Digitale Ordnungspolitik

Christian Lindner hat einen beachtenswerten Artikel im FAZ Feuilleton geschrieben. Einen Artikel mit Inhalt und das mitten im Wahlkampf. Selbst Frank Lübberding ist auf wiesaussieht.de voll des Lobes und schreibt

„Hier ist nichts mehr von der Schlichtheit des Denkens der Brüderle, Westerwelle und Rösler zu finden.“

Lindner schreibt über die Parallelen zwischen einer Ordnungspolitik, die Märkten Regeln setzt, und einer Ordnungspolitik, die Big Data reguliert:

„Voraussetzung für nachhaltigen Wohlstand und Stabilität ist aber, dass der Rechtsstaat den Markt durch Regeln ordnen kann, weil er nicht selbst ins Getümmel verstrickt ist – dieses Konzept heißt übrigens Neoliberalismus. Der Staat muss also wieder Ordnungsgeber und Wächter des freien und fairen Wettbewerbs sein, statt hier wie dort freiwillig oder unfreiwillig Kollaborateur ökonomischer Machtstrukturen zu werden, die unsere individuelle Freiheit und die Freiheit des Marktes gleichermaßen bedrohen.“

Lindner fordert einen diskriminierungsfreien Marktzugang für Wettbewerber und denkt auch im digitalen Raum an die potenzielle Zerschlagung dominanter Marktteilnehmer. Ebenso klar formuliert er den Anspruch, dass der Staat garantieren müsse, dass alle Daten letztlich dem Individuum selbst gehören und von ihm kontrolliert werden müssten.

Was hat dagegen der oben schon ins unvorteilhafte Licht gestellte Brüderle zur digitalen Wirtschaft zu sagen?

„Ich denke an eine Euro-Cloud, eine Computergemeinschaft mit Servern in Europa. Es ist nicht gut, wenn wir gezwungen sind, auf amerikanische Ressourcen zurückzugreifen. Wir müssen sicher sein, dass nichts abgezapft wird. Wir brauchen dazu europäische Firmen, die mit Apple, Google oder Microsoft mithalten können. Einige Hoffnung ruht dabei auf dem deutschen Softwareentwickler SAP. Auch soziale Netzwerke sollte man europäisch gestalten können…”

Aha. SAP wird es schon richten mit der digitalen Innovation.

Noch ein Fall eher schlichten Denkens ist der Absatz des aktuellen FDP-Wahlprogramms zur Geldpolitik, den Wolfgang Münchau auf Spiegel Online angemessen auseinander nimmt. Die Absurdität, gleichzeitig die Unabhängigkeit der EZB, mehr Vetomöglichkeiten für die Bundesbank und die Aufnahme der Geldwertstabilität ins Grundgesetz zu fordern, ist zu viel des Guten auf einmal.

Aber die Inflation ist eben ein beliebtes Stichwort in der FDP.. Gut zu lesen, dass wenigstens Christian Lindner andere Themen setzen kann.

Ursprünglich erschienen auf theophilsblog.com

{ 9 comments… add one }
  • Marc 15. August 2013, 13:24

    Was ist denn ganz konkret die Lindner-Lösung in Bezug auf die ökonomische Machtstruktur Google?

  • Theophil 15. August 2013, 15:13

    Ich würde mal vermuten, Christian Lindner sieht bisher kein Problem in Googles Marktsituation. Ich wüsste auch nicht wo. Behindert Google Wettbewerber im Werbe- oder im Suchmaschinenmarkt? Nicht das ich wüsste. Alternative Suchmaschinen gibt es, aber wenige nutzen sie.

    Die einzigen, die an Google leiden, sind doch die Zeitungsverlage, weil denen das Anzeigengeschäft genommen wurde. Das ist aber nicht verboten. Anzeigen auf Google zu schalten statt in Zeitungen dürfte deutlich effektiver sein. Google bringt den Zeitungen weiterhin Leser, ohne die Einnahmen durch Anzeigen zu teilen. Damit werden die Zeitungen mMn leben müssen.

    Grund zum Eingreifen wäre erst gegeben, wenn Google einzelne Zeitungen aus seinem Angebot etwa bei Google News streichen würde (ohne dass die Zeitungen das wünschen) oder wenn jmd nachweisen könnte, dass sein Google Ranking unabhängig von Relevanzkritierien heruntergesetzt wurde.

  • Marc 15. August 2013, 21:29

    Es gibt weitaus gravierendere Probleme mit Googles Marktmacht. Google Analytics z.B. Damit kann Google nahezu den gesamten Webtraffic überwachen und analysieren. Ich sehe daher nicht, weshalb das Problem des Big Data durch den Vorschlag gelöst sein sollte. Wenn Monopole geduldet werden, ist der Ausdruck „fairer Wettbewerb“ ohnehin nur eine leere Floskeln.

