Arbeitsrecht zur politischen Hexenjagd?

Ich habe mich in der Vergangenheit für diverse Sprachregelungen und Anliegen ausgesprochen, die den Bereich der political correctness berühren. So finde ich Homophobie ebenso inakzeptabel wie Sexismus, ist Rassismus ein zu bekämpfendes Problem und das Zigeunerschnitzel durchaus etwas, das aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verschwinden darf. Das Schimpfwort vom „Social Justice Warrior“ nehme ich gerne als Label. In letzter Zeit ist aber ein besorgniserregender Trend auszumachen, der sich gegen diejenigen richtet, die sich dieser political correctness nicht unterwerfen wollen. Die Waffe, die gegen sie geschwungen wird, ist das Arbeitsrecht. Und hier sollte wirklich dringend ein Gang zurückgelegt werden. 

Worum geht es? Die Strafe für Verstöße gegen die herrschende political correctness sind praktisch immer existenzvernichtend. Ist die Person, die sie getätigt hat, in einem Arbeitsverhältnis, so wird praktisch immer die Entlassung gefordert, teilweise sogar schon vorbeugend durch das betroffene Unternehmen vorgenommen. Ist die Person Schüler oder Student, ist der Ausschluss von der Bildungseinrichtung häufig ein gewähltes Mittel.

Die Beispiele hierfür sind Legion. Eine PR-Mitarbeiterin, die auf ihrem privaten Twitter-Account einen Witz über White Privilege machte und von der kollektiven Meute völlig ruiniert wurde – Entlassung, innerhalb weniger Stunden. Fernsehmoderatoren, die sich im Ton vergreifen – Entlassung und Absetzung ihrer Show. Studenten, die ein rassistisches Lied singen – Rausschmiss aus der Uni. Eine Kolumnistin, die ihren Lesern vom Besuch einer Schwulenhochzeit mit Kindern abrät, um diese nicht zu verwirren – Kündigung des Vertrags. Thilo Jung mit seinem Fußtritt-Bild – Rücktritt.

Hab ich irgendetwas nicht mitbekommen, oder sind die Eskalationsstufen, die einem solch radikalen Schritt vorgelagert sind über Nacht abgeschafft worden? Was ist aus der Abmahnung geworden? Viele Leute sind ja nicht gerade Überzeugungstäter. In vielen dieser Fälle haben sie sich unglücklich ausgedrückt oder aus Überschwang heraus Fehler begangen. Während Geschichten wie die des White-Privilege-Tweets einfach nur Ausdruck völliger, hysterischer Überreaktion im Zeitalter der jederzeit latenten Social-Media-Hexenjagd sind, handelt es sich bei den Hasschören der Verbindungsstudenten oder der Kolumne in der Westfalenzeitung um nicht akzeptable Äußerungen. Aber wäre es nicht in beiden Fällen vielleicht möglich gewesen, die jeweilige Linie von Arbeitgeber und Uni unmissverständlich deutlich zu machen, gepaart mit einer öffentlichen Entschuldigung und entsprechenden Sanktionsmechanismen und erst im Wiederholungsfall zum äußersten Mittel zu greifen?

Mir ist auch unbegreiflich, wie in den Sozialen Medien selbst immer sofort die ultimative Verurteilung erfolgt und die höchste Strafe gefordert wird. Wir müssen uns bitte auch klarmachen, dass es hier letztlich immer um die Vernichtung der jeweiligen Existenz geht. Nicht nur werden diese Personen an den Internetpranger gestellt, was schon Strafe genug sein kann. Der Jobverlust zerstört auch ihre wirtschaftliche Existenz, an der häufig genug Identität und vielleicht auch Familie hängen. So etwas sollte nicht so leichtfertig gefordert (und gewährt) werden wie das in der aktuellen Atmosphäre der Fall ist. Und um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: eine Abwehrreaktion der Gesellschaft, und zwar eine deutliche, gegenüber solchen Einstellungen ist absolut notwendig und unbedingt richtig. Nur in ihrer aktuellen Form ist sie toxisch, völlig überzogen und muss zu Gegenreaktionen führen, die das gesamte Ziel gefährden können.

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  • HE 21. Mai 2015, 13:48

    Größtenteils Zustimmung. Das Fehlen von Zwischentönen bei solchen Debatten ist tatsächlich besorgniserregend. Vor allem wenn nicht mehr unterschieden wird zwischen Menschen die aktiv und aggressiv Sexismus, Homophobie, etc. verbreiten und denen die es möglicherweise tatsächlich einfach nicht besser wissen.
    Scheinbar vergisst man gerne, dass niemand mit einem vollständigen Bewusstsein für gesellschaftliche Probleme geboren wurde. Ich hab das Anprangern von Sexismus früher auch für Gewimmer gehalten und die Meinung vertreten, dass die Homosexuellen bei ihrem Kampf um Akzeptanz einen Gang zurückschalten sollten. Das hat sich alles grundlegend geändert.
    Dieser Wandel brauchte aber Zeit (und natürlich auch den Willen, den eigenen Horizont zu erweitern) und es ist meiner Meinung nach kontraproduktiv wenn jemand, der möglicherweise unbewusst Ressentiments reproduziert, als einzige Antwort einen Shitstorm erhält, der im schlimmsten Fall auch noch die Entlassung zur Folge hat. Dadurch verbreitet sich nur die Meinung der ganzen Fleischauers und Matusseks, das Menschen die auf soziale Missstände hinweisen ein wildgewordener Tugendmob sind.

