Die Ampel: Eine verpasste Chance?

In einem Interview mit dem Spiegel hat der ehemalige hessische Ministerpräsident und Finanzminister Hans Eichel die Linie der hessischen SPD bestärkt, als bevorzugte Koalition die Ampel anzustreben. Das ist insofern interessant, als dass es ein wenig aus der Zeit gefallen scheint. Ich habe letzthin schon auf Twitter die Hypothese aufgestellt, dass das Nichtzustandekommen einer Ampel eines der großen „Was wäre wenn“ der 2000er-Jahre ist. An der Stelle lohnt sich ein Blick zurück, bevor wir die Augen wieder auf die Gegenwart lenken.

Während der ersten Großen Koalition 2005 bis 2009 begannen die Werte der SPD in den Umfragen bereits langsam abzusinken und machten ein ums andere Mal deutlich, dass eine Wiederauflage des rot-grünen Bündnisses seit dem Einzug der LINKEn in den Bundestag nicht mehr möglich sein würde. Da die SPD noch hoffte, Merkel 2009 wieder durch einen SPD-Kanzler ablösen zu können, brauchte es daher eine realistische Machtoption. Rot-Rot-Grün wurde hierzu beständig und emphatisch ausgeschlossen, getrieben durch Druck der bürgerlichen Parteien und Medien auf eine Art, die spätestens in der Rückschau schon fast neurotisch und hysterisch scheint. Die einzig realistische Option war daher die Ampel-Koalition, die auch auf Nachfragen gebetsmühlenartig als Alternative bemüht wurde.

Die FDP weigerte sich unter ihrem damaligen Vorsitzenden Guido Westerwelle konsequent, sich dieser Idee gegenüber zu öffnen, was die beständigen Avancen der SPD-Führung umso peinlicher erscheinen ließ. Der Grund dafür ist simpel: Die Strategie der FDP war es, die Stimmen derjenigen, die mit der damals vielfach beklagten „Sozialdemokratisierung“ der CDU in der Großen Koalition unzufrieden waren, aufzufangen und so gestärkt in das schwarz-gelbe Bündnis zu gehen, das man für 2005/2006 eingeplant hatte. Diese Strategie ging bis zur Wahlnacht auch auf, in der die FDP ein Rekordergebnis von rund 16% erzielen konnte.

Danach allerdings ging es für die Partei rapide bergab. Nicht nur ließ sie sich bei der Verteilung der Ministerien übervorteilen, ihr gelang es auch, konsequent keine ihrer Wahlkampfforderungen umzusetzen, mit der Ausnahme der Angleichung der Mehrwertsteuersätze für Hotels, die sich dank einer Mövenpick-Parteispende und guten Spins der Opposition in den Köpfen der Wähler als Korruption festsetzte. Bei der Wahl 2013 flog die Partei dann aus dem Bundestag. Seit ihrem Wiedereinzug 2017 scheut die Partei als gebranntes Kind die Verantwortung.

Nicht viel besser erging es der SPD, die 2009 ein Rekordniedrigergebnis einfuhr, dies 2013 nur marginal verbesserte und 2017 noch einmal unterbot, nur um nun in Umfragen um den Platz als drittstärkste Partei zu kämpfen. Einzig die Grünen fahren zwar in einer Umfragenachterbahn, sind aber insgesamt relativ stabil im höheren einstelligen Prozentbereich unterwegs – der gleiche Bereich übrigens, in dem es sich auch die LINKE gemütlich gemacht hat. Inzwischen hätte die früher noch mit Vehemenz bekämpfte R2G-Koalition nicht einmal mehr eine sichere Basis; die „linke Mehrheit“, mit der Lafontaine in der ersten großen Koalition die SPD vor sich hertrieb, ist nicht einmal mehr als arithmetische Spielerei vorhanden.

Umso interessanter ist die Überlegung, wie anders die Situation wäre, wenn die FDP seinerzeit auf die Avancen der SPD eingegangen und das Ampelrisiko eingegangen wäre. Für diese Überlegung begehen wir gleich den ersten Kardinalsfehler und ignorieren die Grünen, aber das wird bei den R2G-Debatten ja auch gemacht. 😉 Aber ernsthaft, sehen wir uns einmal kurz die Situation an, in der damals heiß über die Ampel diskutiert wurde.

Um 2007 herum waren die tonangebenden Figuren innerhalb der SPD Politiker wie Franz Müntefering, Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück, Wolfgang Clement, Matthias Platzeck, Kurt Beck und Olaf Scholz. Mit anderen Worten, es waren die Agenda-Boys, minus das Agenda-Oberhaupt, das sich von Putin fürstlich für die kläglichen Reste seines guten Leumunds entschädigen ließ. Entsprechend sah auch die Politik aus: Erhöhung der Mehrwertsteuer, Heraufsetzung des Renteneintrittsalters, Verschärfung der Hartz-IV-Sanktionen, Mittragen der Stasi-2.0-Sicherheitspolitiks des innenpolitschen Scharfmachers Schäuble, etc.

Als 2008 Kurt Beck seine glücklose Periode als Vorsitzender der SPD übernahm. Dessen strategische Perspektive war die Öffnung der SPD nach allen Seiten. Er schaffte das kategorische Kooperationsverbot mit der LINKEn in den westdeutschen Bundesländern ab, das die SPD so teuer kostete (unter anderem Hessen im selben Jahr), machte aber aus seiner Präferenz für die Ampel keinen Hehl, für die er auch persönlich stand: Beck hatte in Rheinland-Pfalz mit der Partei zusammen die letzte sozialliberale Koalition der BRD geführt, bevor er die absolute Mehrheit holte, ein aus heutiger Sicht beinahe unvorstellbares Zeugnis für seine Fähigkeiten – das sich dann jedoch als voreilig herausstellte. Im Amt agierte Beck denn auch eher glücklos, schwankte von hier nach dort (einerseits beleidigte er Arbeitslose und die Unterschicht, über die seinerzeit eine wilde Debatte tobte, andererseits unternahm er die Aufweichung der Bezugsregeln für das ALG-I) und fiel schließlich innerparteilicher Intrige und medialem Druck zum Opfer. Er hat da einiges mit Martin Schulz gemein.

Lange Rede, kurzer Sinn: die SPD von 2008 ist nicht die SPD von 2018. Die Partei war damals noch völlig im Fluss, und welche der Richtungen sich durchsetzen würde – und welche strategischen Optionen sich daraus ergeben würden – war damals noch völlig unklar. Für die Bundestagswahlen 2009 jedenfalls legte sich die SPD auf die Ampel fest. Dies bedeutete ein grundsätzliches Bekenntnis zum Agenda-Kurs.

Doch für eine Koalition braucht es immer Partner, und der Gewünschte erwies sich in diesem Fall mehr als unwillig. Westerwelle hatte spätestens seit der gemeinsamen Wahl Horst Köhlers (auch so ein Rohrkrepierer dieser an Rohrkrepierern nicht gerade armen Zeit) auf eine schwarz-gelbe Koalition hingearbeitet. Diese sollte eigentlich der Triumph von 2005 sein (beziehungsweise 2006, ohne Schröders Panikentscheidung mit den Neuwahlen). Aber durch Schröders überraschend starke Performance und dem Einbruch der CDU erledigte sich das, die FDP wurde Oppositionsführung und kritisierte seither die Große Koalition von rechts. Das ständige Polemisieren gegen die „Sozialisten“, die quasi mit jedem nächsten Schritt die DDR wieder einführen würden, machte einen Kurswechsel gegenüber der SPD, milde ausgedrückt, schwer vermittelbar und in der Praxis dank der überzeugenden Mehrheit 2009 auch unnötig.

Aber hätte die FDP damals die Möglichkeit ergriffen und, ermutigt aus den Erfahrungen in einigen Bundesländern, für 2009 tatsächlich eine Ampel ernstlich in Betracht gezogen – wir würden heute vermutlich eine andere Republik sehen. Die SPD würde mit ziemlicher Sicherheit trotzdem Verluste erlitten haben, aber ob diese so groß wären wie sie heute sind kann durchaus bezweifelt werden. Der FDP wäre ebenso wahrscheinlich sowohl der große Erfolg 2009 als auch der gewaltige Absturz danach erspart geblieben.

Relevanter aber wären die Folgen für das Parteisystem als Ganzes. Offensichtlich wäre dadurch die ewige Große Koalition nicht mehr relevant gewesen, da genügend Alternativen bestanden hätten. Die CDU wäre mit Sicherheit deutlich rechter als ihre heutige Ausprägung, und die FDP würde das Zünglein an der Waage spielen, weil die Frage wäre, mit wem sie koalieren würde – statt in babylonischer Gefangenschaft an die CDU gekettet zu sein. Gleichzeitig würde die LINKE etwas stärker sein, weil die SPD und Grünen beide durch die FDP deutlich auf dem Agendakurs bleiben.

Fraglich ist allerdings, und das war damals neben den wahlkampftaktischen Festlegungen ja auch eine entscheidende Weichenstellung, welches Politikprojekt eine Ampel-Koalition gehabt hätte. Genau das war die Antwort, die die SPD damals auch nie geben konnte und die die FDP nicht einmal ernsthaft zu diskutieren bereit war. Offensichtlich dürfte sein, dass das Programm von 2009 mit der Ampel nicht hätte taugen können. Grundsätzlich hätte sich die Ampel wohl als ein sozialliberales Bündnis begreifen müssen: die FDP hätte ihr Profil als Partei von Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechten hervorgehoben und sich auf der anderen Seite als Korrektiv für die SPD und Grünen inszeniert (insbesondere was Energiewende und Agenda2010 anging), während SPD und Grüne ihrerseits die damalige Marktradikalität der FDP gezügelt hätten. Die Parteien hätten sich zudem, ähnlich dem Lindner-Wahlkampf 2017 und dem SPD-Wahlkampf 1998, hinter einem generellen Modernisierungsbegriff sammeln können, der durchaus das Internet und den Bildungsbereich hätte umfassen können. Eine Art großes „Deutschland zukunftsfähig machen“-Projekt, das den Status Quo auf dem Arbeitsmarkt unangetastet lässt. Das hätte erfordert, die Agenda2010 allseitig als Erfolgsstory und „mission accomplished“ zu deklarieren, aber diese Grundströmung war ja ohnehin vorhanden.

Es ist offensichtlich, dass hierzu einige Bewegung bei allen Seiten mit ungewissem Ausgang und hohen politischen Kosten notwendig gewesen wäre. Es ist also nicht schwer zu sehen, warum aus dem Projekt nie etwas wurde. Doch die strategische Bedeutung einer stärkeren Mitte, als wir sie heute haben, ist nicht zu unterschätzen. Vielleicht hätte die Ampel sogar glücklicher mit dem Flüchtlingsproblem agieren können – man weiß es nicht. Vorteilhaft wäre so oder so die Einbindung der FDP in die politische Verantwortung gewesen.

Auf der anderen Seite steht natürlich die Gefahr, dass so der Zorn der Abgehängten noch schneller auf der Tagesordnung steht. Man vergisst das leicht, aber zwischen 2005 und 2008 gab es eine Vielzahl an Diskussionen über „soziale Unruhen“, den Aufstieg der LINKEn und ein Abgleiten in den Linkspopulismus – ungefähr in derselben alarmistischen Stimmung, wie wir sie heute bezüglich der AfD haben, nur ohne die beständige Erklärung aller Beteiligten, dass jeder, der so fühle, einfach zu doof sei, die Segnungen der Agenda-Politik zu verstehen. Wäre damals die Ampel Wirklichkeit geworden, so hätte auch – gerade im Hinblick auf den Doppelschlag von Finanzkrise und Eurokrise 2009/2010 – die Bedrohung des deutschen Status Quo von der LINKEn ausgehen können. Dass die plötzlich mit 15-20% für westdeutsche Parlamente gehandelt wird und in ostdeutschen Parlamenten die mit Abstand stärkste Partei stellt, mit all den demokratielegitimierungstechnischen Problemen die ihr fortdauernder Ausschluss von der Macht gehabt hätte, ist kein völlig unrealistisches Szenario.

