Prädikat: Unfähig

Der Bundestagswahlkampf 2021 biegt auf die Zielgerade ein. Das zu einem Triell hochgejazzte Rennen zeigt die Parteien, die demnächst den Kanzler stellen wollen, Kopf an Kopf. Schon das ist eine Blamage für den eigentlichen haushohen Favoriten von den Konservativen, die noch vor Jahresfrist bei 40% lagen. Union und Grüne haben aufgrund ihres unfassbaren Dilettantismus schon jetzt so viel Schaden genommen, dass sie sich nur noch ins Ziel retten wollen. Dabei präsentieren die führenden Parteien Kandidaten, die das schwächste Politikangebot darstellen, die dieses Land je gesehen hat. Vielleicht liegt es daran, dass Armin Laschet, Annalena Baerbock und Olaf Scholz ein Abziehbild der seit 16 Jahren regierenden Kanzlerin sein wollen, deren Gesamtperformance die Tage ein Hauptstadtjournalist mit einem Wort umschrieb: Inkompetent.

Lesezeit: 7 Minuten

Es ist eine surreal erscheinende Situation, die wir in diesen Tagen erleben. Die Langzeitkanzlerin Angela Merkel beendet abgehoben von den Krisen dieser Welt mit einer Abschiedsrunde ihre politische Umlaufbahn, bevor irgendwann Ende des Jahres ihre Kanzlerschaft verglühen wird. Jene Politiker, die sich um ihre Nachfolge bemühen, wollen nichts anderes sein als eine Merkel 2.0 in der Light-Fassung. Doch eine Kopie ist keine eigenständige Persönlichkeit. Alle drei Bewerber zeigen sich als Fähnchen im Wind, die nichts als gefährlicher empfinden als eine eigenständige Position. So haben sie sich nacheinander der Lächerlichkeit preisgegeben, denen die wichtigste Eigenschaft für das Amt abgeht, das sie anstreben: Kanzlerformat.

Dazu ist das Schauspiel, das seit Monaten aufgeführt wird, an Albernheit kaum zu toppen. So nominierte die SPD schon im Herbst 2020 mit Olaf Scholz ihren Kandidaten des Kopfes, während das sozialdemokratische Herz einem Politrentner wie Walter-Borjans und der Antifa-Vorkämpferin Saskia Esken zuneigt. Der Finanzminister drehte dann über ein halbes Jahr einsam seine Runden und verkündete lauthals, dass er Kanzler werden wolle, was angesichts der für seine SPD gemessenen 15% eher clownesk rüberkam.

Triell oder eher Duell?

Alsdann übernahmen im April in schneller Abfolge Annalena Baerbock als grüne Komet:in und Armin Laschet als Retter der CDU die Bühne. Die beiden Spitzen sind Politiker der Kategorie, die es in offenen Feldschlachten bestenfalls zu Adjutanten gebracht hätten. Nur in ihrem eigenen Kosmos konnten sie die Kanzlerkandidaturen ihrer Parteien an sich reißen, in dem die Eine „Frau!“ und der andere „CDU!“ krähten. In den Augen des Publikums sind sie zwischenzeitlich so unpopulär, dass sie von den Wahlkämpfern versteckt werden. Spielt wie eine Flasche leer, das alte Trapattoni-Zitat, wäre hier noch ein Kompliment.

Doch ist das ausgerufene Triell tatsächlich noch ein Dreikampf, oder nicht längst ein Duell? Kurz, so ist es und so war es immer. Die erste und wichtigste Voraussetzung für eine ernsthafte Bewerbung ist, tatsächlich eine Machtoption zu haben. Die besaß Scholz in den dunklen Herbsttagen 2020 nicht und die hatte seine Partei auch im Frühsommer 2021 nicht. Er war ein Kandidat von der traurigen Gestalt, über den Hauptstadtjournalisten witzelten. Damit handelte sich das Kandidatenrennen in der Anfangsphase des Frühjahrs eben um ein Duell.

Heute besitzt die Grünen-Kandidatin keine Machtoption mehr. Sie steht einer 18-Prozent-Partei vor und damit wird man in der Demokratie nicht gewählt. Nachdem jede Chance verspielt wurde, größte Partei zu werden bleiben nur die theoretischen Optionen Grün-Rot-Rot und Ampel. Erste Bedingung, und diesmal nicht die wichtigste, wäre, dass die Grünen überhaupt vor der SPD landen. Der Trend spricht eindeutig dagegen, nacheinander setzen die Demoskopen die Partei hinter die eigentlich abgehalfterte SPD. Dazu bracht es einige Phantasie anzunehmen, die linken Parteien könnten eine Mehrheit stellen, die sie in den letzten zwei Bundestagswahlen nicht zustande gebracht haben. Zumindest nicht im Elektorat.

Realpolitisch bleibt nur die Ampel. Dass die SPD sich für so ein Projekt einspannen ließe, gilt in Berlin keineswegs als gesichert. Dass die FDP Baerbock nicht zur Kanzler:in wählen wird, dagegen schon. Das ist dann pure Mathematik. Wenn die Ampel von der Zahl der Mandate möglich ist, dann ist es Jamaika auch. Christian Lindner pflegt seit den Tagen der Regierungsbildung in NRW 2017 ein freundschaftliches Verhältnis zu Armin Laschet, welches auch die gegenseitige Enttäuschung während der Jamaika-Sondierungen überlebt hat. Zu Scholz, so heißt es, besteht eine vertrauensvolle Beziehung. Auch zur Grünen-Partei bestehen aus den Erfahrungen von 2017 engere Connections, Baerbock soll jedoch nicht eingebunden sein.

Die Präferenzen für die Liberalen, die aller Wahrscheinlichkeit nach im Herbst Königsmacher werden, sind danach klar. Ein Jamaika-Bündnis bleibt die Priorität, doch auch Olaf Scholz könnte unter Bedingungen auf die Stimmen der FDP hoffen. Baerbock ist dagegen out.

Die Wähler registrieren das. Eine politische Partei, die keine echte Machtoption besitzt, verliert rapide an Zustimmung. Obwohl die Flutkatastrophe im Juli und das Afghanistan-Desaster im August den Grünen Höhenflüge hätten bescheren müssen, verliert sie nun nach einer kurzen Konsolidierung und fällt in Umfragen hinter die SPD zurück. Es fehlt dazu die Phantasie, diesen Trend noch einmal drehen zu können, wenn schon eine Naturkatastrophe nicht auf das Konto der Grünen einzahlt.

Kann überhaupt einer der Kandidaten Kanzler? Sicher erscheint derzeit nur: einer wird es. Die Frage ist, wer könnte es? Schauen wir auf das Tableau:

Annalena Baerbock

Auch wenn ihre Chancen im Bereich von Null rangieren, doch nach das Kanzleramt – auch wenn die Grünen es nicht wahrhaben wollen, die oberstes Bundesbehörde heißt unabhängig vom Geschlecht des Regierungschefs so – erobern zu können, so ist die Vierzigjährige doch offiziell Kandidatin ihrer Partei. Ihr Start war fulminant, plötzlich wünschten Menschen Frau Baerbock als zukünftige Regentin, die noch Wochen zuvor den Namen nie gehört hatten. Wie ihre Partei in den vergangenen Jahren, so war die Mutter zweier kleiner Kinder Projektionsfläche für die Hoffnungen jener geworden, die nach Merkel frischen Wind wollen. Jung, frisch, unverbraucht – Zuschreibungen, die in bestimmten Phasen den Aufstieg von Politikern beflügeln können.

Dabei gab es Zeichen, die eine Warnung hätten sein können. Monate zuvor fingen die Fernsehkameras die amtierende Kanzlerin im vertrauten Gespräch mit Baerbock ein, mitten im Deutschen Bundestag. Deuter des Hofes lasen dies als Indiz, eigentlich sei die Grüne Wunschnachfolgerin Merkels. Merkels schlechte Menschenkenntnis, wenn es um die Auswahl von Spitzenpersonal geht, ist legendär. Wen die Bundeskanzlerin für Ämter erkor, floppte: Bundespräsidentabbrecher Horst Köhler, die Kurzzeit-CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, der Steuerreformator Paul Kirchhof. In den Runden um europäische Spitzenpositionen spielte Deutschland in der Ägide Merkels gar nicht mit. Das Menetekel nahm seinen Lauf.

Karrierefrau ohne Inhalt

Baerbock, überehrgeizig, blieb eine Hülle. Eigene Gedanken sind von ihr nicht überliefert, es blieben allein ihre Copy&Paste-Künste haften. Die wichtigste Rede ihrer Karriere hielt sie beim Nominierungsparteitag und geriet zum Flop. Ihre eigenen Worte waren noch drastischer. Hatte ihr Co-Vorsitzender 48 Stunden zuvor noch in freier Rede eigene Akzente zur Interpretation von Freiheit geliefert, las die Frau mit Führungsanspruch das Programm ihrer Partei vom Blatt ab.

Sie gilt bei ihren Befürwortern als zielstrebig, bringt aber kein Projekt zu Ende, selbst wenn es um ihr eigenes Leben geht. Sechs Jahre studiert, ohne Abschluss. Offiziell fünf Jahre Promotion betrieben, ohne jedes Ergebnis. Ihre einzige berufliche Tätigkeit außerhalb der Politik war eine dreijährige freie Mitarbeit bei einer regionalen Zeitung, für die sie in dem Zeitraum etwas mehr als ein Dutzend Artikel, allerdings für die Schülerausgabe, verfasst hat. Auf den einleitenden Hauptsatz im BURDA-Wohlfühlinterview, sie sei ein sehr selbstkritischer Mensch, folgte die wehleidige Anklage, sie werde unfair behandelt.

Bei Führungskräften der Wirtschaft wird ihre Selbstgenehmigung eines Corona-Bonus als No-Go klassifiziert. Ihr aufschneiderisches Gehabe gegenüber Robert Habeck in einem gemeinsamen Fernsehinterview zeigt sie als Person, die nur das Ich kennt. Im Wahlkampf zeigte sie sich ohne Empathie für die Opfer einer teuren Klimaschutzpolitik, die meisten Themen scheinen sie ohnehin nicht zu interessieren.

Über Organisationstalent verfügt sie nicht. Unter ihren Augen als Vorsitzende konnte der Kassenwart die brandenburgische Partei um 270.000 Euro erleichtern. Das von ihr zusammengestellte Wahlkampfteam unterließ zuerst die Basics die Schwachstellen der eigenen Kampagne auszuleuchten um dann unter Druck die jahrelang erfolgreiche Strategie der Grünen als Partei der Mitte zu konterkarieren. Baerbock selbst agiert unter Druck fahrig, aggressiv und versteckt sich bei Angriffen. Weder rechtfertigt sie sich, noch erklärt sie noch stellt sie sich kritischen Journalisten.

Fazit keine stressresistente Politikerin. Entsprechend miserabel sind ihre Persönlichkeitswerte. Ihre Glaubwürdigkeitswerte sind unterirdisch, Kompetenz wird ihr nicht bescheinigt. Dagegen gilt sie als durchsetzungsfähig und charismatischer als ihre Mitbewerber.

Armin Laschet

Der CDU-Vorsitzende gilt automatisch als großer Favorit, wenn es um die Führung einer deutschen Regierung geht. Das galt bis zur Nominierung Laschets unter spektakulären bis fragwürdigen Umständen ebenfalls. Die beliebteste Einschätzung über den Aachener ist gleichzeitig falsch. Es heißt, Laschet wäre die meiste Zeit in seiner Karriere unterschätzt worden. Eine solche Bewertung suggeriert, dass jemand mehr Potential besitzt, als ihm gemeinhin bescheinigt wird.

Aus dem Mittelmaß an die Spitze

Die politische Karriere des heute Sechzigjährigen dümpelte sehr lange vor sich hin, für einen Politiker mit wirklichem Format zu lange. Als er vor gut vier Jahren zum Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen gewählt wurde, war das überraschend. Erdrutschartige Verluste für die zuvor regierenden Sozialdemokraten und Grünen brachten ihn dank starker FDP ins Amt. Überzeugt waren die Menschen an Rhein und Ruhr keineswegs.

Das gilt selbst heute, obwohl sich Laschets Regierungsbilanz auf den relevanten Feldern Wirtschaft, Finanzen, Klimaschutz und innere Sicherheit durchaus sehen lassen kann. Doch der Rheinländer ist keine Führungspersönlichkeit, er zögert und zaudert, wo zupackendes Handeln notwendig wäre. 2018 traute Laschet sich nicht, nach dem CDU-Vorsitz zu greifen, zu mächtig erschienen ihm Merkels Bataillone, welche Annegret Kramp-Karrenbauer favorisierten. Nach deren selbstverschuldeten Rücktritt 2020 hatte er die lange Bedenkzeit genutzt und trat im Tandem mit Jens Spahn an.

Seine Wahl war wie zuvor die zum Landesparteivorsitzenden wie Ministerpräsidenten keine aus Überzeugung, sondern als Verhinderungskandidat. Kein Wunder also, dass Laschet nicht als Persönlichkeit geschätzt wird. Friedrich Merz, ein Politiker mit sehr kantigem Charakter, sollte verhindert werden. Als das geschafft war, galt es für die alten Parteigranden, den ebenfalls eher kantigen, agilen Markus Söder zu verhindern. Der Hesse Volker Bouffier und der Grand Senior Wolfgang Schäuble ebneten Laschet den Weg zur Kanzlerkandidatur.

Wie bei Baerbock gilt auch für Laschet: die falschen Befürworter. Schäuble ist zwar in der CDU weithin geachtet, auf seine Ratschläge hörte die Partei jedoch selten und das aus guten Gründen. 1998 steuerte die Union mit Schäuble im Beifahrersitz sehenden Auges in eine krachende Niederlage. Die anschließende Zeit als Vorsitzender endete für ihn persönlich blamabel und für die CDU im Spendenmorast. Erst bufften die alten Herren der Christdemokraten Markus Söder aus, da sie eine Kandidatur des Bayern als Gefahr für den Bestand der CDU sahen. Anschließend nötigten sie das Präsidium ihrer Partei zur Nominierung Laschet an dem Votum der Basis vorbei.

Dem Ministerpräsidenten fehlt jede persönliche Statur. Er gilt als nett, als gläubiger Katholik, als Umarmer, emphatisch. Das alles macht ihn zu einem sympathischen Menschen. Zu einem guten Kanzler macht es ihn nicht. Seine Regierung in Düsseldorf wird von starken Ministern und Helfern getragen. Genauso ist es in der CDU-Parteizentrale, wo der Generalsekretär Paul Ziemiak den Kampagnenstil und die moderne Kommunikationsstrategie vorgibt. Doch jede Zentrale braucht einen Chef.

Kein Anführer

Laschet ist kein Chef. Er war Zeit seiner Karriere Mitläufer, intellektuell überschaubar und charakterlich eher chaotisch organisiert. Die Geschichte mit den verschwundenen Klausuren ist längst medial durchexerziert und vom Wähler am Rhein aufgearbeitet. Der Fehler sollte ihm nicht bis an sein Lebensende vorgehalten werden. Aber sein Verhalten gibt Einblick in die Person. Nicht nur verschlampte er die Klausuren der Studenten, anschließend fehlte ihm der Überblick. Vor allem aber stand er nicht zu seinem Fehler, der nicht zu vertuschen war, sondern manipulierte in einer Form, dass die Universität das Vertrauensverhältnis zerstört sah.

Schnelles Denken liegt Laschet nicht. Da ist dieses Bild des armen Tropfs bei Markus Lanz, der, nachdem die Bundeskanzlerin ihn vor einem Millionenpublikum in den Senkel gestellt hatte, von dem erfahrenen Interviewer nach allen Regeln der journalistischen Kunst auseinandergenommen wurde. Sprachlos war dann noch die freundlichste Umschreibung der Unfähigkeit, die eigene Position darzustellen.

Seit dem Wochenende gibt es einen Clip, der in seinem Ausmaß mindestens genauso verheerend wirkt. Während des Haustürwahlkampfs von einer FOCUS-Journalistin begleitet, benennt Laschet Digitalisierung und Klimaschutz als wichtigste Projekte seiner kommenden Regierung. Arg verschwubbelt, wie es seine Art ist, muss hier ergänzt werden. Außer politischer Plastiksprache ist da kein inhaltliches Verständnis. Auf die Nachfrage zu einem dritten Thema gibt sich der Kanzlerkandidat überrascht und selbst nach Sekunden des Nachdenkens fällt ihm nichts ein. Selten gab es ein peinlicheres Bild eines Politikers, der nach seinen Absichten gefragt stotternd zugestehen muss, keine zu haben.

Fazit Einer der nettesten Spitzenpolitiker. Leider ist das schon alles, was sich Positives über Armin Laschet sagen lässt. Ohne Charisma, ohne offensichtlichen Plan, ja ohne erkennbaren Gestaltungswillen erscheint der 60jährige wie die Wurzel aus der amtierenden Kanzlerin, mit einem Schuss Chaos angereichert.

Olaf Scholz

Der spröde Hanseat avanciert zum Shootingstar des Wahlkampfes. Niemand hatte den SPD-Politiker auf der Rechnung und nun rollt er das Feld von hinten auf. Von Beginn an bemühte sich Scholz wie eine Kopie der Theologentochter wahrgenommen zu werden. Erfahren, ausgebufft kennt der Finanzminister die meisten politischen Winkelzüge. Er gehört längst zum Inventar des Landes, die meisten Deutschen haben ein Bild von demjenigen, der schon als Generalsekretär unter Gerhard Schröder eine eher unglückliche Figur abgab.

Wer ist Olaf Scholz?

Die Deutschen kennen Scholz. Doch kennen sie ihn wirklich? Der heute 63jährige ist das Stehaufmännchen und Chamäleon der deutschen Politik. Als Verfechter der Agenda 2010 von seiner Partei mehrfach abgestraft, avancierte er nach einem Intermezzo als Bundesarbeitsminister 2011 zum Stadtfürsten von Hamburg. Später gelang ihm sogar die absolute Mehrheit in seiner Wahlheimat, Scholz war auf dem Höhepunkt seines öffentlichen Ansehens angekommen. Dann kam der G20-Gipfel und während der Erste Bürgermeister mit Donald Trump und anderen Größen der Weltpolitik in der Elbphilharmonie klassischer Musik lauschte, brannte seine Stadt. Globalisierungsgegner und linke Chaoten sorgten in der Hansestadt für bürgerkriegsähnliche Zustände.

Der Stern des gebürtigen Osnabrückers begann zu sinken, da wurde die SPD 2017 ein weiteres Mal in eine Koalition mit der Union gezwungen. Scholz gab fortan eine weitere Kopie, die des roten Wolfgang Schäubles als Finanzministers. Auch diese Rolle nahmen ihm die Bürger ab, irgendwie nahm niemand davon Kenntnis, dass nun ein Sozialdemokrat über den Haushalt wachte.

Die Implosion seiner Partei mit dem X-ten Rücktritt eines Vorsitzenden konnte Olaf Scholz dagegen nicht nutzen. So geachtet er in der Bevölkerung ist, in der SPD stößt er in Teilen sogar auf Verachtung. Saskia Esken sprach ihm gar die Eignung als Sozialdemokrat ab. Ironie der Geschichte, dass die als Antipoden angetretenen neuen Parteivorsitzenden Scholz nach seiner demütigenden Niederlage zum Kanzlerkandidaten machten.

Es bleibt der Geruch, dass Scholz Kandidat von Gnaden Eskens und Kühnert ist. So leise der Finanzminister auftritt, so konturlos und schwach ist er doch politisch. Scholz kann alles vertreten, mehr Eigenverantwortung für Arbeitslose und die Abschaffung der Arbeitsmarktreformen. Internationale Mindestbesteuerung und pauschale Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge, mehr Regulierung der Finanzmärkte und fehlende Finanzaufsicht, Agitieren gegen Cum-ex und Dealen mit Cum-ex-Profiteuren, der Wetterwendische hat alles im Programm.

