Die große Umerziehung der Libertären

Es gibt kaum eine Partei, deren Image so sehr mit Verboten und Umerziehungsversuchen verknüpft ist wie die der Grünen. Ob Veggie-Day, Dosenpfand oder Tempo 120 auf deutschen Autobahnen, ob Solarförderung, Steuerpolitik oder Emissionsreduzierung – die Partei möchte gerne das Leben der Deutschen besser machen, indem sie sie zum „richtigen“ Verhalten erzieht. Dafür wird ihr ausgeprägter Paternalismus, die Schaffung eines „Nanny-States“, vorgeworfen. Doch gegen die Umerziehung, die die Liberären planen, ist das nur ein laues Lüftchen. 

Dies mag überraschen. Sind es nicht gerade Libertäre, die aus Überzeugung jeglichen staatlichen Eingriff ablehnen, jeden Versuch, den Bürger wohlmeinend die Verantwortung für seine eigenen Entscheidungen abzunehmen? Diese Sichtweise entspricht ihrer Selbstdarstellung und häufig auch der öffentlichen Wahrnehmung, ein Ideal, unrealistisch-utopisch, aber zumindest anzustreben.

Doch der Eindruck täuscht. In Wirklichkeit ist die Gesellschafts-Utopie der Libertären als Gemeinschaft freier, selbstbestimmter und selbstverantwortlicher Bürger nur als Resultat einer gewaltigen Umerziehung,  ja schon fast Gehirnwäsche, vorstellbar.

Genau in diesem Problem liegt auch der Grund dafür, dass es bis heute keinen einzigen Staat gibt, der ein libertäres Konzept tatsächlich umzusetzen versucht hätte. Die Welt ist voller gescheiterter Experimente von Faschisten und Kommunisten, und es gab zahllose alternative Lebensformen und Kommunen in selbst gewählten Enklaven, von denen kaum eine Bestand hatte. Libertäre dagegen gibt es nur in der Fiktion, am bekanntesten wohl in Ayn Rands „Atlas Shrugged“, oder aber in Ken Levines „BioShock“.

Es wird gerne so getan, als ob der Mensch im mythischen Urzustand diesem Bild entsprochen hätte. Nur sich selbst verpflichtet, ohne kollektive Bindungen, ein freiheitliches Wesen, dem nach und nach durch den sich Kompetenzen anmaßenden Staat die Freiheit abhanden kam. Ob als süßes, obgleich vergiftetes Geschenk mit abhängig machenden Bequemlichkeiten oder als brutale Diktatur ist dabei einerlei, am Ende befindet sich der Mensch im Geflecht des Kollektivismus, gehemmt in seiner vollen Entfaltungskraft.

Anthropologen jedoch haben in jüngerer Zeit mit solchen Mythen immer mehr aufgeräumt. Der Mensch ist ohne Gemeinschaftsstrukturen nicht denkbar, ob man sie nun „Staat“ nennt oder nicht. Und diese haben sich auch noch nie auf eine „Nachtwächterrolle“ beschränkt; ihr Ur-Sinn ist nicht der Schutz des Eigentums, sondern die Verteilung von Eigentum und damit Macht. Die Idee, dass das Eigentum einem Schutz unterliegt, ist wesentlich moderner.

Die Umformung des Menschen zur libertären Utopie erfordert eine Eliminierung jeglicher Instinkte, die auf eine Abgabe von Verantwortung und Aufgaben an kollektive Organisationsformen hinauslaufen. Sie bürden dem Einzelnen eine Anzahl von hochkomplexen Entscheidungen auf, die die meisten Menschen, wenn sie die Wahl haben, nicht treffen wollen.

Die Vorstellung, dass alle Menschen diese Entscheidungen treffen müssen, auf täglicher Basis, ohne dabei Teile delegieren zu können, ist eine Utopie. Sie ist kein Naturzustand, den wir durch ein Beschneiden des Staates einfach herstellen können, sondern sie erfordert einen tiefgreifenden, schon fast brutalen Einschnitt in die menschliche Psyche und steht den kühnsten kommunistischen Utopien in ihrer Radikalität in nichts nach. Würde sie umgesetzt, hätte sie vielleicht auch ebenso tödliche Folgen. Dass jemals jemand ernsthaft eine solche Umsetzung versuchen wird, ist aber glücklicherweise unwahrscheinlich. So bleibt es vor allem eine Theorie, die im grauen Kämmerlein debattiert wird, aber keine Chance auf Umsetzung besitzt. Und das ist auch gut so.

Anmerkung: Wo im vorliegenden Text das Wort „libertär“ benutzt wird, sind explizit nicht Neoliberale oder Liberale wie die FDP gemeint. Sie sind grundsätzlich dem Staat verhaftet, und ihre Rhetorik vom „Wettbewerb“ dient eher dem Erreichen eigener Ziele als genuiner ideologischer Konsequenz. Gemeint ist vielmehr die diffuse Gruppe derer, die liberale Ideen an ihr konsequentes Ende denken – Radikale im Wortsinn. 

{ 52 comments… add one }
  • In Dubio 8. November 2013, 19:03

    Trotz der Schlussbemerkung halte ich den Beitrag für ziemlichen Unsinn. Erstens ist eine solche Extremform des Libertären höchst selten, warum also darüber debattieren. Zweitens wissen wir aus der modernen Verhaltensforschung, dass Menschen sich dann zu Gemeinschaften zusammenschließen bzw. die Gemeinschaft suchen, wenn sie sich ganz konkrete Vorteile davon versprechen. Das heutige Staatsverständnis stellt die Geschichte auf den Kopf: Staat ist ein Selbstzweck, der Aufgaben schafft um häufig Bedürfnisse zu befriedigen, welche die Bürger bis dato selbständig erledigt haben. Das ist tatsächlich der Weg in den Nannystaat.

    Deswegen betont schon die klassische Ökonomie, dass der Staat bestimmte, übergeordnete Aufgaben erledigen sollte, die der einzelne nicht oder nicht ausreichend erfüllen kann: innere und äußere Sicherheit, Eigentumsrechte, Rechtsstaatlichkeit. Die moderne Ökonomie zählt heute noch Bildung und Infrastruktur dazu. Wo der Staat dies nicht garantieren kann, ist keine wirtschaftliche Prosperität möglich.

    Es ist richtig, dass sich immer mehr Menschen mit einem freien, selbstbestimmten Leben überfordert werden. In meiner Heimatgemeinde steigt seit Jahren die Zahl derjenigen, die sich selbst unter Amtsaufsicht stellen wollen und damit jegliche Verantwortung für das eigene Leben an den Staat abtreten. Wer ist der Treiber dieser Entwicklung? Die Überforderung durch Freiheit, die andere als immer weiter abnehmend beschreiben? Oder die Gewöhnung an ein Leben, wo es immer einen Finanztransfer, immer ein Gesetz, immer eine Behörde gibt, die zuständig ist?

    • Stefan Sasse 8. November 2013, 20:02

      Mein Argument ist ja gerade, dass dieses „freie, selbstbestimmte Leben“ eine Chimäre ist, die vom Großteil nicht angestrebt wird – auch vor dem Entstehen des eigentlichen Wohlfahrtsstaats nicht. Geändert hat sich vor allem, was irgendwie übernommen wird, weniger die Menge.

  • techniknoergler 8. November 2013, 20:22

    “ Der Mensch ist ohne Gemeinschaftsstrukturen nicht denkbar, ob man sie nun “Staat” nennt oder nicht. “

    Es ist wichtig, ob man hier von einem Staat redet oder nicht.

    Es geht nicht darum, dass ein Mensch ohne Gemeinschaft leben könne. Es geht um die eigenständige Wahl und die Redizierung von Zwang mit Hilfe eines Gewaltmonopols.

    „Die Vorstellung, dass alle Menschen diese Entscheidungen treffen müssen, auf täglicher Basis, ohne dabei Teile delegieren zu können, ist eine Utopie. Sie ist kein Naturzustand, den wir durch ein Beschneiden des Staates einfach herstellen können, sondern sie erfordert einen tiefgreifenden, schon fast brutalen Einschnitt in die menschliche Psyche und steht den kühnsten kommunistischen Utopien in ihrer Radikalität in nichts nach. “

    Will aber auch keiner. Das ist einfach ein gewaltiger Strohmann, der vom wesentlichen ablenkt. Natürlich muss ich manche Sachen delegieren und mich auf andere verlassen. Aber wer entscheidet was ich delegiere? Nun machen Linke und Konservative den entscheidenden Sprung: Sie wollen für andere entscheiden, was diese an sie zu delegieren haben! Was ist aber, wenn ich mir eine Entscheidung doch selber vorbehalten will?

