“Das sich im Mutterleib entwickelnde Leben steht als selbständiges Rechtsgut unter dem Schutz der Verfassung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 1 Abs. 1 GG). Die Schutzpflicht des Staates verbietet nicht nur unmittelbare staatliche Eingriffe in das sich entwickelnde Leben, sondern gebietet dem Staat auch, sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen.
25 Jahre nach dem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Schwangerschaftsabbruch scheint es angezeigt, an dieses Prinzip unserer Rechtsordnung zu erinnern. Auch ungeborenes Leben ist Leben, womit die Rechte einer werdenden Mutter neben und nicht über den Rechten des Fötus im Mutterleib stehen. Damit gibt es in Deutschland auch kein Recht auf Abtreibung. Der Staat kann nur auf den Strafanspruch unter bestimmten Bedingungen verzichten. Und so bestätigten die Roten Roben in Karlsruhe auch 1993 den Schutzanspruch des Ungeborenen gegenüber seiner Mutter, die nicht frei über das Lebensrecht entscheiden dürfe.
Nicht zum ersten Mal scheinen Sozialdemokraten zu vergessen, was unser Grundgesetz ausmacht. Die Parteispitze plant, in den nächsten Wochen gegen den Koalitionspartner von der Union einen Gesetzesentwurf in den Bundestag einzubringen, in dem das Werbeverbot für Abtreibungen gekippt werden soll. § 219a StGB sieht Haft- oder Geldstrafen vor, wer zum eigenen Vermögensvorteil oder in grob anstößiger Weise für Möglichkeiten des Schwangerschaftsabbruchs wirbt. Darunter fallen nicht Beratungsstellen, die Ärzte und Kliniken benennen, wo eine Schwangere einen Abbruch vornehmen kann. Die SPD wie die linke Phalanx im Parlament will dagegen, dass solche Einrichtungen zukünftig offensiv für ihre Dienste werben dürfen.
Das hat schon was in einem Land, das Tabakunternehmen und Alkoholproduzenten mit drakonischen Einschränkungen bei Werbemaßnahmen belegt und metergroße Gefahrenhinweise verlangt. In einem Land, wo Finanzinstitute verpflichtet sind, in Buchform ihre Kunden über Risiken einer Geldanlage aufzuklären und die Möglichkeiten des Vertriebs enorm beschränkt, will eine Regierungspartei die Möglichkeit geben, für eine illegale Tat auf Internetplattformen Werbung zu machen und einen Wirtschaftszweig zu eröffnen. Denn, da können Frauenrechtlerinnen noch so sehr Plakate schwenken, die Abtreibung eines Fötus ist ein elementarer Eingriff in das eigene Lebensrecht eines neuen Menschen.
Ärzte wie Kliniken sind wie andere selbständigen Berufe mit einem außerordentlich strengen Werbeverbot belegt. Alle Versuche, diese Einschränkungen aufzuweichen, fanden keinen Rückhalt in der Politik. Es ist die Spitze der Kommerzialisierung, ausgerechnet zugunsten von „Happy Killing“ jahrzehntealte Rechtstraditionen auf den Kopf zu stellen, weil wir heute zwar fähig sind kleine Mobilcomputer mit Minitastaturen stundenlang zu traktieren, nicht aber, mit fachlich geschulten Medizinern zu sprechen und fachlichen Rat für ein wesentlichen Grundkonflikt einzuholen.
Wer über Abtreibung spricht, sieht verzweifelte junge Frauen mit Hauben aus dem 19. Jahrhundert vor seinem geistigen Auge. Doch das entspricht nicht der Realität in der Abtreibungsrepublik Deutschland. Über 101.000 Schwangerschaftsabbrüche wurden 2016 vorgenommen, seit 2016 gibt es wieder einen besorgniserregenden Anstieg der Zahlen bei gestiegenen Einkommen und hoher Zufriedenheit der Bevölkerung. Die meisten der zu einem Abbruch entschlossenen Frauen haben die 30 überquert, sind meist verheiratet und somit in gesicherten Lebensumständen und wissen in 60% der Fälle, wie Kinder auf die Welt kommen, da sie nicht zum ersten Mal schwanger sind. Lag Anfang der Siebzigerjahre das Verhältnis von Abtreibungen zu Geburten noch bei 10%, so sind wir heute bei über 12% angekommen. Das sind insgesamt keine Daten, die echte Notlagen dokumentieren.
Der SPIEGEL Online-Kolumnist Jan Fleischhauer hat dazu dieser Tage einen bösen Verdacht geäußert. Die dürftigen Zahlen legen den Verdacht nahe, dass die Pränataldiagnostik möglicherweise keinen unerheblichen Einfluss auf die Entscheidung gegen ein Kind haben könnte. Mit Hilfe der Früherkennung können Erbstörungen diagnostiziert werden und da viele der abtreibungswilligen Frauen zum Teil deutlich über Jahre alt sind, steigt natürlich auch die Wahrscheinlichkeit einer Risikoschwangerschaft. Mit Blick auf die Entwicklung der Zahl der Behinderten, die sich noch in der ersten Lebenshälfte befinden, ist diese Annahme nicht zu weit hergeholt. Deutlich weniger junge Menschen sind heute im Vergleich zu 2001 schwerbehindert, wobei in diesen Altersklassen erblich behinderte Einschränkungen dominieren.
Von diesen Zahlen und der These der medizinischen Selektion ist es nur ein Schritt zu dem Begriff der Euthanasie. Euthanasie umschreibt dabei die Politik der Nazis, geistig und körperlich behinderte Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 16 Jahren systematisch töten zu lassen. Dem Euthanasieprogramm fielen mindestens 5000 Menschen zum Opfer.
Ist es vernünftig, mittelalte Frauen und Paare der Euthanasie zu beschuldigen? Sicher nicht, denn die Entscheidung, ein behindertes Kind aufzuziehen, ist eine außerordentlich schwerwiegende. Sie prägt, mehr als sonst noch, für ein ganzes Leben. Ein geistig behindertes Kind geht nicht aus dem Haus, wenn es erwachsen geworden ist. Es bleibt für sein Leben von den eigenen Eltern abhängig. Aber, es darf keine Selbstverständlichkeit werden, erbgeschädigten Föten ein Leben zu verweigern. Auch körperlich und geistig eingeschränkte Kinder sind fröhliche Menschen, sie begreifen meist noch nicht ihr Schicksal.
Der neue Gesundheitsminister Jens Spahn hat nicht Unrecht, wenn er so mancher Kämpferin für Frauenrechte attestiert, eher für das Leben von Tieren als das von Menschen zu streiten. Die heutige Generation von Streitern für einen erleichterten Zugang zu Abtreibungsmöglichkeiten wie auch der Pille danach ist ohne Kenntnis für den jahrzehntelangen tiefen Streit, welchen Wert ungeborenes Leben besitzt. Respekt, gar Ehrfurcht davor, dass die Tötung eines Fötus mehr ist als die Schlachtung eines Kaninchens ist verloren gegangen. Ein 12 Wochen alter Embryo ist kein Zellklumpen, den man einfach die Toilette runterspülen kann noch darf. Das ist bereits ein Mensch mit einem überdimensionierten Köpfchen, Händen und Beinchen und natürlich einem pulsierenden Herzen. Wer sich dieses kleine Wesen außerhalb des zu dieser Zeit schon deutlich gerundeten Schwangerschaftsbauches vorstellt, käme kaum auf die Idee, so etwas zu töten.
