Christian Lindner bekämpft in der Schule die Gruppe Wagner und verteidigt den Ruf linker Politiker*innen in der ungleichen Polizei von DC – Vermischtes 27.12.2021

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Schulden? Mach ich!

In dieser Woche hat Lindner seinen ersten Haushalt als Finanzminister vorgelegt – und tut nun genau das, was er kritisiert hat. Lindner nutzt bestehende Kreditermächtigungen, um einen Vorrat anzulegen. In Höhe von immerhin 60 Milliarden Euro. Nur dass genau das auf einmal seriös sein soll. Meint Lindner. […] Andererseits hat das Regieren schon bei so manchem Politiker den Blick für die Realitäten geschärft. Auffällig ist jedenfalls, dass führende Liberale neuerdings lieber über Investitionen reden als über Sparprogramme und Lindner sein Ministerium als ein „Ermöglichungsministerium“ verstanden wissen will. Das hätte so auch Kevin Kühnert sagen können. Im angelsächsischen Sprachgebrauch gibt es den Ausspruch Only Nixon could go to China. Er bezieht sich auf einen Peking-Besuch des damaligen amerikanischen Präsidenten Richard Nixon in den Siebzigerjahren. Gemeint ist: Nur ein antikommunistischer Hardliner wie Nixon konnte eine solche Reise unternehmen, ohne in den Verdacht zu geraten, dem ideologischen Gegner in die Hände zu spielen. Vielleicht wird man irgendwann einmal sagen, dass nur jemand wie Lindner es mit Blick auf die Schuldenbremse ein wenig lockerer angehen konnte. (Mark Schieritz, ZEIT)

Ich hoffe wirklich, dass Lindner im Finanzministerium ein „Only Nixon can go to China“-Moment wird, in dem ein lange aus politischen Gründen blockierter Pfad plötzlich frei wird, weil sich die bisher in der Opposition befindliche Partei plötzlich in der Pflicht sieht und sich so das vorherige Schreckgespenst, mit dem man die Regierungspartei lähmte, nicht mehr aufrechterhalten lässt. Wo der selbstinzenierte harte Kalte Krieger Nixon der einzige war, der den seit 1949 (!) bestehenden Stillstand in den amerikanisch-chinesischen Beziehungen beenden und die Fiktion von Taiwan als Hauptstadt Chinas ad acta legen konnte; wo „the first black president“ Bill Clinton es war, der eine große Sozialstaatsreform durchdrücken konnte (oder Schröder oder Blair); so könnte Lindner derjenige sein, der das Feigenblatt bereitstellt, einen der größten policy-Missgriffe der bundesdeutschen Geschichte zu beseitigen.

Das ist für die FDP natürlich eine gefährliche Lage. So sehr gerade im konservativ-liberalen Lager die SPD für die Agenda2010 gelobt wird, so sehr ist doch allen bewusst, welche Konsequenzen diese für die Partei hatte. Und weder konnte die SPD vom Lob des BDA sich etwas kaufen, noch wird die FDP sonderlich davon profitieren, wenn die Rosa-Luxemburg-Stiftung sie lobt. Aber manchmal ist es eben notwendig, solche Schritte zu gehen. Hoffen wir, dass Lindner den Mut und die Durchsetzungskraft hat, das zu tun.

2) Wie real ist das Schreckgespenst der „Lohn-Preis-Spirale“?

Allerdings scheint es den meisten Apologeten der Lohn-Preis-Spirale ohnehin weniger um die Belange der Beschäftigten zu gehen als um die Kritik an einer – aus ihrer Sicht – seit Langem fehlgeleiteten Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. […] Wie so oft wird hier eine theoretische Möglichkeit in der Zukunft als ein gleichsam unumstößlicher „So wird es kommen“-Tatbestand ausformuliert. Aber Sinn macht am Ende seines Beitrags auch deutlich, um was es ihm und anderen Vertretern dieses einen Lagers in der Volkswirtschaftslehre wirklich geht: Es muss „den Staaten Europas und der EZB jetzt ein eindeutiges Haltesignal für weitere mit der Druckerpresse finanzierte Verschuldungsorgien gesetzt werden“. […] Erfreulicherweise scheinen allerdings die Zeiten, in denen die Angst vor einer galoppierenden Inflation weitestgehend unwidersprochen in deutschen Medien verbreitet werden durfte, vorbei zu sein. So gab es in den letzten Wochen eine Vielzahl von Berichten, in denen die andere Seite der Debatte hervorgehoben wird. […] Wie auch immer sich die Inflation in Zukunft also entwickeln wird, klar ist, dass sie auch eine sozialpolitische Komponente hat, die es in den Diskussionen über die Preisentwicklung immer zu berücksichtigen gilt – und zwar unabhängig davon, ob man die gegenwärtige Debatte nun für ein Schlossgespenst hält oder nicht. (Stefan Sell, Makroökonom)

Ich habe bereits in einem eigenen Artikel darüber geschrieben, dass wir einen Paradigmenwechsel haben. Allein das Raunen über Inflationsgefahren hätte vor wenigen Jahren noch dazu gereicht, sämtliche Politiker*innen in ihre Löcher zu schicken. Inzwischen ist es zu einem stumpfen Schwert geworden. Übrigens: Adam Tooze gibt im Chartbook viel Hintergrundanalyse zum Wechsel an der Bundesbankspitze im Speziellen und der Rolle der Bundesbank im Allgemeinen, für die, die das interessiert.

3) Mehr Realität wagen

Für einen Protagonisten der Berliner Politik hat sich Rolf Mützenich auf besondere Weise das Weltbild seiner Jugend bewahrt. Nach einem in der Nachkriegszeit präzedenzlosen russischen Aufmarsch gegen die Ukraine und einer Kaskade von Drohungen aus Moskau forderte er tatsächlich am Montag beide Seiten zur Deeskalation auf. Das ist so absurd, dass wir trotz der ernsten Lage darüber kurz schmunzeln dürfen. Mützenich gibt den pazifistischen Alleinunterhalter. Hinter seiner Forderung steht jedoch eine tiefer liegende Problematik. Die deutsche Außenpolitik operiert immer wieder mit Grundannahmen, mit denen man sicher einstmals in Seminaren der „kritischen Friedensforschung“ reüssieren konnte, die sich aber in der osteuropäischen Wirklichkeit nicht wiederfinden. Dazu gehört die Überzeugung, dass stets beide Seiten ein gleiches Maß an Verantwortung für einen diplomatischen Konflikt tragen. Der Fall, dass ein Aggressor einen anderen Staat aus reiner Machtgier überfällt, ist leider nicht vorgesehen. […] Tatsächlich schreibt diese deutsche Position die russische militärische Überlegenheit fort – sie bedeutet also, dass Berlin explizit für Moskau Partei ergreift, weil es der Ukraine Verteidigungswaffen verweigert. Das Embargo stärkt die Position des Aggressors und macht – mangels Abschreckung – einen militärischen Konflikt wahrscheinlicher. Doch dieser Realität verweigert sich die Ampel. (Christian Behrends, Salonkolumnisten)

Die außenpolitische Positionierung der SPD ist echt unterirdisch. Wenn man solche Aussagen von Mützenich liest, kann man ja echt froh sein, dass nicht der „profilierte Verteidigungspolitiker“, sondern die unbeleckte Christine Lamprecht Verteidigungsministerin wurde. Ich würde schwer vermuten, dass gerade so harsche Positionierungen (und auch die Attacken gegen den Koalitionspartner) mit ein Grund sind, warum Mützenich das Ministeramt, das er so offensichtlich wollte, nicht bekommen hat.

Dabei könnte Deutschland durchaus eine konstruktive Rolle auf der diplomatischen Ebene spielen. Man nehme nur diese amerikanische Perspektive, die sich durch geradezu absurde Naivität bezüglich der zentralen Blockadehaltung Deutschlands auszeichnet. Wäre Deutschland nicht so ein Blockierer, was das angeht, und würde sein außenpolitisches Gewicht verantwortungsvoller nutzen, wäre tatsächlich mehr möglich als jetzt. So aber?

4) Wo wir die Demokratie verlernen? In der Schule!

Dabei wird den Schulen (zu recht!) eine entscheidende Rolle zugesprochen, uns politisch zu bilden. Deshalb ist die erste Forderung nach jedem brennenden Heim für Geflüchtete, jedem Angriff auf gewählte Politiker:innen, jedem unerwartet guten Abschneiden der AfD: Wir brauchen mehr Demokratiebildung in den Schulen! Das sichert zustimmendes Kopfnicken von allen Seiten (außer von rechts). Die Forderung ist natürlich richtig. Das Problem: Kaum etwas in deutschen Schulen ist so verlogen wie unser halbherziger Versuch, den Jugendlichen Demokratie beizubringen. Die gute Nachricht: Es braucht keine großen Reformen oder Unmengen an Geld – die Schulen könnten sofort anfangen, das zu ändern. Als ich die Schule verlassen habe, war mein Wissen um unsere Demokratie in erster Linie: sehr theoretisch. Im Politikunterricht habe ich gelernt, wie unser politisches System funktioniert, wie sich der Bundestag zusammensetzt, wer wen wählen darf, welche Kontrollinstanzen es gibt, wie das Parteiensystem funktioniert, und ich hoffe, du bist jetzt nicht direkt eingeschlafen. Politikunterricht kann ganz schön langweilig sein. Aber Demokratie kann man nicht auswendig lernen. Ich kann alles über das demokratische System wissen und trotzdem davon überzeugt sein, dass meine eigene Stimme nichts verändern kann. Echte Demokratiebildung findet deshalb nicht in einem Fach statt, sondern in allen Fächern, und nicht nur theoretisch, sondern durchs Machen. (Brent Freiwald, Krautreporter)

Vollkommen korrekte Sicht der Dinge. Die SMV und Schulkonferenzen wurden in den 1970er Jahren mit hohen Hoffnungen gestartet („Mehr Demokratie wagen“, wir erinnern uns), aber leider wurde auf diesem Fundament nie weiter aufgebaut. Stattdessen blieb man beim absoluten vom Gesetz festgeschriebenen Minimum und ließ zu, dass diese Institutionen in der Bedeutungslosigkeit verschwanden (was übrigens auf Astas und andere Studierendenvertretungen ebenso zutrifft, die zwar eine Spielwiese von Nachwuchspolitiker*innen und solchen, die sich dafür halten, sind, aber wenig realen Einfluss aufweisen und mit Wahlbeteiligungen im einstelligen Bereich umherdümpeln). Demokratie kann man nur durchs Machen lernen, und da ist leider sehr wenig Spielraum.

5) The Fallen Mercenaries in Russia’s Dark Army

Wagner’s mercenaries have been fighting on the side of the separatists in eastern Ukraine, propping up Bashar al-Assad’s dictatorship in Syria and backing the warlord Gen. Khalifa Haftar in Libya, as well as fighting anti-government rebels in the CAR. They have also been deployed to Sudan, initially in support of since-ousted dictator Omar al-Bashir, and Mozambique, where they mounted a disastrous and swiftly abandoned offensive against Islamist insurgents. […] Svetlana received the news of her son’s death more than a month after it happened. She was working at the time in Poland. She says she doesn’t have any recollection of what happened next or how she traveled back to Odessa and from there to Rostov to visit the grave. In Rostov she was allowed just 24 hours to pay her respects. “If you want to remain on good terms with us, don’t ask us any questions,” she says she was told. If she kept asking questions, she was told, she wouldn’t ever be able to cross the Russian border again to visit her son’s grave. […] All of them are men, most lacking more than a meager education; age ranges vary between 18 and 50, but most fighters are ages 25 to 30. They come from unstable home lives in which steady or reliable role models are often absent. They prefer isolation to company and tend not to trust other people. They find it hard to create or maintain friendships or start families. “Another unifying element is a lack of empathy,” Turuta says. “They are unable to control their emotions, and they are cold in communicating. That is the main reason why these people are able to kill.” […] “If they need to recruit 100 people tomorrow to do something illegal in Europe, these people will fly in dressed in civilian clothes in groups of two to five men. They will assemble, put on uniforms and take up arms. One small group can very quickly destabilize the situation in any country. That is the real danger of Wagner.” (Michael Weiss/Holger Roonemaa/Mattias Carlsson/Liliana Botnariuc/Pierre Vaux, New Line)

Die Gruppe Wagner wird in letzter Zeit immer wieder genannt. Ob in Libyen oder Syrien, in der Ukraine oder Tschetschenien, wo im Auftrag des Kreml völkerrechtswidrig Gewalt angewendet werden soll, sind sie dabei. Die Folgen für die Betroffenen, wie sie in der Reportage eindringlich geschildert werden, sind erschütternd. Besonders aber die letzten hier zitierten Zeilen sind aufällig: der Kreml nutzt die Söldnertruppe als leicht zu leugnendes Element in Konflikten, in denen destabilisiert werden soll. Das sieht man in unmittelbar europäischer Nachbarschaft vor allem in der Ukraine, in der Wagner ein großes Element der „Separatisten“ stellt, die gegen die Regierungstruppen kämpfen.

6) DC Police Tried to Fire 24 Current Officers for ‘Criminal Offenses.’ A Powerful Panel Blocked Nearly Every One, Documents Show.

Internal records show that MPD’s Disciplinary Review Division sought to terminate at least 24 officers currently on the force for criminal misconduct from 2009 to 2019. In all but three of those cases, the records show, the Adverse Action Panel blocked the termination and instead issued much lighter punishment – an average of a 29-day suspension without pay. These officers amassed disciplinary records for domestic violence, DUIs, indecent exposure, sexual solicitation, stalking and more. In several instances, they fled the scenes of their crimes. The disciplinary files, obtained by Reveal from The Center for Investigative Reporting and WAMU/DCist, provide a rare glimpse into how police officers avoid accountability and remain on the force, even after the department’s own internal affairs investigators have determined they committed crimes. The records have never before been made public. […] The department did not seek to terminate the other 40 officers, more than half of whom the Internal Affairs Division believed had been driving either drunk or recklessly. Other criminal conduct the department did not try to fire current officers for included recklessly handling a firearm, harassment, property damage, stalking and theft. […] Other personnel files show that an internal investigation concluded that Officer Steven Ferris was arrested for simple assault in 2012 after Internal Affairs reported he confessed that he punched his wife so hard that he fractured a bone around her eye socket. Another officer, Jonathan Goodman, allegedly hit two women at a restaurant in 2010; when one of them said she was calling the cops, he pulled out his badge and replied, “Bitch, I am the police,” according to the files. (Dhruv Mehrotra, Jenny Gathright and Martin Austermuhle, Reveal News)

Eines der leider unzähligen Beispiele für die Dysfunktionalität der meisten amerikanischen Polizeien. Die Strukturen schützen systematisch Straftäter und verschaffen den Beamt*innen eine Aura der Immunität, die zu mehr Straftaten führt. So schlecht die Überprüfung und Rechenschaft bei der deutschen Polizei auch ist, sie kommt nicht annähernd an die Zustände in den USA heran, wo die Leute in Blau einen regelrechten Staat im Staat darstellen, der zunehmend mit der republikanischen Partei verbandelt ist (man denke nur an die „Blue Lives Matter“-Bewegung).

7) Sascha Lobo: „Auf den Datenschutz bin ich gerade etwas wütend“

Was meinst Du mit „Dysfunktionalität Deutschlands“?

Wir haben eine komplette Überbürokratisierung und unglaublich lange Zyklen von Erneuerung. Wir haben – nicht nur, aber auch – aus Altersgründen gegenüber bestimmten digitalen Entwicklungen eine gewisse Abwehrhaltung weiter Teile der Bevölkerung. Wir haben eine Dysfunktionalität bezüglich komplett versaubeutelter Langzeit-Bauprojekte, die zwischen Bürokratisierung, mangelnder Digitalisierung und mangelnder Einsicht ganzer Teile der Verwaltung und Administration entsteht. Das sind alles Mechanismen, die ich als ein Fundament der Dysfunktionalität dieses Landes betrachte. Das ist ein Amalgam aus „wir können nicht“, „wir wollen nicht“ und „wir haben auch keine Lust, das zu ändern“. Und diese Dysfunktionalität wird jetzt während der Pandemie extrem deutlich. […]

Ein solches Vorgehen hätte in Deutschland vermutlich die Datenschützer auf den Plan gerufen.

Das ist eine Verhinderungsbürokratie. Alle Datenschützer springen ständig aus dem Busch und sagen: „Nee, wir haben nichts verhindert im Coronabereich.“ Das halte ich einfach für Bullshit. Die Drohkulisse, die im Datenschutzkontext aufgebaut worden ist, hat dazu geführt, dass in den Behörden lieber nichts gemacht wurde. Dann einfach das Fax weiterbenutzen, weil das ja datenschutzkonform ist, was übrigens so nicht mehr stimmt. Die Bremer Datenschutzbeauftragte hat in diesem Jahr nämlich festgestellt, dass das Fax heute eben nicht mehr datenschutzkonform ist. Ich wünschte, ich würde mir das alles ausdenken, was aber leider nicht so ist. Aber lass uns nicht über Datenschutz sprechen, da bin ich einfach gerade etwas wütend.

Welche Rolle hat Angela Merkel für das Scheitern der Digitalisierung in Deutschland gespielt?

