofür das Geld ausgegeben wird:
    Aus der Finanzkrise haben wir gelernt, dass prozyklische Fiskalpoltik in den Volkswirtschaftten die Krisen lediglich verlängert und die Situation verschlimmert hat.

    So kürzte Großbritannien im Fallout der Finanzkrise 2010 massiv die Mittel für Familien oder Langzeitarbeitslose – Konsequenz: in diesen strukturell schwachen Gebieten verfingen die Lügen der Brexiteers besonders groß und schwups war UK raus der EU mit erheblichen Nachteilen für die Volkswirtschaft .

    In Griechenland wächst die Wirtschaft seit 2016 deutlich, wars interessanterweise eben mit jenem Zeitpunkt zusammentrifft, zu dem das europäische Spardiktat aufgehoben wurde. In Spanien und Portugal traten diese Effekte bereits etwas früher ein und die wirtschaftlichen Wachstumsraten zeigen eine Erholung dieser Volkswirtschaften.

    Und jetzt bin ich wieder bei meinem Eingangspunkt: Wesentlich ist für was die Staatsschulden ausgegeben werden. Italien und Griechenland haben sehr große Investitionspläne. Die anstehenden Investitionen (Klimawandel, Energiewende, etc.) werden nicht aus den laufenden Haushaltsmitteln bestritten werden können. Insofern wird es wichtig sein, die Konsumausgaben nicht weiter zu steigern, bzw. nur so punktuell einzugreifen um den sozialen Frieden zu erhalten. Wenn wir also Transferleistungen anpassen, dann nicht mit der Gieskanne, sondern dort wo es tatsächlich wirkt. Steuersenkungen auf Pump wären im übrigen gleichzusetzen mit Geldverbrennen. Dann lieber Anreize für Investitionen setzen (z.B. durch großzügige Abschreibungsregeln), die die Gesamtziele unterstützen.

    • Stefan Pietsch 30. März 2022, 11:11

      Am Ende zählt nicht das Wachstumsplus eines Landes in einem Jahr, sondern die Entwicklung über Dekaden. Deutschland zeigte praktisch keine Wirkung auf den Rückgang der Wirtschaftsleistung im Jahr 2020. Die Arbeitslosigkeit nahm kaum zu, die Steuereinnahmen blieben ebenso konstant. Ganz anders in Italien und Spanien. Warum? Weil dort die Welt schon zwischen 2010 und 2019 anders aussah als in Deutschland.

      Die Südländer wurden in der zweiten Hälfte der Zehnerjahre erkennbar von der Weltkonjunktur gezogen. Das schafft Entspannung, ist aber nicht so wie es wäre, würden sie aus eigener Stärke zulegen.

    • Thorsten Haupts 30. März 2022, 14:41

      zu dem das europäische Spardiktat aufgehoben wurde.

      Das schlicht nicht existierte! Griechenland hätte – allerdings strikt auf eigene Rechnung – soviel Schulden machen können, wie es wollte. Genau das WOLLTE es nicht, weil es die dafür zu zahlenden Zinssätze für untragbar hielt. Also hat es sich -freiwillig! – unter den Schirm der EU begeben und dafür Auflagen in Kauf genommen.

      Das Spardiktat ist ein sehr erfolgreiches politisches Märchen, das allerdings nur Leute glauben, die sich nie mit den Fakten beschäftigt haben.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      • Tim 30. März 2022, 15:40

        Sehr schön dargestellt. Diese mutwillige Falschdarstellung hat mich schon immer geärgert.

        Aber so ist es oft. Denjenigen, die helfen wollen, verzeiht man ihre Gutwilligkeit nie.

      • Mikefromffm 31. März 2022, 01:15

        Das Spardiktat, das schlichtweg nicht existierte? Ist dir bekannt, dass Griechenland einen Primärüberschuss von 0,5 % des BIP im Jahr 2016, 1,75% im Jahr 2017 und 3,5% im Jahr 2018 und allen folgenden Jahren erzielen musste? Wie würdest Du das denn nennen?

        • Thorsten Haupts 31. März 2022, 09:25

          Habe ich weiter oben beschrieben. Hier die Widerholung:

          Griechenland hätte – allerdings strikt auf eigene Rechnung – soviel Schulden machen können, wie es wollte. Genau das WOLLTE es nicht, weil es die dafür zu zahlenden Zinssätze für untragbar hielt. Also hat es sich -freiwillig! – unter den Schirm der EU begeben und dafür Auflagen in Kauf genommen.

          Gruss,
          Thorsten Haupts

        • Kning4711 31. März 2022, 09:56

          [i] Das Spardiktat ist ein sehr erfolgreiches politisches Märchen, das allerdings nur Leute glauben, die sich nie mit den Fakten beschäftigt haben. [/i]

          Ein Märchen, so so, dann schauen wir doch mal genauer hin. Wenn man Erpressung als legitimes Mittel politischen Handelns akzeptiert dann haben sich die Griechen folgenden Maßnahmen gefügt und als Regierung (entgegen einem Volksentscheid) folgende Dinge umgesetzt:
          – strengere Budgetpläne
          – automatische Kürzungen
          – Mehrwertsteuern angehoben
          – Sozialbeiträge für Rentner gesteigert
          – Anreize zur Frühverrentung abgeschafft
          – Einkommensteuern erhöht
          – eine Behörde gegen Steuerhinterziehung geschaffen
          – eine „ziemlich umfassende“ Rentenreform (Geldgeber-Befund) beschlossen.
          – nochmal Mehrwertsteuern erhöht.

          Ergebnis dieser Maßnahmen: Haushaltsüberschuss von 4 %
          Auf der andere Seite standen Entwicklungen wie: Reduzierung der Wirtschaftsleistung, Verschleuderung von Staatsvermögen an Investoren, Beibehaltung hoher Arbeitslosigkeit, Wachstum von Kinderarmut. Pikant: Schon Bruchteile dieses Programms wären in Deutschland niemals Durchsetzungsfähig gewesen.

          Die Wende der griechischen Wirtschaft wurde erst erreicht, als Spardiktat zugunsten Investitionen zurückgefahren wurde.

          Sicherlich war es notwendig die griechische Wirtschaft zu reformieren – in blindem orthodoxem Eifer wurde aber eine prozyklische Fiskalpolitik zum Allheilmittel erhoben, die extrem viele Nebenwirkungen mit sich brachte. Man hätte den griechischen Patienten auch behandeln können, ohne ihm Massenarbeitslosigkeit und breiter Verarmung zumuten zu müssen.

          • Mikefromffm 31. März 2022, 11:32

            Danke! Man steht hier teilweise fassungslos vor Kommentaren, die nichts mit der Realität zu tun haben, sondern ausschließlich ideologisch motiviert sind. Ich weiß nur nicht, ob das aus Zynismus oder Naivität geschieht.

          • Stefan Pietsch 31. März 2022, 12:10

            … und die Staatsschulden steigen weiter und weiter. Man wird die Schulden nicht los, wenn man sie mal hat. Das ist mein Punkt.

            • Kning4711 31. März 2022, 22:13

              Solange die Euro Länder ihre Fiskalpolitik nicht vergemeinschaften wird das so bleiben.
              In Deutschland gibt es dafür weder politisch, noch in der Bevölkerung eine Mehrheit. Insofern ist die Diskussion müßi.

              • Stefan Pietsch 31. März 2022, 22:40

                Sie sind tatsächlich dafür, dass Deutschland französische Schulden übernimmt, über die kein deutscher Volksvertreter je entschieden hat?

                • Kning4711 3. April 2022, 07:58

                  Ja und nein.

                  Ja, da ich davon überzeugt bin, dass der gemeinsame europäische Währungsraum dauerhaft nur funktionieren kann, wenn die Wirtschafts- und Fiskalpolitik, ebenso einem europäischen Regime unterworfen würde. Er bleibt sonst allenfalls ein Schönwetterkonstrukt.