Keine Frau muss im 21. Jahrhundert schwanger werden. Von den frühen Schulklassen an wird Sexualerziehung unterrichtet, die Möglichkeiten zur Empfängnisverhütung sind umfangreich und leicht zu erhalten. Entsprechend selten sind Fälle, in denen Minderjährige schwanger werden. Die meisten Frauen bekommen ihr erstes Kind im historischen Vergleich sehr spät, im Schnitt sind Erstgebärende Ende 20. Dennoch wird der Schwangerschaftsabbruch als ein Recht konstruiert, das Frauen selbstverständlich zustehe, als eine Notwendigkeit, sich gegen eine vereinnahmende, von Männern geprägte Gesellschaft sich zu wehren.
Das ist Unsinn, schon das Sexualstrafrecht sorgt dafür, dass Frauen nicht gewaltsam vereinnahmt werden können. Es gibt keinen gesellschaftlichen Druck, Kinder zu bekommen noch überhaupt eine Beziehung einzugehen. Es entfallen damit alle Argumente einer ungewollten Schwangerschaft noch, diese mit der Tötung eines Embryos zu beenden. Der Slogan der Frauenbewegung aus den Siebziger und Achtzigerjahren „Mein Bauch gehört mir“ war damals schon daneben angesichts der umfangreichen Aufklärungen. Niemand würde es als statthaft ansehen, einem kleinen Hund das Genick zu brechen, obwohl es sich rechtlich betrachtet nur um die Zerstörung einer Sache handelt. Aber ein Ungeborenes, dem das Grundgesetz bereits elementare Rechte zugesteht, soll möglichst leicht getötet werden können?
Die Debatte ist schief. Gehör finden nur Menschen, meist Frauen, die sich Lobbygruppen gesucht haben. Die Lebensinteressen von Ungeborenen, ihre grundgesetzlich geschützten Rechte und die Anteilnahme für sie gehen unter, sind zunehmend etwas für den Randbereich der Gesellschaft. „Lebensschützer“ hat in Umkehrung des Wortes einen negativen Klang. Die evangelische Kirche hat sich schon lange vom uneingeschränkten Kampf für das ungeborene Leben verabschiedet, allein auf dem Feld verbleibt die katholische Kirche, die allerdings auch über die Jahre in Deutschland ziemlich kleinlaut geworden ist, seit der langjährige Kölner Kardinal Meisner erst seine Kräfte verlor, bevor er 2017 verstarb.
Die Interessen der Gesellschaft bestimmen sich längst von jenen, die da sind und machtvoll um Aufmerksamkeit heischen. Dazu gehören Kinder nicht und schon gar keine vermeintlichen Zellklumpen. In jeder der drei Legislaturperioden, wo Union und SPD zusammen regierten, beschlossen sie zusätzliche zweistellige Transfererhöhungen, meist Renten, für den älteren Teil unseres Landes. Die Investitionen in Schulen, Kindergärten und vorschulische Förderprogramme verblassen da. Steuerliche Entlastungen für die Bürger, vor allem für junge und bestenfalls durchschnittlich Verdienende sind schon gar nicht angedacht, von einem familienfreundlichen Realsplitting keine Spur. So steigt mit zunehmender Zahl an Kindern auch das Risiko, die eigenen Einkommens- und Vermögensziele nicht zu erreichen.
Am Ende sind das aber keine überzeugenden Argumente für eine Abtreibung. Der Staat kommt zwar seiner Verpflichtung, Familien zu schützen, nur unzureichend nach. Aber in intakten Beziehungen stellen Kinder kein besonderes Armutsrisiko dar. Die Fokussierung auf Selbstverwirklichung, die Selbstverliebtheit und Ich-Konzentriertheit lassen keinen Platz für das Leben, das nach dem getunten Perfektionisten kommt. Eine Gesellschaft, die sich um Juchtenkäfer mehr schert als über ungeborenes Leben, die Arbeitsverhältnisse zwischen erwachsenen Menschen mehr schützt als einen 12 Wochen alten Embryo, hat sich von wesentlichen Werten verabschiedet.
Ich halte es da mit Karl Kraus:
/// Wer die lebfrische Dummheit, die in Schrift und Tat, in Worten und Blicken immer zudringlicher wird, fast als körperlichen Schmerz empfindet, hat von der Gemeinheit der Menschen nichts mehr zu fürchten: er gewinnt leicht den Mut zu solcher Vergeltung. Man muß mich entschuldigen. Aber da ich mich beschieden habe, die meisten meiner Mitmenschen als traurige Folgen einer unterlassenen Fruchtabtreibung zu betrachten, kann ich von ihnen keine Verteidigung jenes Verbotes hinnehmen, höchstens die Verwahrung dagegen, daß die Kritik als ein persönlicher Angriff gemeint sei. ///
http://www.textlog.de/38951.html
Ich würde unterstellen wollen, dass sich nur die wenigsten Frauen sorglos auf eine Abtreibung einlassen. Am Ende des Tages riskiert jede Frau mit einer Schwangerschaft auch ihr Leben – aus diesem Grund hat der Gesetzgeber eben die Möglichkeit der Straffreien Abtreibung bis zur 12. Woche geschaffen.
Ich halte die aktuelle Gesetzeslage für angemessen. Es entsteht kein Nachteil – eine Frau, die eine Abtreibung vornehmen will kann dies tun. Ich finde es recht und billig, wenn Sie vor dieser Entscheidung auch ein Beratungsgespräch in Kauf nehmen muss.
Ich hoffe die Medien beerdigen das Thema bald und wir können uns in Deutschland wieder um wichtige Dinge streiten…
Der Punkt ist, dass die linken Parteien im Bundestag die gegenwärtige Rechtslage verändern wollen. Ich plädiere nicht für ein Verbot – sonst hätte ich das geschrieben – aber die (wenigen) Zahlen sind do irritierend. Es war immer eine sehr schwere Frage, die gegenwärtige Debatte zeigt jedoch nicht mehr das Ringen um die richtige Abwägung von Leben.
Jutta Ditfurth rühmt sich, siebenmal abgetrieben zu haben. So etwas nenne ich abartig.
@ Stefan P.
Ich kann als Mann keine Kinder kriegen. Mein Beitrag ist zu klein, und letztendlich bin ich nur dann als Vater betroffen, wenn das Kid schon da ist. Es verbietet sich mir deshalb, von Dingen zu reden, von denen ich nichts verstehe. Das ist ein Thema, dass nur die Frauen angeht, und das nur Frauen untereinander klären sollten.
Daher keine weitere Stellungnahme zum Thema meinerseits.
es grüßt
E.G.
Ach Gott.