Angela Merkel hat radikal auf Stabilität gesetzt, obwohl man eigentlich den Wandel hätte provozieren, begleiten und ausgestalten müssen – und zwar nicht nur im Bereich der Digitalisierung. Irgendwann ist der Wandeldruck so groß, dass Stabilität dann nur noch eine Art „Tanz um sich selbst“ ist. Und nur wenn man das Digitale nicht wertschätzt und die Funktion des Digitalen nicht auch als mögliche Weiterentwicklung begreift, nur dann lässt sich diese Merkel’sche Definition von Stabilität überhaupt weiter aufrechterhalten. Ich habe nichts gegen Stabilität, aber: Stabilität braucht dringend ein Update. (Luca Caracciolo, Heise)

Ich bin zu 100% bei Lobo. Der deutsche Datenschutz ist vollkommen übersteuert, und mehr noch: Er hat mittlerweile eine mystische Qualität angenommen. Es weiß längst niemand mehr, was eigentlich im Datenschutz überhaupt geregelt ist, aber jede*r hat eine grobe Vorstellung, was einen Datenschutzverstoß darstellen KÖNNTE und benimmt sich entsprechend. Was durch diese Schere im Kopf alles verhindert wird, geht auf keine Kuhhaut. „Können wir nicht machen wegen Datenschutz“ ist eine Phrase, die man praktisch wöchentlich hört, ob es stimmt oder nicht. Das ist ein Ausmaß an versemmelter Kommunikation, da kommt allenfalls die Pandemiepolitik mit.

Auch Merkels Rolle in dem Drama der blockierten – von „verschlafen“ kann man wirklich nicht mehr reden, da steckt Absicht dahinter – Digitalisierung Deutschlands arbeitet Lobo vollkommen korrekt heraus. 16 Jahre Stillstand betreffen nicht nur diesen Sektor, aber zusammen mit der Klimawandel fällt es hier am stärksten auf. Auch die Überbürokratisierung mancher Vorgänge ruft keinen Widerspruch hervor. Hier liegt DAS Betätigungsfeld der FDP, und ich hoffe wirklich, dass sie es nutzen können.

8) Ökonomen unterschätzen systematisch das Problem der Ungleichheit

Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IWF) beschäftigen sich seit Jahren zunehmend kritisch mit den Auswirkungen von Ungleichheit. So sorgte etwa eine IWF-Studie für Aufsehen, wonach geringere Einkommensungleichheit mit höherem Wirtschaftswachstum im Zusammenhang steht. Umverteilung sei hinsichtlich ihrer Wachstumswirkungen weitgehend unbedenklich, lautete die Schlussfolgerung Deutschland ist global das einzige große Land, das seit vielen Jahren dauerhafte, exzessive Leistungsbilanzüberschüsse aufweist – und das hängt ganz wesentlich mit hoher Ungleichheit zusammen, wie IWF-Forschung zeigt. Steigende Unternehmensgewinne bei hoher Vermögenskonzentration seien für 90 Prozent des Anstiegs der privaten Sparquote und für ein Drittel des Anstiegs des Leistungsbilanzüberschusses verantwortlich. Es ist gut, dass Ungleichheit mittlerweile einen Stammplatz in der Forschung von Makroökonomen hat – aus Sorge um Wachstum, Beschäftigung und wegen Ungleichgewichten und Finanzmarktentwicklungen. Doch die Politik muss daneben auch beachten, dass Ungleichheit weitere Problemdimensionen hat, etwa wegen reduzierter Chancengleichheit und sinkender demokratischer Partizipation von Menschen am unteren Rand der Einkommens- und Vermögensverteilung. (Philipp Heimberger, Handelsblatt)

Das ist eine dieser vielen Debatten, in denen eine Konsensfindung mittlerweile praktisch unmöglich ist. Beide Seiten können jederzeit mit Studien und Expertisen aufwarten, die jeweils das genaue Gegenteil der anderen Seite belegen. Hier sieht man einmal mehr den Paradigmenwechsel, denn noch vor zehn Jahren war das Bild da deutlich einseitiger.

Ich bin, wenig überraschend, eher auf der Seite derjenigen, die dafür argumentieren, dass Ungleichheit sehr wohl ein Problem in Deutschland ist, aber überzeugende Belege kann ich dafür leider nicht offerieren, schon gar nicht für diejenigen, die vom Gegenteil überzeugt sind. Letztlich ist das aber auch irrelevant. Entscheidend sind die politischen Mehrheitsverhältnisse, denn genauso wie bei Virolog*innen werden wissenschaftliche Erkenntnisse zwar gerne zitiert, wenn sie in den eigenen Kram passen, aber Politik macht man dann am Ende doch nach anderen Kriterien.

Maurice Höfgen erklärt übrigens zur Thematik, quasi als Komplementärstück, dass Linke dafür systematisch die Rolle der Vollbeschäftigung unterschätzten. Ich bin mir etwas unsicher, was er damit meint, vielleicht hat ja jemand in den Kommentaren eine Idee.

9) Kooperation mit AfD? Merz droht mit Parteiausschluss

Der designierte CDU-Vorsitzende Friedrich Merz will eine Kooperation seiner Partei mit der AfD verhindern. „Mit mir wird es eine Brandmauer zur AfD geben“, sagte Merz dem „Spiegel“. „Die Landesverbände, vor allem im Osten, bekommen von uns eine glasklare Ansage: Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an.“ Er werde im Verhältnis zur AfD von Anfang an sehr konsequent sein. „Wir sind nicht die XYZ-Partei, die mit jedem kann. Wir sind die CDU.“ Franz-Josef Strauß habe mal gesagt, dass eine Jacke, die man einmal falsch zuknöpfe, sich oben nicht mehr korrigieren ließe. „Da hatte er recht.“ (rtr, T-Online)

Ein weiterer „Only Nixon can go to China“-Moment, den wir hier sehen. Es ist ohnehin atemberaubend, wie Merz sich gerade als CDU-Vorsitzender neu erfindet (Stichwort Adoptionsrecht für Homosexuelle). Genauso wie bei Lindner ist das eine positive Überraschung, und ich nehme den gewandelten Merz jederzeit vor dem randständigen Feuerspucker. Auffällig finde ich, dass Merz hier en passant eine wesentlich schärfere Politik rausgibt als Annegret Kramp-Karrenbauer. Die stürzte seinerzeit darüber, dass sie versuchte, die Thüringer CDU von der Zusammenarbeit mit der AfD abzubringen, was als inakzeptabler Eingriff in die Autonomie des Landesverbandes galt. Merz verkündet jetzt einfach so den Parteiausschluss, und keine Wimper zuckt. Nixon went to China, indeed. Und nebenbei: ich verstehe die Jackenmetapher nicht. Ich kann die Jacke doch jederzeit wieder aufknöpfen und richtig zumachen?

10) Biden Won Big With a Bad Hand

Relative to its strength in Congress, the Biden administration has proved outstandingly successful. In 11 months, Biden has done more with 50 Democratic senators than Barack Obama did with 57. He signed a $1.9 trillion COVID-relief bill in March 2021: $1,400-per-person direct payments, $350 billion in aid to state and local governments, an extension of supplemental unemployment-insurance benefits and subsidies under the Affordable Care Act. He signed a $1 trillion infrastructure bill in November. He signed some 75 executive orders, many of them advancing liberal immigration goals. He’s also won confirmation for some 40 federal judges, more than any first-year president since Ronald Reagan, and twice as many as Donald Trump confirmed in his first year with a 54-vote Senate majority. Indeed, from a progressive point of view, it’s a miracle that he did not bump into those constraints even sooner than he did. Had Trump accepted defeat in November with any kind of grace or decency, Republicans would surely have held at least one of the two Georgia Senate seats, and President Biden would have had to negotiate his agenda past Senate Majority Leader Mitch McConnell. It’s bad psychology and worse political science to use electoral outcomes to make grand pronouncements about public opinion. But if we should be very careful in our statements about what voters wanted, we can easily see what the electoral system delivered. That system delivered a decisive repudiation of the Trump presidency in the presidential election in November, then a repudiation of the Trump post-presidency in Georgia in January. Beyond that, however, the system did not deliver the opportunity for progressive change that it delivered in 2008, let alone in 1964 or 1932. (David Frum, The Atlantic)

Mir geht diese doom&gloom-Berichterstattung aus demokratischen Kreisen auch reichlich auf den Zeiger. Die Partei hat immens viel erreicht, genauso wie 2009 auch schon. (Wer weitere Quellen in diese Richtung will: Kevin Drum stößt in dasselbe Horn, ebenso Matthew Winkler von Bloomberg.) Damals haben sie auch alles zerredet. Die Republicans würden in der gleichen Lage auf den Dächern tanzen. Niemand kann so gut Wahlkampf gegen die Democrats machen wie die Democrats.

Jonathan Chait hat das Phänomen der Unzufriedenheit mit den eigenen Präsidenten schon 2011 beschrieben. Leider hat sich daran seither wenig verbessert. Dieser Drang, alles ganz furchtbar zu finden, ist etwas sehr linkenspezifisches. Ich habe das (witzigerweise ebenfalls 2011) auch schon analysiert, in einem Artikel, der mir, zusammen mit meiner Liebeserklärung an Amerika, die bleibende Feindschaft der damaligen Spiegelfechter-Community eingebracht hat. Denn wenn Linke etwas lieben, neben dem Schlechtreden der eigenen Erfolge, dann das Exkommunzieren vermeintlicher Ketzer*innen. Aber ich schweife ab.

11) The myth of the greatest generation

Even so, the project strikes a blow against the sanitized version of World War II promoted by media figures like news anchor Tom Brokaw, who popularized the term „greatest generation.“ In a provocative recent book, historian Elizabeth D. Samet argues that nostalgia for a glorious national effort in defense of worldwide freedom and democracy has distorted American politics for at least half a century. In pursuit of the cohesion and purpose that we think we enjoyed between 1941 and 1945, we translate every problem, foreign or domestic, into the idiom of the Second World War. That’s led to mixed and sometimes disastrous results in both real and metaphorical conflicts, including this century’s War on Terror. The problem isn’t just that specific historical analogies don’t work (not every foreign policy dispute is another Munich, not every strongman ruler is another Hitler). It’s that the mythology of collective redemption through violent struggle sets expectations that can never be realized, encouraging a cycle of idealistic overreach followed by disappointed pessimism. […] Partly inspired by genuine historical interest, immersion in the „good war“ of the past could also be a compensation for uncertainty and upheaval younger Americans wrongly believed was specific to the second half of the 20th century. That’s why the 1990s saw an explosion of World War II-themed popular culture, much of it produced by and for men in late middle age. (Samuel Goldman, The Week)

Diese Obsession mit der „Greatest Generation“ ist ein amerikanisches Ding, und sie wird hier im Artikel ziemlich gut auseinandergenommen. Ich würde an der Stelle noch darauf hinweisen, dass alle am Krieg beteiligten Staaten ähnliche Narrative pflegen. In Großbritannien ist es weniger eine Generationenfrage als eine gesamtgesellschaftliche Verklärung: man hat gemeinsam alles durchgestanden, Klassenunterschiede überwunden und mit plucky Britishness den Blitz überstanden. Nichts davon ist wahr, und als politisches Narrativ richtete es mindestens schon so viel Schaden an wie die „Greatest Generation„. In Russland wird die Identität der anderen Sowjetrepubliken vollkommen ausradiert (obwohl die Mehrzahl der sowjetischen Kriegstoten nicht russisch war) und jede Individualität gegenüber einem kollektiven Heldengedenken ausradiert, dem man sich nicht in den Weg stellen darf. In Frankreich waren alle im Widerstand, in Deutschland wussten alle von nichts. Und so weiter und so fort.

{ 85 comments… add one }
  • Marc 27. Dezember 2021, 10:53

    8) Entscheidend sind die politischen Mehrheitsverhältnisse, denn genauso wie bei Virolog*innen werden wissenschaftliche Erkenntnisse zwar gerne zitiert, wenn sie in den eigenen Kram passen, aber Politik macht man dann am Ende doch nach anderen Kriterien.

    Die unterschiedliche Politik hat fundamental andere Konsequenzen, die objektiv messbar sind. Für die Ungleichheit sind das Gini-Koeffizient und der Zusammenhang zur gesellschaftlichen Spaltung und Radikalisierung, sowie das Thema der Vermögenskonzentration und ihrer Bestreuerung.
    Ebenso sind bei Corona die Folgen der Pandemiemaßnahmen objektiv messbar. Deutschland hat 1.300 Tote pro Millionen Einwohner, bei Australien sind es nur 84. Auch die Kosten sind messbar. Eine vernünftige Diskussion wäre daher, wie man die notwendigen Kosten durch strategische Maßnahmen, wie Lockdowns ins Ferien, reduzieren könnte.

    Der Unterschied zwischen Ideologie und vernünftiger Politik ist, sich über objektive Kriterien der politischen Maßnahmen zu einigen. Dieser Punkt wird von Ideologen heftigst bekämpft, da hierdurch die Ideologie gefährdet wird. Es wird immer auf unwissenschaftliche Konstrukte wie Moral, Verantwortung oder eine ominöse Freiheit verwiesen, um klar messbare Faktoren, wie Gini-Koeffizient oder Corona-Tote und deren politisch kontrollierte Steuerung diskutieren zu müssen.

    7) Der Datenschutz ist kein Problem. Das sieht man z.B. auch im Vergleich zur Luca App und der Corona Warn App. Beide Ansätze, sowohl Austausch der Kontakt-Daten mit dem Gesundheitsamt wie Anonymisierung, haben nicht die gewünschte Wirkung entfalten können. Beide scheiterten an einem ganz anderen Ende: der Geschwindigkeit der Umsetzung. Der Weg vom Alarm bis zur Quarantäne war bei beiden zu lange. Vom Symptom zur Testung, zum Ergebnis, zur Meldung bis zur Alarmierung durch Gesundheitsamt oder App vergehen immer zuviele Tage, in der sich das Virus ungehindert verbreiten konnte.

    Mangelnder Datenschutz heißt immer, dass das Software-Produkt unzureichend ist. Gut durchdachte und strukturierte Software wird fast ausnahmslos datenschutzkonform sein. Es ist ein Merkmal der Softwarequalität. Daher hat auch die Corona Warn App eine bessere Qualität als die Luca App, wie der Chaos Computer Club belegt:

    https://www.ccc.de/de/updates/2021/luca-app-ccc-fordert-bundesnotbremse

    • Stefan Sasse 27. Dezember 2021, 12:49

      8) Ich wette mit dir, dass hier einige Leute überzeugend dagegen argumentieren können.

      7) Der Datenschutz wurde ständig als Begründung für die langen Umsetzungszeiten genannt. Übrigens auch bei niedrigschwelligeren Versuchen wie der Cosima-Warn-App.

    • Thorsten Haupts 28. Dezember 2021, 12:48

      Die unterschiedliche Politik hat fundamental andere Konsequenzen, die objektiv messbar sind.

      Yup, exakt das war der Ansatz, der z.B. in den Leninschen und Stalinschen Terrorstaat geführt hat. Es liess sich ja objektiv und wissenschaftlich beweisen, dass der Sozialismus besser war, als der Kapitalismus, also konnten Kritiker nur böswillige Schädlinge sein.

      Mich friert es bei solchen Aussagen, aber ich bin ja auch nur ein alter Reaktionär.

      Und zur „Objektivität“ von Corona schmeisse ich einfach mal das hier ab:

      https://twitter.com/KilezMore/status/1475745576994185216

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      • Stefan Sasse 28. Dezember 2021, 13:06

        Na, das ist so nicht korrekt. Der Leninsche und Stalinsche Terrorstaat waren weit von irgendwelchen objektiven Messbarkeiten entfernt.

        • Thorsten Haupts 28. Dezember 2021, 16:36

          Das Fundament war das gleiche – die felsenfeste Überzeugung, etwas politisches/soziales liesse sich „beweisen“ und „objektiv überprüfen“, weshalb gegen Abweichungen jede Massnahme zulässig war.

          Der Marxismus ist – das zuminest glauben seine Anhänger bis heute – historisch notwendig und wissenschaftlich beweisbar. Weshalb Nichtmarxisten wahlweise nur schlecht gebildet (das liess sich „korrigieren“) oder eben bösartig bzw. Agenten des Kapitalismus waren.

          Gruss,
          Thorsten Haupts

          • Stefan Sasse 28. Dezember 2021, 18:28

            Ja, aber das ist ein deutlicher Unterschied zu Empirie. Der Marxismus in seinen Spielarten war eine theoretische „Wissenschaft“.

            • Erwin Gabriel 29. Dezember 2021, 14:56

              @ Stefan Sasse 28. Dezember 2021, 18:28

              Ja, aber das ist ein deutlicher Unterschied zu Empirie. Der Marxismus in seinen Spielarten war eine theoretische „Wissenschaft“.

              Da magst Du Recht haben, aber ich verstehe den Punkt von Thorsten sehr gut. Marxismus ist zwar eine Theorie, aber der wissenschaftliche Anspruch war da, ebenso die vielen schmerzhaften Versuche, das zu „beweisen“.

              Es wurden stets viele Gründe angeführt, warum das nie geklappt hat, aber eine aufgrund menschlicher Gegebenheiten untaugliche Theorie war nie bei den Begründungen enthalten (zumindest nicht bei den Marxismus-Befürwortern).