                  Nein aber auch, da wir über keine demokratischen Legitimierungs- und Kontrollinstrumente verfügen. Schuldenmachen und politische Verantwortung / Steuerung wären komplett abgekoppelt und das ist falsch.

                  Insofern sollten wir den Weg der europäischen Einigung konsequent weitergehen und die notwendigen wirtschafts- und fiskalpolitischen Mechanasimen in den Verfassungen der Euro-Mitgliedsländer und europäischen Institutionen verankern. Ich fürchte jedoch, dass es hierzu in Europa an der gesamteuropäischen Öffentlichkeit, sowie der Zustimmung breiter Schichten der Bevölkerung ermangelt.

                  • Stefan Pietsch 3. April 2022, 10:05

                    Das passt halt nur Null zusammen. Die Gemeinschaftswährung war kein Wunschprojekt der Bürger in Europa. Noch am ehesten in den wirtschaftlich schwachen Regionen, aber sonst nirgends. Es war ein Projekt der nationalen politischen Führungen. Nun sagen die gleichen Anhänger dieser politischen Führungen und der ungeliebten Projekte, man dürfe nicht auf halber Strecke stehenbleiben, sondern müsse eine gemeinsame Wirtschafts- und Fiskalpolitik entwickeln. Für die es nirgends den Ansatz einer Mehrheit gibt. In Frankreich kandidieren neben Macron nur Politiker mit Aussichten, die rein auf die nationale Schiene setzen. Der Präsident hat in guten Zeiten gerade eine Zustimmung von 30%.

                    So sehen nach dem Verständnis mancher Mehrheiten aus. Als wir vor zwei, drei Jahren hier diskutierten, weil auch das Grundgesetz zwingend eine Volksabstimmung zu einem solchen Akt der Abtretung nationaler Souveränitäten vorschreibt, stand Stefan auf dem Standpunkt, so genau müsse man das ja nicht nehmen (mit dem grundgesetzlichen Erfordernis und der Demokratie), es würde ja reichen, einen umfangreichen Katalog zur Abstimmung zu stellen, über die dann über den Umweg eines Verfassungskonvents abgestimmt würde. So, dass nichts schiefgeht.

                    So kann man Demokratie natürlich auch interpretieren. Ich hatte mal gedacht, Demokratie ist dafür da, Politik zumindest in den großen Leitlinien (nicht den Einzelfragen) entlang den Positionen in der Gesellschaft zu machen. Doch da scheine ich rückständig.

                    Wir haben in den Artikeln gelernt, dass hohe Schulden problematisch, wenn nicht schädlich sind. Viele EU-Partner sind den Weg trotzdem gegangen, teilweise noch zu Zeiten, wo sie geldpolitisch souverän waren. Welchen Sinn ergibt es und was für ein Verständnis von Verantwortung ist es zu fordern, die wenigen soliden Staaten müssten diese Schulden nun mittragen – und damit ihren Bevölkerungen zusätzliche wirtschaftspolitische Gefahren aufbürden? Das noch ohne Mehrheiten, einfach so? Außerhalb Deutschlands gibt es im Norden dazu nicht einmal nennenswerte Debatten, das sind de facto No-Gos.

                    Es muss andere Wege geben. Und es gibt andere Wege.

                    • Kning4711 3. April 2022, 10:19

                      Ich stimme zu, was das Demokratiedefizit zur Einführung des Euros angeht. Da hat es sich die deutsche Regierung zu einfach gemacht, bzw. man hielt es nicht geboten das Thema auf die oberste Agenda zu setzen. Aber Europapolitik spielte in den Wahlkämpfen der Bonner Republik ohnehin nie eine große Rolle. Sicherlich hat die deutsche Zustimmung zum Projekt Währungsgemeinschaft geholfen den Weg zur Wiedervereinigung zu beschleunigen. Eine Conditio sine qua non, war es aber wohl nicht.

                    • Stefan Pietsch 3. April 2022, 12:04

                      Es geht nicht um die deutsche Regierung. Es geht um die große Mehrheit der Europäer. Auch die Franzosen fanden den Euro nicht so pralle. Die Briten schon gar nicht, auch nicht die Dänen. Andere Länder wurden durch juristische Tricks reingebracht. Die spanische und die italienische Regierung hatten Sorge, durch eine Gemeinschaftswährung mit ihren Lira und Peseta an die Wand gedrückt zu werden, weswegen sie mitmachen mussten. Und nachdem wir ein demokratisch nicht legitimiertes Projekt durchgezogen haben, kommen die Verfechter der großen Vergemeinschaftung und plädieren dafür, den Weg der undemokratischen Integration fortzusetzen.

                      Die heutigen Schwierigkeiten des Euro rühren nicht daher, dass die Steuer- und Wirtschaftspolitik nicht vereinheitlicht ist. Wir werden noch sehen, dass sich die Ausgabenstrukturen nicht dramatisch unterscheiden. Klar ist auch, dass die Steuerniveaus in den wesentlichen Ländern Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien nicht wesentlich auseinanderfallen. Fakt ist auch, dass die zentralen Länder des Euro in der Tendenz einer antizyklischen Wirtschaftspolitik folgen und diese expansiv anlegen.

                      In Italien und Frankreich sind die Bevölkerungen wohlhabender als in Deutschland. Diese wollen aber nicht für die Schulden ihres Staates durch Vermögensabgaben aufkommen. Wenn die Schulden aber, wie gesehen, nur noch schwer tragbar sind, dann werden also andere diese übernehmen müssen. Das ist ja auch die Idee von Macron und Draghi. Alle Nordländer sagen dazu: NEIN! Nur in Deutschland haben wir eine gewisse Bereitschaft zu masochistischen Zügen.

                    • Stefan Sasse 3. April 2022, 12:50

                      Der Euro war der Wunsch der französischen Regierung. Die Deutschen wollten das nicht. Es war ein Preis der Einheit.

                    • Stefan Pietsch 3. April 2022, 13:12

                      Was hat das mit Demokratie zu tun (außer, dass die französische Regierung natürlich gewählt war, aber nicht dafür, das nationale Heiligtum, den Franc, abzuschaffen)?

                    • Stefan Sasse 3. April 2022, 13:24

                      Wieso Demokratie? Mir ging es nur darum, dass der Euro keine deutsche Idee war, sondern eine französische. Der ganze Kram kommt aus dem 2+4- und Maastricht-Prozess, die sind als außenpolitische Verträge bestenfalls mittelbar demokratisch.

                    • Kning4711 3. April 2022, 11:06

                      Bei ihrem Fazit kommen wir noch nicht zusammen:
                      Die Staatsverschulungen stiegen erst nach der globalen Finanzkrise signifikant und sind nicht deren Ursache. Zudem zeigt die Entwicklung, dass Gesundung der Volkswirtschaften erst einsetzte, nachdem die strikten Sparvorgaben gelockert und durch Investitionen das Wirtschaftswachstum beflügelt wurde.

                      Sicherlich kann man diesen Kurs nicht auf Dauer fahren. Insofern ist finanzpolitische Vernunft erforderlich. Es ist wie im wahren Leben: Mache ich Schulden, die ich langfristig bedienen für Investitionen (z.b. Energiewende, Klimaschutz, Bildung) , mit guten Renditen, dann ist das Schuldenmachen ok – mache ich Schulden und gebe das Geld aus, für Dinge die nur kurzfristige bzw. keine Rendite bringen (Steuergeschenke, Konsumausgaben) dann werde ich mich ruinieren.

                    • Stefan Pietsch 3. April 2022, 12:14

                      Wo sehen Sie das? Die relativen Staatsschulden sind deutlich gestiegen, für die absoluten Zahlen gilt das nicht. Meistens folgten die Schulden einem sehr langjährigen Wachstumstrend. Lassen Sie sich nicht von den relativen Zahlen blenden. Denn der Fehler, den viele machen, ist: sie beziehen relative Zahlen (Entwicklung in % des BIP) auf die prozentuale Entwicklung gegenüber der Vorjahresprozentzahl. Relativ auf Relativ führt meist zu Murks.