Die größten Skandale der letzten Jahre, in deren Zentrum der SPD-Politiker steht, können ihm nichts anhaben. Den G20-Gipfel haben die meisten außer ein paar Hamburgern längst vergessen, die Schonung der altehrwürdigen Warburg Bank wegen ihrer illegalen Cum-ex-Geschäfte und das Aufsichtsdesaster rund um den Zusammenbruch des DAX-Konzerns Wirecard können schon allein wegen ihrer Komplexität dem Tausendsassa nichts anhaben. Stressresistent hielt Scholz zwei gleichzeitig standfindenden Untersuchungsausschüssen stand, wenn auch oft mit der Ausrede der Vergesslichkeit. Druck kann Scholz im Gegensatz zu seinen Konkurrenten.

Es bleibt seine mangelhafte politische Durchsetzungskraft und die Selbstdarstellung, die mit dem Können nicht Schritt hält. So bedurfte es einer neuen Administration in Washington, damit auf internationaler Ebene eine Mindestbesteuerung für Konzerne durchgesetzt werden konnte. Das Lieblingsprojekt des Finanzpolitikers Scholz -eigentlich Rechtsanwalt für Arbeitsrecht – der Finanztransaktionssteuer liegt dafür auf Halde. Die versprochene schnelle Auszahlung der Hilfsgelder im Zuge der Coronakrise misslang selbst nach Monaten, Bürokratie dominiert dort, wo unbürokratisches Handeln beabsichtigt war. Auch sein Versprechen, im Juni für 10 Millionen wöchentliche Impfungen persönlich gesorgt zu haben, geriet arg zu großspurig.

Scholz‘ Achillesfersen

Wer Scholz will, bekommt Esken und Kühnert und schlimmstenfalls die Linksextremistin Janine Wissler mit. Der Sozialdemokrat macht da keine Standesunterschiede, so der zweifellose Eindruck. Ohne Not kürte er vor kurzem seine in bürgerlichen Kreisen verhasste Parteivorsitzende zur ministrablen Person. Es war nicht der einzige Unforced Error. Als wichtigstes Ziel einer von ihm geführten Regierung gibt Scholz die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro aus.

Die Forderung offenbart politische Instinktlosigkeit. Es ist das eine, dass es in über 15 Jahren keiner Partei gelungen ist, mit der Forderung nach Mindestlöhnen und deren Erhöhung in Bundes- wie Landtagswahlen messbaren Erfolg gehabt zu haben. Die SPD ist es gewöhnt gegen Betonmauern zu laufen und zu glauben, die Mauer könne nachgeben. Vor allem erschwert Olaf Scholz damit erheblich die Bildung einer Ampelkoalition unter Einschluss der FDP.

Das Problem mit der zentralen Wahlkampfforderung ist nicht, dass eine deutliche Erhöhung der Lohnuntergrenze bei liberalen Wählern als wirtschaftsfeindlich angesehen wird. Wenn es das wäre, ließen sich Kompromisse finden. Doch die Festlegung des Mindestlohns durch die Regierung würde ein zentrales Versprechen der Politik brechen. Bei seiner Einführung 2015 wurden Kritikern zugesagt, dass zukünftig die Höhe dem parteipolitischen Wettbewerb entzogen würde, in dem allein eine unabhängige Kommission über den geltenden Mindestlohn befindet. Der Eingriff des Gesetzgebers durch eine neue Bundesregierung wäre ein eklatanter Bruch mit dem vereinbarten rechtsstaatlichen Prinzip.

Sollte Scholz im Herbst tatsächlich eine Ampelkoalition zimmern wollen, wird er entweder sein ausgegebenes Versprechen einkassieren oder von der FDP das Einverständnis erpressen müssen, einen wichtigen Parameter der Arbeitsmarktpolitik dauerhaft zu verschieben. Politisch klug war das nicht, eine Entweder-Oder-Position mit einem potentiellen Koalitionspartner zu konstruieren.

Fazit Scholz ist der Kompromisskandidat für all jene, die an der Unfähigkeit von Laschet und Baerbock verzweifeln. Der unprätentiöse Sozialdemokrat ist die konsequente Fortsetzung einer politischen Haltung, die nicht Position bezieht und keine Verantwortung trägt. Scholz Fortüne ist mit dem Wahlabend aufgebraucht, aber er wäre immerhin eine ehrliche Wahl, wo das Land steht.

Bestraft der Wähler die Arroganz der Parteien?

Der Wahlausgang verspricht spannend zu werden, doch diese Spannung ist vor allem der Unvermögen der Parteien geschuldet, fähige Politiker hervorzubringen und an die Spitze zu stellen. Mit der Union und den Grünen haben zwei der führenden Parteien drittklassige Parteipolitiker zur Eroberung des Kanzleramtes nominiert und die Raubtiere des Wahlkampfs auf die Ersatzbank verbannt. Laschet und Baerbock – zwei Politiker, die in einer offenen Feldschlacht keinen Stich bekommen hätten, sicherten sich die Kandidatur durch Verfahrenstricks und ihre Parteien schauten zu.

Union und Grüne sind damit in einer Form altmodisch, wie es für den außenstehenden Beobachter unerträglich ist. Wenn Politik gerecht ist, würden beide Parteien als Strafe auf die Oppositionsbänke verwiesen als Denkanstoß, dem Wähler die denkbar besten Kandidaten zu präsentieren und nicht die besten Kungelmeister. Das hat Deutschland nämlich nicht verdient.

{ 166 comments… add one }
  • Erwin Gabriel 22. August 2021, 23:34

    Passt

    • Stefan Pietsch 23. August 2021, 00:30

      Gefällt Dir wenigstens die Collage? 🙂

      • Erwin Gabriel 23. August 2021, 12:12

        Bin neidisch!

      • Stefan Sasse 23. August 2021, 14:36

        Hübsch geworden!

        • Stefan Pietsch 23. August 2021, 19:37

          Danke! Das wollte ich auch mal hören. Ist wie bei einer Frau, die nicht auf ihr Äußeres reduziert werden will, ein Kompliment über ihr Aussehen aber gerne kassiert. Kostet ja auch Zeit. Die Collage meine ich. 🙂

          • Stefan Sasse 23. August 2021, 20:43

            lol
            Ich hab auch deine Substanz gelobt 😉

          • Erwin Gabriel 23. August 2021, 22:48

            @ Stefan Pietsch 23. August 2021, 19:37

            Ist wie bei einer Frau, die nicht auf ihr Äußeres reduziert werden will, ein Kompliment über ihr Aussehen aber gerne kassiert.

            Alter Chauvi. Bist anscheinend einmal zu oft auf Dein Aussehen reduziert worden 🙂

  • Kning4711 22. August 2021, 23:39

    Stimme zu, in einer der wichtigsten Wahlen der deutschen Nachkriegsgeschichte, präsentieren uns die Parteien Fliegengewichte.

    Ich frage mich, wen anders außer Söder hätte die Union aufbieten sollen? Es gab weder unter den CDU Ministern, noch Ministerpräsidenten einen gesetzten Kronprinz. Merkels Bärendienst für Ihre Partei war es, nicht für einen Nachfolger gesorgt zu haben. Schlimmer noch, man bekommt zunehmend den Eindruck Merkel sei die CDU völlig egal. Ich bin sehr gespannt, wer nach Laschet ans Ruder kommt – wird es einen konservativen Aufstand geben, oder kommen andere Modernisier in Verantwortung?

    Die Grünen werden schon oft geflucht haben. Mit Robert Habeck an der Spitze würden sie wahrscheinlich auf bestem Kurs ins Kanzleramt sein. Stattdessen wird es eine Hängepartie um den dritten Platz. Das ministrable Personaltableau ist ordentlich, bin gespannt ob es für die rotgeführte Ampel reicht.

    Scholz hat heute erklärt, dass er nicht Parteivorsitzender der SPD werden möchte. Natürlich will er mitten im Wahlkampf kein Fass aufmachen, spricht aber Bände über seinen Führungsanspruch. Ihm fehlt ein Verbündeter – in der Regie der SPD Führung wirkt er einsam und entrückt. Wenngleich diese Differenz zwischen Kandidat und Programm bislang erstaunlich gut kaschiert wird. Ich glaube er ist das geringste Übel und daher wird er wohl Kanzler.

    Bei der FDP bin ich sehr gespannt. Es kann gut sein, dass Sie das 2009er Ergebnis toppen kann. Euphoriker sehen sogar die FDP vor den Grünen, halte ich aber noch für Wunschdenken.

    Der Anteil der Sonstigen wird immer größer, kenne aber keine Details. Hätte eine siebte Kraft z.B. Freie Wähler / Volt noch eine Chance auf den Bundestag. Es würde dann nochmal sehr sehr interessant werden…

    • Stefan Pietsch 23. August 2021, 00:29

      Es ist nicht so, dass das Land kanzlertaugliche Politiker im Dutzend hätte. Auch nicht in der Vergangenheit. Weder Jochen Vogel, Björn Engholm noch Rudolph Scharping hatten das notwendige Format, aber es gab ja Helmut Kohl. Der allerdings galt auch lange nicht als dem Amt gewachsen.

      Dennoch, so aus Schwäche und eigener Selbstherrlichkeit wurde zuvor keiner aufgestellt. CDU und Grüne sparten sich gleich das Testen durch innerparteiliche Kämpfe und überließen das Wiegen Journalisten und Bloggern.

      Der Bürger hat meist ein besseres Gespür, wer das Land führen und repräsentieren kann. Das Verdikt zu Laschet war früh: Daumen runter, lange bevor er beweisen konnte, dass ihn die Aufgabe überfordert. Drei von vier Deutschen lehnen den CDU-Bewerber ab, so lässt sich kein Führungsanspruch aufrecht erhalten. Ein selbstkritischer Mensch kennt seine Grenzen. Hannelore Kraft kannte sie, auch wenn ihr das als Schwäche ausgelegt wurde. Stephan Weil in Niedersachsen scheint sie auch zu kennen.

      Anders als in der Wirtschaft ist es in der Politik nicht an den Amtsinhabern, Nachfolgekandidaten aufzubauen. Selbst jene, die es versuchten, scheiterten. Kohl sah Schäuble als seinen natürlichen Nachfolger, später wurde es Angela Merkel. Schäuble blieb immer ein guter zweiter Mann. Schröder wünschte sich Frank-Walter Steinmeier als Kanzler in der Ära nach ihm. Doch auch der Niedersachse ließ nie entsprechendes politische Können aufblitzen. Und die Geschichte Merkel / Kramp-Karrenbauer kennt jeder.

      Die Grünen hatten eine einmalige historische Gelegenheit. Einen dermaßen schwachen Kandidaten wie Laschet wird man auch in Zukunft suchen müssen, einige Talente hat die Union ja trotzdem, die es an politischem Gewicht und Können mit Baerbock aufnehmen können. Weggeworfen haben die Grünen diese Chance für die Überzeugung an das Frauenstatut der Partei. Alles hat seinen Preis, manchmal sogar die Macht.

      2017 erreichten die Liberalen knapp 11%. Das ist, berücksichtigt man die Ergebnisse der vergangenen 15 Jahre, eher am unteren Ende ihrer Möglichkeiten. Die 15% von 2009 makierten das vorläufige Maximum. Angesichts der Stabilisierung der Partei, ihrer stärkeren Profilierung in der Pandemie wie bei ihrem neuen Kernthema Digitalisierung ist zusammen mit Arbitrage-Gewinnen durch eine schlappe bürgerliche Konkurrenz mit einem deutlich höheren Ergebnis zu rechnen. Alles andere muss als Enttäuschung gewertet werden. Deswegen erwarte ich einen Zieleinlauf bei 13-15 Prozent, möglich ist aber auch nach Ansicht von Demoskopen ein Rekord von 16-18 Prozent, wenn es in den Tagen vor der Wahl zu Paniküberläufen von der Union kommt. Damit allerdings könnten die Liberalen tatsächlich noch auf Platz 3 rutschen.

      Im Augenblick nehmen die Sonstigen eher etwas ab. Die Freien Wähler scheinen doch nicht den Durchbruch zu schaffen. Auf der anderen Seite glaube ich, dass der Trend nun die SPD auf Platz 1 schieben wird. Das wäre eine Sensation. Laschet hat zwar versprochen zu kämpfen, aber wie will er das Ding noch drehen? Ihm fehlt jedes Talent für den politischen Kampf. Schauen Sie den Clip, achten Sie noch auf seine hilflose Sprache, wenn er erklärt, was zu tun sei. Wer es mit der CDU hält, dem muss Schlimmes schwanen, denn in den Fernsehduellen geht es um Improvisation, um zu punkten. Das kann keiner der Kandidaten.

  • sol1 22. August 2021, 23:42

    Ich habe schon nach einer Minute aufgehört zu lesen, denn warum das Rumreiten auf den aktuellen Umfragezahlen Quatsch ist, erfährt man hier:

    https://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundestagswahl-warum-der-kampf-ums-kanzleramt-laengst-nicht-entschieden-ist-a-29b3da15-5e36-4723-a772-28af2e93ec02

    • Stefan Pietsch 23. August 2021, 00:03

      Der Artikel geht nicht um den Stand der Umfragen.

      • sol1 23. August 2021, 11:30

        Warum soll ich mir etwas über angeblich unfähige Kandidaten von jemandem erzählen lassen, der selbst unfähig ist, seine Tirade vernünftig zu strukturieren?

        Schau dir das neue Video von Rezo an – der weiß, wie man sein Publikum bei der Stange hält.

        • Erwin Gabriel 23. August 2021, 12:30

          @ sol1 23. August 2021, 11:30

          Schau dir das neue Video von Rezo an – der weiß, wie man sein Publikum bei der Stange hält.

          Du schaust Rezo und wirfst Stefan die „Unfähigkeit“ vor, seine „Tirade“ vernünftig zu strukturieren? Da fehlen Dir aber noch einige Blicke in den Spiegel.

          Genauso wenig, wie Du Dich von einfachen Fakten von Deinem Weltbild abbringen lässt, lassen sich andere abbringen – die eigene Prägung, die eigenen Vorlieben spiele eine entscheidende Rolle bei der Bewertung von Fakten und Situationen.

          Dir sei Die eigene Prägung von Herzen gegönnt, aber Du solltest verstehen, welchen Einfluss sie auf Deine Wahrnehmung hat. Du bist genauso wenig wie ich, Stefan Pietsch, Stefan Sasse oder Rezo im Besitz der allein seligmachenden Wahrheit (die gibt es so nicht), sondern hast (wie alle anderen auch) NUR einen bestimmten Blickwinkel auf einen kleinen Ausschnitt des Geschehens. Dessen solltest Du Dir bewusst sein, sonst wird Dein Urteil zwangsläufig hohl bleiben.

          Ansonsten: Vieles von dem, was Rezo sagt, ist nicht von der Hand zu weisen, Einiges deckt sich durchaus mit dem, was Stefan Pietsch über die CDU schreibt. Und dass, wenn die jungen Menschen nicht wählen gehen, Politik nur für alte Menschen gemacht wird, sind auch Feststellungen, die etwa von mir und den beiden Stefans schon vertreten und auch heftig kritisiert wurden.

          • sol1 23. August 2021, 17:31

            „Du bist genauso wenig wie ich, Stefan Pietsch, Stefan Sasse oder Rezo im Besitz der allein seligmachenden Wahrheit…“

            Ich schreibe aber im Unterschied zu Stefan Pietsch nicht so, als ob ich in deren Besitz wäre.

            • Erwin Gabriel 23. August 2021, 22:49

              @ sol1 23. August 2021, 17:31

              Ich schreibe aber im Unterschied zu Stefan Pietsch nicht so, als ob ich in deren Besitz wäre.

              Na klar tust Du das ..

      • Erwin Gabriel 23. August 2021, 14:19

        @ Stefan Pietsch 23. August 2021, 00:03

        Der Artikel geht nicht um den Stand der Umfragen.

        Es sagt doch, dass er den Artikel nicht gelesen hat.

  • Floor Acita 23. August 2021, 08:45

    Ich stimme grösstenteils zu. Einziger Unterschied in meiner Einschätzung ist die Person Robert Habeck. Ich glaube nicht an einen allzu verschiedenen Verlauf des Wahlkampfs, sehe das Problem leider eher strukturell bei den Grünen. Wirklich zufrieden kann am Ende leider niemand wirklich sein, insbesondere die Bürger/Wähler. Dennoch bleibt aufgrund der Arithmetik Tatsache, dass sowohl FDP als auch Grüne beste Chancen haben an einer Regierung beteiligt zu sein…

    • CitizenK 23. August 2021, 10:19

      … und sich gegenseitig blockieren?

      • Floor Acita 23. August 2021, 19:12

        Kenia oder Deutschland würde bedeuten, dass entweder die FDP oder die Grünen Steigbügelhalter der jetzigen Regierungskoalition / als solche gesehen werden würden. Zumal SPD oder Union Bock haben müssten ein drittes Mal miteinander zu regieren. Bleibt Jamaika oder Ampel, da kommen jeweils beide zum Zug. Stefan Sasse hat hinreichend erleutert warum niemand Linke oder AfD einbinden wird. Ich sehe zwar die Ursachen etwas anders, der Schlussfolgerung stimme ich aber zu.

        In der Regierung wären Blockaden denkbar, vielleicht war es so gemeint. Wenn beide aber nicht ganz blöd sind, erkennen sie vielleicht das Zukunftspotential. Ich habe im Kommentar zu Stefan Sasses letztem Artikel erleutert, warum ich beide als (neue) Mitte sehe. Wenn man das Liberale „spaltet“, sich Grüne als Sozialliberal, die FDP als Wirtschaftsliberal positioniert und beide das zur jeweiligen Priorität machen, kann sich die FDP für Konservative, die Grünen für Sozialdemokraten öffnen und beide habenso das Potential zu (den) neuen Volksparteien zu werden. Ideologisch weiter entfernt als SPD / CDU („Blockadeparteien“, „Modernisierungsverweigerer“), aber GroKo 66 bedeutete ja auch was anderes als Merkel Koalition. Ehrliche Kompromisse, harte Kompromisse, aber so modern wie nötig (im Gegensatz zu den Blockierern / der „alten Garde“) ohne gleich alles über Bord werfen zu wollen (wie die Radikalinskis von Linke/AfD). Wo liegen Prioritäten, wie kommen wir zu Lösungen – das ist das polarisierende Element. Ist das nicht ein schönes Narrativ für ein eben doch nach wie vor liberal-demokratisches Deutschland des 21. Jahrhunderts?

        • Stefan Pietsch 23. August 2021, 20:22

          Wenn man das Liberale „spaltet“, sich Grüne als Sozialliberal, die FDP als Wirtschaftsliberal positioniert und beide das zur jeweiligen Priorität machen, kann sich die FDP für Konservative, die Grünen für Sozialdemokraten öffnen

          Halte ich für realitätsferne Theorie. Heute wählen selbst Arbeiter und Arbeitslose häufiger FDP als Grün. Was soll da linksliberal sein? Die Grünen sind von ihrem Profil her eine Großstadtpartei mit ihren wichtigsten Unterstützern an den Universitäten und im öffentlichen Dienst. Auf dem Land und dort, wo der ÖR seltener zu finden sind, bleiben sie sehr gering einstellig. Was also soll da linksliberal sein? Man kann ja auch sagen: akademisch.

