Vor einigen Tagen reichte Sylvester Stallone Klage gegen den Hollywoodverleih Warner Bros. wegen vorenthaltener Gewinnbeteiligungen an dem Film Demolition Man (1993) ein. Die von dem gealterten Action Star eingereichte Anzeige beleuchtet dabei ein grundsätzliches Problem, das über die Branche der Lichtspiele weit hinausreicht. Wir leben in wirtschaftlich ungewissen Zeiten, marktbeherrschende Unternehmen entstehen und verschwinden binnen weniger Jahre. Da scheint es natürlich, dass die am Unternehmen Interessierten, neudeutsch spricht man längst von „Stakeholdern“, eben auch viel stärker am wirtschaftlichen Erfolg beteiligt werden. Die deutsche Überlegung ist jedoch eine sehr einseitige. Wer mit Einkommensverzicht ins persönliche Risiko geht, wird meist von der Öffentlichkeit ignoriert, solange, bis die Unternehmensfreude sich auszahlt und manchmal hoch erscheinende Boni und andere Erfolgsbeteiligungen fließen.
Es ist nicht bekannt, wie die Sympathien zum Ex-Rambo im Falle seiner Klage verteilt sind. Da in dem Rechtsstreit ein großer, anonym erscheinender Konzern verklagt wird, stellt sich die öffentliche Meinung meist auf die Seite des vermeintlichen Davids. Anders sieht die Geschichte aus, wenn ehemalige Banker oder Manager ihre arbeitsrechtlich zugesagten Einsprüche einklagen. Niemand scheint den VW-Beschäftigten ihre Gewinnbeteiligung und Sonderprämie ob des großen unternehmerischen Erfolgs zu neiden. Wohlgemerkt, diese Zahlungen flossen zuletzt für das Geschäftsjahr 2015, in dem der Wolfsburger Automobilbauer wegen des weltweiten Abgasskandals in eine existenzbedrohende Krise rutschte. Kurz zuvor wollte der Aufsichtsrat dem Vorstand die Boni für das gleiche Geschäftsjahr genehmigen, was zu einem bundesweiten Aufschrei führte. Angesichts des Schadens, der angerichtet worden sei, sollten die Leitungsorgane von VW freiwillig auf ihre Gewinnbeteiligung verzichten. Der Betriebsrat schloss sich dieser Forderung an, verwies allerdings auf geltende Verträge.
Eine kleine Nebensächlichkeit, wenn es um die Bösewichte unserer Tage geht. Was gilt das Recht, wenn es um eine höhere Moral geht, allerdings nur solange sie nicht auf einen selber Anwendung findet. Jede Wirtschaftskrise, die einhergeht mit Arbeitsplatzverlusten und Unternehmensinsolvenzen wiederholt die Kritik an der Vergütung von Vorständen und Geschäftsführern. Unternehmerischer Erfolg kennt aus Sicht der veröffentlichten Meinung viele Väter (und Mütter), der Misserfolg jedoch nur wenige Schuldige. Bis Anfang der 1990er Jahre bezogen die Spitzen der Wirtschaft weitgehend Festgehälter, die immer als überzogen gegeißelt wurden, wenn die Verluste sich häuften und die Leitung sich als vermeintlich inkompetent erwies. Ein Klassiker solch populistischer Kritik war der Sachbuchbestseller des ehemaligen Capital-Journalisten Günter Ogger „Nieten in Nadelstreifen“. Als Konsequenz dieser Empörung und der Übernahme zahlreicher mittelständischer Unternehmen durch internationale Investoren wurden die Vergütungsstrukturen der Konzernleitungen deutlich verändert. Gleichzeitig wurde nach mehr Transparenz gerufen, der die Politik durch das gesetzliche Erfordernis der Offenlegung der Bezahlung von Vorständen und Geschäftsführern Rechnung trug. Es gibt nicht wenige, die das Transparenzgebot als ursächlich für die kurz danach stattfindenden Gehaltsexzesse verantwortlich machen.
Die Prinzipien wurden mit jeder Krise und jedem Skandal etwas angepasst. So erhält der Vorstand von VW nach der Debatte über die exorbitante Bezahlung von Martin Winterkorn zu Beginn dieses Jahrzehnts nicht mehr auf Basis eines Geschäftsjahres, sondern nach dem Durchschnitt der letzten drei Berichtsperioden seine Bonusbezüge. Genau diese arbeitsrechtliche Veränderung, die im Sinne einer mittelfristig guten Unternehmensführung vereinbart wurde, sollte nun mit den Moralappellen der Arbeitnehmervertreter ausgehebelt werden.
Über Tarif entlohnte Beschäftigte haben heute erfolgsabhängige Regelungen in ihren Arbeitsverträgen, die zumindest im Mittelstand weitgehend den der Unternehmensleitung entsprechen. Viele sitzen damit in einem Boot. Selbst Tarifverträge haben solche Komponenten übernommen, so sieht der geltende Rahmentarifvertrag für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie ein Plus auf das tarifliche Entgelt vor, die in Abhängigkeit von der persönlichen Leistung des Mitarbeiters gezahlt wird. Die Leistungsbeurteilung wird von dem jeweiligen Vorgesetzten vorgenommen.
Die jährlichen Mitarbeitergespräche erweisen sich dabei als wiederkehrendes Drama, so ein Chef eine seiner Ansicht nach ehrliche Bewertung vornehmen will. Auf solche Debatten verzichten viele gern, in dem sie den Weg des geringsten Widerstandes gehen und ihre Mitarbeiter gleich bewerten. Damit bleibt die Erfolgskomponente ebenfalls gleich oder sinkt sogar. Sie verringert sich, wenn jeder sein Team top bewertet. Streitbare Naturen, wozu Vorgesetzte gehören sollten, haben da einen schweren Stand. Jede Herabstufung gegenüber dem Vorjahr führt zu einer endlosen Debatte mit Mitarbeiter, Betriebsrat und Tarifkommission.