Gut, dann erzählen Sie mir doch bitte, ab der wievielten Woche eine Abtreibung nicht mehr normal sein soll? Die Antwort darauf ist in der Regel eine Reflexion der emotionalen Empfindsamkeiten des Antwortendens. Das ist das erste Problem. Das Problem mit einer „Hardcore“-Position, dass alles ungeborene Leben zu schützen ist, ist die Unmöglichkeit, einen Schwangerschaftsabbruch dann kategorial von allen Verhütungsmethoden zu trennen, da auch bei einer Verhütung ungeborenes Leben seiner Existenz beraubt wird.
Anderes Problem: Ich finde ziemlich natürlich, dass in einer Situation, in der eine befruchtete Eizelle KEINE Person ist, aber die Mutter schon, den Interessen der Mutter Vorzug gegeben werden sollte – ansonsten würde man die Mutter ja ihrer Selbstbestimmung berauben.
Auf der konkreteren Ebene: Haben Sie die Berichterstattung um den Fall, wegen dessen die Gesetzesinitiative gestartet wurde, mitverfolgt, und auf dem Schirm, von welchen Gruppe diese Nazi-Gesetzgebung ( keine Rhetorik an dieser Stelle, dieser Paragraph ist ein Relikt der 1000 Jahre zwischen 1933 und 1945) genutzt wird, um eine Ärztin dafür anzuklagen, dass diese im Internet informiert, dass sie Abbrüche vornimmt?
Und bezüglich Ihres normativen Urteils über Gesellschaften, deren Gesetze nicht Ihren persönliches Wertevorstellung 1:1 entsprechen: tough luck. Ich finde Ihr ungefragtes moralisches Mobilisieren von Generationen, die Ihren Werten an dieser Stelle mit Sicherheit nicht teilen, für diese Werte übrigens ziemlich makaber, wenn mir bei persönlichen Wertvorstellungen sind. Mir persönlich ist es aber ein wenig zu einfach, anhand von einer einzigen Sachfrage ein Urteil über eine gesamte Gesellschaft fällen zu wollen, wenn nicht gar arg unterkomplex.
Eine Abtreibung sollte niemals normal sein. Das sagt der Artikel, kurz und knapp. Eine befruchtete Eizelle haben wir am ersten Tag. Ich beziehe mich auf den Zustand nach Wochen. Und ja, so etwas hat Rechte. Da Artikel 2 in seinem Wesensgehalt unveränderbar ist, werden Sie akzeptieren müssen, das die Rechte von zwei Personen gegeneinander abgewogen werden müssen.
Ich habe den Artikel absatzweise anhand des Urteils geschrieben. Das Urteil ist korrekt, deswegen begehren ja auch einige politische Gruppierungen auf. Ich dagegen finde es abstrus, das Werbeverbot von Ärzten gerade für einen solchen Sachverhalt aufzuheben.
Stören wir uns nicht an Arbeitgebern, die keinen Sinn für die Zwänge von Müttern und Familien haben? Oder funktioniert das nur beim Unternehmer-Bashing? Eine Empfehlung: gehen Sie mal an einem Samstag Mittag über die Frankfurter Zeil (oder eine andere Großstadt) und beobachten sowohl die Zahl der Kinder als auch deren Verhalten als auch der Erwachsenen. Und dann machen Sie das in Luxemburg oder Paris. Wenn Sie keine Unterschiede erkennen, sind Sie möglicherweise kein guter Beobachter.
Interessant, mal einen Kommentar kontra Abtreibung zu lesen, der nicht nur ein total stumpfes „aber, aber, Leben muss man schützen“ ist. Also danke dafür. Aber:
„Das ist Unsinn, schon das Sexualstrafrecht sorgt dafür, dass Frauen nicht gewaltsam vereinnahmt werden können.“
Was für ein grottiger Unfug. Vergewaltigung gibt es trotz Sexualstrafrecht.
Zu der aktuellen Diskussion: ich kann verstehen, dass man sich gegen Werbung für Abtreibung einsetzt wenn diese Werbung zum Ziel hat, potentielle Mütter zur Abtreibung zu überreden – also so, wie die Werbung der Tabakindustrie zum Ziel hat, Menschen zum Rauchen zu überreden.
Das Problem ist eben, wenn ein Gesetz mit dieser Zielrichtung dann von bornierten Abtreibungsgegnern missbraucht wird und für Rechtsunsicherheit für Ärzte sorgt. Da sollte dann einfach der Pragmatismus überwiegen, dass man das Gesetz als ungeeignet abschafft.
Danke.
Das Sexualstrafrecht wurde zuletzt so scharf gefasst, dass jeder Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht der Frau – manche sagen, sogar bereits bei einem freundschaftlich gemeinten Kuss auf die Wange – unweigerlich zu einem Knastaufenthalt führt. Natürlich gibt es dennoch Vergewaltigungen, also schwere Straftaten. Das sollte damit nicht abgestritten werden.
Die Wahrscheinlichkeit, bei einer Vergewaltigung unfreiwillig schwanger zu werden, ist rein statistisch außerordentlich gering. Eine Frau ist nur wenige Stunden im Monat wirklich empfängnisbereit und selbst wenn es genau in dieser Zeit zum Geschlechtsverkehr kommt, liegt die Wahrscheinlichkeit bei einer Frau unter 30 bei 25-30 Prozent. Dazu nimmt der Großteil der Frauen noch immer permanente Empfängnisverhütungsmittel. Nach einer Vergewaltigung erhält das Opfer schon bei der medizinischen Untersuchung die Pille danach. Und die Erleichterungen beim Bezug der Pille ermöglichen es auch Opfern ohne Anzeige, sich zu schützen.
Die Debatte, ob eine Abtreibung auch in Fällen einer Vergewaltigung erlaubt sein darf – so wie sie in Schärfe in Irland, Polen und den USA geführt wird – dient vor allem dazu, das Thema weiter aufzuladen, zu emotionalisieren und damit zur Explosion bringen zu können. Es ist kein guter Ansatz für eine sachliche Auseinandersetzung, deswegen habe ich auf einen Schlenker dazu verzichtet.
Mein Punkt: Abtreibung berührt die Rechte von zwei Personen, nicht einer. Dieser Kern geht zunehmend unter, je weiter wir uns von den Debatten der Siebziger und Achtzigerjahre entfernen. Damals erkannte der Gesetzgeber, dass er das Lebensrecht des Ungeborenen nicht um jeden Preis gegen den Willen der schwangeren Frau durchsetzen kann. Aus diesem Grund wurde die straffreie Tötung des Fötus erweitert. Dennoch bleibt es Tötung von Leben, weswegen es den Pflichten des Staates entspricht, diese Handlungen nicht zu einfach zugänglich zu machen und nicht zu leicht zu ermöglichen. Und es ist keine Selbstverständlichkeit, dass dies so zu sehen ist. In manch anderen Ländern, das zeigen die internationalen Statistiken, gehören Abtreibungen zum Bereich der Verhütung. Das ist keine Auffassung, die durch unser Grundgesetz gedeckt ist und sie widerspricht elementaren christlichen Werten.
