Bohrleute 11: Der Koalitionsvertrag – Gelbe Seiten?, mit Ariane Sophie

Die FDP scheint im Koalitionsvertrag das große Los gezogen haben. Zahlreiche ihrer Forderungen finden sich im Dokument wieder. Handelt es sich also um die „gelben Seiten“, wie manche schon ätzend spotteten?

Stefan Sasse und Ariane Sophie unternehmen einen ausführlichen Blick in den Koalitionsvertrag, während Marcel Weiss diese Woche arbeitsbedingt eine kleine Pause einlegen muss.

Shownotes:

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{ 35 comments… add one }
  • Lemmy Caution 6. Dezember 2021, 22:27

    Ich fand dieses update zu meiner zukünftigen Regierung sehr informativ, zumal ich von deutscher Politik ja nicht sehr viel mitbekomme.
    Dass der langfristigere Trend des Niedergangs neoliberaler Diskurse bei der FDP angekommen zu sein scheint, ist zumindest mal eine gute Nachricht.
    Bezüglich der Digitalisierung der Prozesse der öffentlichen Verwaltung habe ich eine Perspektive als ganz gut bezahlter Söldner in den letzten Jahren. Dass man an vielen Ecken auf der grünen Wiese anfängt ist eher gut. Die Altlasten-Systeme erzeugen etwa in Versicherungen nicht selten erstaunliche Zusatzkosten. Ein bisschen schwierig könnte sein, dass das Management halt auch ziemlich frisch ist. Für solche Steuerungsjobs helfen ein paar Leute mit Jahrzehnten an Erfahrung innerhalb der Organisation sehr. Bei der letzten Adquise-Runde gabs eine Menge Angebote an Behörden-Projekten, aber ich hab mich für 0,5 bis 1,5 Jahre für einen privatwirtschaftlichen Auftraggeber entschieden. Die Erfahrung war aber nicht so schlecht, dass ich nicht in ein Staatsprojekt zurückkehren würde. Die Anforderungen an Leistung und Engagement sind in Staatsprojekten nicht geringer. Ein Kollege kam mal mit der Logik, dass wir ja nicht für ein profit-orientiertes Unternehmen sondern für den Staat arbeiten würden und somit Effizienz keine so prominente Rolle spielen würde. Das blieb zum Glück eine Ausnahme.

    • Stefan Sasse 7. Dezember 2021, 07:25

      Spannende Ergänzung, danke!

    • Ariane 7. Dezember 2021, 13:45

      Danke fürs Hören und die Ergänzungen! Spannend.

      Entbürokratisierung sagt sich ja immer schön, ist aber oft gar nicht so einfach zu erreichen. Eine gute Bürokratie hilft ja auch oft bei der Effizienz, bei Behörden finde ich es eigentlich immer ganz angenehm, dass nicht rumgewurschtelt wird, sondern schon meist ein gewisser Fahrplan existiert. Das Problem ist ja häufig in den Zuständigkeiten, gerade wenn mehrere Stellen involviert sind.
      Da bin ich ganz gespannt, die wollen ja vieles zusammenfassen.

  • Dennis 7. Dezember 2021, 12:44

    Uiiii, der Enthusiasmus erinnert stark an ’69. Und erster Podcast weltweit und aller Zeiten überhaupt von/mit Ariane?? Gut so und danke dafür. Und beide Podcastler haben den Vertag offenbar mit großem Vergnügen^ gelesen, boaaah. Was speziell das betrifft gehöre ich – wie so oft – nicht zur Informationselite 🙁 In ein paar Jahren kann sich ein Podcast ja mal damit beschäftigen, ob die Lektüre gut investierte oder vergeudete Zeit war^.

    Früher gab’s solche „Verträge“ (die rechtlich keine sind) überhaupt nicht. Insofern überhaupt etwas aufgeschrieben wurde, hieß das auch nicht so, sondern „Vereinbarung“. Es gab auch mal „verfassungsrechtliche Bedenken“ gegen so watt, wie das immer so ist.