                      Wir haben ein Jahrzehnt hinter uns, in dem die hochverschuldeten Länder durchaus ernsthaft – soweit das unter demokratischen Bedingungen möglich ist – versucht, ihre Kreditaufnahme unter Kontrolle zu bringen. Es ist in Summe nicht gelungen.

                      Mache ich Schulden, die ich langfristig bedienen für Investitionen (z.b. Energiewende, Klimaschutz, Bildung) , mit guten Renditen, dann ist das Schuldenmachen ok – mache ich Schulden und gebe das Geld aus, für Dinge die nur kurzfristige bzw. keine Rendite bringen (Steuergeschenke, Konsumausgaben) dann werde ich mich ruinieren.

                      Die Erfahrung lehrt: Das funktioniert nicht. Weder gibt es in Politik und Bevölkerung die Bereitschaft, sich hier ehrlich zu machen, noch das Instrumentarium. Das ist alles schön idealisiert, hat mit den realen Gegebenheiten aber nichts zu tun. Schaun‘ Sie: Hier flippt man schon aus, wenn die Nordeuropäer den Franzosen, Spaniern, Italienern sagen, sie müssten ihre Alterssicherungssystem disziplinieren, vor allem in dem sie ihr Renteneintrittsalter auf das nordeuropäische Niveau anpassen. Disclaimer: Die Ausgaben für die Altersvorsorge ist der größte Einzelposten in all diesen Ländern.

                      Noch etwas: Neben Spanien und Portugal begab sich auch Irland unter den europäischen Schutzschirm. Italien und Frankreich jedoch nicht, sie behielten ihre volle Ausgabensouveränität. Irland schwenkte sehr schnell wieder auf den Wachstumspfad ein, obwohl sie von der globalen Finanzkrise wesentlich härter getroffen worden waren. Selbst die nicht unter dem Schutzschirm geflüchteten Länder Italien und Frankreich machten bis zum Ausbruch der Coronapandemie noch ein Jahrzehnt nach der Finanzkrise diese für ihre Wirtschaftslage verantwortlich.

                    • Stefan Pietsch 3. April 2022, 13:34

                      Die Gemeinschaftswährung steht nicht in den 2+4-Verträgen. Das war ein Gentlemen’s Agreement zwischen Kohl und Mitterand. Solche sind auf rechtstaatlicher Ebene ohnehin bedenklich.

                      Das ist aber nicht der Punkt. Entscheidungen, die die verfassungsrechtliche Substanz einer Nation berühren, überfordern die Kompetenz der Volksvertreter, mithin der Parlamente. Selbst Deutschland, das nun wirklich nicht viel von Volksentscheiden hält, hat dies im Grundgesetz festgehalten. Und so ein entscheidendes Element liegt schon vor, wenn das Parlament Steuerhoheiten auf eine andere Ebene übertragen will. Nur weil man Sorge hat, die eigene politische Ansicht nicht durchzubekommen, darf einen das von solchen grundsätzlichen Erwägungen nicht abhalten.

                    • Stefan Sasse 3. April 2022, 17:55

                      Noch einmal: mir ging es darum, warum dieses Gentleman’s Agreement überhaupt geschlossen wurde. Die Zustimmung Deutschlands zur Gemeinschaftswährung war dazu da, die französischen Bedenken gegen die Einheit aufzuheben. Da Maastricht ja gleichzeitig verhandelt wurde, war es nicht nötig, das in die 2+4-Verträge zu schreiben; anders als Putin halten sich Deutschland und Frankreich auch an solche Absprachen. Und der Euro ist offensichtlich verfassungskonform…

                    • Stefan Pietsch 3. April 2022, 18:38

                      Was hat das mit Demokratie, mit dem Abschluss internationaler Abkommen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen zu tun? Nichts.

                      Kohl und Mitterand hatten über viele Jahre ein Vertrauensverhältnis. Großbritannien und Frankreich hatten bei den 2+4-Gesprächen kein Vetorecht. Es ist Unsinn anzunehmen, dass das Versprechen der Gemeinschaftswährung Voraussetzung für die Deutsche Einheit gewesen sei. Wie ist denn in dem Spiel Magaret Thatcher abgefunden werden, die eine weit stärkere Gegnerin der Deutschen Einheit war und definitiv vehemente Gegnerin einer Währung für die EU?

                      Die Verhandlungen zu den Maastricht-Verträgen begannen 1 1/2 Jahre nach Abschluss der 2+4-Verhandlungen. Da lag keine zeitliche Überschneidung.

                      Kohl war ein Freund solcher Absprachen. Andere Bundeskanzler nicht. Vor allem aber glaubte Kohl an die Notwendigkeit der europäischen Integration und hatte dafür immer wieder deutsches Steuergeld eingesetzt. Das wusste jeder. Kohl hat Deutschland mit seinem Bimbes immer rausgekauft: Als die Briten die EWG verlassen wollten, übernahm Deutschland den Britenrabatt. Alle möglichen russischen Bedenken und Einwände kaufte er weg. Als dann der Irakkrieg begann, wollte er nicht die Konsequenz aus Deutschlands neue Rolle ziehen und kaufte uns raus. Zahlen, Zahlen, Zahlen, das war Kohls Politik und jeder wusste es.

                      Aber es bleibt: die Gemeinschaftswährung war keine völkerrechtliche Notwendigkeit. Und Deutschland und Frankreich hätten das ja nicht alleine machen können. Nun sind wir im Jahr 2022, wir kennen uns in der Eurozone ziemlich gut, wir konnten das gegenseitige Verhalten lange studieren. Gerade die Italiener haben, wie eine neue Studie zeigt, ein sehr funktionales Verhältnis zu Europa. Fließt Geld aus Brüssel, steigt die Zustimmung, verhalten sich die Partner zurückhaltend, sinkt sie bis auf Tiefststände. Ähnlich ist es in Spanien. Da geht es nicht um die europäische Idee. Da geht es darum, inwieweit man vor notwendigen Anpassungen bewahrt wird.

                      Ich kenne alle diese Länder. Und ich weiß einiges von der Mentalität. Und ich mag Italiener und Griechen und Spanier weit mehr als Leute in Deutschland, die diese Erfahrung nicht haben. Als Griechenland 2015 vor dem Bankrott und dem Ausscheiden stand, blutete mir das Herz und ich hoffte inständig, Athen möge bitte den Auflagen zustimmen. Noch im selben Monat waren wir zum Urlaub auf Kos. Inzwischen war ich wieder mehrere Male da, das eine Bild von der Akropolis stammt aus dem Jahr 2019. Ich habe mit Griechen gesprochen und mir angehört, wie hart die Auflagen waren und dass sie immer noch darunter litten. Ökonomisches Wissen und Mitgefühl passen oft nicht zusammen. Übrigens auch in meinem Job nicht.

                    • Stefan Sasse 4. April 2022, 08:48

                      Ich verstehe nicht, gegen was du hier anrgumentierst. Natürlich haben völkerrechtliche Verträge nichts mit Demokratie zu tun. Natürlich war die Gemeinschaftswährung keine Notwendigkeit.

                      Die Verhandlungen, die am Ende zu Maastricht führten, begannen bereits in den 1980er Jahren. Der Hintergrund mit der Verflechtung mit der deutschen Einheit war die große Befürchtung der USA, UK und Frankreich, dass Deutschland damit in eine neutrale Position geraten würde, ähnlich der Idee der Stalinnote oder der Weimarer Republik. Das war ja auch die Politik des Kreml. Gorbatschow beseitigte das erste Hindernis, das den USA am wichtigsten war: NATO-Vollmitgliedschaft des vereinten Deutschlands. UK und FR wollten beide ein deutsches commitment zu weiterer europäischer Integration. Die Einhegung Deutschlands in Europa war beiden ein Anliegen. Dass sich UK und FR nicht einig darüber waren, wie das später aussehen sollte, steht dem ja nicht entgegen.