Ich will eigentlich gar nicht zu sehr in diese Diskussion einsteigen, schon alleine weil ich als Mann denke, dass sollten die Frauen unter sich ausmachen. Also nur kurz hierzu:
„In manch anderen Ländern, das zeigen die internationalen Statistiken, gehören Abtreibungen zum Bereich der Verhütung. Das ist keine Auffassung, die durch unser Grundgesetz gedeckt ist und sie widerspricht elementaren christlichen Werten.“
Christliche Werte sollten bei uns in der Politik kein Argument sein.
Und das Grundgesetz sagt einfach nicht besonders viel zum Thema Abtreibung. Wenn, dann lassen sich Argumente pro Abtreibungen leichter aus dem Grundgesetz herleiten als contra, denn für die Contra-Seite braucht man die zusätzliche Annahme, dass es sich bei einem Embryo um eine Person handelt bzw. dass „jeder“ in Artikel 2 Embryos mit meint. Da gibt es die genannte Präzedenz vom Verfassungsgericht, aber das Grundgesetz selbst macht darüber keine Aussage.
Das ist kein ganz trivialer Punkt: Wenn Embryos in „Jeder“ mitgemeint sind, warum dann nicht auch z.B. Tiere?
Vielleicht bist du ja Radikalvegetarier, aber ich bezweifle das angesichts der Kommentare, die du so schreibst – und wer sich contra Abtreibung auf das Grundgesetz stützt, der wird sich schwer tun gegen ähnlich strukturierte Argumente von Radikalvegetariern, die die Tötung von Tieren grundsätzlich unter Strafe stellen wollen. Also Vorsicht, welche Argumente du verwendest! 😉
Ich will eigentlich gar nicht zu sehr in diese Diskussion einsteigen, schon alleine weil ich als Mann denke, dass sollten die Frauen unter sich ausmachen.
Warum nicht? Wir legen uns ja auch keine Zurückhaltung auf, wenn Männer raufen oder über unternehmensinterne Belange. Trotzdem meinen breite Teile, über solche Vorgänge mitreden zu müssen. Okay, alle Beispiele sind unpassend, weil Frauen eine besondere Fähigkeit besitzen, Leben schenken zu können. Dennoch: wir bestimmen und streiten politisch, welche besonderen Schutzrechte Frauen im Allgemeinen und Schwangeren im Besonderen zustehen und legen dies nicht allein in die Hand der Betroffenen.
Die Hälfte der deutschen Bevölkerung bekennt sich offen zum Christentum, Grundgesetz und Recht sind maßgeblich von christlichen Überzeugungen geprägt. Da ist es schon nicht irrelevant, wie christliche Überzeugungen in einer Wertedebatte zu gewichten sind.
Unser Recht kennt nur natürliche und Personen des Rechts. Eine nicht natürliche Person wie eine GmbH entsteht mit der Gründungsakte, besitzt aber schon im Planungszeitraum Rechte und Pflichten. Ein Mensch entsteht mit der Zeugung, ab da besitzt er die grundgesetzlich zugesicherten Rechte. Alles andere wäre willkürlich, denn schon die Geburt ist von zufälligen und wollenden Faktoren abhängig. Mit der Geburt geht das Sorgerecht automatisch auf die Eltern, im Zweifel auf die Mutter über. Alles andere würde auch als widersinnig wahrgenommen. Aber eine werdende Mutter hat bereits zuvor Pflichten gegenüber dem Ungeborenen, unzweifelhaft in jedem Fall moralischer Art (Enthaltsamkeit bei Tabak- und Alkoholkonsum). Dafür schuldet ihr die Gesellschaft Schutz und räumt Schwangeren weitergehende Rechte, ebenfalls ethischer als auch rechtlicher Art, ein.
Ich kann hier auch eine harte Position einnehmen: im Moment, wo wir die Position räumen, dass eine Schwangere Pflichten gegenüber dem Ungeborenen hat, dies nicht nur ihre Privatsache ist, in dem Moment brauchen wir uns auch nicht mehr für solche Frauen einzusetzen. Was sollen besondere Rücksichtnahmen, was Schutzrechte im Arbeitsgesetz? Ausschließlich ihre Privatsache, ob sie das Ungeborene bekommt oder nicht.
Unser Recht kennt nur Personen und Sachen. Tiere können keine Personen sein, schon deswegen, weil es ihnen daran mangelt, Rechte durch Organe oder Sorgerechtspersonen durchsetzen zu können. In unserem Rechtssystem ist jemand entweder (im Falle von Rechtspersonen durch Organe) geschäftsfähig oder er hat einen Vormund. Doch es ist unmöglich, für jedes Tier einen Vormund zu bestellen, der den Willen des Tieres erkunden und entsprechend handeln könnte.
Stimmt übrigens, ich habe einen überdurchschnittlichen Fleischverzehr. Zu meiner Entlastung: allerdings auch einen weit unterdurchschnittlichen Alkoholkonsum. Und Gemüseverzehr. 🙂
„Manche sagen“, soso. Stimmt halt nur nicht, was „manche“ sagen.
Auch von meiner Stelle vielen Dank für die angenehme Debatte.
Ich finde halt recht problematisch, wie Sie sehr viele Dinge vermischen: Erstens den gesamten Themenkomplex Abtreibung (bei dem glaube ich keine realistische Chance auf einen Konsens besteht), dann die Frage nach dem Werbeverbot – das meiner Meinung nach keineswegs an die moralische Debatte um Abtreibung geknüpft werden sollte, sondern separat zu behandeln ist, und dann Ihre allgemeine Wertediskussion um Familienfreundlichkeit und Werte.
Bezüglich Artikel 2 und den Definitionen: Ich denke, Sie sollten in Ihrer Argumentation an der Stelle „and then a miracle occurs“ ein wenig präziser sein:
Das Abgrenzungsproblem, ab wann eine befruchtete Eizelle eine Person wird, ist ein ziemlich krasses, und der Umstand, dass es in dieser Hinsicht keinen Konsens gibt, ist ein klarer Hinweis auf Ambivalenz – wenn Sie jetzt allerdings eine klare Position beziehen wollen, sollten Sie sich diesbezüglich doch bitte mal äußern. Meine Vermutung ist halt, dass Sie sich ebenfalls nicht in der Lage sehen, eine klare Grenze zu ziehen – genauso wie ich – und dann kann man sich finde ich auf die Position stellen, dass die aktuelle Rechtslage ein okayer Kompromiss unserer liberalen pluralistischen Gesamtgesellschaft ist.