    Das heutige Dingens („mehr Fortschritt wagen“) rekurriert insoweit offenbar auf ’69 . „Mehr Demokratie wagen“ stammt allerdings aus der eigentlich maßgeblichen Regierungserklärung des Bundeskanzlers. Schriftliche Koalitionsvereinbarung garniert mit Basistrara? Gab es nicht. Brandt hat den Koalitionsplan nach Absprache mit Scheel (das Telefongespräch entsprach der heutigen „Sondierung“) am späten Wahlabend im Fernsehen verkündet – gegen Wehner und Schmidt, die sich fügen mussten. Nach 14 Tagen Verhandlung der Großkopferten war alles eingekastelt; kein veröffentlichtes „Papier“, damit das Fußvolk was zum studieren gehabt hätte. Die da unten in den Parteien wurden eh nicht gefragt. Bundestagswahl Ende September, Kanzlerwahl drei Wochen später. Inwieweit das mit „mehr Demokratie wagen“ im Einlang stand, könnte manfrau auch noch diskutieren^.

    Irgendwas, das bleibt, wie das „Mehr-Demokratie-wagen“, ist vom Scholzomaten wohl nicht zu erwarten. Immerhin plappert manfrau das Motto in der Vertragsüberschrift epigonenhaft modifiziert nach. Mehr fällt denen nicht ein. Apparatschiks halt. Hat was mit Armseligkeit zu tun. Immerhin ist Scholz in Sachen Taktik abgebrüht, das ist ja auch was wert.

    Soweit mein Geschimpfe :/

    Mit der Veranstaltung ’69 allerdings wäre schon nach drei Jahren Schluss gewesen, wenn zwei superkonservative Unionler sich nicht von der Stasi hätten bestechen lassen.

    https://www.arte.tv/de/videos/087332-000-A/im-kino-die-geheimnisse-des-schoenen-leo/

    Immerhin kann das in dieser Art heutzutage aus vielen Gründen nicht mehr vorkommen^.

    Ob unerachtet dessen der neumodische Dreier jetzt viel stabiler ist, wäre die Frage. Als alter Miesepeter tippe ich mal auf: Eher nicht. Diesmal primär nicht vom Innenleben der Parteien ausgehend, aber von der Wählerschaft. Das Pampern der FDP-Wähler und der wenigen Wählerinnen, damit die sich wohl fühlen und nicht in die offenen Arme von Merz überlaufen, muss erst noch gelingen. Ob die mit ’n bissle Digitalklimbim (ist im Übrigen im Wesentlichen Sache der Länder und Kommunen) und dem Waffenstillstand bei den Steuern (da machen wir nix) ruhig gestellt werden können? Ganz schwierig. Schaun mer mal; aber vielleicht wird ja auch alles gut 🙂

    • Ariane 7. Dezember 2021, 13:58

      Und erster Podcast weltweit und aller Zeiten überhaupt von/mit Ariane?? Gut so und danke dafür.

      Ja, dankeschön 🙂

      Also ich hab auch nur quergelesen, von 177 Seiten sind 100 ja schon mal schöne Worthülsen. Angesichts der Neigung von SPD und Grünen mit ellenlangen Wahl- oder Parteiprogrammen geht das ja noch, aber ich bin auch kein großer Fan davon, zu versuchen, wirklich ALLES vorauszuplanen. Aber sie haben da was, woran sie sich halten können und ja, die Zeiten sind halt so. Im Guten und im Schlechten.

      Uiiii, der Enthusiasmus erinnert stark an ’69.

      Das finde ich ganz spannend, 69 war ich natürlich noch nicht mal angedacht, aber das könnte schon sein. Nach 16 Jahren Unionsregierung und 2005 war ich logischerweise noch nicht so krass politisch interessiert, insofern ist es ja schon das erste Mal, dass es zumindest etwas Ähnlliches wie eine Wunschregierung gibt. Obwohl Stefan und ich zwar Enthusiasmus, aber gar nicht so große Erwartungen haben.