              Ich kann gewisse Parallelen zu den Verkündern wahrer Corona-Lehren durchaus nachvollziehen. Auch dort ist nie die Theorie das Problem, wenn sich mal wieder eine Vorhersage nicht erfüllt, sondern stets sind es externe Umstände (bis hin zu der Annahme, dass ein vorzeitiges Auslaufen der Corona-Welle noch vor Beginn von verkündeten Maßnahmen erklärt wurde mit einem „vorauseilendem Gehorsam“ der deutschen Bevölkerung, die sonst durch zu niedrige Impfquoten und Corona-„Querdenker“ ausgebremst wird).

              • Stefan Sasse 30. Dezember 2021, 09:01

                Ich weiß worauf es rausgehen soll, aber der Vergleich hinkt so sehr, dass er nicht mehr instruktiv ist. Die Kommunisten haben mörderische Diktaturen und Polizeistaaten errichtet. Der Marxismus wurde zu Theologie: endlose Exzegese der Texte von Marx, Lenin und Stalin, aber keine Weiterentwicklung. Und so weiter. Das lässt sich alles überhaupt nicht auf die aktuelle Situation anwenden. Für unseren Clusterfuck sind politische Gründe völlig ausreichend, da brauch ich keine Wissenschaftstheologie drüberkonstruieren.

                • Erwin Gabriel 30. Dezember 2021, 12:12

                  @ Stefan Sasse 30. Dezember 2021, 09:01

                  Die Kommunisten haben mörderische Diktaturen und Polizeistaaten errichtet.

                  Ich stimme zu: Dass der Kommunismus extrem mörderisch war und sich dadurch jeder direkte, ernstgemeinte Vergleich mit der heutigen Situation verbietet, darüber sollte es keine zwei Meinungen geben.

                  Der Marxismus wurde zu Theologie: …

                  Diese Parallele sehe ich halt auch hier. Besonders beim extremen Teil der Maßnahmen-Verweigerer, aber durchaus auch beim extremen Teil der Befürworter.

                  Davon ab timme ich Dir ja zu.

                  • Stefan Sasse 30. Dezember 2021, 22:48

                    Wie gesagt, mir ist das zu verschiedenartig. Der Kommunismus hat eine Latte heiliger Texte; die Schwurbler haben Youtube.

                    • Erwin Gabriel 31. Dezember 2021, 20:29

                      @ Stefan Sasse 30. Dezember 2021, 22:48

                      Wie gesagt, mir ist das zu verschiedenartig. Der Kommunismus hat eine Latte heiliger Texte; die Schwurbler haben Youtube.

                      … mit „heiligen“ Verkündern der Lehre auf beiden Seiten … 🙂

                      Ich kann aber akzeptieren, dass Du die beiden (bzw. drei) Bewegungen nicht auf eine Stufe stellen willst. Will ich ja auch nicht.

                    • Stefan Sasse 1. Januar 2022, 11:01

                      Supi 🙂

              • CitizenK 30. Dezember 2021, 17:22

                …„vorauseilendem Gehorsam“ der deutschen Bevölkerung…

                … könnte man auch als „Eigenverantwortung“ aus Einsicht interpretieren.

                • Erwin Gabriel 31. Dezember 2021, 20:27

                  @ CitizenK 30. Dezember 2021, 17:22

                  …„vorauseilendem Gehorsam“ der deutschen Bevölkerung…

                  … könnte man auch als „Eigenverantwortung“ aus Einsicht interpretieren.

                  WIE Du das nennst, ist mir eigentlich egal; wenn es Dir lieber ist, können wir gerne auch diese Formulierung verwenden.

                  DASS diese „Einsicht“ dazu führt, dass eine Corona-Welle schon mit der Ankündigung von Maßnahmen gebrochen wird, ist, was ich bezweifle.
                  Der mit Abstand größte Teil der Bevölkerung verhält sich so, dass jeder sich und andere möglichst schützt, ist geimpft, läuft beim Einkaufen mit Maske durch die Gegend, wäscht sich die Hände etc. (zu diesem Teil der Bevölkerung gehöre ich selbst).
                  Ein anderer, deutlich kleinerer Teil verweigert sich in weiten Bereichen den Maßnahmen etc. (für mich ist immer ziemlich irritierend, dass beispielsweise Du oder Marc stets so mit mir diskutieren, als wäre ich Teil dieser Gruppe).

                  Diese beiden Gruppen sind recht klar voneinander getrennt. Wenn nun neue Maßnahmen angekündigt werden, werden sich beide Teile praktisch genauso verhalten wie vorher: Der große Teil wird sich weiterhin schützen, und der kleine Teil macht weiter bestenfalls Dienst nach Vorschrift.

                  Aus diesem Grund ist diee Annahme, dass bereits die Ankündigung von Maßnahmen ausreicht, noch vor dem Einsetzen der Maßnahmen eine Welle zu brechen, weil die Bevölkerung die angekündigten neuen Maßnahmen noch vor Inkrafttreten bereitwillig antizipiert – ob ich das nun „vorauseilenden Gehorsam“ oder Du „Eigenverantwortung“ nennst – nur ein Aberglaube; da die Befürworter sich schon vorher vorsichtig verhalten haben, hat die Ankündigung allein auf sie keinen Einfluß; da die Ablehner dagegen sind, hat die Ankündigung allein auf sie keinen Einfluß.

                  Das war mein Punkt, dass sich einige mit fast religiösem Eifer Situationen schön doer schlecht reden, basierend auf Ihren Einstellungen und Werten, losgelöst von Fakten.

                  Ich bin übrigens immer noch Teil der Gruppe „Vorsicht“ 🙂

                  Guten Rutsch, Citizen
                  E.G.

  • Stefan Pietsch 27. Dezember 2021, 11:22

    1) Schulden? Mach ich!

    8) Ökonomen unterschätzen systematisch das Problem der Ungleichheit

    Ich binde beide „Themen“ zusammen, um zu zeigen, wie wenig von ökonomischen Zusammenhängen verstanden wird. Das ist ein tolles Beispiel. Man stellt dort keine Fragen, wo sie angebracht wären und reagiert dort auf Fragen, deren Antwort nicht in Frage steht.

    Worin besteht der Sinn höherer Verschuldung, die immerhin als Voraussetzung für den „Nixon“-Moment sein müsste? Die öffentliche Verschuldung im Euro-Raum liegt inzwischen bei 100%, einer Größenordnung, die bisher unisono als kritisch empfunden wurde. Mehr vo dem Kritischen? Das ist begründungspflichtig. Während die meisten führenden Notenbanken längst abgehen von der Nullzinspolitik und Aufkaufprogrammen für Staatstitel (und andere), sind der EZB, die die Geldstabilität im Gründungsvertrag trägt, die Hände gebunden.

    Jedem in der EZB wie Ökonomen ist klar, würde die EZB eine Kehrtwende einleiten, so wären Hochschuldenländer wie Italien, Belgien und Spanien sehr schnell pleite. Frankreich sähe sich einer prekären Finanzsituation gegenüber. Die Frankfurter Währungshüter können also nicht tun, wozu sie eigentlich verpflichtet wären. Sie ist politischer Akteur geworden. Jedem Befürworter der lockeren Geldpolitik wie der ausgeweiteten Schuldenpolitik ist eigentlich auch klar, eine Trendumkehr kann es nur geben, wenn die Hochschuldenländer entschuldet sind.

    Ganz überraschend schwebt den politischen Führungen dieser Länder vor, dass dies über die EU erfolgen sollte, was bedeutet, Deutschland überproportional in Haftung zu nehmen, der große Lender of Last Resort, der hier einspringen könnte, wenn es die eigene Bevölkerung nicht will.

    Nullzinsen und Vergemeinschaftung von Schulden führen zu einem realen Vermögenstransfer. Die Opfer der Nullzinspolitik sind die Halter von festverzinslichen Anleihen und alles, was auf das Wort „Zinsen“ hört, Betriebsrenten, Kapitalrenten usw. Eigentlich müssten die Bürger sich umso besser Wohneigentum leisten können. Können sie aber nicht, weil seit der Finanzkrise die Notenbanken Blasen auf den Immobilienmärkten gezüchtet haben, so dass der Effekt niedriger Zinsen weit überkompensiert wurde.

    Profiteure sind die bisher Besitzenden. Wenn jetzt der Anteil der Aktienbesitzer steigt, so laufen sie Gefahr, die Gelackmeierten der Notenbankpolitik zu sein, wenn die Zinsen demnächst angezogen werden müssen. Dann fallen die frisch gekauften Werte deutlich. Profiteure wären auch hier die besonders Vermögenden.

    Längst wird das Problem der Ungleichheit nicht als solches in Zweifel gezogen. Doch wie soll die Bekämpfung aussehen? Vermögensteuern? Lachhaft. Das zeigt, dass die Befürworter keiner Ahnung haben, wie sich das Vermögen aufteilt. In der Welt der meisten Linken existiert es in Form von Barwerten auf Banken, wo die Vermögenden es wie Dagobert Duck in einem Goldtresor horten. Manche bleiben eben in ihrer kindlichen Welt.

    Der überwiegende Teil liegt in Aktien, dann noch Immobilien. Barvermögen machen weniger als 10% des weltweiten Vermögens aus. Eine allgemeine Besteuerung von Vermögen geht also völlig an den vorherrschenden Verhältnissen vorbei. Laut UN-Doppelbesteuerungsabkommen steht der Ertrag von Vermögensteuern dem Land zu, wo der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz hat. Die meisten Vermögenswerte in Aktien liegen in den USA und Südostasien. Hier ist die Ungleichheit groß, gleichzeitig haben diese Länder keine gesteigerte Neigung zur Vermögensbesteuerung. Vermögensbesteuerungen in Europa würden zu erheblichen Vermögensumschichtungen führen, denn das Tolle an Aktien ist, man kann sie sehr flexibel handhaben.

    Jede Besteuerung hat ein natürliches Ende. In Demokratien ist es erreicht, wenn nur noch ein Teil der Bürger überhaupt Steuern entrichtet, das sprengt das Zusammengehörigkeitsgefühl (Hallo Impfpflicht-Befürworter!). Das Leichteste wäre, durch die Notenbanken die Zinsen steigen zu lassen. Dies hätte ein enorm dämpfenden Effekt auf die seit 10 Jahren erlebte Hausse. Auch die Immobilienwerte würden erheblich fallen, Neubauten deutlich günstiger.

    Der Haken an der Geschichte: einige hochverschuldete Länder mit immerhin sehr vermögenden Bevölkerungen wären plötzlich pleite, müssten die Eurozone verlassen, hätten mit erheblichen wirtschaftlichen Verwerfungen zu kämpfen.

    Da leben wir lieber mit wachsender Ungleichheit und Vermögenstransfers in den Süden Europas. Es wäre nur sinnvoll, dann das Lamentieren einzustellen. Das nervt nämlich.

    • Erwin Gabriel 27. Dezember 2021, 12:02

      @ Stefan Pietsch 27. Dezember 2021, 11:22

      Zustimmung. Es ist das übliche „Wasch‘ mich, aber mach‘ mich nicht nass dabei“, was unsere Politik bestimmt.

  • Erwin Gabriel 27. Dezember 2021, 11:58

    @ Stefan Sasse on 27. Dezember 2021

    1) Schulden? Mach ich!

    Das hätte so auch Kevin Kühnert sagen können.

    Wobei Du davon ausgehen kannst, dass beide mit diesem Satz etwas völlig Unterschiedliches meinen – Investitionen gegen Konsum.

    Ich hoffe wirklich, dass …

    Bei Deiner Bewertung von Wirtschaftsthemen erkennt man immer wieder, dass Du aus der linken Ecke kommst. Da habe ich immer das Gefühl, dass Du auf einer Seite eine Augenklappe trägst.

    2) Wie real ist das Schreckgespenst der „Lohn-Preis-Spirale“?

    Allerdings scheint es den meisten Apologeten der Lohn-Preis-Spirale ohnehin weniger um die Belange der Beschäftigten zu gehen als um die Kritik an einer – aus ihrer Sicht – seit Langem fehlgeleiteten Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. […] Wie so oft wird hier eine theoretische Möglichkeit in der Zukunft als ein gleichsam unumstößlicher „So wird es kommen“-Tatbestand ausformuliert.

    Wir haben keine Situation, die ausschließlich durch die Geldpolitik der EZB getrieben wird, sondern viele Treiber für die Spirale (natürlich halte auch ich die Geldpolitik der EZB für wüst, bin mir aber durchaus meiner Wissensschwächen zu finanzpolitischen Themen nur allzu sehr bewusst). Was ich sehe, ist, dass wir in mehrfacher Hinsicht eine extrem schwierige Situation haben. Schauen wir uns einfach mal um:
    • Die Niedrigzins-Politik der EZB bringt mehr Geld in den Markt, als sauber verarbeitet werden kann. Das Ergebnis sind Negativzinsen für Sparer, und steigende Preise bei Anlageobjekten wie Aktien, Gold oder Immobilien.
    • Einhergehend mit dem steigenden Wert von Immobilien werden Mieten teurer.
    • Einhergehend mit der Landflucht und sich verändernden gesellschaftlichen Lebensgewohnheiten steigt der Wohnbedarf in Städten überproportional – Mieten werden noch teurer.
    • Einhergehend mit dem Klimawandel werden die Vorgaben für Neubauprojekte ständig verschärft, während man außer Absichtserklärungen nur wenig hinbekommt – Mieten werden noch teurer. (Überlegungen, etwa den Vermietern die Hälfte der Heizkosten aufs Auge zu drücken, damit sie ihre Wohnungen energetisch sanieren, ihnen aber zu verbieten, die erforderlichen Investitionen auf die Miete umzulegen, sind auch nicht förderlich).
    • Einhergehend mit dem Klimawandel steigen Energiepreise rasant an (Du ahnst es: alles wird teurer)
    • Einhergehend mit Corona sind internationale Lieferketten schwer gestört; die Preise für globale Logistik, Baumaterialien, bestimmte Rohstoffe und Zwischenprodukte, halbleiterbasierte Spezialtechnik (bestimmte Prozessoren für die Steuerung von Produktionsanlagen sind von etwa 1.000 auf über 20.000 Euro gestiegen, die Lieferfrist von wenigen Wochen liegt nun deutlich über einem Jahr; die Preise für aktuelle Speichermodule sind nicht abschätz-, weil nicht lieferbar etc.) kostet inzwischen immens viel Geld. Übrigens sind auch viele Lebensmittel spürbar teurer geworden.
    • Einhergehend mit Corona sind (nicht alle, aber große) Teile unserer Wirtschaft schwer gestört, eigentlich bankrotte Unternehmen werden nur durch staatliche Geldspritzen am Leben gehalten, die Kurzarbeit ist auf einem Höchststand.

    Das sind nur die gröbsten Entwicklungen, die man auch als Laie nachvollziehen kann. ALLE diese Entwicklungen zeigen in die gleiche Richtung: Die finanziell schwächere Hälfte der Gesellschaft wird es herunterreißen, während die oberen zehn Prozent unvermeidlich zulegen. Und diese Entwicklung wird durch die Geldpolitik der EZB (ist ja nicht nur die EZB) stark gefördert.

    Ich habe bereits in einem eigenen Artikel darüber geschrieben, dass wir einen Paradigmenwechsel haben.

    Mit „wir“ meinst Du jedenfalls nicht mich, sondern nur die Leute, die sich gerne einen schlanken Fuß machen und die Folgen schlechter Politik mit dem geld anderer Leute überdecken wollen.

    3) Mehr Realität wagen

    Nach einem in der Nachkriegszeit präzedenzlosen russischen Aufmarsch gegen die Ukraine und einer Kaskade von Drohungen aus Moskau forderte [Müntzenich] tatsächlich am Montag beide Seiten zur Deeskalation auf. Das ist so absurd, dass wir trotz der ernsten Lage darüber kurz schmunzeln dürfen.

    Dem „absurd“ schließe ich mich aus vollster Überzeugung an, aber – ganz ehrlich – das Schmunzeln vergeht mir in solchen Momenten. Der Mann hat auf seiner Position schließlich Einfluss und Wirkmacht.

    4) Wo wir die Demokratie verlernen? In der Schule!

    Böse Lehrer 🙂

    Die SMV und Schulkonferenzen wurden in den 1970er Jahren mit hohen Hoffnungen gestartet („Mehr Demokratie wagen“, wir erinnern uns), aber leider wurde auf diesem Fundament nie weiter aufgebaut. Stattdessen blieb man beim absoluten vom Gesetz festgeschriebenen Minimum und ließ zu, dass diese Institutionen in der Bedeutungslosigkeit verschwanden (was übrigens auf Astas und andere Studierendenvertretungen ebenso zutrifft, die zwar eine Spielwiese von Nachwuchspolitiker*innen und solchen, die sich dafür halten, sind, aber wenig realen Einfluss aufweisen und mit Wahlbeteiligungen im einstelligen Bereich umherdümpeln). Demokratie kann man nur durchs Machen lernen, und da ist leider sehr wenig Spielraum.

    Magst Du vielleicht für komisch halten, aber ich hatte während meiner Bundeswehrzeit regelmäßig Unterrichtsstunden in „politischer Bildung“. War auch dort nicht gerade da spannendste Themenfeld und sicherlich eher konservativ angelegt, aber als Bundeswehrsoldat einer Wehrpflichtigen-Armee, eingebunden in eine Funktion, unsere Demokratie zu schützen, habe ich doch vergleichsweise viel über demokratische Regeln, unser demokratisches System und über die Nachteile von nichtdemokratischen Systemen gelernt.

