Internet – warum bist du manchmal so kompliziert?

Ich liebe das Internet, es ist für mich die beste Erfindung seit dem Rad oder dem Telefon. Einen Großteil meiner Aktivitäten, die früher Aufwand oder Platz benötigten, habe ich mittlerweile ins Internet „ausgelagert“: Bankangelegenheiten, Einkaufen, lesen, mit Freunden kommunizieren, Serien gucken, Podcasts hören usw. Sprich, das Internet hat mein Leben bereichert und mir im Alltag durchaus mehr Komfort gegeben. Mittlerweile beschleicht mich aber das Gefühl, dass der „Komfort“ ein wenig auf der Strecke bleibt und die „unbegrenzten Möglichkeiten“ sogar zum Problem werden.

Ich gebe freiheraus zu: ich bin ein furchtbar fauler Internetbenutzer. Ich bin nicht die ganze Zeit im „Welt-retten-Modus“, sondern ich mag das Internet gerade, weil es so einfach und komfortabel ist. Aber mittlerweile stößt diese Komforbilität an ihre Grenzen.  

Nur ein paar kleine Beispiele, die mich manchmal furchtbar nerven:

1. Streaming-Dienste

Seit einigen Monaten habe ich einen neuen Monitor, endlich kann ich schön über das Internet auch Serien und Filme gucken, auch der Sound ist über meinen PC viel besser als am Fernsehen. Dummerweise kann man nicht wie im analogen Leben irgendwo einen Mitgliedsausweis beantragen und hat dann recht unbegrenzten Zugriff auf alles Mögliche. Nein, es gibt unterschiedliche Streamingdienste, Amazon bietet was an und Netflix ist jetzt auch in Deutschland und Watchever gibt es auch und bestimmt noch zehn andere Dienste. Alle mit unterschiedlichem Angebot, Preisen, zehn verschiedenen Konditionen und das halbe Internet ist voll mit Vergleichen, welcher Streaming-Dienst nun dies oder jenes anbietet. Und ganz ehrlich: Das nervt mich tierisch! Ich will da keine Wissenschaft draus machen und zwei Tage lang alles genau vergleichen, ich habe eine Entscheidungsschwäche! Leonhard Dubosch hat dieses Chaos mit der Bewilligkeitskultur auf Netzpolitik.org gut auf den Punkt gebracht.  Wieso geht das nicht einfacher?

2. Kostenloskultur im Internet, Stichwort Lesen

Ich bin ein Newsjunkie und Internetausleser. Ich lese die großen News-Seiten wie SpOn oder Zeit Online, dazu noch etliche Blogs und ganz viele Links, die mir zum Beispiel über Twitter in die Timeline gespült werden, online gucke ich sogar mal in meine Lokalzeitung um nachzusehen, was in meiner Gegend passiert. Das Internet hat mir da sozusagen eine neue Welt eröffnet, ich komme nicht aus einem hochbürgerlichen Bildungshaushalt, da lagen nie die großen, wichtigen Zeitungen auf dem Wohnzimmertisch. Und ich mag das Printformat von Zeitungen auch nicht, ich finde es total unhandlich und am Schluss hat man die Zeitung irgendwie zerfetzt und man bekommt sie nicht mal mehr ordentlich in den Müll. Durch das Internet hab ich das alles kostenlos und nah beieinander, es ist also viel einfacher.

Aber auch da tun sich wieder Probleme auf, das alles irgendwie zu ordnen, und das obwohl ich Feedly & Twitter habe. Ich habe zum Beispiel von den großen Seiten bestimmte Lieblingsautoren, Heribert Prantl von der SZ, Nils Minkmar von der FAZ, Stefan Kuzmany von SpOn und Mely Kilak, die ich vor kurzem bei der Zeit wiederentdeckt habe. Ich habe aber immer noch keine Möglichkeit entdeckt, nur Beiträge von meinen Lieblingsautoren zu abonnieren. Stattdessen muss ich ständig auf der Lauer liegen, die News-Seiten abklappern und gucken, ob einer von ihnen was neues geschrieben hat. Oder so wie bei Mely Kilak, die plötzlich irgendwo anders schreibt und die ich mühsam „wiederentdecken“ muss. Ein anderer Journalist, dessen Texte ich sehr schätze ist Yassin Musharbash, er betreibt ein eigenes Blog auf Zeit Online, radikale Ansichten. Das ist super, das kann ich nämlich eigens abonnieren. Aber wenn er einen allgemeinen Beitrag für die Zeit schreibt, kann ich das nicht, sondern bin darauf angewiesen, das irgendwie selbst zu finden. Und mit der Zeit und dem Anwachsen meiner „Lieblingsautorenliste“ geht mir das ebenfalls auf den Keks. Wieso bin ich irgendwie gezwungen,  Detektiv zu spielen, nur weil ich keinen Beitrag meiner Lieblingsautoren verpassen will? Wieso geht das nicht einfacher?