  • Der Mitleser 22. Mai 2015, 08:03

    Einige Vertreter einer Weltanschauung mit moralischem Absolutheitsanspruch zur Verbreitung des GREATER GOOD entwickeln authoritäre Tendenzen zur Durchsetzung ihrer Kreuzzugziele? Ich bin entsetzt und empört. Schockiert gar! Wer hätte damit rechnen können, dass die innigsten Krieger der Social Justice auf der richtigen, guten, wahren Seite der Geschichte das Schwert ihrer inhärenten Redlichkeit mit vollem Eifer schwingen?

    Aber mal ganz salopp gefragt: Wie ist denn dummen, uneinsichtigen Widerlingen wie mir anders beizukommen, die alleine aus Lust an der Provokation weiter mit großem Vergnügen ihr Zigeunerschnitzel mampfen und sich dabei nicht minder im Recht fühlen? Mehr als groß angelegte Public Shaming Kampagnen mit entsprechenden sozialen Konsequenzen wollen mir da als erfolgsversprechende Mittel partout nicht einfallen.

    Nun, die Frontverläufe des neuen Culture Wars sind geklärt. Die Hufeisentheorie lässt sich auch innerhalb von 140 Zeichen validieren. Zur weiteren Lektüre und Einordnung dieses innerlinken Konfliktes kann ich David Auerbachs Artikel #JeNeSuisPasLiberal: Entering the Quagmire of Online Leftism empfehlen:

    http://theamericanreader.com/jenesuispasliberal-entering-the-quagmire-of-online-leftism/

  • Wirtschaftswurm 22. Mai 2015, 08:21

    Vielleicht fängt das Ganze ja schon beim Wort „Homophobie“ an, das ich bis vor vielleicht drei, vier Jahren noch nie gehört hatte. Damit bezeichnet man ja eine bestimmte Meinung als krankhafte Wahnvorstellung.

    • Stefan Sasse 22. Mai 2015, 17:05

      Das sehe ich eher parallel zu „Rassismus“. Bevor das Wort aufkam war man auch empört beim Gedanken daran, dass diese Meinung eine krankhafte Wahnvorstellung sei.

  • Heiko 22. Mai 2015, 12:21

    Insbesondere den Fall der Kolumnistin finde ich erschreckend. Die Zeitung hat die Kolumne ja schließlich gedruckt, also hatte man in der Redaktion entweder nichts an dem Artikel auszusetzen oder war zu faul/geizig, ihn vor dem Druck zu redigieren. Im Nachhinein der Mitarbeiterin derart in den Rücken zu fallen ist schon ein starkes Stück.

  • Ariane 24. Mai 2015, 16:26

    Guter Artikel. Ich sehe das auch häufig so, dass der Grat zwischen berechtigter Empörung und Hysterie extrem schmal ist.
    Häufig ist das sicherlich auch irgendwie ein Selbstläufer, das sich dann irgendwie nicht mehr in „normalere“ Bahnen lenken lässt. Ich hab zb auch einen Link zum Westfalen-Blatt-Thema retweetet, ohne dass ich gleich eine Entlassung oder überhaupt Konsequenzen gefordert hätte. Gerade in diesem Fall sehe ich auch die Redaktion als Schuldige, die den Artikel gedruckt hat und auch zunächst wenig Anzeichen dafür sah, dass da irgendwas nicht in Ordnung ist und dann plötzlich die Psychologin als Bauernopfer nutzt und ihr damit die ganze Schuld hinschiebt. Das ist natürlich verrückt, die Redaktion kann sich da nicht aus der Verantwortung ziehen, genausowenig wie Sigmar Gabriel einfach als „Privatmann“ politische Veranstaltungen besuchen kann.

    Ich halte irgendwelche Forderungen nach Entlassungen oder ähnlichem auch generell nicht für zielführend, damit fördert man nur Abwehrhaltungen. Aber wie gesagt, das liegt auch gerade an den „höheren“ Verantwortlichen dafür zu sorgen, bei ein paar Tweets und Empörung nicht gleich in Panik zu verfallen. Zum Westfalen-Thema hab ich zb überhaupt keine Tweets mit Forderungen nach Entlassungen oder ähnlichem wahrgenommen.

  • Wolf-Dieter 25. Mai 2015, 11:43

    Ich darf mal in den Krümeln suchen:

    Die Wortherkunft des Zigeunerschnitzel lässt sich zwanglos deuten als: Schnitzel nach Zigeuner Art. Irgendwelche anthropophage Hineindeutungen sind Kappes. Das Zigeunerschnitzel darf bleiben!

    Und, um von den Krümeln weg, hin zum Grundsatz:

    Ich bin ein strikter Gegner von „politisch korrekter Spreche“. Einerseits hirnverbrannt (mir fällt kein Grund ein, was am Wort „Neger“ abschätzig sein sollte, andererseits wird Pippi Langstrumpfs Vater vom fröhlich-anarchischen Negerkönig zum geopolitisch korrekten Südseekönig umgedingst. Warum eigentlich konsequent Südseeministerpräsident? Der Feudalismus sollte doch überholt sein?)

    Andererseits begebe ich mich mit Ablehnung von solch „bösen Wörtern“ eines preisgünstigen Mittels, einen politischen Bösewicht zu identifizieren.

    (Mit allem gebotenen Respekt.)

  • Ariane 25. Mai 2015, 19:55

    @Wolf-Dieter

    Es ist doch eigentlich ganz einfach: Sprache kann abwertend sein und ist es auch oft. Frauen werden heute ja auch nicht mehr Weib genannt.