          • Stefan Sasse 23. August 2021, 20:56

            Ist natürlich korrekt – 8% der Arbeiter*innen wählten 2017 FDP, 5% Grüne. Arbeitslose sind sie gleichauf mit 7%. Siehe hier:
            https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2017-09-24-BT-DE/umfrage-job.shtml

            • Stefan Pietsch 23. August 2021, 21:41

              Ich hatte vergessen (wirklich!) zu ergänzen: auf niedrigem Niveau.

              • Stefan Sasse 24. August 2021, 15:31

                Stimmt schon, aber da sind die Unterschiede praktisch bedeutungslos.

          • Floor Acita 23. August 2021, 21:20

            Beide Parteien müssten sich natürlich verändern / ich hatte ja von Öffnung gesprochen. Ich hätte vielleicht auch gesellschaftspolitisch liberal, anstelle von sozialliberal schreiben sollen, aber warum ist „Arbeiter und Arbeitslose“ der Massstab? Ich sehe es so, wer liberale Gesellschaftspolitik priorisiert und mit sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik leben kann oder umgekehrt könnte zukünftig grün wählen, wer liberale Wirtschaftspolitik priorisiert, dagegen mit konservativer Gesellschaftspolitik leben kann oder umgekehrt würde dagegen bei der FDP eine Heimat finden…

            • Stefan Pietsch 23. August 2021, 22:41

              Ich sehe beide Parteien nicht so. Da passt eher Stefans Modell. Parteienforscher kategorisieren auch nicht strikt rechts / links, sondern zukunftsgewandt / weltoffen versus traditionell / reaktionär. Grüne und AfD makieren dabei die Extrempunkte, was passt, da zwischen beiden Parteien praktisch kein Wähleraustausch stattfindet. Die Linke befindet sich da in der Nähe der AfD. Die Union, SPD und FDP befinden sich in unterschiedlichen Proportionen in der Mitte.

              Grüne wie auch die FDP sind sehr stark Milieu-Parteien. Bei der Umweltpartei ist es vielleicht noch stärker ausgeprägt.

              Was ist liberale Gesellschaftspolitik? In der Pandemie begehrte die FDP deutlich, aber seriös gegen schlecht begründete Einschränkungen der Bürgerrechte auf, während die Grünen streng an der Seite der konservativen Parteien von Union und SPD standen. Geht es um Minderheitenrechte wie LGBTQ, dann bespielen nicht nur die Grünen, sondern auch die LINKE und die Esken-SPD das gleiche Feld. Geht es um digitale Rechte, sind Grüne und Liberale dabei, wobei die FDP einen weiteren Winkel auflegt.

              Klimapolitik lässt sich nicht so kategorisieren, hier geht es vor allem um unterschiedliche Weltanschauungen: Markt versus ordnungspolitische Maßnahmen. Und die Gesellschaftspolitik ist keineswegs konservativ, bei 218a, Minderheitenrechten für LGBTQ und anderes liegen sie nicht weit von den Grünen. Ich bin daher in solchen Fragen auch eindeutig ein Konservativer, wenn auch nicht in meiner Gesamtfärbung.

              • Floor Acita 24. August 2021, 09:08

                Ich will zunächst nochmal betonen, dass es mir weniger um Analyse, mehr um Strategie geht. Der Strang startete mit der Feststellung Grüne und FDP würden sich gegenseitig blockieren. Da das für die Regierungsbildung fast ausgeschlossen ist, habe ich mich mehr darauf konzentriert wie sie sich in einer Regierung verhalten / sich stragegisch ausrichten sollten…

                „Da passt eher Stefans Modell […] Grüne und AfD makieren dabei die Extrempunkte […] Die Linke befindet sich da in der Nähe der AfD. Die Union, SPD und FDP befinden sich in unterschiedlichen Proportionen in der Mitte.“

                Vielleicht meinen Die das mit „eher“, aber das ist ja schon im Widerspruch zu Stefans Modell. Ich hatte ein Problem mit Grüne/FDP als Kontrapunkte zu Linke/AfD (wobei er später wieder schrieb 4 Parteien seien in der Mitte), bei Ihnen stehen nun nur die AfD und die Grünen an Polen, explizit nur 3 Parteien in der Mitte. Die FDP befindet sich dabei offensichtlich nicht vergleichbar „in der Nähe der Grünen“ wie die Linke sich „in der Nähe der AfD“ befindet.

                Ich glaube der Einfachheit halber will ich mich zunächst auf 4 Parteien konzentrieren. Ich verstehe zwar weder Stefans, noch Ihre Achsen so wirklich und habe 1-2 offene Fragen, aber zumimdest im der Schlussfoögerung, dass sowohl Linke als auch AfD an irgendeinem / irgendwelchen Rändern stehen, sind wir uns glaube ich einig, also können wir diese ignorieren.

                „Grüne wie auch die FDP sind sehr stark Milieu-Parteien“
                Und das ist m.E. für Deutschland ein Problem.

                „In der Pandemie begehrte die FDP deutlich, aber seriös gegen schlecht begründete Einschränkungen der Bürgerrechte auf, während die Grünen streng an der Seite der konservativen Parteien von Union und SPD standen.“
                Die FDP hat hier richtig agiert, die Grünen haben keine überzeugende Antwort gefunden und sich als Oppositionspartei wie eine dritte Regierungspartei verhalten. So much so, dass in den Augen der Deutschen offenbar die SPD in der Opposition, die Grünen in der Regierung waren.

                „Geht es um Minderheitenrechte wie LGBTQ, dann bespielen nicht nur die Grünen, sondern auch die LINKE und die Esken-SPD das gleiche Feld.“
                Aber weit weniger klar und immer mit halben gekreuzten Zeige-/Mittelfingern hinter dem Rücken…

                „Klimapolitik lässt sich nicht so kategorisieren, hier geht es vor allem um unterschiedliche Weltanschauungen: Markt versus ordnungspolitische Maßnahmen.“
                Zustimmung

                „Und die Gesellschaftspolitik ist keineswegs konservativ, bei 218a, Minderheitenrechten für LGBTQ und anderes liegen sie nicht weit von den Grünen.“
                Und das ist m.E. der Grund warum man der FDP wirtschaftspolitisch durchaus wohlgesonnene, nach einer Alternative suchende CDU Milleus verprellt.

                Ich bin potentieller FDP Wähler, das sollte ich aber m.E. nicht sein 🙂 Denn…

                …von allen 6 Parteien geht es mir eigentlich vor allem um CDU und SPD. Sie sagen CDU und Grüne sollen abgestraft werden und beziehen sich auf den miserablen Wahlkampf. Abgestraft werden sollte aber vor allem die Regierung. Mit Erschrecken sehe ich, dass die SPD zum Nutzniesser wird, obwohl sie 3/4 der Merkel-Ära mit am Ruder sass, am Anfang sogar dominierend, später sich weg duckend, aber den Aussenminister gestellt und prominente Köpfe zur Regierungslinie in der Pandemie sprechen lassen / aufgebaut.

                Wenn Deutschland liberal bleiben will, müssen m.E. CDU und SPD beide als Volksparteien weichen / abgelöst werden. Ich wehre mich entschieden vor allem gegen deren Einordnung als Mitte (unter dem Prädikat „Wille zur Veränderung“) und sehe sie als Blockadeparteien. Will man sie als Volksparteien demontieren ohne AfD und/oder Linke zu stärken braucht man 2(!) Alternativen. Von dieser Warte komme ich…

                • Stefan Pietsch 24. August 2021, 15:44

                  Der Strang startete mit der Feststellung Grüne und FDP würden sich gegenseitig blockieren.

                  Das sehe ich übrigens nicht so. Beide Parteien stehen für grundsätzlich unterschiedliche Haltungen. Wahlen haben die Aufgabe, solche Konflikte durch Einteilung Gewinner / Verlierer zu lösen. In Deutschland ist das ziemlich schwierig. Ich persönlich bevorzuge daher das Modell Österreich: wenn die beiden schon zusammen regieren müssen, dann sollte es keine Kompromisssuche nach den alten Mustern geben, sondern jeder bekommt seine Ressorts und am Ende muss er sich vor dem Wähler verantworten.

                  Ich hatte ein Problem mit Grüne/FDP als Kontrapunkte zu Linke/AfD (wobei er später wieder schrieb 4 Parteien seien in der Mitte), bei Ihnen stehen nun nur die AfD und die Grünen an Polen, explizit nur 3 Parteien in der Mitte.

                  Die Grünen markieren in einer Reihe Themenfeldern wie der Finanz-, der Sozial-, der Innen- und Rechtspolitik sowie der Migration und Europa Extrempunkte. Eine so klare Positionierung in eine Richtung findet sich außer bei dem anderen Extrempunkt bei keiner anderen Partei. Zu behaupten, die Einstellungen zu Zuwanderung, Flüchtlingen und Umgang mit Sozialhilfeempfängern sei Konsens in der Bevölkerung, ist fern der Umstände.

                  Die FDP hat hier richtig agiert, die Grünen haben keine überzeugende Antwort gefunden und sich als Oppositionspartei wie eine dritte Regierungspartei verhalten.

                  Das sehe ich nicht so. Klar ist, wo ich stehe, das habe ich anderthalb Jahre sehr deutlich gemacht. Aber richtig und falsch sind in der Politik schwer erträgliche Begriffe. Die FDP verlieh einer Minderheit in der Gesellschaft eine Stimme und pochte auf die verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte. Das Lager der Vorsichtigen verwies auf die Schutzpflicht des Staates und die Ängstlichkeit der Bevölkerung. Alles legitim. Es ist Aufgabe des Wählers, Noten zu verteilen und zu belohnen und zu bestrafen.

                  Sie sagen CDU und Grüne sollen abgestraft werden und beziehen sich auf den miserablen Wahlkampf.

                  Der letzte Satz des Artikels ist eine Zuspitzung. Noch wäre eine Regierung in Deutschland ohne die beiden ehemals großen Parteien sehr instabil, das kann keiner wollen. Mein Wunsch ist, dass Union und Grüne einen schmerzlichen Denkzettel erhalten, dass sie so nicht Kandidaten aufstellen können. Ich halte es für eine Frechheit, zwei Politiker aufzustellen, die in freier Wildbahn sofort gefressen würden und in persönlichen Duellen keinen Stich bekämen, weil es ihnen an einer Reihe Voraussetzungen für Topjobs mangelt. Stressresistenz und Intellekt sind da nur zwei von vielen.

              • Stefan Sasse 24. August 2021, 15:35

                Würde ich unterschreiben.

            • bevanite 24. August 2021, 14:10

              Ich hätte vielleicht auch gesellschaftspolitisch liberal, anstelle von sozialliberal schreiben sollen, aber warum ist „Arbeiter und Arbeitslose“ der Massstab? Ich sehe es so, wer liberale Gesellschaftspolitik priorisiert und mit sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik leben kann oder umgekehrt könnte zukünftig grün wählen, wer liberale Wirtschaftspolitik priorisiert, dagegen mit konservativer Gesellschaftspolitik leben kann oder umgekehrt würde dagegen bei der FDP eine Heimat finden…

              Exakt.

              Ich habe mal im Scherz gemeint, dass der Endkonflikt zwischen Linksliberalen und Nationalliberalen stattfinden wird. Beide sind jeweils in komplett unterschiedlichen Dingen liberal und haben in anderen Fragen völlig verschiedene Ansichten. Da ist so gut wie kein Konsens möglich.

          • bevanite 24. August 2021, 14:07

            Die Grünen sind von ihrem Profil her eine Großstadtpartei mit ihren wichtigsten Unterstützern an den Universitäten und im öffentlichen Dienst. Auf dem Land und dort, wo der ÖR seltener zu finden sind, bleiben sie sehr gering einstellig.

            Das wird nicht oft gesagt, aber auf dem Land (wo man übrigens den ÖR auch größtenteils gut empfängt) lebt nur noch eine Minderheit. Die meisten Deutschen leben in Städten und ein Großteil davon in Großstädten – insofern ist das erstmal kein so falscher Ausgangspunkt, wenn man sich größere Wählerschichten erschließen möchte.

            Unter „linksliberal“ würde ich grob verstehen: wirtschaftspolitisch links/sozialdemokratisch, sozial-/kulturpolitisch liberal. Die Grünen waren, als sie 1998 bis 2005 an der Macht waren, allerdings noch eher wirtschaftsliberal. In den letzten Jahren kam ein leichter Linksruck, mal gucken, ob sie die Richtung beibehalten.

            • Stefan Pietsch 24. August 2021, 15:22

              Ja, das ist richtig. Nur ist das ein Teil der Wahrheit und ein Stück vergangenheitsbezogen. Tatsächlich läuft seit 6, 7 Jahren der Trend in die umgekehrte Richtung, die Menschen kehren der Großstadt den Rücken. Die Pandemie hat die Entwicklung mit Homeoffice und Kontaktbeschränkungen noch verstärkt. Denn warum sollen die Menschen in die teuren und engen Städte ziehen, wenn es sich im Grünen viel besser arbeiten lässt?

              Zudem zeigt der Vergleich mit anderen westlichen Demokratien, dass die Wachstumsmöglichkeiten der Grünen doch weitgehend ausgereizt sind. 2021 war eine einmalige Chance. Die Stärke der Grünen resultiert vor allem aus der Schwäche der anderen linken Parteien und der deutschen Empfindlichkeit bei Wohlfühlthemen wie Klima. Weder in Frankreich mit seiner interventionistischen Einstellung noch in Spanien, einem Land mit vergleichsweise junger Bevölkerung und vielen Städten, können grüne Parteien besonders reüssieren. Die Stärke in Deutschland ist eine singuläre Erscheinung.

              Die Einteilung ist sehr old fashion. Aber Deutschland und die Welt sind vielfältiger geworden. Das alte Gegenpaar Kapitalismus versus Sozialismus ist aufgelöst worden und hat anderen Konfliktlinien Platz gemacht. Eine der wesentlichen besteht in der zunehmenden Konfrontationsstellung Stadt gegen Land. Die grüne Kanzlerkandidatin bespielt dieses Feld nun vorrangig. Ihr neuer Vorschlag, Lastenfahrräder hoch zu subventionieren, ist eine klare Subventionierung von Städtern, während der Landbevölkerung das bisher alternativlose Auto mit Verbrennungsmotor genommen werden soll.

              • sol1 24. August 2021, 22:38

                „Denn warum sollen die Menschen in die teuren und engen Städte ziehen, wenn es sich im Grünen viel besser arbeiten lässt?“

                Und warum sollten sie auf dem Land auf einmal der Autofixierung verfallen?

                „Zudem zeigt der Vergleich mit anderen westlichen Demokratien, dass die Wachstumsmöglichkeiten der Grünen doch weitgehend ausgereizt sind.“

                Ach ja? In den Niederlanden und in der Schweiz (die mit Deutschland mehr gemein haben als Frankreich oder Spanien) haben wir jeweils zwei Parteien in dem Spektrum, die zusammen auf ähnliche Ergebnisse wie die deutschen Grünen kommen (D66 + GL: 20,2 %; Grüne + glp: 21 %).

                • Stefan Pietsch 24. August 2021, 23:18

                  Und warum sollten sie auf dem Land auf einmal der Autofixierung verfallen?

                  Das ist doch nicht Ihr Problem. Sie können nur konstatieren, wie Millionen Menschen sich verhalten und wie die Trends sind.

                  D66 in den Niederlanden (letzte Wahl Shooting Star mit 15%) ist keine grüne Partei mit starkem Fokus auf Klimaschutz, wie das die deutschen Grünen priorisieren. D66 ist zwar eine linksliberale Formation, aber mit sehr kleiner Stammwählerschaft und beim Thema Migration – für die deutschen Grünen sehr hoch gerankt – keineswegs auf sehr liberaler Linie.

                  Ja, Schweiz bekommen wir das noch hin. Aber Sie sehen ja an Ihren Zahlen selbst: mit 20% haben die Grünen ihr Potential weitgehend ausgereizt. Genau das sage ich und Sie haben es noch zitiert. Und es ist nun mal so, dass keine Partei, kein Fußballclub, kein Unternehmen und kein Mensch immer am Limit seiner Möglichkeiten spielen kann. Deswegen meine ich, die Grünen haben mit der selbstverliebten Baerbock eine historische Chance liegen lassen. So einfach wird es nie wieder, als grüne Partei die Kanzlerschaft zu erringen.

                  • sol1 25. August 2021, 13:04

                    „Sie können nur konstatieren, wie Millionen Menschen sich verhalten und wie die Trends sind.“

                    Der Trend geht offenbar weg vom Verbrennerauto.

                    „Genau das sage ich…“

                    Du sagtest aber auch „Die Stärke in Deutschland ist eine singuläre Erscheinung“ – und das ist nun mal Quatsch.

                    „So einfach wird es nie wieder, als grüne Partei die Kanzlerschaft zu erringen.“

                    Meine Glaskugel ist leider kaputt – aber die Wahrscheinlichkeit ist recht groß, daß in Zukunft eine Partei mit 20 % + X den Kanzlerposten besetzen kann.

                    • Stefan Pietsch 25. August 2021, 16:05

                      Ja, mit sehr, sehr viel Steuergeld quasi erzwungen und dennoch sehr langsam. Vor allem gilt das in den meisten Ländern.

                      Ich habe die Schweiz nicht mitbedacht. Ich hätte schreiben sollen „ziemlich singuläre Erscheinung“.

                      Blöd nur, wenn das Potential der Grünen bei Anfang 20% endet. Laut meiner Glaskugel wird es noch ein paar Jahre dauern, bis die Christdemokraten zuverlässig unter 20% landen. Übrigens, es gilt wie im Artikel geschrieben: mit 20% bekommt keine Partei die Mehrheit. Rein mathematisch müssten weitere 30% sich finden, die den Kandidaten der 20%-Partei zum Kanzler macht. Das ist, siehe Niederlande nicht so einfach, schon gar nicht, wenn man so auftritt wie die Grünen.

                • Erwin Gabriel 25. August 2021, 18:08

                  @ sol1 24. August 2021, 22:38

                  Und warum sollten sie auf dem Land auf einmal der Autofixierung verfallen?

                  Autofixierung ist wohl der falsche Begriff. In der großen Stadt mag das Lastenfahrrad eine praktische Sache sein, auf dem Land kommt man damit nicht so weit.

                  Nun lebe ich in einer kleinen Stadt in der Nähe von Hamburg, wo man praktisch alle „mittelständischen“ Einkaufsmöglichkeiten, alle Schulen und die meisten Ärzte hat – deswegen, weil dieser Ort für viele kleine Dörfer in der Umgebung die Anlaufstelle für Einkäufe ist.
                  Wer dort einkaufen möchte, kommt mit dem Lastfahrad nicht weit; Radwege sind nur eingeschränkt vorhanden, es geht auf und ab, und mit Lastfahrrädern (es sei den, man gibt wirklich viel Geld für gute Technik aus) tritt es sich da nicht so leicht, erst recht nicht bei schlechtem Wetter.

                  Es mag eine Politik der Grünen sein, solche Fahrräder zu sponsern und Autos zu verteuern, aber das ist dann eben eine Politik, die auf die Stadt und gegen das Land zielt.

            • Stefan Sasse 24. August 2021, 15:39

              Wie bei den Republicans. Ständig diese Fixierung, dass auf dem Land die einzigen echten Leute wohnen und sich dann wundern, warum man auf demokratische Art keine Mehrheit kriegt.

              • sol1 25. August 2021, 13:06

                Und das unterschlägt auch noch, daß „Land“ nicht gleich „Land“ ist – weder innerhalb einer Nation und schon gar nicht im internationalen Vergleich.

              • Erwin Gabriel 25. August 2021, 21:13

                @ Stefan Sasse 24. August 2021, 15:39

                Wie bei den Republicans.

                Was soll denn das wieder? Die täglichen fünf Minuten Linkspopulismus?