Leitungspersonen und AT-Angestellte haben dagegen häufig leichter zu interpretierende und exerzierende Regelungen. Der Arbeitsvertrag definiert ein Zielgehalt, das aus den Komponenten Festgehalt, Bonus oder Tantieme, Firmenwagen und sonstige Leistungen besteht. Die erfolgsabhängige Vergütung ist damit üblicherweise gedeckelt und wird auch nur gewährt, wenn eine Mindestgröße des vereinbarten Ziels (80 oder gar 100 Prozent Zielerreichungsgrad) erfüllt ist. Eine vollständige Erreichung des Zielgehalts ist nach den so bestimmten Klauseln oft nicht möglich. Der Einfachheit halber werden die Ziele nämlich oft an die ehrgeizigen Budgets gekoppelt und wer 100% will, muss meist die 120% reißen.
Es lässt sich gut streiten, ob Boni nun 20%, 50% oder gar 80% des eigentlich vereinbarten Entgelts ausmachen sollen. Niemand will ernsthaft zurück zu den Zeiten, als jahrelanges Versagen ohne Einfluss auf die Entlohnung von Leitungs- und Führungspersonen blieb. Aber genau deswegen ist die Debatte über Managervergütungen so oft von Unehrlichkeit und Heuchelei geprägt. Immer noch werden Boni, Tantiemen oder welche schönen Worte noch dafür verwandt werden, als Ad On, als weitgehend willkürlich festgesetzter Zuschlag für Spitzenleute gesehen, die von generösen Eigentümern einseitig ausgeschüttet werden. Dem ist nicht so, wer einen leistungsbezogenen Vertrag unterschreibt, verzichtet auf einen nicht unwesentlichen Teil seiner Festvergütung. Die „Preise“ für Führungskräfte und Experten werden stets nach dem Zielgehalt bemessen und verglichen, unabhängig davon, ob sie am Ende erreicht werden.
Die meisten Arbeitnehmer begeben sich nicht freiwillig in eine solche Konstellation. Vor die Wahl gestellt, ob jemand feste Zulagen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld, Vermögenswirksame Leistungen (VGL) und die Zusage einer Betriebsrente möchte oder lieber eine umfangreiche Beteiligung am unternehmerischen Erfolg bis hin zu Optionsrechten, entscheiden sich die meisten für die feste Bezahlung. Das wissen natürlich auch Gewerkschaften und Betriebsräte, weswegen sie entsprechende Bestrebungen der Arbeitgeberverbände stets abwehren. Ein historisches Versäumnis ereignete sich in den 1970er Jahren. In einer Phase, wo Arbeitnehmerrechte deutlich ausgeweitet wurden, entschieden sich Politik und Tarifparteien dafür, die betriebliche Mitbestimmung für Arbeitnehmer einzuführen. Als Alternative war kurzzeitig erwogen worden, Mitarbeiter durch gesetzliche Regelungen am unternehmerischen Kapital zu beteiligen.
Doch die Gewerkschaften fürchteten den Wegfall des Klassenkampfes als Mobilisierungspotential, wenn Arbeiter zu Kapitalisten würden. Und die mehrheitlich eigentümergeprägten mittelständischen Unternehmen hatten ebenfalls wenig Interesse, ihre Geschäftsgeheimnisse mit der Belegschaft teilen zu müssen. So wurde ein Pakt von Politikern und Funktionären zu Lasten der abhängig Beschäftigten getroffen. Während Kapitalbesitzer seit Beginn der 1990er Jahre deutlich profitierten, mussten die Arbeitnehmer wegen der grassierenden Massenarbeitslosigkeit Lohnverzicht üben. Die Entlassenen dagegen hatten nicht mal Zusatzeinnahmen durch ihre verhinderten Kapitalbeteiligungen, dafür einige Funktionäre einen warmen, aber weitgehend einflusslosen Sitzplatz im Aufsichtsrat ihres restrukturierten Unternehmens.
In einigen Branchen ist der Klassenkampf geblieben. Regelmäßig wird in Branchen, wo Tarifverhandlungen geführt werden, zu sogenannten „Warnstreiks“ aufgerufen. Ohne Verhandlungsnot wird ein paar wenigen Spitzenunternehmen oder Publikumsgesellschaften ein wirtschaftlicher Schaden zugefügt. Warnstreiks sind eigentlich kein zulässiges Arbeitskampfmittel, da die Verhandlungen ja nicht gescheitert sind. Sie dienen allein als Marketingmaßnahme der streikführenden Gewerkschaft, den eigenen Mitgliedern und interessierten Außenstehenden die Kampfbereitschaft zu demonstrieren.
So wurde in der Vergangenheit auch das Unternehmen des Autors regelmäßig bestreikt, selbst wenn dieses sich in Kurzarbeit befand. Kurzarbeit und kräftige Lohnerhöhungen, für Arbeitskämpfer scheint das wunderbar zusammenzugehen.
Ende 2015 griff der Betriebsrat des gleichen Unternehmens das nationale Management massiv an. In der Mitarbeiterzeitschrift wurde den Leitungsorganen vorgeworfen, allein auf Kosten von Arbeitsplätzen und damit der Entlassung von Kollegen die eigenen Boniziele zu verfolgen. Hintergrund ist, dass der im 19. Jahrhundert entstandene Maschinenhersteller und Dienstleister in einer Branche tätig ist, die seit einem Jahrzehnt aufgrund des Strukturwandels und dem Boom neuer Produktionsverfahren mit jährlich zweistelligen Auftragsverlusten zu kämpfen hat. Nach der Insolvenz vor wenigen Jahren wurde das Traditionsunternehmen von einem britischen Investor und Milliardär übernommen. Während der Gesamtkonzern seitdem konsequent Gewinne auf niedrigem Niveau erzielt, dümpelte die deutsche Tochtergesellschaft weit in der Verlustzone.