    „Wo im vorliegenden Text das Wort “libertär” benutzt wird, sind explizit nicht Neoliberale oder Liberale wie die FDP gemeint. Sie sind grundsätzlich dem Staat verhaftet, und ihre Rhetorik vom “Wettbewerb” dient eher dem Erreichen eigener Ziele als genuiner ideologischer Konsequenz. “

    Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was mir dieser Vorwurf sagen soll. Soll das der altbackene Vorwurf sein, die FDP sei eine Partei voller Egoisten, die im Gegensatz zu anderen Parteien keine echten Ideale hätte? Das muss ich falsch verstanden haben, denn so etwas oberflächliches würde ich nicht von Herrn Sasse erwarten.

    • ayatana 9. November 2013, 10:35

      Es ist wichtig, ob man hier von einem Staat redet oder nicht.

      Es geht nicht darum, dass ein Mensch ohne Gemeinschaft leben könne. Es geht um die eigenständige Wahl und die Redizierung von Zwang mit Hilfe eines Gewaltmonopols.

      Jede Gemeinschaft übt Druck und Zwang auf ihre Mitglieder aus. Siehe z.B. Lesben und Schwule, die aus kleinen und noch entsprechend konservativen Dörfern kommen. Die können dir davon ein Lied singen, wie großartig zwangfrei eine nicht-staatliche Gemeinschaft sein kann…

      Deswegen ist die Unterscheidung zwischen Staat und Gemeinschaft tatsächlich irreführend.

    • Stefan Sasse 10. November 2013, 17:02

      1) „Staat“ ist ein Phänomen der Moderne, aber es gab bereits vorher politische Institutionen (Feudalwesen, Monarchien, Stämme, etc), daher die Unterscheidung.
      2) Diese Entscheidung habe ich – bei Wahlen. Bei vielen dieser Sachen kann man aber nur entscheiden, dass alle sie abgegeben oder keiner, sonst macht es keinen Sinn. Und Mehrheitsentscheidungen werden über Wahlen getroffen.
      3) Nein, das ist nicht der Vorwurf. Es ist die Feststellung, dass die FDP keine genuin libertäre Partei ist, obwohl sie die Rhetorik nutzt, ungefähr so, wie die LINKE keine sozialistische Partei ist, obwohl sie gerne mal Ausflüge in die sozialistische Theorie unternimmt.

      • techniknoergler 12. November 2013, 22:31

        Zu 2)

        Manche Sachen müssen gemeinschaftlich geregelt werden, aber vieles eben nicht mit Zwang. Libertären geht es darum, diesen auf ein Minimum zu reduzieren. Anarchokapitalisten ticken vielleicht anders, aber das ist eine Spezialströmung.

        Vor allem aber wende ich mich gegen die unzulässige Gleichsetzung von Libertär mit Einzelkämpferideologie. Libertäre würden für Möchtegern-Einzelkämpfer möglichst großen Freiraum schaffen, um es in einem gewissen Rahmen zu versuchen, aber es steht jedem Frei sich eine Gemeinschaft zu suchen.

        Deshalb habe ich auch von dem Sprung der Konservativen und Linken geredet: Aus der Feststellung, dass der Mensch meistens nach Gemeinschaft strebt und sie in einem gewissen Umfang braucht, wird schnurstracks die Begründung und Rechtfertigung für allerlei Bevormundung gezogen. Dies abzulehnen hat nichts mit Umerziehung zu tun! Dort wo es tatsächlich nicht ohne Zwangsgemeinschaft geht würde es auch nichts nützen, denn natürliche Monopole beispielsweise haben nichts mit „der Psyche“ zu tun.

        Und bei den Entscheidungen wo jemand durchaus eine opt-out-Möglichkeit gewährt werden kann? Warum ihm dort die Möglichkeit verwehren? Selbst wenn man eine Standardregel hat, für den Fall das sich jemand keine Gedanken zu einem Thema gemacht hat, warum diesen Standard zum verbindlichen Zwang erheben?

        Es geht – und das stellt der Artikel falsch dar oder es kommt zumindest so herüber – nicht darum ideologisch-dogmatisch von jedem zu erwarten keine Entscheidung zu delegieren. Es geht darum jemanden, wo gemeinsame Vorsorge nicht notwendig ist, damit der einzelne praktikabel Vorsorgen kann, keinen Zwang aufzubürden. Libertäre sind nicht unbedingt Anhänger einer „Einzelkämpferideologie“, die einen solche freiwilligen Zusammenschluss zur gemeinsamen Vorsorge ablehnen würden. Denn natürlich kann sich nicht jeder um alles kümmern und muss sich zum Teil mit anderen zusammen schließen, um Entscheidungen zu delegieren.

        Mit der Frage, ob eine Entscheidungen per Mehrheitsbeschluss getroffen werden muss, da die Entscheidung des Individuums schwere Auswirkungen auf andere hätte, ist eine ganz andere, als ob die Mehrheit dem einzelnen eine Entscheidung ohne Einspruchsrecht „abnimmt“, obwohl er ohne nennenswerten Schaden für andere eine andere Entscheidung hätte treffen können.

        Die Gesellschaft muss für Naturkatstrophen vorsorgen. Hier kann niemand einfach ein opt-out wahrnehmen.

        Die Gesellschaft kann auch „Standards“ für Gesundes essen setzen, für Leute die sich nicht selber mit dem Thema beschäftigt haben und keine bewusste Entscheidung treffen. Aber wenn jemand bewusst von diesem Standard abweichen will, gibt es hier keine Rechtfertigung für künstliche Hürden. Auch nicht, um ihn zu seinem „eigenen Wohl“ eine Motivation zum „richtigen Verhalten“ (laut Mehrheit oder Pseudomehrheit) zu geben. Die Hürde für das Abweichen vom Standard darf nur das Vorliegen der bewussten Entscheidung sicherstellen, auf eigenes Risiko vom Standard abzuweichen (auch die Frage, ob sich jemand ausreichend informiert hat, ist dann seine Sache).

        Zu 3) Ok, eine libertäre Partei ist die FDP natürlich nicht, das stimmt. Wenn nur das gemeint war, dann ist es natürlich zutreffend.

  • In Dubio 8. November 2013, 20:27

    Das ist eher eine kulturelle, weniger eine genetisch-verhaltenskonditionierte Frage. Amerikaner in den Rocky Mountains, in Arizona oder Texas wollen genau so leben, absolut selbstbestimmt. Aus diesen Kreisen rekrutieren sich die Anhänger der Tea Party. Eine libertäre Zivilgesellschaft ist eben gerade eine Frage der Kultur. In Kontinentaleuropa haben wir ein in Jahrhunderten gewachsenes Untertanendenken, das sich gerade im Verhältnis zum Staat äußert. Selbst Demokratie und Freiheit haben die Deutschen nie erkämpft.

    Auch die osteuropäischen Gesellschaften sind stark von den Verwerfungen des Sozialismus geprägt. Bis heute haben sie Schwierigkeiten, sich zu Zivilgesellschaften zu entwickeln, freies Unternehmertum und selbständige Arbeitsweisen bilden sich nur langsam heraus.

    • Ariane 8. November 2013, 23:30

      Nun ja, natürlich gibt es kulturelle Unterschiede. Nimm zum Beispiel die skandinavischen Länder und die Amis in Texas, die ein ziemlich gegensätzliches Staatsverständnis aufweisen. (Meiner Meinung nach hängt das u.a. auch mit der Größe der betrachteten Gemeinschaft zusammen)
      Aber dem Rest der Argumentation kann ich nicht folgen. Sieh dir Frankreich an, die haben doch kein jahrhundertelanges Untertanendenken und sich gleich mehrmals Demokratie und Freiheit erkämpft (und vom Sozialismus gebeutelt sind sie auch nicht) und trotzdem will dort niemand eine libertäre Utopie verwirklichen, sondern im Gegenteil höhere Rentenzahlungen, mehr Jobs, mehr Lehrer usw. Mal ganz davon abgesehen, dass der heroische Kampf um Freiheit und Demokratie nicht wegen überbordernder Bürokratie ausgebrochen ist.
      So gesehen kann man das ganze auch umdrehen und fragen, wieso in den Jahrhunderten die heutigen Staaten entstanden sind, die eben mehr tun als Nächtwächter zu spielen. Nämlich weil die Masse der Menschen sich dies als Grundkonzept durchaus wünscht.

      • Stefan Sasse 10. November 2013, 17:03

        Ich denke auch dass das etwas komplexer ist als der reine Untertanen vs. Freiheit Komplex.

  • In Dubio 9. November 2013, 09:01

    Meiner Meinung nach hängt das u.a. auch mit der Größe der betrachteten Gemeinschaft zusammen.