Zweitens Werbeverbot: Ich finde den aktuellen Zustand, dass es einer Frau, welche eine Abtreibung haben möchte, nicht anders möglich ist zu erfahren wo sie eine solche erhalten kann, als mehrere Fachärzte um Termine zu bitten und bei diesen dann zu erfragen, ob sie dort eine solche erhalten kann, ziemlich unmöglich für diese Frau. Wenn man der Meinung ist, Abtreibungen sollten eingeschränkt sein, dann soll man diese Auseinandersetzung klar auf diesem Feld führen und sich nicht hinter einem Bullsh*t-Paragraphen der nur in Ableitung mit der eigentlich Auseinandersetzung zu tun hat, verstecken – so wie das von Abtreibungsgegnern getan wird. Und Ärzte dafür zu bestrafen, dass sie auflisten, welche Behandlungen sie vornehmen, finde ich ziemlich abstrus. Dass das aktuelle Urteil korrekt ist, zeigt doch nur dass es Zeit ist, die Rechtssituation zu klären – denn wenn Sie eine Dienstleistung THEORETISCH in Anspruch nehmen könnten, es aber verboten ist, Sie zu informieren, bei welcher Person Sie diese erwerben könnten, dann ist für mich nicht klar, inwiefern Sie Ihr abstraktes Recht im Konkreten umsetzen können, und das finde ich problematisch.
Drittens Werte und Familienfreundlichkeit:
Die alte Form von Familienfreundlichkeit, dass man es begünstigt, dass die Frau zu Hause bleibt, und sicherstellt, dass das Einkommen des Mannes eine ganze Familie ernähren kann, ist halt gesellschaftlich gestorben, und wir haben aktuell keine stimmiges und funktionierendes Ersatzmodell – auch wenn man mit Sicherheit von anderen Gesellschaften lernen kann – das sollten wir halt erstmal alle anerkennen. Ich denke nur, dass eine stärker pro-natalistische Politik nicht besonders so erfolgsversprechend ist, wie Sie es sich ausmalen. Zumal eine reine Forderung nach „Familienwerten“ irgendwie total schwammig ist und mir unklar ist, unter welchen Bedingungen da ein Erfolgsfall eintreten sollte. Die Familienfreundlichkeit der Vergangenheit war halt eine, deren Grundlage darin bestand, dass ein Großteil der reproduktiven Arbeit im Schattenbereich der Ehe versteckt wurde, ein Umstand, der mit den gesellschaftlichen Veränderungen der letzten 70 Jahren halt nicht kompatibel war. Einfach nur zu fordern, dass soll jetzt von den Werten her wieder mehr so sein, verkennt den Umstand, dass es Gründe für den vergangenen Wertewandel gab, und dass, selbst wenn man diesen Umstand wieder herbeiführen würde, dieser nicht stabil wäre – eben wegen der Gründe für den Wandel, die sind ja nicht weg, sondern eher mehr geworden. Der Wandel ist eben ein Ausdruck der größeren Entscheidungsfreiheit vieler Menschen in der westlichen Welt – die entscheiden sich dann halt auch mal anders als man das gut findet und damit muss man leben. Wenn man das ändern will, sollte man versuchen die Rahmenbedingungen der Entscheidung konkret zu ändern, und nicht „virtue politics“ einzufordern, denn das hilft in der Regel überhaupt nicht.
Nun ist es so, dass verschiedene Rechtsbereiche berührt sind, die dazu noch in Konflikt miteinander stehen. Wir sehen in unserem Recht Abtreibung als illegal weil Tötung von Leben an. Dennoch wollen wir unter bestimmten Bedingungen die Tötung von Leben ermöglichen. Das führt zu Schwierigkeiten im Austarieren von Rechten und Pflichten.
Wir verlangen von Menschen mit herausgehobener Verantwortung, dass sie sich regelmäßig belehren lassen. Das gilt für Polizeibeamte sowohl als auch für Richter und Staatsanwälte. Organe von Unternehmen werden daraufhin geprüft, ob sie geeignet sind besondere Verantwortung zu übernehmen. In herausgehobenen Position muss man sich darüber noch zu Ehrenkodices verpflichten. Es mutet da seltsam an, wenn Frauen und Schwangeren prinzipiell unterstellt wird, ganz besonders verantwortungsbewusst zu handeln. Das ist eben nicht selbstverständlich und gerade Menschen in Konfliktsituationen neigen dazu, nicht überlegt und verantwortungsbewusst zu handeln. Da bei der Frage der Abtreibung die Rechte von zwei Personen berührt sind, muss selbstverständlich sein, dass auch das Ungeborene „gehört“ wird. Diese Aufgabe übernehmen Konfliktberatungsstellen, aber auch das familiäre Umfeld.
In unserem Rechtssystem sagen wir schon, wann ein Recht gegeben ist. Üblicherweise gilt der Grundsatz, sobald alles getan ist, damit der Anspruch eintritt, besteht ein Recht. Das ist bei der Einnistung der befruchteten Eizelle gegeben. Ab da ist alles geschehen, damit in neun Monaten ein Baby geboren wird.
Werbeverbot: viele zugelassene Ärzte verweigern bis heute – meist aus ethischen Gründen – Abtreibungen vorzunehmen. Das ist eine zur respektierende, gleichwohl für die Abtreibungswillige eine schwierige Entscheidung. Beratungsstellen allerdings informieren solche Frauen nicht nur über ihre Möglichkeiten, sondern auch über Ärzte und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Es geht also allein darum, den vorgezeichneten Weg einzuhalten. Dazu bedarf es keiner Internetannoncen. Eine Parallelität ergibt sich im übrigen beim Thema Sterbehilfe.
Ich bin zu tiefst davon überzeugt, dass wir in einer familienfeindlichen und insbesondere kinderfeindlichen Gesellschaft leben. Unser Verhalten gegenüber Kindern ist oft von Ignoranz geprägt. Wir beklagen das oft und gerne in Unternehmen, aber nur, weil dabei die Rechte von Erwachsenen berührt sind. Da eine Entscheidung für Kinder auch davon beeinflusst wird, wie unser Umfeld dazu steht, halte ich das schon für relevant.
Noch zur Ergänzung: Mein Familienbild ist nicht so antiquiert, wie das mancher meint. In einer modernen Gesellschaft ist es selbstverständlich, dass Frauen die gleichen Karriere-, Berufs- und Erwerbsmöglichkeiten haben wie Männer. Die häusliche Aufgabenteilung ist dagegen etwas zutiefst Privates und Persönliches. Allerdings, eine Ausnahme: es sollte jeder Frau möglich sein, für ein Kind ein Jahr im Beruf auszusetzen, einfach, weil dies außerordentlich wichtig für die Mutter-/Kindbildung ist. Ich sehe allerdings auch keinen Grund, warum dadurch Frauen Karriere- und Einkommenschancen genommen werden sollten. Für die Neubesetzung von qualifizierten Stellen müssen Unternehmen heute oft 9-15 Monate nach geeigneten Kandidaten suchen. Warum sollte es also ein Problem sein, wenn eine gute Mitarbeiterin ein Jahr aussetzt?
Wann fängt Leben an? Das ist ja wohl die Gretchenfrage. Ich halte die 3 Monatsfrist für angemessen.
Sehr problematisch halte ich die Handhabung der embryopathischer Indikation, bei der häufig seelische Problem/Störungen der Frau ausreichen auch noch wesentlich später als 3 Monate das behinderte Kind abzutreiben.
Sehe ich auch so. Allerdings gilt auch ein drei Monate alter Embryo bereits als Person und die Abtreibung daher als Tötung. Eben halt nur legal unter bestimmten Bedingungen.