Dann zur Kostenloskultur. Ich muss gestehen, ich bin schon irgendwie eine Art „Schmarotzer“, ich lese das nämlich alles umsonst. Wie erwähnt, mag ich keine Printprodukte und ich mag auch keine nervige Werbung, also habe ich einen Adblocker. Und zwischendurch packt mich auch wirklich das schlechte Gewissen, schließlich konsumiere ich ja die ganzen Texte, die andere mühsam zusammenschreiben und ich wäre schon bereit, da einen Beitrag zu leisten. Also verschenke ich zwischendurch mal ein Buch an einen Blogger, oder aktiviere zwischendurch Flatter, bis mir das wieder zu blöd wird. Ich hab sogar zwischendurch mal den Versuch gemacht, ohne Adblocker zu leben, damit die Journalisten nicht verhungern, aber ich muss gestehen, das hab ich auch nicht lange durchgehalten. Ich stecke da also irgendwie in einer Art Dilemma und ich würde mich über eine große Lösung freuen.  Eine Art Internet-Gema, ich bezahle etwas mehr für meinen Router und das wird dann irgendwie verteilt. Aber diese ganzen kleinteiligen Lösungen finde ich absolut schrecklich, ich habe weder genug Geduld, Zeit, Nerven und Lust, mich damit soweit auseinanderzusetzen. Also wieder dieselbe Frage: Wieso geht das nicht einfacher?

„Wenn man sich mal damit beschäftigt..“

Eine beliebte Phrase, die einem häufig bei Internet-Alltagsproblemen begegnet. Zum Beispiel bei Twitter, ich liebe Twitter, aber meine Timeline ist total chaotisch und wirr, obwohl ich mit 109 Leuten gar nicht so vielen Accounts folge. Wenn ich mich mal ausführlicher mit Tweetdeck und Twitterlisten beschäftigen würde, könnte ich das bestimmt besser einstellen. Aber ganz ehrlich: ich möchte das gar nicht. Mich nervt das. Ich will nicht auf irgendein Zusatzprogramm angewiesen sein, ich will da auch nicht zig Listen hin und hersortieren. Also nehme ich meine wirre und chaotische Timeline einfach so hin.

Das gleiche Problem habe ich mit meinem Lesekonsum. Tag für Tag schleppe ich Links mit mir herum, die ich eigentlich unbedingt noch lesen muss, einen Teil davon lese ich am Wochenende mal weg, ein Teil wird irgendwann gelöscht, weil ich halt nicht alles lesen kann. Wenn ich mich mal zwei Tage hinsetzen würde und meine Lesezeichen, Feedly-Abonnements und meine Twitterliste sortieren würde, wäre das bestimmt alles komfortabler. Aber wer hat auf sowas schon Lust?

Das gleiche bekommt man zu hören, wenn es ums Ausspähen geht: Ja, wenn ich mich mal mit Verschlüsselung und TOR und IP verschleiern und dem ganzen Klimbim beschäftigen würde, könnte ich meine Internetaktivitäten in Fort Knox verwandeln. Aber ja, auch dafür bin ich ehrlich gesagt zu faul. Dann nehme ich es lieber in Kauf, dass die NSA vielleicht weiß, dass ich gestern eine E-Mail geschrieben habe.

Die moralische Komponente

Wie erwähnt ist meine Filterbubble im Internet recht chaotisch und unsortiert. Und es findet sich darin sehr viel Zeugs, das eine Art moralischen Druck aufbaut. Auf Netzpolitik.org werde ich zum Spenden aufgefordert, genau wie bei Wikipedia. Bei den Krautreportern soll ich einsteigen, damit sie den kaputten Onlinejournalismus reparieren und unabhängigen Journalismus betreiben können. Ich sollte lieber den Firefox als Chrome nehmen, um das freie Internet zu erhalten. Amazon ist sowieso grundsätzlich schlecht und böse. Genau wie Microsoft, Google und Facebook. Journalisten gehen pleite, kleine Blogger verhungern, nebenbei soll man natürlich ständigst irgendwelche Internetpetitionen für dieses und jenes unterzeichnen.