    Sehr gut beobachtet, zu diesem Ergebnis kamen nämlich vor einigen Monaten auch Wissenschaftler. Nach ihrer Untersuchung nimmt der Solidaritätsgedanke in dem Maße ab, wie eine Gesellschaft heterogener und größer wird. Hier sinkt die Bereitschaft, mit Steuern allgemeine Aufgaben zu finanzieren. Aber damit widersprichst Du gleichzeitig der Generalthese von Stefan Sasse.

    Die Franzosen haben kein Untertanendenken? Nur, weil sie vor über 200 Jahren eine sehr beachtete Revolution angezettelt haben? Auch Rebellion entspringt einem Über- / Unterordnungsverhältnis. Warum sonst haben sich die Franzosen einen monarchengleichen Präsidenten in die Verfassung schreiben lassen, warum sonst huldigen sie ihrem Staatsführer und den Insignien der Macht wie sonst keine westliche Demokratie? Zudem ist Frankreich das einzige westeuropäische Land mit noch klaren Konfrontationslinien: hier die Rechten, dort die Linken. Regiert haben allerdings meistens die Rechten mit der steten Angst vor der linken Rebellion.

    Und entspringt der Hang zur Bürokratie nicht auch einem Untertanenverhältnis? Mit der Größe der Organisationseinheit wächst die Bürokratie, sie gibt Sicherheit, erstickt aber auch Eigeninitiative. Das gilt für Staaten wie Unternehmen. Die Franzosen rufen nach einem Maß an Bürokratie und staatlicher Kontrolle, von dem den Eidgenossen schon 10% zuviel wäre. Gerade unsere südlichen Nachbarn frönen einem Freiheitsverständnis, das nicht durch Kriege zerstört wurde. Wahrscheinlich, weil sie eben nie unterjocht wurden.

    Seit Ende des 2. Weltkrieges erleben wir, dass die westlichen Staaten sich immer mehr Aufgaben anmaßen. Dies geschah meist schleichend in einem Prozess, wo die Menschen nicht merkten, wie ihnen die Eigenverantwortung entwunden wurde. So bauten wir Sozialstaaten zu Wohlfahrtsstaaten aus, wo Sozialleistungen nicht allein für die Bedürftigsten, sondern für alle Bürger der Gesellschaft bestimmt sind. Dies zeigt sich gerade in der Verteilung. Das Ziel ist nicht mehr Bekämpfung von Armut und Elend, sondern Fürsorge für Jedermann.

    Wer jahrelang eingesperrt wird, verliert die Fähigkeit, sein Leben selbst zu Organisieren. Daraus folgt nicht, dass die Menschen nicht einen großen, libertären, Freiheitsdrang besitzen.

    • Ariane 9. November 2013, 13:56

      Hier sinkt die Bereitschaft, mit Steuern allgemeine Aufgaben zu finanzieren. Aber damit widersprichst Du gleichzeitig der Generalthese von Stefan Sasse.
      Nein, es ging mir mehr um die Delegation von Verantwortung, die Stefan angesprochen hat. In den USA ist das Lokale sehr viel bedeutender als zb in Deutschland und in einer kleinen, womöglich dörflichen, Gemeinschaft klappt eine hauptsächliche Selbstorganisation oft noch ganz gut, wenn man den Kreis weiter zieht und es immer komplexer wird, ist der Mensch eher bereit, Aufgaben an Fachleute zu delegieren, weil er sich weder um alles kümmern kann noch will.
      Es geht hier doch nicht nur um eine Arbeitslosenversicherung, sondern mehr um Mikromanagement. Ich hatte mal eine Diskussion darüber, ob jeder selbst kontrollieren sollte, dass ein Kindergarten sicher ist und zb die Brandschutzbedingungen erfüllt. Meiner Meinung nach kann und will das aber niemand, also beauftragt man den Staat damit, herauszufinden, wie man einen Kindergarten sicher baut und darauf zu achten, dass Kindergärten auch so gebaut werden. Hier wird auch Eigenverantwortung abgegeben und Sicherheit geschaffen, aber man ist deswegen nicht gleich ein unmündiger Untertan.

      • In Dubio 9. November 2013, 18:18

        Stefan Sasse geht weiter, er meint, das Streben nach Staat oder einer irgendwie geordneten Supra-Einheit sei dem Menschen immanent. Dem widerspreche ich zutiefst. Menschen schließen sich nur dann Gemeinschaften an, wenn sie sich davon individuelle Vorteile versprechen. Deine Sicht auf die USA ist zudem nicht treffend. Gerade Amerikaner frönen dem Individualismus, besonders in den Regionen, die nicht wie die Ost- und die Westküste europäisch oder asiatisch beeinflusst ist. Wo die Kontinentaleuropäer nach dem Staat rufen, wenn ihnen ein (vermeintlicher) Missstand auftaucht, suchen Amerikaner als erstes privatrechtliche Lösungen. Dort schreibt der Staat eben nicht detailliert eine Brandschutzverordnung. Wenn etwas schief geht, werden alle möglichen, potentiell Verantwortlichen auf Schadensersatz verklagt. Diese andere Sicht auf zwischenmenschliche Beziehungen führt zu rechtlichen Regelungen und Verhaltensweisen, die uns in Europa absurd erscheinen mögen. Doch das ist die Alternative zur staatlichen Regelungswut. Jeder ist voll verantwortlich für sein Verhalten, ganz im Gegensatz zu unserem, römisch beeinflussten Recht, wo wir viel stärker mit Rechtsbegriffen wie „fahrlässig“ und „grob fahrlässig“ die Verantwortung des Einzelnen beschränken.

        Ich persönlich brauche keinen Staat, der mir die Anzahl der Toiletten in öffentlichen Räumen, die Größe und Krümmung von Bananen, den Geschlechteranteil in Aufsichtsratsgremien, die politisch korrekte Glühbirne oder die Anzahl der Feuerlöscher in meiner Wohnung vorschreibt. Denn der Punkt ist, wer die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, ist von jeder Verantwortung exkulpiert, wenn etwas schief geht. Ein Verstoß gegen Auflagen macht ihn auch dann haftbar, wenn nichts passiert. Hier haben Amerikaner ein völlig anderes Verständnis von persönlicher Verantwortung.

        Interessant ist doch auch, dass die US-Amerikaner immer noch mehrheitlich Obamas Gesundheitsreform ablehnen, obwohl dies ein Projekt sein sollte, von dem die überwiegende Mehrheit der Bürger profitiert. Die gemeinschaftliche Sicherung der Dahseinsvorsorge sind im Land der unbegrenzten Möglichkeiten nach wie vor nicht beliebt.

        • Stefan Sasse 10. November 2013, 17:05

          Genau deswegen, InDubio, habe ich die anfängliche Einschränkung für „Staat“ gemacht. Während es richtig ist, dass die Amerikaner etwa dem Bundesstaat sehr wenig vertrauen und möglichst wenig deligieren wollen, deligieren sie an untergeordnete Einheiten teils wesentlich mehr als wir Kontinentaleuropäer. Das „Invividualisten vs. Kollektivisten“-Klischee ist genau das, ein Klischee, und erklärt wenig.

      • techniknoergler 21. November 2013, 12:07

        „Hier wird auch Eigenverantwortung abgegeben und Sicherheit geschaffen, aber man ist deswegen nicht gleich ein unmündiger Untertan.“

        Aber wenden sich libertäre denn gegen Brandschutzverordnungen? Einzelne sicherlich, Sie werden welche finden, vor allem im anarchokapitalistischen Bereich. Aber es geht doch im folgendes: Warum muss der Staat die Größe eines Softdrinks vorschreiben?

        Der Sprung vom Großbrand zum Softdrink erschließt sich mir nicht. Ein Großteil der Deutschen will aber „ungesundes Essen“ verbieten: http://www.welt.de/politik/deutschland/article122084771/Die-Deutschen-wuenschen-sich-mehr-Verbote.html

        Daran zeigt sich die Verankerung unliberalen Gedankengutes, nicht in Brandschutzverordnungen. Letztere als Freiheitseinschränkung anzuführen, gegen die sich klassische Liberale/Libertäre wenden würden, ist finde ich ein Strohmann bzw. ein Ablenkungsmanöver, um die Idee der Freiheit zu diskreditieren.

  • Mr Grudenko 9. November 2013, 09:21

    „So bleibt es vor allem eine Theorie, die im grauen Kämmerlein debattiert wird, aber keine Chance auf Umsetzung besitzt.“

    Na ja, weniger das graue Kämmerlein, als viel mehr die (den späten 1940ern entsprechende) hippe PR Agentur: http://www.alternet.org/visions/true-history-libertarianism-america-phony-ideology-promote-corporate-agenda

  • ayatana 9. November 2013, 10:31

    Die Vorstellung, dass alle Menschen diese Entscheidungen treffen müssen, auf täglicher Basis, ohne dabei Teile delegieren zu können, ist eine Utopie.