Rapide schrumpfender Umsatz und hoher Mitarbeiterstamm passten nicht zusammen, das Wachstumspotential dagegen blieb überschaubar. Die meist älteren und seit der Lehrzeit im Unternehmen tätigen Mitarbeiter hatten keine Lust zum Umdenken, wenn der Weg zur Rente nicht mehr weit ist und es immer einen Investor gibt, der für einen zahlt. Die Reißleine wurde Ende 2014 angekündigt, one more year und ist die Organisation dann noch eine Geldverschwendungsmaschine, wird sie geschlossen. Personalabbau und Stabilisierung des Geschäfts brachten die kostenintensive Wende, aber die Budgetziele des Managements wurden verfehlt. Folgerichtig wurde eine Tantieme nicht gewährt, alldieweil die verbliebenen Mitarbeiter sich über einen gesicherten Arbeitsplatz, Weihnachts- und Urlaubsgeld und die tarifliche Lohnerhöhung freuen konnten.
Nach drei Jahren Sanierungstätigkeit wurde in 2016 ein Rekordgewinn erzielt, bedingt durch konsequentes Princing und teilweise glückliche Umstände. Doch der Niedergang der Branche geht unaufhaltsam weiter. Die im April 2017 anstehenden Tantiemezahlungen waren dem gewerkschaftlich dominierten Betriebsrat jedoch weitere Angriffe wert. Allein das Management würde am Unternehmenserfolg beteiligt, während bei den Tarifmitarbeitern inzwischen übertarifliche Leistungen angerechnet würden, so der Vorwurf auf der ersten Betriebsversammlung des Jahres. Die Attacken erreichten ein Niveau, bei dem der CEO in die Bütt musste einiges gerade zu rücken.
Während die Mitarbeiter in den vergangenen Jahren regelmäßig ihre Sonderzahlungen in Höhe von 1,5 des monatlichen Entgelts erhalten hätten, wären außertarifliche Mitarbeiter vom Unternehmenserfolg abhängig. Selbst bei Erreichung aller Ziele bekäme das Management gerade 20% des Jahresgehaltes, also das 2,4fache des Monatssalärs. Wird berücksichtigt, dass von den letzten 3 Jahren nur ein einziges Mal die Erfolgsvergütung gewährt wurde, sind es jährlich also gerade das 0,8fache und damit gerade die Hälfte dessen, was die Tarifangestellten im gleichen Zeitraum erhalten haben.
Die Sanierungsarbeit ist abgeschlossen, doch der Betriebsrat hat nicht nur die wirtschaftliche Gesundung aufgehalten, sondern dazu noch mit falschen Angaben Neid und Missgunst geschürt. Das Betriebsverfassungsgesetz gewährt gewählten Betriebsräten Einblick in den unternehmerischen Erfolg wie die Arbeitsverträge der Belegschaft, damit sie die Arbeitnehmer angemessen informieren können. Tatsächlich bedienen Gewerkschaften und Betriebsräte aus ideologischen Gründen gerne Vorurteile statt aufzuklären und notwendige Maßnahmen mitzutragen.
Willkommen in der Neidgesellschaft.
Ich stimme der Aussage (offensichtlich) zu, dass geltende Verträge einzuhalten sind. Wenn Manager ihnen rechtlich zustehende Zahlungen einklagen, ist das ihr gutes Recht, und da auf eine nebulöse „Moral“ zu pochen und sie zum freiwilligen Verzicht zu animieren unsinnig und naiv.
Aber: die Vergütungsstrukturen sind ein Problem, wo die angeblichen Erfolgsbeteiligungen letztlich doch Fixzahlungen werden oder das Versagen derart durch Abschiedszahlungen abgefedert wird, dass dies keine Rolle mehr spielt. Das ist das Versagen von Aufsichtsrat und Vorstand, wenn sie solche Verträge flächendeckend einführen.
Was die Kapitalbeteilgung betrifft, war die Entscheidung in den 1970er Jahren sicherlich richtig. Aus liberaler Perspektive mag es immer verlockend sein, die Arbeitnehmer als Kapitalisten zu beteiligen, aber für die Arbeitnehmer selbst ist das sichere Paket schlichtweg nicht nur verlockender, sondern auch vernünftiger. Die Mitbestimmung war die richtige Idee, und sie hatte positive Effekte. Nicht umsonst ist die deutsche Wirtschaft gerade auch in Krisenzeiten stabil und wettbewerbsfähig. Einen großen Anteil daran haben gerade die Betriebsräte.
Und du magst Warnstreiks als lästig empfinden, aber legitim sind sie in jedem Falle, sonst wären sie als Kampfinstrument längst weggeklagt. Für die Arbeitgeber sind sie zudem deutlich günstiger als „echte“ Arbeitskämpfe, denn letztlich – wie du ja selbst zugibst – sind sie nur PR-Aktionen.
Gibt es Situationen, in denen die Betriebsräte blockieren und sich als hinderlich erweisen? Sicherlich. Es gibt eben gute und schlechte Betriebsräte, wie es gute und schlechte Manager gibt. Das zu erkennen ist nicht gerade eine Meisterleistung.