    Und es tut niemandem weh statt Neger Schwarzer zu sagen oder Salsaschnitzel statt Zigeunerschnitzel. Es fühlen sich aber Menschen verletzt und herabgesetzt, bei Neger und Zigeuner. Also nehmen wir doch lieber das, was niemandem wehtut, so einfach.
    Das ist halt ein Prozess und der wird ne Weile dauern, aber ich bin ziemlich sicher, dass Neger zb ziemlich bald komplett aus dem aktiven Wortschatz verschwindet. Passiert auch neutralen Wörtern wie Klosett und keiner weint deswegen.

    • Der Mitleser 26. Mai 2015, 06:34

      > Und es tut niemandem weh statt Neger Schwarzer zu sagen oder Salsaschnitzel statt Zigeunerschnitzel. Es fühlen sich aber Menschen verletzt und herabgesetzt, bei Neger und Zigeuner. Also nehmen wir doch lieber das, was niemandem wehtut, so einfach.

      Zwei Punkte:

      1. Unterstellt, dass du weder Sinti- oder Roma- noch afrikanische Wurzeln hast, mit welcher Begründung eignest du dir das stellvertretende Empörtsein für andere Menschen an? Zumal gerade die leidige Diskussion um die korrekte Bezeichnung toter Schweine in Paprikasoße auch innerhalb des Betroffenenkreises ziemlich differenziert geführt wird: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/zigeunersossen-streit-interview-mit-silvio-peritore-a-916760.html

      Diese Neuinterpretierung der Bürde des weißen Mannes als Patronat der sprachlich malträtierten, aber selbst als hilflos und unselbstständig wahrgenommenen Minderheiten, halte ich für den unangenehmsten Aspekt in dieser ganzen Debatte.

      2. Ist das auch so „einfach“ mit den bösen Bezeichnungen, wenn wir mal die großen Reizthemen Sexismus, Rassismus, Homophobie verlassen und uns bspw. mit Fatshaming, Kinshaming, Kinkshaming auseinander setzen? Ist die (auch versehentliche) Benutzung falscher Pronomen bei der Anrede einer genderfluiden Person nicht oder weniger herabwürdigend? Und welchen Hohepriesten der Sprachinterpretation muss ich die Auslegung überlassen, ab wann der Wehtuh-Faktor von Worten die Benutzbarkeit eben dieser verbittet. Persönlich würde ich mich nämlich schwer damit tun, das dem Mob in Twitter anzvertrauen…

      Btw. da sich die Zubereitung einer Salsa dann doch grundlegend von der einer Zigeunersoße unterscheidet, wenn wir mal das Fertigzeug in den Supermarktregalen außen vor lassen, empöre ich mich mal vorbeugend im Namen aller Spanier ob dieser ungerechtfertigten kulturellen Aneignung. 😛

      • In Dubio 26. Mai 2015, 09:04

        Letzte Woche hatte ich eine Reihe von Negerküssen vertilgt. Nein, es waren keine Schaumküsse. Und mein Italiener hat immer noch das Zigeunerschnitzel im Angebot. Salsa würden die meisten wohl nicht verstehen.

        Wieso versehen Sie Ihre Annahmen eigentlich nicht mit einem Fragezeichen? Woher wissen Sie, dass sich ein paar Sinti und Roma durch den Begriff „Zigeunerschnitzel“ verletzt fühlen könnten? Weil deren Verbände das so sagen?

        Bei politischen Auseinandersetzungen wird der Begriff „Neoliberaler“ abwertend benutzt. Tilgen wir das jetzt aus unserem Sprachgebrauch? Ich bin ein Chauvinist – eigentlich doch auch total abwertend. Was sagen wir nun zu Leuten wie mir? Wollen Sie mich beleidigen?!

  • Wolf-Dieter 25. Mai 2015, 21:27

    Doch, Ariane. Mir tut es weh. Die deutsche Sprache hat bei richtigem Einsatz den nötigen Wumms. Sie macht Spaß. Sie hat die Potenz, die Welt zu erklären. Das wird hier kaputt gemacht.

  • Ariane 26. Mai 2015, 08:45

    Wir diskutieren jetzt nicht wirklich ernsthaft darüber, ob Neger ein abwertender Begriff ist oder? Oo Oder ob der Schmerz Negerkönig heute nicht mehr ohne Protest sagen zu dürfen vergleichbar dem der Herabsetzung ist?

    @Mitleser
    1. Nein ich gehöre zu keiner dieser Gruppen, außer die der Frauen und ich möchte mich auch nicht Weib nennen lassen. Außerdem habe ich mehrere Schwarze in der Familie, falls das irgendwas zählt. ^^
    Außerdem halte ich diese critical whiteness-Diskussion in einigen Punkten für fragwürdig. Auch als weiße heterosexuelle Europäerin kann ich doch Rassismus und rassistische Sprache ablehnen ohne gleich alle Menschen afrikanischer Abstammung damit irgendwie als unselbständig wahrzunehmen. Es gehört nun mal zur Empathiefähigkeit des Menschen und einer Gesellschaft, auch betroffen zu sein, wenn man selbst nicht herabgesetzt wird.