                    • Stefan Pietsch 4. April 2022, 10:49

                      Völkerrechtliche Verträge haben einen Grundhalt in den Bevölkerungen, egal ob darüber demokratisch abgestimmt wird oder nicht. Finnland und Schweden waren bisher nicht in der NATO. Nicht, weil die politische Führungen es nicht wollten, sondern weil die Gesellschaften so tickten. Die Briten sind trotz eines Tony Blair und Gordon Brown nie Mitglied der Eurozone geworden, weil es dafür keine Mehrheiten in der britischen Gesellschaft gab. Dabei, das habe ich mehrfach betont, steht nicht in Abrede, dass Kohl schon sehr lange dem Projekt Gemeinschaftswährung anhing.

                      Der Euro wurde durchgesetzt, obwohl es in den europäischen Mitgliedsländern durchaus große Vorbehalte bis klare Ablehnungen gab. Darin liegt ein wesentlicher Grund, warum der Euro hier und da bisher nicht wirklich akzeptiert ist. Die Südländer haben bis heute nicht ihren Frieden damit gemacht, dass sie ihre geldpolitischen Traditionen ändern müssten. Heute brauchen sie das auch nicht mehr, denn sie haben in den Gremien eine große Mehrheit. Wenig verwunderlich wird der Euro dem früheren Franc ähnlicher als der DM.

                      Auslöser der Debatte war die Vorstellung, dass zu einer gemeinsamen Währung auch eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik gehöre. Doch die ist mit dem Plazet der Bevölkerungen nicht machbar. Und da selbst die deutsche Verfassung wie viele andere auch in einem solchen Fall Volksbefragungen vorsieht, ist das eine nicht gangbare Entwicklung. Es sei denn, man setzt sich wiederholt gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerungen hinweg. Dann kann man das Weitere erahnen: da die Südländer die Mehrheit haben, würde sich die Finanz- und Wirtschaftspolitik stark an den hoch verschuldeten Ländern ausrichten. Es ist dann ein kritischer Punkt, wie weit das die Skandinavier, die Niederländer, die Balten und die Österreicher das noch mitmachen.

                      Die Befürchtungen Großbritanniens und Frankreichs waren sehr schnell ausgeräumt. Kohl besaß hier großes Vertrauenskapital, das muss man dem Kanzler der Deutschen Einheit tatsächlich anrechnen. Die Debatten waren damals sehr überschaubar. Und dass Thatcher Bedenken hatte, Deutschland könne abdriften, ist mir nicht in Erinnerung. Bush hatte zu keinem Zeitpunkt Bedenken gegen die Wiedervereinigung.

                    • Stefan Pietsch 3. April 2022, 18:56

                      Und noch was: Wenn Kohl die bindende Zusage gemacht hätte ohne dass dies in den 2+4-Verträgen kodifiziert worden wäre, wäre das genauso dumm wie die Behauptung Russlands, eine NATO-Osterweiterung wäre ausgeschlossen worden.

                      Bei Abschluss der Verhandlungen stand Kohl vor einer Bundestagswahl. Er konnte gar nicht eine solch weitreichende Vereinbarung auf Ehrenwortbasis schließen. Das war mit Sicherheit Mitterand auch klar.

                      Es war anders: Kohl sicherte seinem französischen Partner zu, in seiner nächsten Amtszeit das Projekt einer Gemeinschaftswährung anzugehen. Für Kohl war es ein Herzensanliegen, für Mitterand eine strategische Notwendigkeit, soweit richtig. Aber zwingend war da nichts. Beide Politiker wollten es aus politischen, nicht aus völkerrechtlichen Gründen.

                    • Stefan Sasse 4. April 2022, 08:49

                      Ich behaupte ja auch nicht, dass das zwingend war? Ich sage nur, was du ja auch bestätigst, dass es solche Diskussionen und Absprachen gab. Und das das in diesem Kontext beschlossen wurde. Erneut, ich verstehe einfach nicht, wogegen du zu argumentieren glaubst.

                    • Stefan Pietsch 4. April 2022, 10:33

                      Ich würde nicht einmal so weit gehen, dass es Absprachen gab, zumindest nicht im engeren, bindenden Sinne. Aber beide trafen sich mit ihren Interessen: Kohl mit seinen Integrationsidealen, Mitterand mit seinen Machtstrategischen. Aber es bedurfte ja immer noch Kollegen, die mitmachten.

                    • Stefan Sasse 4. April 2022, 18:34

                      Mir geht es vor allem darum, dass der Euro der wunsch der Franzosen, nicht der Deutschen war. In den Detailverhandlungen kenne ich mich nicht genug aus.

                    • Stefan Pietsch 4. April 2022, 21:20

                      Das setzt Mitterands strategische Interessen mit der Mehrheitsmeinung gleich. Tatsächlich wollte eine Mehrheit der Franzosen den Franc behalten.

                    • Stefan Sasse 4. April 2022, 22:01

                      ICH SETZE NICHT MIT DER MEHRHEITSMEINUNG GLEICH! Himmelherrgott, ich hab jetzt MEHRFACH geschrieben dass ich nicht von demokratischen Mehrheiten rede! Sondern von den jeweiligen Regierungschefs bzw. deren ermächtigen Verhandlern. Exekutivhandeln!

              • Thorsten Haupts 1. April 2022, 09:56

                In Deutschland gibt es dafür weder politisch, noch in der Bevölkerung eine Mehrheit.

                Politisch gibt es diese Mehrheit jetzt und wir werden diese Vergemeinschaftung jetzt natürlich sehen – unter irgendeinem Vernebelungsvorwand (Klima, Krieg, wasauchimmer). Mehrheiten der Bevölkerung muss die Politik in Deutschland nicht fürchten, wenn die Themen keine starke Bedeutung haben – sie kann sich im Regelfall fest darauf verlassen, dass bei liberalen Lieblingsthemen (Europa gehört dazu) die grosse Mehrheit der Medien (nach Zuschauer/Leserzahlen) die notwendige Propaganda freiwillig leistet.

                Gruss,
                Thorsten Haupts

          • Erwin Gabriel 31. März 2022, 12:43

            Kning4711 31. März 2022, 09:56

            Wenn man Erpressung als legitimes Mittel politischen Handelns akzeptiert dann haben sich die Griechen folgenden Maßnahmen gefügt und als Regierung (entgegen einem Volksentscheid) folgende Dinge umgesetzt: …

            Alles richtig.

            Doch ‚Diktat‘ bedeutet ‚Zwang‘. Griechenland hatte die Wahl, entweder aus dem Euro herauszugehen, oder einen Maßnahmenkatalog zu akzeptieren. Die griechische Regierung hat sich auf freiwilliger Basis für den Maßnahmenkatalog entschieden.

            So wie für viele Grundvoraussetzung einer Heirat die Treue des Partners ist. Man wird zur Heirat nicht gezwungen, aber wenn man die Ehe möchte, sollte man die mit der Ehe einhergehenden Bedingungen akzeptieren.

          • Thorsten Haupts 31. März 2022, 14:41

            Geht – wie erwartet – an dem, was ich geschrieben habe, völlig vorbei. Noch einmal der entscheidende Satz:

            Griechenland hätte – allerdings strikt auf eigene Rechnung – soviel Schulden machen können, wie es wollte. Genau das WOLLTE es nicht …

            Und jetzt wollt Ihr mir erzählen, dass Griechenland sich einem Diktat unterwerfen musste, obwohl es freiwillig dieses Diktat der existierenden Alternative – eigene Schulden zu eigenen Zinsen – VORGEZOGEN hat? Aha.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • einfachnurRoland 1. April 2022, 14:03

              Wie wäre es denn mal, wenn du den Punkt ausführst, anstatt ihn nur zu wiederholen?