    5) The Fallen Mercenaries in Russia’s Dark Army

    “They are unable to control their emotions, and they are cold in communicating. That is the main reason why these people are able to kill.”

    Ich weiß nicht mehr, wo ich das herhabe – irgendwo stand, dass solche Söldnertruppen ein „guter“ Ort sind, um viele der Psychopaten einzusammeln, die ohne solches „Ventil“ sonst Killer geworden wären.

    7) Sascha Lobo: „Auf den Datenschutz bin ich gerade etwas wütend“

    Auch Merkels Rolle in dem … arbeitet Lobo vollkommen korrekt heraus. 16 Jahre Stillstand betreffen nicht nur diesen Sektor, aber zusammen mit der Klimawandel fällt es hier am stärksten auf.

    Volle Zustimmung zu seinen Aussagen. Mein Reden, seitdem ich hier im Blog aktiv bin.

    8) Ökonomen unterschätzen systematisch das Problem der Ungleichheit

    Ich bin, wenig überraschend, eher auf der Seite derjenigen, die dafür argumentieren, dass Ungleichheit sehr wohl ein Problem in Deutschland ist, aber überzeugende Belege kann ich dafür leider nicht offerieren, schon gar nicht für diejenigen, die vom Gegenteil überzeugt sind.

    Auch ohne es beweisen zu können, sehe ich die ständig wachsende Ungleichheit, und halte sie ebenfalls für sehr schädlich.

    Was das Schädliche ist, liegt aber meiner Meinung nach nicht in der Ungleichheit selbst (die ist naturgegeben; Menschen sind nicht gleich), sondern darin, dass sie auf der einen Seite systemisch festgeschrieben ist, was denen mit schlechteren Startchancen ein Gefühl von Hilflosigkeit, Ohnmacht und irgendwann Wut vermittelt.

    Auf der anderen Seite versucht man den Ausgleich meist dadurch, die (kaufmännisch/finanziell) Erfolgreichen zu bremsen, statt die Benachteiligten zu fördern.

    Entscheidend sind die politischen Mehrheitsverhältnisse, denn genauso wie bei Virolog*innen werden wissenschaftliche Erkenntnisse zwar gerne zitiert, wenn sie in den eigenen Kram passen, aber Politik macht man dann am Ende doch nach anderen Kriterien.

    Zustimmung. Die meisten politischen Kräfte – die FDP und vielleicht die „neue“ CDU ausgenommen – wollen den Ausgleich dadurch schaffen, dass sie die Leute in ihre Abhängigkeit bringen, statt sie zu befähigen, besser auf eigenen Beinen zu stehen.

    Maurice Höfgen erklärt übrigens zur Thematik, quasi als Komplementärstück, dass Linke dafür systematisch die Rolle der Vollbeschäftigung unterschätzten. Ich bin mir etwas unsicher, was er damit meint, vielleicht hat ja jemand in den Kommentaren eine Idee.

    Genau das: Vollbeschäftigung ist gut gegen Ungleichheit. Hier die Möglichkeiten zu schaffen, dass man guten Gewissens Leute fest auf Vollzeit einstellen kann …

    9) Kooperation mit AfD? Merz droht mit Parteiausschluss

    … und ich nehme den gewandelten Merz jederzeit vor dem randständigen Feuerspucker.

    Du hast halt vorher nur Merz, den Feuerspucker sehen wollen.
    Er ist aber ein Konservativer.

    Friedrich Merz führt. Diese „klare Kante“ ist, was der CDU gefehlt hat, was Deutschland gefehlt hat, und was Angela Merkel weder liefern wollte noch liefern konnte.

    Es werden immer noch genug Wähler sein, die ihn oder seine Politik nicht mögen, aber die werden dann aus Überzeugung zu den Grünen oder zur SPD rennen. Wie von gewissen Seiten hier im Forum vorhergesagt ein Riesengewinn für unsere Demokratie.

    • Stefan Sasse 27. Dezember 2021, 12:56

      1) Du doch auch. Ist doch klar – wer kann den zwei gegensätzliche Normen gleichzeitig vertreten? Das wäre ja kognitive Dissonanz im Endstadium.

      2) Stimme dir zu, dass die Lage nicht rosig aussieht. – Mit „wir“ meinte ich die Gesellschaft als Ganzes.

      3) Ja.

      4) Ja, aber ein Erklären des politischen Systems reicht halt nicht aus. Wir SAGEN immer wie wichtig Demokratie ist, aber wir tun es nicht. Politische Bildung kann nur bis zu einem bestimmten Grad theoretisch erlernt werden. Der Rest ist Praxis, und daran mangelt es.

      5) Boah, das ist aber zynisch. Und die Leute kommen ja irgendwann zurück, wenn sie nicht sterben. Und sind dann schlimmer als vorher. Das halte ich für Unfug.

      7) Auf dem Feld hab ich dir sicher nie widersprochen 😀

      8) Bin ich bei dir.

      9) Fairerweise muss man sagen, dass er sich auch so inszeniert hat. Seit seiner Wahl hat er geradezu eine 180° Wende vollzogen. Er hat ja jetzt auch gar keine klare Kante mehr. Aber alles, was zählt, ist das Image, nicht die Substanz. Das war ja schon bei seinem völlig unverdienten Ruf als „Wirtschaftsexperte“ so.

      • Erwin Gabriel 28. Dezember 2021, 02:18

        @ Stefan Sasse 27. Dezember 2021, 12:56

        2) Wie real ist das Schreckgespenst der „Lohn-Preis-Spirale“?

        Stimme dir zu, dass die Lage nicht rosig aussieht. – Mit „wir“ meinte ich die Gesellschaft als Ganzes.

        Was mich immer wieder irritiert: Du stellst gelegentlich Behauptungen auf (hier: „die Inflations-Spiralen-Propheten irren sich“), die ich versuche zu widerlegen, schreibe mir mit Artgumenten / Erläuterungen etc die Finger wund, und kriege dann solch eine nichtssagende Antwort.

        Ich entnehme der, dass Du die oben behauptete Aussage aufrecht erhältst, aber keinen Bock hast, Dich über Deine Behauptung hinaus auseinanderzusetzen.

        4) Wo wir die Demokratie verlernen? In der Schule!

        Ja, aber ein Erklären des politischen Systems reicht halt nicht aus. Wir SAGEN immer wie wichtig Demokratie ist, aber wir tun es nicht. Politische Bildung kann nur bis zu einem bestimmten Grad theoretisch erlernt werden. Der Rest ist Praxis, und daran mangelt es.

        Nun ja, ich bin in weitesten teilen meines Lebens nicht in Demokratie-Situationen. Im Job weisungsgebunden bzw. weisungsgebend, In Situationen außerhalb meiner vier Wände unterliege ich – von der Straßenverkehrsordnug bis zum Aldi-Hausrecht – nicht diskutierbaren Regeln Dritter, und daheim sind die anstehenden Entscheidungen nach automatisch nach Kompetenz bzw. Gewohnheit verteilt.

        Dann ist Wahl, ich soll mich an der Demokratie beteiligen, und stimme für Politiker ab, die sich anschließend weder um meine Meinung oder ihre Versprechngen scheren. That’s life.

        Wobei ich durchaus Deinen Punkt verstehe: Demokratie ist in weitestem Sinne Abstimmung und Kompromiss, was in der Praxis bedeutet, dass ich mich wie ein Gewinner fühlen sollte, obwohl sich meine Ansichten nicht durchsetzten. Aber selbst am Küchentisch zu meinen Kindertagen galt unter uns Geschwistern in der Regel das Recht des der Stärkeren – was meiner (damals) durchaus gewaltbereiten älteren Schwester immer wieder Vorteile verschaffte.

        Schwieriges Thema …

        7) Sascha Lobo: „Auf den Datenschutz bin ich gerade etwas wütend“

        Auf dem Feld hab ich dir sicher nie widersprochen 🙂

        Zugegeben, ist eine ganze Weile her.

        9) Kooperation mit AfD? Merz droht mit Parteiausschluss

        Fairerweise muss man sagen, dass er sich auch so inszeniert hat.

        Fairerweise muss man sagen, dass sich jeder Politiker inszeniert, auch die, die Du gut findest.

        Seit seiner Wahl hat er geradezu eine 180° Wende vollzogen.

        Nein!

        Er hat ja jetzt auch gar keine klare Kante mehr.

        Doch, natürlich. Z. B. „Wer mit der AfD paktiert, fliegt aus der Partei“.
        Die Kanten liegen halt nicht da, wo Du sie erwartest, aber das ist Dein Wahrnehmungsproblem. 🙂

        Aber alles, was zählt, ist das Image, nicht die Substanz.

        Wie auch bei einer Annalena Baerbock, die bei einigen hier im Blog mit der gleichen Berechtigung verkackt hat wie Friedrich März bei Dir.

        Das war ja schon bei seinem völlig unverdienten Ruf als „Wirtschaftsexperte“ so.

        Ach komm; Du hast mir schon mehrfach zugestanden, dsas Dir die KOmpetenz fehlt, dsa zu beurteilen, und Du kramst das unbewiesen, unbelegt immer wieder vor.

        • Stefan Sasse 28. Dezember 2021, 09:53

          2) Ich habe schlicht nicht die Fachkenntnis, um da fundierte Gegenargumente zu bringen, und will dich nicht beleidigen indem ich irgendwelchen halb verstandenen Kram im Gestus totaler Sicherheit raushaue. Davon gibt es genug. Ich erkenne an, dass die Probleme existieren, und signalisiere dir, dass ich Zweifel an der Inflationshysterie habe.

          4) Dass in der Wirtschaftswelt autoritäre Systeme herrschen ist ein ganz eigenes Problem. Genauso wie bei der SMV sind die entsprechenden Gremien – Betriebsräte vor allem – zu reinen Pflichtübungen verkommen. Und ja, extrem schwieriges Feld, aber eines, auf das man sich glaube ich begegeben muss.

          9) Ich habe null Probleme mit Inszenierung. Das ist Politik. Ich muss aber halt Leute an dem messen, wie sie sich inszenieren, das ist mein Punkt. – Bezüglich der Kante: ich meinte etwas anderes. Auch ein Dietmar Bartsch hat ja eine klare Kante, aber das ist nicht die, die gemeint ist, wenn diese Phrase bemüht wird. Ich kenn den Begriff in den letzten Jahren ausschließlich aus der Diskussion um den rechten Flügel der CDU. Wir würden ja auch nicht sagen, Bernd Höcke hat „klare Kante“. Das ist von der Konnotation her schon mit „konservativ, aber klar demokratisch“ belegt, und so hab ich es verstanden. – Und ja, ich bin auch kein Wirtschaftsexperte. Merz beurteile ich auf dem Feld schlicht mit der Qualifikation, die immer genannt wird: dass er als Wirtschaftsjurist Millionär geworden ist. Das ist aber keine Qualifikation, und genau das kreide ich an. Ich bin auch kein Bildungsexperte, nur weil ich ein tauglicher Lehrer bin.

          • Erwin Gabriel 28. Dezember 2021, 11:56

            @ Stefan Sasse 28. Dezember 2021, 09:53

            2) Ich habe schlicht nicht die Fachkenntnis, um da fundierte Gegenargumente zu bringen, und will dich nicht beleidigen indem ich irgendwelchen halb verstandenen Kram im Gestus totaler Sicherheit raushaue. Davon gibt es genug. Ich erkenne an, dass die Probleme existieren, und signalisiere dir, dass ich Zweifel an der Inflationshysterie habe.

            Hhmmm. Läuft irgendwie auf das hinaus, was ich sagte … 🙂

            4) Dass in der Wirtschaftswelt autoritäre Systeme herrschen, ist ein ganz eigenes Problem.

            Sehe ich nicht so. Ich habe kein Problem mit einem autoritären System an und für sich, sondern nur mit dem Mißbrauch von Autorität. Würde Dein Unterricht besser, würde er Deine Schüler besser auf das spätere Leben vorbereiten, wenn Deine Schüler, ihre Eltern und wer auch immer sonst noch über Inhalt und Stil mitdiskutieren würden? Gäbe es überhaupt noch Zeit für Unterricht?

            Im Job habe ich extreme Erfahrung mit unterschiedlichsten Lösungsansetzen. Viele meiner Lösungsansätze sind erfolgreich in anderen Abteilungen übernomen worden, teils freiwillig, teils auf Anweisung von oben. In jedem Falle weiß ich mehr als mein Geschäftsführer, der mir ein Jahresziel vorgibt und mich sonst in Ruhe lässt; ich entscheide, ob und wann ich ihn frage.

            In Sachen Digitalisierung bin ich weit vorn für mein fortgeschrittenes Alter, aber weit hinter den vielen deutlich jüngeren Kollegen zurück. Da übernehmen die die Führung, und ich diskutiere nicht deren Lösungsansätze, sondern halte ihnen den Rücken frei. Wie soll es anders laufen als über Nicht-Demokratie?

            Da, wo ich Demokratie sehe – in der Politik – versagt sie imer wieder gegenüber kompetenzbestimmter Autorität. Da, wo ich in der Politik undemokratische Führung sehe, versagt diese auch (n der Regel mit deutlich schlimmeren Folgen), da sie ebenfalls nicht kompetenz-, sondern machtbestimmt ist.

            9) Ich kenn den Begriff in den letzten Jahren ausschließlich aus der Diskussion um den rechten Flügel der CDU.

            Für mich bedeutet „klare Kante“, eindeutige Meinungen fest zu vertreten. Ein Unding bei Merkel, aber ganz klar das Ding von beispielsweise Helmut Schmidt.

            Wir würden ja auch nicht sagen, Bernd Höcke hat „klare Kante“.
            Der ist nichts anderes als eine Kante 🙂

            Merz beurteile ich auf dem Feld schlicht mit der Qualifikation, die immer genannt wird: dass er als Wirtschaftsjurist Millionär geworden ist. Das ist aber keine Qualifikation, und genau das kreide ich an.

            Nicht, dass er „Millionär geworden“ ist (eine alberne linke diskreditierende Festlegung), sondern dass er als Wirtschaftsjurist erfolgreich war und Einblicke in das Wirtschaftssystem hat, das vielen Politikern á la Kevin Kühnert oder Annalena Baerbock schlichtweg fehlt, die mithin in diesem bereich Meinungen vertreten, die (höflich formuliert) nicht kompetenzbasiert gebildet wurden.

            Ich bin auch kein Bildungsexperte, nur weil ich ein tauglicher Lehrer bin.

            Ein größerer als ich (ohne, dass ich je feststellen konnte, wie gut meine Qulifikation als Lehrer gewesen wäre). Aber Du steckst zumindest ansatzweise im Thema und kannst beispielsweise besser als ich beurteilen, was man tun müsste / nicht tun dürfte, um die Kinder in Corona-Zeiten durch den Unterricht zu bringen. Da bist Du dann thematisch der Friedrich, und ich dann der Kevin … 🙂

            • Stefan Sasse 28. Dezember 2021, 13:03

              4) Tatsächlich denke ich, dass mehr Mitspracherechte der SuS durchaus von Vorteil wären. Ich entwickle da gerade auch einige Gedanken dazu, ist aber noch sehr unausgegoren.

              9) Warum genau ist das eine „alberne linke diskreditierende Vorstellung“? – Trotzdem sind die bisherigen Insassen des Kultusministeriums besser qualifiziert als ich, auch ohne diesen Hintergrund. Dass ich mehr davon verstehe als du, klar, Merz versteht auch mehr von Wirtschaft als ich. Aber Wirtschaftsjurist sein macht ihn nicht zum Wirtschaftsexperten. Schmidt war Wirtschaftsexperte.

              • Erwin Gabriel 29. Dezember 2021, 15:13

                @ Stefan Sasse 28. Dezember 2021, 13:03

                9) Warum genau ist das eine „alberne linke diskreditierende Vorstellung“?

                Diese Fixierung auf Einkommen bzw. Vermögen ist albern, links, und in der Regel diskreditierend…

                Jemanden aufgrund von einem gewissen Vermögen zu irgendetwas zu erklären (und sei es zu einem Spezialisten“) ist genauso unsinnig, wie einen erfahrenen Krankenpfleger zu einem Amateur zu erklären, weil er mit seinem Job keine Millionen gemacht hat.

                Trotzdem sind die bisherigen Insassen des Kultusministeriums besser qualifiziert als ich, auch ohne diesen Hintergrund.

                Schön, wenn Du das kannst, aber ich kann das nicht beurteilen. Aber man sieht (nur meine unvoreingenommene Laien-Meinung) an den Bemühungen dieser Fachleute zum Thema Coronaschutz / Digitalisierun von Schulen, dass nicht funktioniert, was die denken, und Deine Beiträge zum Thema haben mich ehrlich gesagt mehr überzeugt als die Vorschläge der Politik bzw. die Umsetzungen der Ämter.

                Merz versteht auch mehr von Wirtschaft als ich. Aber Wirtschaftsjurist sein macht ihn nicht zum Wirtschaftsexperten.