    Dystopie trifft es eher.

    Jeder, der sich mal mit der Psychologie von Entscheidungen oder mit User Interface Design beschäftigt hat weiß, dass gute Defaults der Schlüssel zu einem besseren Leben sind.

    Natürlich muss das Abweichen von den Defaults trotzdem möglich sein, yadda yadda.

    Aber Defaults sind notwendig und werden von den Menschen auch gefordert. Und es ist besser, wenn diese Defaults von der Gemeinschaft in Form eines demokratischen Staates entschieden werden, als wenn sie von irgendwelchen profitsüchtigen Firmen oder gar Warlords kommen.

  • techniknoergler 9. November 2013, 11:28

    @ Mr Grudenko:

    Oh klar, natürlich, der Lobbyismus-Vorwurf… Der darf natürlich nicht fehlen. Alles nur eine Propaganda der Kapitalisten… Dann muss man sich ja überhaupt nicht mehr auseinander setzen. Argumentum ad historiam. Nur mit erfundener/verdrehter Geschichte.

    Aber interessante Website. Nun weiß ich, das es doch eine Verschwörung gegen JKG und zur Vertuschung der Hintermänner seiner Ermordung gab (http://www.alternet.org/investigations/jfk-assassination-cia-and-new-york-times-are-still-lying-us), das Smartphones unsere Gesellschaft zerstören, die Jugend versaut und Tote verursacht (http://www.alternet.org/smartphones-are-killing-us-and-destroying-public-life), hochwissenschaftlich geklärt ist, warum nicht alle die geistigen Fähigkeiten zur linken Welterkenntnis und ihre Fähigkeit präzise gesellschaftliche Strukturen und große Zusammenhänge zu erkennen haben und daher im Irrtum verharren (http://www.alternet.org/tea-party-and-right/inside-tea-party-brain-can-science-explain-their-seemingly-irrational-rage) und uns endlich der neue Mensch mit erwachtem Geist bevorsteht (http://www.alternet.org/activism/revolution-mind-underway).

    “Cars are so yesterday. Bikes are the future! If people say it’s impossible, then we have to prove them wrong. If we can do that, we can do anything.” They excitedly uttered.

    – zwei schwedische Studentinnen über ihre Idee, einen unsichtbaren Fahrradhelm zu bauen, da bisherige Helme den Durchbruch der Fahrrades gegenüber dem Auto verhindert hätten (http://www.alternet.org/video/could-invention-spark-global-revolution).

    Die Lösung soll eine Art Kopf-Airbag sein.

    Viel Spaß beim alles können. Ich frage mich bloß, welche Muster im grünen Hirn für solche Vorstellungen verantwortlich sind. Vielleicht gibt ja irgendwann die Wissenschaft darauf Antwort…

    • Mr Grudenko 9. November 2013, 17:37

      „Oh klar, natürlich, der Lobbyismus-Vorwurf… Der darf natürlich nicht fehlen. Alles nur eine Propaganda der Kapitalisten… Dann muss man sich ja überhaupt nicht mehr auseinander setzen.“

      Wenn man etwas in Kontext setzt, heißt das noch lange nicht, sich damit nicht auseinandersetzten zu müssen.
      Wobei meine persönliche Auseinandersetzung mit jeder Ideologie, die behauptet, der menschliche Naturzustand wäre etwas anders als der Krieg jeder gegen jeden, ziemlich kurz ist.

      „Nur mit erfundener/verdrehter Geschichte.“

      Arbeitet auf dieser Grundlage nicht jede Ideologie? 😉

  • techniknoergler 9. November 2013, 11:30

    @ Mr Grudenko:

    Oh klar, natürlich, der Lobbyismus-Vorwurf… Der darf natürlich nicht fehlen. Alles nur eine Propaganda der Kapitalisten… Dann muss man sich ja überhaupt nicht mehr auseinander setzen. Argumentum ad historiam. Nur mit erfundener/verdrehter Geschichte.

    Aber interessante Website. Nun weiß ich, das es doch eine Verschwörung gegen JKG und zur Vertuschung der Hintermänner seiner Ermordung gab (www.alternet.org/investigations/jfk-assassination-cia-and-new-york-times-are-still-lying-us), das Smartphones unsere Gesellschaft zerstören, die Jugend versaut und Tote verursacht (www.alternet.org/smartphones-are-killing-us-and-destroying-public-life), hochwissenschaftlich geklärt ist, warum nicht alle die geistigen Fähigkeiten zur linken Welterkenntnis und ihre Fähigkeit präzise gesellschaftliche Strukturen und große Zusammenhänge zu erkennen haben und daher im Irrtum verharren (www.alternet.org/tea-party-and-right/inside-tea-party-brain-can-science-explain-their-seemingly-irrational-rage) und uns endlich der neue Mensch mit erwachtem Geist bevorsteht (www.alternet.org/activism/revolution-mind-underway).

    “Cars are so yesterday. Bikes are the future! If people say it’s impossible, then we have to prove them wrong. If we can do that, we can do anything.” They excitedly uttered.

    – zwei schwedische Studentinnen über ihre Idee, einen unsichtbaren Fahrradhelm zu bauen, da bisherige Helme den Durchbruch der Fahrrades gegenüber dem Auto verhindert hätten (http://www.alternet.org/video/could-invention-spark-global-revolution).

    Die Lösung soll eine Art Kopf-Airbag sein.

    Viel Spaß beim alles können. Ich frage mich bloß, welche Muster im grünen Hirn für solche Vorstellungen verantwortlich sind. Vielleicht gibt ja irgendwann die Neurowissenschaft darauf Antwort…

  • Am_Rande 9. November 2013, 18:21

    Herr Sasse schreibt:
    „Sie [die Libertären] bürden dem Einzelnen eine Anzahl von hochkomplexen Entscheidungen auf, die die meisten Menschen, wenn sie die Wahl haben, nicht treffen wollen. “

    Damit stehen die Libertären aber in der Tradition der Aufklärung:

    „Es ist also für jeden einzelnen Menschen schwer, sich aus der ihm beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit herauszuarbeiten. Er hat sie sogar liebgewonnen und ist vorderhand wirklich unfähig, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, weil man ihn niemals den Versuch davon machen ließ. Satzungen und Formeln, diese mechanischen Werkzeuge eines vernünftigen Gebrauchs oder vielmehr Mißbrauchs seiner Naturgaben, sind die Fußschellen einer immerwährenden Unmündigkeit. “ (Immanuel Kant)

    Die Libertären verlangen von jedem Menschen eigenverantwortliches Handeln.
    Sie sehen den Menschen als „homo sapiens“ und als moralisches Wesen.
    Der Mensch hat die Fähigkeit, das Richtige zu erkennen und die moralische Verpflichtung, das Richtige zu tun.

    Denn was wäre die Alternative?
    Wer soll die Leitung des Menschen übernehmen, wenn nicht er selbst?

    „Niemand hat das Recht, zu gehorchen.“ (Hannah Arendt)

    Ja, die Klassisch Liberalen (Libertären) glauben an das Individuum.
    An was sonst?

    • Stefan Sasse 10. November 2013, 17:07

      Nichts, behauptet ja auch keiner. Ich sage nur dass sie dabei auf das gleiche Problem stoßen, auf dass auch die Aufklärer stießen: dass dazu eine radikale Umerziehung nötig ist. Nur dass die Aufklärer noch die Hybris hatten, genau das offen zu fordern.

      • Am_Rande 11. November 2013, 15:29

        Wenn man „Aufklärung“, also den Ausgang des Menschen aus seiner Unmündigkeit, als „Umerziehung“ – wertfrei gesprochen – verstehen will, als „Erziehung zur Mündigkeit“, haben Sie natürlich recht.
        Aber gibt es Libertäre, die dies bestreiten?

        • Stefan Sasse 11. November 2013, 16:23

          Worum es mir geht ist aufzuzeigen dass es keine „Rück-Umerziehung“ zu einem mythischen freiheitlichen Urzustand wäre, sondern ein Eingriff in das, was Menschen unserer Erfahrung nach sind – an Radikalität durchaus mit kommunistischen Umerziehungszielen vergleichbar.

  • Am_Rande 9. November 2013, 19:04

    Apropos Aufklärung.