Die Ampel ist damit „the road not taken“, aber ihr Weg steht grundsätzlich offen, zumindest in Ländern wie Hessen. im Bund käme sie nicht einmal auf eine rechnerische Mehrheit, geschweige denn dass die an Agenda-Schmerzen leidende SPD irgendwie mit der rechtsblinkenden, jugendlich-frischen FDP Lindners passen würde. Aber reizvoll wäre das Szenario durchaus. Zumindest für mich.

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  • R.A. 26. Oktober 2018, 14:08

    > die spätestens in der Rückschau schon fast
    > neurotisch und hysterisch scheint.
    Kann ich nicht finden. Es ist völlig angemessen, eine Regierungsbeteiligung der Diktaturpartei nicht zu wollen (immerhin hat die „Linke“ die antidemokratischen Untaten faktisch gemacht, die bei der AfD nur befürchtet werden).
    Und die Regierungsbilanz der Landesregierungen mit „Linke“-Beteiligung sind katastrophal.

    > ihr gelang es auch, konsequent keine ihrer
    > Wahlkampfforderungen umzusetzen
    Jein. Die standen schon im Koalitionsvertrag. Aber in bis dahin üblicher „weicher“ Formulierung, um die Details dann später praxisgerecht gestalten zu können. Das hatte in den Koalitionen mit Brandt, Schmidt und Kohl gut funktioniert – die Koalitionsverträge waren damals allgemein viel kürzer und allgemeiner gehalten.
    Der Fehler der FDP-Verhandler war, den Umgang Merkels mit Koalitionspartnern (wie diese es bereits in der ersten GroKo demonstriert hatte) zu analysieren und zu merken, daß Merkels Vorgehensweise komplett anders ist als die von Kohl. Nämlich nicht in erster Linie auf den gemeinsamen Regierungserfolg gerichtet (bei dem jeder Partner seine Erfolge kriegt), sondern auf Demontage des jeweiligen Partners gerichtet (nicht nur SPD und FDP, sondern auch die Schwesterpartei CSU).

    > Seit ihrem Wiedereinzug 2017 scheut die Partei als
    > gebranntes Kind die Verantwortung.
    Das ist falsch. Sie scheut nicht die Verantwortung, sondern Merkel. Mit der ist keine Vertrauensbasis mehr da, mit anderen Personen wäre eine Koalition weiterhin machbar.

    > ermutigt aus den Erfahrungen in einigen Bundesländern
    Welche sollen das gewesen sein? Die Erfahrungen mit Ampeln sind für die FDP sehr überwiegend negativ.

    > Offensichtlich wäre dadurch die ewige Große
    > Koalition nicht mehr relevant gewesen, da
    > genügend Alternativen bestanden hätten.
    Äh, nein. Es hat bisher keine große Koalition deswegen geben müssen, weil keine Ampelbereitschaft bestand. Sondern weil die Ampel üblicherweise keine Mehrheit hat.

    > statt in babylonischer Gefangenschaft an die CDU gekettet zu sein.
    Die angebliche „babylonische Gefangenschaft“ ist ein alter Topos sowohl von SPD wie auch Union, wenn die FDP die jeweils andere Partei präferiert. Ist aber grundsätzlich Unsinn.
    Auch jetzt gibt es solche Ketten nicht. Sondern es gibt erstens die noch bestehende strategische Position der Union, die Koalitionen ohne sie fast nie zuläßt. Und natürlich eine größere inhaltliche Übereinstimmung von Union und FDP.

    > die FDP hätte ihr Profil als Partei von Rechtsstaatlichkeit
    > und Bürgerrechten hervorgehoben
    Und wäre anschließend von ihren Wählern massiv abgestraft worden. Weil es 2009 schlicht keine relevanten Probleme in diesem Bereich gab, für die sich die FDP hätte engagieren müssen. Mitglieder und Wähler fanden andere Politikbereiche deutlich dringender, und dort mußte die FDP liefern. Und in allen diesen Bereichen lag sie diametral zu den Grünen.

    > hinter einem generellen Modernisierungsbegriff
    > sammeln können
    SPD und FDP hätten das machen können, die Grünen nicht. Bis auf Einzelpunkte wie Hasch und Gender haben die Grünen nichts mehr mit ihren linken Wurzeln gemein, sie sind eine geradezu reaktionäre und spießbürgerliche Bewegung geworden – deswegen auch so attraktiv für ehemalige Unionswähler.

    > aber ihr Weg steht grundsätzlich offen, zumindest
    > in Ländern wie Hessen
    Nur theoretisch. Die meisten realistischen Wahlausgangvarianten würden Koalitionen möglich machen, die den Wünschen der Beteiligten mehr entsprechen (insbesondere schwarz/grün oder grün/rot/rot).
    Die Ampel ist eher eine Notoption wie die GroKo, falls es sonst keine Möglichkeit mehr gibt eine demokratische Regierung zu bilden.

    • Stefan Sasse 26. Oktober 2018, 14:40

      – In den westlichen Bundesländern doch aber nicht? Und im Osten haben sie es ja gerade gemacht. Und die Blockflöten wurden ja auch problemlos integriert. Aber klar, die DDR war und ist ein Ballast der LINKEn, mit dem sie nicht richtig umgehen.

      – Merkel scheint schon Superkräfte zu haben, wenn man euch so zuhört. Sie ist halt auch echt mit Gegnern gesegnet, die sich liebend gerne selbst zerlegen. Müntefering, Beck, Westerwelle, Huber/Beckstein, Seehofer et al sind ihr allesamt auch schlicht nicht gewachsen. Mir scheint, da wird auch viel Unvermögen kaschiert, indem Merkel zu diesem uber-villain aufgebauscht wird.

      – Die Erfahrungen in den Ländern sind hypothetisch. Wenn man das Modell öfter machte, dann…

      – Die FDP hat sich auf die CDU festgelegt, seit 1982. Wie du schon richtig selbst feststellst, mit wem sollte sie auch sonst koalieren wollen?

      – Ich sehe deine Kritik an der Modernisierungs-Idee, ich bin ja selbst durchaus skeptisch. Das wäre nur so ein mögliches Themenfeld. Praktisch wurden sie vom Wähler übrigens massiv abgestraft, und zwar massiver, als das in dem Fall wohl passiert wäre. Wie beschrieben gehe ich davon aus dass sie mit Ampel niemals 16% geholt, aber halt auch nicht aus dem Bundestag geflogen wären. Was ich übrigens gar nicht angesprochen habe: Eine Ampel in der Eurokrise bedeutet praktisch garantiert, dass die CDU die Rolle der Lucke-AfD übernimmt.

  • R.A. 26. Oktober 2018, 19:01

    > Merkel scheint schon Superkräfte zu haben …
    In den meisten politischen Bereichen leider nicht. Beim destruktiven Zerlegen von Partnern wohl schon. Denn ich halte es für unwahrscheinlich, daß alle die von Dir genannten Spitzenpolitiker plötzlich dämlich wurden und sich selber zerlegten – da ist die Schlußfolgerung naheliegender, daß es am konstanten Faktor Merkel lag.
    Wobei ihr „Erfolg“ m. E. im wesentlichen daran lag, daß sie die üblichen Spielregeln so krass geändert hat – obwohl sie damit nur Pyrrhussiege einfahren konnte. Ja, sie hat sich persönlich lange an der Macht halten können weil sie Alternativen abgetötet hat. Aber sie dabei auch die Union selber ruiniert.
    Das klassische Koalitionsmodell, bei dem man auch dem Partner Erfolge gönnt, ist langfristig sehr viel besser für alle Beteiligten.

    > Die Erfahrungen in den Ländern sind hypothetisch.
    > Wenn man das Modell öfter machte, dann…
    Es gab Erfahrungen in Ländern (bin jetzt zu faul nachzuschauen, wo), und es gab eine ganze Reihe von Versuchen auf kommunaler Ebene. In der Regel mit sehr schlechten Ergebnissen.

    > Die FDP hat sich auf die CDU festgelegt, seit 1982.
    > Wie du schon richtig selbst feststellst, mit wem
    > sollte sie auch sonst koalieren wollen?
    Mit der SPD. Mit der die FDP in der Regel (kommt halt auf Personen und aktuelle Inhalte an) keine Probleme hat – siehe Länder.
    Aber auf Bundesebene gab es schon lange keine Option mehr auf eine Koalition mit der SPD. Entweder reichte die Mehrheit nicht oder die SPD wollte nicht.
    Die eigentliche Festlegung ist nicht „mit der CDU“, sondern „ohne die Grünen“.

    > Eine Ampel in der Eurokrise bedeutet praktisch
    > garantiert, dass die CDU die Rolle der Lucke-AfD übernimmt.
    Das würde voraussetzen, daß es dann dieselbe „Lösung“ der Eurokrise gegeben hätte. Und das glaube ich nicht.

    • Stefan Sasse 26. Oktober 2018, 19:26

      Die SPD hat eine Tonne Erfolge bekommen die letzte Legislaturperiode. Dass ihr die Wähler diese nicht anrechneten ist kaum Merkels Schuld.

      Wäre cool wenn du das weißt, ich hab da keine Erfahrungsbasis.

      Hm, ok.

      Natürlich nicht, aber eine mit der die AfD nicht glücklich gewesen wäre sicher.

      • R.A. 29. Oktober 2018, 10:23

        „Die SPD hat eine Tonne Erfolge bekommen die letzte Legislaturperiode. Dass ihr die Wähler diese nicht anrechneten ist kaum Merkels Schuld.“
        Das ist richtig.
        Aber diese Tonne Erfolge hat die SPD nur bekommen, weil sie angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag jederzeit mit dem Wechsel drohen konnte. Sie hat sie nicht bekommen, weil Merkel eingesehen hätte, daß jeder Partner in einer Koalition Erfolgerlebnisse braucht.
        Im gleichen Zeitraum hat sie die CSU gnadenlos abhängen lassen. Die hatte nämlich keine Machtoption.

        • Stefan Sasse 29. Oktober 2018, 12:25

          Ich halte das für eine reichlich arbiträre Unterscheidung mit einer Menge Küchentischpsychologie. Eine Partei kriegt Erfolge, wenn sie eine gute Verhandlungsposition hat und diese am Verhandlungstisch durchsetzen kann. Darum hat doch die FDP Jamaika nicht gemacht, dachte ich? Weil sie absehbar nicht mächtig genug war?

    • Dennis 26. Oktober 2018, 22:09

      Zitat Sasse/R.A. :
      „> Merkel scheint schon Superkräfte zu haben …

      In den meisten politischen Bereichen leider nicht. Beim destruktiven Zerlegen von Partnern wohl schon.“

      Mach sein, der Vollständigkeit halber muss man aber m.E. hinzufügen, dass Seehofer auch ein Teil der Veranstaltung 2009-13 war. CSU-seitig wurde dieselbe Koalitionsstrategie gefahren, d.h. in diesem Punkt waren sich Merkel und Seehofer interessanterweise einig, damals. Die einigermaßen zeitgleiche Koalition nach gleichem Muster in Bayern endete nicht zufällig ähnlich wie in Berlin, also mit dem Erstickungstod der FDP nach Würgeangriff – von hinten natürlich, wie das in der Politik so üblich ist.

      Lange Geschichte übrigens, schon für Franz-Josef war die FDP herzlich verhasst und was Adenauer und Kiesinger mit der FDP jeweils vorhatten, weiß man auch. „Merkelismus“ ist also, was diese Sache betrifft, nicht so ganz neu.