                Zum einen kannst Du seine Kompetenz immer noch nicht beurteilen, und zum anderen macht ihn nicht die Berufsbezeichnung „Wirtschaftsjurist“ zum Fachmann, sondern sein langjähriger Erfolg in dem Beruf sowie die Klienten, die er hatte; darüber hinaus ist er auch Politiker und hat also nicht nur eine halbwegs klare Vorstellung davon, was die Wirtschaft möchte, sondern auch davon, was denen oder den Wählern zumutbar ist.

                Ich vermute mal, dass Dein Urteil über seine Qualifikation durch Deine Ablehnung seiner Person beeinflusst wird?

                • Stefan Sasse 30. Dezember 2021, 09:05

                  9) Das war ich nicht. Merz‘ wirtschaftlicher Erfolg wurde stets von seinen Fans als Beweis für seien Kompetenz vorgebracht. Ich hab kein Problem damit, dass er Millionen als Wirtschaftsjurist gemacht hat; ich sage nur, dass das nichts über seine potenzielle Kanzlerkompetenz sagt.

                  Naja, ich kann keine Behörde leiten. Ich hab noch nie was geleitet. Ich bin stellvertretender Schulleiter; meine größte Verantwortung ist der Tag der Offenen Tür.

                  Das gibt ihm sicherlich genauso Einblicke wie mir in den Schulalltag sollte ich Kultusminister werden, aber ein automatisches Qualifikationsmerkmal ist es nicht.

                  Ich meine, klar lehne ich Merz wegen seiner politischen Positionen ab, das sollte wohl außer Frage stehen. Ich würde mal behaupten, deine Einschätzung von Toni Hofreiter hat ist auch davon beeinflusst, was du von seiner Politik hältst. Das macht ja auch Sinn. Wie sollte ich einen Politiker denn anders bewerten? Ich kann ja nicht sagen „hm, kompetenter Machtmensch, finde ich klasse“. Mit dem Argument könnte ich auch Mao Tse-Tung loben.

                  • Stefan Pietsch 30. Dezember 2021, 11:23

                    ich sage nur, dass das nichts über seine potenzielle Kanzlerkompetenz sagt.

                    Nein, das sagst Du gerade nicht. Du sagst Du ganze Zeit, Merz sei kein Wirtschaftsfachmann, das ist etwas völlig anderes.

                    Die Eignung für die Führung von Menschen bemisst sich nach fachlicher Kompetenz, Werten und charakterlichen Eigenschaften. Weil Du die Werte von Merz ablehnst, sprichst Du ihm die fachliche Kompetenz ab.

                    Fachliche Kompetenz resultiert aus theoretischem Wissen und praktischer Erfahrung. Theorie kann man sich anlesen, aber das macht jemanden noch nicht zum Experten. Friedrich Merz hat vor und zwischen seiner politischen Karriere enorm viel Erfahrung in Wirtschaftsangelegenheiten erworben. Gerade beim größten Investor privaten Anlagekapitals bekommt man einen guten Rundumblick über sämtliche Wirtschaftsbereiche und wie diese funktionieren. Und man kommt bei BlackRock nicht in Führungspositionen, wenn man nicht besondere Fähigkeiten besitzt, wirtschaftliche Entwicklungen zu analysieren und zu antizipieren.

                    Mir fällt ad hoc kein aktiver Politiker ein, der so viel von wirtschaftlichen Zusammenhängen versteht wie Friedrich Merz. Allerdings ist die Konkurrenz auch nicht besonders groß.

                    Zurück zur fachlichen Kompetenz, die Debatte der letzten Tage lieferte dafür Anschauungsmaterial. Da bestritt z.B. CitizenK, dass die Arbeitsmarktreformen gewirkt hätten. Eine solche Frage beantwortet sich mit Blick auf die vorgegebenen Ziele und die messbaren Faktoren. Sie beantwortet sich nicht im freien Raum der Selbsteinschätzung.

                    Oder die Frage, ob der Mindestlohn Effekte auf den Arbeitsmarkt gehabt hätte. Eigentlich müsste schon bei der einfachen Draufsicht klar sein, dass man nicht ein neues Instrument in den Wirtschaftsprozess werfen kann und glauben, es gäbe keine Reaktion darauf. Das ist wie wenn jemand von fern aus dem Weltall auf die Erde schaut und behauptet, sie sähe immer gleich aus, wahrscheinlich ist immer das gleiche Wetter.

                    So argumentieren jene, die den Mindestlohn gegen jede Kritik verteidigen wollen, sei sie noch so sachlich. Die Gesamtarbeitslosigkeit ist nicht gestiegen? Ja, dann gibt es doch keine Effekte!

                    Die Arbeitslosigkeit in einer Volkswirtschaft ist von zahlreichen Parametern bestimmt. Der Arbeitsmarkt als homogene Konzeption existiert nicht. Man kann nicht Angebot und Nachfrage und Preisbildung für High Potentials mit dem für prekäre Beschäftigung vergleichen. Die Akteure sind in sehr unterschiedlichen Märkten unterwegs.

                    Auch hier gilt das ökonomische Prinzip: zu welchem Grad wurden die vorgegebenen Ziele erreicht. Ein maßgebliches Ziel war, dass Beschäftigte von ihrer Arbeit leben können müssen. Als Kennzahl wurde die Zahl der Aufstocker im ALG2 herangezogen. Die Reduzierung von Arbeitszeit war kein vorgegebenes Ziel.

                    Nur die Mikroanalyse kann Aufschluss darüber geben, wie der Mindestlohn wirkt. Dafür gibt es das SOEP beim DIW, das Auswertungen auf Mikroebene für Einkommensgruppen zulässt. Wissen darüber erlangt man durch Studium der entsprechenden Analysen (Theorie) und die Marktkenntnisse (Erfahrung). Das unterscheidet den Experten vom Laien.

                    Anton Hofreiter scheint in Agrardingen exzellent beheimatet zu sein. Solche Kompetenz kann ich anerkennen, ohne die politischen Ziele und Werte einer Person zu teilen. Jemanden Fachkompetentes jedoch genau seine fachliche Eignung abzusprechen, weil man seine Ziele und Werte bekämpft, ist nicht die höchste Gütestufe der Debatte.

                    • Diggerchillmal 30. Dezember 2021, 12:34

                      Kannst du auch die Kompetenz von Genderprofessorx in Geschlechterfragen anerkennen? Du hast da nämlich ein paar überkommene Vorstellungen von.

                    • CitizenK 31. Dezember 2021, 17:28

                      CitizenK hat auf einen Beitrag von E.G. geantwortet, nicht allgemein die Wirkung von HartzIV kommentiert.

                      E. G. hat gefordert, arbeitslose Menschen in VOLLzeit-Beschäftigung zu bringen. Was ich unterstütze. Dass Hartz IV das bewirkt hat, habe ich bezweifelt – angesichts der massenhaften prekären Beschäftigung, der Umwandlung in Mini-Jobs, der Auslagerung in nicht-tarifgebundene Unternehmen, der Ketten-Teilzeit-Verträge, der Aufstocker, der geschönten Statistiken.

                    • Erwin Gabriel 31. Dezember 2021, 20:40

                      @ CitizenK 31. Dezember 2021, 17:28

                      E. G. hat gefordert, arbeitslose Menschen in VOLLzeit-Beschäftigung zu bringen. Was ich unterstütze. Dass Hartz IV das bewirkt hat, habe ich bezweifelt – angesichts der massenhaften prekären Beschäftigung, der Umwandlung in Mini-Jobs, der Auslagerung in nicht-tarifgebundene Unternehmen, der Ketten-Teilzeit-Verträge, der Aufstocker, der geschönten Statistiken.

                      Hartz7 IV hat eine Menge Bewegung in den Arbeitsmarkt gebracht; die von Dir beschriebenen, aber auch die von Stefan P. beschriebenen.

                      Aber Dir sollte klar sein, dass auch die, die nun in Teilzeitjobs oder prekären Arbeitsverhältnissen festhängen, ohne diese Reformen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit arbeitslos wären.

                      Dieser Weg steht ihnen auch aktuell jederzeit offen, wird offenbar aber nicht genutzt.

                      Nicht falsch verstehen: Ich wünsche jedem Menschen ein friedliches, sorgenfreies Leben, mit interessanten Jobs, hohen Einkommen etc. Es bringt aber (leider !!!) nicht jeder dafür die in unserer Gesellschaft erforderlichen Voraussetzungen mit.

                      Das ist in einigen Bereichen (Intelligenz, Fleiß, Eigeninitiative, Selbstdisziplin etc.) nicht vermeidbar, aber in anderen (Chancen, Bildung, erlernte Fähigkeiten etc.) durchaus. Und das ist ein Punkt, der mich auch wirklich ärgert, den man besser machen könnte, und bislang nicht gut löst.

                      Aber falls Du meine Kommentare zu Chancengleichheit, Bildungssystem etc. auch gelesen hast, weißt Du das ja. ich glaube nciht, dass wir da weit auseinander liegen.

                  • Erwin Gabriel 30. Dezember 2021, 12:33

                    @ Stefan Sasse 30. Dezember 2021, 09:05

                    9) Das war ich nicht. Merz‘ wirtschaftlicher Erfolg wurde stets von seinen Fans als Beweis für seien Kompetenz vorgebracht.

                    In seinem Job wirtschaftlichen Erfolg zu haben ist in der Regel ein Zeichen von Kompetenz. Wenn Du das beschreibst als „ist Millionär geworden“, zeilst Du allerdings nciht auf den grundsätzlichenh geschäftlichen Erfolg, sondern spielst die „Reichen-Karte“.

                    … ich sage nur, dass das nichts über seine potenzielle Kanzlerkompetenz sagt.

                    Nein, sagst Du nicht. Du sprichst ihm die Kompetenz ab. 🙂

                    Und wie beurteilst Du dann Leute wie Kevin Kühnert, der außer seiner Juso-ideologischen Prägungen wenig zu bieten hat? Annalena Baerbock, die (außer, Frau zu sein) recht wenig im Rucksack hatte, als sie Kanzlerkandidatin wurde?

                    Diese Art von Leuten (die es natürlich auch in der Union oder in der FDP gibt) haben eigentlich nur eine Qualifikation: Sie haben sich in Parteigremien durchgesetzt und dabei in erster Linie gelernt, anderen nach dem Mund zu quatschen. Da ist es doch grundsätzlich positiv, wenn jemand etwas mehr Erfahrung als nur das mitbringt.

                    Naja, ich kann keine Behörde leiten. Ich hab noch nie was geleitet. Ich bin stellvertretender Schulleiter; meine größte Verantwortung ist der Tag der Offenen Tür.

                    Eltern – ogottogott … 🙂

                    Glaubst Du, dass eine Anaalena Baerbock ein Ministerium leiten kann? Man wird das, was sie tut, leiten nennen. Ansonsten empfehle ich Dir, wenn Du das noch irgendwie auftreiben kannst, die englische Serie „Yes, Minister“ bzw. „Yes, Prime Minister“ aus den 80ern. Etwas angestaubt und altmodich, aber inhaltlich immer noch auf den Punkt.

                    Was dort die Minister und Premierminister können, können wir auch.

                    Ich meine, klar lehne ich Merz wegen seiner politischen Positionen ab, das sollte wohl außer Frage stehen.

                    Ja, das stelle ich nicht in Frage.

                    Ich würde mal behaupten, deine Einschätzung von Toni Hofreiter hat ist auch davon beeinflusst, was du von seiner Politik hältst. Das macht ja auch Sinn.

                    Ja, jetzt kommst Du auf den Punkt: Du kannst seine Kompetenz nicht beurteilen, Du magst seine Politik nicht, also sprichst Du ihm die Fähigkeiten ab …

                    Das erinnert mich an den Fall Sasse gegen Pietsch in der Sachhe Annalena baerbock. Da waren Deine Vorwürfe an Herrn P. genau das.

                    Viele Grüße und guten Rutsch, falls wir uns in diesem Jahr nicht mehr lesen 🙂
                    E.G.

                    • Stefan Sasse 30. Dezember 2021, 22:50

                      Ich sprech ihm ab, dass er besondere Wirtschaftskompetenz besitze, in Bezug auf Volkswirtschaften. Und ich spreche Kühnert keine größere zu, oder Baerbock. Die sind aber definitiv besser zur Ministeriumsführung geeignet als ich. Bessere Kandidat*innen gäbe es aber ebenso sicher auch.

                      Ich verstehe was du meinst. Aber: vielleicht hat er ja tolle Fähigkeiten. Nur eben nicht, weil er „in der Wirtschaft gearbeitet“ hat. Ich greife dieses beknackte Narrativ an.

                      Gleichfalls!

                    • Stefan Pietsch 31. Dezember 2021, 11:19

                      Ich sprech ihm ab, dass er besondere Wirtschaftskompetenz besitze, in Bezug auf Volkswirtschaften.

                      Mir ist nicht ganz klar, was Du damit meinst. Volkswirtschaftliche Theoretiker wie Lafontaine und sein Spiritus Rector Heiner Flassbeck verstanden nicht so viel von Ökonomie, um eine der größten Volkswirtschaften der Welt lenken zu können. Im Gegenteil, sie richteten angesichts der Kürze der Zeit großen Schaden an. Flassbeck schwebt in seinen theoretischen Diskursen so hoch über den Dingen, dass er die Verwinkelungen nicht einmal mit einem Fernglas erkennen könnte.

                      Politiker, die etwas von Wirtschaft, von den Vorgängen in Unternehmen, von der Wirkung von Märkten und ihren Preismechanismen verstanden, waren nicht selten auch gute Staatenlenker. Gerhard Schröder, Tony Blair, Magaret Thatcher, Bill Clinton oder derzeit Emanuel Macron. Nicht so gut lief es mit wirtschaftspolitischen Ignoranten wie Angela Merkel, Barack Obama, Gordon Brown und Hollande.

                      Friedrich Merz passt mit seinem Wissen eindeutig in die erste Reihe. Das ist offensichtlich ein guter Ansatz. Auch Olaf Scholz verdankt seinen Wahlsieg und seine Reputation nicht seinem Ruf als erster Sozialpolitiker oder auch Volkswirt des Landes.

                      Die Wähler mögen Politiker, die Ahnung von einer Materie haben. Wie sonst könnte jemand mit einem wenig eingängigen Singsang wie Karl Lauterbach in den Oymp der beliebtesten Politiker aufsteigen? Auch Jens Spahn verdankte seine zeitweise Popularität dem Glauben, Ahnung von der Virus-Sache zu haben. Der Unterschied zwischen Spahn und Merz: der neue CDU-Vorsitzende hat dort gearbeitet, worüber er spricht.

                      Wie kommst Du darauf, dass Baerbock und Kühnert per se ein Ministerium besser leiten könnten als Du? Beide hatten bisher als höchste Personalverantwortung die für zwei Hände voll Mitarbeiter. Ein Ministerium nebst angeschlossener Behörden besteht aus tausenden Mitarbeitern. Das sind völlig verschiedene Welten. Du würdest ja auch nicht behaupten, jemand, der schon mal ein einem Kajak gepaddelt ist, könnte ein Kreuzschifffahrtschiff bedienen.

  • Lemmy Caution 27. Dezember 2021, 12:16

    zu 4) Warnung: Chilenisierung full.
    Vermutlich haben wir in Deutschland zu wenig Nachwuchs für die Politik. Das hängt aber wohl auch damit zusammen, dass bei uns Politik eigentlich vergleichsweise vernünftig funktioniert.
    Für interessierten Nachwuchs haben die finanziell relativ gut ausgestatteten Parteien mit angeschlossenen Stiftungen vielleicht einfach mehr zu bieten als die Universitäts-Parlamente und Asten.
    In Chile werden gewählte Studenten- und sogar Schüler-Vertreter des öfteren auch schon mal ins Fensehstudio geladen. Die Parteien lassen auch die Auseinandersetzungen an den Bildungseinrichtungen genau beobachten. Ich kenne persönlich 2 Fälle, die mir von Kontaktversuchen durch Talent-Scouts berichteten, worauf die aber nicht eingegangen sind.
    In den letzten Jahren reissen mich die Beiträge der sehr jungen Leute nicht vom Hocker: Eher so das typische über-ideologisiert und weltfremd.
    Eine Ausnahme bildeten Jahre mit extremen Auseinandersetzungen, in denen sich aufgrund einer immer deutlicheren Krise des politischen Selbstverständnisses der Gesellschaft neue Perspektiven einfach aufdrängten: V.a. während der Studenten-Proteste 2011 und der Schüler-Proteste vorher. Viele der Protagonisten von damals werden verantwortliche Posten in der Boric-Regierung bekleiden. Einige sehe ich als Hoffnungsträger, weil sie früh gelernt haben, sich in der modernen Medienwelt durchzusetzen und ich die inzwischen auch als angesichts des jungen Politiker-Alters für erstaunlich realistisch wahrnehme. Den Grund ihrer Fähigkeiten sehe ich weniger in den Spielregeln sondern eher weil sie früh zum Sprecher von neuen Sichtweisen wurden, die durch die Widersprüche einfach entstanden, ähnlich wie bei uns in der Phase der starken Politisierung 1967 bis 1982.