                Ständig diese Fixierung, dass auf dem Land die einzigen echten Leute wohnen und sich dann wundern, warum man auf demokratische Art keine Mehrheit kriegt.

                Darum geht es doch gar nicht. Niemand ist auf die einzig wahre Landbevölkerung fixiert, wenn man feststellt, dass Großstädte, Kleinstädte und das Land jeweils andere Herausforderungen haben. In der Stadt können Autos eine rechte Plage sein, erst recht angesichts eines oft gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehrs und oft gut ausgebauter Radwege. Auf dem Land sind Autos in der Regel erforderlich, Staus noch seltener als Busverbindungen.

                Ist eine derartige Feststellung für Dich schon „rechts“?

        • Stefan Sasse 23. August 2021, 20:43

          Ich halte FDP, Grüne, SPD und CDU alle vier für „die Mitte“. Die Ränder werden von LINKE und AfD definiert.

          • Floor Acita 23. August 2021, 21:12

            Auf welcher Achse? Sprichst Du jetzt wieder / ausschliesslich von Ideologie? Hattest Du nicht letztens noch FDP und Grüne zu einem Gegenpol von Linken und AfD gemacht und explizit CDU und SPD in deren Mitte verfrachtet? Ich dagegen mache CDU und SPD in diesem Sinne (Wille zur Veränderung) zum Gegenpol von Linken und AfD und verfrachte explizit FDP und Grüne in deren Mitte…

            • Stefan Sasse 24. August 2021, 15:29

              CDU, SPD, FDP und Grüne werden trotz aller Unterschied von einem Grundkonsens auf den meisten Politikfeldern bestimmt. LINKE und AfD sind jeweils die einzige Partei, die diesen Grundkonsens attackiert (Stichworte Migration, Außenpolitik, Demokratie generell), was sie zum Rand macht.

              • Thorsten Haupts 24. August 2021, 15:44

                Genau das. Die vier Parteien der deutschen Mitte stimmen in praktisch allen (!) Grundsatzfragen überein. Etwas, was in Wahlkampfzeiten gerne übersehen wird.

                Gruss,
                Thorsten Haupts

                • Stefan Sasse 24. August 2021, 23:58

                  Ist irgendwie merkwürdig. Einerseits wird sich ständig darüber beklagt, dass alle gleich seien, und dann wiederum wird aus der Förderung von Lastenfahrrädern eine Frage gemacht, als wölle jemand die Wirtschaftsordnung in Frage stellen.

                  • Stefan Pietsch 25. August 2021, 00:28

                    Die Grünen haben mit am heftigsten darüber geklagt, es würde zu wenig über Themen gesprochen. Und als sie nach Themen gefragt werden, geht es ihnen nicht um die großen Linien der Politik, sondern Klientelpolitik für 5 oder bestenfalls 10 Prozent der Gesellschaft: gegenderte Gesetze, Aufnahme von Migranten ohne Bildung („Auf Basis des jährlichen Arbeitskräftebedarfs schaffen wir so Zugangswege auch im gering- oder unqualifizierten Bereich.“), Subventionen für Wohlhabende („Lastenfahrräder“). Es war nicht die politische Konkurrenz, es war die grüne Kanzlerkandidatin selbst, die Mikro zu ihrem Stil erhoben hat.

                    Dann wird man darüber reden müssen, ob dieses Klientel- und Subventionsdenken der richtige Ansatz ist.

                  • Thorsten Haupts 25. August 2021, 00:39

                    Huh? Das nennt sich Wahlkampf. Und wenn es nicht mehr Freiheit gegen Sozialismus ist (weil alle 4 Parteien mehr oder weniger sozialdemokratisch sind), dann müssen es halt die Lastenfahrräder bringen :-).

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 25. August 2021, 09:40

                      Ich meine ja auch nicht seitens der Wahlkämpfenden, wir haben ja schon etabliert wie beknackt die Grünen da sind. Mir geht es mehr um die Medienschaffenden und Wählenden.

                    • Thorsten Haupts 25. August 2021, 18:18

                      Tja. Willkommen beim Durchschnittswähler. Der war nie anders. Und über Medien ist von weit Klügeren und Kentnnisreicheren als mich auch schon alles gesagt worden :-).

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                  • Erwin Gabriel 25. August 2021, 21:20

                    @ Stefan Sasse 24. August 2021, 23:58

                    … und dann wiederum wird aus der Förderung von Lastenfahrrädern eine Frage gemacht, als wölle jemand die Wirtschaftsordnung in Frage stellen.

                    Oh Mann. Sollen die doch (wenn sie nichts besseres finden) doch die Lastenfahrräder fördern; ist sicherlich sinnvoller, als mehrere hundert PS starke, schwere Monster-SUVs steuerlich zu entlasten, weil sie zusätzlich einen verbrauchstreibenden Alibi-Elektromotor samt Akku durch die Gegend schleppen müssen.

                    Ist halt nicht die große verkehrspolitische Wende, sondern nur ein weiteres (Ja: belangloses) Beispiel links-grüner Symbol- und Klientelpolitik.

              • Floor Acita 24. August 2021, 17:33

                OK, aber das ist ja jetzt wieder eine völlig neue Achse / nochmal ein neuer Massstab. Ich hatte mich ja explizit auf Deine „Lager“ bezogen. Da war CDU/SPD das Mittlere, FDP/Grüne bzw AfD/Linke die beiden Pole. Ich dagegen hatte vorgeschlagen stattdessen eine Achse „Wille zur Veränderung“ einzuführen mit FDP/Grünen in der Mitte und CDU/SPD bzw AfD/Linke an den jeweiligen Polen…

                • Stefan Sasse 24. August 2021, 23:59

                  Passt für mich auch. Mir geht es ja vor allem um die Trennung irgendwelcher ideologischer Lager.

    • Stefan Pietsch 23. August 2021, 10:28

      Das ist ja gar nicht mein Punkt. Mein Punkt ist, dass der Auswahlprozess der Parteien in heutigen Demokratien eine Frechheit ist.

      Habeck ist verwaltungserfahren, strategisch talentiert, intellektuell überragend, dazu spricht er Wählergruppen an, die den Grünen nicht automatisch zuneigen. Er ist damit der Gegenentwurf zu Baerbock. Ob er deswegen die Kandidatur gewonnen hätte, ist damit nicht garantiert. Aber die Schwächen der Kandidaten wären damit früh thematisiert worden.

      Die Bürger haben sehr klare Prioritäten. Und daran hat sich ein Jahr lang nichts geändert. Es ist pure Arroganz von CDU und Grünen, dass sie weismachen wollten, das ließe sich binnen Wochen völlig ändern. Ich glaube ja an die Fairness des Marktes und ich freue mich, wenn beide Parteien am 26. September weit unter ihren Erwartungen bleiben.

    • Stefan Sasse 23. August 2021, 14:37

      Habeck ist halt ein Mann, deswegen mögen diverse Leute ihn lieber. Aber anders verlaufen wäre der Wahlkampf mit ihm auch nicht.

      • Stefan Pietsch 23. August 2021, 19:37

        Warum?

        • Stefan Sasse 23. August 2021, 20:53

          Weil das größte Problem der Wahlkampf der Grünen als Partei ist.

          • Stefan Pietsch 23. August 2021, 21:46

            Der Wahlkampf wird allein vom Team Baerbock verantwortet. Die Geschäftsstelle wie der Co-Vorsitzende Habeck sind aus der Nummer raus. Wenn du genauer hinschaust, siehst Du auch, dass die Wahlkampfstrategie einer ganz anderen Struktur folgt. Mit anderen Worten: Habeck hätte anders aufgebaut. Außerdem, das zeigt sich ja auch an Scholz, ist er einfach wesentlich professioneller und bietet weit weniger Schwachstellen.

            Im Lager der Grünen weiß man ja auch, dass man jetzt Scholz angreifen müsste, um die Führung im linken Lager behaupten zu können. Nur hat man bei Scholz weniger Angriffsflächen als bei dem doch sehr dilletierenden Laschet.

          • Erwin Gabriel 25. August 2021, 21:36

            @ Stefan Sasse 23. August 2021, 20:53

            Weil das größte Problem der Wahlkampf der Grünen als Partei ist.

            Der ist in der Tat ein Problem, aber eben nicht nur der Grünen: Deren Slogans wie „Klima und Wirtschaft ohne Probleme“ sind nicht minder dämlich wie der FDP-Slogan „Es wird Zeit für ein neues Wirtschaftswunder“ oder „Klima schützen, Jobs schaffen“ der CDU – nicht, dass die Slogans der SPD oder der Linken sinnhafter wären.

            Aber der Niedergang der Umfrageergebnisse begann mit den Pleiten, Pech und Pannen der Annalena Baerbock. Ohne diese „Missgeschicke“ hätten sich die Grünen weiter als Projektionsfläche für alle jungen und sich jung fühlenden, hoffnungsvollen, von der realen Welt frustrierten Menschen präsentieren können.

            PS: Außerdem denke ich, dass Armin Laschet nicht Kanzler werden darf.

      • derwaechter 23. August 2021, 21:36

        Ich weiss nicht, ob das so stimmt.

        Ich mochte fast alle grünen Führungsfrauen gerne und einige der führenden Männer eher nicht.

        Bei Habeck vs Baerbock liegen meine Sympathien klar bei ersterem. Könnte mir vorstellen, dass es vielen so geht.

        • Ariane 23. August 2021, 22:26

          Sehe das Problem auch eher im Wahlkampf der Grünen und denke, mit Habeck hätte das genauso schiefgehen können.

          Baerbock war halt ein spannenderes Risikospiel. War ja auch eher für sie, weil sie ein unbeschriebenes Blatt war. Das kann halt gut ODER schlecht sein. Bei Habeck dagegen waren die negativen Artikel schon ein bisschen vorbereitet, Blender, Posterboy, Softie etc. Und DASS er runtergeschrieben worden wäre, steht für mich auch fest.

          • Kirkd 24. August 2021, 09:46

            Eben. Im bürgerlichen Lager wäre der Arsch ohnehin auf Grundeis gegangen, und es wäre mit allem nach Habeck geworfen worden, wessen man habhaft hätte werden können.

            Das ich mag ja grüne Frauen, aber nicht Baerbock ist halt das typische, ich habe nichts gegen Frauen, aber (Frau einsetzen die nach Spitzenamt strebt) geht nun einmal gar nicht.

            • Stefan Pietsch 24. August 2021, 15:25

              Hätte, hätte, Fahrradkette. Aus der Position, Schiffbruch erlitten zu haben, lässt sich schwer argumentieren, auch (jeder) andere hätte genauso Schiffbruch erlitten. Die unterstellte Zwangsläufigkeit ist ein Entschuldigungsmuster, kein Beleg. So argumentieren Versager: Es lag nicht an mir, die bösen Umstände waren es.

              • Kirkd 24. August 2021, 15:48

                Das mit dem Versager kannst Du Dir sparen.

                Das ist das Problem von Liberalkonservativen wie Dir: sie merken nicht einmal, wie berechnbar und strukturähnlich ihre Kampagnen und Argumentation sind.

            • Stefan Sasse 24. August 2021, 15:36

              Diese Kritik kommt halt leider bei jeder Frau, das ist so ein bisschen das Problem daran.

          • Stefan Sasse 24. August 2021, 15:34

            Baerbock und Habeck: Gleicher Floor. Baerbock hatte das höhere Ceiling. Hat nicht geklappt.

          • Erwin Gabriel 25. August 2021, 21:47

            @ Ariane 23. August 2021, 22:26

            Sehe das Problem auch eher im Wahlkampf der Grünen und denke, mit Habeck hätte das genauso schiefgehen können.

            Wir hatten die Diskussion schon: Ich habe Robert Habeck für den besseren Kandidaten gehalten, erst recht, wenn es gegen Armin Laschet geht – bei zwei Softies am Start gewinnt derjenige, der besser aussieht und besser reden kann.

            Annalena Baerbock ist ähnlich attraktiv, und hat eine andere, sicherlich auch spannende Persönlichkeit. Ich hätte ohne die Vielzahl der Pannen sicherlich dort mit hoher Wahrscheinlichkeit mein Kreuzchen gemacht, aber fremde Texte beanspruchen und Lebenslauf beschönigen zielt schon deutlich auf mehr Schein als Sein. Ist auf der einen Seite nur eine Stilfrage, andererseits aber auch in beiden Fällen die gleiche Charakterschwäche.

            PS: Außerdem denke ich, dass Armin Laschet nicht Kanzler werden darf.

            Auch Habeck hätte Feuer gekriegt, sicherlich, und nach den aktuellen Umfragezahlen wird auch Olaf Scholz in Kürze unter heftiges Feuer geraten.

            • Stefan Pietsch 25. August 2021, 21:52

              Hm, was findest Du an der Persönlichkeit Baerbocks spannend? Bisher ohne Ecken und Kanten, wenig Profil und Profilierung. Ich kenne spannendere Persönlichkeiten.

              • Erwin Gabriel 26. August 2021, 19:57

                @ Stefan Pietsch 25. August 2021, 21:52

                Hm, was findest Du an der Persönlichkeit Baerbocks spannend? Bisher ohne Ecken und Kanten, wenig Profil und Profilierung.

                Hatten wir schon anderweitig: u.a. Durchsetzungsvermögen, Zug zur Macht.

                Ich kenne spannendere Persönlichkeiten.

                Nicht nur eine, keine Frage.

        • Stefan Sasse 24. August 2021, 15:31

          Mir sind beide ziemlich egal, aber ich kann nur für mich sprechen. Inzwischen ist es sicher so, aber wäre Habeck Kandidat geworden, würden wir jetzt debattieren wie viel besser Baerbock gewesen wäre.

          • Erwin Gabriel 26. August 2021, 19:58

            @ Stefan Sasse 24. August 2021, 15:31

            Mir sind beide ziemlich egal, aber ich kann nur für mich sprechen. Inzwischen ist es sicher so, aber wäre Habeck Kandidat geworden, würden wir jetzt debattieren wie viel besser Baerbock gewesen wäre.

            🙂 Wohl wahr. So ist das Leben …

  • Thorsten Haupts 23. August 2021, 09:49

    Hübscher Rundumschlag.

    Verpasst IMHO den wesentlichen Punkt: In allen Denokratien werden letztlich nicht vorrangig Parteien gewählt, sondern Regierungen entweder wieder- oder abgewählt.

    Und in diesem Sinne erntet die Union, was Merkel gesät hat. Ich bin ziemlich sicher, dass selbst ein starker Kanzlerkandidat der Union den Schaden nur hätte begrenzen, nicht aber abwenden können. Die Deutschen haben nach der verpatzten „Energiewende“ und dem desaströsen Migrationsmanagement 2015 während Corona und in der regional begrenzten Flutkatastrophe noch einmal gelernt, wie grottenschlecht sie regiert werden – und das nimmt man jeder Partei übel.

    Ein viel wesentlicher Punkt als alle Nickeligkeiten über die Kandidaten.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Pietsch 23. August 2021, 10:37

      Diesmal wird keine Regierung abgewählt. Die derzeitigen Regierungsfraktionen wollten erklärtermaßen in der Konstellation nicht weitermachen.

      Es ist totale Arroganz gewesen. Obwohl regionale wie landesweite Wahlen seit langem die Wichtigkeit des Kandidatenfaktors belegen, glaubten CDU und Grüne diesen missachten zu können. Jeder wusste im Grunde, dass Laschet ein außerordentlich schwacher Kandidat ist. Nur baute man in der Parteiführung darauf, dass die Leute ohnehin CDU wählen.

      Kurz vor der Nominierung Baerbocks meinte ein ungenannter Spitzengrüner, mit Habeck könne man 15-25 Prozent erreichen, mit Baerbock aber sichere 18 Prozent. Es kann sein, dass er sich geirrt hat und die Grünen am unteren Rand des Möglichen landen.

      • Erwin Gabriel 25. August 2021, 21:49

        @ Stefan Pietsch 23. August 2021, 10:37

        Diesmal wird keine Regierung abgewählt. Die derzeitigen Regierungsfraktionen wollten erklärtermaßen in der Konstellation nicht weitermachen.

        Dann eben die Regierungsparteien.

    • Thorsten Haupts 23. August 2021, 11:15

      Klar wird nach den bisherigen Umfragetrends eine Regierung abgewählt. Bzw. die natürliche Regierungspartein Deutschlands, für die bereits NUR 25% ein Desaster wäre (gemessen an Selbstverständnis und Vergangenheit). Ohne diese Grundlage wäre der kanzlerkandidat nahezu bedeutungslos.

      Und um etwas anderes zumindest zu erwähnen – nein, Laschet wird nicht besonders schlecht behandelt. Gemessen an journalistischen Standards der fernen Vergangenheit. Gemessen an den Lobhudeleien für Merkel bei genau denselben ausweichenden, wachsweichen und indifferenten Antworten allerdings wird Laschet schon schlecht behandelt – als hätten die Medien wegen ihres Komplettversagens bei kritischer Begleitung der amtierenden Bundeskanzlerin ein schlechtes Gewissen und würden jetzt überkompensieren.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

    • Erwin Gabriel 23. August 2021, 12:38

      @ Thorsten Haupts 23. August 2021, 09:49

      In allen Demokratien werden letztlich nicht vorrangig Parteien gewählt, sondern Regierungen entweder wieder- oder abgewählt.

      Natürlich macht ein jeder sein Kreuzchen bei einer Partei, nicht bei einem Kandidaten. Aber es sind die Köpfe, die zählen. Als Beispiel sei genannt, dass zwar Willy Brandt und Helmut Schmidt die Wähler für die SPD gewinnen konnten, aber einem Kandidaten Herbert Wehner der gleiche Erfolg verwehrt geblieben wäre. Und aktuell rutschen die Grünen wg. Baerbock und die CDU wegen Laschet – nicht, weil die Leute angefangen haben, die Wahlprogramme zu lesen oder die Parteien ihre Politik geändert hätten.

      • Stefan Sasse 23. August 2021, 14:39

        Ich bin da gerade für mich in einem Umsortierungsprozess, die Kandidat*innen höher zu bewerten als vorher. Man würde sich wünschen, dass die Personalisierung eine kleinere Rolle spielt, aber es scheint mir mehr und mehr so, als ob ich mir da in die Tasche lüge.

        • Thorsten Haupts 23. August 2021, 16:04

          Ich wollte gar nicht gegen eine ordentliche Gewichtung von Kandidaten sagen. Nur darauf hinweisen, dass die Fundamentaldaten einer Wahl sich immer um die Frage drehen: Hat eine Regierung in den Augen ihres Volkes abgewirtschaftet. Wenn nicht, hat sie eine hohe Chance auf Wiederwahl.

          Und mir scheint einfach, dieser Punkt ist in Deutschland erneut erreicht. Merkel sieht so aus, wie Kohl 1998. Danach ist es immer noch eine Frage der Kandidaten, wie gross das Desaster für die führende Regierungspartei wird (denn die trägt die Last einer Abwahlstimmung genauso, wie ihr üblicherweise die Regierungserfolge zugeschrieben werden).

          Gruss,
          Thorsten Haupts

        • Ariane 23. August 2021, 23:03

          Man würde sich wünschen, dass die Personalisierung eine kleinere Rolle spielt, aber es scheint mir mehr und mehr so, als ob ich mir da in die Tasche lüge.

          Sehe ich ähnlich, gerade weil die Parteibindung immer seltener eine Rolle spielt, rücken die Personen dann in den Vordergrund.
          Und: was man sich ja auch immer wieder klarmachen muss: das ist hier ne totale Nerdblase, die meisten kennen ein paar Highlights aus den Medien und gucken vielleicht das Kanzlertriell.