      Kohl hat in dieser Sache eine grundlegend andere Strategie gefahren, wahrscheinlich die geschicktere, das ist richtig. Als im CDU-Vorstand 1966 die große Koalition nebst FDP-Ermordung qua Wahlrecht beschlossen wurde gab es eine Gegenstimme – vom damals noch unbedeutenden Helmut Kohl.

      Heutzutage werden die Karten natürlich eh anders gemischt. An Ampeln und Schwampeln kommt man ja zunehmend nicht mehr vorbei. Eine gewisse Entdramatisierung, wenngleich Verkomplizierung nebst Umlernen steht womöglich auch dadurch ins Haus, dass es nicht mehr Volksparteien und andere gibt, sondern nur noch andere^.

      • Stefan Sasse 27. Oktober 2018, 12:38

        Darf ich an Schröders Behandlung der Grünen erinnern? Koch und Kellner und so? Mir scheint hier wird nur mal wieder auf völlig normale Vorgänge der eigene Merkel-Hass projiziert.

        Den halte ich übrigens auch für ein Phänomen, das mal stärker analysiert gehört.

      • R.A. 29. Oktober 2018, 10:34

        „schon für Franz-Josef war die FDP herzlich verhasst und was Adenauer und Kiesinger mit der FDP jeweils vorhatten, weiß man auch.“
        Koalitionen sind keine Liebesheirat (die SPD hatten das mal bei den Grünen gedacht, und kriegen heute die Quittung).
        Aber auch Adenauer ist rational mit der FDP umgegangen. Und es ist rational, einem Koalitionspartner in seinen Spielwiesen Erfolge zu überlassen, damit man selber in den eigenen Bereichen Erfolge erzielen kann. Das ergibt dann insgesamt eine vorzeigbare Regierungsbilanz mit Wiederwahlchancen. Und diese gemeinsame Mehrheitssicherung ist in klassischen Koalitionen wichtiger als dem Partner ein paar Prozent abzunehmen.
        Diese Logik galt nicht nur auf Bundesebene, sondern auch bei vielen Landeskoalitionen.

        „„Merkelismus“ ist also, was diese Sache betrifft, nicht so ganz neu. “
        Doch. „Merkelismus“ bedeutet, auf eigene Erfolge zu verzichten um den Koalitionspartner möglichst gut ausbremsen zu können. Es hat ja auch noch nie eine Merkelregierung die Wiederwahl geschafft – Merkels Regierungsdauer beruht schlicht darauf die Verluste der Union kleiner zu halten als die des Partners, um damit eine Regierung gegen die Union unmöglich zu machen. Und so hat sie bisher immer einen Ersatz gefunden, wenn sie einen Koalitionspartner erledigt hatte. Im krassesten Fall 2017 mußte die abgestrafte SPD sie noch einmal wählen.
        Das ist alles schon ziemlich ungewöhnlich.

  • Blechmann 27. Oktober 2018, 04:26

    Ich habe grade aufs Politbarometer geschaut, und da steht die SPD bei 14% (O_O) und die CDU bei stolzen 27%. Die GroKo hat also tatsächlich wie erwartet die Ränder des Parteienspektrums gestärkt. Grüne 20%, AfD 16%. So extrem wäre das wohl nicht so gekommen, ohne die lange GroKo

  • derwaechter 27. Oktober 2018, 22:29

    Ja bitte! Ich sehe diesen übertriebenen Hass auch und verstehe ihn nicht.

    • Stefan Sasse 28. Oktober 2018, 09:05

      Sicher ist auf jeden Fall, dass es den erst seit 2015 gibt.

  • R.A. 28. Oktober 2018, 09:56

    „Haß“ finde ich jetzt übertrieben, aber mir geht Merkel tatsächlich extrem auf die Nerven (und zwar schon vor 2015).
    Im wesentlichen stört mich ihre „Unpolitik“. Sie scheint überhaupt keine inhaltlichen Ziele zu haben und scheint nur in die Politik gegangen zu sein, um irgendwie im Amt zu bleiben und zuzulassen, was gerade in den Umfragen gut ankommt.
    Insbesondere ist ihre Kommunikation völlig unterirdisch. Noch unkonkretere Redebeiträge als ohnehin inzwischen leider üblich, langweiliges Geschwurbel, keine Aussage an der sie jemals meßbar wäre.

    Diese Kommunkationsunfähigkeit war m. E. auch eine wesentliche Ursache dafür, daß die Flüchtlingskrise 2015 so hochgekocht ist. Man hat anfangs gar nicht bemerkt, daß sie überhaupt etwas entschieden hat. Sie hat das auch nie vernünftig begründet und auch nie klare Aussagen gemacht, wieviele Leute aus welchen Gründen kommen sollen und wie lange sie bleiben sollen und was die Folgen für Deutschland sein werden. In Folge hat dann auch der Bundestag versagt und nie eine ordentliche Debatte zu diesem Thema geführt. Alles eine Steilvorlage für die AfD.

    Merkel ist ein Unglück und eine Zumutung für unser ohnehin in der Krise befindliches parlamentarisches System.

    • Stefan Sasse 28. Oktober 2018, 18:24

      Weiß nicht. Schröder hat die Agenda2010 und ihre Ziele sehr klar formuliert, aber das hat nicht gerade die Legitimation des Projekts oder die Beliebtheit der SPD gesteigert. Kann es sein, dass es ein schlichter Fall von „ich mag diese Politik nicht“ ist, die sich hinter der Stilkritik gerne verbirgt?

      • Erwin Gabriel 28. Oktober 2018, 21:27

        Kann es sein, dass es ein schlichter Fall von „ich mag diese Politik nicht“ ist, die sich hinter der Stilkritik gerne verbirgt?

        Hallo Stefan,

        Welche Politik? Kannst Du mir aus ihren 13 Jahren als Kanzlerin einen einzigen Bereich der Bundespolitik nennen, in dem sie einen Weg angekündigte, durchgezog, und damit Erfolg verbuchen konnte?

        • Stefan Sasse 29. Oktober 2018, 08:05

          Klar!
          – Schwarze Null
          – Ihre komplette Griechenlandpolitik

          Aber zurück zu deiner Frage: ich beziehe mich spezifisch auf die Flüchtlingspolitik 2015.

          • Blechmann 29. Oktober 2018, 12:12

            Die Griechenlandpolitik würdest du unter „Erfolg“ verbuchen?

            • Stefan Sasse 29. Oktober 2018, 12:27

              ICH nicht. Aber Merkel sicherlich. Das war von Anfang an ihre Position, und die hat sie durchgehalten.

          • Erwin Gabriel 29. Oktober 2018, 14:36

            @ Stefan Sasse

            – Eine „Schwarze Null“, bei alljährlichen zusätzlichen zweistelligen Milliardeneinnahmen, ist Verschwendung. Das „Politik“ zu nennen ist ein schlechter Witz.
            – In der Griechenland-Frage liegst Du falsch. Hier hatte sich Angela Merkel ganz klar gegen eine Unterstützung ausgesprochen, und ist später umgekippt (wie bei allen anderen Politikfeldern auch).

            Zur Flüchtlingspolitik: Die gute Frau Merkel ist mir schon vorher gewaltig auf den Keks gegangen. Ob es Atom- und Energiepolitik, Greichenland- und EU-/Euro-Politik, Verteidigungs- oder Verkehrspolitik oder um was auch immer geht, STETS hat sie das eine versprochen und das andere getan.

            Ich fand Schröders Atomausstieg gut, habe mit Merkels Wiedereinstieg und den damit einhergehenden finanziellen Schäden bei Öko-Investoren und Kommunen gehadert, aber den ansatzlosen Brutalo-Wiederausstieg, die damit verbundenen Massenentlassungen, all das ohne Ansatz von Abstimmung, Entscheidungsprozess oder Vorfeld-Kommunikation gingen garnicht.

            Über die Griechenland-„Rettung“ kann ich nicht viel sagen, da mir dafür der ökonomische Verstand fehlt. Aber im Einklang mit der BILD erst heftig „nein“, dann heftig „ja“, bei gleichzeitiger Erpressung des sogenannten „Partners, all das ohne erkennbaren Ansatz von Abstimmung, Entscheidungsprozess oder Vorfeld-Kommunikation, fand ich unmöglich.

            Zur Flüchtlingskrise: Ich bin der ehrlichen Meinung, dass wir Zuwanderung von Fachkräften und Konzepte zur Eingliederung brauchen. Aber wenn die Kanzlerin bereits 2010 erste Entscheidungen zur Flüchtlingskrise traf (Aussetzen von Dublin für Flüchtlinge aus Griechenland), und bis 2015 nicht in der Lage war, eine Einwanderungs-Gesetzgebung auf die Beine zu stellen oder unser Land auf den (durch ausbleibende Hilfszahlungen an das UN-Flüchtlingshilfswerk mitverursachten) Flüchtlingsansturm vorzubereiten, hat sie versagt. Wenn sie gegen die Bevölkerungsstimmung ALLE und JEDEN hereinholt, und die Polizei anweist, NICHT zu kontrollieren, wenn Sie die Länder bekämpft, die das machen, hat sie versagt.

            Wir haben eine Kanzlerin, die es erklärtermaßen nicht für nötig hält, ihren Wählern bzw. dem Volk auch nur ansatzweise Aufklärung über wichtigste Entscheidungen zu geben („alternativlos“), weil Sie erklärtermaßen nicht Kanzlerin aller Deutschen sein will, und weil sie Andersdenkende ausgrenzt.

            Hat bei weitem nicht nur mit der Flüchtlingspolitik zu tun, sondern damit, dass sie solange keine Politik betreibt, bis sie von der Politik getreiben wird, sich jeglicher Verantwortung entzieht, und sich der öffentlichen Auseinandersetzung über welche Politik auch immer stets verweigert – friß oder stirb.

            Brandt, Schmidt, Vogel, Schröder und andere wären schon längst zurückgetreten, aber sie klebt an ihrem Platz im Kanzleramt (und in den Geschichtsbüchern).

            Jämmerlich

            • Stefan Sasse 29. Oktober 2018, 17:26

              Ich hasse die Idee der „Schwarzen Null“. Aber Merkel fährt einen völlig generischen CDU-Haushaltskurs. Und die Griechenlandwende hätte jeder Kanzler machen müssen; ich beziehe mich auf das ökonomisch völlig hirnverbrannte Primat der Austerität.

              • Erwin Gabriel 30. Oktober 2018, 01:20

                @ Stefan Sasse 29. Oktober 2018, 17:26

                Ich hasse die Idee der „Schwarzen Null“.

                Ich auch. Bei den Mengen, die man die letzten Jahre eingenommen hat, hätte man einen veritablen Schuldenrückgang erreichen und trotzdem die Infrastruktur auf Vordermann bringen können.

                Und die Griechenlandwende hätte jeder Kanzler machen müssen;

                Ich glaube nicht nicht. Man hätte auf „No Bail Out“ bestehen können, dann wäre Griechenland mit eigener Drachme schon lange aus dem Schneider. Man hätte auch zum Euro stehen bzw. Griechenland im Euro halten können, wie geschehen. Gibt für beides gute Gründe.

                Aber das eine anzukündigen und das andere zu tun regt mich auf – immer wieder. Dieses ständige Herumgelüge ist reine Wählerverarsche.

                ich beziehe mich auf das ökonomisch völlig hirnverbrannte Primat der Austerität.

                Wie gesagt, für ein kompetentes Urteil fehlt mir ökonomischer Sachverstand. Mein Bauch stimmt Dir aber zu, was das „hirnverbrannt“ angeht.