    Herr Sasse schreibt:

    „Die Vorstellung, dass alle Menschen diese Entscheidungen treffen müssen, auf täglicher Basis, ohne dabei Teile delegieren zu können, ist eine Utopie. Die Vorstellung, dass alle Menschen diese Entscheidungen treffen müssen, auf täglicher Basis, ohne dabei Teile delegieren zu können, ist eine Utopie. Sie […] erfordert einen tiefgreifenden, schon fast brutalen Einschnitt in die menschliche Psyche und steht den kühnsten kommunistischen Utopien in ihrer Radikalität in nichts nach. Würde sie umgesetzt, hätte sie vielleicht auch ebenso tödliche Folgen. “

    Dazu dies:

    „Demozid […] ist ein von dem amerikanischen Politikwissenschaftler Rudolph Joseph Rummel eingeführter Begriff, unter dem vorsätzliche Massentötungen von bestimmten Menschengruppen durch eine Regierung zusammengefasst werden.“

    „Als empirischer Forscher beschäftigte sich Rummel vor allem mit Krieg, Genozid und politischem Massenmord. Seine vielfältigen Studien sind geleitet von der Annahme, dass das Ausmaß an Macht, das eine Regierung besitzt, die Wahrscheinlichkeit einer Kriegsteilnahme dieses Staates bedingt: je mehr Macht die Herrschenden besitzen, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Land in eine kriegerische Auseinandersetzung gerät. “

    „Er analysiert vor allem Daten über das 20. Jahrhundert.
    Rummel stellt 39 Mio. Kriegsopfer weltweit (1900-1987)
    170 Mio. Opfern von Demozid gegenüber.“
    (Quelle: Wikipedia)

    „Würde sie umgesetzt, hätte sie vielleicht auch ebenso tödliche Folgen. „

    • Stefan Sasse 10. November 2013, 17:07

      Worauf willst du raus?

      • Am_Rande 11. November 2013, 15:33

        Ich will darauf hinaus, das eigentlich auch Etatisten die geistigen Vorraussetzungen haben sollten, zu erkennen, dass es immer(!) der Staat war, der die größten Verbrechen begangen hat.

        Da wir in einer etatistisch durchwirkten Welt leben, reden „wir“ immer von „Menschheitsverbrechen“.
        Dabei sind „Menscheitsverbrechen“ immer „Staatsverbrechen“ oder „Politikverbrechen“.

        Nicht der Antisemit Hitler als Privatier war das Problem.
        Der Politiker Hitler war es…

        • Stefan Sasse 11. November 2013, 16:24

          Zugegeben, aber ich sehe nicht ganz worauf du hinauswillst…? Dass Staaten immer böse sind? Dass Staaten als Vehikel für Verbrechen missbraucht werden können? Ersteres würde ich sagen nein, zweiteres auf jeden Fall – genauso wie alles andere auch. Aus großer Macht wächst große Verantwortung, und die große Macht wird gerne missbraucht, egal auf welchem Sektor.

          • Stefan Sasse 11. November 2013, 16:25

            Davon abgesehen scheint mit der „Demozid“ eine etwas einseitige Festschreibung. Wenn man auf die Art Tote zählt könnte man theoretisch auch den „Econozid“ anfangen – wie viele Arbeiter sind vor ihrer Zeit an elenden Arbeitsbedingungen zugrunde gegangen?

  • Mollbert 11. November 2013, 09:19

    Mir ist nicht so recht klar, wie ich deinen Artikel verstehen soll. Es klingt, als würdest du sowohl neoliberale als auch anarchistische Denkweisen in einem Atemzug kritisieren. Das sind doch aber beides Sichtweisen, die von ihrer Grundidee um Welten auseinander liegen.
    Worauf also willst du hinaus? Möchtest du deine grundsätzliche Übereinstimmung mit der Notwendigkeit von Staaten zum Ausdruck bringen? Welche Gruppen oder welche einflussreichen Personen schweben dir denn vor, wenn du von „den Libertären“ sprichst? Auch wenn ich Schubladen eigentlich ablehne, aber „Libertäre“ ist so eine diffuse Bezeichnung, und je nach Deutungswille kann man da vollkommen gegensätzliche Sichtweisen reininterpretieren.

    • Stefan Sasse 11. November 2013, 16:27

      Wieso Anarchismus?

      Ja, meine Aussage ist eine grundsätzliche Übereinstimmung zur Notwendigkeit bzw. Unausweichbarkeit von Staaten.
      Und Libertäre…ich weiß dass die Bezeichnung diffus ist, aber ich weiß keine bessere. Letztlich meine ich alle Denker in der Tradition von Ayn Rand.

      • techniknoergler 21. November 2013, 12:19

        Ok, das erklärt einiges, aber nicht alles:

        1. Ayn Rand hat sich nicht als libertäre Autorin gesehen und lehnte die Einstufung als Libertär stirkt ab.

        Aber

        2. hat nicht einmal Ayn Rand die Notwendigkeit einer Regierung bestritten.

        Es gibt anarchische Flügel im libertären Bereich, das schon. Aber nicht jeder Libertärer denkt so, bei weitem nicht.

  • Am_Rande 11. November 2013, 20:29

    @ Herr Sasse

    Erstens:
    Sie schreiben, das Ziel der Libertären / Klassischen Liberalen: eine freie, humane und friedliche Weltgesellschaft, „hätte […] vielleicht auch ebenso tödliche Folgen“ wie die etatistischen Totalitarismen des 20. Jahrhunderts.

    Und ich habe Ihnen aufgezeigt, dass ein Völkermord eo ipso eine staatliche Angelegenheit sein muss.

    Zweitens:
    Sie schreiben: „Wenn man auf die Art Tote zählt, könnte man theoretisch auch den “Econozid” anfangen.“
    Zu dieser Ihrer „Logik“ gibt es ja diesen alten Witz:
    Mein Großvater ist im KZ umgekommen. – Das ist ja schrecklich! – Ja, er ist betrunken vom Wachturm gefallen.

    Drittens:
    Sie schreiben, dass eine Darlegung der libertären Argumente „keine “Rück-Umerziehung” zu einem mythischen freiheitlichen Urzustand wäre“.
    Da gebe ich Ihnen Recht, aber es war sicherlich kein Libertärer, der schrieb:

    „Der erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu sagen ‚Dies gehört mir‘ und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft.
    Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Elend und Schrecken wäre dem Menschengeschlecht erspart geblieben, wenn jemand die Pfähle ausgerissen und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: ‚Hütet euch, dem Betrüger Glauben zu schenken; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass zwar die Früchte allen, aber die Erde niemandem gehört‘.“

    Der „edle Naturzustand“ ist eine Fiktion, an die ein Libertärer – meiner Meinung nach – schwerlich glauben kann. Und für ein Beispiel für solche eine Annahme von libertärer Seite fällt mir auch gerade nicht ein.

    Viertens:
    Aber das unter drei Gesagte heißt natürlich(!) nicht, dass der allumfassende Nanny-State wirklich von „den Menschen“ angestrebt wurde.

    Dass der Staat auch massiv von der Propaganda der Staats-Intellektuellen profitiert hat, ist für einen gebildeten Menschen unbezweifelbar.
    Vielleicht lesen Sie dazu einmal nur „Der Verrat der Intellektuellen“ von Julien Benda.

    • Marc 12. November 2013, 00:05

      @Am_Rande

      Darf ich ihnen nur eine Frage stellen? Ich bitte um eine ernsthafte Antwort.
      Glauben sie, wenn es kein Staat mehr gäbe, würde das Böse™ verschwinden?

      • In Dubio 12. November 2013, 07:13

        Das ist doch eine Kindergartenfrage. Daneben rechtfertigt der Glaube an das „Böse“ kaum die Entwicklung von Obrigkeitsstaaten zu Sozialstaaten zu Wohlfahrtsstaaten (Obrigkeitsstaaten). Moderne Staaten haben die Aufgabe, Dienstleister für den Bürger zu sein, der sie bezahlt. Dabei sollten sie ihn in seiner persönlichen Entfaltung möglichst wenig beeinflussen, behindern, stören oder verändern.

        Die kontinentaleuropäischen Staaten sind alt und keineswegs modern. Deswegen haben wir hier auch so große Probleme mit dem Staat. Ganz ohne das „Böse“.