      Ob unerachtet dessen der neumodische Dreier jetzt viel stabiler ist, wäre die Frage. Als alter Miesepeter tippe ich mal auf: Eher nicht. Diesmal primär nicht vom Innenleben der Parteien ausgehend, aber von der Wählerschaft. Das Pampern der FDP-Wähler und der wenigen Wählerinnen, damit die sich wohl fühlen und nicht in die offenen Arme von Merz überlaufen, muss erst noch gelingen

      Also stabiler als die eingespielte GroKo wirds sicherlich nicht. Muss auch nicht, das war ja schon zuviel des Guten. Ich bin mir aber relativ sicher, dass es zb stabiler wird als die letzte Schwarz-Gelb-Episode. Ist Stefan und mir im Podcast ja auch aufgefallen, dass man die Episode eigentlich noch mitanalysieren müsste, gerade in Bezug auf die FDP.

      Deine Bedenken teile ich, gerade bei der Anhängerschaft der FDP könnte es schwierig werden, hat man jetzt beim Corona-Impf-Schwenk schon etwas gesehen. Da war ich tatsächlich erleichtert, dass sie sich wirklich erwachsen und verantwortungsvoll verhalten haben.
      Ansonsten ist es immer schwer vorherzusagen, welche Themen und Stimmungen die nächsten vier Jahre dominieren werden, das macht unheimlich viel aus. Sie brauchen auch Glück, weiteres Chaos bei der Union zb., die muss ja auch irgendwie erstmal eine Oppositionsrolle finden. Gerade weil sie ja die einzig mittige Opposition sind, während LINKE und die AfD die Ränder sind, die eh kaum wer ernstnimmt.

    • Stefan Sasse 7. Dezember 2021, 14:20

      Da der Koalitionsvertrag nicht bindend ist, gibt es da auch kein verfassungsrechtliches Problem. Ich hab im ersten Podcast ja auch schon deine Kritik angebracht. Insgesamt find ich’s schlimmer, weil man sich so sehr dran bindet, aber das ist Frage der politischen Kultur. Danke für dein Lob!

  • Ariane 7. Dezember 2021, 13:40

    Vielleicht könnte mein Twitterprofil zur weiteren Weltberühmtheit noch mit verlinkt werden? 🙂

    https://twitter.com/ArianeSophie85

    • Stefan Sasse 7. Dezember 2021, 14:23

      Sorry, klar!

    • Dennis 8. Dezember 2021, 00:33

      Oh danke, gut gemacht. Und die Katzis werden auch prominent. Laut Hape Kerkeling mysteriöse und geradezu mystische Wesen, die sich – lt. Tucholsky – ihrerseits Personal halten, das sich mitunter irrtümlicherweise als „Herrchen“ wähnt.

      Hier der ultimative Tipp für die nächste Weltreise:

      https://www.youtube.com/watch?v=OqbWBkk9Fiw

      • Ariane 8. Dezember 2021, 23:43

        Danke, sehr schönes Video. Meine beschweren sich ja schon übers Autofahren.

        Und es ist Twitter, bzw das Internet. Meine Prominenz ist nur von den Katzis geborgt natürlich 😉

  • CitizenK 9. Dezember 2021, 14:40

    Wieder interessante Aspekte, danke.

    Die Ressortverteilung nach Proporz seht ihr zu meinem Erstaunen offenbar nicht problematisch.Dass die Regierung die Gesellschaft „repräsentieren“ soll, leuchtet mir nicht ein. Minister sollten ihr Metier kennen, ggf. auch ohne Parteibuch. Rochaden aus Partei- oder Geschlechterproporz sind nicht gut für die Akzeptanz: „Denen geht nur im Posten“. Deshalb halte ich auch die Ansage von Scholz für … unklug, musste er doch den „Männerüberschuss“ der FDP dann unbedingt ausgleichen.

    Der Koalitionsvertrag „trägt die Handschrift der FDP“ halte ich für untertrieben. Gefühlt heißt der Kanzler nicht Scholz, sondern Lindner, dessen Satz, Scholz werde „ein starker Kanzler sein“, klingt für mich nicht nur gönnerhaft, fast wie Hohn.

