Warum sich auch Yellens Gegner über ihre Nominierung freuen sollten

Janet Yellen ist die erste Frau an der Spitze der amerikanischen Zentralbank, der Federal Reserve, kurz Fed. Sie ist auch die erste „Taube“ seit Den Siebziger Jahren und setzt die Senkung der Arbeitslosigkeit mit einer niedrigen Inflation in ihrer Zielsetzung zumindest gleich, wenn sie ihr nicht sogar den Vorzug gibt – ein Novum, regieren sonst eher auf die Inflationsrate abzielende „Falken“ oder ausgleichende Elemente wie Bernanke. Für die von Haus aus ausschließlich auf Inflationsbekämpfung ausgelegte und an gesamtwirtschaftlichen Fragen gar nicht interessierte deutsche Tradition der Geldpolitik ist so etwas natürlich ein rotes Tuch, doch auch vielen anderen eher marktliberal veranlagten Naturen dürfte die Ernennung Bauchschmerzen bereiten. Trotzdem sollten gerade sie sich freuen und für ein möglichst umfassendes Mandat Yellens eintreten.

Der Grund dafür ist einfach. Kaum ein wirtschaftspolitisches Thema erzeugt so sicher den immer gleichen Kanon: die Inflationsrate muss niedrig sein, Wachstumspolitik ist nicht Aufgabe der Zentralbank, mit Geldpolitik lässt sie sich ohnehin nicht machen, Finger weg sonst gibt es Inflation. Yellen hält von alledem erklärtermaßen nichts, setzt sich auch für höhere Mindestlöhne und Gewerkschaften ein, kurz: sie ist ein Anathema für den wirtschaftswissenschaftlichen Konsens der Austeritätspolitiker und Wasser auf den Mühlen der Krugman-Fraktion. Niall Ferguson dürfte derzeit am Rotieren sein, der ökonomische Mainstream in Deutschland ist es sicher. Die Bennenung von Yellen ermöglicht nun einen Praxistest, wofür gerade ihre Gegner dankbar sein sollten.

Wenn sie nämlich Recht haben, dann steht Yellen ein wahres Desaster bevor. Ihre Politik wird den USA hohe Inflationsraten bescheren, ihr Wachstum wird allenfalls ein nicht nachhaltiges Strohfeuer sein, möglicherweise rutscht das Land sogar in die Stagflation der 1970er Jahre zurück. Mit einem Schlag wäre bewiesen, dass die ganzen Neo-Keynesianer doch nur eine gigantische Seifenblase gelebt haben und dass die knallharte Ordnungspolitik und alleinige Konzentration auf niedrige Inflationsraten der Königsweg ist, auch wenn dieser über den steinigen Pfad der Austerität führt. Wie könnten sie sich im Licht des „Ich habe es euch ja gesagt!“ sonnen und Krugman endlich aus den Kommentarspalten der New York Times verbannen.

Hat sie aber doch Recht mit ihrer Politik, wird die wirtschaftliche Entwicklung in den USA sich gegenüber der europäischen weiter verbessern. Der Chor der von der deutschen Hartgeldpolitik benachteiligten Länder dürfte lauter anschwellen und eine Abkehr von der traditionellen deutschen Ordnungspolitik zumindest in Teilen erzwingen. Und dann hätten die Neo-Keynesianer den letzten Lacher und könnten die Ordnungspolitiker als blamiert darstellen.

Natürlich wird aber weder das eine noch das andere funktionieren. Yellen hat schließlich kein Mandat, das in diesem Ausmaß ein Handeln gemäß ihrer Überzeugungen erlaubt. Stattdessen wird sie von einzelnen Bestandteilen des Systems, wie dem Board of Managers oder dem Federal Open Market Committee in Schach gehalten und nur eine verwässerte Version durchführen können – wie alle Fed-Chairs vor ihr. Die Experten werden Gründe finden, warum der Erfolg oder Misserfolg eine spezielle Angelegenheit ist, die mit ihren Theorien nichts zu tun hat, und die gleichen Leute werden weiterhin die gleichen Dinge sagen.