    Meinen Politik-Unterricht in der Schule fand ich meistens auch eher trocken. Ich gehörte definitiv zu den Leuten, die sich da durchbissen, aber Geschichte besass für mich einen deutlich höheren Unterhaltungswert. Vielleicht liegt es daran, dass eine wichtige Komponente ausgespart wird: Machtpolitik.
    Die Durchsetzung politischer Ideen in praktische Politik hat definitiv seine dunklen Seiten: Machtpolitik. Material in der deutschen Politik könnte etwa die Abstimmung zu den Ost-Verträgen unter Brandt, der FDP-Wechsel 1982 liefern oder auch die Behandlung Franz Josef Strauß durch die mit der Spiegel-Affäre großgewordenen Journalisten liefern.
    In Chile engagieren sich Mirko Makari, Alberto Mayol und Dario Quiroga mit sehr großen Erfolg in der Volksbildung in Sachen Machtpolitik. Die ideengeschichtlichen Grundlagen liefern da Machiavelli, Tomasi di Lampedusa (Il Gatopardo), Mario Puzzo (Der Pate) und natürlich die chilenische (Zeit-)Geschichte.
    Das ganze findet hautpsächlich in Podcasts, einem 2-stündigen Fernsehauftritten alle paar Wochen, Seminaren und einem Bestseller statt. Alle 3 konnten sich persönlich-beruflich in den Bereichen Journalismus, Akademia und Gewerkschaften durchsetzen, obwohl sie vom Mainstream abweichende Meinungen vertraten. Die drei haben meine Perspektive auf Politik auf jeden Fall beeinflußt. Im Berufsleben hilft mir das auch, ohne dass ich jetzt zum Voll-Zyniker würde. Bin mir aber nicht sicher, ob diese Inhalte für die Schule wirklich geeignet sind.

    • Stefan Sasse 27. Dezember 2021, 12:59

      Ich könnte auch die USA oder UK nennen, wo viel mehr Wert auf Debattieren und so gelegt wird als hier. Danke für den chilenischen Kontext.

      Was den Unterricht betrifft: absolut, das ist ja mein Punkt. Ich tue mich mit Politikunterricht auch sehr viel schwerer als mit Geschichte. Mir fehlt da bisher noch der richtige Ansatz, um das besser hinzukriegen. – Von SuS zu erwarten, dass sie zweistündige Fernsehsendungen zur Politik anschauen oder Podcasts hören, ist allerdings leicht naiv. 🙁

  • Lemmy Caution 27. Dezember 2021, 12:50

    zu 1) Besteht das Problem mit den Schulden nicht eher darin, dass die falschen Leute mit billiger Liquidität ausgestattet werden und nicht dass zuwenig Schulden gemacht werden?
    Ohne reich zu sein, profitiere ich selbst davon:
    1. durch meine Kursgewinne jenseits der Erwartungen auf meinem Individualkonto bei der Rentenversicherung (Rürup)
    2. durch meine durch Kursgewinne der „Not-Groschen“ als Freelancer.
    Beides hat sich in den letzten 3 Jahren deutlich über-Erwartung aufgebläht. Das ist dank ETFs und Fonds sehr weit gestreut. Es lag also nicht an Glück oder besonders gut informierten Investitions-Entscheidungen.
    Besitzern von Immobilien in aktraktiven Lagen wird es ähnlich gehen.

    In diesem Zusammenhang übrigens Varoufakis im Interview mit einem chilenischen Polit-Podcast. Hassan Akram redet Spanisch, aber der für mich sehr interessante Beitrag von Varoufakis ist in Englisch mit spanischen Untertiteln.
    https://www.youtube.com/watch?v=3nv9TjFMBZQ
    Es ist relativ kurz. 20 Minuten. Er schlägt einen kreativen Weg vor, um das Fiat-Geld an den Profiteuren vorbeizuschleusen.

    • Stefan Pietsch 27. Dezember 2021, 13:10

      Nun ja, ausgerechnet Varoufakis als Leumund und Erklärbär zu nehmen, ist ein bisschen strange. In seiner Welt ist der entscheidende Faktor die Bank. Nur haben die europäischen Banken in den letzten 25 Jahren erheblich an Bedeutung und damit Macht verloren. Erklärungen von der Seite aufzuziehen, erscheint nicht besonders klug.

      Der entscheidende Faktor für die Bewertung von Vermögenswerten ist der Barwert. Der Barwert wird bestimmt von den zukünftigen Einzahlungen (Gewinne) und den Zinsen. Ich hatte die Wirkung hier schon anhand des Einflusses hoher Inflation auf die Löhne gezeigt. Bei einer angenommenen 6%igen Inflation für die nächsten vier Jahre wäre ein heutiges Jahreseinkommen von 40.000 Euro im Jahr 2025 nur noch real 31.700 Euro wert. In den kommenden Gehaltsrunden müsste folglich eine Erhöhung um insgesamt fast 25% durchgesetzt werden. Na viel Spaß, wer daran glaubt…

      Wer erwartet, dass seine Apple-Aktie im Jahr 2025 einen Wert von $250 durch zukünftige Gewinne haben wird, kann heute bei einem angenommenen Zinsniveau von 0% mit diesem Wert die Aktie handeln (abzüglich eines Risikoabschlags). Die Refinanzierung ist ja praktisch kostenlos. Genau diese Wirkung auf die Barwerte treibt den Aktien- und Immobilienmarkt. Werte, die aufgrund von zukünftigen Renditen erst in späteren Jahren wirksam wären, können bereits heute angesetzt werden.

      Der umgekehrte Effekt spielt sich bei den Betriebsrenten ab: da in der Zukunft keine Erträge mit der Wertanlage erzielt werden können, müssen die Werte von heute ohne Zinseszinseffekt fortgeschrieben werden. Das sind in der Regel niedrige Werte, denn das Modell von solchen festverzinslichen Anlagen beruht ja gerade darauf, mit Zinsen Wertsteigerungen zu erzielen. Die Aktie profitiert, die Betriebsrente verliert durch niedrige Zinsen.

      • Lemmy Caution 27. Dezember 2021, 13:45

        Stefan, der DAX ist in den letzten 3 Jahren um ca. 40% gestiegen, Cac40 (Frankreich): 50%, FTSE-MIB (Italien): 50%, AEX 25 (Niederlande): 33%.
        In diese Zeit fiehl mit der Pandemie und alle ihre Auswirkungen auf z.B. Lieferketten ein gewaltiger externer Schock. Die Wertsteigerung dieser Indizes erklärt sich doch sicher zu einem guten Teil auch mit den günstigeren Bedingungen für Großunternehmen, während Hotel-Manager, Künstler oder Friseure eine wirklich harte Zeit hatten.

        Hast Du dir das Interview zumindest angehört?

        • Stefan Pietsch 27. Dezember 2021, 13:58

          Ja, ausschnittsweise.

          Die Pandemie ist für den Aktienmarkt ein nachrangiges Ereignis. An der Börse wird die Zukunft verhandelt, nicht die Vergangenheit und nicht die Gegenwart. Die Zukunft.

          Und die Zukunft erstreckt sich anders als bei Politikern nicht auf 1-2 Jahre, sondern 5 Jahre und mehr. Die Annahme, dass wir 2024 noch im Lockdown-Loch sitzen würde durch einige NoCovid-Enthusiasten sicher begrüßt, ist aber kein realistisches Szenario. Kurzzeitig fürchteten die Anleger den Rückfall in eine Rezession durch Omikron. Die Gefahr scheint jedoch gebannt. Muss man einigen in Deutschland nur noch ein paar Mal sagen.

          Welchen Wert hat Apple 2025? Dieser spekulative Wert ist die Maßgabe für den heute am Aktienmarkt gehandelten Wert. Ist der Zins niedrig, dann entspricht der Zukunftswert von 2025 ziemlich dem heutigen Gegenwartswert. Das ist Finanzmathematik.

          Apropos: Friseure haben keine große Zukunft. Eine Unterhaltung mit dem bevorzugten Friseur Deines Vertrauens genügt für diese Erkenntnis. In der Pandemie haben viele Leute gelernt, ihre Haare selbst zu schneiden und zu färben. Es ist eine Überlegung wert, dass auch nach der Pandemie weiterzuführen angesichts von Preisen jenseits der 100€. Hinzu kommt, dass Menschen ihr einmal antrainiertes Verhalten nur unter externen Einwirkungen deutlich verändern. So etwas haben wir ja gerade erlebt.

          • Lemmy Caution 27. Dezember 2021, 14:10

            Die +50% im französischen Index erklärt sich daraus, dass die Großunternehmen unserer sympathischen Nachbarn in 5 Jahren 50% mehr nominale Gewinne erzielen, weil die viele tolle Einfälle haben und der gallopierenden Inflation.
            Das halte ich für nicht sehr wahrscheinlich.

            Apple boykottiere ich übrigens, nachdem ich mich vor 5 Jahren mal sehr über Gravis und Apple geärgert habe. Ich bin sozusagen all-but-apple User: Ubuntu-Linux auf Desktop, Windows auf Laptop und Chrome OS auf zweit-Laptop.

            Spekulationen über den Apple Kurs in 5 Jahren aka „Finanzmathematik“ boykotiere ich auch: Kauf nix ausser ETFs und Fonds.

            • Stefan Pietsch 27. Dezember 2021, 17:29

              Gerade Du solltest doch wissen, dass die Gewinne (oder Verluste) der Vergangenheit und Gegenwart wenig mit dem Aktienkurs zu tun haben, Stichwort New Economy.

              Okay, verstehe ich. Ich mag Apple sehr, habe aber keine Aktien in den Unternehmen. Zu hoch bewertet.

              Apple wird von (fast) jedem ETF geführt. ETFs glätten die Kurse aller Werte, ich ziehe das Investment in direkte Anteile vor, ETFs sind allerdings natürlich auch im Portefolio.

  • Lemmy Caution 27. Dezember 2021, 13:19

    zu 8) Preise regeln sich in der Marktwirtschaft über Knappheit. Unter Vollbeschäftigung wird das zusätzliche Angebot der Verkäufer ihrer Arbeitsleistung knapp. Die Käufer von Arbeitsleistungen sind dann bereit, einen höheren Preis für die Arbeitsleistung zu zahlen, auch da sie in das Risiko laufen, keinen Verkäufer zu finden, wenn sie mit einem zu geringen Preis bieten. Der höhere Preis muss sich nicht in Stundenlohn ausdrücken, sondern auch in angenehmeren Arbeitsbedingungen. as simple as that.

    • Stefan Pietsch 27. Dezember 2021, 13:27

      Du übersiehst einen ganz wesentlichen Aspekt: Wie die meisten Produktionsfaktoren kann Arbeit substitiert werden. Dann fällt der Preis für die Arbeit ins Bodenlose. Gerade in einer Zeit, wo wir über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt sprechen, ist das ein nicht unwesentlicher Aspekt.

      Die unteren Einkommensgruppen waren in der Wirtschaftsgeschichte immer die Opfer der Inflation. Das gilt bis heute. Sachwerte entwickeln sich mit der Preisentwertung oder laufen ihr sogar voraus. Löhne laufen hinterher. Und es ist seit Ewigkeiten Usus, eine höhere Inflation zu Lohnkorrekturen (meist nach unten) zu nutzen.

      Ich würde nie gegen die Wirtschaftsgeschichte wetten.

      • Lemmy Caution 27. Dezember 2021, 13:59

        Stefan,
        ich habe die Frage vom schwäbischen Stefan beantwortet, warum sich Vollbeschäftigung günstig auf die Einkommensverteilung auswirkt. Dabei bin ich implizit von der Annahme ausgegangen, dass der Anteil des Produktionsfaktors Arbeit für niedrige Einkommen vergleichsweise höher ist.
        Wo ist da bitte das Problem?
        Manchmal bestreitest Du einfach alles und schreckst dabei hier nicht mal vor maschinenstürmerischen Argumenten zurück. Eine Steigerung der Arbeits-Produktivität hat in der Wirtschaftsgeschichte aggregiert stets zu höheren Arbeitseinkommen geführt. Ansonsten würden ja hier niedrigere Löhne als in Burkina Fasi gezahlt, weil unser Automatisierungsgrad höher ist.

        • Stefan Pietsch 27. Dezember 2021, 17:35

          Vielleicht habe ich Dich einfach etwas missverstanden. Das tut mir leid. Wenn mir erzählt wird, jemand oder eine Gruppe müsse automatisch profitieren oder Nachteile erleiden, reagiere ich aversiv. Ist ein Reflex. Nichts ist alternativlos in diesem Leben.

          Maschinenstürmerische Argumente? Das gefällt mir. 😉 Die deutsche Produktivitätsentwicklung hängt seit 15 Jahren ab, ein Grund, warum die deutsche Lohnentwicklung lange nicht so backe war. Stefan hängt ja einer sehr gefährlichen Philosophie an: wenn nur die Löhne ausreichend anziehen, ist eine hohe Inflation kein Problem. Das hatte ich bei meinen Antworten an Dich etwas im Hinterkopf.

    • Stefan Sasse 27. Dezember 2021, 15:35

      Die Logik ist mir klar, mir geht’s eher darum warum er denkt Linke unterschätzten das 🙂 Aber danke.

      • Erwin Gabriel 28. Dezember 2021, 02:27

        @ Stefan Sasse 27. Dezember 2021, 15:35

        Die Logik ist mir klar, mir geht’s eher darum warum er denkt Linke unterschätzten das

        Weil sie sich deutlich stärker darum bemühen, die nicht Vollzeit-Arbeitenden zu versorgen, als sie in Vollzeit zu bringen.

        Schon öfter angesprochen: Gerade die linken Parteien versuchen, über Versorgung eine Abhängigkeit der Wählenden herbeizuführen.

        • Stefan Sasse 28. Dezember 2021, 09:55

          Ah verstehe. Eine Einschränkung: ich glaube nicht, dass die bewusste Idee ist, über die Versorgung Wählendenstimmen zu bekommen. Wenn es das wäre, wäre es echt eine beknackte Strategie. Aber dass das passiert stimmt zweifellos; ich halte es aber für einen Ausdruck zweier Dinge: Überzeugung einerseits und politische Machbarkeit andererseits. Hartz-IV erhöhen ist wesentlich leichter als Leute in Vollzeiterwerb bringen.

          • Erwin Gabriel 29. Dezember 2021, 15:24

            @ Stefan Sasse 28. Dezember 2021, 09:55

            Eine Einschränkung: ich glaube nicht, dass die bewusste Idee ist, über die Versorgung Wählendenstimmen zu bekommen.

            Hhmmm …
            „Das wird den Wählern und Wählerinnen gefallen“ ist meiner Wahrnehmung nach allzu oft der Antrieb.

            Hartz-IV erhöhen ist wesentlich leichter, als Leute in Vollzeiterwerb bringen.

            Fraglos richtig. Und „höher“ ist nie „hoch genug“.

            • Stefan Sasse 30. Dezember 2021, 09:06

              Wäre in dem Fall aber gegen jede Empirie. Diese Leute wählen meistens nicht, und wenn sie wählen, dann nicht wegen einer Erhöhung des Regelsatzes um 5,80€. Wenn die Parteien das nicht wissen, wissen sie gar nichts. Wählendenbestechung auf dem Level funktioniert nicht, hat noch nie, wird nie.

              Klar. Schon allein, solange die LINKE existiert. „Immer eins mehr als du.“

        • CitizenK 28. Dezember 2021, 10:20

          „… sie in Vollzeit zu bringen“

          Das war das erklärte Ziel von Hartz IV. Hat nicht so richtig funktioniert.

          • Stefan Pietsch 28. Dezember 2021, 11:18

            Das ist ja der linke Selbstbetrug. Angesichts dessen, wie Linke angeblich Fake News bekämpfen, ist das … nicht überraschend.

            Seit den Siebzigerjahren lebte Deutschland mit einem ständigen Anwachsen der sogenannten Sockelarbeitslosigkeit, d.h. Arbeitsloser, die auch nach einer Rezession keinen Job mehr finden. In den Jahrzehnten bis zu den Arbeitsmarktreformen probierte die Politik eine Fülle von Maßnahmen aus. Alles war erfolglos. Seit den Nullerjahren haben wir uns zumindest terminologisch angepasst und nennen die Sockelarbeitslosigkeit wie international üblich „Langzeitarbeitslosigkeit“.

            Langzeitarbeitslosigkeit beginnt definitionsgemäß, wenn ein Erwerbsloser mehr als ein Jahr ohne Beschäftigung ist. Warum ist längere Erwerbslosigkeit so problematisch und steht im Zentrum intelligenter Arbeitsmarktpolitik? Die Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit sind verhehrend. Abgesehen von den sozialen Problemen sinken Beschäftigungschancen und Lohnniveau mit jedem Jahr der Arbeitslosigkeit. Nach drei Jahren ohne Job gilt jemand als „ungelernt“ und damit geringqualifiziert.

            Das ist keine deutsche Annahme, sondern gilt überall in der entwickelten Welt, in den USA wie Australien, wie Skandinavien. Es ist also elementar für die Wirtschaftspolitik eines Landes, Arbeitslose vor Erreichen dieser Grenze wieder in Arbeit zu bringen. Denn danach wird es zunehmend schwierig. Es lässt sich eigentlich denken, dass jede Politik, die die Versorgung Langzeitarbeitslose mit einem guten Einkommensniveau dem Ziel entgegenstehen muss. Dazu zählen die frühere Arbeitslosenhilfe als auch die Absichten der Ampelregierung, das Niveau von Hartz-IV spürbar zu erhöhen.