    Trotzdem bin ich froh, dass es die SPD noch – oder wieder – gibt. Die Grünen scheinen mir nur bedingt regierungsfähig.

    • Stefan Sasse 9. Dezember 2021, 17:15

      Nein, es ist wichtig, dass bisher marginalisierte Stimmen mehr Gewicht bekommen – Migrationshintergrund, weibliches Geschlecht, etc.

      Ich halte das „Gelbe-Seiten“-Narrativ für übertrieben. Aber wie im Podcast gesagt, wir werden sehen.

      Ich habe kein Problem mit der Regierungsfähigkeit der Grünen gesehen, woran machst das fest?

      • Stefan Pietsch 9. Dezember 2021, 18:11

        Wie kommst Du darauf? Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes. Welche besondere Note sollen eigentlich drei weibliche Verteidigungsminister einbringen, die dazu noch selbst nie gedient haben? Warum sagen wir bei Lauterbach, Kompetenz sei wichtig, weil er zufällig Arzt ist, bei Verteidigungsministern ist aber nicht mal relevant, ob sie ordentlich grüßen können.

        Welche besondere Note für Migranten, welchen speziellen Blickwinkel soll ein Agraminister Özdemir einbringen, den viele in seiner eigenen Partei nicht für ministrabel hielten? Außer, dass auch Türkisch-Stämmige zu albernen PR-Aktionen fähig sind?

        Gemessen am Mosern, gemessen daran, den Vergleich zwischen Realpolitik und Wünsch-Dir-Was zu machen, haben sich die Grünen als wenig regierungsfähig gezeigt. Die zukünftigen Partnern waren nach Medienberichten (wie übrigens schon 2017) teilweise maximal genervt. Und Baerbock macht internationale Ansagen, die weder im Kabinett und schon gar nicht mit den EU- und NATO-Partnern abgestimmt sind. Dafür aber weiß die 40jährige genau, dass Atomenergie keine grüne Technologie sein kann, sehen das die meisten EU-Partner auch anders. Da ist dann plötzlich nicht mehr viel mit dem Einbringen in die Institutionen, da darf’s auch ein Alleingang sein. Professionelles Arbeiten sieht anders aus.

    • CitizenK 9. Dezember 2021, 20:45

      An dem Geschubse bei der Postenverteilung. Und an der schwachen Figur im Außenamt. Hoffentlich bin ich da zu pessimistisch und B. wächst da rein. Eine starke Persönlichkeit kann ich bis jetzt nicht erkennen, auch nicht nach Paris und Brüssel.

    • Ariane 9. Dezember 2021, 23:26

      Die Ressortverteilung nach Proporz seht ihr zu meinem Erstaunen offenbar nicht problematisch.Dass die Regierung die Gesellschaft „repräsentieren“ soll, leuchtet mir nicht ein

      Ich finde das eher gut, wenn Frauen, Leute mit Migrationshintergrund, Jüngere, mehr repräsentiert werden. Die SPD hat doch sowieso mehr kompetente Frauen als Männer^^

      Glaub da haben wir gar nicht drüber geredet, außer dass eine Frau wieder Verteidigungsministerin ist. Ein Mann als Familienminister hätte ich tatsächlich auch richtig gut gefunden.

      Ansonsten warne ich davor, zu denken, hauptsächlich alte, weiße Männer (aus den richtigen Bundesländern) hätte nichts mit Poporz zu tun, nur weil man es nicht so nennt.

      • CitizenK 10. Dezember 2021, 06:30

        Dieser Proporz ist mit gemeint. Die weißen Männer aus Bavaria als warnendes Beispiel. Eine Partei darf soundsoviele Minister/innen stellen, egal ob sie fähige Leute hat oder nicht.

        Man braucht ein Amt für eine/n Parteimenschen und gibt ihm/ihr dann irgendeins. Statt umgekehrt den/die Beste/n zu engagieren – und den Proporz hintanzustellen.