  • Theophil 16. August 2013, 08:55

    Das verstehe ich nicht. Google Analytics ist auf ca 50% der meistbesuchten Webseiten im Einsatz lt Wikipedia und es gibt hunderte Alternativen. Eine Ausnutzung der Marktmacht gibt es da nicht.

    Google trackt wie jedes Werbenetzwerk welche Webseiten der gleiche Kunde besucht. Das macht Google bei vielen Webseiten, aber bei weitem nicht beim ganzen Internet. Für Google ist der Nutzer dabei nur eine anonyme IP-Addresse, so lange man nicht parallel bei Google eingeloggt ist.

    Bestenfalls ist das also ein Problem des individuellen Datenschutzes. Es gibt die Möglichkeit des Opt-Out, die Möglichkeit Cookies zu löschen oder JavaScript zu deaktivieren. Das ist vielleicht nicht bequem, aber möglich. Manche Browser wie Safari setzen als default den DoNotTrack HTTP header (http://de.wikipedia.org/wiki/Do_Not_Track). Webseiten, die das nicht respektieren, verstoßen in Europa gegen die ePrivacy Richtlinine.

    Hier gehen zu viele Dinge durcheinander. Die Existenz von Monopolen ist auch kein Problem an sich. Bei einigen Märkten werden sich immer Monopole bilden (soziale Netzwerke sicherlich, aber auch Suchmaschinen). Wenn die Kundenbindung gleich Null ist (Suchmaschine) und eine Technologie klar besser ist als die andere, dann wechseln alle Nutzer.

  • Marc 16. August 2013, 11:29

    Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, beim Surfen auf eine Seite zu gelangen, bei der Google Analytics läuft? Üblicherweise erhalte ich noch über den Referer die Einsprungsseite und natürlich auch das Absprungziel. Damit lässt sich das Surfverhalten nahezu lückenlos rekonstruieren.
    Anonym ist man kaum, bei Google eingeloggt meint, G+, Gmail, YouTube, Blogger, … Ist schon viel und einen Surfer kann man, wenn man will, auch an anderen Merkmalen erkennen:
    Spion im Browser: Fingerprinting etabliert sich als Alternative zu Cookies

    Was ich nicht verstehe, ist, wie soll ein stark monoplisierter Markt einen freien und fairen Wettberwerb bieten können und was hat das alle mit Big Data zu tun? Weshalb sollte Wettbewerb, wenn es ihn gäbe, Big Data einschränken? Wie sollte Big Data sinnvoll reguliert werden? Man muss das Daten sammeln und auswerten von Surfverhalten und die Zuordnung zu potentiellen Kunden verbieten! Wie soll das in einer informationstechnologischen Gesellschaft funktionieren? Was ist, wenn hier nur die Datenerhoben legal erhoben werden und die nach unseren Gesetzen „illegale“ Auswertung im Ausland statt findet?
    Ich kann in Lindners Aussagen nur leeres Politikersprech ohne irgendwelche erkennbare Lösungskonzepte erkennen.

  • Theophil 16. August 2013, 12:26

    Ok, jetzt verstehe ich langsam. Ein monopolisierter Markt muss nachwievor neuen Wettbewerbern den Zugang erlauben. Das ist der kritische Punkt und das muss gewährleistet werden ggf vom Staat.

    Wettbewerb kann natürlich auch Wettbewerb um die beste Datensicherheit bedeuten. DuckDuckGo versucht das und auch für andere Google Produkte gibt es Alternativen mit besserem Datenschutz. „Immer bei Google eingeloggt zu sein“ ist kein Schicksal.

    Ansonsten ist der wesentliche Punkt bei Lindner, dass die individuelle Verfügungsgewalt über meine Daten bei mir liegt. Das ist ein erster Schritt der immerhin dazu führt, dass manche Menschen erfahren, was Facebook/Google/Telekom so über sie wissen.

    Individuelle Verfügungsgewalt heißt auch, dass ich bei allem Datensammeln ein Opt-Out Recht haben sollte. Vielleicht sollte OptOut auch der Standard sein. Die Weitergabe von in Deutschland rechtmäßig erhobenen Daten ins Ausland ist mMn heute schon verboten (Safe Harbor Abkommen etc, deshalb brauchen wir das Häkchen unten für den Spam Filter)

    Ich halte das alles für so leer nicht, die Lösungen sind zum Teil ja schon da, selbst die rechtlichen. Es fehlt doch eher das Problembewusstsein. Ich sehe auch weniger ein Problem darin, Google zu regulieren. Die Großen kooperieren immer gut, die vielen tausend kleinen Anbieter sind schlechter zu überwachern.

    Und zu guter Letzt dürfen wir uns ja nichts vor machen: Für die Überwachung unseres Surfverhaltens brauchen wir Google nicht. Dafür kann man das Kabel offensichtlich direkt anzapfen.