    2. Das ist es doch. Es gibt keine Hohepriester der Sprachinterpretation und Twitter ist es auch nicht. So etwas ist ein gesellschaftlicher Prozess, im Laufe der Zeit fällt auf, dass Neger, Zigeuner, Schwuchtel, Weib usw abwertend und herabsetzend gebraucht werden. Also wechselt man zu anderen, neutralen Begriffen. Erst vielleicht nur einige „Gutmenschen“ und Gleichstellungsbeauftragte, aber irgendwann, irgendwie geht es weiter und setzt sich immer mehr durch und dadurch, dass Neger, Zigeuner usw aus dem aktiven Wortschatz langsam verschwinden, verstärkt sich die Herabsetzung. Wer sagt denn heute noch neutral Neger oder Schwuchtel?
    Und ja das wird sicherlich weitergehen und im Laufe der Zeit auch noch ganz andere Themen betreffen, die wir heute noch gar nicht auf dem Schirm haben. „Fett“ zb wird vermutlich auch diesen Weg gehen, in Beziehung zu Menschen wird das nämlich auch fast ausschließlich als Schimpfwort und abwertend genutzt und wenn man höflich oder political correct ist, nimmt man einen anderen Begriff 😉
    Und ja, das ist mitunter furchtbar anstrengend, weil das nun mal über Empörung „Der sagt Neger“ und Gegenempörung „Die beschweren sich über meine Sprache“ abläuft, aber anders geht es wohl nicht.

    • Wolf-Dieter 26. Mai 2015, 10:47

      @Ariane – Zum Einen. Ich sehe in der Bezeichnung „Neger“ wirklich keine Herabsetzung; z. B. Goethe hat das Wort verwendet. Im Unterschied dazu würdigt das amerikanische „Nigger“ explizit herab. (Die USA sind die „Erfinder“ des Rassismus. Und zwar Buchstäblich. Evtl. steht im Geschichtsblog was dazu, hab ich grad nicht präsent.)

      Zum Anderen. Falls es und Anstand geht (ein Thema, das mir wichtig ist): die Umlackierung im Wortgebrauch ist ein untaugliches Mittel. Und unwürdig obendrein.

    • Der Mitleser 26. Mai 2015, 12:29

      > Nein ich gehöre zu keiner dieser Gruppen, außer die der Frauen und ich möchte mich auch nicht Weib nennen lassen.

      Was mir da halt fehlt ist die Ableitung vom individuellen Wunsch „Ariane möchte nicht Weib genannt werden“ zum universalen Anspruch „keine Frau darf (darf möchten) Weib genannt (zu) werden“ und ab welchem Verhältnis sich daraus eine gesellschaftliche Regel konstruieren lässt, die dann ja auch noch wirksam durchgesetzt werden muss.

      > Außerdem habe ich mehrere Schwarze in der Familie, falls das irgendwas zählt. ^^

      Kommt darauf an: Essen die Zigeunerschnitzel? 😉

      > Außerdem halte ich diese critical whiteness-Diskussion in einigen Punkten für fragwürdig. Auch als weiße heterosexuelle Europäerin kann ich doch Rassismus und rassistische Sprache ablehnen ohne gleich alle Menschen afrikanischer Abstammung damit irgendwie als unselbständig wahrzunehmen.

      Ich glaube, mit critical whiteness ist meine Position nicht wirklich vereinbar, schließlich argumentiere ich hier, dass gesprochener (!) Rassismus/Sexismus/Whateverismus in der Regel von einer offenen Gesellschaft hingenommen werden muss. Da kenne ich jetzt aber einige (selbst)kritische Weiße, die bei der Vorstellung einen mittleren Herzanfall bekommen würden…

      Ich sehe darüber Hinaus einen qualitativen Unterschied zwischen „rassistische Sprache ablehnen“, was ich jetzt als „für mich ablehnen“ auslege, und sich über „rassistische Sprache empören“, was dann im Zweifelsfall daraus hinaus läuft, dem stumpfen Nazi an seinem stumpfen Nazistammtisch (oder neuerdings auf seinem stumpfen Nazitwitterchannel) das Maul verbieten zu wollen.

      > Es gehört nun mal zur Empathiefähigkeit des Menschen und einer Gesellschaft, auch betroffen zu sein, wenn man selbst nicht herabgesetzt wird.

      Das Problem ist, dass du deine empathische Einschätzung und Betroffenheit hier für das moralisch absolute Kriterium erklärst, von dem dann auch noch ein direkter gesellschaftlicher Handlungsauftrag abgeleitet werden muss. Man kann Fälle *istischer Sprache nicht nur aus der Leidensperspektive der Betroffenen beurteilen, sondern muss mindestens noch eine Abwägung über die Freiheitsrechte des Äußernden, sowie die Angemessenheit sozialer Konsequenzen vornehmen. Dies besonders dann, wenn – wie im absoluten Regelfall – noch nicht einmal Fragen der persönlichen Ehrverletzung im Raum stehen, sondern irgendwelche allgemeinen Statements abgesondert werden: „Die Neger klauen doch alle“; „Schwule sind pädophil“; oder auch: „Einmal Zigeunerschnitzel mit Pommes, bitte“.

      > So etwas ist ein gesellschaftlicher Prozess, im Laufe der Zeit fällt auf, dass Neger, Zigeuner, Schwuchtel, Weib usw abwertend und herabsetzend gebraucht werden. Also wechselt man zu anderen, neutralen Begriffen. Erst vielleicht nur einige “Gutmenschen” und Gleichstellungsbeauftragte, aber irgendwann, irgendwie geht es weiter und setzt sich immer mehr durch und dadurch, dass Neger, Zigeuner usw aus dem aktiven Wortschatz langsam verschwinden, verstärkt sich die Herabsetzung. Wer sagt denn heute noch neutral Neger oder Schwuchtel?