        • Marc 12. November 2013, 09:13

          Den Staat auf eine reine Dienstleisterrolle kastrieren zu wollen, ist ja auch eine kindische Idee. Im Gegensatz zu ihnen halte ich unseren Staat für modern und habe auch keine gravierenden Probleme mit ihm. Nur im Bereich Internet, Euro- und Wirtschaftspolitik herrscht absolute Katastrophe.
          Ich finde es gut, dass es Hygiene- und Lebensmittelvorschriften gibt, so dass man überall bedenkenlos Essen kaufen oder genießen kann, ich finde es super, dass es Abgasgrenzwerte gibt und andere Umweltauflagen, so dass ich in der Stadt frei atmen kann, dass unsere Flüsse und Seen eine gute Wasserqualität haben, dass es wunderbare Naturschutzgebiete gibt. Ich finde es toll, dass der Staat mich und andere dazu zwingt, eine Krankenversicherung abzuschließen und eine KfZ-Versicherung jedes Auto. Ich finde es gerechtfertigt, dass Produkte eine Mindestgarantiezeit haben müssen, dass es zwingende Arbeitsschutzmaßnahmen gibt und freue mich auf den kommenden Mindestlohn.
          Wenn alle ihren Egoismus frei ausleben könnten, hätten wir sehr schnell sehr üble Zustände. Daher begrüßen ich den Eingriff in meine Freiheit und in der anderer. Nicht nur ich, denn die Abwahl der FDP zeigt, dass hier die Mehrheit das kranke Staatsverständnis eines Nachtwächterstaats oder reinen Dienstleisters vollkommen ablehnt.
          Sie haben jetzt die zugegeben schwere Aufgabe, diese demokratische Niederlage konstruktiv zu verarbeiten. Viel Spass!

          • Stefan Sasse 12. November 2013, 15:16

            Sehe ich auch so.

          • techniknoergler 21. November 2013, 12:47

            „Den Staat auf eine reine Dienstleisterrolle kastrieren zu wollen, ist ja auch eine kindische Idee.“

            Nein, aber den Staat für eine Personifikation höherer Moral zu halten ist eine gefährlich Vorstellung.

            Sehr gefährlich.

            Im folgenden mixen Sie ja vieles in einen Topf.

            „Ich finde es gut, dass es Hygiene- und Lebensmittelvorschriften gibt, so dass man überall bedenkenlos Essen kaufen oder genießen kann, ich finde es super, dass es Abgasgrenzwerte gibt und [usw.]“

            Darum geht es aber gar nicht. Ein Mindestlohn bleibt aber Unsinnig.

            „Wenn alle ihren Egoismus frei ausleben könnten, hätten wir sehr schnell sehr üble Zustände. Daher begrüßen ich den Eingriff in meine Freiheit und in der anderer.“

            So, und mit diesem rhetorischen Dampfhammer sollen jetzt anderen Essenvorschriften gemacht werden? http://www.welt.de/politik/deutschland/article122084771/Die-Deutschen-wuenschen-sich-mehr-Verbote.html

            32% wollen Pornographie verbieten, 42% linksradikale Parteien, 49% Medien mit (aus wessen Sicht auch immer) „zu viel“ Gewaltdarstellung, 55% wollen weiche Drogen verbieten und 64% möchten „ungesunde Lebensmittel“ verbieten. Nur rechtsradikale Parteien, Klonen und harte Drogen wollen mehr Leute verbieten als „ungesunde Lebensmittel“ (von allen angeführten Verbotsvorschlägen). Die niedrigste Zustimmung zu einem Verbot gibt es beim Rasen auf der Autobahn (Freie Fahrt für freie Bürger) und Sterbehilfe.

          • techniknoergler 21. November 2013, 23:38

            „Nicht nur ich, denn die Abwahl der FDP zeigt, dass hier die Mehrheit das kranke Staatsverständnis eines Nachtwächterstaats oder reinen Dienstleisters vollkommen ablehnt.“

            Dieser Satz offenbart viel. Ihnen scheint es offenbar sehr wichtig zu sein, einer (angeblich) überragenden Mehrheit anzugehören, wobei Sie die Minderheit als Krank bezeichnen.

            Dann ist ein reiner Dienstleisterstaat nicht unbedingt ein Nachtwächterstaat. Man kann sich ja viele Dienstleistungen herbeiwünschen, die der Staat sicherstellen sollte. Aber egal wie viele Dienstleistungen mach vom Staat erwartet, in den Staat mehr als einen Dienstleister rein zu interpretieren wirkt schon ziemlich verquer. Was soll er sonst sein? Ein höheres Wesen? Die Personifikation der Moral? Die Gemeinschaft als „absoluter Sittlichkeit“?

            Mein Gott, hat Hegel das deutsche Denken versaut:

            „das Bewußtsein, zu einer Gemeinschaft zu gehören, wobei die Gemeinschaft nicht bloß unter instrumentellen Gesichtspunkten gesehen wurde. Zu einer solchen Gemeinschaft, zu einem Volk zu gehören, bedeutet für Hegel »absolute Sittlichkeit« – nicht, weil das Volk als solches ein absolutes ethisches Ideal verkörpert, sondern weil diese Zugehörigkeit absolut statt bloß relativ ist, weil sie ein Selbstzweck statt ein bloßes Mittel für Privatzwecke wie Sicherheit oder dergleichen ist.“

            „auf keinen Fall sei der Staat als ein Instrument zu begreifen, dessen Ziel die Erhaltung und Verteidigung des Eigentums ist. Hegel geht in diesem Abschnitt aber noch einen Schritt weiter: er sieht darin nicht nur ein Postulat, sondern das innere Grundprinzip des Staates, zu dessen Wesen es gehört, in die Eigentumsverhältnisse einzugreifen, statt das Eigentum zu beschützen. Je reicher eine Gesellschaft ist, desto mehr Steuern werden ihr vom Staat auferlegt. Besteuerung und Krieg sind die großen Gleichmacher; beide sind auf die ihnen jeweils eigene Art Garanten dafür, daß der Staat nicht zu einer Front für ökonomische Interessen wird. Darin sieht Hegel deutlich die verborgene Hand des dem Staat immanenten Allgemeinen //S. 108:// am Werk, die, wenn auch – wie Hegel es ausdrückt – »bewußtlos und in der Gestalt einer äußern Naturnotwendigkeit«, in jeder historischen Gesellschaft wirkt.

            Hegels Ziel ist es, diese geheime Vernunft explizit, das Verborgene allgemein bewußt zu machen. “

            http://theoriepraxislokal.org/imp/Avineri.php

            Was für ein trauriger Kontrast zu aufgeklärten Denkern und den Vordenkern der Gewaltenteilung.

            Der Staat/Gemeinschaft als Personifikation der Sittlichkeit, des Guten, Wahren und Schönen. Die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft als _Selbstzweck_.

      • Am_Rande 12. November 2013, 12:36

        @ Marc

        1.) Nein.

        2.) Die „Hölle auf Erden“ war aber beinahe immer eine staatlich betriebene Einrichtung.

        3.) Kein Mensch wird besser, wenn man ihm Macht über andere Menschen gibt.

        4.) Ob die Einhegung der Gewalt wirklich am Besten Politikern und Beamten überlassen wird, ist eine Frage, die man durchaus ernsthaft diskutieren kann.

        • Marc 12. November 2013, 14:19

          Ob die Einhegung der Gewalt wirklich am Besten Politikern und Beamten überlassen wird, ist eine Frage, die man durchaus ernsthaft diskutieren kann.

          Gut. Wem wollen sie die Macht geben? Den Gutmenschen von der Wirtschaft?
          Die Macht ist beim Staat gut angesiedelt, da sie durch die Gewaltenteilung kontrolliert ist. Übertrage ich sie z.B. global agierenden Unternehmen, dann habe ich Willkür. Ich wähle lieber, weil ich denken kann, Variante Staat.

          • Stefan Sasse 12. November 2013, 15:17

            Ist die Macht bei Politikern und Beamten gut aufgehoben? Nein. Nur sind sie die beste aller möglichen Alternativen.

          • Am_Rande 12. November 2013, 18:17

            @ Marc

            Warum soll man Macht teilen, wenn es möglich ist, sie erst gar nicht entstehen zu lassen?

            Gewaltenteilung ist schön und gut – in der Theorie…

            Aber wer bestimmt die Legislative? Die Parteien…
            Wer bestimmt die Exekutive? Die Parteien…
            Wer bestimmt die Judikative? Die Parteien…

            Warum soll ein Mensch Macht über einen anderen Menschen haben, wenn es dieser Macht gar nicht bedarf…?

          • In Dubio 12. November 2013, 19:59

            @Marc
            @Stefan Sasse

            Oh Mann, Mann, Mann! Über 60 Jahre „Der Weg zur Knechtschaft“ haben nichts gebracht.

            Die Macht ist beim Staat gut angesiedelt, da sie durch die Gewaltenteilung kontrolliert ist.

            Ha, ha, ha. Wenn Sie mit der Leistung eines Beamten unzufrieden waren oder die Leistung einfach nicht erbracht wurde oder Sie einfach unzufrieden waren, was haben Sie da gemacht? Sich beschwert? Ich lieg‘ im Graben vor Lachen. Wenn ich mich über Vodafone ärgere, gehe ich zur Telekom. Wenn’s mir da reicht, gehe ich zu Base oder sonst wohin. Der Markt ist dafür da, das niemand an den anderen ausgeliefert ist. Kunden müssen nicht zu einem bestimmten Unternehmen und Unternehmen müssen nicht jeden Kunden nehmen (!!!). Ist der Staat der einzige Anbieter, hat der Bürger keine Wahl, nicht mal eine theoretische.