Und ich sehe auch durchaus ein, dass das alles wichtige Probleme sind und ich bin auch bereit, irgendwo meinen Beitrag zu leisten. Aber ich möchte auch durchaus mal das Internet ganz normal nutzen, ohne nebenbei für irgendwelche Weltrettungs-Aktionen verantwortlich zu sein.

Fazit

Das alles sind für sich genommen keine großen Probleme, die meisten würden sich sogar sehr einfach lösen zu lassen, wenn ich nur die Geduld aufbringen würde, mich eingehender mit etwas zu beschäftigen. Aber ich mag das Internet eben, weil es so einfach ist. Weil ich nicht zig Geräte für verschiedene Aktivitäten brauche, weil ich nicht in die Stadt muss, um verschiedene Geschäfte abzuklappern, usw.

Aber für mich persönlich stößt diese Einfachheit langsam an ihre Grenzen, weil aus zuvielen Dingen eigene Wissenschaften werden. Ich will nicht zwei Stunden lang vergleichen, welcher Streamingdienst der beste ist. Ich will auch nicht ständig Detektiv spielen, um keinen Beitrag meiner Lieblingsautoren zu verpassen. Ich will auch eigentlich nicht so eine chaotische Filterbubble haben, die mir 20 unterschiedliche Themen anspült, von denen mich vielleicht nur drei interessieren.

Gelegentlich möchte ich einfach nur in Ruhe surfen.

{ 11 comments… add one }
  • Robin S. 17. November 2014, 23:39

    Vielleicht gibt es eines Tages das Internet, das du die wünscht. Eines, das die Frage nach den eigenen Präferenzen (Streamingdienst) ersetzt durch die Auswertung von Daten. Das einen zentralisierten Ansatz der Finanzierung umsetzt. Das von alleine weiss, was du wann lesen willst. Dass jede Komplexität vor dem Nutzer versteckt. Eine solche Entwicklung schreit mir sogar sehr wahrscheinlich. Das wäre alles sehr einfach. Für mich eine uneingeschränkt Vorstellung.

  • Robin S. 17. November 2014, 23:40

    Uneingeschränkt dystopische Vorstellung

  • Wolf-Dieter 18. November 2014, 01:31

    Hab deinen Text vorläufig diagonalisiert (tl;dr). Werde später versuchen, gründlich zu lesen und zu verstehen. – Vorläufiges Fazit, das Internet kann viel, aber eins nicht: dir das Denken abnehmen.

  • Ariane 18. November 2014, 09:01

    Naja, ich will weder, dass mir das Internet das Denken abnimmt, noch dass es irgendwie vorausahnt, was ich will. (Das funktioniert meiner Meinung nach sowieso nie)
    Aber unnötige Komplexitäten nerven mich nun mal, wie das mit den Lieblingsautoren. Oder diese Kleinteiligkeit, wenn es um Bezahlsysteme und Rechte geht. Ich verstehe schon, warum es so schwierig ist und ich hab auch spontan keine Lösung parat und leider auch keine Programmierkenntnisse, um irgendwie meinen Lieblingsautoren automatisch zu folgen.
    Und ich beschäftige mich ja schon damit, sonst wäre der Blogpost ja nicht entstanden, aber ich denke, es hat eben schon seinen Grund, warum für viele das Internet meistens nur Google und Facebook ist und das liegt u.a. in unnötiger Komplexität.

  • Robin S. 18. November 2014, 16:18

    Du willst wissen, welcher Streamingdienst der beste ist, ohne dich damit zu beschäftigen. Das bedeutet aber entweder, dass Du die Entscheidung auslagerst, sie jemand anderes für dich trifft, oder dass die Angebotsstruktur sich so verändert das die Entscheidung nicht mehr notwendig ist, was im Prinzip Heisst das es nur noch einen zentralen Dienst gibt. Beides halte ich für problematisch. Wann immer du Entscheidungskompetenz abgibst, verlierst du ein Stück weit Kontrolle. Und zentrale Dienste kann man nutzen, das tolle am Internet ist für mich aber gerade der zugrundeliegende dezentrale Ansatz (der seit einigen Jahren ziemlich unter die Räder gekommen ist). Die Einfachheit, dir du willst, ist die Sache nicht wert.