        Zum Podcast: Ihr wart so beeindruckt (berauscht? ;-)) von den positiven Aussichten im Bereich von Gesellschafts- und Familienpolitik, dass ihr die schwachen Seiten übersehen habt. Ich seh die Ampel auch positiv und bin froh, dass die CDU weg ist , aber wir sollten realistisch bleiben.

        Was die Grünen in Kretschländ derzeit anstellen, stimmt mich auch nicht optimistisch.

        • Stefan Sasse 10. Dezember 2021, 07:51

          Ich glaube wir kommen nur von so niedrigen Erwartungen her, dass uns das so begeistert 🙂

          • Ariane 10. Dezember 2021, 16:14

            Ich hab auch wirklich nicht damit gerechnet, war schon eher dabei mich mit Jamaika irgendwie anzufreunden, ich finde da darf man schon etwas begeistert sein, dass die Union nicht mehr dabei ist^^

      • Stefan Pietsch 10. Dezember 2021, 09:09

        Die neue Regierung diskriminiert Behinderte, Schwule und Lesben. Anders als in Merkel-Kabinetten sind diese Minderheiten nicht vertreten. Wo ist da der Inklusionsfortschritt?!

      • Stefan Pietsch 10. Dezember 2021, 10:50

        Die SPD hat doch sowieso mehr kompetente Frauen als Männer

        Du meinst die neue Bundeskanzlerin Ola Scholz, die Generalsekretärin Lara Klingbeil und die kommende Kira Kühnert? Oder geht es Dir eher die in der Bewältigung einer existenziellen Krise als inkompent strahlenden Manuel Dreyer oder den sich von der eigenen Partei über den Tisch ziehen lassenden Franz Giffey? Der nun weiter eine Koalition anführen will, die die Hauptstadt Berlin so runterwirtschaftete, dass internationale Größen den Status eines Entwicklungslandes zuerkennen?

        Verteidigungsministerin wird eine Frau, die nie gedient hat, die aus der Politik rauswollte und die ihre Kompetenzen eher im Bereich des Juristischen als Militärischen hat. Wenn das für Dich das Kriterium für „richtig gut finden“ ist, dann habe ich keine weiteren Fragen mehr.

        • Ariane 10. Dezember 2021, 16:09

          Ich glaub, der letzte, der im Verteidigungsministerium „gedient“ hat, war Peter Struck und selbst da bin ich mir nicht sicher 😛 Das ist ja nun wahrlich egal und ich finds gut, dass sie jemanden mit Ministeriums-Erfahrung genommen haben, das schien mir nämlich tatsächlich relativ schwer, jemanden aus der SPD zu finden.

          • Stefan Pietsch 10. Dezember 2021, 18:54

            Mir erschließt sich eben nicht, warum Du Lambrecht nun für so geeignet erachtest, außer dass sie eine Frau ist. Bei Lauterbach findest Du es gut, dass jemand vom Fach das Gesundheitsministerium führt.

            Die SPD hatte Lars Klingbeil anzubieten, Sohn eines Offiziers und mit Innenansichten ausgestattet. Er hatte nur zwei Handicaps, er ist ein Mann und die Sozialdemokraten versuchen sich wie die Grünen an der Ämtertrennung, wonach Parteivorsitzende nicht gleichzeitig Parteivorsitzende sein können. Die FDP hatte die Sicherheitsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

            In den Verhandlungen wollte niemand das Verteidigungsministerium. Nachdem die SPD dies nehmen musste, konnte sie auf die naheliegende Besetzung nicht zurückgreifen. Lambrecht ist der Notnagel, den Du zur Topbesetzung verklärst. Erklärbar ist das nur durch Deine Begeisterung für das weibliche Geschlecht – Dein eigenes. Leider werden zunehmend solche Kriterien zu Qualitätsmerkmalen.

            • Stefan Sasse 10. Dezember 2021, 19:11

              Ich bin nicht Ariane, aber ich antworte mal: ich hab keine Ahnung, wie geeignet Lamprecht ist. Dass sie für die Quote reinkam ist ziemlich offensichtlich. Schauen wir mal, wie sie sich macht. Vielleicht überrascht sie uns. War ja bei AKK auch so.