            Sie sind mit Behörden stets zufrieden? Nun erzählen Sie Märchen. Kein anderer Bereich ist so langsam in der Arbeitsdurchführung, keine andere Branche weist höhere Fehlzeiten der Arbeitnehmer auf. Über die Weihnachtsfeiertage sollten Sie sich wirklich Friedrich August von Hayeks Klassiker zur Gemüte führen. Es stehen Erkenntnisse für Ihr Leben drin.

          • Stefan Sasse 13. November 2013, 11:36

            Bei den Behörden liegt vieles im Argen, überhaupt keine Frage. Aber: es gab drastische Verbesserungen in den letzten zehn, zwanzig Jahren. Dass da Luft nach oben ist – ohne Frage.
            Gegenbeispiel, gerade wegen Telekommunikationsanbietern: ich habe hier im Ort praktisch überhaupt keine Auswahl. Die Wahl besteht aus Vodafone (mit Strohanbietern wie 1&1, die auch das Vodafonenetz nutzen) und Telekom. Bei beiden sind Angebot und Service scheiße. Kann ich wechseln? Nö. Ich brauche Telefon und Internet.

          • Stefan Sasse 13. November 2013, 11:36

            Generell hörst du mich selten gegen Wettbewerb argumentieren. Es geht immer nur um das „Wie“.

          • In Dubio 13. November 2013, 13:30

            Der Punkt ist, dass Du immer auf einen bestimmten Beamten / Behörde angewiesen sein wirst. Ich glaube, ich bin mit dem Beispiel nicht durchgedrungen. Ich ärgere mich regelmäßig über Leistungen anderer, das ist normal. Bei einem Unternehmen beschwere ich mich und bekomme einen anderen Ansprechpartner. Wenn’s zu bunt wird, wechsele ich. Bei einer Behörde ist das ausgeschlossen, man bekommt weder einen anderen Counterpart noch kann man wechseln. Beschwerden sind auch sinnlos und eher kontraproduktiv. Man ist auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Klar, öffentlich Bedienstete sind heute freundlicher im Ton – in Unternehmen aber noch viel mehr.

            Außerdem arbeiten Behörden aufgrund von Gesetzen viel formaler und damit sind die Spielräume im Verhandeln praktisch null. Mit Unternehmen kann man dealen, sie sind nur an interne Regularien gebunden und daher flexibler.

            Es liegt in der Natur der Sache, dass wir mit einem Teil unserer Mitmenschen nicht können. Schlecht, wenn wir dann auf bestimmte Personen angewiesen sind.

  • In Dubio 12. November 2013, 10:47

    Den Staat auf eine reine Dienstleisterrolle kastrieren zu wollen, ist ja auch eine kindische Idee.

    Wieso? Dieser Auffassung kann man doch nur sein, wenn Staat ein Selbstzweck sein soll. Ja, zu dieser Ansicht kann man heute kommen. Sie beurteilen den Staat (Internet, Euro, Wirtschaftspolitik) danach, ob Ihnen die Ergebnisse passen, nicht danach, ob sie (pareto-) optimal sind. Sie sehen nicht, dass der Staat für einen Interessenausgleich dar ist und nicht zur Durchsetzung von Einzelinteressen. Sie sagen, Sie freuen sich auf den Mindestlohn, sehr wahrscheinlich, weil Sie geringverdienender Arbeitnehmer und nicht geringverdienender Kneipenwirt oder Friseurmeister sind. Deren Interessen sind Ihnen egal.

    Ich finde es gut, dass es Hygiene- und Lebensmittelvorschriften gibt, so dass man überall bedenkenlos Essen kaufen oder genießen kann, ich finde es super, dass es Abgasgrenzwerte gibt und andere Umweltauflagen, so dass ich in der Stadt frei atmen kann, dass unsere Flüsse und Seen eine gute Wasserqualität haben, dass es wunderbare Naturschutzgebiete gibt.

    Dass dafür nicht (allein) der Staat verantwortlich ist, sehen Sie an den USA, deren privatrechtlich organisiertes Umweltrecht sogar den Applaus von Greenpeace findet. Und die USA brauchen auch nicht die EU-Normen für Lebensmittel, um genießbares Essen in höchster Qualität zur Verfügung zu stellen. Umgekehrt zeigen die Beispiele DDR, China oder Russland, dass der Treiber für Umweltverbesserungen und Steigerung der Hygienestandards oft Markt und Wettbewerb sind und nicht die Bürokratie des Staatswesens.

    Immerhin reicht einigen Leuten schon die beabsichtigten staatlichen Raubzüge, um die Abwahl der FDP zu bedauern. Als Konsequenz konnten die Liberalen bei den Mitgliederzahlen zulegen – obwohl sie eben nicht mehr im Bundestag vertreten sind. Erstaunlich, gell?

  • techniknoergler 12. November 2013, 23:03

    Noch eine Anmerkung

    “ ihr Ur-Sinn ist nicht der Schutz des Eigentums, sondern die Verteilung von Eigentum und damit Macht. Die Idee, dass das Eigentum einem Schutz unterliegt, ist wesentlich moderner.“

    Der Urzustand und auch der Ur-Sinn des Staates ist eigentlich ziemlich irrelevant.

    Aber ist es nicht ein interessanter Zufall, das ausgerechnet in der Zeit, in der sich ein Schutz des Eigentums gegen hoheitliche Übergriffe zu entwickeln begann, eine enorme wirtschaftliche, technische und gesellschaftliche Entwicklung in Gang gesetzt wurde, die einen bisher nie dagewesenen Wohlstand hervorgebracht hat?

    Nie war das Pro-Kopf-BIP so hoch, nie war der Anteil an sklavenähnlichen Verhältnissen an der Gesamtbevölkerung des Planeten so niedrig wie heute. Das die Anzahl an (absolut) armen Menschen in absoluten Zahlen höher ist, als vor hundert Jahren, rückt schnell in ein rechtes Licht, wenn man sich die Vervielfachung der Weltbevölkerung in diesem Zeitraum vor Augen führt. Was die Frage auf wirft, wie heute so viele Menschen gleichzeitig leben können, wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte, während das pro-Kopf-BIP so hoch ist wie nie zuvor und auch noch steigt!

    Was hat diese Entwicklung in Gang gesetzt? Vielleicht die Möglichkeit frei Kapital zu bilden und einzusetzen, ohne von einem neidischen und sich in seiner Machtstellung gefährdet sehenden Monarchen enteignen lassen zu müssen?

  • Facepalm deluxe 16. Juni 2014, 07:20

    Ist eine freie Gesellschaft möglich in einem Staat? Wir wurden darauf konditioniert, dass die Auflösung eines Staates apokalyptische Folgen haben und alles in einem Mad Max-Szenario enden würde. Diese Horrorszenarien lenken die meisten Menschen davon ab, sich vernünftige und logische Gedanken über den Sinn und Unsinn eines Staates zu machen. Ist es Freiheit, wenn wir mit Gewalt wie domestizierte Tiere auf einer (Steuer-)Farm gehalten werden und von einer kleinen Gruppe mit Polizei und Militär ausgeliefert sind?

    Der folgende Text beschäftigt sich objektiv und logisch mit dieser wichtigen Frage.

    Wenn es um die Auflösung des Staates geht, kommen oft zwei Argumente. Das Erste besteht darin, dass eine freie Gesellschaft nur möglich wäre, sofern alle Menschen gut sind.
    Mit anderen Worten: Bürger brauchen also einen zentralisierten Staat, weil es böse Menschen auf der Welt gibt.

    Das größte und offensichtlichste Problem mit dieser Position ist, dass, wenn böse Menschen im Staat existieren, sie folglich auch in der Regierung existieren werden und somit eine weitaus größere Gefahr darstellen.
    Bürger sind in der Lage, sich gegen böse Individuen zu schützen, haben jedoch keine Chance gegen einen aggressiven Staat mit einer bis an die Zähne bewaffneten Polizei und Armee.
    Folglich ist das Argument falsch, einen Staat zu brauchen, weil böse Menschen existieren.
    Wenn böse Menschen existieren, muss der Staat demontiert werden, weil böse Menschen dessen Macht für sich selber nutzen werden; und im Gegensatz zu privaten Kriminellen haben böse Menschen in der Regierung die Polizei und das Militär zur Verfügung , um ihre Launen an einer hilflosen und hauptsächlich unbewaffneten Bevölkerung auszuleben.