Das mit den 3 Monaten ist doch eher fraglich, wenn bislang (bis 2013) ein tot Geborenes Kind von unter 500g keine Person war und somit auch nicht beerdigt werden konnte (ohne Geburts- keine Sterbeurkunde, somit keine Beerdigung). Durch den Druck eines Paares wurde es mittlerweile geändert, aber ich kann nicht sehen, das die eine grundsätzliche rechtliche Position ist, sonst müsste es eine Meldepflicht geben, die es für Personen eben auch gibt.
[Die Abgrenzung ist nicht einheitlich, häufig wird die 12. Schwangerschaftswoche (SSW) als Trennzeit genommen. Ab einem Gewicht des Fötus von 500 g spricht man von einer Totgeburt. Dieses Gewicht ist ab der 22. SSW zu erwarten.[3] Fehlgeburten unterliegen anders als die Totgeburt in Deutschland nicht der standesamtlichen Meldepflicht. Fehlgeburten, auch zeitlich zurückliegende, werden seit Mai 2013 bei Vorlage entsprechender Nachweise auf Antrag standesamtlich bescheinigt. Eine Meldepflicht besteht weiterhin nicht. ]
https://de.wikipedia.org/wiki/Fehlgeburt
Mir fehlt die Einordnung. Ich spreche immer nur von der Tötung von Föten bzw. Embryonen. Für Juristen ist ein Fötus eine Person und keine Sache. Es gibt nur diese Alternativen. Entweder reden wir von Tötung oder Sachbeschädigung. Ich denke, wir sind einer Meinung, dass „Sachbeschädigung“ den Tatbestand einer Abtreibung am wenigsten trifft.
Für Juristen ist ein Fötus eine Person und keine Sache.
Das habe ich doch gerade gezeigt, wenn diese „Person“ tot oder mit unter 500g zur Welt kommt und dann stirbt, ist es keine Person, weil ich diese Kinder nicht anmelden muss. Dann gibt es aber auch keine Geburtsurkunde und dem zufolge auch keine Sterbeurkunde. Versuchen Sie mal, jemanden ohne Sterbeurkunde beerdigen zu lassen.
Wenn es so eindeutig wäre, dann müsste es die Pflicht zur Anmeldung geben, Personen müssen bei Standesamt angemeldet werden. Dem ist nicht so.
Doch, es ist eine Peron, unabhängig von dem bürokratischen Prozedere. Sie können Deutschlands Rechtsauffassung nicht ändern. Wenn etwas keine Sache ist, ist es eine Person. Zwischendinge gibt es nicht. Ein Ungeborenes ist halt nicht geboren und braucht deswegen unter bestimmten Bedingungen nicht gemeldet und beerdigt zu werden. Eine juristische Person in der Vorgründungsphase kann auch Kosten verursachen. Wird das Unternehmen danach, jedoch vor Eintragung ins Handelsregister wieder beendigt, so kann dennoch eine Steuerpflicht entstehen. Obwohl es die juristische Person nie wirklich gegeben hat. Analog schaut das Recht auf Föten.
Diese angebliche Dichotomie zwischen Person und Sache mag juristisch streng genommen so sein, dient in dieser Diskussion aber nur als irreführender rhetorischer Kniff. Nur zum Vergleich: die meisten Menschen sehen Tiere (aus gutem Grund!) weder als Person noch als Sache, sondern als eine unabhängige Kategorie.
Abgesehen davon (und das ist jetzt an auch beide gerichtet) ist es für die größere Diskussion hier zweitrangig, wie Juristen das heutzutage sehen. Schließlich geht es in der größeren Diskussion hier primär darum, wie die Rechtslage sein sollte und nicht so sehr darum, wie die Rechtslage ist.
Es gibt keine und kann keine Lex Abtreibung geben. Die Unterscheidung Rechtspersönlichkeit / Sache prägt unser Recht. Wir können nicht sagen, Föten sind halt so ein Dingsbums. Von daher erscheint mir die Verlagerung weg von der Unterscheidung eher der Verharmlosung von Abtreibungen. Denn wenn Abtreibungsbefürworter Embryonen nicht auf den Status „Sache“ herunterstufen brauchen, diskutiert es sich schon viel einfacher. Es gibt nämlich dann nur das Recht der Frau und damit kein Problem. Erst durch die Betrachtung eines Ungeborenen als eigenständiger Mensch haben wir eine andere Lage, werden die Rechte von zwei Personen berührt.
Andernfalls, und das ist ja stets die Absicht, haben wir keine Debatte. Wer wollte einem anderen Menschen schon vorschreiben, was er mit seinem Körper tun darf? Über die ethische Frage werden sich Abtreibungsbefürworter und Gegner ohnehin nie einig. Schon deswegen dürfen wir nie außer acht lassen in welchem (unveränderbaren) Rechtsrahmen wir uns bewegen. Und was innerhalb dieses Gefängnisses möglich und eben ausgeschlossen ist. Das erwarte ich übrigens von jedem, der sich darauf beruft, dass das verbindende Element aller in Deutschland lebenden Menschen das Grundgesetz ist.
Ich sehe einen Fötus weder als Person noch als Sache, aber…
„Denn wenn Abtreibungsbefürworter Embryonen nicht auf den Status „Sache“ herunterstufen brauchen, diskutiert es sich schon viel einfacher. Es gibt nämlich dann nur das Recht der Frau und damit kein Problem.“
Diese Schlussfolgerung ist unsachlich. Es gibt durchaus Nicht-Personen, denen gerne eigene Rechte zugeschrieben werden, nämlich insbesondere Tiere. (Der Wink mit dem Zaunpfahl in meinem letzten Kommentar hat offenbar nicht gereicht…)
Ich habe Ihren Wink missachtet, weil Sie sich dadurch selbst in eine argumentative Sackgasse manövrieren, und die Debatte damit gleich mit. Mit einem Rechtsobjekt sind gleichzeitig Rechtsfolgen verknüpft, die ggf. gegen andere Rechtsgüter abzuwägen sind. Das ist sehr kompliziert und i.d.R. völlig unbefriedigend, gerade wenn ein neues Rechtsobjekt geschaffen werden soll. Der Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz haben sich Juristen und Konservative heftigst gegen gewehrt. Und tatsächlich wird das Dilemma nicht aufgelöst. Tiere dürfen weiterhin getötet und als Versuchsobjekte missbraucht werden. Das wäre mit dem Status als „Person“ nicht möglich. Und selbst den Mindestzweck, Tiere vor Quälerei zu schützen, genügt die Reform nicht. Der Tierschutz im Grundgesetz verhindert nicht das Schächten aus religiösen Gründen, also das Ausbluten eines Tieres. Zur Klarheit: Tiere dürfen langsam zu Tode gebracht werden, weil dies eine religiöse Überzeugung fordert.
Darüber hinaus wüsste ich nicht, welchen Nutzen die Verschiebung der Debatte hätte. Eine andere Ebene der Diskussion muss beiden Seiten Vorteile bieten, hier ist das nicht so. Warum sollten sich Abtreibungsgegner wie ich nur einen Moment auf eine losgelöste Neubewertung einlassen? Das wäre so, als würde man bei einem Royal Flash aus dem Poker aussteigen.