              So wie ich die Sache in Erinnerung hatte, gab es für die Griechen folgende Optionen:
              1. Dem Spardiktat der Troika folgen, bei dem eine bereits genannte These von Rogoff jede Radikalität rechtfertigte – auch nachdem der Excel-Fehler publik wurde und Rogoff seinen Artikel zurück gezogen hatte.
              2. Aus dem Euro austreten, mit unabsehbaren politischen und ökonomischen Folgen. Wie viele Präzedenzfälle gibt es denn dafür? Und wie viele Fürsprecher gab es damals dafür? Mir fallen nur Schäuble und Sinn ein.
              3. Sich selbst total freiwillig umschulden zu Zinssätzen die wie zu bezahlen waren???????

              Also, nocheinmal total ernst und ehrlich meine Frage: Was übersehe ich da?

              • Erwin Gabriel 1. April 2022, 14:45

                @ einfachnurRoland 1. April 2022, 14:03

                Also, noch einmal total ernst und ehrlich meine Frage: Was übersehe ich da?

                Nichts.
                Die griechischen Regierungen haben sich sehenden Auges in ein e Situation gebracht, in der es nur drei üble Auswege gab. Sie haben sich für den Ausweg entschieden, der aus ihrer Sicht das kleinere Übel war.

                Die (nur aus griechischer Sicht gute) Lösung, dass Dritte für die Schulden Griechenlands aufkommen und Griechenland ungeschoren aus der Nummer rauskommt, gab es offenbar nicht.

              • Thorsten Haupts 2. April 2022, 01:26

                Was übersehe ich da?

                Die drei von Ihnen selbst genannten Optionen? Griechenland hat sich für die entschieden, die seiner Regierung am wenigsten schädlich erschien.

                Die Situation, dass Griechenland – Ihnen folgend – nur noch drei unangenehme Optionen hatte, die hat es vollständig selbst und ausschliesslich alleine zu verantworten.Aber drei Optionen zu haben und sich für eine zu entscheiden schliesst ein „Diktat“ automatisch aus.

                Es sei denn, es hätte eine Verpflichtung gegeben, Griechenland für das Land kostenfrei zu helfen. Falls jemand dieser Auffassung ist – wo finde ich diese Verpflichtung in entsprechenden Verträgen?

                Gruss,
                Thorsten Haupts

                • einfachnurRoland 2. April 2022, 15:42

                  Ich war damals ganz froh, das Griechenland nicht wirklich über den Nonsens eines Euro-Austritts nachgedacht hat. Ich hatte damals eher Befürchtungen, das auf den Weltfinanzmärkten dann eine Spekulationswelle wie seinerzeit beim britischen Pfund den Euro komplett zerlegt. Aber ich denke auch, dass ein frreiwilliger EU-Austritt politisch und technisch leichter ist, als ein pseudo-freiwilliger Euro-Austritt. Mit der Brexit-Erfahrung fühle ich mich durchaus bestätigt.
                  Der dritte Punkt, die Umschuldung nach neuen Zinssätzen, wären schlicht der Staatsbankrott gewesen. Das war ein Punkt, den Deutschland et. al. auf keinen Fall wollten. Dann hätten wir ja unsere Banken schon wieder selbst retten müssen.
                  Somit ist die Freiwilligkeit also beschränkt auf 1 Möglichkeit mit 2 Scheinalternativen, wofür ich Erpressung als passen Begriff halte.
                  Man muss ja auch mal daran erinnern, dass die Vorgeschichte auch zwei Seiten hat. Ohne Gläubiger keine Schuldner. Das Dilemma der gr. Krisen-Regierung beruhte auf den Exzessen der Vorgängerregierung und ihren zahlreichen internationalen Geschäftspartnern.
                  Wo bleibt der Ruf nach Eigenverantwortung, wenn es einen mal selbst betrifft?
                  Wer andere Länder in eine Gemeinschaft mitnimmt, sitzt nun mal mit ihnen in einem Boot. Das war auch total freiwillig unsere Entscheidung.

                  • Thorsten Haupts 2. April 2022, 16:02

                    Sorry, aber Sie präsentieren hier ausschliesslich Scheinargumente. Die „Gemeinschaft“, der Griechenland beitrat, hatte nun einmal Schuldengemeinschaft explizit ausgeschlossen (!), der Beitritt erfolgte ohnehin nur aufgrund eines nachgewiesenen Betruges und Griechenland hatte sich ausschliesslich selbstverschuldet in eine unschöne Position manövriert. Ob Deutschland ein Staatsbankrott Recht gewesen wäre, hätte man ja ausprobieren können (erneut eine griechische Entscheidung) – Krieg hätte Deutschland deshalb sicher nicht geführt.

                    Nix Erpressung und nix Diktat, danke für den erneuten Nachweis.

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

                    • Kning4711 3. April 2022, 10:08

                      Selbstverschuldet?

                      Die Einschätzung kann ich nicht teilen.

                      Ja, Griechenland hat sich den Zugang zur Euro Zone erschwindelt, indem es betreffend der Defizitquote falsche Werte gemeldet hat. Letzen Endes hat die EU Kommission 2004 aber das ganze durchgewunken.
                      Böse Zungen behaupten, dass niemand ernsthaftes Interesse hatte zu genau hinzusehen, da es wohl auch andere Euroländer gab, die in Sachen Staatsdefizit grob gerundet haben *hust* Österreich *hust*

                      Bis 2009 galt Griechenland als Vorzeigekandidat. Super Wirtschaftswachstum, A-Rating in Sachen Kreditwürdigkeit. Dann kam es zur Kernschmelze der internationalen Finanzmärkte und damit einhergehend einem völligen Versagen der Marktmechanismen.

                      Einem uralten Erziehungsduktus folgend „Strafe muss sein“ setze Deutschland eine die Krise völlig verschlimmernde Politik durch. Statt die Krise erstmal zu begrenzen und die politischen Konsequenzen anzugehen, nachdem sich die Lage an den Märkten beruhigt hat, setze man eine prozyklische Strafpolitik durch, die letzten Endes fast alle südlichen Länder der EU erfasste.

                      Es war deutlich einfacher politisch die Mär vom verschwenderischen Südländer zu verkaufen, statt einzugestehen, dass die Exportweltmeister ausgerichtete Handelspolitik Deutschlands, ein wesentlicher Treiber der Vor-Krisen-Jahre war.

                      Hat Griechenland Fehler gemacht? Unbedingt. Aber erst das beharren Deutschlands auf Schuld und Sühne hat es zur Katastrophe werden lassen.

                    • Stefan Sasse 3. April 2022, 12:49

                      Ich sehe das ähnlich. Ich will mit Sicherheit nicht die griechische Politik verteidigen, die war offensichtlich nicht so der Knaller. Aber die deutsche Reaktion darauf war verheerend.

                    • Stefan Pietsch 3. April 2022, 13:17

                      Wieso deutsche Reaktion??? Die sogenannte Troika, das ist offensichtlich in Vergessenheit geraten, wurde vom Internationalen Währungsfonds IWF angeführt. Gerade die Deutschen wollten sie – wenn schon Vertragsbruch, dann überwacht – umbedingt drinhaben, die Griechen, wissend um den Ruf, nicht. Die Iren haben gut zusammengearbeitet, die Griechen nicht. Nicht die deutsche Politik war in Athen vor Ort! Es waren Fachleute des IWF, die Erfahrung besitzen, Fachleute der EZB und ein paar Ökonomen der EU. Es ist nicht so, dass die Bundesregierung konträr zu den Fachleuten stand – für all jene, die in der Coronapandemie auf die Experten schwörten. Die Bundesregierung hat darauf bestanden, dass die Vorschläge der Troika umgesetzt wurden.

                      Eigentlich doch eine Selbstverständlichkeit. Warum nicht?

                    • Stefan Pietsch 3. April 2022, 14:33

                      Also, um mal einigen Ihrer Legenden entgegenzuwirken:

                      2009 hatte Griechenland meistenteils ein Triple-B-Rating mit negativem Ausblick. Das ist alles andere als ein gutes Rating für eine Staatsanleihe. Heute steht Hellas auch nicht viel schlechter da.