    Es kann vier Varianten von guten und bösen Menschen auf der Welt geben:

    1. Alle Menschen sind gut;

    2. Alle Menschen sind böse;

    3. Die Mehrheit der Menschen ist böse und eine Minderheit ist gut;

    4. Die Mehrheit der Menschen ist gut und eine Minderheit ist böse.

    (Eine perfekte Balance von Gut und Böse ist statistisch unmöglich)

    1.

    Im ersten Fall (alle Menschen sind gut) ist ein Staat offensichtlich unnötig, da das Böse nicht existiert.

    2.

    Im zweiten Fall (alle Menschen sind böse) kann der Staat allein aus einem Grund nicht erlaubt werden. Denn allgemein wird argumentiert, dass ein Staat existieren muss, weil böse Menschen Schaden anrichten wollen und nur durch staatliche Sanktionen (Polizei, Gefängnis, etc.) davon abgehalten werden können.
    Daraus resultiert: Je weniger Sanktionen diese Menschen befürchten, desto mehr Böses werden sie tun.
    Jedoch hat der Staat selber keine Sanktionen zu befürchten, denn wieviele Polizisten und Politiker gehen selbst in westlichen Demokratien ins Gefängnis?!
    Wenn also böse Menschen Böses tun wollen, aber nur durch Sanktionen davon abgehalten werden können, darf die Gesellschaft niemals die Existenz eines Staates erlauben, weil böse Menschen sofort die Kontrolle des Staates haben werden und großes Übel – ohne Konsequenzen – anrichten können.
    In einer rein bösen Gesellschaft ist also die einzige Hoffnung für Stabilität ein Naturzustand, wobei ein generelles Bewaffnen und die Angst vor Vergeltung die bösen Absichten verschiedener Gruppen in Schach halten.

    3.

    Die dritte Variante beinhaltet, dass die meisten Menschen böse sind und wenige gut. In diesem Fall darf dem Staat ebenfalls nicht erlaubt werden zu existieren, da die Mehrheit der bösen Menschen in Kontrolle des Staates sein und über die gute Minderheit herrschen wird.
    Besonders Demokratie darf nicht erlaubt werden, da die Minderheit der guten Menschen dem Willen der bösen Mehrheit ausgeliefert sein würde.
    Böse Menschen, die Schaden anrichten wollen, ohne die Angst zu haben, bestraft zu werden, würden folglich die Kontrolle des Staates übernehmen und seine Macht nutzen, Böses zu begehen, frei von der Angst, die negativen Konsequenzen davon zu erleiden.
    Gute Menschen handeln moralisch und nach tugendhaften Wertvorstellungen, nicht aus Angst vor Bestrafung. Weswegen sie demnach, im Gegensatz zu bösen Menschen, wenig Gewinn für sich sehen, die Kontrolle über den Staat zu bekommen; sehr viel weniger im Vergleich zu den Bösen!
    Somit ist sicher, dass der Staat von einer Mehrheit böser Menschen kontrolliert wird, welche dann – zum Nachteil für alle moralischen Menschen – über alle herrschen wird.

    4.

    In der vierten Variante sind die meisten Menschen gut und nur wenige böse. Diese Möglichkeit unterliegt im Prinzip demselben Problem, wie es in der dritten Variante angesprochen wurde. Nämlich dass böse Menschen immer die Kontrolle des Staates übernehmen wollen, um sich vor Vergeltungsmaßnahmen zu schützen.
    Diese Variante ändert die Erscheinung der Demokratie natürlich: Da die Mehrheit der Menschen gut ist, müssen die machthungrigen bösen Menschen sie anlügen, um an die Macht zu kommen.
    Sobald sie ein öffentliches Amt haben, brechen sie sofort ihre Versprechen und verfolgen ihre eigene korrupte Agenda und setzen sie mit Polizei und Militär durch. (Offensichtlich ist dies die aktuelle Situation unserer Demokratien).
    Da auch hier der Staat das größte anzustrebende Ziel der meisten bösen Menschen ist – über den sie schnell Kontrolle erlangen werden, zum Nachteil aller guten Menschen – kann auch hier der Staat nicht erlaubt werden.

    Es ist klar, dass es keine Situation gibt, die logisch und moralisch die Existenz eines Staates erlauben kann.
    Die einzig mögliche Rechtfertigung für die Existenz eines Staates wäre, wenn die Mehrheit der Menschen böse wäre, aber der Staat immer von guten Menschen kontrolliert werden würde. Diese Variante klingt zwar theoretisch interessant, kann jedoch folgenden logischen Argumenten nicht standhalten:

    Die böse Mehrheit würde schnell die Minderheit in den Wahlen überstimmen oder durch einen Putsch die Macht übernehmen.

    Es gibt absolut keine Garantie dafür, dass es nur gute Menschen an der Spitze geben würde

    Es findet sich dafür absolut kein Beispiel in der Geschichte der Staaten.

    Der logische Fehler, der bei der Verteidigung des Staates immer gemacht wird, besteht darin, dass kollektive moralische Standards, an denen jegliche Gruppen von Menschen gemessen werden, nicht auch für die Gruppen von Menschen gelten, die über sie herrschen.
    Wenn 50% der Bürger böse sind, sind mindestens 50% der Menschen, die über sie herrschen, auch böse (wahrscheinlich sogar mehr, da Macht böse Menschen anzieht).
    Woraus dann folgen muss, dass die Existenz von bösen Menschen niemals die Existenz eines Staates rechtfertigen kann.

    Warum wird dieser Fehler immer gemacht? Es gibt viele Gründe, von denen ich ein paar anschneiden werde.
    Der Erste ist, dass der Staat sich den Kindern in Form eines Schullehrers vorstellt, der als moralische Autorität angesehen wird. Diese Assoziation von Moralität und Autorität wird durch jahrelange Wiederholung bekräftigt.
    Der zweite Grund ist, dass der Staat niemals den Kindern die Wurzel seiner Macht lehrt: Gewalt! Stattdessen gibt er vor, er sei nur eine weitere soziale Institution wie eine Kirche oder eine wohltätige Vereinigung.

    Der dritte Grund liegt darin, dass die Vorherrschaft der Religion schon immer die meisten Menschen blind dafür gemacht hat, das Böse des Staates zu erkennen. Was zugleich auch ein Grund ist, weshalb der Staat die Interessen der Kirche immer sehr unterstützt hat. In der religiösen Weltsicht ist absolute Macht gleichbedeutend mit großer Güte in Form einer Gottheit.
    In der politischen Realität jedoch heißt größer werdende Macht immer größer werdendes Böses, weshalb das Ankämpfen gegen diese Macht das Ankämpfen der Gottheit bedeuten würde.
    Am Anfang habe ich von zwei Argumenten gesprochen, die oft kommen, wenn es um die Auflösung des Staates geht. Das Erste war zu glauben, der Staat sei notwendig, weil böse Menschen existieren. Das Zweite ist, dass, in Abwesenheit eines Staates, eine andere Institution den Platz einnehmen wird. Folglich würden z.B. Versicherungsunternehmen oder private Sicherheitsfirmen als potenzielles Krebsgeschwür angesehen werden, die den politischen Raum einnähmen.

    Wenn also private Institutionen, wie eben angesprochen, permanent versuchen zu wachsen, um mehr Macht zu erlangen, ist das allein schon ein Argument dafür, keinen zentralisierten Staat existieren zu lassen.
    Wenn es eine eiserne Regel ist, dass es Gruppen gibt, die immer Macht über andere Gruppen und Individuen erlangen wollen, wird ihr Machthunger nicht dort enden, wo eine von ihnen gewinnt, sondern dann erst, wenn die Gesellschaft total versklavt ist.
    Deshalb ist die Logik des Arguments sehr schwer zu verstehen, dass man sich vor einer Gruppe schützt, die einen überwältigen will, indem man eine andere Gruppe unterstützt, die einen schon überwältigt hat.
    Es ist dem Argument des Etatismus über staatliche Monopole ähnlich, nämlich dass ein staatliches Monopol kreiert werden soll, aus Angst vor einem privaten Monopol.

    Wenn man sich einmal in aller Ruhe diese Widersprüche vor Augen gehalten hat, muss man kein Raketenwissenschaftler sein, um diesen Nonsens zu durchschauen.

  • peter Lewing 19. Juni 2014, 17:33

    „Die Liberären“ … bei den Extremsozialisten wie den Grünen sit Neusprech sowiso das a und o.
    Verbote um frei zu machen, Toleranz mit Zwang durchsetzen, Gleichberechtigung urch Männerdiskriminierung, Diversity gegen Diskriminierung durch Ausschluss der Deutschen ( vor alem Männer ) …. etc.p.p

  • google 1. August 2014, 16:59

    Hi! Do you know if they make any plugins to safeguard against
    hackers? I’m kinda paranoid about losing everything I’ve worked hard on. Any recommendations?

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