Juncker traut sich nicht

Am Mittwoch präsentiert die EU-Kommission ihre Pläne zur Reform der Währungsunion. Dies wäre eine gute Gelegenheit, auch den gescheiterten Stabilitätspakt zu überarbeiten. Doch Juncker traut sich nicht.

Von Eric Bonse*

Das lese ich aus einer ungewöhnlichen Pressemitteilung der Juncker-Behörde, die am Freitag Abend (!) als Eilmeldung in drei Sprachen (sogar auf Deutsch) verbreitet wurde:

Kommission schlägt keine Schwächung der Defizitkriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts vor
Die Berichte einiger deutscher Medien, die Europäische Kommission würde eine Schwächung der Defizitkriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts vorschlagen, sind frei erfunden. Diese Gerüchte haben nichts mit der Realität zu tun. Dies hat die Kommission nie erwogen, und dies hat auch nichts mit den Vorschlägen zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion Europas zu tun, an denen die Kommission derzeit arbeitet.

Zuvor hatte SPON gemeldet, Juncker wolle die “Schuldenkriterien aufweichen”. Statt wie bisher jeden Staat zu betrachten, solle die Drei-Prozent-Grenze für die Neuverschuldung nur noch für die gesamte Eurozone gelten.

Eine gute Idee, sie wurde schon von einigen Ökonomen vorgebracht. Schließlich geht es um einen gemeinsamen Währungsraum. Und die Eurokrise hat gezeigt, dass die Drei-Prozent-Regel nicht viel bringt.

Spanien hat sie eingehalten, brauchte aber trotzdem einen Bailout – wegen der zu hohen privaten Verschuldung (Bankenkrise). Frankreich reißt die Latte seit Jahren, ist aber – gemessen an den Spreads – stabil.

Die drei Prozent sagen, wie Experten seit Jahren betonen, im Grunde gar nichts aus. Auch das “strukturelle Defizit”, mit dem die EU-Kommission z.B. Belgien und Italien quält, ist kein guter Indikator.

Doch in Deutschland hält man am Stabipakt fest wie an einem Fetisch. Hobby-Finanzminister Altmaier kritisiert die Kommission sogar dafür, dass sie die Drei-Prozent-Regel nicht streng genug überwache.

Das ist wohl auch der Grund dafür, dass Juncker nun behauptet, eine Reform sei gar nicht geplant, schon gar keine “Schwächung”. Er hat Angst, dass ihm Altmaier demnächst die Kontrolle entzieht.

Denn der Schäuble-Nachfolger verfolgt offenbar den Plan seines Vorgängers weiter, der Kommission die Budgetüberwachung zu entziehen und auf den Stabilitätsmechanismus ESM zu übertragen.

Das ist jedoch mit EU-Recht nicht zu vereinbaren. Artikel 126 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sagt klipp und klar:

“Die Kommission überwacht die Entwicklung der Haushaltslage und der Höhe des öffentlichen Schuldenstands in den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Feststellung schwerwiegender Fehler. Insbesondere prüft sie die Einhaltung der Haushaltsdisziplin anhand von zwei Kriterien …”

Schäuble und Altmaier können also noch so sehr gegen die Kommission schießen, wie sie wollen (der SPON-Artikel ist wohl Teil der Kampagne): Junckers Behörde behält beim Defizit den Hut auf!

Schade nur, dass die Kommission nun offenbar die Chance verpasst, die Schulden-Kriterien neu zu interpretieren bzw. sie um andere, geeignetere Indikatoren zu ergänzen…

*Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog „Lost in EUrope“

{ 3 comments… add one }
  • Jens 3. Dezember 2017, 15:37

    Von Junker würde ich das auch nicht erwarten.

    Ich stimme dir aber auf jeden Fall zu, dass dies wieder eine verpasste Chance ist.

    Die drei Prozent Regel hat in meinen Augen auch herzlich wenig mit den Problemen der Eurozone zu tun.

    Dringlicher wäre es den Steuerwettbewerb zu unterbinden, dieser trägt rein gar nichts zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und kostet die EU-Mitgliedsländer Milliarden. Ok, ein paar Nassauer wie Irland, Malta etc. profitieren, aber die großen Flächenländer mit vielen Einwohnern zahlen am Ende die Zeche. Wenn die Einnahmen steigen, ist auch das 3% Ziel leichter einzuhalten.

    Das Hauptproblem ist aber die Währungsunion ohne jegliche Transferunion. Hier sehe ich nur die Möglichkeit endlich die Transferunion zu beginnen, was im Endeffekt Macron vorgeschlagen hat mit einem recht großen Budget für die EU oder den Euro so schonend wie möglich zu beenden.

    Gruß Jens

  • Kning4711 4. Dezember 2017, 10:12

    Mir hat sich ohnehin nie erschlossen, wieso ein kurzzeitiger Verstoß gegen die Defizitkriterien solitär die Stabilität der Eurozone gefährden sollte. Ggf. können Staaten zu einer höheren Staatsverschuldung gezwungen sein, um notwendige Investitionen bereitstellen zu können zwecks Wachstumsförderung. Solange sich die Inflation im Land im Rahmen hält, kann auch ein höheres Defizit in Kauf genommen werden.

    Viel wichtiger fände ich einen Mechanismus, der die Staaten in wirtschaftlichen guten Zeiten verpflichtet entsprechende Vorsorgen zu treffen, dass die Ausschläge bei der sich zwangsläufig anschließenden Rezessionen gemildert werden können, um der Wirtschaft die ausreichende Zeit zu geben sich zu erholen.

    Eine Transferunion widerspricht aktuell den Vorgaben des Grundgesetzes und bedürfte entsprechender ändernder Gesetzgebung. Jedoch ist hierfür im aktuellen deutschen Bundestag keine Mehrheit erkennbar, so dass wir in Deutschland zumindest zunächst mal parteiübergreifend erstreiten sollten, was für eine Art von Währungsunion wir wollen.

    • Marc 4. Dezember 2017, 10:17

      Eine Transferunion widerspricht aktuell den Vorgaben des Grundgesetzes und bedürfte entsprechender ändernder Gesetzgebung.

      Bereits die Währungsunion an sich verstößt gegen das Grundgesetz. Denn es finden ja bereits Transfers in die Mitgliedsländer statt, sie sind nur nicht staatlich gesteuert, sondern finden unkontrolliert auf den Kapitalmärkten statt.

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