@StefanSasse Ob du und @FalkJan mal Lust hätten, eine Liste der non-traditional media (Blogs und so) zur US-Wahl zu empfehlen?
— Christina Dongowski (@TiniDo) 16. März 2016
Na, der Wunsch ist uns doch gleich Befehl. Ich lese gar nicht so viele non-traditional media – Blogs und so – aber auch so kommt eine nette Auswahl zusammen. Daher im folgenden meine Abos im Feed-Reader ohne besondere Anordnung.
Eines der bekanntesten liberalen Nachrichtenportale ist Vox. Die Seite hat seit ihrem Start einen ziemlich üblen Ruck in Richtung Click-Baiting gemacht, der reichlich nervig ist, aber mit ein bisschen Erfahrung kann man die Spreu schnell vom Weizen trennen. Der Weizen in diesem Fall sind hervorragend recherchierte Hintergrundberichte und, vor allem, Erklärbär-Artikel. Vox ist großartig darin, komplizierte Sachverhalte herunterzubrechen und einem breiten Publikum zu erklären. Besonders zu erwähnen ist dabei der hauseigene politikwissenschaftliche Blog Mischiefs of Faction und der Podcast In the Weeds.
Schon alleine aus Balance-Gründen sollte man immer auch die Gegenseite lesen, und ein Beispiel hierfür ist The New Conservative. Die Seite ist ziemlich traditionell republikanisch, mit einem halbwegs moderaten Establishment-Standpunkt. Besonders erwähnenswert ist die Blogserie „The American Singularity“, in der aktuell der Wahlkampf verfolgt und entsprechend kommentiert und analysiert wird.
Politico ist ein ziemlich klassisches Online-Magazin. Ich lese es eher sporadisch, aber es wird häufiger darauf verlinkt. Die Ausrichtung ist ingesamt ziemlich zentristisch, mit einem leichten bias zugunsten der Democrats.
Nate Silver ist der Vorhersagegott des 2012-Zyklus, und auch wenn er – wie alle seine Kollegen – dieses Jahr mit Trump seine Probleme hatte, so ist FiveThirtyEight immer noch eine der ersten Anlaufstellen, wenn man richtig tief in die Analyse einsteigen und die ganzen Prognosen und fundamentals verstehen will. Das ist allerdings nichts für den casual reader. FiveThirtyEight arbeitet mit detaillierten Modellen und versucht, die Wahlerfolge und Wahlchancen mit diesen abzuschätzen.
Das persönliche Blog von Josh Marshall. Er kommentiert ziemlich gut die aktuellen Kontroversen und hat wohlüberlegte Standpunkte. Da er zudem auf viele andere Stücke verlinkt, die es wert sind gelesen zu werden (besonders natürlich von TPM selbst), abonniere ich den Rest der Seite nicht direkt. Marshall lohnt sich auch auf Twitter zu folgen.
Erneut hauptsächlich aus konträren Motiven – man sollte nicht zu sehr in der eigenen Filter Bubble hängen bleiben – lese ich auch den American Conservative. Der unterscheidet sich von der offiziellen republikanischen Plattform deutlich. Außenpolitisch hält die Seite die isolationistische Tradition in den USA hoch und ist daher ziemlich weit entfernt von der Parteilinie, während sie gesellschaftlich häufig rechts von Ted Cruz anzufinden sind. Wer wissen will, wie die Evangelikalen ticken, sollte diese Seite lesen.
Eine meiner wichtigsten Quellen überhaupt ist The Atlantic, das alt-ehrwürdige Magazin. Ausführliche Hintergrundartikel und eine gute Resistenz gegen das Nachplappern scheinbar belegter Weisheiten ist ein wichtiger Grund, dieses Magazin zu lesen. Ein anderer ist Ta-Nehisi Coates, dessen Feed zu abonnieren sich extrem lohnt. Coates ist einer der profiliertesten Schreiber in den USA, und er verlinkt sehr großzügig Artikel, die er für relevant hält. The Atlantic hat auch eine gute Tradition von Leserdebatten; viele Autoren veröffentlichen und kommentieren Leserbriefe.
Genauso wie Vox ist auch Slate gerne dabei, wenn es darum geht, Click-Bait im Internet zu verbreiten, was ein wenig Aussortieren erforderlich macht, wenn man die guten Sachen lesen will. Slate hat jedoch eine Autoren, etwa Jamelle Bouie, die sehr interessante Analysen schreiben. Besonders Bouille ist extrem zu empfehlen, wann immer es um Rassenthemen geht (seine Berichterstattung zu Ferguson war grandios).