      Das finde ich jetzt ja fast ein bisschen niedlich. Coole Social Bubble die du da hast, lass mich raten: Akademischer Hintergrund, mindestens mittleres bis gehobenes Einkommensniveau, wenig Kontakt mit der Unterschicht? „Neutrale“ Sprache, die mit *ismen durchsetzt ist, hat auch eine Klassendimension, die in der ganzen Diskussion immer geflissentlich unter den Tisch gekehrt wird. Wobei „neutral“ hier klar mit „problemindifferent“ eingegrenzt werden muss; eine Abwertung des Anderen, Fremden, sozial Andersartigen schwingt in allen Begriffen mit, über die wir uns hier unterhalten. Sprachsanitisierung ist natürlich ein Elitenprojekt, da sollten wir uns nichts vor machen (auch wenn ich es manchmal gehässigerweise das „Social Engineering des kleinen Mannes“ nenne).

      > Und ja das wird sicherlich weitergehen und im Laufe der Zeit auch noch ganz andere Themen betreffen, die wir heute noch gar nicht auf dem Schirm haben. “Fett” zb wird vermutlich auch diesen Weg gehen, in Beziehung zu Menschen wird das nämlich auch fast ausschließlich als Schimpfwort und abwertend genutzt und wenn man höflich oder political correct ist, nimmt man einen anderen Begriff 😉

      Ich sehe halt nicht, wie diese konsequente Verbannung doppelplus-unguter Wörter aus dem Diskurs in etwas anderem münden soll, als in einer konfliktunfähigen Gesellschaft und habe diese Safe Spaces voller Plüschhasen und Play-Doh an amerikanischen Unis vor Augen. Auf der anderen Seite bin ich optimistisch, dass der momentane Zustand der Dauerempörung nur in gesellschaftlicher Ermüdung und Resistenz enden kann. Interessant finde ich im Übrigen deine Gleichsetzung von Höflichkeit mit Political Correctness, bekräftigt es mich doch in meiner Vermutung, dass sich die moralische Linke nur in der Auswahl und Begründung ihr nicht genehmer Sprache von konservativen Bewegungen unterscheidet.

      > Und ja, das ist mitunter furchtbar anstrengend, weil das nun mal über Empörung “Der sagt Neger” und Gegenempörung “Die beschweren sich über meine Sprache” abläuft, aber anders geht es wohl nicht.

      Die Frage ist, was das Erreichen von PC-Zielen wert ist. Zehn Kündigungen? Zwanzig entwürdigende, öffentliche Entschuldigungen für eine getwitterte Privatmeinung? Ich hatte weiter oben schon geschrieben, dass ich abseits von Social Shaming, also dem gewaltsamen Aufzwingen eines neuen Konformismus, kaum Möglichkeiten sehe, das Projekt effizient voran zu treiben. Und die Rückkehr in die prä-individuelle Gesellschaft scheint mir dann doch ein recht hoher Preis für eine saubere Sprache zu sein.

  • Stefan Sasse 26. Mai 2015, 12:25

    „Ich sehe in der Bezeichnung “Neger” wirklich keine Herabsetzung; z. B. Goethe hat das Wort verwendet.“

    Sorry, aber das Argument ist total plemplem. Davon einmal abgesehen – bezeichne einfach mal jeden Schwarzen, dem du begegnest, als Neger und schau wie lang es dauert bis sich einer von denen herabgesetzt fühlt. Ich würde annehmen dass du mit Glück bis zum zweiten Versuch kommst.

    • Wolf-Dieter 26. Mai 2015, 17:01

      Bei Widerspruch hätte ich eine qualifizerte Begründung erwartet wie z. B. bei meiner Erwähnung des „Nigger“ weiter oben. Die Disqualifizierung „plemplem“ ohne nähere Erläuterung überrascht. Wenn ich konkret widerspreche, bemühe ich stets irgendwelche Gründe, anstelle mich auf (offensichtlich fehlenden) Konsens zu berufen. Auch auf die Gefahr hin, zu irren.

      Im Alltagsbetrieb bevorzuge ich übrigens in der Tat „Schwarzer“. Element meiner Sprachkompetenz. Mir geht es um die allgemeine Ächtung des Begriffs Neger. Das ist – solange du deinen Standpunkt nicht begründest – Willkür.

      (Mit allem Respekt.)

      • Ariane 26. Mai 2015, 17:03

        Ähm und dass Goethe vor ein paar hundert Jahren den Begriff Neger verwendet hat, ist eine qualifizierte Begründung dafür, dass Neger auch heute auf keinen Fall abwertend gemeint sein kann?

        • Wolf-Dieter 26. Mai 2015, 19:36

          Nein, andersrum, Ariane. Wenn ein bis dato neutraler Begriff nunmehr negativ konnotiert ist, sollte es einen (stichhaltigen!) Grund geben. Nenne ihn, und ich füge mich der Logik.

    • Wolf-Dieter 27. Mai 2015, 10:42

      Am besten Bescheid weiß der Betroffene Marius Jung. Siehe sein Handbuch für Negerfreunde. Marius Jung ist ein Schwarzer (Neger).

  • Ariane 26. Mai 2015, 14:31

    @Mitleser

    -> Was mir da halt fehlt ist die Ableitung vom individuellen Wunsch “Ariane möchte nicht Weib genannt werden” zum universalen Anspruch “keine Frau darf (darf möchten) Weib genannt (zu) werden” und ab welchem Verhältnis sich daraus eine gesellschaftliche Regel konstruieren lässt, die dann ja auch noch wirksam durchgesetzt werden muss.

    Ich schätze das könnte nur ein extra Wissenschaftler erklären. Das ist nun mal ein Prozess, es gibt kein bestimmbares Datum, ab wann ein Begriff so abwertend ist, dass er aus dem Sprachgebrauch nach und nach herausfällt. Und es handelt sich ja auch nicht um festgeschriebene Regeln, die irgendwie von oben durchgesetzt werden müssten. Die öffentlichen Medien haben vor hundert Jahren noch Neger geschrieben und sind davon irgendwann von selbst abgekommen.