        • Erwin Gabriel 25. August 2021, 21:55

          @ Stefan Sasse 23. August 2021, 14:39

          Ich bin da gerade für mich in einem Umsortierungsprozess, die Kandidat*innen höher zu bewerten als vorher.

          Stell Dir einfach mal vor, dass statt Angela Merkel Wolfgang Schäuble Kanzler geworden wäre. Wo wäre die CDU heute (oder die AfD), und was wäre beispielsweise 2015 anders gelaufen? Oder stell Dir Oskar Lafontaine statt Gerhard Schröder als Kanzler vor. Hätte es dann eine solche Agenda 2010 gegeben?

          Die Köpfe machen schon eine Menge aus, und deswegen verstehe ich, dass Stefan P. sich eine Kanzlerin Baerbock nicht vorstellen mag.

  • R.A. 23. August 2021, 10:06

    Schon richtig, so schlecht war das Kandidatenfeld noch nie. Was aber auch den generellen Zustand der deutschen Politik widerspiegelt.

    Denn es ist ja nicht so, daß die drei betrachteten Parteien bessere Leute gehabt hätten. Die CDU vielleicht mit Brinkhaus, dem aber offenbar die parteiinternen Mehrheiten fehlen.
    Aber bei der SPD sehe ich niemanden. Sieben Ministerpräsidenten – keiner geeignet. Die Parteiführung desolat. Scholz blinzelt unter den Einäugigen wenigstens etwas auf einem Auge.

    Und bei den Grünen hat Habeck zwar wenigstens akademisch etwas abgeliefert und er hat Regierungserfahrung. Ist aber inhaltlich genausowenig sattelfest wie Baerbock. Wenn er ohne Vorbereitung Nachfragen beantworten muß, ist das auch hilfloses Schwabbeln. Wahrscheinlich hätte seine Kampagne etwas länger durchgehalten, aber letztlich fehlt bei den Grünen die Substanz, sie sind nach wie vor eine Nischenpartei und nicht in der Lage die Masse der Wähler kommunikativ zu erreichen.

    Bei der Wahl des geringsten Übels sehe ich dann doch Laschet vorne. Daß die Umfragewerte sinken liegt weniger an ihm oder gar echten Fehlern, sondern an einer ganz krassen Medienkampagne gegen ihn. Die ja teilweise (WDR) sogar mit gefälschten Zitaten arbeitet, um ihn zu diskreditieren.

    Er regiert in NRW ordentlich. Nicht glänzend, nicht intellektuell, nicht führungsstark, ohne ausgeprägte Inhalte. Aber die Landesregierung macht insgesamt eine solide Arbeit.
    Und das wäre angesichts der peinlichen Performance der Bundesregierung schon eine deutliche Verbesserung.

    • Stefan Pietsch 23. August 2021, 10:43

      Die Union hat Markus Söder. Man kann sich manches nicht aussuchen. Das sahen ja auch die meisten Parlamentarierer und CDU-Mitglieder so.

      Scholz, da hat keiner Zweifel, ist das vorläufig letzte Aufgebot der SPD, da gab es keine Wahl. Aber immerhin haben sie noch einen Guten. Habeck ist Liebling der Leute, intellektuell weit überdurchschnittlich. Fachwissen lässt sich anlesen, Intelligenz aber nicht gewinnen.

      Ich sehe keine Medienkampagne gegen Laschet. So wenig, wie ich sie bei Baerbock sehen konnte. In dem Clip konnte man Laschet beobachten, wie er frei denkt. Anders als wie beim CDU-Parteitag, wo er mit einer guten Rede gewählt worden war.

      Die NRW-Regierung wird von starken, kompetenten Ministern getragen. Laschet mischt sich in deren Tagesgeschäft nicht ein. Das ist ohne Frage seine Stärke, kompetenes Personal einzuspannen. Nur hat er darauf in einer möglichen Viererkoalition wesentlich weniger Einfluss.

      • Stefan Sasse 23. August 2021, 14:39

        Scholz ist ein Kandidat ohne Partei. Das sagt schon alles. „Letztes Aufgebot“ ist da noch freundlich.

        Und es ist ja nicht so, als ob Scholz ein starker Kandidat wäre!

    • Erwin Gabriel 26. August 2021, 00:18

      @ R.A. 23. August 2021, 10:06

      … so schlecht war das Kandidatenfeld noch nie. Was aber auch den generellen Zustand der deutschen Politik widerspiegelt.

      Yep!

      Die CDU vielleicht mit Brinkhaus, dem aber offenbar die parteiinternen Mehrheiten fehlen.

      Ich habe ihn einige Male in seinem Wahlkreis bei Veranstaltungen des Mittelständischen Vereinigung der CDU getroffen. Ist ein angenehmer Mensch, wirkt sehr kompetent, aber vielleicht nicht ganz so, als könnte er als Kanzler die Politik gestalten. Lag bei allen Themen auf Merkel-Linie, es waren aber immer interessante Gespräche.

      Einmal war Christian Lindner Gast. Das war schon eine andere Nummer. Lindner wurde derart gefeiert, dass die CDU-Vertreter dann doch die anwesenden Gäste baten, nicht vor lauter begeisterung das Kreuz an der „falschen“ Stelle zu machen.

      Scholz blinzelt unter den Einäugigen wenigstens etwas auf einem Auge.

      Das trifft es gut.

      Wenn … [Habeck] ohne Vorbereitung Nachfragen beantworten muß, ist das auch hilfloses Schwabbeln.

      Das hängt wohl sehr vom Thema ab. Er wird ja zu vielen Bereichen gefragt, kann aber niemals überall wirklich tief Bescheid wissen. Ich kenne einige, die auf Knopfdruck Zahlen und Fakten ohne Ende herunterrattern; das heißt ja nicht, dass die sich wirklich auskennen und aus den Daten und Fakten gute Entscheidungen treffen, sondern erstmal nur, dass sie gut auswendig lernen können.

      Armin Laschet oder Markus Söder, die zu allem eine auf den ersten Blick fundierte Meinung äußern können, widersprechen sich schon mal (Laschet, wenn es sein muss, während des gleichen Interviews).

      Bei allen Schwächen der anderen KandidatInnen – Laschet (ist nur meine Meinung) GEHT GAR NICHT.

      • Stefan Pietsch 26. August 2021, 09:45

        Lindner spielt rhetorisch in der gleichen Liga wie früher Westerwelle. Mich erstaunt und erschreckt, dass in der Politik nur noch so wenige gute Redner zu Hause sind. Wenn etwas zur Berufsbezeichnung des Politikers zählt, dann doch die Fähigkeit, andere argumentativ beeindrucken und rednerisch überzeugen zu können. Gehe ich aber die Reihen durch, komme ich nur zu den Langzeitverdächtigen Lindner und Wagenknecht. Und die ist in ihrer Partei ja nicht mehr sonderlich gelitten, so dass sie überzeugen könnte. Merkels Reden waren immer eine Tortur, Baerbock überzeugt vor allem sich selbst. Ihr Co ist gut, der kann auch freie Rede, selten geworden in der Politik.

        • Erwin Gabriel 26. August 2021, 20:04

          @ Stefan Pietsch 26. August 2021, 09:45

          Lindner spielt rhetorisch in der gleichen Liga wie früher Westerwelle.

          Er kann im persönlichen Gespräch mehr Charme entwickeln.

          Wenn etwas zur Berufsbezeichnung des Politikers zählt, dann doch die Fähigkeit, andere argumentativ beeindrucken und rednerisch überzeugen zu können. Gehe ich aber die Reihen durch, komme ich nur zu den Langzeitverdächtigen Lindner und Wagenknecht.

          Lafontaie weg, Gysi weg. Gauck konnte reden (selbst wenn er mir mehr auf die Nerven ging als Carstens). Wulff hatte ein paar gute Momente, aber nur wenig. Zu Guttenberg, aber da passt der Rest nicht.

          Nichts mehr da. Die heutigen „Koryphäen“ heißen Eskens, Borjans, Altmaier, Steinmeier etc.

          Und die ist in ihrer Partei ja nicht mehr sonderlich gelitten, so dass sie überzeugen könnte. Merkels Reden waren immer eine Tortur, Baerbock überzeugt vor allem sich selbst. Ihr Co ist gut, der kann auch freie Rede, selten geworden in der Politik.

          • Stefan Pietsch 26. August 2021, 20:55

            Ich habe beide kennengelernt, aber nicht so, dass ich über Persönliches urteilen könnte.

            Der Punkt ist: Die können alle nicht reden. Den meisten zuzuhören, erfüllt den Straftatbestand der Körperverletzung.

  • R.A. 23. August 2021, 11:07

    „Die Union hat Markus Söder.“
    Ein populistischer Dampfplauderer mit bemerkenswert schwacher Regierungsbilanz. Der profitiert lediglich davon, daß er mit Querschüssen aus der zweiten Reihe Schlagzeilen produziert, ohne selber mal mit Angriffen fertig werden zu müssen. Selber hat er bisher nur ein Wahlergebnis vorzuweisen, das war ziemlich schlecht (während Laschet seins gewonnen hat).

    „Aber immerhin haben sie noch einen Guten.“
    Die SPD? Wen? Scholz kannst Du wohl nicht meinen.

    „Habeck ist Liebling der Leute …“
    Liebling der Journalisten.

    “ … intellektuell weit überdurchschnittlich.“
    Besser als Baerbock. Aber im wesentlich erzählt er auch nur angelesenes Zeug daß er nicht wirklich verstanden hat. Insbesondere wenn er über Wirtschaft/Finanzen redet.

    „Das ist ohne Frage seine Stärke, kompetenes Personal einzuspannen.“
    Und genau das unterscheidet ihn von Merkel, die niemanden mit Kompetenz als Konkurrenz haben will.

    Am Ende ist entscheidend, was hinten rauskommt.
    Und da ist die Bilanz der Bundesregierung eine Katastrophe. Da ist übrigens Vizekanzler Scholz auch stark in der Verantwortung.
    Und die Regierung in Düsseldorf arbeitet – obwohl weit vom Optimum – deutlich besser als die Regierung in München.

    • Stefan Pietsch 23. August 2021, 11:30

      Es ist nicht meine erste Aufgabe herauszufinden, ob ein potentieller Kandidat ein Leichtgewicht ist, sondern derjenigen, die ihn nominieren wollen. Ich denke auch nicht, dass Sie besonders herausragend geeignet sind, die individuelle Leistung von Söder beurteilen zu können.

      Die CSU litt bei der letzten Landtagswahl unter dem Zangengriff auf ihre Klientel, für die Söder, damals ziemlich frisch im Amt, wenig konnte. AfD, Grüne und Freie Wähler setzten der Regierungspartei erheblich zu, Söder selbst wird landsmännisch kritisch betrachtet. Was für ihn in Bayern ein Nachteil ist, ist in Gesamtdeutschland sein Vorteil. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern Strauß und Stoiber.

      Laschet schaffte für CDU-Verhältnisse in NRW nur ein bestenfalls durchschnittlich zu nennendes Ergebnis. Nur weil die CDU zuvor gegen die im Aufschwung befindliche SPD einen Einbruch erlebt hatte, sah Laschet 2017 um so strahlender aus. Ich schaue mir für Analysen nicht Einzelergebnisse, sondern Trends und Benchmarks an, um eine seriöse Einordnung vornehmen zu können. Und dann muss man konstatieren: Laschet hat 2017 keinen rauschenden Wahlsieg gefeiert, sondern SPD und Grüne sind gleichzeitig aufgrund einer desaströsen Regierungsbilanz abgeschmiert. Derzeit sind die Umfragen an Rhein und Ruhr für die CDU katastrophal, 8%-Punkte unter dem Ergebnis von vor vier Jahren. Söder dagegen liegt leicht über dem Ergebnis der letzten Wahl.

      In Umfragen werden nicht Journalisten befragt.

      Ich würde immer noch lieber in einer bayrischen als einer NRW-Stadt leben wollen…

  • Thorsten Haupts 23. August 2021, 12:00

    Ich würde immer noch lieber in einer bayrischen als einer NRW-Stadt leben wollen…

    Das zumindest kann ich – vor 18 Monaten aus Fürth nach Bonn umgezogen – nur voll unterschreiben. Seufz …

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 23. August 2021, 14:40

      Ehrlich gesagt will ich in gar keiner Großstadt leben 😀 Jedes Mal, wenn ich wegen irgendwas nach Stuttgart muss, bin ich heilfroh, wieder raus zu sein.

      Andererseits ist Stuttgart auch von geradezu einzigartiger Hässlichkeit.

      • Thorsten Haupts 23. August 2021, 16:00

        Da ich in meiner Vergangenheit nahezu alle grossen deutschen Städte mehr als einmal für mehrere Tage besuchte – Zustimmung zu Stuttgart. Die mit Abstand hässlichste deutsche Grosstadt.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 23. August 2021, 18:22

          Eine Mauer an jede Seite des Kessels, fluten, Badestrand Sillenbuch.

        • Stefan Pietsch 23. August 2021, 19:30

          Was ist mit Mannheim / Ludwigshafen? Dagegen ist Stuttgart richtig schön.

          • Floor Acita 26. August 2021, 22:22

            „Mannheim / Ludwigshafen“ tut weh…
            Monnem = schäää, Lu = nätt

        • Ariane 23. August 2021, 21:58

          Ich fands gar nicht so schlimm, also diese Weinberge drumrum ist schon ganz nett. Würde auch noch Hannover mit in den Ring werfen^^

          • Thorsten Haupts 23. August 2021, 22:50

            Habe da für 2 Jahre gelebt, kann das nicht bestätigen .

            Gruss,
            Thorsten Haupts

          • Erwin Gabriel 23. August 2021, 22:56

            @ Ariane 23. August 2021, 21:58

            Würde auch noch Hannover mit in den Ring werfen^^

            Autsch.

            • Stefan Pietsch 23. August 2021, 23:01

              Is‘ aber wahr.

              • Ariane 23. August 2021, 23:04

                Alleine schon der ganze Welfenkitsch^^

                Obwohl Großstädte (ok, da fällt NDS ja eh raus) eh selten wirklich schön sind. Köln fiele mir da ein, Hamburg vielleicht. Bremen finde ich zb auch nicht so doll. Da gehts mir ähnlich wie Stefan, bin froh, wenn ich da nicht hin muss.

                • Erwin Gabriel 26. August 2021, 20:07

                  @ Ariane 23. August 2021, 23:04

                  Alleine schon der ganze Welfenkitsch^^
                  Au weia – da feiert Bremen seine Hanse aber mehr.

                  Obwohl Großstädte (ok, da fällt NDS ja eh raus) …

                  Da fällt Deutschland raus, vielleicht mit der Ausnahme Berlin.

                  … eh selten wirklich schön sind. Köln fiele mir da ein, Hamburg vielleicht.

                  In Hamburg und München ist es schön, Berlin hat zumindest ein paar tolle Ecken. Der Rest ist bestenfalls zweite Liga.

              • Erwin Gabriel 26. August 2021, 00:22

                @ Stefan Pietsch 23. August 2021, 23:01

                Is‘ aber wahr.

                Wenn Du da einmal im Jahr mit Deinem Dingsrover-SUV durchrauschst, magst Du diesen Eindruck gewinnen. Aber die Stadt hat viele schöne coole Ecken (vielleicht nicht gleich hinterm Bahnhof, aber sonst …)

                • Stefan Pietsch 26. August 2021, 09:38

                  Ich war in meinem Berufsleben relativ häufig in Hannover (und habe die Stadt immer schnell verlassen). Und sicher sind Braunschweig und Ludwigshafen / Mannheim hässlicher. Aber einen Schönheitspreis wird die niedersächsische Metropole nie gewinnen. Es ist ja auch so, dass in den letzten 10, 15 Jahren zahlreiche Jobs deswegen abgewandert sind, weil junge Leute nicht nach Hannover wollen. Die TUI z.B. hat einiges nach Berlin geschafft, weil dort eher Jung-Akademiker anheuern.

                  • Erwin Gabriel 26. August 2021, 20:12

                    @ Stefan Pietsch 26. August 2021, 09:38

                    Ich war in meinem Berufsleben relativ häufig in Hannover (und habe die Stadt immer schnell verlassen).

                    Was soll ich sagen, ich bin mit 19 weg zum Bund, und anschließend nach Esslingen, Offenburg, Stuttgart, Duüsseldorf ( 🙁 )/Essen, München, Hamburg, Nähe Frankfurt, München, Hamburg, und nun Pendeln nach Gütersloh.

                    Aber in Hannover bin ich gerne. Ist keine laute Angeberstadt wie Köln (da habe ich 1987 meine Lieblingskrawatte verloren, weil ich mich um einen Tag im Kalender geirrt hatte), oder so ein Nase-hoch-Dorf wie D.

          • Stefan Sasse 24. August 2021, 15:32

            Die Weinberge zähle ich auch nicht wirklich zur Stadt. In denen würdest du ja dann zu meinem Badestrand flanieren.

        • schejtan 24. August 2021, 01:11

          Gelsenkirchen?

          • Erwin Gabriel 26. August 2021, 00:24

            @ schejtan 24. August 2021, 01:11

            Gelsenkirchen?

            Da gibt es düstere Ecken, an denen die Zeit die letzten 50 Jahre stehenblieb. Aber ich kenne es nur von zwei drei Veranstaltungen.

        • CitizenK 26. August 2021, 13:08

          Titelverteidiger ist Ludwigshafen am Rhein.

    • bevanite 23. August 2021, 22:39

      Kulturell hat Köln aber schon einiges mehr zu bieten als München (wo sich ohnehin kaum noch ein normaler Mensch eine Wohnung leisten kann).

      • Kning 24. August 2021, 09:10

        Ich halte es mit Carolin Kebekus:
        Köln ist wie backstage – nicht geleckt aber authentisch

        Die Schönheit dieses Stadt sind die inneren Dinge und natürlich der Dom 🙂

        • Erwin Gabriel 26. August 2021, 00:29

          @ Kning 24. August 2021, 09:10

          Köln ist wie backstage – nicht geleckt aber authentisch

          Die Stadt ist nicht meine. In Köln fühle ich mich immer fremd, in Bonn fühle ich mich zu Hause.

          Düsseldorf geht mir richtig auf den Sack. Die Nase hoch, die Augen fest geschlossen; die halten sich für eine Weltstadt, weil zu Weihnachten sieben Busse aus Holland dort halt machen (die wahrscheinlich nach Köln wollten und sich verfahren haben).

          Die Schönheit dieses Stadt sind die inneren Dinge und natürlich der Dom

          Ja, der Dom hat was …

  • bevanite 23. August 2021, 14:03

    Ich bin ja erstmal erstaunt, wie man Markus Lanz mit den Begriffen „erfahrener Journalist“ und „journalistische Kunst“ zusammenbringen kann. Okay, er ist zwar schon eine Weile im Geschäft, wirkt aber immer noch extrem unbeholfen und – schlimmer noch – unvorbereitet, ihm fehlt auch eine gehörige Portion Menschenkenntnis…

    Bei all dem Gejammer über die miese Kandidatenauswahl (als ob z.B. Scharping vs. Kohl denn so der Bringer war…) muss auch mal was gesagt werden: Nach all den Erfahrungen aus den letzten 15 Jahren in anderen OECD-Ländern, wo TV-Komiker, Medienmogule, hochverschuldete Twitter-süchtige Millliardäre oder megakorrupte und vormals abgesetzte Politiker in höchste Regierungsämter gelangt sind, ist mir ein wenig Langeweile und fehlendes Charisma ganz recht. Wenn man sich mit Menschen außerhalb Deutschlands unterhält, halten dort die meisten Merkel nicht für ein Desaster, wie es hier einige Kommentatoren tun, sondern für die letzte seriöse Politikerin Europas.