Wieso Fixzahlungen? Woher weißt Du das? Du hörst und liest immer nur, wenn DAX-Vorstände hohe Boni erhalten haben, jedoch nicht, wie oft diese überhaupt nicht gezahlt werden. So erhielten die Organe der Deutschen Bank AG 2009 keinen Bonus. Niemand hat etwas zu verschenken und gerade wenn die Eigentümerstruktur klar ist beispielsweise durch Private Equity (PE) oder wie bei BMW gibt es wenig Selbstbedienung. Ich habe es so auch häufig erlebt, die Geschäftsführung in schlechteren Zeiten – entweder aufgrund Vorbildfunktion oder weil die Eigentümer dies erzwungen haben – auf einen Teil ihrer Bezüge verzichtet haben. Dabei reden wir von Führungskräften, die nicht Millionengehälter (die sind so rar), sondern Gehälter zwischen 100.000 und 500.000 EUR beziehen. Wenn Du dann bei deinem Fixum 20% reduzierst, ist das kräftig. Die Mitarbeiter wurden darüber natürlich nicht offiziell informiert.
Auch Organe einer Gesellschaft sind arbeitsrechtlich Arbeitnehmer. Sie haben einen Anstellungsvertrag und werden zum Vorstand oder Geschäftsführer bestellt. Auch wenn sie davon (z.B. wegen Schlechtleistung) abberufen werden, besteht ihr Arbeitsvertrag fort. Hierfür gelten wie für jeden Arbeitnehmer der gleiche Kündigungsschutz. Was bedeutet, dass man auch einen CEO nicht verhaltensbedingt kündigen kann. Wie bei jedem anderen Beschäftigten sind die arbeitsrechtlichen Hürden einfach zu hoch.
Da die Eigentümer eines Unternehmens, insbesondere eines DAX-Konzerns natürlich nicht auf ewig Personen beschäftigen wollen, die Millionen-Gehälter beziehen und man gerade auf der Executive-Ebene Flexibilität benötigt, erhalten solche Führungskräfte häufig Zeitverträge. Dies ist im Mittelstand häufig nicht so. Die Verträge haben eine Laufzeit von üblicherweise 3-5 Jahren. Will eine Partei aus einem solchen Vertrag aussteigen, ist sie schadensersatzpflichtig. Das gilt unisono und ist keine Lex Manager.
Also überleg‘ Dir, ob Du Abfindung zahlen willst, um einen unbefristeten Arbeitsvertrag aufzulösen oder um einen Zeitvertrag vorzeitig zu beenden. Topmanager sind nicht selten seit Jahrzehnten im Unternehmen. Nehmen wir an, Vorstand X weist eine Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren auf und Du kündigst diesen Vertrag. Die Schwierigkeiten beginnen, weil Dir der arbeitsrechtliche Grund fehlt, i.d.R. kommt weder eine betriebsbedingte, verhaltensbedingte noch personenbedingte Kündigung in Frage. Das macht die Beendigung entsprechend teuer. Bei einer Vorstandsvergütung von sagen wir 2,4 Millionen Euro fallen damit pro Beschäftigungsjahr zwischen einem halben und einem vollen Monatsgehalt an. Die Kündigung kostet mich also in diesem Fall durchaus 4 Millionen Euro, wobei nicht gesichert ist, dass die Kündigung vor einem Arbeitsgericht Bestand hätte, somit die Beendigung eventuell sogar noch teurer käme oder der abberufene Vorstand möglicherweise über Jahre noch beschäftigt werden müsste. Anders sieht dies bei Zeitverträgen aus, wo maximal die Restlaufzeit möglicherweise unter Abzug von Erfolgsbeteiligungen auszubezahlen wäre.
Leider reden in dieser Sache meist Leute mit, die nicht die geringste Ahnung von Arbeitsrecht haben. Regeln, die für jeden normalen Arbeitnehmer, von der Putzfrau bis zum Vertriebsleiter gelten, sollen für Top-Manager außer Kraft gesetzt werden. Seltsames Rechtsverständnis.
Ich habe in meinem Berufsleben nie etwas von der Mitbestimmung gehabt. Ich hätte aber von verpflichtenden Unternehmensbeteiligungen profitiert. Da ist die Rechnung einfach und hat mal nichts mit liberalen Überzeugungen zu tun. 2008/2009 wurden nur deswegen wenig Leute entlassen, weil die Unternehmen gerade ein paar Jahre zuvor, nämlich nach der langen Krise 2001-2005 (damals gab es Massenentlassungen), die Erfahrung gemacht hatten, wie schwer ist im Aufschwung sein kann, wieder Fachkräfte auf dem freien Markt zu bekommen. Der Staat hat das Halten der Belegschaft dann unterstützt.
Warnstreiks sind nicht juristisch haltbar. Nur klagen Unternehmen nicht dagegen. Betroffen sind nur wenige Vorzeigekonzerne, die gleichzeitig meinungsbildend bei den Arbeitgeberverbänden sind. Aus strategischen Gründen unterbleiben Klagen. Ich kann mich an keine diesbezügliche erinnern, während selbst die Lufthansa sich nicht scheut, in harten Arbeitskämpfen die Gerichte anzurufen. Im Grunde sind Warnstreiks kalkulierbar, es bleibt aber ein Schaden, der dem Unternehmen nicht aus legitimen Arbeitskampfgründen (zulässig) zugefügt wird, sondern eben aus Motiven, die nicht durch das Betriebsverfassungsgesetz gedeckt sind.