Als Alt-68er (aber Achtung: lernfähig!) meld ich mich kurz zu Wort.
Es geht hier um den Konflikt bei der ungewollten Schwangerschaft. Ich bin von der Generation her zeitlich näher dran an der Ep0che, als das noch ein vernichtendes Urteil war. Damals, als auf dem Stern-Titelblatt soundsoviel Tussen damit geprahlt haben, abgetrieben zu haben. Als es die Pille zwar schon gab, aber das ärztliche Rezept mit Umstand verbunden war.
Damals sah ich es locker, heute familiär. Ich hab zwo (gesunde) Kinder, heute erwachsen, und die Kinder betrachte ich als das Abenteuer meines Lebens. Klingt merkwürdig, ist aber so. Wenn ich morgen tot umfalle, hat sich das Leben für mich aber gelohnt.
Um ʼ94 rum kamen bei meinem familiären Umfeld 2 Kinder mit Trisomie zur Welt. War während der Schwangerschaft unbekannt. Was wäre, wenn es erkannt worden wäre? Meine Vermutung: keine Abtreibung.
Ich habe väterlicherseits Juristen im Blut, aber ich gehe nicht juristisch an das Problem, denn ich habe mütterlicherseits meinen Mutterwitz auf die Reise gekriegt, und für mich stellt sich das so dar:
Wenn es deinem Nachbarn passiert, bist du auf Distanz. Wenn es in deiner Familie passiert, ändert sich dein Standpunkt radikal. Dann sind es deine Leute.
Ich glaube, das gilt für jeden.
In meinen Augen sollte es auch vor vorgenommener Pränataldiagnostik für die Eltern ein verpflichtendes Aufklärungsgespräch geben. Neben den Risiken für das Kind die eine Fruchtwasseruntersuchung, etc. Mit sich bringt kommt es ggf. zum moralischen Dilemma. Die Frage ist doch: wie gehe ich mit dem Ergebnis der Untersuchung um? Wie sieht die gesellschaftliche und staatliche Unterstützung aus, wenn man sich trotzdem entscheidet ein behindertes Kind zur Welt zu bringen? Vielleicht ist in diesem Falle dann Unsicherheit dann doch eher ein Segen.
Grundsätzlich nach westlichem Rechtsverständnis ist das Recht am eigenen Körper absolut. Wenn eine andere Person meinen Körper, bzw. ein Teil davon, zum eigenen Überleben benötigt, heißt das nicht, dass sie da Anspruch drauf erheben kann. Angenommen Zwilling A benötigt eine Knochenmarks-Transplantation von Zwilling B, weil er sonst stirbt, Zwilling B weigert sich aber, dann ist das noch keine Tötung. Es gibt keine Möglichkeit Zwilling B zu zwingen sein Knochenmark herauszugeben. Das Recht am eigenen Körper steht über dem Recht auf Leben eines anderen.
Insofern heißt die Tatsache, dass ein 3-monatiger Embryo eine Person ist, keineswegs automatisch, dass es ein Anrecht auf die Gebärmutter seiner Mutter hat, auch gegen deren Willen.
Nein, nicht das Recht am eigenen Körper ist absolut. Die Unverletzlichkeit der Person und die Würde des Menschen sind es. Eine Schwangerschaft verletzt aber üblicherweise nicht das Recht am eigenen Körper und schon gar nicht die Würde der Frau. Schließlich hat sie alles dafür getan, schwanger zu werden und überlegt es sich dann anders? Für Menschen gibt es nicht wie bei Media Markt ein Rückgaberecht.
Wie sieht es eigentlich dann mit dem Erzeuger aus? Wenn die Frau ein Rückgaberecht hat – ups, ich habe einen Fehler gemacht – gilt das dann auch für den Mann? Möchte das Kind nicht, folglich entstehen daraus auch keine Sorge- und Unterhaltspflichten? Strange, oder?
Ein Frühchen braucht auch noch die Gebärmutter seiner Mutter, wird aber trotzdem geholt.
Schließlich hat sie alles dafür getan, schwanger zu werden
Genau da liegt der Denkfehler. Die durchschnittlichen Befürworter von Abtreibungen wollen nicht, dass Abtreibungen als Ersatz für Verhütungsmittel verwendet werden, aber das steht ja auch nicht zur Debatte.
Auch wer normal übliche Vorkehrungen trifft, um nicht schwanger zu werden, kann schwanger werden (also jetzt mal abgesehen von Männern, natürlich ;)). Das ist für die meisten dann eine absolut traumatische Erfahrung. Ist dir das überhaupt klar, oder mangelt’s da wie so oft an Empathie?
Solange kein echtes Verständnis für diesen Umstand aus deinem Mund / deiner Feder kommt, kann ich deine Meinung zu dem Thema einfach nicht wirklich ernst nehmen.
Wie sieht es eigentlich dann mit dem Erzeuger aus? Wenn die Frau ein Rückgaberecht hat – ups, ich habe einen Fehler gemacht – gilt das dann auch für den Mann? Möchte das Kind nicht, folglich entstehen daraus auch keine Sorge- und Unterhaltspflichten? Strange, oder?
Da bin ich übrigens deiner Meinung.
Ich sehe eher, dass die Mehrheit der Verteidiger eines (sehr) liberalen Abtreibungsrechts sich Sand in die Augen streuen und nach einem Ideal / Worst-Case (je nachdem) gehen. Allein schon die Zahlen von Jugendschwangerschaften, ein sehr niedriger Wert, zeigen, dass die Menschen in Deutschland sehr gut aufgeklärt sind und sehr gut zu verhüten wissen. Dazu passen wiederum die Zahlen von Abtreibungen (101.000) zu Geburten (737.000) nicht. Der relative Wert ist viel zu hoch, um ihn mit fehlgelaufener Familienplanung zu begründen.
Da Du mir mangelnde Empathie unterstellst, ein persönliches Bekenntnis: Als ich 21 war, war ich mit meiner damaligen Freundin (und heutigen Frau) etwas liederlich bei dem Thema. Wir waren beide in der Ausbildung, ich im Studium. Es kam, wie es kommen musste, irgendwann war meine Freundin schwanger. Schwierige Situation. Bei einer Folgeuntersuchung erklärte die behandelnde Frauenärztin, auf dem Ultraschall nichts erkennen zu können, der Fötus wäre wahrscheinlich abgestorben. Zum ersten und bis heute einzigen Mal in meinem Leben wich mir das Blut aus dem Kopf und ich war einer Ohnmacht nahe. Trotz der schwierigen Situation wollten wir dieses Kind eigentlich bekommen. Bei Ausschabungstermin im Krankenhaus stellte sich dann ein schwerer Behandlungsfehler der Ärztin heraus und wenige Monate später wurde unsere Tochter geboren. Bevor hier Elogen ausgebreitet werden: ich war in den ersten Jahren – und nicht nur bedingt durch mein Studium – kein guter Vater. Aber die Anekdote soll unterstreichen, wie sich Ansichten pro Kind eben ändern können. Übrigens war ich damals weit liberaler pro Abtreibungsrecht eingestellt. Ein weiteres Beispiel, wo ich über die Jahre konservativ geworden bin.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, das es hier um das anwerfen der moralischen Empörungsmaschine geht.