  • Gerald Fix 17. August 2013, 05:55

    Wettbewerb kann natürlich auch Wettbewerb um die beste Datensicherheit bedeuten. DuckDuckGo versucht das

    Leider mit – zumindest für Deutschland – recht schwachen Suchergebnissen. Ixquick scheint da die bessere Alternative zu sein.

  • Marc 18. August 2013, 14:24

    Ansonsten ist der wesentliche Punkt bei Lindner, dass die individuelle Verfügungsgewalt über meine Daten bei mir liegt.

    Das ist Unsinn. In einer Kommunikation liegt die Verfügungsgewalt automatisch beim Sender, Empfänger und den Übermittlern. Was soll ich machen, wenn ich selbst Gmail nicht nutzen möchte (außer als SPAM-Sammler), aber mein Bekanntenkreis mehrheitlich dort ist? Ich habe dann keine echte Wahl mehr. Beim Übermittler ist es noch schlimmer, ich möchte mich nur über xyz informieren und über dessen Webseite mich informieren und werden die Informationen erfasst und ausgewertet. Natürlich kann ich dem entgehen, ich kann dort anrufen und einen Katalog anfordern, aber das ist doch heute keine echte Option mehr!

    Individuelle Verfügungsgewalt heißt auch, dass ich bei allem Datensammeln ein Opt-Out Recht haben sollte.

    Das muss zwingend so sein! Aber es ist schon sonderbar, weshalb darf eigentlich der Empfänger über die Kommunikationsdaten nicht frei verfügen? Ist das nicht unfair? Es fehlt ein wesentlicher Aspekt, um die Problematik zu verstehen: die Asymmetrie in der Kommunikation. Kommuniziere ich mit meinen Freunden, dann ist das auf Augenhöhe und sie muss nicht reguliert werden. In der Kommunikation mit einem Konzern bin ich der Unterlegenere, ich muss mich den Kommunikationsbedingungen des Konzerns anpassen. Er kann dabei weitaus effektiver Daten erheben, verknüpfen und analysieren als ich das als Privatperson je könnte. Während der Konzern bei der Kontaktaufnahme zahlreiche Informationen über mich, meine Vorlieben, mein beruflicher Status und mein familiäres und soziales Umfeld hat, weiß ich meist wenig vom Unternehmen. Wo produziert es überall? Welche Standards hält es ein? Laufen die Finanzströme über Steueroasen? Wie sieht es mit Lobbyismus, Korruption und so aus?
    Ich kann über Datenschutzregulierung versuchen, eine möglichst symmetrische Kommunikation zu erzwingen. Aber im Ernst, das ist ein verlorener Kampf. Die nächste Option ist, ich kann eine möglichst optimale Transparenz herstellen, dann verschwindet der Informationsvorsprung der Konzerne. In beiden Strategien spielt der Markt keine Rolle. Es gibt noch eine dritte Variante: wenn es keine Konzerne, sondern nur kleinere Unternehmen gäbe. In diesem Fall wäre die Asymmetrie so gering, dass sie nicht reguliert werden bräuchte. Nur, in der aktuellen Marktsituation bei Internetfirmen ist dieser Weg ein Witz und das kein sehr guter. Im übrigen würde in diesem Fall Dienstleister entstehen, die das Sammeln und Analysieren übernehmen würden, es wäre also auch keine echte Lösung.

    Bei Lindner klang es auch so an, als ob der Staat die treibende Kraft des Big Data gewesen wäre. Das ist falsch, die Internetgiganten wie Google, Facebook & Co mussten ihre enormen Datenmengen beherrschbar machen, sie waren der Motor der Entwicklung. Die Dienste haben diese Technologie nur dankbar übernommen. Der freie Markt wird Big Data nicht abschaffen, sondern weiter entwickeln. Der Grund ist einfach: für die Unternehmen sind diese Datenquelle ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, sie können ihre Produkte individueller bewerben und die Kommunikation mit dem Kunden passgenauer führen. Auch der Kunde hat Vorteile, er wird geführt und muss sich um fast nichts kümmern. Ich weiß das, denn ich habe meine Daten in einer eigenen Cloud und ich muss immer alles per Hand synchronisieren. Ich kann nicht einfach klicken und fertig (und dabei eine meterlange, sich ständig ändernde Datenschutzerklärung zustimmen).

    Der freie Markt ist keine Antwort auf Big Data. Es ist einfach nur so, dass gesagt wird: was bezahlt wird ist gut, also auch Big Data, und wer über das Netz kommuniziert ist ohnehin selbst schuld. Wenn Lindner das gesagt hätte, wäre es ok, alles andere ist Politikersprech.

  • Simsim 28. April 2014, 16:22

    Great hammer of Thor, that is poeulfwlry helpful!

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