Natürlich habe ich auch andere Betriebsräte erlebt. Faustformel: je gewerkschaftsnaher und je höher der Organisationsgrad der Belegschaft, desto ideologischer. Nur bringen Betriebsräte, die gut mit der Unternehmensführung zusammenarbeiten, den Mitarbeitern auch nichts. Wären Mitarbeiter beispielsweise verpflichtend Anteilseigner, müsste das Management sie zwingend als Eigentümer über den Geschäftsverlauf informieren. Vor 15 Jahren habe ich bei einem Mittelständler meine erste Restrukturierung federführend organisiert. Der Betriebsrat wurde vorab informiert, bei den Gesprächen war natürlich, soweit der Wunsch bestand (also immer) ein Arbeitnehmervertreter zugegen. Da saßen also 3 Personen am Tisch, wovon 2 besser Informierte dem armen Tropf deutlich machten, dass nicht nur seine Entlassung notwendig sei, sondern auch, dass er keine Alternative habe. Betriebsräte sind in den meisten Situationen keine guten Verteidiger der Belegschaft, da die besser und Hochqualifizierten um diese Rollen meist einen großen Bogen machen. Die Folge ist, in wichtigen Gesprächen sind sie intellektuell, fachlich und rhetorisch der Gegenseite hoffnungslos unterlegen.
Besser ist in solch schwierigen persönlichen Situationen, eine Person des eigenen Vertrauens oder gleich einen Spezialisten heranzuziehen. Ich jedenfalls hatte oft Mitleid mit Mitarbeitern und Kollegen, die von Betriebsräten vertreten wurden.
@ Stefan Sasse
Und du magst Warnstreiks als lästig empfinden, aber legitim sind sie in jedem Falle, sonst wären sie als Kampfinstrument längst weggeklagt.
Wobei es bis heute in Deutschland nicht einmal für „richtige“ Streiks eine saubere Rechtsgrundlage gibt. Das Streikrecht wurde ja auf haarsträubende Weise aus dem sehr allgemein gehaltenen Art. 9 GG herbeiargumentiert – keine Glanzstunde des deutschen Rechtsstaats.
Nein, das Arbeitsrecht ist in diesem Punkt Willkürrecht. Das gilt erst recht für Warnstreiks.
Wenn man nur den vorletzten Absatz liest, könnte man glatt denken, Du wärst auf die Boni deiner tariflichen Kollegen neidisch ;-).
Spaß beiseite.
Ich persönlich sehe weniger die Vergütung der Geschäftsführungen bzw. Vorstände bei den großen Publikumsgesellschaften als das Problem sondern die Tatsache, dass gleichzeitig auch sehr hohe Beiräge für die betriebliche Altersvorsorge fließen. Meinetwegen kann man das Superstar-Prinzip anwenden (hohe Gehälter mit kurzen Verträgen für Leute, die eine ganze Mannschaft / Firma besser machen), dann aber ohne Altersvorsorge. Oder nicht so hohe eher länger laufende Verträge, dann mit Altersvorsorge. Beides zusammen finde ich falsch.
Rechtlich gesehen hast Du völlig Recht. Allerdings ist die Position der Vorstände einfach auch von vielen Widersprüchen gekennzeichnet, die sie dann in der öffentlichen Wahrnehmung schwierig machen. Einerseits werden sie als Unternehmer gesehen, ohne dieselben Risiken einzugehen. Andererseits als Arbeitnehmer, die aber deutlich höhere Gehälter beziehen. Einerseits als Superstars, andererseits aber hohe betriebliche Altersvorsorge bzw. Abfindungen. Wie gesagt, rein rechtlich hast Du da Recht und ich kann aufgrund der Verantwortung auch das hohe Gehalt nachvollziehen. Aber dass nach Finanzkrise und Diesel-Affäre da eine gewisse Wut herrscht, kann ich auch verstehen. Bspw. hast Du vergessen zu erwähnen, dass bei VW 30.000 Stellen abgebaut werden sollen, weil das Unternehmen in Probleme geriet, die eindeutig selbstverschuldet waren.
Zu der verpflichtenden Unternehmensbeteiligungen. Du unterstellst doch nicht im Ernst, dass die Gewerkschaften in den 1970er Jahren die Massenentlassungen der 1990er Jahre voraussehen hätten sollen?!?! Btw. damals wurde die Unternehmensmitbestimmung eingeführt (also Wahl der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat), die betriebliche Mitbestimmung gibt es seit den 1920er Jahren!
Zu den Warnstreiks. Klar, das sind Werbeveranstaltungen und Rituale (und zwar sowohl für die Gewerkschaften als auch für die Arbeitgeberverbände). Und mE machen die Unternehmen da aus einem einzigen Grund mit: weil sonst die Gefahr besteht, dass sich, wie in der Luftfahrt, einzelne Beschäftigungsgruppen selbst organisieren. Mit den großen Einheitsgewerkschaften bleiben Arbeitskämpfe eher selten. Sieht man übrigens auch an den durch Streik ausgefallenen Arbeitstagen. Hier zählt Deutschland traditionell zu den Ländern mit den geringsten Zahlen (nicht nur seit den 1990er sondern schon die ganze Nachkriegszeit!).
Zu den Betriebsräten in deinem Unternehmen. Ich weiß zwar nicht, wo Du arbeitest, auch wenn ich da so ne Ahnung habe. Aber was ich miterlebt habe (ebenfalls Mittelständler, ebenfalls in nem Technologiewandel, mehrere Entlassungswellen in den letzten beiden Jahrzehnten), dann habe ich so ne Ahnung. Kann es ein, dass euer Betriebsrat darauf gedrängt hat, in neue Geschäftsbereiche zu gehen und in neue Produkte zu investieren und dass die Kritik, die Du erwähnst, sich v.a. daran enntzündet? Und kann es sein, dass peu a peu bei den Kollegen im Tarifkreis eingespart wurde und zwar zum einen durch Verschlechterungen oder sogar Abschaffung von freiwilligen sozialen Leistungen, zum anderen durch Standortsicherungsvereinbarungen?
Wenn man nur den vorletzten Absatz liest, könnte man glatt denken, Du wärst auf die Boni deiner tariflichen Kollegen neidisch ;-).