    Btw. Kennst du getpocket.com oder readability.com?

    • Ariane 18. November 2014, 22:40

      Nein, ich will eben nicht noch mehr Hinweise darauf, welcher Streamingdienst der beste ist. Davon gibts ja schon viele, ich hab das nämlich nen halben Tag abgegrast und verglichen, wer was hat und hundert Tipps gelesen, welcher dann der beste ist. Also das letzte, was ich möchte, ist, dass da noch mehr Tipps dazu kommen^^
      Aber ja, ich hätte schon gerne eine vereinfachte Rechtsstruktur (siehe den Link zu Netzpolitik, der das mit Analogvideotheken vergleicht und es gibt in Deutschland ja auch nicht nur eine zentrale Videothek)
      Dadurch dass jeder Streamingdienst einzeln mit den Rechteinhabern verhandeln muss, kommt es ja überhaupt erst zu diesem Kuddelmuddel. Das ist für mich als Kunde scheiße (nicht nur, weil ich daraus eine Wissenschaft machen muss), sondern weil es keinen Anbieter gibt, der alle meine Lieblingssachen hat. Und es ist auch überhaupt nicht demokratisch, weil es natürlich einen riesigen Unterschied macht, ob Amazon oder Google bei den Rechteinhabern an die Tür klopfen oder ein neues Unternehmen, das noch kein Schwein kennt. Eine generelle Lösung wäre also sowohl für die Kunden als auch für die Dezentralisierung des Internets ein Gewinn. Und nicht zu vergessen, diese „Lebenserleichterung“, die ich mir mit dem Streamingdienst machen wollte, greift nur zum Teil, ich brauch ja entweder noch einen weiteren Streamingdienst oder muss doch weitere DVD-Packungen ansammeln und auf meinem Uraltfernseher gucken. :/
      Und das nervt mich tierisch (hier könnte noch ein ganzer Rant über Ebooks dazu stehen) und das hat auch nichts mit „oh ich will nicht selbst denken“ oder „ich hätte gerne eine zentrale Internetstelle“ zu tun, sondern mit Dingen, die eigentlich geile Erfindungen sind, momentan aber noch so verbockt sind, dass man sie nicht vollauf nutzen kann.

      Getpocket kannte ich übrigens noch nicht, danke für den Tipp. Schau ich mir gleich mal an 🙂

  • Alex 19. November 2014, 07:30

    Bei der FAZ kann man die Artikel einzelner Autoren als RSS abonnieren.

    Vorgehensweise ( http://www.faz.net/faz-net-services/mobil/rss-feed-nichts-verpassen-mit-den-rss-angeboten-von-faz-net-11124617.html ):

    1. Wählen Sie auf der Redaktionsseite Ihren Lieblingsautor aus.
    2. Fügen Sie der URL ein „/rss“ zu wie im Bild beschrieben und klicken Sie die Enter-Taste.
    3. Nun sehen Sie den RSS-Feed in Ihrem Browser und können ihn in Ihrem Feedreader abonnieren.“

    Für Nils Minkmar also:

    http://www.faz.net/rss/redaktion/nils-minkmar-11104351.html

  • Stefan Sasse 19. November 2014, 07:59

    @Alex: Danke.
    @Ariane: Volle Zustimmung.

  • 1ng0 19. November 2014, 07:59

    ein workaround, wenn du bestimmte autoren lesen willst, der bei mir ganz gut funktioniert: google news alert für den autoren basteln und dann das such ergebnis per rss zum reader schicken.

  • Ariane 19. November 2014, 11:10

    @Alex Danke

    @Ingo
    Cool danke, das bastel ich mir gleich mal zusammen.
    Bestätigt aber schön meine These. Wie verrückt ist das eigentlich für so einen popeligen Wunsch, sich da selbst schnell was zusammenzubasteln? Und wer hier im Blog liest und kommentiert, ist ja schon ein Internetauskenner, meinen Eltern könnte ich so eine Lösung nicht vorschlagen^^

  • Stefan Sasse 19. November 2014, 17:34

    Pocket diesen Nachmittag installiert, großartiges Teil 🙂

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