            Von 2006-2013 sank in Deutschland die Langzeitarbeitslosigkeit dramatisch, und das, obwohl dazwischen eine veritable Weltwirtschaftskrise lag. 2005 waren 53% der Arbeitslosen mehr als 1 Jahr ohne Anstellung, und das bei einer hohen Erwerbslosenrate von über 11% nach ILO-Standard. Zuletzt war dieser Anteil auf 38% gefallen bei einer historisch niedrigen Zahl von Arbeitslosen (unter 4%).

            Dieser Abbau ist im internationalen Vergleich weit überdurchschnittlich. Länder wie die Schweiz stagnieren mit einem Anteil von 34% und auch die USA haben sich seit dem Ende der Clinton-Ära von dem allerdings ohnehin extrem niedrigen Niveau von 6% Langzeitarbeitslosen nicht mehr verbessert.
            https://data.oecd.org/unemp/long-term-unemployment-rate.htm#indicator-chart

            Der Erfolg der Arbeitsmarktreformen ist also gravierend, er ist messbar und er ist zeitlich zurechenbar. Zu behaupten, Hartz-IV habe das Ziel, die Sockelarbeitslosigkeit in Deutschland abzubauen, nicht erreicht, ist bar jeder Fakten.

            • CitizenK 28. Dezember 2021, 17:40

              Die Rede war von VOLLzeit-Stellen. Entstanden sind aber vor allem prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Nachhaltig war das nicht: „Menschen kurzfristig in Helferjobs zu vermitteln, wenn sie dann in der nächsten Krise schon wieder entlassen werden, macht keinen Sinn“, so ein ehemaliger Leiter einer Arbeitsagentur.
              Und das sagt er noch: „Eine freie Gesellschaft, die auch Unterschiede in den Lebenswegen zulässt, die ist ja nur fair, wenn jede und jeder die echte Chance hat, den eigenen Weg zu finden, den eigenen Traum zu leben – unabhängig von Herkunft, Aussehen, Religion, wen man liebt oder davon, wie dieser Traum aussieht.“

              Ist jemand hier der Meinung, dies sei in unserer Gesellschaft schon Wirklichkeit?

              Quelle: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/fdp-johannes-vogel-1.5496467

              Übrigens: In dem Interview gibt es noch Anregungen zu BaföG, Weiterbildung, Grunderwerbsteuer für junge Familien.

            • Stefan Pietsch 28. Dezember 2021, 18:37

              Ich hatte geschrieben, worum es bei den Arbeitsmarktreformen ging. Die Ziele wurden erreicht. Alles andere sind Gedichte von Ihnen. Der Koalitionsvertrag von 1998 widmet sich dem Thema Abbau der Arbeitslosigkeit. Von Vollzeitstellen ist da nicht die Rede.
              http://library.fes.de/pdf-files/bibliothek/downl/koalitionsvertrag1998.pdf

              Sie formulieren Ziele, die der Staat nicht erfüllen kann. So wissen wir (also ich), dass Alleinerziehende eine wesentliche Gruppe der Langzeitarbeitslosen bilden. Alleinerziehende in Hartz-IV sind zu über 90% Frauen. Laut Befragungen, auf die sich die Bundesregierung im Rahmen des Nachhaltigkeitsberichts der Staatsfinanzen bezieht, wollen Frauen im Schnitt 31 Wochenstunden arbeiten. Auch bei Männern verzeichnen wir seit längerem einen fallenden Trend. Die Entwicklung geht weg von Vollzeitstellen, weil es dem Bedürfnis der Menschen entspricht. Sie machen die Besetzung von Vollzeitstellen zur Conditio sine qua non. Das ist Quatsch.

              Es ist nicht möglich, einen fünf Jahre Arbeitslosen zum IT-Experten bei SAP zu machen. Dies als Ziel zu propagieren, zeigt, dass man an einer realistischen Politik kein Interesse hat. Dann brauchen wir auch nicht darüber zu diskutieren.

              Die Arbeitsmarktreformen haben dafür gesorgt, dass Millionen Menschen nach langer Erwerbslosigkeit wieder in Arbeit gefunden haben oder erst gar nicht mehr als Kunden bei den Arbeitsagenturen landen. Das ist das, was der Staat als Ziel ausgeben kann. Er kann keine bestimmte Bezahlung und keine bestimmte Menge an Arbeitsstunden oder eine bestimmte Arbeitsplatzsicherheit garantieren. Nicht in Deutschland, nicht in den USA, nicht in Dänemark, wo überall die Fluktuation höher ist.

              Seit 20 Jahren weiß ich, dass Linke kein gesteigertes Interesse an Vollbeschäftigung haben. Im Zielkonflikt, Menschen Beschäftigung, öfters auch schlechter bezahlte und nicht mit den besten Konditionen ausgestattete zu beschaffen oder sie in Arbeitslosigkeit mit Transfers auszuhalten, fällt ihre Wahl immer auf letzteres. Lieber abhängige Bürger als welche, die eine Chance haben.

              Chance heißt übrigens nicht, dass jeder Millionär wird.

              • CitizenK 29. Dezember 2021, 10:32

                Ich freue mich jedenfalls, dass ein Stellvertretender Vorsitzender und Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion mit meiner Sicht auf Chancengleichheit (John Rawls!) übereinstimmt – jedenfalls theoretisch.

                Die sozialliberale Idee ist nicht tot!

                • Stefan Pietsch 29. Dezember 2021, 11:32

                  Der Artikel ist hinter einer Paywall.

                  Nur, um die Frage der Teilhabe ging es doch gar nicht. Langzeitarbeitslose haben nicht teil. Wie sollten sie auch? Es geht auch nicht um lebenslanges Lernen. Das kann jeder, wenn er will und das zu sehr geringen Kosten. Was er dazu benötigt, kann man nicht kaufen: Disziplin, Frustrationstoleranz, Willen. Alles Eigenschaften, die einem auch sonst im Lesen weiterhelfen.

                  Ich habe mir in den letzten Jahren die Programme Adobe Premiere, Adobe After Effects, Blender, Photoshop und davinci Resolve selbst beigegebracht – ohne jeden Lernkurs. In meinem Alter ist das Lernen völlig neuer Systeme und Konzeptionen nicht mehr ganz so einfach.

                  Die Idee, die Menschen mit hohen Transfers einfach stillzulegen, ist dumm, menschenverachtend und das Gegenteil von dem, was Johannes Vogel präsentiert.

                  Kommen Sie wirklich nie auf den Gedanken, dass wenn jemand 5, 6 Jahre oder noch nie in seinem Leben erwerbstätig war, nicht die soziale Versorgung das Problem ist?

                  Die ursprüngliche Frage war, ob die Arbeitsmarktreformen ihr vorgegebenes Ziel erreicht haben. Da lautet die Antwort unzweideutig: JA!

                  • Erwin Gabriel 29. Dezember 2021, 15:19

                    @ Stefan Pietsch 29. Dezember 2021, 11:32

                    Kommen Sie wirklich nie auf den Gedanken, dass wenn jemand 5, 6 Jahre oder noch nie in seinem Leben erwerbstätig war, nicht die soziale Versorgung das Problem ist?

                    Die soziale Versorgung ist normalerweise nie das Problem.

          • Stefan Sasse 28. Dezember 2021, 12:58

            H4 ist jetzt auch nicht die linkeste Idee. Der Grundfehler der Reform war die Prämisse, dass Vollbeschäftigung nicht herrsche, weil die Arbeitssuchenden zu faul, unflexibel oder unterqualifiziert seien und dass so was wie Konjunktur de facto nicht existiert.

            • Stefan Pietsch 28. Dezember 2021, 13:27

              Wir hatten von 1975 bis 2005 durchaus konjunkturelle Aufschwünge und Abschwünge. Wie Du aus dem Link ersehen kannst, war der Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit in diesem Zeitraum aber überschaubar, wenn überhaupt vorhanden.

              Wenn dann plötzlich seit 2006 die Welt anders ist, bedarf das einer Erklärung. Seltsamerweise kann die nicht sein, dass die Politik 2004 / 2005 eine maßgebliche Arbeitsmarktreform durchgeführt hat. Da will jemand die Wahrheit nicht sehen.

              Un natürlich zeigen Studien, dass Langzeitarbeitslose unflexibel und geringer qualifiziert sind. Fauler als Kurzzeitarbeitslose sind sie aber nicht, das ist eine Charaktereigenschaft und die findet sich breit in der Bevölkerung.

        • Lemmy Caution 28. Dezember 2021, 16:42

          Und um Leute ohne Arbeit zu bringen, gibt es eine brilliante Strategie: Niedrige Löhne.
          Der Mindestlohn wird im nächsten Jahr in 2 Stufen auf 10,40 Euro die Stunde erhöht. Aktuell liegt er bei 9,60. Die 3er Koalition will das auf 12 Euro erhöhen. Bin gespannt auf die Auswirkungen auf die Beschäftigung…
          Ich rechne mit überhaupt keiner Auswirkung.

          • Stefan Pietsch 28. Dezember 2021, 17:18

            Ich halte aber so etwas von dagegen. Du bestimmst den Wetteinsatz. Natürlich zählt auch die Reduzierung von Arbeitszeit dazu.

            Deal?

            • Lemmy Caution 29. Dezember 2021, 11:14

              Ok. 20.000 Euro.
              Ich wette darauf, dass wir uns ex post beide als Sieger erklären werden. Wettest Du dagegen? 😉
              Basis der Auswertung liefern letztlich ökonomische Korrelationsanalysen und die sind von ihrem Wesen IMMER biased.
              Wenn jetzt die Arbeitslosigkeit ein wenig steigt oder sinkt, könnten wir beide anführen, dass dies durch einen ganz anderen Faktor bedingt ist (Rohstoffpreise, Migration aus/nach Osteuropa, postpandemisch zeitweilig sinkende Sparquote, etc). Die Wirkung eines Faktors zu extrahieren wirkt zumindest für den Laien mehr als exakte Wissenschaft als sie im Grunde ist. Das sehe ich seit dem Studium so und bestärkt hat mich in der Einschätzung danach Russ Roberts von econtalk, ein überzeugter Wirtschaftsliberaler.
              Das ist übrigens der fundamentalste Gründe, warum es für widersprechende ökonomische Aussagen jeweils unterstützende wissenschaftliche Studien gibt. Die enthalten oft viele mathematische Formeln, sind aber in ihrem Wesen sozial- und nicht naturwissenschaftlich.

              • Stefan Pietsch 29. Dezember 2021, 11:50

                Ich bin mir jetzt unsicher über Deine Vermögensverhältnisse…

                Die Mindestlohnkommission kam 2018 zu dem Ergebnis,

                – Signifikante Wirkungen des Mindestlohns auf die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung lassen sich bislang ebenso wenig feststellen wie eine Veränderung der Arbeitslosigkeit.

                – Der im Zeitraum 2015 bis 2016 beobachtete Rückgang der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse („Mini-Jobs“) geht teils kausal auf die Einführung des Mindestlohns zurück, hängt aber in erster Linie mit einer Zurückhaltung der Arbeitgeber bei den Einstellungen statt mit zunehmenden Abgängen zusammen. (..)

                – Unmittelbar nach Bekanntwerden und Einführung des Mindestlohns hat bei sozialversicherungspflichtig Beschäftigten eine statistisch signifikante Reduktion der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit (ca. fünf Prozent bzw. 1,5 Stunden im ersten Halbjahr 2015) stattgefunden.
                https://newsroom.iza.org/de/archive/research/mindestlohn-in-deutschland-folgen-fur-beschaftigung-arbeitszeit-und-arbeitslosigkeit/

                Ich denke, so etwas kann man gelten lassen. Meinst Du nicht? Mir schwebt eine Erhebung aufgrund von den Daten des SOEP vor, die genau nach den Auswirkungen bei vom Mindestlohn Betroffenen fahnden.

                Es ist eben nicht wahr, dass der Mindestlohn keine Auswirkungen hatte. Die Effekte wurden nur durch einen boomenden Arbeitsmarkt überdeckt, sie sind aber sehr wohl feststellbar und messbar. Und genauso wird es diesmal sein, wenn sogar eine deutliche Erhöhung auf Arbeitsverhältnisse trifft, die in der Panemie unter Druck geraten sind: in der Gastronomie, im Friseurhandwerk.

                In meiner Region sind Restaurants verschwunden, haben sich Friseure vom Markt zurückgezogen. Einerseits sind die Kleinunternehmer unter Preisdruck, da die Leute den Service substituieren, wie Ökonomen das ausdrücken. Andererseits finden sie weniger Beschäftigte, die unter den Bedingungen arbeiten wollen.

                Die Annahme, dass stattdessen 40.000 Euro-Jobs für Hauptschulabbrecher im IT-Bereich geschaffen werden, halte ich jedoch für verwegen.

                Handelsüblich sind als Wetteinsatz eine Flasche Rotwein, bei mir vorzugsweise aus Chile, Argentinien oder Australien. Da die Heraufsetzung des Mindestlohns auf 12 Euro im ersten Quartal 2022 erfolgen soll, rechnen wir ab da 2-3 Jahre, ab wo Studien vorliegen sollten.

                Es zählt statistische Signifikanz. Deine Behauptung ist: keine Auswirkung. Meine ist: Auswirkung. Effekte sind dabei sowohl positiv als auch negativ. Sinkende Beschäftigung zählt ebenso dazu wie Arbeitszeitverkürzung. Wir schauen uns das 2024 / 2025 an.

                • Lemmy Caution 29. Dezember 2021, 15:32

                  Für 20k bin ich locker liquide.

                  – keine signifikanten Auswirkungen auf die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
                  – weniger Mini-Jobs, aber aus anderen Gründen
                  – Reduktion der Mini-Job Verträge um 1,5 Stunden.

                  Die Senkung der Arbeitszeit um 1,5 Stunden läßt sich nun wirklich nicht als Beleg dafür akzeptieren, dass der Mindestlohn die nicht so gut ausgebildeten Arbeitnehmer ins Elend stürzt. Vielleicht entspricht die Reduktion der Arbeitszeit den Präferenzen der Arbeitnehmer. Und außerdem werden die Einkommensverluste aus Reduktion der Arbeitszeit durch den höheren Stundenlohn kompensiert bis sogar über-kompensiert.
                  Wohlfahrtsökonomisch weisen diese Ergebnisse auf einen Gewinn für die prekär beschäftigten hin.

                  • Stefan Pietsch 29. Dezember 2021, 17:57

                    Mag sein, aber wahrscheinlich bekommen wir hier ein Problem. Die Behörden könnten DeliberationDaily wegen illegalem Glücksspiels dicht machen. 😉 Lassen wir’s bei einer Flasche Wein, okay?

                    Deine Behauptung war:
                    Bin gespannt auf die Auswirkungen auf die Beschäftigung… Ich rechne mit überhaupt keiner Auswirkung.

                    Rückgang von Arbeitszeit ist eine Auswirkung. Abschaffung von Beschäftigungsverhältnissen ist eine Auswirkung. Ob sie positiv oder negativ sind, hängt von Faktoren ab, die Du nicht beurteilen kannst. Schließlich war das Ziel der Mindestlohneinführung, dass die Menschen von ihrer Arbeit leben können. Wenn der Lohn erhöht wird, die Arbeitszeit aber verkürzt, ändert sich am Einkommen des prekär Beschäftigten nichts. Er arbeitet halt weniger Stunden prekär, die Arbeit wird aber nicht besser und der Kontostand nicht höher.

                    Deswegen: Auswirkung ist Auswirkung. Niemand bezweifelt, dass jemand, der statt 9,60€ zukünftig 12€ bekommt, einen höheren Stundenlohn hat. Das ist ja offensichtlich.

                    So, damit ist abgesteckt, worum es geht und wie es zu messen ist. Hältst Du Deine These aufrecht? Gilt dann der Deal?

                    • Lemmy Caution 29. Dezember 2021, 23:39

                      Ich habe gewettet, dass wir uns nicht einigen werden. Les das nochmal durch.
                      9,60 auf 12,00 Euro entspricht einer Lohnsteigerung von 25% bei gleicher Arbeitszeit.
                      Bei der Einfuehrung des Mindestlohns sank die Arbeitszeit bei Minijobs um 1,5 Stunden.
                      Damit dier Effekt des Einkommensverlust durch weniger geleistete Arbeit den Effekt durch Lohnsteigerung uebersteigt, muss das monatliche Arbeitsvolumen 7,5 Stunden (7,5 / 6 = 12 / 9,6 = 1,25) betragen haben. Dieser Job waere dann schon sehr, sehr mini. Und in praktisch allen Modellen wird weniger Arbeitszeit fuer den gleichen Lohn als Nutzen des Arbeitserbringer gewertet.

                      Im Englischen wuerde man sagen: checkmate, Stefan.

          • Stefan Sasse 28. Dezember 2021, 18:28

            Ich auch nicht.

  • Dennis 27. Dezember 2021, 23:26

    1)
    Gesetze – dazu gehören auch Haushaltsgesetze – verabschiedet die Bundesregierung als Ganzes und danach noch der Bundestag.

    Im Rahmen des regierungsinternen Kuhhandels ist Lindner in dieser Sache offenbar eingeknickt; macht ja nix: Im Gegenzug gibt’s z.B. Lockdown nur verschoben und light und bei der Impfpflicht die „Gewissensentscheidung“, sprich: Die Mehrheit kommt ggf. durch die Union zustande.