Das lässt meine Ethik nicht zu, aber man darf durchaus feststellen, dass diejenigen, die ein höheres Risiko tragen und mehr zum Fortbestand des Unternehmens beigetragen haben, schlechter belohnt werden. Nur als Ergänzung: Der Unterschied in der Bezahlung der Leitungsorgane und der besser bezahlten Mitarbeiter ist nicht nur überschaubar, sondern marginal, dank IG-Metall-Tarif. Mit Gerechtigkeit hat das wenig zu tun und in diesem Fall nach oben. (Ohne Smiley).
(..), sondern die Tatsache, dass gleichzeitig auch sehr hohe Beiräge für die betriebliche Altersvorsorge fließen.
Ich weiß nicht, wie das heute noch bei den DAX-Unternehmen ist und ehrlich gesagt interessiert es mich auch nicht. Das sind 30 Konzerne, dazu kommen die in den unteren Indizes organisierten Aktiengesellschaften, in Summe weniger als 200. Bei geschätzten 1 Million Kapitalgesellschaften allein in Deutschland ist das nachrangig. Jedenfalls im Mittelstand haben Eigentümer zur betrieblichen Altersvorsorge von Managern die gleiche Einstellung wie bei der Belegschaft, also ablehnend. Lässt sich eine solche Vereinbarung im Arbeitsvertrag nicht vermeiden, so wird sie durch eine gleichlautende Kapitallebensversicherung abgesichert und damit bilanziell ausgeglichen. Und natürlich werden die Pensionszusagen mit dem Zielgehalt eingerechnet.
Wie erwähnt beträgt die typische Laufzeit eines Zeitvertrages 3-5 Jahre. Das ist nicht besonders lang. Es gibt noch die Möglichkeit temporär einen Manager anzuheuern, die gehen aber kaum in die Organverantwortung, denn das Risiko ist kaum kalkulierbar. Ich bin zweimal nicht in die Geschäftsführungsverantwortung gegangen, weil Gehalt und Verantwortung nicht zusammenpassten. Sie vergessen, dass Organe heute ein sehr hohes persönliches Risiko tragen, beispielhaft sei hier nur die Verantwortung für Steuerzahlung und Arbeitszeit genannt. Hier gibt es die unmittelbare Durchgriffshaftung auf die Personen der Geschäftsführung. Nehmen Sie das Beispiel Winterkorn: eine vorbildliche Karriere im VW-Konzern über knapp 50 Jahre. Und am Ende steht das Risiko der persönlichen Verarmung. Das ist in diesem Fall nicht völlig abstrakt und selbst durch den Schaden, der dem Unternehmen entstanden ist, nicht zu rechtfertigen.
Bspw. hast Du vergessen zu erwähnen, dass bei VW 30.000 Stellen abgebaut werden sollen, weil das Unternehmen in Probleme geriet, die eindeutig selbstverschuldet waren.
Nein, aber entweder verzichten alle auf Erfolgsbeteiligung oder keiner. Das Vorgehen der IG Metall wie des Betriebsrates war heuchlerisch.
Zu der verpflichtenden Unternehmensbeteiligungen. Du unterstellst doch nicht im Ernst, dass die Gewerkschaften in den 1970er Jahren die Massenentlassungen der 1990er Jahre voraussehen hätten sollen?!?!
Darum geht es nicht. Die Konsequenzen unserer Entscheidungen sehen wir häufig erst weit in der Zukunft. Aber ich kann demjenigen keine Vorwürfe machen, der eine vernünftige weitsichtige Entscheidung richtig getroffen hat und den versuchen zu entschädigen, der aus kurzfristigen Gründen am Ende falsch lag. Wer darüber klagt, dass die Arbeitnehmer an den Kapitalrenditen seit den 1990er Jahren nicht angemessen beteiligt war, muss die Ursache in der generellen Abneigung an Kapitalbeteiligungen sehen und nicht in einer angeblich „unfairen“ Verteilung.
Mit den großen Einheitsgewerkschaften bleiben Arbeitskämpfe eher selten.
Zur Vollständigkeit gehört, dass das Instrument der Aussperrung, wodurch früher Waffengleichheit hergestellt wurde, heute nicht mehr funktioniert. Deswegen sind Unternehmen den gewerkschaftlichen Arbeitskampfmaßnahmen weitgehend schutzlos ausgeliefert.
Zu den Betriebsräten in deinem Unternehmen. Ich weiß zwar nicht, wo Du arbeitest, auch wenn ich da so ne Ahnung habe.
Ist eigentlich nicht so schwer, aber behalten Sie es für sich.
Durch die Insolvenz gingen über die Hälfte der Arbeitsplätze verloren, die Mitarbeiter verloren zwar einige materielle Forderungen für Arbeitszeitguthaben und Geldleistungen, aber nach der Insolvenz ging es weiter wie bisher. Der Betriebsrat stimmte aber zu, eine Entlohnung entlang dem ERA-Tarif einzuführen, was zu einer finanziellen Rückstufung der meisten Beschäftigten geführt hätte. Im Gegenzug gab der neue Eigentümer eine Bestandssicherung.
Die Mitarbeiter beim Marktführer sind schlechter dran, sie arbeiten seit Jahren mit reduzierten Stunden. Den alteingesessenen Produzenten ist es, wie in anderen Branchen auch, nicht gelungen, sich neu zu erfinden. Alle derart gelagerten Versuche – von denen es viele gab – sind gescheitert. Es bleibt die Verwaltung des alten Geschäfts, was eben auch weitere Schrumpfung bedeutet.
Ihre Annahmen sind falsch. Weder gab es Zusagen zur Standortsicherung noch die Abschaffung freiwilliger sozialer Leistungen. Allerdings wurde nun begonnen, die hohen außertariflichen Zuschläge abzuschmelzen um auf eine marktübliche Vergütung zu kommen. Das ist aber ein sehr langwieriger Prozess.