Wenn Sie den Kommentar im Spiegel gelesen haben, dann wahrscheinlich auch den vom 28.11.17 der das Urteil wegen verbotener Werbung behandelte?
Da wird ganz nüchtern geschildert, was die Richter unter Werbung verstehen:
[Das Gießener Urteil und die dazugehörige Botschaft an Frauen werden noch bizarrer, wenn man sich anschaut, wie die „Werbung“ auf der Webseite der Frauenärztin ausgesehen hat. Wir reden nicht von einer „Heute wieder Abtreibung“-Leuchtschrift im Praxisfenster oder von Stempelkarten, mit denen man jeden zehnten Abbruch kostenlos bekommt. Wir reden über eine PDF-Datei, in der die Unterschiede zwischen medikamentösem und chirurgischem Schwangerschaftsbruch erklärt werden und welche Nebenwirkungen die Methoden haben.
Da stehen Hinweise wie: „Beim chirurgischen Abbruch mit Vollnarkose dürfen Sie 6 Stunden vorher auf keinen Fall essen, trinken oder rauchen.“ Oder: “ Sie sollten bequeme Kleidung tragen sowie Damenbinden, Socken und ein Badehandtuch für Ihren Aufenthalt im Ruheraum mitbringen.“ Eine Skizze erklärt, wo von der Arztpraxis aus das nächste Parkhaus ist. Man hat schon schlimmeres Teufelszeug gesehen.
Doch diese Informationen an die Frau zu bringen, mit Verweis auf das eigene Leistungsspektrum als Ärztin, war dem Gericht zu viel. ]
Daran jetzt eine Grundsatzdebatte aufzuhängen, finde ich so unredlich wie sie Aussagen von Spahn dazu. Wenn dann als Begründung:
[Die Vorsitzende Richterin begründete das Urteil mit den Worten: „Der Gesetzgeber möchte nicht, dass über den Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit diskutiert wird, als sei es eine normale Sache.“]
gesagt wird, dann wird es ganz verworren.
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/schwangerschaftsabbruch-der-staat-sollte-sich-aus-dem-uterus-raushalten-a-1180666.html
Da frage ich mich, in welcher Gedankenwelt diese Richter leben.
Wir reden nicht darüber, schon gibt es keine Abtreibungen mehr? Genauso absurd wie der Rückzug aus der Konfliktberatung. Denkt die katholische Kirche denn, es gibt weniger, wenn nur sie nicht berät, oder kann es nicht umgekehrt sein? Wenn die Stelle, die hoffentlich alle Wege aufzeigt, ein Kind zu behalten wegfällt, wird die Zahl dann steigen oder sinken?
Ein Beispiel aus dem realen Leben. In den 70er Jahren wurde eine Freundin meiner Mutter mit dem vierten Kind schwanger. Der Mann wollte das Kind nicht, die Frau war der Meinung, wo drei durchkommen, kommen auch vier durch. Aber der Mann hat das sagen und ist mit seiner Frau nach Holland gefahren, weil es hier noch verboten war. Die Frau leidet bis heute darunter, das wäre auch so, wenn der Abbruch hier vorgenommen würde. Das Verbot tut so, als wäre damit das Problem erledigt. Mord ist verboten, gibt es deswegen keinen mehr?
Ziemlich absurd finde ich allerdings, wenn der Verfechter für den Schutz von ungeborenem Leben gleichzeitig Rechtfertigungen für „humanitäre“ militärische Interventionen findet. Dabei wird dort immer, von allen Seiten das oberste Menschenrecht, das Recht zu leben, missachtet. Das es so eine absurde Spracheregelung überhaupt gibt, sagt viel über den Zustand der Medien und der Gesellschaft. Das führt zu einer Verrohung und hat dann eben auch zur Konsequnez, das Leben nicht mehr geachtet wird.
Danke. Den letzten Absatz hätten Sie sich sparen können, aber ansonsten habe ich mir mit dem Artikel gewünscht, dass sich auch Frauen äußern. Perfekt wäre gewesen, dass von dem eigentlichen Ansatz des Artikels anzugreifen, nämlich, dass wir über die Rechte von zwei und nicht von einer Person reden.
Wenn jeder achte Sexakt eine Vergewaltigung wäre, hätten wir längst eine intensive Debatte über die Verrohung der Gesellschaft im Allgemeinen und der Männer im Besonderen. Wenn Jeder achte gezeugte Embryo nicht geboren, sondern abgetrieben wird, so ist das etwas, worüber sich nicht zu diskutieren lohnt. Ich glaube nicht, dass das zusammen geht.
Ansonsten: ich hatte das Beispiel Sterbehilfe gegeben. Auch dafür gibt es ein absolutes Werbeverbot, bei gleichzeitigem Verbot der Tat in den meisten Fällen.
Ansonsten: ich hatte das Beispiel Sterbehilfe gegeben. Auch dafür gibt es ein absolutes Werbeverbot, bei gleichzeitigem Verbot der Tat in den meisten Fällen.
Mein Anliegen ist ja immer gewesen, den Sinn oder Unsinn hinter Regeln und Gesetzen zu hinterfragen und die nicht einfach zu schlucken, weil die eben so sind wie sie sind.
Werbeverbot, OK, aber seit wann ist die Aufklärung über einen chirurgischen Eingriff eine Werbung? Das gilt für alle anderen Bereiche nicht, aber hier soll das sinnvoll sein? Weil die Frauen so doof sind und das als Einladung/Werbung verstehen?
Auch über Sterbehilfe sollte offen aufgeklärt werden dürfen, alles andere ist doch reines Vogel Strauss Verhalten: Ich sehe nichts, also ist da nichts.
Regeln und Gesetze sind nicht nur von Logik, sondern auch Wertvorstellungen und Traditionen geprägt. Sonst würden wir kaum noch Ostern feiern.
Dieses Land hat sich sehr massiv gegen Möglichkeiten der Biogenetik gewandt. Gerade wir sollten also wissen, welche Bedeutung Werte und Überzeugungen für den politischen Diskurs haben.
Ich schreib später noch mehr dazu, aber
Die SPD wie die linke Phalanx im Parlament will dagegen, dass solche Einrichtungen zukünftig offensiv für ihre Dienste werben dürfen.
Du bist ja süß. Du weißt aber schon, dass die FDP da ebenfalls zugehört? Sind die jetzt plötzlich Mitglied der unheiligen linken Phalanx geworden? 😉
Du weißt doch, zu einer guten Story gehört auch etwas Glättung der Wahrheit. 😉 Erstens bleiben die Vorstellungen der FDP weit zurückhaltender und zweitens waren die Liberalen schon immer Schutzmacht der Ärzte. Sonst waren Linke immer gegen solche Lobbypolitik, das habe ich ja schon im Artikel angedeutet.