            • CitizenK 10. Dezember 2021, 20:26

              Ich hatte mit Strack-Zimmermann gerechnet. Warum ist sie es nicht geworden? Warum „musste“ die SPD den Schleudersitz nehmen?

              • Stefan Pietsch 10. Dezember 2021, 22:40

                Es gehört zum guten Ton einer Koalition, dass die führende Partei ausgleicht, was die kleineren Partner nicht machen wollen oder können. So funktionierte es unter den Kohl- und Schröder-Regierungen. Die SPD hat dies nicht nur bei der Ministeriumszuteilung, sondern auch bei der angestrebten Geschlechterparität getan. Weder wollte die FDP von ihrem Verfahren ab, noch die Grünen (paritätische Verteilung). Folglich war es an der SPD.

                Sowohl Gesundheit als auch Verteidigung gelten als toxisch. Es ist eher die Ausnahme, dass die Amtsinhaber ohne Beschädigung ausscheiden. Im Ressort Gesundheit ist das in den vergangenen Jahrzehnten nur Horst Seehofer gelungen, der noch aufstieg. Bei Verteidigung muss man auch sehr intensiv nachdenken. Sowohl von der Leyen als auch Kramp-Karrenbauer erhielten heftige Schrammen, zuvor mussten immer wieder Minister zurücktreten.

                Dazu versprechen die Aufgaben kein Glorie. Selbst wenn die Hardthöhe nun Milliarden mehr bekommt, wird die Truppe noch Jahre mit Pannen und Ausfällen beim Material leben müssen. Besserung dürfte sich selbst bei einer sofortigen Umkehr erst in einem Jahrzehnt einstellen.

                Das war Lindner zu heikel. Die FDP hat nur vier Ministerien und nach den Erfahrungen von 2009-2013 sollte man da nach welchen greifen, in denen man leichter glänzen kann. Der Finanzminister war in den letzten beiden Jahrzehnten immer populär und avancierte mehrmals zum potentiellen Herausforderer des Kanzlers. Justizminister ist klassisch und FDP, Pannen sind da nie zu erwarten. Verkehr ist dankbar, gerade in Zeiten, wo der Etat erhöht wird. Risiko steckt in der Verantwortung für die Bahn, die sich ähnlich belastet zeigt wie Verteidigung. Und Bildung kann man sich inszenieren ohne verantwortlich zu sein. Gute Wahl, kann man da zu einer kleinen Partei sagen.

                Deswegen musste Strack-Zimmermann zurückstecken, die auch für Innen im Gespräch war, aber dieses große, klassische Ressort wollte die SPD selbst, vor allem, um sich in einem „harten“ Ministerium kompetent zu zeigen. Fähige Kandidaten hatte man ja dafür, die beiden Damen Lambrecht als auch Nancy Faeser.

                • Stefan Sasse 11. Dezember 2021, 08:51

                  Jepp. Wie gesagt, alles eine Frage der Prioritäten die man haben will einerseits und dessen, was man dann noch bekommen kann, andererseits.

              • Ariane 10. Dezember 2021, 23:25

                Ich hätte mir auch eher Straack-Zimmermann oder auch Nouripour gewünscht. MASZ leitet nun ja zumindest den Ausschuss. Kann gut sein, dass das simple Parteien-Arithmetik war, keine Ahnung.

                Klingbeil hätte tatsächlich auch gepasst. Lambrecht wie gesagt scheint insofern passend, weil sie eben nicht neu als Ministerin ist, das ist vermutlich vorteilhaft, wenn man weiß, wie das geht. Scheint mir zumindest wichtiger als mal in einer Uniform eine Latrine gegraben zu haben ehrlich gesagt^^

                Insgesamt kann es auch gut für die SPD sein, mal wieder das Verteidigungsministerium zu haben, um da nicht so in den Pazifismus abzugleiten. Außerdem hat sie Siemtje Möller als Staatssekretärin genommen und die scheint ganz ok zu sein.