                • Stefan Sasse 30. Oktober 2018, 11:18

                  Dass wir uns mal einig sind! 😀 Ich berufe mich vor allem auf die Einschätzung von Ökonomen wie Tooze oder Krugman, dazu praktisch alle anderen ökonomischen Experten, die nicht aus Deutschland sind. ^^ Gibt also eine Menge Leute, die diese Einschätzung stützen, aber aus eigener intellektueller Kraft belegen kann ich es mangels Fachkenntnis natürlich auch nicht.
                  Ich denke jeder CDU-Kanzler hätte dieselben politischen Zwänge gehabt, die den Kurs im Großen und Ganzen vorgegeben haben. Und manchmal muss ein Politiker halt auch feststellen, dass man sich geirrt hat oder das sich die Grundlagen geändert haben und dann vom bisherigen Kurs abrücken. Dass Leute stur das machen was sie vorher gesagt haben wäre verheerend. Ich hab dazu ja mal geschrieben: http://www.deliberationdaily.de/2013/10/warum-der-begriff-wahlversprechen-abgeschafft-gehoert/

                  • Erwin Gabriel 30. Oktober 2018, 19:30

                    @ Stefan Sasse 30. Oktober 2018, 11:18

                    Und manchmal muss ein Politiker halt auch feststellen, dass man sich geirrt hat oder das sich die Grundlagen geändert haben und dann vom bisherigen Kurs abrücken.

                    Ja, volle Zustimmung.

                    Jetzt musst Du mir nur noch zeigen, wie Angela Merkel in dieser Sache zugab, falsch gelegen zu haben, und wie sie die Gründe für ihren Meinungs- und Politikwechsel den deutschen Wählern nachvollziehbar erklärt hat.

                    Und da sie zu jeder anderen maßgeblichen Politik auch stets das Gegenteil von dem tat, was sie vorher vollmundig verkündet hatte, müsste sie da auch Irrtümer eingestanden und den Politikwechsel offen diskutiert und nachvollziehbar erklärt haben.

                    Ich warte gespannt … 🙂

                    • Stefan Sasse 30. Oktober 2018, 21:05

                      Fukushima war schon ziemlich eindeutig so, oder?

                    • Erwin Gabriel 31. Oktober 2018, 11:47

                      @ Stefan Sasse 30. Oktober 2018, 21:05

                      Fukushima war schon ziemlich eindeutig so, oder?

                      Natürlich nicht

                      Meiner Meinung nach war Fukushima nicht der Grund für die Entscheidung, sondern die BW-Wahl im März 2011; Fukushima war nur der gesichtswahrende Auslöser.

                      Der damalige Schwaben-Chef Stefan Mappus hatte im Alleingang (also ohne das Landesparlament einzubeziehen und damit gesetzwidrig) sein Bundesland zum Aktionär am Atomstrom-Produzenten EnBW gemacht.

                      https://de.wikipedia.org/wiki/EnBW-Aff%C3%A4re

                      Sein Vorgehen wurde im Vorfeld der BW-Wahl publik; auch wurde bekannt, dass Frau Merkel zu dem Kauf ihre Zustimmung erteilt hatte. Die rasche Reaktion auf Fukushima ließ die Kritik an der Kanzlerin aber verstummen, selbst wenn es für Mappus nicht mehr zum Wahlsieg reichte.

                      Wäre Fukushima wirklich der Grund für die Merkel-Entscheidung gewesen (unabhängig von der technischen Unsinnigkeit, da unserer AKWs deutlich sicherer waren und wir auch von Erdbeben und Flutwellen verschont sind), hätte Frau Merkel den neuerlichen Atomausstieg mit der gleichen Begründung in aller Ruhe unter Einbeziehung von Parlament und Bundesrat regeln können; eine überwältigende Mehrheit wäre ihr in beiden Häusern sicher gewesen. Sie hat aber allein und sehr schnell entschieden; noch vor dem Wahltag, also ohne Gutachten und Untersuchung etc., kam beispielsweise die Nachricht, dass Neckarwestheim I abgeschaltet werden würde.

                      Na komm, nach 13 Jahren Merkel und großen Kanzler-Entscheidungen wird Dir doch wohl ein klares, eindeutiges Beispiel einfallen
                      🙂

                    • Stefan Sasse 31. Oktober 2018, 15:32

                      Das ist aber Küchentischpsychologie. Du wolltest eine klare, nachvollziehbare Begründung, und die hast du da. Ob du die dann glaubst, ist eine andere Sache.

                    • Erwin Gabriel 9. November 2018, 10:31

                      @ Stefan Sasse 31. Oktober 2018, 15:32

                      Das ist aber Küchentischpsychologie. Du wolltest eine klare, nachvollziehbare Begründung, und die hast du da. Ob du die dann glaubst, ist eine andere Sache.
                      Das Kompliment gebe ich gerne zurück.

                      Selbst wenn Merkel auch ohne die kippelige BW-Wahl nach Fukushima den Atomausstieg auf so rabiate Art, also nur über Verkündung statt über parlamentarische Prozesse, durchgezogen hätte – das schwäbische AKW Kornwestheim wäre nicht binnen Tagen vom Netz genommen worden.

                      Es gibt Prozesse und Verfahren innerhalb der Parteien, innerhalb der Fraktionen, innerhalb des Parlaments, in Zusammenarbeit mit dem Bundesrat. Merkel scheißt einfach drauf (sorry für die Deutlickeit, aber die hat sie sich verdient).

                    • Stefan Sasse 10. November 2018, 14:15

                      Ok, aber das ist ein anderer Kritikpunkt als „sie liefert keine Begründung“.
                      Und ich kenne einen „Basta“-Kanzler, der hat genauso drauf geschissen. Auch Kohl und Schmidt waren nicht eben als Freunde deliberativer parlamentarischer Prozesse bekannt. Ist das ein spezifischer Merkel-Hass, der da durchschlägt, oder einfach nur Nostalgie? Merkel macht es auch nicht anders als die Kanzler vor ihr. Noch jeder von ihnen ist den Versuchungen exekutiver Machtprärogative anheim gefallen – oder gescheitert.

              • R.A. 30. Oktober 2018, 11:55

                „das ökonomisch völlig hirnverbrannte Primat der Austerität.“
                Austerität heißt schlicht daß die Politik nur das konsumiert, was die aktuelle Produktivität des Landes hergibt. Das ist die normale und einzig sinnvolle Form nachhaltig zu wirtschaften.
                Mit Konsum auf Schulden kriegt man einige Jahre nette Wahlgeschenke hin, macht aber die langfristigen Chancen kaputt.

                • Stefan Sasse 30. Oktober 2018, 13:04

                  Die Grundsatzdiskussion will ich jetzt hier nicht anfangen, daher sei nur formal der Widerspruch registriert. Weder ist das die einzige „normale und sinnvolle“ Art zu wirtschaften, noch ist das in irgendeiner Art und Weise Konsens.

      • R.A. 29. Oktober 2018, 10:27

        „Kann es sein, dass es ein schlichter Fall von „ich mag diese Politik nicht“ ist, die sich hinter der Stilkritik gerne verbirgt?“
        Nein.
        Es ist schwierig die eigene Position und Motivation objektiv einzuordnen. Aber ich bin mir sehr sicher, daß ich die Kritik an einigen Sachentscheidungen und die an ihrem Politikstil gut trennen kann.

        Und ich halte diesen Politikstil für sehr schlimm, weil er die ohnehin latente Parlamentarismus-Skepsis heftigst verstärkt.
        Die Leute können es ab, wenn eine Mehrheit gegen sie entscheidet. Und ein paar überzogenen und dann nicht gehaltene Wahlversprechen halten sich auch aus.
        Aber sie reagieren sehr allergisch, wenn sie sich verschaukelt fühlen, wenn Handeln und Reden systematisch nicht zusammenpassen und niemand wirklich Verantwortung für Fehler übernimmt.

        • Stefan Sasse 29. Oktober 2018, 12:26

          Um das klar zu machen: ich bin KEIN Fan von Merkel oder ihrem Stil, nie gewesen. Mir scheint das nur sehr zu überlappen dieser Tage.

    • Blechmann 29. Oktober 2018, 12:09

      Mich hat Merkel vor der Flüchtlingskrise nicht gestört. Sie ist eigentlich kein Politiker, sondern ein Verwaltungsmensch. Sie verwaltet das Land und tut was man ihr sagt, sei es der Chef der Deutschen Bank oder ihr direkter Vorgesetzter, der Präsident der USA.

  • Ralf 28. Oktober 2018, 11:42

    Ich habe Schwierigkeiten Deine Begeisterung für die Ampelkoalition nachzuvollziehen. Erstens ist sie unrealistisch. Die Mehrheit der FDP-Wähler rekrutiert sich aus der Gruppe wohlhabender Egoisten, die keine Steuern zahlen wollen. Denen sind Bürgerrechte egal. Die würden ihre Bürgerrechte gerne abgeben, wenn der Staat ihnen im Gegenzug ermöglicht ein bisschen mehr Geld zu machen. Dieser Klientel ist nur eines wichtig, nämlich Steuersenkungen. Das ist doch kein Zufall, dass die FDP immer mehr zur Ein-Themen-Partei geworden ist. Wer immer da mal progressiv war und sich für eine zivile Gesellschaft und Bürgerrechte interessierte, ist lange bei den Grünen. Und Deine Ampel ist auch aus einem zweiten Grund unrealistisch. Dem Grund, den Du garnicht erst diskutieren wolltest. Dass eine solche Koalition nämlich für die Grünen absolut unattraktiv gewesen wäre.

    Aber die Ampel hatte 2009 ja auch keine Mehrheit. Das Projekt wäre also noch nicht mal rein rechnerisch möglich gewesen. Du müsstest also argumentieren, dass eine Festlegung auf die Ampel vor der Wahl, die Bürger irgendwie so beeinflusst hätte, dass andere Mehrheitsverhältnisse zustande gekommen wären. Und das ist extrem unwahrscheinlich. Hier sind die Wählerwanderungen von 2009:

    https://www.zeit.de/2013/38/waehlerwanderung.png

    Die SPD, die in den vier Vorjahren genau das gemacht hatte, was Du ihr nahelegst, um koalitionsfähig mit der FDP zu bleiben, nämlich voll auf Agenda 2010-Kurs zu bleiben, verlor mit Abstand die meisten Wähler an die Nichtwählerfraktion. Dass ein noch neoliberalerer Kurs diesen Trend umgedreht hätte, davon ist nicht auszugehen. Diese „neuen Nichtwähler“ dürften insbesondere sozial eingestellte traditionelle Sozialdemokraten sein, denen die LINKE zu sehr DDR-Nostalgiepartei war, als dass sie als wählbare Alternative in Frage gekommen käme. Die Begeisterung für FDP-Koalitionen dürfte in dieser Klientel begrenzt sein. Dann hat die SPD zu gleichen Teilen Wähler an CDU, Grüne und LINKE verloren. Dieser Abfluss an die LINKE wäre bei noch unsozialeren Zukunftsplänen wohl eher stärker geworden. Der Abfluss an die Grünen dürfte in erster Linie darin begründet liegen, dass sich die Grünen nach der verlorenen Wahl 2005 wieder deutlich weiter links-progressiv positioniert hatten. Also hin zu Positionen, die völlig inkompatibel mit Koalitionen unter FDP-Beteiligung sind. Und der Abfluss an die CDU war unausweichlich. Wenn eine Partei, in diesem Falle die SPD, eine andere Partei, in diesem Falle die CDU, kopiert, führt das in der Regel dazu, dass manche Wähler lieber das Original wählen. So hat etwa die CSU bei der Bayernwahl in diesem Jahr die AfD stark gemacht. Und so hat die SPD in 2009 die CDU stark gemacht. Außerdem sind der SPD Wähler verstorben. Aber auch das hätte die Aussicht einer Ampelkoalition wohl eher nicht verhindert. Selbstverständlich hat auch die CDU Wähler verloren. Und zwar ungefähr im selben Maße an die FDP, wie sie von der SPD hinzugewann. Aber die Wähler, die von der CDU zur FDP gewandert sind, dürften wohl eine schwarz-gelbe Koalition mit starken Liberalen präferiert haben (i.e. das dürften diejenigen FDP-Wähler gewesen sein, die am allerwenigsten an einer Ampel interessiert waren). Und die wären nie zur FDP gewechselt, wenn Westerwelle die Ampel nicht klar und deutlich ausgeschlossen hätte.