                      Griechenlands Nominalwachstum lag nach dem Beitritt zum Euro bis 2008 unter der Summe der vom Staat aufgenommenen Kredite und Zuschüsse der EU. Das ist eine vornehme Beschreibung für Verschwendung. Stellen Sie sich vor, Sie nehmen einen Kredit über 50.000 Euro auf und anschließend protzen Sie in der Familie und im Freundeskreis, Sie hätten ein Bombeneinkommen. Sie müssen aufpassen, dass man Sie da nicht in die Klapse einweist.

                      Nach Ihrer Argumentation waren die Subprimemarkt-Anleihen ein tolles Produkt, das nur von den bösen Börsenhändlern kaputtgemacht wurde. Werde ich mir merken: die Finanzkrise, einfach ein dummer Unfall, Verkettung unglücklicher Umstände.

                    • Thorsten Haupts 3. April 2022, 14:07

                      Die Einschätzung kann ich nicht teilen

                      Okay. Das ist aber die Grundlage meiner Argumente. Sie teilen sie nicht – Ihr gutes Recht – und damit wird eine weitere Diskussion schlicht unfruchtbar.

                      We agree to disagree.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

      • einfachnurRoland 31. März 2022, 09:50

        Interessante These, habe ich irgendwie anders in Erinnerung. Aber welche Fakten übersehe ich da?

    • Erwin Gabriel 31. März 2022, 16:09

      @ Kning4711 30. März 2022, 11:00

      In Griechenland wächst die Wirtschaft seit 2016 deutlich, wars interessanterweise eben mit jenem Zeitpunkt zusammentrifft, zu dem das europäische Spardiktat aufgehoben abgeschlossen wurde.

      oder so ?

      • Kning4711 3. April 2022, 08:02

        Passt 🙂

  • cimourdain 30. März 2022, 11:53

    Mir missfällt bei Ihrer ersten Grafik (Schuldenquote – BIP-Wachstum ) der zeitliche Bezugsrahmen:
    Schuldenquote : 2019
    BIP-Wachstum : 2011 – 2019
    So präsentiert, legt dieser Bezugsrahmen nur den Schluss zu, dass niedriges Wachstum zu hohen Schulden führt (post hoc ergo propter hoc).

    • Stefan Pietsch 30. März 2022, 12:09

      Gegenvorschlag (bitte ohne erst in Statistiken zu schauen)?

      Okay, ich verstehe den Punkt. Nun, Schuldenstand ist etwas Permanentes, Wirtschaftswachstum ist Dynamik. Die Grafik gibt daher einen Fingerzeig, ob hohe Schulden ein Bremsklotz sein können, ungeachtet der Tatsache, dass sie selbst weiter anwachsen können.

      • Mikefromffm 31. März 2022, 02:01

        Schuldenstand ist etwas permanentes? Also etwas von Gott gegebenes? (Sie merken schon, dass mich diese Formulierung nicht so richtig überzeugt) „Die Grafik gibt daher einen Fingerzeig, ob hohe Schulden ein Bremsklotz sein können“? Nein, Die Grafik visualisiert die Schuldenquote und das Wachstum des BIPs. Den „Fingerzeig“ behaupten sie einfach, auch wenn die Grafik das überhaupt nicht hergibt.

        • Stefan Pietsch 31. März 2022, 08:32

          Einmal aufgebaut, werden Staaten die Schulden nicht mehr los. Oder haben Sie in den letzten 50 Jahren – das ist der Zeitraum, den ein Menschenleben überblicken kann – etwas anderes in den USA, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien etc. gesehen?

          Bisher lese ich von Ihnen nur Pöbeleien, aber keine Auseinanderetzung mit den Zahlen. Fakt ist: In allen Südländern (bis auf Malta) ist das BIP langsamer gewachsen als im Norden, und zwar über eine ganze Dekade. Selbst Frankreich, 2010 noch zu den wohlhabenderen Nationen zählend, hat an Boden deutlich verloren. Alles Zufall, Pech gehabt, Ausbeutung durch die exportgierigen Länder im Norden, vor allem Deutschland. Der Fakt ist unbestreitbar und dafür bedarf es Erklärungen.

          • Tim 31. März 2022, 10:32

            @ Stefan Pietsch

            Einmal aufgebaut, werden Staaten die Schulden nicht mehr los.

            Eines der sehr wenigen Gegenbeispiele ist übrigens Belgien, das von Mitte der 90er- bis Mitte der 2000er-Jahre seine Schuldenquote deutlich reduzierte. Der Grund waren einfach sehr schwache Regierungen, die keine neuen Schulden aufnehmen konnte. Schon das hilft. In dieser Zeit war Belgien z.B. auch wirtschaftlich erfolgreicher als Deutschland.

            Es wird generell viel zu viel regiert in der westlichen Welt.

  • Sebastian 30. März 2022, 13:13

    Meta-Analyse hier:
    https://wiiw.ac.at/do-higher-public-debt-levels-reduce-economic-growth-dlp-5976.pdf

    „… However, this relationship is unlikely to represent a causal effect of public debt on real GDP growth: the literature reports fewer zero and positive growth effects of public debt levels on growth than it should based on econometric theory, i.e. there is evidence for publication selectivity in favour of negative growth effects of public debt levels. Once we correct for this bias, we cannot reject a zero average effect. Furthermore, the meta-regression results show that tackling endogeneity between public debt and growth matters, as it leads to estimates that lean less towards the negative side. …
    A cautious reading of the meta-analytical evidence suggests that the econometric literature has so far not provided robust evidence for universal threshold effects across countries when it comes to the impact of the public-debt-to-GDP ratio on growth.

    Our findings refer to the average effect of public debt on growth. Given the variance, there may be country cases with positive or negative growth effects of higher public debt levels. Similarly, our finding that there is a lack of robust evidence concerning a consistently negative effect of high public-debt-to-GDP ratios does not imply that countries are able to sustain any level of public debt. Governments may still be confronted with country-specific unsustainable debt levels, in particular if interest payments
    increase strongly (e.g. Eichengreen et al. 2019). However, the meta-regression evidence suggests that – given the further increase in public-debt-to-GDP ratios against the background of the Covid-19 crisis in most countries – there is no evidence for a general urgency to bring down public debt levels to avoid a drag on growth. A cautious reading of the existing evidence calls for caution when it comes to “one-size-fits-all” fiscal policy prescriptions in response to high public-debt-to-GDP ratios such as the simultaneous drive towards fiscal consolidation in Europe from 2010 onwards (e.g. Blyth 2013; Blanchard and Leigh 2013; Konzelmann 2014; Fatas and Summers 2018).“

    • Mikefromffm 30. März 2022, 16:53

      Danke, das kommt ja noch hinzu: Dieses Thema wurde ja bereits von weit kompetentesten Menschen ausreichend untersucht.

    • Lemmy Caution 31. März 2022, 11:36

      Nimms nicht persönlich Stefan,
      aber die in dieser Studie eingesetzte statistische Methodik verhält sich zu der von Stefan eingesetzten wie eine Bayraktar TB2 Drohne zu einem Papierflieger. Les mal S. 20ff von Sebastians Link. Das sind diese Regressions-Analysen. Hatte über die Jahre sogar viel der fachlichen Begrifflichkeit vergessen.

      Ich persönlich halte auch diese sophisticated Studie für weitgehend Kaffeesatzleserei, weil ich die Isolierung von Faktoren für im Grunde nicht möglich halte. Die auf Volkswirtschaften wirkende Kräfte sind komplexer, als die meisten Menschen sich vorstellen können.
      Weitgehend Kaffeesatzleserei heißt nicht sinnlos. Modelle sind nötig, aber man MUSS sie mit einem skeptischen mindset lesen.

      • Marc Schanz 31. März 2022, 13:22

        Ich persönlich halte auch diese sophisticated Studie für weitgehend Kaffeesatzleserei, weil ich die Isolierung von Faktoren für im Grunde nicht möglich halte.

        Das muss man auch nicht. Es reicht völlig aus, wenn die aufgeklärte Varianz hinreichend groß ist. Dass es einen unaufgeklärten Anteil gibt, heißt ja nicht, dass es die gefundenen Effekte nicht gibt.