    -> sondern muss mindestens noch eine Abwägung über die Freiheitsrechte des Äußernden, sowie die Angemessenheit sozialer Konsequenzen vornehmen –

    Ich glaube, du hängst das teilweise zu hoch. Es geht überhaupt nicht um Freiheitsrechte. Jeder darf von Negern, Zigeunern, Schwuchteln oder sonstwas sprechen, ohne eine Anzeige zu bekommen.
    Es gehört aber nun mal auch zu den Freiheitsrechten, diese Begriffe abzulehnen, ja sogar seiner Empörung Ausdruck zu verleihen. Das muss man genauso hinnehmen.
    Mit den sozialen Konsequenzen ist es ein zweischneidiges Schwert. Das schreibt Stefan ja auch in seinem Artikel und ich stimme dem ausdrücklich zu. Allerdings hätte man sicherlich Schwierigkeiten als Journalist oder Politiker zu arbeiten, wenn man darauf besteht von Negern und Schwuchteln zu schreiben anstatt neutrale Begriffe zu verwenden. Das ist vielleicht auch zweischneidig, aber es gehört nun mal auch zu den Freiheitsrechten von Zeitungen, solche Ausdrücke eben nicht gedruckt sehen zu wollen.

    -> Das finde ich jetzt ja fast ein bisschen niedlich. Coole Social Bubble die du da hast, lass mich raten: Akademischer Hintergrund, mindestens mittleres bis gehobenes Einkommensniveau, wenig Kontakt mit der Unterschicht?

    Nein ganz falsch. Studium abgebrochen (und es war nicht Genderzeugs, sondern Geschichte), unteres Einkommensniveau, Kontakte von Unterschicht bis gehobene Mittelschicht. Aber ich habe in meiner Familie und Freundeskreis einige Schwarze oder Homosexuelle, deswegen gehe ich davon aus, dass mein Umfeld sensibilisierter ist als andere Bubbles. Leute die unbeschwert von Negern und Schwuchteln sprechen, kämen da auch nicht unbedingt rein^^ Aber es ist definitiv ein Trugschluss, dass nur Leute mit Diplom auf abwertende Begriffe verzichten.
    Es macht imo unheimlich viel aus, wieviel Kontakt man zu Personen hat, die betroffen sind. In meiner Familie zb taten sich gerade die älteren Generationen erstmal schwer damit, aber jetzt ist das kein Problem mehr, auch mit 84 und ohne Schulabschluss. 😉
    Das funktioniert aber nur mit Offenheit bei allen Beteiligten. Offenheit dazu, einen Menschen aus dem Senegal zu heiraten und ihn ganz normal in die Familie einzuführen, Offenheit, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen und der Offenheit der anderen, das zu akzeptieren und das ist leichter, wenn keine Diskriminierung zu befürchten ist 😉

    -> Ich sehe halt nicht, wie diese konsequente Verbannung doppelplus-unguter Wörter aus dem Diskurs in etwas anderem münden soll, als in einer konfliktunfähigen Gesellschaft
    Es gibt doch genug Konflikte um diesen Sachverhalt? Wir streiten ja sogar noch um das Wort Neger, obwohl ich mit 30 schon damit aufgewachsen bin, dass das ein abwertender Begriff ist, also ein Uralt-Thema.
    Ich glaube, was man halt gerade bei Social Media gerade Twitter sieht, sind die hysterischen Spitzen und das auch nicht von allen. Bei der Westfalenblatt-Sache war ich auch nicht empört und habe irgendwas gefordert, gut fand ichs trotzdem nicht. Den meisten Menschen ists auch total egal. Die Extreme fallen halt deutlicher auf und das auf beiden Seiten. Mir ist die Dauerempörung auch zu anstrengend. Aber ich glaube, so funktioniert das nun mal, wir kriegen es jetzt nur viel mehr mit. Der Spruch von Lübke „meine Damen und Herren, liebe Neger“ hat sich ja auch gehalten und das war lange vor meiner Geburt, da gabs vermutlich auch schon Empörung.

    Und meine ehrliche Meinung: So läuft das nun mal. Das sind alles Spezialthemen, aber Veränderung findet nur über Empörung statt, ob das nun Sklaverei, Apartheid, Umweltverschmutzung, Homosexuellenrechte oder sonstwas ist. Sieh dir die Welt vor 50 Jahren an und überleg, was heute anders ist. Fast alles ist darauf zurückzuführen, dass sich die Menschen über etwas empört haben 😉

    • Der Mitleser 26. Mai 2015, 20:11

      > Das ist nun mal ein Prozess, es gibt kein bestimmbares Datum, ab wann ein Begriff so abwertend ist, dass er aus dem Sprachgebrauch nach und nach herausfällt. Und es handelt sich ja auch nicht um festgeschriebene Regeln, die irgendwie von oben durchgesetzt werden müssten. Die öffentlichen Medien haben vor hundert Jahren noch Neger geschrieben und sind davon irgendwann von selbst abgekommen.

      Nur weil der Begriff Neger in der medialen Diskussion unsichtbar geworden ist, kann daraus kein weitgehendes Verschwinden in der Gesamtgesellschaft geschlossen werden. Die Verwendung findet schlicht nicht mehr in der wahrgenommenen Öffentlichkeit statt. Ob das jetzt wirklich einen Gewinn und nicht eher die Drei-Affen-Lösung darstellt, sei jetzt mal dahingestellt.