    Deutschland gilt ja immer noch als „Kanzlerdemokratie“ – vielleicht ist es ganz gut, wenn der Mann oder die Frau an der Spitze eher blass wirkt und stattdessen die Wichtigkeit der einzelnen Ministerien stärker wahrgenommen wird. Im Endeffekt wählen die Leute ja doch eher Parteien und Koalitionen, in diesen Punkten finden die großen Auseinandersetzungen und Polarisierungen statt.

    Die Auswahl der Spitzenkandidaten sind auch nur eine Reflektion der Gesellschaft. Wem das nicht passt, dem steht es in einer Demokratie frei, selbst in einer Partei aktiv zu werden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Ihr Urteil über, sagen wir, Habeck und Lauterbach aus parteipolitischen Überzeugungen heraus ebenso vernichtend ausgefallen wäre wie gegenüber Baerbock und Scholz. Und wenn wir mal auf die verbliebenen Parteien schauen, ist Christian Lindner auch nur ein Zwerg verglichen mit früheren FDP-Granden. Und bei der AfD können wir froh sein, dass es bislang keine deutschen Pendants zu Geert Wilders, Marine Le Pen oder Nigel Farage gab.

    • Stefan Sasse 23. August 2021, 14:48

      Ich halte dieses Zurückblicken auf die „Giganten“ eh problematisch. Bei der FDP fallen da doch auch nur Scheel und Genscher ein, und Genscher hatte halt das Glück, bei der Wiedervereinigung Außenminister zu sein und in Prag auf dem Balkon stehen zu können, sonst wäre er auch weniger bekannt und als Riese betrachtet. Lindner hat IMHO noch den größten Anspruch auf persönliche Meriten; er hat den Wiederaustieg der FDP von Beginn an mit seiner Person verknüpft.

    • Stefan Pietsch 23. August 2021, 20:18

      Lange nicht mehr Markus Lanz gesehen? Der gebürtige Italiener gilt längst als der härteste Talker im deutschen Fernsehen, zahlreiche Spitzenpolitiker verließen in den letzten Jahren teils blamiert seine Sendung. So konnte Janine Wissler nicht aufzeigen, aus welchen Kampfeinsätzen die LINKE die Bundeswehr zurückziehen wolle. Und Hennig-Wellsow kannte ihr Parteiprogramm nicht unfallfrei. Die angesprochene Sendung mit Armin Laschet habe ich verlinkt, anschauen!

      Die anderen Länder mussten auch nicht die Tu-nix-Politik der Kanzlerin ertragen. Sie tragen nicht die Kosten eines Atomausstiegs, nicht die der Flüchtlingskrise 2015 und die damit verbundene Migration nach Deutschland (die in allen EU-Ländern mehrheitlich abgelehnt wurde), nicht die absurd anmutende Lockdown-Politik. Ich hätten nichts gegen etwas mehr Sebastian Kurz und Marc Rutte. Sind übrigens Politiker der seriösen Sorte.

      Die Auswahl der Spitzenkandidaten sind auch nur eine Reflektion der Gesellschaft.

      Nicht so, wie sie in Deutschland veranstaltet wird. Wäre es nach den Ansichten der Mehrheit gegangen, hätten wir ein Triell Söder – Habeck – Scholz und wahrscheinlich einen Bayern als zukünftigen Kanzler.

      Unter Lindner werden die Liberalen aller Voraussicht nach zum zweiten Mal deutlich zweistellig abschneiden. Er hat die Partei aus der außerparlamentarischen Opposition und vertreten nur noch in 6 Länderparlamenten zu einer wichtigen Größe gemacht, die voraussichtlich den künftigen Kanzler bestimmt. Das ist als Erfolg beispielslos. Wieso ist es für Sie zwergenhaft?

      • Alex 28. August 2021, 12:21

        @Stefan I und II:

        Gibt es eures Wissens irgendwo eine wirklich umfassende, sachliche und politisch möglichst neutrale Analyse der Konsequenzen der Flüchtlingskrise 2015 für Deutschland? Eine Analyse, die Fragen beantwortet wie: Wie viele Menschen sind damals, 2015f, tatsächlich nach Deutschland gekommen? Wie viele davon waren Asylsuchende und wie viele klassische Migranten? Wie hoch waren die unmittelbaren Kosten ihrer Unterbringung, verursacht durch zusätzlichen Verwaltungsaufwand, Aufbau von Flüchtlingsheimen etc.? Wie viele dieser Menschen sind heute noch hier? Wie gut hat die deutsche Gesellschaft die, die hier geblieben sind, inzwischen absorbiert? Wie viel Prozent von ihnen haben heute einen festen Job? Gibt es Branchen, die von einem Zustrom an potentiellen Arbeitskräften vielleicht sogar profitiert haben? Und wenn ja, in welchem Umfang? Wie viele der zugezogenen Kinder haben Deutsch gelernt, gehen heute zur Schule? Hat sich die Flüchtlingswelle wirklich in den Kriminalstatistiken bemerkbar gemacht und – auch hier – wenn ja, in welchem Umfang? Was sind die dauerhaften finanziellen Mehrbelastungen der Flüchtlingswelle, die der deutsche Staat noch heute jährlich aufwenden muss? Gibt es die überhaupt in einem nennenswerten Ausmaß?

        Und so weiter. Der politische Fallout der Flüchtlingswelle 2015 ist in den Jahren seither medial hinlänglichst und ausführlichst von allen Seiten beleuchtet worden, aber die nüchternen, reinen Fakten zu dem Thema habe ich überwiegend nicht präsent. Es gibt dazu doch bestimmt irgendwo eine oder mehrere gute Studie(n) oder einen Anlaufpunkt für weiterführende, tiefergehende Informationen. Kennt ihr da was? Habt ihr euch mit dem Thema vielleicht an anderer Stelle auch schon einmal ausführlich auseinandergesetzt?

        P.S. Lanz ist wirklich gut. Und hat nach meinem Gefühl in den letzten sechs bis zwölf Monaten noch einmal deutlich an Qualität gewonnen. Erstaunlicherweise. Er ist für das Thema jedes Gastes stets hervorragend vorbereitet, hält das Gespräch mit dem Gast, der gerade im Fokus steht, immer streng am Thema, fragt stets kritisch nach und lässt keine Ausflüchte zu. Dazu ist er aufmerksam, wach, hört zu und denkt mit und ist daher in der Lage, ganz häufig die passende Frage oder Nachfrage zu stellen, die ich als Zuschauer in der Situation auch gerne gestellt hätte. Gleichzeitig ist er inhaltlich kein Neutrum, sondern hat eine kritische, informierte Grundhaltung, aus der heraus er die Einlassungen seiner Gäste reflektiert und entsprechend hinterfragt, ohne dabei einfach immer nur penetrant „anti“ zu sein. Lanz ist wirklich stark (geworden).

        • Stefan Sasse 28. August 2021, 13:28

          Ich kenne keine, aber ich bezweifle, dass es so was bislang gibt. Dafür musst du im Endeffekt ja eine Studie beauftragen, und das heißt jahrelang durch die Archive und Dokumente diverser Behörden forsten. Mal davon abgesehen, dass die endgültige Statusklärung für diese Leute Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern kann, weswegen die von dir gewünschte Eindeutigkeit kaum zu finden sein wird.

          Was wir wissen ist, dass jenseits einer Million Flüchtlinge kamen. Ein großer Teil aus Syrien. Syrien ist eine Kriegszone. Der „Überschuss“ 2015 war daher sicher nicht „klassische“ Migrant*innen, aber die wenigsten (unter 5%) qualifizieren für Asyl. Flüchtlingsstatus dürfte ein Großteil haben. Aber genaue Daten hab ich keine.

          • Stefan Pietsch 28. August 2021, 15:29

            You wish.

            2015 stammten 15% der zugezogenen Flüchtlinge aus Syrien, das Gros kam aus dem Kessel Buntes (42%). 2016 kamen 36% von 745.000 aus Syrien. In Summe kamen in den beiden Jahren somit 1,8 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland, nicht wie von mir geschreiben 1,4 Millionen. Nur wenige hatten dabei ihren Ursprung in dem Bürgerkrieg in Syrien.

        • Stefan Pietsch 28. August 2021, 14:57

          @Stefan I und II

          Gefällt mir. 🙂 Wer ist I und wer ist II? Gehen wir nach dem Alphabet oder nach dem Master des Blogs?

          Gute Fragen auf die es keine eindeutige Antwort gibt. Ins Forum gefragt, gibt es Interesse, dies in der Form nüchtern-analytisch zu betrachten?

          Wie viele Menschen sind damals, 2015f, tatsächlich nach Deutschland gekommen?
          Aus dem Stegreif kamen 2015/2016 rund 1,4 Millionen Flüchtlinge. Die genauen statistischen Zahlen finden sich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Danach kamen keine größeren Wellen mehr.

          Wie viele davon waren Asylsuchende und wie viele klassische Migranten?
          Was meinen Sie mit „klassische Migranten“? Das BAMF wie die Rechtslage unterscheidet zwischen Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, die einen bedingten, gruppenbezogenen Aufenthaltstitel besitzen und Asylbewerber nach Artikel 16a GG, welche einen Individualschutz genießen. Darüber hinaus gibt es EU-Binnenmigration und Zuzug aus Drittländern gemäß Zuwanderungsgesetz. Die letzten Gruppen werden über die Meldebehörden erfasst und an das Statistische Bundesamt in Wiesbaden gemeldet.

          Wie hoch waren die unmittelbaren Kosten ihrer Unterbringung, verursacht durch zusätzlichen Verwaltungsaufwand, Aufbau von Flüchtlingsheimen etc.?

          Eine solche Kostenrechnung gibt es nicht, weil der Staat eine solche prinzipiell nicht führt. Der Bundesfinanzminister führt nur im Bundeshaushalt einen globalen Titel, um Zusatzausgaben abzudecken. Zuletzt lag dieser meines Wissens bei 50 Milliarden Euro. Das sind aber natürlich nicht die in den Jahren angefallenen Gesamtkosten.

          Wie viele dieser Menschen sind heute noch hier?
          Das ergibt sich aus den Zahlen des BAMF und des Statistischen Bundesamtes. Meines Wissens nach blieben von den 2015/2016 zugewanderten Flüchtlingen bis heute 1,1 Millionen. Aber das ist blank gesprochen.

          Wie gut hat die deutsche Gesellschaft die, die hier geblieben sind, inzwischen absorbiert? Wie viel Prozent von ihnen haben heute einen festen Job?
          Über den ersten Punkt lassen sich nur Annahmen treffen. Was wäre gut integriert? Nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit sowie Studien von ILO hat ein Großteil eine Beschäftigung gefunden, die meisten sind jedoch geringfügig und decken nicht die gesamten Lebenshaltungskosten ab. Die letzten mir bekannten Zahlen stammen jedoch von 2019 und damit vor Corona.

          Gibt es Branchen, die von einem Zustrom an potentiellen Arbeitskräften vielleicht sogar profitiert haben?
          Schwer zu sagen. Es gibt Branchen, die gezielt um Zuwanderer geworben haben, z.B. Gastronomie, Pflege, Erziehung. Diese verzeichnen einen erhöhten Anteil Migranten unter der Belegschaft.

          Wie viele der zugezogenen Kinder haben Deutsch gelernt, gehen heute zur Schule?
          Kurz: alle, das ist für minderjährige Kinder in Deutschland eine Verpflichtung. Sie beginnt spätestens mit Beginn des neuen Schuljahres. Nach meiner persönlichen Einschätzung ist es dennoch problematisch, weil in der Regel zu spät. Gerade Kinder von nicht Deutsch sprechenden Eltern müssten noch lange vor der Schulzeit in das hiesige Erziehungswesen einbezogen werden, um die Sprache akzentfrei zu lernen und nicht mit einem Rückstand in die Schulzeit zu starten.

          Hat sich die Flüchtlingswelle wirklich in den Kriminalstatistiken bemerkbar gemacht und – auch hier – wenn ja, in welchem Umfang?
          Definitiv: Ja. Seit 2015 sind die Delikte der schweren Kriminalität – Raub, Körperverletzungen, Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung, antisemitische Straftaten – nach vielen Jahren des Rückgangs signifikant angestiegen und haben sich teilweise sogar verdoppelt. Insbesondere lässt sich der Einfluss an der Statistik über die Tatverdächtigen ablesen.

          Was sind die dauerhaften finanziellen Mehrbelastungen der Flüchtlingswelle, die der deutsche Staat noch heute jährlich aufwenden muss?
          Darüber gibt es keine amtlichen Schätzungen.

          Ich habe in der Vergangenheit zu dem Thema vor allem politische Artikel geschrieben. Analyse nein, Stefan II auch nein.

          Für viele Medienbeobachter gilt Lanz heute als die härteste Talksendung für Politiker. Entsprechend trauen sich viele nicht hin, weil die Wahrscheinlichkeit nicht gering ist, sich zu blamieren. Dennoch lässt sich bei Lanz eine politische Tendenz erkennen, Liberale behandelt er aggressiver als Grüne. Aber das ist Lamento auf hohem Niveau. Ich sehe ihn selbst nachts sehr gerne.

          • Alex 7. September 2021, 08:52

            @Stefan I und II (wer von euch sich gerne womit angesprochen fühlen möchte, überlasse ich euch ),

            Erst einmal vielen Dank für eure ausführlichen Antworten! (Und sorry für die späte Reaktion. War länger unavailable.)

            Um es gleich vorweg zu sagen, ja, ich für meinen Teil würde mich sehr freuen, wenn ihr das Thema einmal datengetrieben und mit eurer bekannt kritisch-analytischen Perspektive aufarbeiten würdet, gerne entlang meiner Fragen oder von ihnen inspiriert. Aber seid gewarnt, die Recherche ist mühsam.

            Das weiß ich, weil ich zwischendurch mal selbst ein wenig recherchiert habe. Die Datenlage ist stellenweise unübersichtlich und fragmentiert – und auch nicht immer einheitlich. Für meine erste Frage, die Kardinalfrage der Flüchtlingszahlen, habe ich u.a. folgendes herausgefunden (Quelle für alle Zahlen: BAMF Migrationsbericht 2017).

            „Wie viele Menschen sind damals, 2015f, tatsächlich nach Deutschland gekommen?“

            Die Netto- (nicht Brutto!) Zuwanderung nach Deutschland betrug:
            2015: 1,14 Mio.
            2016: 500.000
            2017: 416.000

            (Zur Ermittlung des Bruttozuzugs muss man jedes Jahr noch einmal ungefähr 1-1,5 Millionen Menschen draufrechnen, denn ungefähr so viele Menschen emigrieren auch jedes Jahr aus Deutschland.)

            Grundsätzlich sind die meisten Zugezogenen stets EU-Binnenmigranten, von denen in den letzten acht bis neun Jahren jedes Jahr ca. 600-800.000 Menschen nach Deutschland kamen, was in den „normalen“ Jahren vor und nach der Migrationskrise 2015f mit ca. 80% und phasenweise sogar über 90% den mit Abstand größten Teil des Bruttozuzugs ausmacht(e).

            Von den hier interessierenden Asylsuchenden / Asylerstantragstellern in Deutschland kamen:
            2015: 890.000 / 440.000
            2016: 280.000 / 722.000
            2017: 187.000 / 198.000

            Man sieht sehr schön, wie die Zahl der Asylsuchenden der der Erstantragsteller wegen des Abarbeitungsstaus zeitlich vorläuft. Diese ca. 1,15 Mio. Asylerstantragsteller bzw. 1,17 Mio. Asylsuchenden in 2015/16 sind wahrscheinlich die berühmten „über eine Millionen Flüchtlinge“, die 2015f nach Deutschland gekommen sind, von denen allerdings aus der die öffentliche Aufmerksamkeit dominierenden Gruppe der Krisenflüchtlinge aus dem nahen Osten nur ungefähr 2/3 stammten (Syrer > Afghanen > Iraker).

            (Die Gruppe der Zuwanderer komplettieren: Studienanfänger, Spätaussiedler, außer-EU Erwerbsmigranten, Familienmachzügler und deutsche Rückkehrer. Diese Gruppen sind im Vergleich zur EU-Binnenmigration und in den kritischen Jahren 2015f auch zu den Asylsuchenden zahlenmäßig allerdings von sehr überschaubarer ​Größe.)

            Die anderen Fragen – Kriminalität, Kosten, Schule, Arbeitsmarkt usw. – habe ich aus zeitlichen Gründen bisher leider nicht oder nur sehr oberflächlich recherchieren können. Ich würde mich aber wie gesagt nicht dagegen wehren, wenn ihr die Zeit, Muße und Lust finden würdet, dieses Thema einmal sachlich und fundiert in seiner ganzen Breite aufzuarbeiten.

            • Stefan Sasse 7. September 2021, 09:29

              Das ist überhaupt nicht mein Spezial- oder Interessengebiet ehrlich gesagt, da muss ich passen.

  • Stefan Sasse 23. August 2021, 14:46

    So, einige grundsätzliche Gedanken. Ich stimme der Richtung deiner Analyse völlig zu; ich glaube, es gibt aktuell niemand, der widerspricht, dass das Kandidat*innenfeld sehr schwach ist dieses Jahr. Auch in den Gründen bin ich weitgehend bei dir. Ich habe aber einige Einzelpunkte, an denen ich widersprechen will.

    1) Ich finde das Prädikat „überehrgeizig“ für Baerbock völlig unangemessen. Sie ist genauso ehrgeizig wie die beiden anderen auch: sie will das Kanzler*innenamt. Warum das bei Scholz und Laschet nicht Ehrgeiz sein soll (oder verwerflich), bei ihr aber schon, ist nur aus deiner persönlichen Abneigung zu erklären.

    2) Die CDU hat den kompetitivsten Kandidatenauswahlprozess ihrer Geschichte gehabt, deswegen ist mir etwas unklar, warum du das hier kritisierst. Im Gegensatuz zu den Grünen und der SPD war der Prozess ja legendär kompetitiv und transparent? Andersrum gefragt: was würdest du dir da wünschen? Ist es hier nicht auch eher das Ergebnis als der Prozess selbst, der dir nicht behagt? Würdest du die gleichte Kritik bringen, wenn Röttgen Vorsitzender und Söder Kandidat geworden wäre?

    3) Scholz ist weder ein besonders bekannter Politiker (bekannter als Laschet, ja, und Baerbock sowieso, aber der ist auch keine A-Riege) noch hat er besonders viel Format. Seine größte Leistung besteht soweit darin, unbeschadet durch den Cum-Ex-Skandal gekommen zu sein und sonst als Finanzminister geräuschlos seinen Job gemacht zu haben. Ich halte ihn zwar für einen relativ guten Finanzminister (vor allem seit Ausbruch der Pandemie), aber er ist jetzt nicht gerade bekannt auf einem Level wie ein Schröder, Lafontaine oder sogar Schäuble. Ich denke aber, dass er den mit Abstand besten Wahlkampf der drei macht. Scholz hat eine unglaublich schlechte Hand bekommen und macht das Beste daraus. Hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet.

    • Stefan Pietsch 23. August 2021, 20:05

      1) Für einen Ministerpräsidenten und einen herausgehobenen Minister stellt der Griff nach der Kanzlerkandidatur einen logischen Karriereschritt dazu, zu dem es auch Ehrgeiz bedarf. Ohne jede Verwaltungserfahrung, ohne nennenswerte Berufserfahrung und mit überschaubarer politischer Erfahrung ist die Kanzlerkandidatur anzustreben überehrgeizig. Würden wir über den Azubi auch sagen, der im nächsten Jahr sich auf der Hauptversammlung um den Posten als CEO bewirbt.