    Wo also kommt Deine Mehrheit für die Ampel 2009 her?

    Außerdem dürfte es der SPD langfristig ohnehin nicht genutzt haben. Selbst wenn sie noch mal für vier Jahre den Kanzler gestellt hätte, mit einer denkbar knappen Mehrheit, wäre es anschliessend sehr wahrscheinlich vorbei gewesen. Regierungen im Amt gewinnen bei Folgewahlen sehr selten Wählerstimmen hinzu. Und eine temporäre Ampelkoalition hätte auch keines der strukturellen Probleme der Sozialdemokraten gelöst: (1) Kein geeignetes Personal, (2) kein Programm und (3) in der Öffentlichkeit wird die SPD nicht mehr als die „progressive Partei der Moderne“ wahrgenommen. Den Titel haben mittlerweile die Grünen. Folglich hätte selbst eine unter völlig unrealistischen Annahmen zustande gekommene Ampelkoalition 2009 den Downfall der Sozialdemokraten nur marginal verzögert.

    • Stefan Sasse 28. Oktober 2018, 18:25

      „Begeisterung“ ist sicherlich übertrieben. „Reizvolles kontrafaktisches Szenario“ allenfalls. Ich skizziere die Probleme ja ziemlich klar, und ich wäre sicher auch kein Fan gewesen. Es hätte das Parteiensystem halt deutlich flexibler gehalten.

      • Ralf 28. Oktober 2018, 20:07

        Flexibilität im Parteiensystem ist nichts wert, wenn diese Flexibilität nicht mit unterschiedlichen Angeboten einhergeht, die die Parteien den Menschen machen. Ist doch egal, ob am Ende alle mit allen koalieren können, wenn sowieso alle für die selbe Suppe an Politik stehen. Und das, obwohl durchaus viele der Themen ausgesprochen kontrovers sind. So waren z.B. alle für die Agenda 2010, alle für den Afghanistankrieg, alle für die Schuldenbremse, alle für die aktuelle Flüchtlingspolitik. Wer anderer Meinung ist, findet zunehmend keine Repräsentation mehr – zumindest nicht unter den etablierten Parteien der Mitte. Und das obwohl alle diese Entscheidungen gerade in der Mitte sehr kontrovers sind. Eine Ampelkoalition hätte diesen Zustand verfestigt, weil er die Grünen in einem Rechtsbündnis gefangen hätte. Jetzt ist es anderes gekommen. Die Grünen bilden den einen Pol im politischen Spektrum der Zukunft. Die offene, progressive Partei, die stolz darauf ist, für Europa zu sein; die für Nachhaltigkeit steht, für eine verantwortungsvolle Klimapolitik und für eine gesellschaftliche Modernisierung. Der Gegenpol ist die AfD. Ich hätte mir gewünscht, dieser Gegenpol sei keine Nazipartei. Aber gegen eine stockkonservative Bewegung als solche, die sich auf das Nationale zurückbesinnen will, wäre eigentlich nichts einzuwenden. Ich würde für eine solche Partei nicht stimmen. Aber deren Anhänger sollten eine politische Repräsentation haben. Und das ist eben was zählt: Repräsentation. Und Vielfalt.

        • Stefan Sasse 28. Oktober 2018, 20:31

          Hoffen wir, dass es so kommt!

        • Dennis 29. Oktober 2018, 12:51

          @ Ralf

          Alles richtig, am Ende des Tages bleibt aber das Problem der Mehrheitsbildung. Diese ist – jedenfalls ideal gedacht – in der Demokratie umumgänglich. Sozusagen die Achillesferse der eigentlich sympathischen Jedem-seine-Extrawurst-Philosophie. Wenn man die logisch-konsequent weiterdenkt, landet man irgendwann bei der Anarchie, die sich ja theoretisch auch gar nicht so schlecht anhört.

          So richtig gute Lösungen gibt’s wahrscheinlich nur im Lehrbuch 🙁

    • Stefan Pietsch 29. Oktober 2018, 13:47

      Ich habe Schwierigkeiten, Ihre Tonwahl und Ihre Charakterisierung von Bürgern dieses Landes nachzuvollziehen. Für Sie sind FDP-Wähler Egoisten. Versuchen wir mal einen Moment nachzuvollziehen, was Sie damit meinen. Nehmen wir die klassische Klientel der FDP bereichert um die neue von Start-up-Gründern. Apotheker, Anwälte, Ärzte haben ein aufwendiges Studium auf sich genommen, anschließend mit erheblichem persönlichen Risiko Unternehmen gegründet und bilden damit in vielen Orten und Kleinstädten das Rückgrat der lokalen Wirtschaft. Für Unternehmensgründer in Berlin, Hamburg, München und Frankfurt gilt das analog. Ja, diese Menschen sind gierig, allerdings zahlen sie auch den höchsten Anteil an Steuern. Es ist leicht, sich gegen Steuersenkungen zu wenden, wenn man keine zahlt. Das nennt sich dann in Ihren Augen wohl sozial und altruistisch. Die Spitzenverdiener in Deutschland wollen nicht keine Steuern zahlen, sondern weniger und in einem einfacheren System ohne hohe Kosten für Steuerberater. Darin erkennen Sie bereits das Unehrenhafte. Auch hier, es ist wohl edler, den eigenen Lebensunterhalt von der Allgemeinheit finanzieren zu lassen, ohne Rechenschaft über das eigene Tun ablegen zu müssen und bei Regelverstößen nicht sanktioniert zu werden – anders als derjenige, der Fehler in seiner Steuererklärung begeht.

      • Stefan Sasse 29. Oktober 2018, 17:21

        Sorry, aber das „hohe persönliche Risiko“ von Ärzten, Apothekern und Anwälten hält sich doch arg in Grenzen. Diese Berufsgruppen sind durch zahlreiche Regulierungen staatlicherseits stark vor Konkurrenz geschützt und unglaublich betüttelt. Conservative nanny state und so.

        • Stefan Pietsch 29. Oktober 2018, 18:05

          Vielleicht solltest Du Dich mal mit der Job Description dieser Berufe befassen als Journalistengeschreibsel zu übernehmen. Und wenn Du mal eine Kanzlei / Apotheke / Praxis aufgebaut hast, hast Du auch mehr Ahnung.

          Der Sinn einer Deregulierung ist damit nicht in Abrede gestellt. Sollte nur nicht ausgerechnet von jenen kommen, die sonst alles hermetisch regulieren wollen.

          • Stefan Sasse 29. Oktober 2018, 19:23

            Du kannst gerne weiter deine Vorurteile pflegen, aber ich will sicherlich nicht alles hermetisch regulieren. Ich kann mich erinnern, hier schon sehr prominent für Deregulierung eingetreten zu sein. Aber mit der ideologischen Brille sieht man das immer nicht 😉

        • Erwin Gabriel 30. Oktober 2018, 01:22

          eher nicht

        • R.A. 30. Oktober 2018, 11:59

          „das „hohe persönliche Risiko“ von Ärzten, Apothekern und Anwälten hält sich doch arg in Grenzen. “
          Das ist ziemlich falsch.
          Bei Ärzten gibt es eine große Spannweite zwischen solchen, die sehr gut verdienen (meist niedergelassenen Spezialärzten) und solchen, die nur mühsam über die Runden kommen.
          Bei Apotheken hängen Gewinnchancen und Risiko im wesentlichen davon ab, wie überbesetzt die Szene vor Ort ist.
          Und bei Anwälten gibt es nur wenige gut verdienende Kanzleien, die meisten Anwälte verdienen ziemlich schlecht.

          Die Regulierungen in diesem Bereich sind natürlich zu einem großen Teil überzogen – erhöhen aber nicht wirklich die Einkommen. Und die meisten dieser Regulierungen haben zwar mit „nanny state“ zu tun, sind aber links initieert und nicht „conservative“.

          • Stefan Sasse 30. Oktober 2018, 13:06

            Klar gibt es diese Spannweiten. Aber was unterscheidet die damit genau von mir? Warum sollten die einen Sonderstatus haben?

            Und das stimmt schlicht nicht. Diese Regulierungen kommen von CDU und vor allem FDP, die sind die Schutzherren der Freien Berufe. Wenn es nach SPD und Grünen ginge gäbe es weder berufsständische Versorgungswerke noch irgendwelche anderen von diesen Schutzregeln. So viel Ehrlichkeit muss schon sein.

      • Ralf 29. Oktober 2018, 20:50

        Apotheker, Anwälte, Ärzte haben ein aufwendiges Studium auf sich genommen, anschließend mit erheblichem persönlichen Risiko Unternehmen gegründet

        Da ist mir der Stefan Sasse leider im Kommentar zuvorgekommen, weil ich vor Lachen die Tasten auf dem Telefon nicht gefunden habe. Erhebliches persönliches Risiko? Wieviele gescheiterte, verarmte Ärzte und Anwälte kennen Sie denn so in Ihrem persönlichen Umfeld? Also in meinem Bekanntenkreis gibt es einen Haufen Ärzte. Einen Armen habe ich darunter noch nicht ausmachen können …

        Und im übrigen: Inwiefern ist die „Aufwendigkeit“ des Studiums bei Ärzten, Anwälten und Apothekern so besonders hervorhebenswert? Also verglichen mit Mathematikern, Geologen oder Historikern, die nicht zur klassischen Klientel der FDP gehören …

        und bilden damit in vielen Orten und Kleinstädten das Rückgrat der lokalen Wirtschaft.

        Anwälte, Ärzte und Apotheker bilden das Rückgrat der lokalen Wirtschaft? Ich bewundere Ihren Humor. Was ist mit Handwerkern oder kleinen Geschäften? Was ist mit Arbeitern? Briefzustellern? Krankenschwestern? Kommen die auch noch irgendwo vor?

        Ja, diese Menschen sind gierig, allerdings zahlen sie auch den höchsten Anteil an Steuern.

        Was die an Steuern zahlen, ist völlig irrelevant. Die einzige Frage, die zählt, ist wieviel ihnen bleibt. Und die sich öffnende Schere zwischen Arm und Reich zeigt, dass ihnen immer mehr bleibt. Nicht nur haben sie einen höheren Lebensstandard als andere, die genauso hart arbeiten. Und den will ihnen im übrigen auch keiner nehmen. Sondern ihr Wohlstand wächst sogar noch, während er bei anderen, die genauso hart arbeiten schrumpft. Steuern haben nicht nur den Zweck umzuverteilen, sondern eben auch zu bewirken, dass Ungleichheit nicht ausufert. Oder mit anderen Worten: Wenn sich die Schere zwischen Arm und Reich öffnet, müssen die Steuern bei den Besserverdienenden rauf.

        Es ist leicht, sich gegen Steuersenkungen zu wenden, wenn man keine zahlt.

        Dass ich keine Steuern zahle, ist mir neu.

        Die Spitzenverdiener in Deutschland wollen nicht keine Steuern zahlen, sondern weniger […] Darin erkennen Sie bereits das Unehrenhafte.