      > Ich glaube, du hängst das teilweise zu hoch. Es geht überhaupt nicht um Freiheitsrechte. Jeder darf von Negern, Zigeunern, Schwuchteln oder sonstwas sprechen, ohne eine Anzeige zu bekommen.

      Diesen Rückzug auf das absolute rechtsstaatliche Minimum finde ich in Zeiten von Social Media ein wenig kurz gegriffen. Der öffentliche Raum ist im Internet nun einmal fast ausschließlich in privater Hand, da bedarf es eines gewissen Selbstantriebs zur Durchsetzung von Meinungsfreiheit, auch und gerade derjenigen Meinungen, die man selbst nicht vertreten kann. Das ist einfach etwas, was ich als Teil des emanzipiert-bürgerlichen Selbstverständnisses verstehe; der Citoyen in Abgrenzung zum Citizen. Die Freiheit, für das Schreiben von abstoßenden Zeug nicht direkt im Knast zu landen, ist halt nicht besonders viel Wert, wenn dafür der Orden der aufrichtig Empörten für die Sperre des Accounts sorgt und ggf. noch beim Chef anruft.

      Ich finde es bezeichnend, dass Sasse im Artikel von „zu bekämpfenden Problemen“ spricht und eine deutliche „Abwehrreaktion der Gesellschaft“ fordert und sich anschließend wundert, dass manche Mitstreiter diesen Gedankengang zum konsequenten, logischen Ende führen.

      In Empörung, so gerechtfertigt sie auch sein mag, schwingt halt per definitionem immer eine gewisse Mobmentalität mit, in der sich zumeist die lautesten Schreihälse mit den extremsten Forderungen profilieren und durchsetzen können, und damit ist kein ziviler Diskurs zu machen.

      > Aber ich habe in meiner Familie und Freundeskreis einige Schwarze oder Homosexuelle, deswegen gehe ich davon aus, dass mein Umfeld sensibilisierter ist als andere Bubbles.

      Das würde ich auch vermuten, oder ich habe wirklich Kontakt zu extremen Umfeldern. Mal gucken, ob es da irgendwelche Statistiken zu gibt. Obwohl die Untersuchung von Unterschichtenrassismus- und homophobie heute wahrscheinlich politisch gar nicht mehr zu machen ist…

      > Aber es ist definitiv ein Trugschluss, dass nur Leute mit Diplom auf abwertende Begriffe verzichten.

      Selbst die fahren meiner Erfahrung nach eher zweisprachig: In der Öffentlichkeit wird dann von Jugendlichen südländischer Herkunft gesprochen, im Privaten über Türkenkinder hergezogen. Da bildet sich dann halt so eine Art Chiffrensprache für die Eingeweihten heraus, deren gesellschaftlichen Mehrwert ich jetzt nicht wirklich erkennen kann. Wenn rassistische Begriffe identifiziert und ausgesondert werden, verschwindet ja nicht der Rassismus, seine Vertreter müssen sich nur neue Umschreibungen ausdenken.

      > Das sind alles Spezialthemen, aber Veränderung findet nur über Empörung statt, ob das nun Sklaverei, Apartheid, Umweltverschmutzung, Homosexuellenrechte oder sonstwas ist. Sieh dir die Welt vor 50 Jahren an und überleg, was heute anders ist. Fast alles ist darauf zurückzuführen, dass sich die Menschen über etwas empört haben 😉

      Deine Beispiele haben alle etwas gemeinsam, was sie von unserer Diskussion unterscheidet: Unrecht der Handlung, nicht des Wortes. Einen Sklaven zu halten, ist etwas völlig anderes, als sich für die Sklaverei einzusetzen. Und sich da jetzt historisch in die Ahnengalerie der progressiven Bewegung einreihen zu wollen, halte ich für vermessen. Meinungsfreiheit ist unbedingte Grundlage sozialen Fortschritts und kann nicht durch erzwungenen Konformismus emuliert werden.

      • Ariane 27. Mai 2015, 22:05

        -> Die Verwendung findet schlicht nicht mehr in der wahrgenommenen Öffentlichkeit statt. Ob das jetzt wirklich einen Gewinn und nicht eher die Drei-Affen-Lösung darstellt, sei jetzt mal dahingestellt.

        Hm ja, aber ich glaube wirklich, dass der Begriff weitgehend verschwinden wird. Als reines Schimpfwort wird er sicherlich erhalten bleiben und kA in rechtsextremen Kreisen wahrscheinlich auch. Aber zb beim Begriff Neger geht die Debatte ja schon relativ lange. Aus der Öffentlichkeit ist der Begriff schon verschwunden und ich (85 geboren) bin schon als Kleinkind damit aufgewachsen, dass „man das nicht sagt“ Imo: noch eine Generation obendrauf und der Begriff ist wirklich nur noch reines Schimpfwort. Und klar, damit ist nicht gleich der Rassismus aus der Welt, sagt ja auch keiner.