    Wie lange das im neuartigen Dreier gut geht mit diesen Spielregeln (für diese Kröte bei der Mahlzeit A gibt’s zum Ausgleich jenes Schmankerl bei der Mahlzeit B) werden wir sehen.

    Es handelt sich nu mal bei der Ampel um eine Große Koalition im Sinne der Begriffsbestimmung aus Weimarer Zeiten: Maximale politische Spannbreite. Die damalige FDP (=DVP) wollte seinerzeit bei der Arbeitslosenversicherung Leistungskürzungen, die SPD Beitragserhöhungen (das ist zwar 90 Jahre her, das Schema kommt einem aber grundsätzlich gar nicht sooo veraltet vor^) und der Vorhang fiel. Mal sehen, wie lange der jetzt oben bleibt.

    3)
    Das ist ja alles ganz nett, aber es gibt nun mal sowas Häßliches wie politische Einflusssphären. Klar, eigentlich eine Einschränkung der viel besungenen „Souveränität“ derjenigen Staaten, die einer Einflusssphäre einer im Grunde „fremden Macht“ ausgesetzt sind, was aber auch bequem und einigermaßen gemütlich ausschlagen kann. Dass Westdeutschland unter der Pax Americana seit anno ’45 entsetzlich gelitten habe, kann eigentlich nicht behauptet werden, gleichwohl kann, respektive muss, von beschränkter Souveränität die Rede sein.

    Davon kann man/frau die Augen zu machen, von Imperialismus reden (was zutrifft), nutzt aber nichts.

    „Jalta“ steht für diese Art Handhabung; häßlich, aber Frieden stiftend. Es hat beispielsweise beim Mauerbau anno ’61 nicht geknallt. Berlin-Ost und Berlin-West wurden wechselseitig als Beritt anerkannt und gut war’s.

    Man/frau kann natürlich argumentieren: Die Russen dürfen so was nicht beanspruchen, das darf nur Uncle Sam.

    Aber vermutlich wird’s ja alsbald Verhandlungen geben. Man wird – hoffentlich – die Interessen Moskaus auf Nato-Nichterweiterung anerkennen, das aber nicht hinausposaunen. Eine Föderierung (mit einem als „russisch“ anzuerkennenden Anteil) des Einheitsstaates Ukraine wäre auch keine schlechte Idee. Wer der Meinung ist, Krieg ist besser, möge persönlich in den Krieg ziehen und nicht auf dem Sofa sitzen bleiben und twittern.

    Das Ding Ukraine ist im Übrigen durch und durch korrupt mit reichlich rechtsextremen Odeur; putinistisch eigentlich, nur heißen die dortigen Putins anders.

    4)
    Wieso muss man/frau eigentlich Demokratie mühselig erlernen ?

    Heißt doch eigentlich, dass das Volk da unten diese Veranstaltung von sich aus gar nicht anstrebt 🙁 . Indem das wiederum so ist, wäre es doch besser, man/frau regiert wunschgemäß autoritär und alle (okay, fast alle) sind zufrieden^.

    Und ja, die SMV. Da isses so wie überall. Es gibt eine politische Klasse einerseits und die breite Masse andererseits, die darauf keinen Bock hat. Warum soll man Letztere zur Partizipation prügeln?

    • Stefan Sasse 28. Dezember 2021, 09:47

      1) Wann hat je eine Koalition anders funktioniert?

      3) Nein, muss es nicht. Wir hätten aus der Pax Americana auch rauskönnen. Es wäre nur dumm und nicht in unserem Interesse gewesen, und ist es auch heute nicht. Das hat wenig mit Einflusssphären zu tun. Klar kann ich anerkennen, dass Russland ein Interesse daran hat, die Ukraine als gescheiterten Pufferstaat zu erhalten. Aber akzeptieren muss man das deswegen noch lange nicht.

      4) Exakt, Demokratie muss erlernt werden und wird von sich aus nicht angestrebt. Und es geht ja genau darum, das nicht „einzuprügeln“, sondern einzuüben.

  • Stefan Pietsch 28. Dezember 2021, 11:40

    2) Wie real ist das Schreckgespenst der „Lohn-Preis-Spirale“?

    Paul Krugman, Idol aller linken Hobby-Ökonomen, schrieb vor 20 Jahren, der volkswirtschaftliche Sinn von Inflation sei unter anderem, Lohnkorrekturen vornehmen zu können. Durch die Geldentwertung sinken die Einkommen derjenigen, die weniger effizient sind als es ihrem Lohn entspricht. Sie sinken gehaltstechnisch, ohne dass eine nominelle Kürzung vorgenommen werden müsste.

    Linke sehen dagegen nur den Aspekt, dass höhere Inflationsraten die Schuldenlasten reduzieren. Dieses Ziel steht aber im krassen Gegensatz zu der Behauptung, hohe Staatsverschuldungen seien kein Problem. Wenn sie kein Problem sind, brauchen sie auch nicht durch Inflation reduziert zu werden. Tatsächlich setzen Linke ihre Hoffnungen auf einen betrügerischen Effekt: Die gutgläubigen Gläubiger sollen mit niedrigen Inflationsraten gelockt und mit hoher Inflationierung um ihr Vermögen gebracht werden.

    So recht funktioniert das nicht. Paul Krugman hat nämlich Recht, steigende Inflationsraten werden erheblich zu Lohnkorrekturen genutzt, die Geschädigten sind immer die unteren Einkommensgruppen, die weder über Marktmacht verfügen noch ihre staatlich vorgegebenen Lohnuntergrenzen und Transfereinnahmen so schnell angepasst bekommen. Die hohe Zahl an Staatstiteln im Besitz der Notenbanken zeigen zudem, dass die Wohlhabenderen nicht so unklug sind, auf Versprechungen der Politik hereinzufallen und sich ihren Winkelzügen auszuliefern. Sie kaufen keine Anleihen.

    Die Wirtschaftsgeschichte zeigt: Geldwertinstabilität schädigt die Prosperität eines Landes. Es gibt kein Beispiel, wo Inflation einem Land zu Wohlstand verholfen hätte. Und die Gekniffenen sind immer die, die sich nicht wehren können: Mindestlöhne und Sozialtransfers, mit großem Brimborium eingeführt und erhöht, verlieren deutlich an Wert, bei Betriebsrenten und wertstabilen Vermögenstiteln wie Renten, privaten Krankenversicherungen und Kapitallebensversicherungen finden gravierende Vermögensverluste statt.

    Wohlstand und Prosperität in einer Ökonomie kommen vom Vertrauen in staatliche Institutionen und Stabilität. Die Beschädigung der Stabilität führt zu Verarmung.

  • Stefan Pietsch 28. Dezember 2021, 11:57

    9) Kooperation mit AfD? Merz droht mit Parteiausschluss

    Friedrich Merz ist ein kluger Kopf. Als solcher räumt er als erste Amtshandlungen ab, was ohnehin nicht mehr politisch durchgesetzt werden kann.

    Sozio-ökonomische wie sozialwissenschaftliche Studien zeigen, dass die Klientel der AfD der der Konservativen fern steht. Nur ein geringer Teil bewegt sich im Spektrum des Nationalkonservativen und Nationalliberalen, und das um so weniger, je stärker sich die AfD Verschwörungstheoretikern und dem nationalistisch-rassistischem Gedankengut annähert. An der Front ist dann nicht mehr viel zu gewinnen. Im Gegenteil. Das Beispiel der FDP zeigt, dass durch harte Abgrenzung gegenüber den Blauen und einer klaren Profilierung jene gewonnen und gehalten werden können, die rechtsliberal und streng rechtsstaatlich denken. Lindner positionierte so früh die FDP und hielt das konsequent während der Corona-Pandemie bei der Kritik an den Grundrechtsbeschränkungen durch. Der Lohn waren Stimmenzugewinne vor allem auch von jenen Wählern, die dem Pandemie-Management skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen.

    Merz hat das gelernt. Abgrenzung und klare Kante gehören durchaus zusammen.

    Es gibt keine Möglichkeit, die Ehe für alle wieder abzuschaffen. Keine rechtsstaatliche und keine durch Mehrheiten im Bundestag. Und auch keine in der Bevölkerung. Einem Status quo ante zu verfolgen, der auf keinem Wege erreichbar scheint, wäre eine politische Torheit und reaktionär. Friedrich Merz ist beides nicht.

    Der neue CDU-Vorsitzende in spe ist eines der seltenen Exemplare, die in der Politik kaum noch anzutreffen sind. Er ist ein Feingeist, der sowohl in der politischen Arena als auch in der Wirtschaft funktioniert. Er hatte und hat wieder Spitzenämter in der Politik und er machte Karriere in einem der bedeutensten Wirtschaftsunternehmen. Und er ist ein angesehener Anwalt.

    Wer eine solche Person nur im Ansatz mit Politikern des Schlages Annalena Baerbock, Kevin Kühnert oder Saskia Esken vergleicht, die gerade mehr schlecht als recht auf einem Feld funktionieren, der verwechselt auch eine Schweizer Schneekugel mit dem Globus.

    • Stefan Sasse 28. Dezember 2021, 13:06

      Wie politische Richtungswechsel immer von Klugheit zeugen, wenn man die Personen mag, und Prinzipienlosigkeit, wenn man die Person nicht mag, ist immer wieder faszinierend. Merz hat ja völlig Recht mit der Abgrenzung, die CDU hätte das schon vor Jahren machen müssen. Nun braucht es einen von denen, die den Karren in den Dreck gefahren haben, um ihn wieder rauszuziehen.

      • Stefan Pietsch 28. Dezember 2021, 13:32

        Wieso Richtungswechsel? Hat Friedrich Merz gesagt, er halte die Homoehe für eine tolle Sache? Er erkennt die Realität an, dass eine Änderung der Rechtslage praktisch unmöglich ist. Das sehe ich genauso. Deswegen finde ich noch lange nicht die Ehe für alle eine tolle Sache und in einer für mich perfekten Welt gäbe es sie wahrscheinlich nicht. Ich halte die Verweigung von Realität für Borniertheit. Du anscheinend für Prinzipienlosigkeit.

        Friedrich Merz war seit 2002 nicht mehr in politischer Verantwortung. Weder in einem Regierungs- noch einem parteipolitischem Amt. Er kann kaum den Karren in den Dreck gefahren haben. Das war ganz offensichtlich die Dame mit den Initialen A.M. Merz muss nun korrigieren, was die langjährige Parteivorsitzende offensichtlich falsch gemacht hat. Soweit das möglich ist.

        • Stefan Sasse 28. Dezember 2021, 18:27

          Er hat sie in seinem Wahlkampf um den Vorsitz noch deutlich abgelehnt. Hör auf ihn reinzuwaschen.

        • Stefan Pietsch 28. Dezember 2021, 18:44

          Bereits 2018 hat Friedrich Merz die Ehe für alle in einem BILD-Interview („Die richtigen Fragen“) befürwortet. Einfach googlen. Wusste ich zugegeben nicht. Aber Du erzählst offensichtlich Unsinn.

          Und es geht nicht um Reinwaschen (Deine Wortwahl verrät Deine Intension), sondern um politische Analyse.

          Zur Klarstellung: Ich mache Politikern grundsätzlich keine Vorwürfe, wenn sie ihre Positionen korrigieren. So habe ich zuletzt auch zu Kevin Kühnerts Umkehr beim Thema Enteignungen keine Prinzipienfrage daraus gemacht. So ein Quatsch, Stefan. Du machst Vorwürfe, die völlig aus der Luft gegriffen sind. Und das nervt.

      • Dennis 28. Dezember 2021, 18:11

        Jedenfalls sieht man/frau, dass das Abräumen der FDP-Wählerschaft von „links-gelb“ der Renner der Saison werden wird.

        • Stefan Sasse 28. Dezember 2021, 18:26

          Zumindest versuchen sie das. Ob es klappen wird, werden wir sehen.

  • Thorsten Haupts 28. Dezember 2021, 16:49

    Zu 4):

    Für die Schülermitverwaltung wie die studentische Selbstverwaltung gilt – damit Demokratie dort Mitspieler gewinnt, müssten beide bei Dingen (mit)entscheiden dürfen, die für ihre Wähler von wirklicher Bedeutung sind.

    Bei Schülern sollte das ausgeschlossen sein – aus sehr guten Gründen billigt man ihnen generell keinen Erwachsenenstatus zu. Bei Studenten – ich war lange Zeit selber dort politisch aktiv – war das mal so, die bzw. zumindest einige Studentenwerke (BAFöG, Studentenwohnheime etc.) waren mal studentisch selbstverwaltet. Und diese Selbstverwaltung wurde gründlich versemmelt und danach wurde den ASten diese Spielwiese genommen, womit die studentische Selbstverwaltung für Studenten weitgehend irrelevant wurde.

    Ich möchte meine Erfahrungen in der Studentenpolitik nicht missen, sie haben mich vieles über Gruppendynamik und Macht praktisch gelehrt. Aber unter den Voraussetzungen weitgehender äusserer Machtlosigkeit wird das niemals eine grosse Gruppe zum Mitmachen bewegen. Will man das ändern, muss man den Studenten echte universitäre Mitentscheidungskompetenz einräumen und die studentische Gremienvertretung (Fachbereiche und universitärer Senat) an die studentische Selbstverwaltung koppeln. Wenn man bereit ist, die damit verbundenen Konsequenzen inklusive des Scheiterns zu akzeptieren und NICHT mit dem Staat in entstehende Lücken zu springen, wäre ich dafür. Glaube nur nicht, dass das politisch durchhaltbar wäre, solange Universitäten ihren heutigen de facto Status – Ausbildungsstätten für die Intelligenteren unter uns – nicht ändern (können).

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 28. Dezember 2021, 18:29

      Ich hab keine Erfahrungen in der Studierendenpolitik, das war für mich nie attraktiv. Was die SuS angeht: auch die kann man mitreden und in manchen Fällen mitentscheiden lassen. Es redet ja keiner drüber, die Prüfungsordnung zur Disposition zu stellen.

      • Thorsten Haupts 28. Dezember 2021, 23:51

        Wenn Sie denen nichts anbieten können, was die wirklich interessiert (sagen wir, ab 14), wird sich am Zustand nichts ändern. Irgendwo folgenlos mitschwatzen interessiert nur eine kleine Gruppe, von denen die meisten eh politisch aktiv werden.

        Der wirkliche Grund für die relativ niedrige Wahlbeteiligung auch bei nationalen Wahlen in entwickelten Demokratien zu bestimmten Zeiten ist nämlich sehr einfach – viele Leut fühlen sich durch keinen möglichen Wahlausgang wirklich bedroht (oder motiviert), also lassen sie´s einfach laufen.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 29. Dezember 2021, 08:35

          Mir geht es ja gerade darum, ihnen anzubieten dort mitzugestalten, wo es sie interessiert. Beispiel: Festgelegt ist, dass die Schüler*innen ein historisches Thema durchdringen und dabei Quellenanalyse und -kritik lernen. Warum sie nicht mitentscheiden lassen, welches thema das ist?

          Ich habe eine gesunde Skepsis gegen monothematische Erklärungen für so komplexe Phänomene.

          • Thorsten Haupts 29. Dezember 2021, 12:07

            Warum sie nicht mitentscheiden lassen, welches thema das ist?

            Sie gestatten homerisches Gelächter? Das letzte Mal, dass ein Junglehrer so was ausprobiert hat (Welches Buch wollen wir im Deutsch Grundkurs 11. Schuljahr denn lesen?), hat ihn die Klasse damals so richtig auflaufen lassen. Erst haben wir die Diskussion über 6 Unterrichtsstunden hingezogen, dann entschieden und diese Entscheidung 4 Wochen später wieder in Frage gestellt. Der Junglehrer ist in dem Zeitraum 10 Jahre älter und nach meiner damaligen Beobachtung endlich erwachsen geworden, also hat es sich wohl gelohnt :-).

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Stefan Sasse 29. Dezember 2021, 13:40

              1) Wenn ich eine Entscheidung über 6 Unterrichtsstunden ziehe ist das die Schuld meiner Unterrichtsplanung, nicht dass ich eine Wahl stelle.
              2) Ist doch super, wenn das infragestellt wird. Dann kann ich direkt lernen, mit den Konsequenzen von Entscheidungen zu leben – und nächstes Mal genauer zu überlegen.

              So oder so, ich habe einen Lerneffekt.

  • Thorsten Haupts 29. Dezember 2021, 00:00

    Zu 7):

    Ich weiss nicht. Es gibt im IT-Bereich etwas analoges – mangels vertiefter Kenntnisse der Organisationsvorstände wird alles, was der IT-Bereich nicht will (aus welchen guten oder schlechten Gründen auch immer) mit „gefährdet die Sicherheit“ vom Tisch gefegt. Ich habe in den letzten 10 Jahren den starken Eindruck gewonnen, mit dem Datenschutz als Universal-Verhinderungsintrument verhalte es sich ähnlich. Da ginge viel mehr – aber dazu müsste sich ein Entscheider intensiv mit den Regeln und Normen des Datenschutzes beschäftigen, was kaum einer tut.

    Was nicht heisst, das nicht einiges an den Regeln absurd ist. Aber so wird das halt, wenn ein Verfassungsgericht freihändig ein neues Grundrecht erfindet :-).

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 29. Dezember 2021, 08:36

      Korrekt.

      Ich bin nicht sicher, ob da der kausale Zusammenhang so besteht, aber geholfen hat’s vermutlich nicht ^^

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