                • Stefan Sasse 11. Dezember 2021, 08:52

                  Möglich, aber das AA hat die SPD auch nicht davon abgehalten kompletten Mist zu machen.

                • Stefan Pietsch 11. Dezember 2021, 09:50

                  Ich halte es für vorteilhaft, die Materialdefizite der Bundeswehr aus eigener Anschauung zu kennen und wie die Soldaten damit umgehen und wie es kaschiert wird. Dann ist einem auch klar, wo die echten Probleme bei der Materialbeschaffung liegen.

                  So können nur die obersten Kommandierenden der Ministerin berichten. Das ist 100mal gefiltert, und die Kompanieleitungen sind auch schon ein ganzes Stück weg von den wahren Problemen.

                  Um mit Deinen Worten zu sagen: es ist ganz vorteilhaft, mal die Latrinen gereinigt zu haben. Oder auch gegraben.

                  • Stefan Sasse 11. Dezember 2021, 13:45

                    Wenn du in den 1980er Jahren gedient hast, was sagt dir das über Materialdefizite in den 2020er Jahren? Wenn du in den 1980er Jahren auf der Schule warst, was sagt dir das über Schulpolitik 2020? Richtig: nichts.

              • Stefan Sasse 11. Dezember 2021, 08:50

                Weil die Parteien eine festgelegte Zahl Ministerien haben. Die FDP vier, die Grünen fünf, die SPD den Rest. Für die FDP mag das BMVG die Priorität 5 gewesen sein (glaube ich zwar nicht, aber for the sake of the argument), aber das macht nichts, weil sie nur vier kriegten. Dito Grüne.

            • Ariane 10. Dezember 2021, 23:26

              Erklärbar ist das nur durch Deine Begeisterung für das weibliche Geschlecht – Dein eigenes.

              Ja, ich kann mich kaum halten vor Begeisterung 😛

          • Stefan Sasse 10. Dezember 2021, 19:09

            Ist eh kein Argument. Ich halte mich auch nicht für qualifiziert das KuMi zu leiten obwohl ich Lehrer bin.

  • sternburg 4. Januar 2022, 01:42

    Ein klein bisschen spät als Wortmeldung und ich weiß auch nicht, ob das überhaupt noch irgendjemand liest und/oder interessiert, aber in der mir eigenen Selbstüberschätzung gehe ich einfach mal davon aus:

    Ich beschränke* mich mal abseits des Inhalts auf die allgemein von Euch transportierte gute Grundstimmung. Die kann ich sehr gut nachempfinden. Teilen kann ich sie nicht.

    Denn Eure Zustandsbeschreibung ist selbstredend komplett zutreffend. Diese Regierung steht vor der sehr realistischen Aufgabe, dieses Land legislativ und exekutiv endlich mit diversen Fortschritten auf ein Level nachzuziehen, das seine Bevölkerung längst erreicht hat. Oder anders formuliert: Vor der Aufgabe, in diversen an sich völlig selbstverständlichen Aspekten jede Menge absolut schwachsinnige Bremsklötze wegzuschlagen, die die Merkel-Union überall so eingezogen hat. Trans-Rechte, Abtreibungs-„Werbung“, meinetwegen auch Cannabis, etc pp. Lauter Dinge, die mich als Vollzeit-Alman an sich nicht unmittelbar betreffen, die mir aber wichtig sind. Weil ich gerne in einer modernen Gesellschaft lebe. Und weil ich außerdem zu Empathie fähig bin und weiß, wie wichtig viele dieser Dinge den unmittelbar Betroffenen sind.

    Diesbezüglich bin ich wirklich optimistisch. Und ich bin da auch gar nicht so drängend fordernd. Und ich (Aktualitätsbezug) ändere meinen Optimismus auch nicht, wenn die ersten Anzeichen gar nicht so super wirken (sorry, liebe Kiffer). Dafür habe ich zu viel Erfahrung mit dem, was wir damals „Mehltau“ nannten, und was die erste Schröder-Regierung damals mit diesem ganzen Scheiß gemacht hat. Ich war zwar viel zu jung und zu privilegiert, um das jeweils aus eigener Anschauung zu erleben. Aber ich habe zufällig kurz danach Jura studiert und allein was da so alles an Neuem im 4. Buch des BGB (Familienrecht) und im Strafrecht auftauchte, war die Sache wert.