        -> Diesen Rückzug auf das absolute rechtsstaatliche Minimum finde ich in Zeiten von Social Media ein wenig kurz gegriffen

        Hm ja, da hast du recht. Auch legale Meinungen unterliegen sicherlich einem Konformismusdruck. Das dumme ist: soviel kann man schlecht dagegen tun, ansonsten müsste man es ja wiederum iwie „verbieten“, dass die Gegenseite ihre Ablehnung oder Empörung schriftlich/verbal ausdrücken kann.
        Ich glaube, das ist nicht wirklich etwas Neues, ob man nun in einem kleinen Dorf wohnt oder am Arbeitsplatz/Familie/Bekannte -> auch da unterliegt man einem Konformismusdruck, der bei Nichteinhaltung zu negativen Konsequenzen führen kann. Der Unterschied mit dem Internet ist jetzt nur, dass sich das plötzlich in einer teils riesigen Gruppe abspielt, in dem auch noch zig unterschiedliche Weltbilder aufeinander prallen. Mal sehen, wie sich das entwickelt, kann natürlich sein, dass sich das mit der Zeit auch stärker in Bubbles aufteilt. Wenn in der jungen Freiheit Rassismus und Homophobie vorkommen, gibts ja auch weniger Aufruhr als wenn das im Westfalenblatt passiert.

        -> Deine Beispiele haben alle etwas gemeinsam, was sie von unserer Diskussion unterscheidet: Unrecht der Handlung, nicht des Wortes.

        Nein, da würde ich widersprechen. Wir haben uns jetzt vielleicht zu sehr auf Begriffe konzentriert, aber der Anlass für Stefans Artikel war ja der Rat im Westfalenblatt. Da ging es bei der Empörung ja um Homophobie ohne homophobe Begriffe. Aber wenn jetzt zb der Spiegel plötzlich wieder schreiben würde, dass der Neger von der FIFA festgenommen wurde, gäbe es sicherlich rein um den Begriff auch Empörung (imo zu Recht). Aber das hat halt mit der Begriffshistorie zu tun, weil heutzutage nun einmal Neger einfach ein Schimpfwort ist. (meinetwegen für alle Menschen außer Wolf-Dieter).
        Also so einfach dies ist gut und das ist schlecht, darf man sich das meiner Meinung nach nicht machen.

  • Wolf-Dieter 27. Mai 2015, 06:05

    Nachtrag zum Streit um Wertigkeit des Begriffs Neger:

    Über das unsterbliche Lübke-Zitat ¨Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger¨ wurde in D herzlich gelacht. Objekt der Heiterkeit waren keinesfalls die ¨Neger¨, sondern der außer allgemein unfähig auch offensichtlich medizinisch demente Bundespräsident.

    Analysieren wir den Anlass des Gelächters, also den Spruch. Durch die separate Nennung der Neger zählen sie nicht zu Damen oder Herren: eine Fehlleistung bei der Kategorie-Bildung.

    Dass Schwarze – hier: ¨Neger¨ – normale Menschen sind, ist den Nachkriegsdeutschen in Fleisch und Blut übergegangen. – Dass der ¨Neger¨ im Alltagsgebrauch allmählich verschwand, ist so unerheblich wie das Verschwinden des eigentlich großartigen Begriffs ¨knorke¨.

  • CitizenK 1. Juni 2015, 13:12

    Im Titel des Beitrags geht es um das „Arbeitsrecht“. Eine Kündigung aufgrund eines „shitstorms“ kann doch von einem Arbeitsgericht überprüft werden, oder?

    @ Wolf-Dieter

    So oft ich Deine Meinung teile: Die Bedeutung von Begriffen wandelt sich, rein deskriptiv gebrauchte können zu abwertenden, beleidigenden werden. Beispiele: Magd, Krüppel, Vasall usw.

    Wenn Betroffene sich dann herabgesetzt fühlen (Neger, Zigeuner), sollte man das respektieren. Wörter in Kindergeschichten wie Pippi Langstrumpf oder in Märchen zu neutralisieren, finde ich allerdings auch kindisch.

  • techniknoergler 11. Juli 2015, 16:40

    Also ich finde die Überreaktionen ganz in Ordnung. Eigentlich ein Zeichen, wie unsicher die social justice warrior sind.

    Für den einzelnen Betroffenen natürlich blöd, aber um so schneller ist der aktuelle Spuk auch vorbei, da sich jede Hexenjagd irgendwann ausläuft. Und nachdem man sie einmal hatte, will sie auch niemand wieder wirklich zurück. (Natürlich kann dann eine neue, andere Form von Hexenjagd mit anderem Inhalt aufkommen, aber diese spezielle Variante ist dann Geschichte). Sieht man an den historischen Hexenjagden des Mittelalters: Nachdem ein Dorf eine solche Hysterie und justizielle Säuberung der eigenen Gemeinschaft von Hexen mitgemacht hatte, wollte man das Experiment auf Generationen(!) nicht wiederholen.

    Tükischer ist da schon die „Mitgefühl“ zeigende Inquisition, die Ketzern eine zweite Chance gibt. Aber nur _eine_ zweite Chance, nach einem öffentlichen Eingeständnis („Entschuldigung“) der eigenen Fehler, Läuterung, Anerkennung der wahren Glaubenslehre, Reue, Buße und bei zukünftigem Tragen des Büßerhemdes. Wer Rückfällig wird, sich wieder der Sünde anheim gibt, obwohl man sich redlich bemühte ihm zu helfen seine Fehler zu erkennen und auf den rechten Fahrt zu einem tugendhaften Leben mit richtiger Geisteshaltung zu gelangen, den muss man zu seinem eigenen Wohle und zum Schutze der Gesellschaft durch finale Maßnahmen von Weiterem abhalten. Dies sehr effektive Form eine stabile, konformistische Gesellschaftsordnung zu etablieren kann Jahrhunderte halten und arbeitet viel Nachhaltiger.

    Das kluge Vertreter eines Zieles werden letzteres bevorzugen (versteht sich von selbst). Gleichzeitig sagt es eine Menge über den (aussetzenden) Verstand derjenigen, die ersteres, die Hexenjagd, bevorzugen.

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