        Das generelle Problem der multivariaten Statistik sind Kipppunkte, welche die Qualität der Beziehungen verändern. Dadurch versagen sie stets im Grenzbereichen, wie Krisen o.ä.

        • Lemmy Caution 31. März 2022, 20:55

          Man kennt aber den Umfang des von dir so bezeichneten unaufgeklärten Anteil nie.
          Man weiß auch nicht, ob A von B abhängt oder B von A.
          Gibt es eine positive Korrelation von Wirtschaftswachstum zu Neu-Verschuldung, dann entsteht ein Henne Ei Problem.
          a) aus hohem Wirtschaftswachstum folgt niedrige Neuverschuldung
          oder
          b) aus einer über einen längeren Zeitraum geringen Neuverschuldung folgt höheres Wirtschaftswachstum.

          • Marc 1. April 2022, 11:27

            Man kennt aber den Umfang des von dir so bezeichneten unaufgeklärten Anteil nie.

            Bei multivariaten Statistiken kann der aufgeklärte Varianzanteil bestimmt werden und somit auch der unaufgeklärte:

            https://de.wikipedia.org/wiki/Bestimmtheitsma%C3%9F

            Natürlich ist das nicht die „echte“ Varianz, sondern immer nur die gemessene. Ebenso kann die Effektstärke ermittelt werden:

            https://de.wikipedia.org/wiki/Effektst%C3%A4rke

            Beides wird nur äußerst selten gemacht. Das hat leider keinen wissenschaftlichen Grund. Es ist vielmehr so, dass eine Studie durch einen schönen Signifikanztest aufgewertet wird, schaut man hingegen die aufgeklärte Varianz oder den Effekt genauer an, schrumpfen die Studien wieder. Daher lässt man das weg.

            • Lemmy Caution 1. April 2022, 20:30

              Marc,

              innerhalb des Modells vermutlich. Aber das Modell ist ja nur eine Abbildung der Wirklichkeit. Auf die Volkswirtschaft wirken einfach zu viele Faktoren und Folgeketten als dass sie in den Modellen berücksichtigt werden können.

              • Marc 2. April 2022, 08:00

                Es geht um die gemessene Varianz, sie enthält – wenn man das Problem der Messfehler unberücksichtigt lässt – alle Faktoren.

                Ein gutes multivariates Modell sollte die gemessene Varianz z.B. des Wirtschaftswachstums mit seinen Faktoren aufklären können, es sollte einen kleinen Anteil ungeklärter Varianz haben. Damit ist sicher gestellt, dass das Modell alle wesentlichen Faktoren der Wirklichkeit erfasst hat.
                Tritt plötzlich eine Finanz- und Schuldenkrise auf, beeinflusst diese das Wirtschaftswachstum und das wird auch gemessen. Das statistische Modell wird, wenn es diesen Faktor nicht berücksichtigt, an aufgeklärter Varianz verlieren.
                Das Verhältnis von aufgeklärter zu unaufgeklärter Varianz beschreibt sehr gut die Übereinstimmung des Modells mit der (gemessenen) Realität.

                Das war zu meinen Studi-Zeiten eine akademische Diskussion zumindest meines sehr guten Statistik-Profs. Er hat sich sehr darüber beklagt, dass Signifikanz-Tests zwar das Vorhandensein eines Effekts wissenschaftlich nachweisen, aber nicht dessen Bedeutung oder Wichtigkeit. Das können nur Faktoren wie Varianzaufklärung und Effektstärke.

                • Lemmy Caution 2. April 2022, 18:17

                  Ein gutes multivariates Modell sollte die gemessene Varianz z.B. des Wirtschaftswachstums mit seinen Faktoren aufklären können

                  Genau dieses „sollte“ ist aus nicht nur meiner Sicht unmöglich. Letztlich modellieren diese Modelle nur Hypothesen über die Wirklichkeit, nicht die Wirklichkeit selbst. Auf das Wirtschaftswachstum eines Landes wirken sich ja auch technischer Fortschritt in Branchen, in denen das Land ein hohes Potential hat, Entwicklungen von wichtigen Handelspartnern, Kriege, Ernteausfälle, etc. Es gibt viele Interdependenzbeziehungen und Rückkopellungen. Das ist eher Chaos Theorie.
                  Bist Du irgendwie Mathematiker oder Naturwissenschaftler?

  • Jens Happel 30. März 2022, 16:34

    Korrelation ist nicht norwendigerweise Kausalität.

    Innerhalb der EURO Zone werden Wettbewerbsvorteile nicht mehr durch Währungsanpassungen ausgeglichen.

    Deutschland ist im Euro unterbewertet und viel seines Wachstum kommt durch Export in den Süden der EU. Diese finanzieren den auf Pump. Darlehnsgeber ist die deutsche Bundesbank über den Umweg EZB.

    Ergebnis aufgeblähte Target2 Salden. Dafür kann sich Deutschland nix kaufen. Früher gab es dafür Gold. Daher kommen die Goldreserven der BRD. Als die Dollar Goldpreisbindung aufhöhrte bekam die Bundesbank dafür immerhin noch US$, aka Währungsreserven.

    Für den Export in den Süden kriegen wir jetzt gar nix, nur einen bilanziellen Eintrag im Target 2.

    Kurz Deutschland kriegt dafür eine Zahlungsversprechen, sollte der Euro mal platzen, dass dann wahrscheinlich aber größtenteils weg ist, da der Süden dass in einem oder mehreren Menschleben nie zurück zahlen kann.

    Prinzipiell stimme ich zu, dass die Schulden in einem vernünftigen Mass bleiben sollen. Aber Wirtschaftswachstum basierend auf Darlehn an anderer Länder ohne Gold oder Dollar als Gegenleistung ist de facto ebenfalls Wachstum auf Pump.

    Der Euro ist einfach eine Fehlkonstruktion.

    Wer das nicht versteht stelle sich vor, die Bundesbank hätte das Geld im Target2 als Darlehn aufgenommen. Bilanziell stünde sie damit exakt gleich da wie jetzt auch. Nur dass es nicht Target2 sondern Darlehn heisst.

    Dann hätte die Buba für das Darlehn bei deutschen Unternehmen, Autos Kühlschränke etc gekauft und anschließend diese Güter den deutschen Bürgern „geschenkt“.

    Da die Güter in diesem Gedankenspiel ebenfalls in Deutschland produziert worden wären, hätten sie auch den gleichen Einfluss auf das Wirtschaftswachtum gehabt.

    Der Unterschied ist, in der realen Welt des Target2 sind diese Güter nun im Süden der EU. Im Gedankenspiel wären sie in Deutschland.

    Wir sind wie Eichhörnchen immer am sammeln, aber nie kommt der Winter indem wir uns mal von den Früchten der Arbeit etwas gönnen. Im Ergebnis haben wir einen riesengroßen Niedriglohnmarkt, drohende Altersarmut für viele, Wohnungsnot und runtergekommen Bundeswehr und Infrastruktur. Irgendwie auch nicht so schlau.

    Gruß Jens

    • Mikefromffm 30. März 2022, 16:58

      „Für den Export in den Süden kriegen wir jetzt gar nix, nur einen bilanziellen Eintrag im Target 2“? Wer ist denn da das „wir“? Warum sollten du oder ich da etwas bekommen, wenn eine Auto nach England verkauft wird? Oder glaubst du ernsthaft, dass deutsche Unternehmen auf unbezahlten Rechnungen in Höhe der Target2-Salden der BuBa sitzen? Target2 ein Zahlungssystem (!) und kein Bankensystem. Bei einem Zahlungsvorgang im Target2-System fallen keine Schulden an, auch wenn irgendein emeritierter Professor aus München das behauptet.

    • Stefan Pietsch 30. März 2022, 17:27

      Jens, schau‘ doch bitte, wo Deutschland sein Exportwachstum der letzten 10 Jahre erzielt hat. Außerhalb der EU.