        Genau. Denn den Wohlhabenden ging es in Deutschland noch nie so gut wie heute. Anders als das Bild, das Sie hier versuchen zu zeichnen, haben die Besserverdienenden seit der Bankenkrise (, die sie verursacht haben) wirtschaftlich enorm zugelegt. Die höchsten Gehälter sind am meisten gewachsen und bis in die gehobene Mittelschicht hinein sind in den vergangenen Jahren satte Gewinne mitgenommen worden. Die Menschen am unteren Ende des Gehaltsspektrums (, die die Bankenkrise nicht verursacht haben), haben dafür die Rechnung bezahlt und zwar mit erheblichen Gehaltseinbußen. Es ist also an der Zeit, dass es zu einem gerechteren Ausgleich kommt. Und ja, die Drückeberger, die sich da einen schlanken Fuss machen wollen, sind in der Tat unehrenhaft.

        Auch hier, es ist wohl edler, den eigenen Lebensunterhalt von der Allgemeinheit finanzieren zu lassen

        Wo Sie in meinen Zeilen herauslesen, es sei edel sich den eigenen Lebensunterhalt von der Allgemeinheit finanzieren zu lassen, bleibt Ihr Geheimnis.

        anders als derjenige, der Fehler in seiner Steuererklärung begeht

        Das haben Sie jetzt aber geschickt formuliert. „Fehler“ klingt so wie im Sinne von „Innocent Mistake“. Was Sie aber eigentlich meinen, ist Betrug und Diebstahl. Und das wohlgemerkt von denen, denen es von allen in der Gesellschaft am besten geht. Denen mit den stärksten Schultern. Denen die nicht selten schon mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurden. In 99% der Fälle aber mindestens den riesigen Startvorteil hatten, aus gutbürgerlichen, bildungsorientierten Familien zu kommen, die ausreichend wohlhabend waren ihrem Sohnemann bzw. ihrem Töchterchen eine tolle Ausbildung zu finanzieren (z.B. Auslandsaufenthalte, Lehrmaterialien, Miete der Studentenbude). Heutzutage steigt ja kaum noch jemand aus kleinen Verhältnissen auf. Wohlstand wird zunehmend so erblich wie zuvor nur im Feudalismus. Und diese Glückskinder stellen Sie dann rhetorisch den Schwächsten gegenüber. Denen die in sozial schwierige Verhältnisse hineingeboren wurden. Denen die in Problemvierteln aufwuchsen. Denen die nie eine vernünftig ausgestattete Schule von innen gesehen haben. Und wenn die einen Termin zur Hartz IV-Beratung verpassen, soll das vergleichbar sein mit dem Millionenbetrüger, der von der Gemeinschaft stiehlt, damit er sich eine dritte Jacht kaufen kann?

        • Stefan Pietsch 29. Oktober 2018, 22:07

          Ich bin heute um 4 Uhr morgens aufgestanden (eine Tortur für mich), über 4 Stunden gefahren und 11 Stunden gearbeitet. Eigentlich wollte ich schlafen gehen, aber Sie lassen mir den Kamm schwellen.

          Wieviele gescheiterte, verarmte Ärzte und Anwälte kennen Sie denn so in Ihrem persönlichen Umfeld?

          Leider haben Sie von der Lebenswelt von Menschen, die Sie zwar verunglimpfen können, keine Ahnung. Als Anwalt mit durchschnittlichem oder unterdurchschnittlichem Berufsexamen einen Job zu finden, der die durchschnittliche Bildungsrendite von Hochschulbildung erbringt, ist außerordentlich schwierig. Das hat zum einen mit dem überbesetzten Markt, zum anderen mit den Gebührensätzen zu tun. Auf dem Land gehört Verkehrsrecht zu dem populärsten und gefragtesten Justizfeld. Einen Verkehrssünder in einem solchen Verfahren zu vertreten, bringt noch relativ viel, so 300€ im außergerichtlichen Verfahren für Schriftsätze an die Behörde, Einforderung eines Gutachtens, Arbeit von 2-4 Stunden. Das ist nicht wenig und nicht viel – jedenfalls viel zu wenig, um eine Kanzlei mit Personal zu betreiben und noch Reichtümer aufzubauen. Aber Sie wissen’s ja.

          Und im übrigen: Inwiefern ist die „Aufwendigkeit“ des Studiums bei Ärzten, Anwälten und Apothekern so besonders hervorhebenswert?

          Ach so, ein Arzt, ein Apotheker, ein Anwalt stolpert nach seinem Studium von 5-7 Jahren in seine Praxis, Kanzlei, Apotheke? Nun ja, wenn Sie sich das so vorstellen, wird mir einiges klar…

          Anwälte, Ärzte und Apotheker bilden das Rückgrat der lokalen Wirtschaft? Ich bewundere Ihren Humor. Was ist mit Handwerkern oder kleinen Geschäften?

          Können Sie gerne. Sind halt auch FDP- und Unionsklientel.

          Was ist mit Arbeitern? Briefzustellern? Krankenschwestern? Kommen die auch noch irgendwo vor?

          Klar, der Arbeiter, der Briefzusteller, die Krankenschwester sind das Rückgrat in der 10.000-Seelengemeinde. Machen Sie auch mal einen Punkt. Vielleicht haben Sie noch die Putzfrau vergessen? Wo arbeitet eigentlich der Briefzusteller? Bei der Post? Adresse in Bonn, oft dann in der größeren Gemeinde angestellt. Die Krankenschwester? Finden Sie tatsächlich so viele Krankenhäuser in 8.000 – 20.000 Einwohnergemeinden? Respekt. Wie haben daneben noch so 7-8 Prozent Arbeiter. Die sind natürlich Rückgrat, klar.

          Ich käme nicht auf den Gedanken, von mir zu behaupten, ich würde „hart“ für mein Geld arbeiten. Sie benutzen diese Quatschfloskel wie fünfmal gekauten Kaugummi. Ich möchte den Job einer Putzfrau nicht machen (obwohl ich das als Schüler gemacht habe). Aber ich möchte die meisten Jobs nicht machen, auch den eines Vertrieblers nicht, der Leute umschmeicheln und seinen Abend mit Leuten verbringen muss, die im herzlich unsympathisch sind. Finden Sie das „hart“ gearbeitet?

          Was die an Steuern zahlen, ist völlig irrelevant.

          Nee, ist es nicht. Wer soll sich denn über hohe Steuersätze beschweren dürfen, wenn nicht diejenigen, welche die meisten Steuern zahlen? Sie haben schon logisch stringenter argumentiert.

          Die einzige Frage, die zählt, ist wieviel ihnen bleibt.

          Das ist mir neu, dass Linke sich um diese Frage sorgen. Vom Zusatzverdienst eines Durchschnittsverdieners, sagen wir 100€, gehen 67€ direkt in die Hand des Staates und der Arbeitgeber muss weitere 22€ beisteuern. Nein, Sie interessieren sich kein bisschen, was übrig bleibt.

          Und die sich öffnende Schere zwischen Arm und Reich zeigt, dass ihnen immer mehr bleibt.

          Auch das ist seit Jahren schlicht Quatsch. Merke: nicht jeder Slogan gilt immer und jederzeit.

          Steuern haben nicht nur den Zweck umzuverteilen, sondern eben auch zu bewirken, dass Ungleichheit nicht ausufert.

          Das tut’s ja auch. Aber Steuern können nicht bewirken, was Linke wünschen. In Deutschland nivellieren Steuern sehr stark, aber sie können weder Unterschiede völlig einebnen noch Einkommensentwicklungen umkehren oder aufhalten.

          Dass ich keine Steuern zahle, ist mir neu.

          Ich spare mir die Retourkutsche mit dem Steuerland. 😉

          Denn den Wohlhabenden ging es in Deutschland noch nie so gut wie heute.

          Den Rentnern ging es noch nie so gut wie heute. Was folgt für Sie und für die von Ihnen präferierte Partei daraus? Nicht logisch…

          Anders als das Bild, das Sie hier versuchen zu zeichnen, haben die Besserverdienenden seit der Bankenkrise (, die sie verursacht haben) wirtschaftlich enorm zugelegt.

          Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich die Bankenkrise nicht verursacht habe. Könnten Sie das bitte korrigieren? Danke.

          Wo Sie in meinen Zeilen herauslesen, es sei edel sich den eigenen Lebensunterhalt von der Allgemeinheit finanzieren zu lassen, bleibt Ihr Geheimnis.

          Wen meinen Sie denn dann? Wen meinen Sie außer Egoisten?

          anders als derjenige, der Fehler in seiner Steuererklärung begeht
          Das haben Sie jetzt aber geschickt formuliert. „Fehler“ klingt so wie im Sinne von „Innocent Mistake“. Was Sie aber eigentlich meinen, ist Betrug und Diebstahl.

          Auch hier muss ich Ihnen Ahnungslosigkeit bescheinigen. Die Abgabenordnung unterscheidet nicht, ob eine Steuerverkürzung absichtsvoll oder aus totaler Ahnungslosigkeit erfolgte. Ich erstelle meine Steuererklärung selber. Ich bin kein Steuerberater, obwohl es Fachleute gibt, die behaupten, nur mit solcher Fachkenntnis ließe sich eine Einkommensteuererklärung noch ohne Verletzung von Gesetzen erstellen. Das bekomme ich auch ab und zu bescheinigt, wenn die Finanzverwaltung mir schreibt, wo meine Angaben falsch sind. Ein Volk von Gesetzesbrechern. Überweise ich die Steuer nicht fristgerecht, muss ich Strafzinsen zahlen. In Ihren Augen bin ich aber ein Dieb und Betrüger. Vielen Dank für die Blumen.

          Denen die nicht selten schon mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurden.

          Ich bin nicht mit dem goldenen Löffel geboren. Herr Gabriel übrigens auch nicht. Das staatliche System hat weder an mich geglaubt noch mich unterstützt. Meine Steuern und Abgaben nimmt es aber gern. Darf ich ab und zu auch an mich denken? Übrigens: die Reichen und Schönen sind häufiger verheiratet, haben öfter Kinder als der Durchschnitt und engagieren sich häufiger für das Gemeinwesen (Studenten ausgenommen). Alles Egoisten.

          Interessant ist jedenfalls, dass Sie meinen, 0,1% der Bevölkerung würden in Wahlen 5-10 Prozent der abgegebenen Stimmen ausmachen. Und das als Naturwissenschaftler…

          Gute Nacht!

          • Stefan Sasse 29. Oktober 2018, 23:03

            Mein Studium hat 11 Semester gedauert. Ich war genau in der Regelstudienzeit, was andere Kommilitonen nicht behaupten können. Danach hatte ich anderthalb Jahre mies bezahltes Terror-Referenderiat. Aber keine Bange, denn trotz guter Noten habe ich den Job nicht bekommen. Das war mein „hohes persönliches Risiko“. Warum genau ist meine Ausbildung und Studium weniger wert als das von einem Arzt oder Apothersohn? Nur weil du deine Standesdünkel ausleben willst? Überall, wo es Leuten dreckig geht, kannst du immer kühl-rational von Angebot und Nachfrage reden, aber wo dein sozialer Zirkel betroffen ist, da gibt es plötzlich ein Anrecht auf dicke Kohlen und den Schutz des Staates?

        • Stefan Sasse 29. Oktober 2018, 23:00

          Amen.

        • Erwin Gabriel 30. Oktober 2018, 01:58

          @ Ralf 29. Oktober 2018, 20:50

          Was Sie aber eigentlich meinen, ist Betrug und Diebstahl. Und das wohlgemerkt von denen, denen es von allen in der Gesellschaft am besten geht.

          Betrug und Diebstahl ist es auch, wenn man während der vom kapitalistischen Boss bezahlten Arbeitszeit mit seinem Smartphone herumspielt, oder vor der Tür eine Zigarette raucht, ohne sich auszustempeln, oder sich in irgendeine staatliche Unterstützung hineintrickst, oder oder oder…

          Würden Sie mir dieses Argument durchgehen lassen? Wohl kaum.