Dieser Blog, der, wie der Name schon sagt, linke Positionen vertritt, dient hauptsächlich als Aggregatsblog. Für mich ist etwa die Hälfte der Artikel deutlich zu ideologisch, um noch großen Erkenntnisgewinn zu bieten, aber die andere Hälfte ist brauchbar.
Taegan Goddard’s Political Wire
Political Wire ist eines der großen professionellen Politikblogs. Goddard veröffentlicht jeden Tag massenhaft Auszüge mit Links zu interessanten Zeitungen; seine eigenen Analysen verstecken sich häufig hinter einer Paywall. Das Folgen lohnt sich aber schon für die 20-30 täglichen Verweise auf andere interessante Artikel in frei zugänglichen Quellen.
Ein weiteres eher progressives Magazin ist das Washington Monthly, das nichts desto trotz mit sehr guten Analysen aufwarten kann. Rundheraus empfehlenswert, wenn man die offene Feindschaft zu den Konservativen erträgt.
Der Politikteil des New York Magazine ist ebenfalls von ausgesucht hoher Qualität. Nicht nur schreibt Jonathan Chait an dieser Stelle, auch andere große Namen wie Ed Kilgore veröffentlichen hier ihre Analysen. Wie so viele Einträge in dieser Liste gehört das New York Magazine eher zum progressiven Spektrum, aber die Analysen sind selten durch Ideologie verzerrt und eher zentristisch orientiert.
Kevin Drum ist Autor für das linke Magazin Mother Jones, wo er sein eigenes, jeden Tag gut gefülltes Blog unterhält. Er lohnt sich wegen seines datenzentrischen Ansatzes, denn er arbeitet gerne mit Statistiken, Umfragen und so weiter, was ihm eine grundsätzlich verlässliche Basis gibt. Zudem verbeißt er sich gerne in unterberichtete Themen, etwa die Rolle von Blei für Jugendkriminalität, die sehr interessant sind.
Das ist meine regelmäßige Leseliste. Alles weitere kommt durch Verlinkungen über Twitter und die oben genannten Autoren.
Vielen Dank für die sehr schöne Liste, einiges davon befand sich schon auf meiner Liste, anderes habe ich bisher nicht gelesen. Vielleicht darf ich vier Hinweise auf von mir sehr gern gelesene Blogs/Autoren hinzufügen:
1. http://www.electoral-vote.com Die Seite besteht seit 2004 und versuchte sich schon lange vor 538 an der Aggregierung von Präsidentschaftswahlumfragen auf der Ebene der jeweiligen Bundesstaaten. Sie wird von Andrew Tanenbaum betrieben, einem in Holland lebenden Informatiker. Er kommentiert dort (zumindest im Wahlkampf) täglich zusammen mit dem amerikanischen Historiker Christopher Bates aus demokratischer Perspektive die Ereignisse/Umfragen usw. des vergangenen Tages und verlinkt eine Reihe interessanter Artikel.
2. Die Artikel von Philip Bump (https://www.washingtonpost.com/people/philip-bump) beim Blog „The Fix“ der Washington Post. Ich bin kein Fan von Chris Cilizza, der den Blog begründet hat und ein klassischer amerikanischer Pundit ist, der hauptsächlich die politischen „horse races“ kommentiert und im Nachhinein immer weiß, dass er es eigentlich schon lange im Voraus wusste. Die Artikel von Bump sind aber interessant. Er kombiniert gerne Statistiken/Charts mit Text und widmet sich in diesen nicht nur dem Horse-Race-Charakter des Wahlkampfs, sondern auch inhaltlichen Fragen.
3. Den Blog „The Upshot“ bei der NY Times. Nachdem Nate Silver und 538 von der NY-Times weggegangen sind, hat diese mit Nate Cohn einen sehr guten Ersatz gefunden. Hier gibt es ähnlich wie bei 538 datenbasierte Analysen, manchmal finde ich sogar etwas raffinierter als bei 538 http://www.nytimes.com/section/upshot
4. Sam Wang beim Princeton Election Consortium
http://election.princeton.edu/
Der Neurowissenschaftler Wang beschäftigt sich auch hauptsächlich mit Datenanalyse und hat sich in den letzten Jahren mehrfach mit Nate Silver über Methodik von quantitativer Datenforschung gezankt. Ein Vorteil seiner Perspektive scheint mir, dass Wang nicht im journalistischen Milieu verankert ist, sodass er immer wieder Analysen veröffentlicht, die gegen die conventional wisdom gehen.
Danke!