      Bitte nicht Target 2-Thema. Du bekommst hier Haue von Leuten, die nicht verstehen, dass eine Bilanz nicht schräg sein kann, die aber von Saldenmechanik reden, ohne die Grundzüge der Bilanzierung zu verstehen. Und wie Wachstum überhaupt entsteht.

    • Lemmy Caution 31. März 2022, 11:22

      Vor allem läuft die Korrelation in die andere Richtung.
      Du bekommst eine positive Korrelation zwischen Wirtschaftswachstum und Einnahmen des Staates, weil die Leute einfach mehr Steuern zahlen, wenn der Laden brummt.
      Ich vermute dafür sogar eine starke empirische Evidenz.

    • Mikefromffm 31. März 2022, 11:43

      Hallo Jens, ich warte immer noch auf deine Antwort auf meine Frage, wer denn dieses „wir“ ist? Gehe ich recht in der Annahme, dass du das selber gar nicht weiß?t?

  • Thorsten Haupts 30. März 2022, 16:45

    Gröhl.

    In Kurzform: Für uns gibt es zu viele empirische Studien, die einen Negativzusammenhang zwischen Schulden und Wirtschaftswachstum zeigen. Da das mit unserer ökonometrischen Referenztheorie nicht zu vereinbaren ist, unterstellen wir einfach allen empirischen Studien mit einem Negativzusammenhang Vorurteile, packen die in einen Modellfaktor und „korrigieren“ damit die empirischen Studien so, dass sich kein Negativzusammenhang mehr zeigt.

    Grossartig! So geht Wissenschaft.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Thorsten Haupts 30. März 2022, 20:39

      Gehört unter den Beitrag von Sebastian, sorry.

    • Lemmy Caution 31. März 2022, 11:17

      Das Vorgehen vom Kollegen Pietsch entspricht in keinster Weise den Standards. Und selbst diese Standards sind grundsätzlich problematisch.
      Auf BIP Wachstum, Einnahmen und Ausgaben von Staaten wirken eine hohe Zahl von Faktoren.
      Für einen engen Zeitraum mit vielen Besonderheiten einen Korrelation zwischen 3 Datenreihen zu behaupten ist nicht mehr heroisch, das ist tolkühn und keine Wissenschaft.
      Man könnte ja jetzt hergehen und die Werte für die Zeitraum 2000 bis 2010 ermitteln. Möglicherweise kommt da etwas sehr anderes heraus.

      Ich bin übrigens grundsätzlich für einen mittelfristig ausgeglichenen Haushalt wie Stefan.

  • Tim 31. März 2022, 12:49

    @ Blogbetreiber

    Ich finde es recht unschön, wie die Diskussion hier manchmal in nackte und auch dumme Arroganz umschlägt. Der Themenmix bei euch gefällt mir sehr gut, die Atmosphäre kann da manchmal aber leider nicht mithalten.

    Wenn sich alle auf Sachpunkte konzentrieren, wäre die Diskussion ergiebiger.

    • Stefan Pietsch 31. März 2022, 14:18

      Stefan und ich moderieren und zensieren, allerdings mit aller gebotenen Zurückhaltung. Eine einheitliche, abgestimmte Linie haben wir nicht, sind aber ähnlich. Als Artikelschreiber lasse ich mir mehr gefallen als ich Kommentatoren gegeneinander durchgehen lasse. Wenn ein Artikel kein einziges Argument enthält, hat er Chancen, gelöscht zu werden.

      Ich hatte eingangs zur Artikelserie geschrieben, das Thema Staatsschulden emotionalisiert (seltsamerweise) und die Bereitschaft mit Zahlen zu argumentieren ist nicht immer gegeben. Ich habe versucht, völlig unvoreingenommen und allein anhand der herangetragenen Thesen das Thema zu behandeln. Ob es mir gelungen ist, lässt sich nicht einmal sagen. Vor allem wird es mir nicht abgenommen. Da solche Artikel enorm zeitaufwendig sind, können wir (Stefan macht öfters Artikel über Zeitgeschichte) solche nicht oft machen.

      Schön aber, dass es Ihnen gefällt! Das freut uns ehrlich.

    • Stefan Sasse 31. März 2022, 18:12

      Ja, aber was soll ich dagegen machen? 🙂

    • Tim 31. März 2022, 19:06

      Bitte versteht mich nicht falsch: Grundsätzlich finde ich sehr cool, was ihr hier macht: Zwei sehr unterschiedliche Charaktere mit sehr unterschiedlichen Position schreiben über alles Mögliche. Dass ihr das überhaupt aushaltet, ist schon eine ziemliche Leistung, würde ich sagen! Immerhin steht ihr zusammen für dieses Forum ein, auch wenn eure größte Gemeinsamkeit wahrscheinlich (lediglich) die Freude an einer offenen Debatte zwecks Horizonterweiterung ist.

      Manchmal neige ich zum einen, manchmal zum anderen Stefan. Das sehr große Meinungsspektrum finde ich wirklich vorbildlich. Das ist genau das, was wir auch gesellschaftlich bräuchten. Und dass ihr zurückhaltend zensiert, spricht ebenso für euch.

      Ich bin ja auch nicht frei von Überheblichkeit und den anderen Blog-Kommentarbereich-Ärgernissen. Aber vielleicht hilft es, wenn man einfach nicht auf aggressive oder arrogante Kommentare antwortet, auch wenn es schwer fällt. Denn seien wir ehrlich, die Währung hier (wie in anderen Blogs) ist Aufmerksamkeit. Wenn man damit etwas sparsamer umgeht, kann man vielleicht mittelfristig etwas erreichen.

      • Stefan Pietsch 1. April 2022, 00:43

        Was Sie beschreiben, setzt gegenseitige Wertschätzung voraus. Ich denke, die hatten Stefan und ich immer, gegenseitig. Wir kennen uns seit einer Reihe von Jahren, wir wissen also was wir aneinander haben. Wir kommen aus völlig verschiedenen Lebenswelten, die nicht nur keine Berührungspunkte haben, sondern fast gegensätzliche Pole verkörpern. So sehr ich in Opposition zu vielen von Stefans politischen Positionen bin (und er zu meinen) – Stefan ist ein absolut honoriger Mensch. Wir müssen das aushalten, völlig unterschiedlich auf die Welt zu blicken.

        Aber: vielen Dank für für die Wertung und Ihre Kommentierungen!

      • Thorsten Haupts 1. April 2022, 09:51

        Ich bin im Laufe meines Lebens auf vielen Diskussionsforen im Netz unterwegs gewesen. Dauerhaft angenehm waren davon die wenigsten – die glorreichen Ausnahmen (FAZ-Blogs von Reiner Meyer oder Luebberdings wiesaussieht) zeichneten sich durch geringe Eingriffe der Moderation und eine gewisse Selbstdisziplin aller Beteiligten aus. Und gingen den Bach runter, wenn nackte und gewissenlose Agitatoren begannen, die Foren zu bevölkern.

        Dieses Blog ist so gut, wie es im Netz nur eben sein kann, wenn man von ideologisch geschlossenen Blasen absieht, wo alle einer Meinung sind. Eine gewisse Menge von Polemik ist völlig unvermeidbar und deren Vermeidung in einer lebhaften Debatte IMHO nicht einmal wünschenswert.

        Von daher einen Glückwunsch an die Blogbetreiber und die Masse der Diskussionsteilnehmer, die das hier für Internetverhältnisse zu einem sehr angenehmen Diskussionsort machen.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

      • Stefan Sasse 1. April 2022, 10:49

        Danke für die Blumen!

  • CitizenK 3. April 2022, 16:38

    Der Ukraine-Krieg und die daraus mit Sicherheiteentstehende langwierige Konfrontation ist keine „Vernebelungsstrategie“. Wenn die EU in dieser existenziellen Krise auseinanderbricht, haben Putin und Xi leichtes Spiel.
    Der mit Sicherheit eintretende Wohlstandsverlust (den selbst Lindner nicht mehr leugnet) wird die politischen Systeme ohnehin extrem belasten.

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