      2) Mein Ideal stellt der Wahlkampf der französischen Republicains dar, die 2017 einen spektakulären Auswahlprozess veranstalteten. Der Sieger François Fillon hätte auch gute Chancen auf die Präsidentschaft gehabt, wäre er nicht über eine Affäre um die Beschäftigung von Familienmitgliedern gestolpert. Davon war die Union meilenweit entfernt. Laschet wurde Kanzlerkandidat, wie er Parteivorsitzender geworden war. Irgendwann nachts stimmten 40 Parteifunktionäre für 400.000 Parteimitglieder ab und missachteten dabei den eindeutigen Mehrheitswillen der CDU.

      3) Scholz ist einer der bekanntesten Politiker des Landes, hinter Merkel, aber in der nächsten Liga mit Christian Lindner, Cem Özdemir, Friedrich Merz, Wolfgang Schäuble.

      Meine persönliche Bewertung von Scholz unterscheidet sich sehr deutlich von dem, wie ihn die Mehrheit der Deutschen sieht. Zur Fairness gehört, nicht nur meine Position darzustellen. Seine Arbeit als Finanzminister finde ich zu keinem Zeitpunkt als sonderlich überzeugend.

      Doch während Scholz B-Liga ist, spielt Laschet C-Liga und Baerbock D-Liga. Da gibt es schon Unterschiede.

      P.S.: Laschet und Baerbock gleichzusetzen, verbietet sich. Die Grüne ist Azubi-Größe.

      • Stefan Sasse 23. August 2021, 20:52

        1) Baerbock ist 40, nicht 19. Und Vorsitzende der zu dem Zweitpunkt in den Umfragen zweitgrößten Partei.

        2) Fillon ging 2017 trotz des Auswahlprozesses aber ziemlich unter. 😉 Davon unabhängig: wie lief das ab?

        3) Nein, ist sie nicht. D-Liga, ja, aber da gibt es noch ne ganze Menge drunter.

        • Stefan Pietsch 23. August 2021, 21:59

          1) Die Rechnung geht anders. Von ihrem erwachsenen Leben hat sie 12 Jahre in universitärer Ausbildung zugebracht, 7 mehr als üblich und notwendig. Die fehlen ja irgendwo. Sie ist erst seit 8 Jahren im Bundestag, das einzige, was als „professionell“ durchgehen kann. Großzügig gerechnet fehlen der 40jährigen 8 Jahre, in denen andere Ausbildung und Karriere gemacht haben. Mit anderen Worten, karrieretechnisch befindet sie sich auf dem Level einer Endzwanzigjährigen / Anfang 30jährigen.

          Sie ist Co-Vorsitzende der kleinsten Partei im Deutschen Bundestag. Entsprechend sind die Parteistrukturen. In Ihrem Alter hatte Lindner 2 Unternehmen gegründet, war Generalsekretär, Fraktionsvorsitzender im Landesparlament und hat seine Partei praktisch im Alleingang mit kleiner Kapelle von der außerparlamentarischen Opposition zur zweitgrößten Oppositionsfraktion im Deutschen Bundestag gemacht. Ich denke, da liegen doch schon qualitative Unterschiede dazwischen. Und offensichtlich ist, dass sie eher im Beifahrersitz saß und mit der Strategie der letzten Jahre außer Abnicken wenig zu tun hatte. Kommunikativ lag die Hauptlast auch bei anderen. Ich halte deswegen ihre „Leistungen“ für überschaubar.

          2) Ich schrieb, weshalb. Das spricht in der Form aber nicht gegen das Verfahren.

          Ähnlich wie in amerikanischen Vorwahlkämpfen präsentierten sich die Kandidaten in verschiedenen Fernsehrunden. Wikipedia fasst es so zusammen:

          Bei den Vorwahlen konnten sich nicht nur Parteimitglieder der LR, sondern auch Kandidaten anderer Parteien der Mitte und der Rechten bewerben (Primaire ouverte de la droite et du centre, Offene Vorwahl der Rechten und der Mitte), sofern sie gewisse Bedingungen hinsichtlich der Unterstützung durch beteiligte Parteien, Mitglieder oder Amtsträger erfüllten. Die Teilnahme an der Abstimmung stand nicht nur Parteimitgliedern offen, sondern jedem, der im Wahlbüro erschien, zwei Euro Kostenbeteiligung zahlte und eine „Charta des Wechsels“ unterschrieb, durch die erklärt wurde, dass man „die republikanischen Werte der Rechten und der Mitte teilt und sich für den Wechsel einsetzt, damit die Wiederaufrichtung Frankreichs gelingt“

          Ich hatte das mitverfolgt und ich fand es echt geil! Das wirkte offen und modern. So etwas wünsche ich mir für Deutschland.

          • Stefan Sasse 24. August 2021, 15:33

            2) Ich bin da halt mit Blick auf die USA skeptisch. Deren Vorwahlen führen jetzt auch nicht zu mehr Legitimität…

  • Thorsten Haupts 23. August 2021, 16:09

    Scholz hat eine unglaublich schlechte Hand bekommen und macht das Beste daraus. Hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet.

    Ja. Nur sollte er die Regierung führen, bekommt er schon im Jahr 1 das Schmift Problem von dessen letzten Regierungsjahr – er müsste diese Regierung gegen seine eigene Partei führen. Die Vorsitzendenauswahl der SPD war da ziemlich eindeutig.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 23. August 2021, 20:42

      Ja, aber: die SPD in den 1980er Jahren war eine funktionsfähige Partei. Die heute ist zwar anderer Ansicht als er, aber unfähig, was draus zu machen.

  • Juri Nello 23. August 2021, 22:08

    Ich finde das ja toll, wie sich nur einen Artikel später bei Deliberationdaily.de doch rausstellt, dass alle hier behandelten Parteien als Garanten für ein: „Weiter so!“ etablieren.

    „Bei Führungskräften der Wirtschaft wird ihre Selbstgenehmigung eines Corona-Bonus als No-Go klassifiziert.“ Vor allem bei der Lufthansa, bei Mercedes, bei VW, bei der Deutschen Bank und vielen weiteren. Selten so gelacht!

    Mal schauen, ob hier im Blog ein paar Eier aus Stahl haben und auch dazu stehen, die eigenen Coronaboni nicht zu bereuen. 😀

    Was lernen wir aus den letzten zwei Threads hier im Blog?

    Die Wahl endet, wie üblich. CDU/SPD Kopf an Kopf, dann folgen die anderen und aufgrund der Verteilung wird es zu einer längeren Phase der Regierungsbildung kommen.

    Bleibt Merkel eigentlich so lange Kanzlerin?

    Letztes mal hat es ja nur etwas mehr als ein halbes Jahr gedauert, bis es zu einer Regierung gereicht hat. Das war eine glorreiche Erholungspause, für Bürger und andere Länder. Das darf gerne wiederholt & verlängert werden!

    Bin schon gespannt, wer dann nach der Wahl den neuen Lockdown durchsetzt und wie das dann im Einzelnen juristisch haltbar ist.

    Frei nach Lindner:
    „Lieber gar nicht regiert werden, als falsch regiert werden!“

    Voilà!

  • Ariane 23. August 2021, 22:13

    Sehr geiles Layout! (aber deine vielen Adjektive machen mich echt kirre^^) Komme mir vor wie bei „Bauer sucht Frau“ oder so, wo man nie einfach nur einen Namen hatte, sondern noch irgendein Anhängsel dazu.

    Dass das Kandidatinnenangebot nicht so prall ist, da sind sich ja alle einig. Ich finde, die ganze Situation des Wahlkampfes merkwürdig. Kommt mir alles sehr nach einer Übergangswahl vor, vielleicht weil man niemanden bzw die Kanzlerin nicht abwählen kann. Könnte mir auch vorstellen, dass – egal wer es wird – dann wirklich nur vier Jahre lang ist.

    Das ist zum einen medial, es ist ja erstaunlich, wieviel Energie und Emotion in so Nichtzeugs wie Lastenräder. LASTENRÄDER! investiert wird, während quasi nichts mit Substanz vorkommt.

    Und zum anderen liegt das aber auch an den Parteien selbst. Die wirken alle noch sehr suchend und tastend und unsortiert. Gerade die Union und die Grünen sind da irgendwie in so einem Schwebezustand. Vielleicht auch ein Grund, warum es bei SPD und FDP besser läuft. Die SPD sucht schon solange, das gehört irgendwie dazu und die FDP ist da auch sehr gleichgeblieben. Finde im Gegensatz zu Union und Grünen sind die beiden Parteien dann plötzlich für die Wählenden eine recht sichere Bank, in dem Sinne, dass man nicht plötzlich was ganz anderes bekommt als das, was man gewählt hat.

    • Stefan Pietsch 23. August 2021, 22:59

      Danke! Das will ich eben auch mal hören. 😉 Manchmal lege ich nur einen Filter drüber, aber in solchen Fällen muss man sich das Motiv ausdenken und dann mit verschiedenen Bildebenen arbeiten. Und ich bin von Berufs wegen nicht Layouter.

      Interessante Kritik, es würde mich interessieren, ob auch andere Leser die Sprache der Artikel zu bunt, zu Girlandenmäßig empfinden. Das ist schwerer zu lesen, ja. Aber: für den Boulevard bin doch ich zuständig, oder?

      Die Deutschen neigen nicht dazu, ihre Regierung nach nur kurzer Zeit abzuwählen. Das Problem könnte eher darin liegen, dass Dreier- und Viererbündnisse wesentlich instabiler sind. In Schleswig-Holstein – kennst Du vielleicht – ist die anfängliche Begeisterung über Jamaika auch gegenseitiger Frustration gewichen. In Rheinland-Pfalz verlor wiederholt die FDP durch die Ampel und in Sachsen-Anhalt waren CDU und Grüne sich nach 5 Jahren mehr als überdrüssig. Unter dem Brennglas Berlin potenzieren sich die inhärenten Probleme. Also egal ob Jamaika oder Ampel – das Bündnis könnte aufgrund der von Beginn an bestehenden Konflikte spätestens nach vier Jahren gesprengt werden.

      Als Baerbock frisch aus dem Urlaub zurück Themen setzen wollte, begann sie mit gegenderten Gesetzestexten. Nach dem Klimathema folgte dann Flüchtlingspolitik. Zwei dieser drei Themen schaffen es nicht in die Top-Ten der gesellschaftspolitischen Shortlist und schon gar nicht mit den präsentierten Lösungsansätzen. Laschet hatte am Samstag morgen anscheinend Zeitung gelesen und tippte auf Digitalisierung (irgendwie Bürokratie aufräumen) und Klima (muss man was machen). Für das dritte Thema müssen wir uns noch ein paar Wochen gedulden, es soll ja rechtzeitig (was immer das bei der Union heißt) ein 100-Tage-Programm geben. Da rede ich doch lieber über Fußnoten.

      Grüne und FDP haben ein klares, erkennbares Profil. Wenn man jemanden auf der Straße anspricht und sagt grün, denkt der an blühende Felder und die Erde vor dem Hitzetod retten. Die FDP ist da auf einem guten Weg, sie bewirbt die moderne Arbeitsgesellschaft (genügend unscharf) und setzt nicht mehr so im Vordergrund auf Steuersenkungen und damit Konfrontation. Marketingtechnisch auf dem Weg in die Liga der Grünen. Zu CDU und SPD fällt den Leuten auf Anhieb nichts ein. Einzelmaßnahmen wie Mindestlohn als Identifikationsmerkmal anzubieten, ist einfach nur amateurhaft.

      CDU und SPD sind nach langen Jahren des Regierens einfach ausgelaugt und erschöpft. Das habe ich übrigens schon vor 4 Jahren hier progostiziert, müsste in einem der Artikel von Ende 2017 stehen.

      • Erwin Gabriel 23. August 2021, 23:08

        @ Stefan Pietsch 23. August 2021, 22:59

        Interessante Kritik, es würde mich interessieren, ob auch andere Leser die Sprache der Artikel zu bunt, zu Girlandenmäßig empfinden.

        Manchmal wäre weniger mehr. 🙂

      • Ariane 23. August 2021, 23:51

        Die Deutschen neigen nicht dazu, ihre Regierung nach nur kurzer Zeit abzuwählen.

        Richtig, aber wie gesagt, es fühlt sich aktuell irgendwie sehr nach Übergangslösung an.

        Insgesamt ist das ein totaler Angstwahlkampf, das macht ihn vielleicht auch so anstrengend. Der Wähler, das scheue Reh, das man bloß nicht verschrecken darf.
        Ich hab die Grünen ja oft gelobt, wie seriös sie die letzten Jahre geworden sind und wirklich aus der Opposition heraus Richtung Regierungspartei streben. Aber jetzt ist mir das schon oft arg defensiv, ist mir auch bei den Plakaten aufgefallen. Ich meine, die stehen ja eigentlich für Wandel, bieten das aber schon im Vorfeld schon sehr schaumgebremst an.
        Bei Union und SPD ist das ja normal und FDP halt auch ein „weiter so“ mit weniger Steuern und mehr Digitalzeugs.

        Das ist ja vermutlich clever, weil die Deutschen so fixiert auf Stabilität sind und quasi kurz vorm Nervenzusammenbruch, wenn nach 16 Jahren die Kanzlerin von Bord geht in einer recht unruhigen Zeit. (siehe auch Stefans Podcast dazu) Auch ein Grund, warum man dann eher in Lastenrad-Diskussionen Zuflucht sucht anstatt in größeren Problemen.

        Und das ist halt wahnsinnig uninspirierend. Und verhindert auch, dass überhaupt irgendwas Konkretes und Substanzvolleres angesprochen wird, weil man ja sofort Wähler verschreckt, wenn man irgendwie konkret wird. Und es vermittelt auch ne größere Alternativlosigkeit als die, von der Merkel gesprochen hat.
        Alles in allem sehr deprimierend. Und das kann man halt eine Weile (in Deutschland eine lange Weile) machen, aber irgendwann erreicht man da einen Bruchpunkt.

        • Erwin Gabriel 26. August 2021, 00:32

          @ Ariane 23. August 2021, 23:51

          Richtig, aber wie gesagt, es fühlt sich aktuell irgendwie sehr nach Übergangslösung an.

          Ja. so wird es wohl werden. Danach vier Jahre eine andere Übergangslösung (befürchte ich)

    • Stefan Sasse 24. August 2021, 15:33

      Mein Favorit ist Markus Lanz als „der gebürtige Italiener“, wenngleich nur in den Kommentaren.

  • Thorsten Haupts 23. August 2021, 23:01

    … dass man nicht plötzlich was ganz anderes bekommt als das, was man gewählt hat.

    Subjektiv (aus Sicht des einzelnen) ist da was dran. Objektiv ist es nur in einem Mehrparteiensystem mit zunehmend gleichstarken Mitspielern unvermeidlich, dass man immer etwas anderes bekommt, als man gewählt hat. Sogar mit denjenigen, die man gewählt hat. Auf der Grundlage einer von 3/4 der Wähler geteilten, gemeinsamen, Grundlage funktioniert das auch einigermassen – und genau das gilt heute für CDU/CSU/FDP/GRÜNE und SPD. Nur erklärt diese geteilte Grundlage auch den einigermassen lustlosen Wahlkampf aller Parteien – es geht um nicht viel.

    Das Lustige ist nur, dass man das unter Merkel auch mit der Union bekam. Massenmigration, Mindestlohn oder Wehrpflichtabschaffung stand ganz sicher nicht auf der Wunsch- oder auch nur Möglichkeitsliste einer Mehrheit von Unionswählern.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Ariane 24. August 2021, 00:09

      Jep, aber das sind ja Sachen, die während des Regierens passieren.

      Mir geht es eher darum, dass man vorher gerne die Grundausrichtung der Partei kennt und zumindest bei CDU und Grünen ist das gerade schwierig, auch weil es sehr wahrscheinlich eine lagerübergreifende Dreierkoalition gibt. Und viele potenzielle Grünen-WählerInnen schreckt es eben ab, dass sie dann plötzlich mit einem Kanzler Laschet daständen (und umgekehrt bestimmt auch).

      Genauso wie potenzielle Unions-WählerInnen vielleicht schnell weg wären, wenn die rechten Hardliner die politische Führung übernehmen. Und das sind Sachen, die sich erst nach der Wahl klären lassen, das wirkt halt alles recht unsortiert.

      Die FDP hat das Problem nicht, weil sich da nicht viel geändert hat (außer dass Lindner sich lange keinen Klops mehr geleistet hat und gerade auf seriösen, kommenden Finanzminister macht. Das Gesetz besagt allerdings, dass auf Seriösität immer ein Lindner-Klops folgt)

      Und die SPD ist ja generell orientierungslos, das ist immerhin schon vertraut. Da passiert auch wenig Neues und sie wirkt auch bisher erstaunlich aufgeräumt, bin selbst ganz überrascht. (auch da besagt das Gesetz, das in Bälde ein Klops folgt^^)

      Die sind halt langweilig berechenbar, die politische Ausrichtung der BRD in den nächsten Jahren wird von Grünen und Union bestimmt und da ist es schwieriger zu sagen, wie sie sich entwickeln.

      • Dennis 25. August 2021, 09:32

        Zitat Ariane:
        „Und die SPD ist ja generell orientierungslos, das ist immerhin schon vertraut.“

        Aber sie hat ihren Wahlkampfmodus gefunden: Ich kenne keine Flügel mehr, ich kenne nur noch Scholz. Sprich: Mindestens bis zur Wahl Schnauze halten, außer Olaf, Olaf, Olaf.

        So was war früher mal CDU-like^. Auf den Kanzler kommt es – angeblich – an; das paraphrasiert die SPD grade. Wieso soll Kanzlerwahlverein nicht auch bei der und für die SPD Funken schlagen? Okay, vorübergehend.

        • Stefan Sasse 25. August 2021, 09:41

          Jepp, die Disziplin der SPD in diesem Wahlkampf ist beachtlich.

    • Stefan Sasse 24. August 2021, 15:35

      Die CDU hatte halt auch nie die absolute Mehrheit.

      • Thorsten Haupts 24. August 2021, 21:06

        Nei. Aber Massenmigration und Wehrpflichtabschaffung sind wie die „Energiewende“ etc. ausschliesslich auf Merkels Mist gewachsen. Sie wurden von keinem Koalitionspartner erzwungen.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 25. August 2021, 00:00

          Wehrpflichtabschaffung ist glaube ich aber selbst unter Unionsanhänger*innen mehrheitsfähig gewesen.

  • Erwin Gabriel 23. August 2021, 23:06

    Ariane 23. August 2021, 22:13

    Finde im Gegensatz zu Union und Grünen sind die beiden Parteien dann plötzlich für die Wählenden eine recht sichere Bank, in dem Sinne, dass man nicht plötzlich was ganz anderes bekommt als das, was man gewählt hat.

    Das, finde ich, ist ein wichtiger Punkt.

  • Ariane 24. August 2021, 01:04

    Auch noch ein ganz interessanter Artikel, von Dietz:
    https://www.republik.ch/2021/08/23/clownesker-konservatismus

    Es ist die Petrischale des neuen Konservatismus, in die man hier blickt, ein Konservatismus, der diesen Namen nicht verdient. Es handelt sich eher um einen autoritären Nihilismus, im Fall von Armin Laschet voran­getrieben mit charakteristisch deutscher Mittel­mässigkeit. […]Es ist eine Klassen­politik von oben, die jede Kritik und jeden Diskurs über eine andere Form von Wirtschaft, über Bewahren und Erhalt, also den eigentlichen Konservatismus aufgeben hat.

    • Thorsten Haupts 24. August 2021, 10:50

      Na ja. Bei Dietz als hartem Linken weiss ich vorher, was ich bekomme, wenn er über seinen politischen Erzfeind schreibt. Und das geht schon los mit „neuen Konservatismus“ – die Union war nie konservativ im klassischen Sinne, heute schon mal gar nicht. Dafür gibt´s einfach nicht mehr genügend wirklich Konservative (gab´s vermutlich schon seit 1945 nicht).