Mir hat sich beim lesen dieses Satz:
Doch die Gewerkschaften fürchteten den Wegfall des Klassenkampfes als Mobilisierungspotential, wenn Arbeiter zu Kapitalisten würden.
eine ernst gemeinte Frage gestellt. Ist nicht jeder, der in einem kapitalistischem System „lohneswert“ funktioniert automatisch ein Kapitalist? Kann man Teil eines Systems sein, ohne zum System zu gehören und automatisch ein Kapitalist zu sein?
Das geht an alle, hat jemand eine gute Antwort?
Gruss Rauschi
Kapitalismus bezeichnet den Wesensfaktor des Wirtschaftssystems. Im Feudalismus gab es nur den Faktor Arbeit. Kapitalismus bedeutet, das mit dem Faktor Kapital (unter Beteiligung von Arbeit) produziert wird. Dabei umschließt dies jede Form von Kapital, unabhängig ob in Gestalt von Geld, Maschinen oder Wissen. Richtig, aus Sicht der Ökonomie zählt ein Faktor, der im wesentlichen auf Wissen, Know-how basiert, Kapital und nicht Arbeit. Das dies nicht falsch ist, lässt sich daran ablesen, dass hoch qualifizierte Spezialisten mit entsprechender Bildung sich in Interessen und Verhalten den Kapitaleignern ähneln. Gerade diese Mitarbeiter sind in Betriebsräten weit unterproportional vertreten.
Im Feudalismus gab es nur den Faktor Arbeit.
Es gab keinen Besitz und keine Macht, eine ideale Welt sozusagen? Ist denn Besitz an Land kein Kapital, jetzt bin ich verwirt? Wissen gab es auch nicht, das wird ja bei Ihnen auch als Kapital gezählt? Bei allen Beschreibungen des Systems fehlt mir immer die Machtkomponente, die wird völlig ausser Acht gelassen, so als lebten wir in einer idealen Welt. Dabei ist diese Sicht ja ein Vorwurf, der den Linken gerne gemacht wird.
Bei Wikipedia habe ich folgende Beschreibung gefunden:
„Die Produktion des Feudalismus ist stark von der Naturalwirtschaft geprägt. Der überwiegende Teil der Bevölkerung besteht aus Bauern. Sie sind aber nicht Eigentümer des von ihnen bestellten Landes. Dieses Land ist Eigentum des Grundherrn. Die Bauern befinden sich im Zustand der Hörigkeit, sie sind also persönlich abhängig vom Grundherrn und unfrei.“
So anders ist das heute auch nicht, die Arbeiter sind zwar nicht direkt hörig, aber auf jeden Fall vom Arbeitgeber abhängig und damit auch unfrei.
Kapitalismus bezeichnet den Wesensfaktor des Wirtschaftssystems.
Kapitalismus bezeichnet das Wirtschaftsystem.
Auch dazu eine Definition, die sich gar nicht so sehr vom Feudalismus unterscheidet:
„Im Kapitalismus ist Kapitalbesitz die Voraussetzung für die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel, was das Weisungsrecht über die Arbeitskraft der abhängig Beschäftigten einschließt. Die Masse der Arbeiter ist überwiegend besitzlos und von den verhältnismäßig wenigen Kapitalbesitzern wirtschaftlich abhängig. “
Quelle: http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-der-wirtschaft/19938/kapitalismus
Ersetzen Sie Kapitalbesitz durch Landbesitz, schon sind wir wieder in der obigen Beschreibung.
Das dies nicht falsch ist, lässt sich daran ablesen, dass hoch qualifizierte Spezialisten mit entsprechender Bildung sich in Interessen und Verhalten den Kapitaleignern ähneln.
Also nur die Wissenden sind Kapitalisten? Sollte es wünschenwert sein, das sich alle nur zugunsten der Kapitaleigner verhalten?
Aus meiner Sicht ist auch jeder Arbeiter und Angestellte ein Kapitalist, denn er funktioniert in dieser Wirtschaftsform, ist ein Teil davon und muss deswegen Kapitalist sein.
Gruss Rauschi
Ja, das ist richtig, die alten Theorien sahen noch Grund und Boden als weiteren Produktionsfaktor. Spätestens seit den 1980er Jahren hat dieser Faktor jedoch so an Bedeutung verloren, dass er nicht mehr einbezogen wird. Zudem ist die Produktivität so gering, dass er außer acht gelassen werden kann. Dazu müssen Sie sich nur die Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen von Unternehmen betrachten. Sowohl als Anlagekapital als auch in den Kosten (Mieten, AfAs) spielt Grund und Boden eine sehr untergeordnete Rolle.
Kapitalismus, anders als Sie ihn definieren, zeichnet sich durch die hohe Produktivität durch Kombination der Produktionsfaktoren aus. Kombinieren Sie Feldacker mit Arbeiter, erfahrungsgemäß liegt die Produktivität dort kaum über dem Eigenbedarf und am Ende ist der Arbeiter (vulgo Landarbeiter) sehr schnell tot. Das ist Feudalismus. Die Kombination von Kapital (Maschinen wie Finanzkapital) hat sich als so produktiv erwiesen, dass ein konkurrierendes System nach wenigen Jahrzehnten nur am Wegesrand zurückblieb und die Menschen allein durch Zwang bei der Stange halten konnte. Kapital ist dermaßen produktiv, dass selbst auf den Faktor Arbeit häufig verzichtet werden kann, Arbeit erweist sich zunehmend als überflüssig.