    Das sind alles Dinge, die mir wichtig sind. Und wie gesagt, diesbezüglich bin ich für diese Regierung echt optimistisch.

    Es ist aber so. Bei aller Empathie für diese Aspekte, die für mich alle nicht unwichtige, persönliche politische Forderungen darstellen, habe ich derzeit drei politische Haupt-Forderungen an eine neue deutsche Regierung, die aus meiner Sicht absolut gar keinen Aufschub mehr erlauben:

    – ernsthafte Bemühungen, den deutschen Beitrag zur aktuell stattfindenden Klimakatastrophe und zum aktuell stattfindenden sechsten planetaren Massen-Aussterben zumindest abzuschwächen und in Bezug auf ersteres als allermindeste Mindestanforderung wenigstens einen vom Bundestag einstimmig angenommenen, von praktisch allen Staaten ratifizierten internationalen schäbigen Kompromiss zu befolgen.

    – lauwarme Unternehmungen, der beständigen deutschen Umverteilung von unten nach oben ein ganz klein bisschen entgegen zu wirken, z.B. wenigstens durch eine lächerliche Vermögens- und/oder Erbschafts-Steuer.

    – (man darf auch mal egoistisch sein) eine Verkehrswende, die innerstädtische Lebensräume dem Terror des Automobils entzieht und die Städte wieder lebenswert macht.

    Ich finde, das sind alles drei keine allzu anmaßende Forderungen. Man muss sie auch nicht teilen, es sind halt meine. Es ist nur leider so, dass ich keine einzige dieser drei Forderungen auch nur annähernd in dieser Regierung abgebildet sehe. Für diese Forderungen ist diese Legislaturperiode verloren. Und damit gleichzeitig wohl auch jede nachfolgende.

    Und leider haben wir nicht mehr 1998. Ich kann mich nicht mehr daran aufhelfen, dass meine politischen Nebenforderungen an einer modernen Gesellschaft befriedigt werden. Ich bemerke an mir selber einen gewissen Hang zum extremistischen Fatalismus: Das ganze Demokratie-Ding, dieses ganze Deutschland im Geltungsbereich des Grundgesetzes, das ich als Verfassungspatriot immer mit einem gewissen Stolz mein Heimatland genannt habe, es entgleitet mir. Ich bemerke an mir eine gewisse Verzweiflung, für die ich eigentlich viel zu abgefucked und zynisch sein sollte.

    Also nein, ich teile Eure gute Stimmung nicht. Obwohl ich sie nachvollziehen kann.

    ———————————————————

    * Ich kommentiere erst jetzt, obwohl ich das damals natürlich zeitnah in meinen Podcatcher geschmissen und direkt ganz nach vorne geschoben habe. Ein Podcast mit Ariane, was will man mehr? Aber um ehrlich zu sein, ich habe nur den Anfang gehört (ich müsste nachschauen – sagen wir einfach, die ersten 50 minuten, das könnte hinkommen) und konnte mich bis bis heute nicht zum weiter hören aufraffen. Ich kommentiere heute, weil ich gerade meine Liste in meinem Podcatcher aufgeräumt und dabei diese Sendung gelöscht habe.

    Ich konnte das nicht weiter hören, weil einer von Euch beiden beständig irgendeinen seltsamen Pips-Laut auf dem Mikro hatte. Ich höre Podcasts auf Kopfhörern im Alltag; solche Geräusche machen mich irre, weil mein Hirn immer irgendwas in meinem Umfeld vermutet.

    Das zu sagen kostet mich Überwindung. Ich hasse eigentlich Leute, die sich bei Gratis-Podcasts wegen der schlechten Tonqualität beschweren. Dann spende halt für bessere Mikros, du Affe. Aber diesen Pieps-Laut, da kann ich nicht mit um. No hard feelings.

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