          Dann scheinen Sie von der Grundvoraussetzung auszugehen, dass alle Menschen den Anspruch haben, ihr Leben auf gleichem finanziellen Level zu leben. Das ist natürlich dummes Zeug.

          Das haben Sie jetzt aber geschickt formuliert. „Fehler“ klingt so wie im Sinne von „Innocent Mistake“. Was Sie aber eigentlich meinen, ist Betrug und Diebstahl.

          80 % der weltweit erhältlichen Erläuterungsliteratur zum Thema Steuern ist deutschsprachig. Das deutsche Steuerrecht ist so kompliziert (außerdem teilweise widersprüchlich und interpretationsbedürftig), dass es wirklich keinen einzigen Menschen auf der ganzen Welt gibt, der es vollständig versteht.

          Ich bin mir ziemlich sicher, dass allein aufgrund dieser Situation auch Sie schon mal einen Fehler in Ihrer Steuererklärung hatten; man hat nicht danach gesucht, hat es nicht gefunden, oder ist aus Bequemlichkeit Ihrer Interpretation gefolgt.

          Heutzutage steigt ja kaum noch jemand aus kleinen Verhältnissen auf. Wohlstand wird zunehmend so erblich wie zuvor nur im Feudalismus. Und diese Glückskinder stellen Sie dann rhetorisch den Schwächsten gegenüber. Denen die in sozial schwierige Verhältnisse hineingeboren wurden. Denen die in Problemvierteln aufwuchsen. Denen die nie eine vernünftig ausgestattete Schule von innen gesehen haben.

          Das ist bedauerlich, dass der Staat dieses Thema mit der Bildung nicht auf die Reihe kriegt. Ich – als Besserverdienender – habe aber dieses Problem weder erzeugt, noch bin ich für die Lösung zuständig.

          Und wenn die einen Termin zur Hartz IV-Beratung verpassen, soll das vergleichbar sein mit dem Millionenbetrüger, der von der Gemeinschaft stiehlt, damit er sich eine dritte Jacht kaufen kann?

          Nein. Aber ein Sozialbetrüger ist durchaus vergleichbar. Ansonsten: Kennen Sie wirklich einen Millionenbetrüger, der von der Gemeinschaft stiehlt, um sich die dritte Jacht zu kaufen?

          • Stefan Sasse 30. Oktober 2018, 11:23

            Das mit den 80% der Steuerliteratur ist ein Mythos. Es ist auch offenkundig Quatsch. Weder das deutsche Steuerrecht noch die entsprechende Literatur stechen aus dem internationalen Durchschnitt irgendwie herauds. Das ist Propaganda des so genannten „Bund der Steuerzahler“.

            • Erwin Gabriel 30. Oktober 2018, 19:33

              Weder das deutsche Steuerrecht noch die entsprechende Literatur stechen aus dem internationalen Durchschnitt irgendwie heraus.

              Das Schlimme ist, das Du das wirklich glaubst

    • Erwin Gabriel 29. Oktober 2018, 14:45

      @ Ralf 28. Oktober 2018, 11:42

      Die Mehrheit der FDP-Wähler rekrutiert sich aus der Gruppe wohlhabender Egoisten, die keine Steuern zahlen wollen. Denen sind Bürgerrechte egal.

      Au weia

      Nun gut, ich halte mich nicht für einen Egoisten, wohlhabend mag sein. Zum Thema Steuern: Ich habe natürlich ein Problem damit, sehr hohe Steuern zu zahlen, wenn ich sehe, dass alle wichtigen Bereiche der öffentlichen Hand extrem vernachlässigt werden, während die üppigen Einnahmen dazu verwendet werden, Rentner zum Kreuz für die eigene Partei zu verlocken oder das Ausland zu „bestechen“.

      Die Handvoll weiterer FDP-Wähler, die ich kenne, sind Unternehmen, die nicht nur mit einer zunehmenden Abgabenlast hadern (die ihre ausländischen Konkurrenten nicht schultern müssen), sondern hauptsächlich mit der überbordenden Bürokratie.

      • Stefan Sasse 29. Oktober 2018, 17:27

        Hätte man das Rentensystem nicht so mutwillig kaputtgeschlagen, wären die Bestechungen vielleicht nicht notwendig 😉

        • Stefan Pietsch 29. Oktober 2018, 18:16

          Anmerkung: das Rentensystem ist nicht zerstört, nur weil Versicherte nicht das bekommen, was sie sich erhofft haben.

          • Stefan Sasse 29. Oktober 2018, 19:24

            Effektiv schon. Eine Versicherung, die mittelfristig über der Hälfte der Bezieher kaum die Grundsicherung abdeckt, ist wertlos.

            • Erwin Gabriel 30. Oktober 2018, 02:14

              @ Stefan Sasse

              Man merkt, dass Du kein Mathe-Lehrer bist.

              Das Rentensystem wurde entwickelt, als man mit 16 – 20 anfing zu arbeiten, mit 65 in die Rente ging, und mit 70 tot war.

              Heute geht man bis 25 zur Schule und studiert, will mit 65 in Rente, und bis 85 noch einem aktiven Ruhestand (mit Urlaub und allem drum und dran, einschließlich bester medizinischer Versorgung) frönen. Sorgt man selbst für sich, müsste man in den 40 Jahren, die man arbeitet, vom Nettogehalt so viel abzwacken, dass man noch 20, 30 Jahre halbwegs gut davon leben kann. Das ist praktisch unmöglich.

              Verlässt man sich auf die Gemeinschaft bzw ein Umlagesystem, muss man konstatieren, dass damals wenige Rentner von vielen arbeitenden Menschen versorgt wurden. In wenigen Jahren ist bereits die Hälfte der Bevölkerung in Rente, die von unserer deutlich geringeren Nachkommenschaft de Luxe durchgefüttert werden will. Geht auch nicht.

              Eine Versicherung, die mittelfristig über der Hälfte der Bezieher kaum die Grundsicherung abdeckt, ist wertlos.

              Warum?

              • Stefan Sasse 30. Oktober 2018, 11:25

                Ich glaube ich muss da was grundsätzliches dazu schreiben, daher Kurzversion:
                – Die demographischen Probleme sind mir bekannt
                – Mit einer Versicherung erwerbe ich Ansprüche. Deswegen sind die ja auch durch das GG geschützt, was das BVerfG mehrmals bestätigt hat und was Reformen so schwierig macht. Wenn ich jetzt das Versicherungssystem so laufen lasse, dass die Merhheit der Einzahler keine lebensfähige Rente daraus bekommt, verliert es jegliche Legitimität. Dann hast du nämlich eine Grundsicherung, keine Versicherung mehr. Das kannst du schon machen, nur musst du dann das System eben umstellen.

                • R.A. 30. Oktober 2018, 14:03

                  „Mit einer Versicherung erwerbe ich Ansprüche.“
                  Ja. Und zwar Ansprüche in Höhe der vereinbarten Leistung. Und „Grundsicherung“ gehört nicht zur vereinbarten Leistung der staatlichen Rentenversicherung.

                  „Wenn ich jetzt das Versicherungssystem so laufen lasse“
                  Noch einmal: Die staatliche Rente ist keine Versicherung und folgt auch nicht den Versicherungsprinzipien.

                  Bei einer Versicherung sichert man sich gegen ein Risiko ab, daß eintreten kann, aber bei den meisten Versicherten nicht eintreten wird. D.h. man zahlt in erster Linie für den Schutz, in der Regel bekommt man aber nie etwas ausbezahlt. Auszahlungen bekommen nur die wenigen, bei denen das Risiko tatsächlich eingetreten ist.

                  „dass die Merhheit der Einzahler keine lebensfähige Rente daraus bekommt, verliert es jegliche Legitimität.“
                  Die „Legitimität“ der Staatsrente bezieht sich nur darauf, daß sie für eingezahlte Beiträge eine proportionale Gegenleistung auszahlt. Das zumindestens tut sie.
                  Wenn jemand so wenig Beiträge einbezahlt hat, daß seine Auszahlung unter der Grundsicherung liegt, ist das nicht das Problem der RV.

                  Und es ist auch kein Problem des Sozialstaats, da ja die ganz große Mehrheit der Bevölkerung noch andere Einkünfte hat und die staatliche Rente nur einen Teil beiträgt.
                  Gerade einmal 2-3% der Leute über 65 liegen unter der Grundsicherungsgrenze. Und die bekommen das dann vom Steuerzahler ausgeglichen – der Sozialstaat tut also, was er soll.

                  • Stefan Sasse 30. Oktober 2018, 14:09

                    Sämtliche Zukunftsprojektionen, auf denen ihr eure Forderungen auf den grundsätzlichen Umbau des Systems stützt, sehen eine dramatischen Anstieg der Bezieher von Grundsicherung voraus.

                    • R.A. 30. Oktober 2018, 14:21

                      > Sämtliche Zukunftsprojektionen, …
                      Die meisten „Studien“ zu diesem Thema sind heftigst interessegeleitet und irreführend.
                      Da hat man einerseits die Leute, die private Zusatzversicherungen verkaufen wollen, und andererseits linke Lobbies, die noch mehr Subventionen wollen.

                      Man braucht aber nicht viele Projektionen um zu sehen, daß die Konstruktion der staatlichen Rente nur bei demographischer Stabilität funktionieren kann – und die haben wir schon länger nicht mehr.

                      „eure Forderungen“
                      Bisher habe ich hier gar nichts gefordert 😉

                      „sehen eine dramatischen Anstieg der Bezieher von Grundsicherung voraus.“
                      Das buche ich im wesentlichen unter „irreführend“.
                      Wenn der Anteil der Bezieher z. B. von jetzt 2% auf 4% ansteigen würde, dann kann man daraus zwar tolle Schlagzeilen basteln, aber eigentlich ist das überhaupt nicht dramatisch.

                      Überhaupt ist das (mit der Grundsicherung, nicht die generelle Rentenprobleme) nur eine Diskussion über sehr nachgelagerte Fragen. Das eigentliche Problem sind die Leute, die mangels Qualifikation schon in der Erwerbsphase zu wenig Einkommen schaffen. Da sollten Lösungen her.

                      Aber daß jemand, der sein Leben lang weitgehend von Stütze gelebt hat, auch im Alter Stütze bekommt – das ist kein echtes Thema.

                    • Stefan Sasse 30. Oktober 2018, 16:29

                      Na, der Anstieg wird wesentlich größer sein als nur 2 auf 4%. Ich meine, schau dir mal die aktuellen Rentenpunkte und deren Verteilung über die Bevölkerung an.

                    • R.A. 31. Oktober 2018, 09:57

                      > der Anstieg wird wesentlich größer
                      > sein als nur 2 auf 4%.
                      Vielleicht – aber solange der Sozialstaat diese Leute auffängt, ist m. E. alles in Ordnung.

                      Jedenfalls im Rentenbereich. Daß da wahrscheinlich schon im Erwerbsleben Probleme waren, da wird wohl Handlungsbedarf bestehen.

                      > Ich meine, schau dir mal die aktuellen
                      > Rentenpunkte und deren Verteilung
                      > über die Bevölkerung an.
                      Diese Verteilung sagt fast nichts darüber aus, wieviel Leute später unter die Grundsicherungsgrenze fallen. Deswegen halte ich meisten Prognosen dieser Art für ziemlichen Humbug.

                      Wir betrachten ja momentan eine Übergangsphase. Früher waren Frauen nur selten berufstätig, hatten dann auch überhaupt keine Rentenpunkte – und das galt dann als völlig problemlos.

                      In Zukunft werden viele Frauen eine ausreichende eigene Altersversorgung haben.