Vielleicht aber hat Yellen Recht, und vielleicht geht es danach der Weltwirtschaft etwas besser. Zu hoffen wäre es.

{ 6 comments… add one }
  • Kirkd 12. Oktober 2013, 07:01

    Welche Instrumentarien stehen ihr denn dafür zur Verfügung? Ist ja nicht so, als wäre der Zins bei 7% und die Fed hätte noch keine einzige Staatsanleihe gekauft.

  • In Dubio 12. Oktober 2013, 17:03

    Janet Yellen wird sich wie die Chairmans vor ihr als Spitze der Fed in die traditionelle Politik der Organisation einfügen. Was denn sonst? Zentralbanken agieren ja nicht im luftleeren Raum, sondern sind eingebunden in Gesetze, Gremien und Partnerschaften. Und daneben gibt es noch die ökonomische Realität. Die Fed hat bisher in Krisenzeiten und auch in weniger Krisenzeiten eine expansive Geldpolitik betrieben und das wird sie auch weiterhin. Nichts Aufregendes, also.

    Was mich an Mrs. Yellen stört ist ihre Person bzw. Vita und da geht der Kommentar ziemlich fehl. Gute Politik, gute Unternehmensführung und gute Geldpolitik zeichnen sich nicht durch gute Ideologie aus. Hänge der richtigen Ideologie an und alles wird gut. So ein Quatsch! Es ist eine Mixtur aus Erfahrung, strategischem Geschick, Kompromiss- und Ausgleichsfähigkeit, Empathie Überzeugungskraft. Da ich die neue Chefin der Fed nicht kenne, kann ich also nur über das Offensichtliche urteilen. Sie besitzt außerhalb der Zentralbank keinerlei nennenswerte Erfahrung, sie kennt die Finanzmärkte nur aus der Kontrollsicht, sie ist nicht vernetzt und ihre Frühwarnsensoren sind eben aufgrund dieses sehr einseitigen CV sicherlich nicht so ausgeprägt wie bei ihren letzten Vorgängern. Und das ist eindeutig schlecht in einem Metier, wo es auf die Reaktionsgeschwindigkeit ankommt.

    Barack Obama hatte mit Larry Summers einen sehr angesehenen Kandidaten favorisiert, doch mit seinem monatelangen Zaudern und Sturheit, die dem Demokraten wirklich eigen ist, hat der den früheren US-Treasurer verheizt. So blieb ihm nur die zweite Wahl. Und das ist keine gute Nachricht.

    • Stefan Sasse 13. Oktober 2013, 14:22

      Hm, so hab ich’s bisher nicht gesehen. Sind wir mal gespannt.

  • DDD 20. Oktober 2013, 21:45

    Nein es wird sich nichts ändern, wie soll sie denn noch expansiver handeln als Bernanke? Und auch Greenspan war ja wohl alles, aber kein Falke! Im Laufe der nächsten Quartale wird die Wirtschaft vermutlich auch wieder anziehen und dann würde sie auch gewiss höhere Zinsen mittragen, was dann auch angemessen wäre (wobei man sagen muss, dass die Höhe des nominalen Zinses eigentlich nichts über die Expansivität der Geldpolitik aussagt).

  • Christian 21. Oktober 2013, 09:05

    @InDubio
    Du bringst mich immer wieder zum Lachen. Wer hat nochmal keine wirkungsvolle Finanzaufsicht geführt vor der Finanzkrise? Achja, die mit Frühwarnsensoren ausgestatteten Greenspan und Bernanke? *G*

    Und Larry Summers als angesehen zu bezeichnen.. wo der Junge doch direkt für die Deregulierungen mitverantwortlich ist.. Nunja.

    Ich finde es gut, dass hier mal jemand Chefin wird, die weiß wovon sie redet. Anders als Summers, der auch in seiner Position in Harvard viel Geld verheizt hat. http://blogs.reuters.com/felix-salmon/2009/11/29/how-larry-summers-lost-harvard-18-billion/

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