Die deutschen Arbeitnehmer sind besonders firmentreu, der Großteil ist länger als 10 Jahre bei einem Arbeitgeber. In den USA und der Schweiz mit lockerem Arbeitsrecht ist dies anders, genauso übrigens bei den deutschen Arbeitern. Faustformel: je geringer qualifiziert, desto kürzer im Unternehmen und desto mehr Arbeitgeber im Lebenslauf. In der Spitze kehrt sich das dann wieder etwas um. Das spricht nicht für Ihre These, sondern eindeutig dagegen. Im Kapitalismus im Gegensatz zum Feudalismus können Arbeitnehmer leicht einen anderen Arbeitgeber finden. Würden Sie sich als Leibeigner von Apple sehen, weil Sie nun mal auf Produkte mit dem Apfel stehen? Eher nicht, oder? Die Wahrheit ist: Einfache Arbeiter verlassen viel leichter ein Unternehmen, wenn ihnen die Nase des Chefs nicht passt.
Dazu eine Anekdote: In einer mir bekannten Kindertageseinrichtung arbeiten sechs Küchenaushilfen. Keine dieser Hilfen weist im Jahr eine durchschnittliche Beschäftigung nach, die Fehlzeiten sind exorbitant hoch. Eine Frau mittleren Alters, treibt es ziemlich bunt. 2009 war sie noch Hartz-IV-Empfängerin. In keinem Jahr kommt sie auf mehr als eine Handvoll Wochen, in denen Sie ohne Fehlzeiten durchgearbeitet hat. Dazu ist sie zahlreicher Diebstähle verdächtig, doch entlassen möchte man sie wegen ihrer sozialen Verhältnisse nicht. Die hohen Fehlzeiten haben zur Konsequenz, dass die Erzieherinnen selbst sehr häufig die Küchenarbeit erledigen müssen, für die eigentlich ausreichendes Personal eingestellt ist. Ich sage nicht, dass das die Norm ist, aber es kommt vor. Worauf ich hinaus will: Die Frau selbst möchte seit Jahren entlassen werden, sie treibt es auch deswegen so wild, um dies zu erzwingen. Denn dann verliert sie nicht ihre sozialrechtlichen Ansprüche und erhält noch eine gute Abfindung. Allein, der Arbeitgeber stellt sich blind und taub für ihre Motivation aus vermeintlich sozialen Gründen.
Lösen wir uns von der klassischen Betrachtung einer Fabrik mit tausenden von Beschäftigten. Das ist längst nicht die Regel. In Ländern wie den USA oder Großbritannien beträgt der Anteil des produzierenden Gewerbes weniger als 15% der Wertschöpfung. Nehmen wir deswegen ein Beispiel aus der Freizeitindustrie, hier Profivereine. Der wesentliche Posten der Bilanz sind die „Werte“ der Spieler und Forderungen gegenüber Rechteinhabern. Die Spieler haben Zeit Verträge, seit dem berühmten Bosman-Urteil sind die Spielerwerte im Zuge der Vertragslaufzeit abzuschreiben. Gemessen an den periodischen Umsatzsteigerungen sind solche Vereine durchaus produktiv. Sie sind aber manchmal Leibeigene ihrer Spieler, da Erfolg und Misserfolg von einigen Spielern abhängt und deren Lust auf Vertragserfüllung. Verlassen mehrere Spieler gleichzeitig den Verein, droht der Absturz, in manchen Fällen der finanzielle Ruin. Ähnlich verhält es sich heute in vielen Unternehmen, beispielsweise im E-Commerce, Consulting, Ingenieurswesen. Sie machen einen Fehler, wenn Sie dies nun auf alle Arbeitnehmer anwenden. Aber es lässt sich nicht übersehen, dass viele Beschäftigte eine große Macht über ihren Arbeitgeber gewonnen haben. Schauen Sie sich dazu die Beispiele Luftfahrt, Medizin oder Eisenbahnwesen an, wo ein Teil der Angestellten den Unternehmen teils ruinöse Vereinbarungen aufgedrückt haben.
Also nur die Wissenden sind Kapitalisten?
Ja, deswegen sprechen wir von Human Capital. Um heute produzieren zu können, benötigen Sie für den Großteil der Tätigkeiten sehr viel theoretisches Wissen und Know-how. Das lässt sich nicht abstreiten. Wäre es da überhaupt angemessen, einen Arbeiter mit einfachem Bildungsabschluss und ohne jede Spezialkenntnis mit einem Ingenieur oder Biologen zu vergleichen? Nein, das wäre Unsinn. Nein, beide unterscheiden sich bereits in dem Grad, in dem sie zur Arbeit angewiesen werden müssen. Während ich einen Hilfsarbeiter genau instruieren und in jedem Arbeitsschritt beaufsichtigen muss, liefern mir Spezialisten und Experten Ergebnisse, auf die ich zuvor nie gekommen wäre.
Also nur die Wissenden sind Kapitalisten?
Ja, deswegen sprechen wir von Human Capital. Um heute produzieren zu können, benötigen Sie für den Großteil der Tätigkeiten sehr viel theoretisches Wissen und Know-how.
Wer ist wir? Ich spreche eigentlich immer von Menschen, Ihr Ausdruck kommt nur bei den Personalern vor.
Aber Sie haben wohl den Sinn meiner eher philosophischen Frage nicht erfasst. Es geht doch nicht um Firmenzugehörigkeiten oder Bildung.
Ich lebe in einem kapitalistischem System, arbeite in einem kapitalistischen Unternehmen und mehre dessen Profit durch meine Arbeit. Bin ich dadurch nicht automatisch auch ein Kapitalist, oder kann ich Teil eines Systems sein, ohne Teil zu sein? Auch ohne Firmenanteile oder Aktien oder höhere Bildung? Das ist meine Frage, nicht mehr und nicht weniger.
Gruss Rauschi