      Gruss,
      Thorsten Haupts

  • cimourdain 24. August 2021, 22:36

    Danke, der Artikel ist gut zu lesen (mir ist der Stil nicht zu ‚blumig‘) und inhaltlich mit dem sezierenden Blick eines Personalers geschrieben. Es gibt nicht viel, wo ich so richtig widersprechen würde…

    Dennoch möchte ich in der Grundannahme gegenreden: Es ist im Vorfeld kaum einzuschätzen, wie jemand im Kanzleramt sein wird. Merkel wurde bei Amtsantritt als „Zwischenlösung“ unterschätzt und hielt sich gefühlt 100Jahre, umgekehrt war Erhard beliebt, kompetent und erfahren – aber im Kanzleramt restlos überfordert.
    Klar, es wird viel auf das nächste Kabinett ankommen, wer stark ist und wer bremst, nur leider haben wir noch keiner Partei Ahnung, wen wir zu erwarten haben. Was ist eigentlich aus den Schattenkabinetten oder wenigstens Kompetenzteams der Vergangenheit geworden ?

    Das liegt daran, dass niemand weiß, welche Parteien die Regierung bilden. Hart formuliert: Es werden am Wahlabend 3 oder 4 Koalitionen rechnerisch möglich sein und dann entscheiden die Leitmedien per Rudelauswahl, welche die beste für Deutschland ist.

    Deshalb mein Gegenvorschlag: schaut nicht auf die Leute, schaut nicht auf Image, Lager oder andere externe Zuschreibungen. Und lasst euch nicht auf die öffentliche Kommunikation der Parteien ein. Ein Beispiel: Bisher hat nicht eine Partei irgendwelche Vorschläge zum Thema Gesundheit gemacht – das ist ja nur etwas, das seit über einem Jahr die Gesellschaft lahmlegt.

    Schaut lieber auf Programme, welche Themen die Parteien selbst ansprechen und wie sie damit umgehen. Zockt den Wahlomat durch und sucht euch 3 bis 4 Themen aus, die euch wichtig sind und dann entscheidet danach, welche Parteie(en) dazu vernünftige Antworten geben.

    Und kümmert euch auch nicht um ‚Machtoptionen‘ oder taktisches Wählen. Wie oben beschrieben, gibt es unübersichtlich viele Konstellationen. Und eine Demokratie braucht eine funktionierende Opposition fast genauso sehr wie eine funktionierende Regierung – das haben wir in den Jaren der Albanien-Koalition gemerkt.

    • Stefan Pietsch 24. August 2021, 23:30

      Danke! 😉 Geht mir runter wie Öl…

      Ich suche noch Kommentatoren, die Merkel für eine starke Kanzlerin mit guter Bilanz halten. Merkel hatte ein günstiges Zeitfenster, wo nicht auffiel, dass sie politisch und fachlich nichts drauf hat. Das zeigte sich gleich bei ihrem ersten Projekt, dem Gesundheitsfonds, und sie zog danach (bis zur Flüchtlingskrise) den richtigen Schluss, sich aus dem Tagesgeschäft herauszuhalten.

      Nach einer Generation hat sich dann aber hoher Veränderungsdruck aufgebaut. Im Haushalt und in den Sozialsystemen brauen sich Krisen, es knirscht und der Finanzdeckel lässt sich kaum noch daraufhalten, weil die Politik einige Kostenraketen gezündet hat. Dazu kommen überwölbende Themen wie Klima und Digitalisierung. Der nächsten Regierung wird es nicht gelingen, moderierend durchzukommen.

      Politik und Management wird immer noch von Menschen und nicht Programmen erledigt. Laschet und Baerbock haben sich sicher auch eine ganz andere Wahlkampfführung vorgenommen, doch sie konnten ihr „Spiel“ nicht durchbekommen und scheiterten an sich selbst. Warum soll das im Amt nicht so sein? Ein tolles außenpolitisches Programm hat auch nicht verhindert, dass die SPD mit Heiko Maas einen völlig unfähigen Chefdiplomaten ins Außenministerium geschickt haben, der unzählige Menschenleben gefährdet hat.

      Programme zeigen eine Haltung, die Person und ihre Erfahrung das Können. Können schlägt immer Haltung.

      • cimourdain 26. August 2021, 07:15

        Das Beispiel Angela Merkel zeigt doch genau das Problem: Dass bei ihr das Können da ist, ist schwer abzustrieten. Nehmen Sie allein das Time Magazine: Person of the Year, mehrfach mächtigste Frau, mehrfach unter den Top10 der wichtigsten Personen. Am Wollen hingegen scheitert es: Ihre Agenda, da gebe ich Ihnen recht bestand darin, nichts aus eigenem Antrieb zu verändern, Daraus resultieren auch die Probleme ihrer Regierung: Schleichender Verfall der Substanz (etwa Infrastruktur oder Bildung), spätes und erratisches (ich würde sogar sagen populistisches) Agieren bei Krisen und Minister, die machen, was sie wollen (erinnern Sie sich an Christian „so isser, der“ Schmidt?).

        Heiko Maas ist ein Fehler, den ich der SPD Führung anlaste. Der Mann hat im Saarland versagt, im Justizministerium nur Negativschlagzeilen produziert und der wird dann ins ‚Schaufenster‘ Außenministerium gesteckt. Bei diesem Amt kommt tatsächlich sehr viel auf persönliches Auftreten und Souveränität an. Aus der Kategorie ‚Früher war alles besser‘ Es gab mal eine Zeit, als dieses Ministerium für den Topkandidaten(!) der kleineren Regierungspartei reserviert war.

        • Stefan Pietsch 26. August 2021, 10:14

          Das sehe ich völlig anders.

          Angela Merkel ist die einzige Langzeitkanzlerin, wo man sich auch nach 16 Jahren fragt, wofür sie eigentlich die Macht wollte. Sie konnte nie etwas damit anfangen. Sie behaupten, bei ihr habe es nicht am Können, sondern am Wollen gelegen und führen dazu ihre internationalen Auszeichnungen an. Doch die sind geschenkt und die Konkurrenz nicht groß.

          Ich habe Merkel oft als Chaotin der Macht beschrieben. Sie besitzt keine Managementfähigkeiten, kein Organisationstalent. Aber das sind unabdingbare Voraussetzungen für Können. Das sind selbst Scholz und Laschet besser. Um zu diesem Urteil zu kommen, sollten wir genau schauen, wodurch ihr Ruf begründet ist und was sie tatsächlich getan hat. Ich versuche mich da immer in Distanziertheit, d.h. persönliche Politikeinschätzungen sollten keine Rolle spielen. Ob man selbst die Atomkraft befürwortet, darf nicht in die Bewertung einfließen.

          Nun denn. Merkel, die CDU wie die SPD hatten 2005 die Bundestagswahl unter anderem um die Reform der Krankenversicherungen, Kopfpauschale versus Bürgerversicherung, geführt. Merkel zog nach der Wahl das Projekt an sich und schuf federführend aus dem Kanzleramt ein bürokratisches Monster, das in den Folgejahren mehrmals korrigiert werden musste, bis es fast wieder die alte Gestalt hatte. Ihr System wurde von Gesundheitsexperten wie Praktikern zerrissen. Nach diesem Misserfolg hielt sie sich bis zur Flüchtlingskrise aus dem Tagesgeschäft heraus. Für den Beschluss des Atomausstiegs hatte sie weder energiepolitisch noch klimapolitisch ein Konzept. Mehr noch, Hauptstadtjournalisten aus dem engeren Umkreis behaupten bis heute, Merkel wäre sich immer bewusst gewesen, dass der Ausstieg Unsinn sei. Das Projekt kostete Milliardensummen an Entschädigung.

          Ihr Ruf als mächtigeste Frau der Welt liegt in der Eurokrise begründet. Damals schaffte sie es tatsächlich, die Europäer zu einen und eine gemeinsame Haltung gegenüber Griechenland (Irland und Spanien spielten nach den vereinbarten Regeln) durchzudrücken. Mit der eigentlichen Strategie hatte sie nichts zu tun. Die Einbeziehung des Internationalen Währungsfonds (IWF) ging auf Parlamentsinitiative der CDU / CSU-Bundestagsfraktion zurück, verantwortlich zeichnete das von Wolfgang Schäuble geführte Finanzministerium. Der alte Haudegen hatte schon bei den Verhandlungen zur Wiedervereinigung bewiesen, dass er organisieren und managen kann. Der IWF war es letztendlich auch, der die Austeritätspolitik konzipierte, beriet und monitorte.

          Merkels Ruf in internationalen Medien beruhte darauf, dass sie die wirtschafts- und finanzpolitische Macht Deutschlands im Rücken hatte und mit dieser die EU dominierte, zumal die großen Player in Europa, Frankreich, Italien und Großbritannien in Orientierungs- und Wirtschaftskrisen gefangen waren. Wie schwach dieses Merkel-Europa ist, konnte man in der letzten Dekade bei den internationalen Krisenherden Klima, Trump, Ukraine, Flüchtlinge und Afghanistan beobachten.

          Wie bei anderen Krisen auch, konnte Merkel bei der Flüchtlingskrise 2015 wie der Coronakrise 2020 die einmal eingeschlagene Richtung der Panik nicht mehr verändern. Der Druck zur Anpassung kam durch andere Player, sei es durch Wahlen oder die Bundesländer. Merkel selbst ist unfähig, Erfolgskontrolle zu betreiben und zielorientiert ein Projekt zu managen. Ich habe noch die Regierung Kohl während der Wiedervereinigung erlebt. 1989 – 1992 war richtig Dampf im politischen Bonn, die Regierung hatte ein Ziel, einen Faden, Milestones und regelmäßig Beschlüsse in Form von Gesetzesinitiativen gefasst. Merkel dagegen tat während der Flüchtlingskrise praktisch nichts und war sehr schnell isoliert.

          Der Top-Kandidat hieß Sigmar Gabriel, bis heute der talentierteste SPD-Politik der Generation Ü50. Ihn wollten die Parteivorsitzende Nahles und der gescheiterte Kanzlerkandidat Martin Schulz verhindern, so dass sie (notgedrungen, Schulz durfte nicht) Maas zum Außenminister machten. Machtpolitik hatte sich verdribbelt.

          • Thorsten Haupts 26. August 2021, 10:56

            Die Einschätzung von Merkel teile ich – ich halte sie für eine Top-Kandidatin für Deutschlands schlechtesten Regierungschef ever.

            Von den 4 Disziplinen, die ein guter Regierungschef idealerweise beherrscht – Führer, Cheferklärer, Machterringer und Leuteauswähler – beherrscht sie genau eine, die Erringung und Festigung von Macht.

            Mir ist das lagerübergreifende Wohlwollen, teilweise in Bewunderung umschlagend, das Merkel in den Medien geniesst, ein vollkommenes Rätsel. Ihre Schwächen und die ihr zuzurechnenden ihrer Regierung sind offenkundig, sichtbar und erfordern zur Erkennung keine besondere Intelligenz.

            Dass und warum die Union als Kanzlerwahlverein und Machtopportunisten-Haufen an ihr festhielt, ist schon klar. Nur warum zur Hölle geniesst sie einen gemessen an der deutschen Politikvergangenheit schon fast exklusiv guten Ruf in allen relevanten deutschen Medien?

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Stefan Pietsch 26. August 2021, 12:34

              Projektion.

              Anfangs glaubten die Konservativen in der Partei, sie hätten es mit einer Neoliberalen zu tun. Aus der Zeit resultierte das Zerwürfnis mit Horst Seehofer. Sie vertrat, was angesichts von Steuer- und Arbeitsmarktreformen gerade opportun erschien. Ich erinnere mich an ein SPIEGEL-Interview ungefähr 9 – 12 Monate nach ihrer Wahl, wo sie nach den Absichten von Reformen gefragt wurde. Sie antwortete, dass die Reformerin keineswegs weg sei. Nun ja, die Wahrheit war dann eine andere, in 16 Jahren Kanzlerschaft versuchte Merkel nicht ansatzweise Reformen im Arbeits, Sozial- oder Steuerrecht, wenn man von Transfererhöhungen absieht.

              Mit dem Atomausstieg, der schrittweisen Einführung der gemeinsamen Haftung in Europa und vor allem der Politik der offenen Grenzen 2015 / 2016, wo unkontrolliert 1,3 Millionen Menschen aus vorrangig armen Ländern nach Deutschland gelangten, begeisterten Bürger, die nie im Traum daran dachten, CDU zu wählen.

              Das ist ein weiterer Irrschluss, der auch von Stefan gepflegt wird: die Beliebtheit Merkels zahlte nie auf das Konto der Union ein. Anders als bei Schröder übrigens. Beide waren in ihrer Kanzlerschaft die beliebtesten Politiker. Doch während Schröder die SPD weit über ihr übliches Level und die Zahl ihrer Stammwähler zog, war bei Merkel das Gegenteil zu beobachten. Schröder schaffte für die Sozialdemokraten Rekordergebnisse, bezogen auf die letzten 40 Jahre. Angela Merkel dagegen scheiterte an den selbst verfolgten Zielen.

              Selbst der ungeliebte Edmund Stoiber schaffte 2002 ein Ergebnis, das Merkel nur einmal, nämlich 2013, toppte, ansonsten deutlich unterschritt. Und auch der Anteil der Frauen sowie die Wahlergebnisse in den Großstädten konnte sie nicht verbessern, im Gegenteil. Dass die Union 2017 ein vergleichsweise schlechtes Wahlergebnis einfuhr, rechneten die Demoskopen Merkel zu, obwohl ihre Beliebtheitswerte top blieben. Nur, was nützt ein beliebter Politiker, wenn seine Partei nicht gewählt wird?

              Die Leute wählen SPD, weil sie den Kandidaten Scholz, Dreyer, Giffey, Weil wollen. Sie wählen Grün, weil sie Kretschmann als Ministerpräsident wollen. Aber sie wählen nicht CDU, weil sie Merkel toll finden. Das ist der Unterschied.

            • cimourdain 26. August 2021, 20:12

              „Von den 4 Disziplinen, die ein guter Regierungschef idealerweise beherrscht – Führer, Cheferklärer, Machterringer und Leuteauswähler – beherrscht sie genau eine, die Erringung und Festigung von Macht.“ ist eine ebenso vernichtende wie zutreffende Analyse. Zustimmung.

              Zur Beliebtheit bei der Presse biete ich zwei weitere Erklärung:
              1. Die Konkurrenz ist auch schwach. Da manche andere Staatsoberhäupter eitel, populistisch und/oder korrupt sind, wird sie als verkitschtes ‚Gegenmodell‘ präsentiert.

              2. Bei den Inländischen Medien hatte sie dank Groko und Parteienproporz die Aufsichtsräte des ÖR auf ihrer Seite, dank ihrer Freundschaft mit Friede Springer und Liz Mohn zwei wichtige Blöcke der pirvaten Medien. Der Rest ist dem ‚Rudeldenken‘ der Journalisten geschuldet.

              • Stefan Sasse 27. August 2021, 18:54

                Wir sollten auch nicht unterschätzen, dass Merkel weitere Stärken hat. Einerseits ist da ihr Humor, der sehr vielen Leuten gefällt (vor allem denen, die über sie berichten). Sie ist eine offenkundig gut informierte und gebildete Person, was ebenfalls üblicherweise als Plus verbucht wird. Sie ist eine zurückhaltende und wenig anmaßende Persönlichkeit, macht sich also keine Feinde. Und zuletzt ist sie von hoher charakterlicher Integrität. All das hilft natürlich nicht beim eigentlichen Regierungsgeschäft, aber es sind schon Pluspunkte.

                • Thorsten Haupts 28. August 2021, 16:25

                  Perfektes Beispiel dafür, warum öffentlich und schon sehr lange Erscheinung die Substanz schlägt.

                  Weil alles Genannte erstens stimmt, zweitens für einen Nachbarn/Bekannten/Arbeits- oder Vereinskollegen grosse Pluspunkte sind und drittens für einen Regierungschef einer grösseren Mittelmacht irrelevant sein sollte. Betonung auf „sollte“.

                  Und nur um das nicht zu vergessen – die characterliche Integrität bezweifle ich energisch. Kein wirklich guter Machtpolitiker (und das ist Merkel) kann characterlich völlig integer sein, das funktioniert einfach nicht.

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

              • Stefan Pietsch 27. August 2021, 19:04

                Die Springer-Presse ist nicht gerade Merkel-zugeneigt. Das ist Quatsch, private Medien so zu betrachten. BILD, Welt und F.A.Z. wollen vor allem ihre Erzeugnisse verkaufen und wenn die Leser den Eindruck haben, da wird einem ein X für ein U verkauft, dann kaufen sie die Sachen eben nicht mehr.

                Auch der zum Burda-Verlag gehörende Focus beschäftigt eine Reihe Kommentatoren und Kolumnisten, die Merkel eindeutig kritisch sehen.

  • Thorsten Haupts 25. August 2021, 09:19

    Können schlägt immer Haltung.

    Und Loyalität schlägt Können – in Konzernen wie in der Politik :-).

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Pietsch 25. August 2021, 10:32

      Das weiß ich nicht, oft nicht. Und ich bin ein sehr loyaler Mensch, für mit hat dieser Begriff einen hohen Wert.

    • Erwin Gabriel 26. August 2021, 20:22

      @ Thorsten Haupts 25. August 2021, 09:19

      Und Loyalität schlägt Können – in Konzernen wie in der Politik 🙂 .

      Kann ich nachvollziehen, habe ähnliche Erfahrungen gemacht.

    • Floor Acita 26. August 2021, 22:20

      „Und Loyalität schlägt Können – in Konzernen“

      Das denken immer die die nix können. Die A…kricher werden ständig gegeneinander und sich selbst ausgespielt und fühlen sich noch gut, ja sogar smart dabei… Die echten Talente können dagegen ständig gegenschiessen und bekommen noch Anerkennung und Respekt dafür … das ist jedenfalls meine Erfahrung…

    • Floor Acita 26. August 2021, 22:20

      „Und Loyalität schlägt Können – in Konzernen“

      Das denken immer die die nix können. Die A…kriecher werden ständig gegeneinander und sich selbst ausgespielt und fühlen sich noch gut, ja sogar smart dabei… Die echten Talente können dagegen ständig gegenschiessen und bekommen noch Anerkennung und Respekt dafür … das ist jedenfalls meine Erfahrung…

  • Thorsten Haupts 25. August 2021, 14:29

    Das weiß ich nicht, oft nicht.

    Das, lieber Herr Pietsch, nehme ich Ihnen nicht vollständig ab :-). Jede/r mit win wenig Führugserfahrung in grösseren Unternehmen kennt die lebensnotwendige Bedeutung der richtigen Netzwerke (und deren Pflege) und der widerholt demonstrierten Loyalität zu den direkten Chefs, unabhängig davon, wie richtig oder falsch diese liegen.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Pietsch 25. August 2021, 16:00

      Ich arbeite im Bereich von 50 – 7000 Mitarbeitern, das sind keine Großkonzerne. Aber auch dort halten sich Vorstände und Geschäftsführer nur wenige Jahre, da nützen auch Netzwerke nichts. Topleute im Umfeld von ungeeignetem Führungskräften gehen nach meiner Erfahrung und halten nicht die Treue.

      • Erwin Gabriel 26. August 2021, 20:24

        @ Stefan Pietsch 25. August 2021, 16:00

        Topleute im Umfeld von ungeeignetem Führungskräften gehen nach meiner Erfahrung und halten nicht die Treue.

        Ich denke, dass Thorsten die Rückendeckung meint.

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