                      Aber dazwischen haben wir halt eine Phase, wo über viele Jahre hinweg die meisten Frauen teilweise berufstätig waren und damit auch einige Rentenpunkte gesammelt haben. Aber eben nicht so viele, daß sie eigenständig eine volle Rente daraus bekämen – sie verlassen sich wie die Frauen vorher im wesentlichen auf die Rente/Pension ihres Mannes.

            • R.A. 30. Oktober 2018, 12:07

              „Eine Versicherung, die mittelfristig über der Hälfte der Bezieher kaum die Grundsicherung abdeckt, ist wertlos.“
              Die Rentenversicherung ist nur dem Namen nach eine Versicherung. De facto versichert sie aber nicht gegen Risiken, sondern ist ein schlecht rentierlicher Sparvertrag.

              Und wieviele Leute nun welche Beträge kriegen ist recht nebensächlich, weil die meisten ja noch andere Geldquellen im Alter haben. Und in Summe gibt es eben nur sehr wenige Leute, die nicht mindestens die Grundsicherung haben.

              • Stefan Sasse 30. Oktober 2018, 13:07

                Erklär das mal dem BVerfG oder dem Gesetzgeber, die fänden die Interpretation sicher spannend.

                • R.A. 30. Oktober 2018, 13:45

                  Dem Gesetzgeber die Realität erklären zu wollen wäre verschwendete Zeit …

                  Aber warum sollte das BVerfG Probleme mit meiner Erläuterung haben?
                  Die Bezeichnung „Versicherung“ ist ohnehin nicht wirklich justiziabel. Und bisher war das BVerfG auch mit der Konstruktion des Sparvertrags zufrieden. Was bisher da geurteilt wurde hatte m. W. immer nur damit zu tun, ob es einen begründbaren Zusammenhang zwischen Einzahlungen und Rente gibt. Aber in welchem Verhältnis die individuelle Rentenhöhe zur Grundsicherung steht ist dem Gericht bisher zu Recht völlig egal gewesen.

                • Stefan Pietsch 30. Oktober 2018, 13:52

                  Wenn Du das Renteneintrittsalter auf 80 Jahre erhöhst, passt die Geschichte wieder. Falls Du das lächerlich findest: Ungefähr so waren die Verhältnisse über viele Jahrzehnte. Ist also die Basis der Rentenversicherung lächerlich – oder Deine Annahmen, eine staatliche Altersversicherung müsse Menschen i.d.R. 25 Jahre Ruhestand finanzieren und dabei den Lebensstandard während des Erwerbslebens sichern? Alternative: Spiele Lotto.

                  • Stefan Sasse 30. Oktober 2018, 14:08

                    Die Annahme ist lächerlich, weil die wenigsten bis 80 arbeiten können. Was passiert mit dem Bauarbeiter? Wann geht der in Rente? Oder die Einzelhandelskauffrau? Wie viele Mittsechziger siehst du denn bei Lidl Regale einräumen? Das ist doch Traumtänzerei. Wir können wenn es eine entsprechende Berufsunfähigkeitsregel gibt darüber nachdenken, das Renteneintrittsalter einfach ganz abzuschaffen – jeder arbeitet solange er kann. Aber das wäre die wahrscheinlich wieder zu viel Sozialismus. So oder so ist die Forderung, das Renteneintrittsalter zu erhöhen, nichts als Augenwischerei, weil sie am Problem nicht das geringste ändert. Das Problem des Rentensystems sind ja nicht die Bürohengste, die länger als 67 arbeiten könnten, sondern die Heerscharen von in Normalarbeitsverhältnissen Beschäftigten, die jetzt schon kaum die 63 erreichen.

                    • R.A. 30. Oktober 2018, 14:12

                      > Die Annahme ist lächerlich
                      Eben das wollte Stefan Pietsch ja zeigen.
                      Ein System, dessen Mathematik nur mit lächerlichen Annahmen funktionieren würde, ist marode.

                      „Aber das wäre die wahrscheinlich wieder zu viel Sozialismus.“
                      Nicht wirklich, das ist m. W. aktuelle Programmlage bei der FDP.
                      Natürlich gibt es dann bei Renteneintritt auch nur Rente in der Höhe, für die man bisher Beiträge bezahlt hat – verteilt auf die restliche Lebenerwartung.

          • Erwin Gabriel 30. Oktober 2018, 02:18

            @ Stefan Pietsch 29. Oktober 2018, 18:16

            Anmerkung: das Rentensystem ist nicht zerstört, nur weil Versicherte nicht das bekommen, was sie sich erhofft haben.

            Doch – so sicher, wie der Strom aus der Steckdose und das Geld aus der Wand kommt…
            🙂

        • R.A. 30. Oktober 2018, 12:01

          „Hätte man das Rentensystem nicht so mutwillig kaputtgeschlagen“
          Das Rentensystem ist marode, seit es in den 50er Jahren auf ein Schneeballsystem ohne Reserven umgestellt wurde.

          Die üppige Subventionierung der Renten ist reines Wahlgeschenk und extrem ungerecht.

          • Stefan Sasse 30. Oktober 2018, 13:07

            Ein Schneeballsystem, das 70 Jahre lang hält, ist eventuell kein Schneeballsystem.

            • Stefan Pietsch 30. Oktober 2018, 13:46

              Also einerseits beschwerst Du Dich, dass die Einzahler zunehmend wenig herausbekommen und viele nicht bedacht werden. Andererseits meinst Du, das Rentensystem sei kein Schnellballsystem. Aber schau‘ Dir das nochmal an: sind das nicht die Merkmale eines Schnellballsystems?

            • R.A. 30. Oktober 2018, 13:48

              Das Schneeballsystem selber hält ja schon lange nicht mehr. Es wird nur durch ständig steigenden Steuersubventionen am Tropf gehalten.
              Was zunehmend ungerecht gegenüber den Bürgern ist, die von diesem Subventionstopf nichts abbekommen.

              • Erwin Gabriel 30. Oktober 2018, 19:39

                @ R.A. und Stefan P.

                Volle Zustimmung zu allen „Renten-Beiträgen“

                es grüßt
                E.G.

  • popper 26. November 2018, 14:43

    @Pietsch u. @R.A.

    Den von Zynismus geprägten Unsinn von Pietsch und die von Unkenntnis strotzenden Einlassungen von R.A. braucht wirklich niemand. Die Erhebung und Verwendung von Steuern ist ein Nullsummenspiel, da der Staat allein, als Besitzer der Zentralbank, bringt das gesetzliche Zahlungsmittel (Euro) in Umlauf. Daraus bilden Unternehmer und Private unter Beteiligung der Banken ihre Nettogeldvermögen. Die Steuern sind die Rückführung von Geldvermögen zum Emittenten, um nicht ständig als Nettoschuldner zu fungieren. Das Problem der umlagefinanzierten Rente ist dadurch entstanden, dass man die steigende Produktivität p.a. nicht an die Beitragszahler weitergegeben hat unter gleichzeitiger Erhöhung der Beiträge. Stattdessen wurden Beitragserhöhungen von 4% des sozialversicherungspflichtigen Einkommens einseitig den Arbeitnehmer aufgebürtet zu Spekulationszwecken und Absahne der Banken und Versicherungen und als notwendige Eigenvorsorge verkauft, obwohl sich dadurch die Anwartschaften bei der GRV entsprechend reduzieren (Riester etc.). D.h. Privatvorsorge reduziert die Rentenansprüche in der GRV. Und Geringverdiener werden doppelt bestraft. Im Übrigen lassen sich die Sparabsichten dann nicht verwirklichen, wenn der Staat ebenfalls zum Nettosparer wird (Schuldenbremse, Schwarze Null). Wobei eine Volkswirtschaft überhaupt nicht sparen kann. Ihr Nettogelsvermögen über alle Sektoren verteilt ergibt immer null. Daa muss man erst einmal gerafft haben, bevor man unsäglichen Stus verbreitet, wie die oben Angesprochenen.

    • Stefan Pietsch 26. November 2018, 15:14

      Das Problem der umlagefinanzierten Rente ist dadurch entstanden, dass man die steigende Produktivität p.a. nicht an die Beitragszahler weitergegeben hat unter gleichzeitiger Erhöhung der Beiträge.

      Nicht? Was sind denn dann die jährlichen Lohnerhöhungen? Wie geht noch einmal die Formel? Inflation + Produktivitätssteigerung = Lohnerhöhung. Genau das wird in längeren Reihen erzielt. Sie überschätzen nur vollständig die erzielten Produktivitätssteigerungen, die liegen nämlich jährlich nur so um 1%. Übrigens: wenn die Arbeitslosigkeit steigt, steigt auch die Produktivität. Denn erstens werden tendenziell die Unproduktivsten entlassen und zweitens wird das Erwirtschaftete auf weniger Köpfe verteilt. Allerdings führt eine höhere Arbeitslosigkeit auch zu höheren Kosten der Sozialversicherungen, ein Wettlauf, den Deutschlands Volkswirtschaft in den Achtzigerjahren schon einmal verloren hat, was erst zu hoher Arbeitslosigkeit und dann zur Abwanderung von Unternehmen und Arbeitsplätzen geführt hat. Scheint keine vernünftige Strategie zu sein.

      Nur freuen sich Arbeitnehmer eben nicht, wenn sie statt einer leichten Reallohnsteigerung gleichzeitig höhere Sozialversicherungsbeiträge zahlen sollen. Arbeiten für die Katz‘ nennt man das.

      • popper 27. November 2018, 11:29

        Beim Bündnis für Arbeit haben die Gewerkschaften sogar zugestimmt, den Anteil an der Produktivität auszusetzen, um dem angeblich kranken Mann Deutschland unter die Arme zu greifen. Was hat es gebracht? Nichts? Hinzu kamen Niedriglohnsektor und Hartz IV. Und die Zerstörung der Rente zugunsten der Versicherungslobby. Raffelhüschen hat die Absenkung der Rente sogar auf einer Veranstaltung vor Versicherungsvertretern zugegeben. Steuern für Unternehmen wurden radikal abgesenkt. Arbeitsplätze entstanden und entstehen überwiegend im prekären Sektor bis heute. Heute beziehen 6.5 Mio. Hartz IV. Der Verteilungsspielraum (Zielinflationsrate 1,9% + Produktivität 1,5%) wird seit über zwanzig Jahren unterboten.

        Und da fantasieren Sie von Lohnerhöhungen. Heute gibt es gar keine Vereinbarungen mehr, die eine Laufzeit von zwölf Monaten haben, sondern regelmäßig 24 Monate und mehr, sodass bei einer Einbeziehung der Sonderzahlungen und sonstigen monetären Verschleierungen ein auf zwölf Monate gerechnete nominale Lohnerhöhung herauskommt, die regelmäßig unter der Verteilungsmasse von ca. 3,5% bleibt. Betrachtet man den realen Lohnzuwachs, rutscht das Ganze sogar ins Minus.

        • Stefan Pietsch 27. November 2018, 18:59

          Nun leiern Sie erstmal alles runter, was links längst als Mantra gilt. In diesem Plakatstil stellen wir eine Debatte hintenan. Ich sehe nicht, wo die gesetzliche Rente zerstört wurde. Deutschland hat rekordhohe Beitragssätze, rekordhohen Zuschuss des Bundes und rekordhohe Einzelrenten. Über 20 Millionen Renten werden ausgezahlt. Wie man da ein „Zerstörung“ erkennen kann, die Diskussion will ich nicht führen.

          Deutschland hat einen vergleichsweise hohen Anteil Geringqualifizierter. Deutschland hat eine der höchsten Quoten an Langzeitarbeitslosen, Menschen, die seit Jahren keinen Betrieb von innen gesehen haben und deren Qualifikation, wenn sie eine hatten, längst veraltet sind. Was meinen Sie, was solche Menschen bei einer Rückkehr in Arbeit, so dies ermöglicht wird, an Löhnen erzielen können? Einen Durchschnittslohn? Never ever. Wenn Sie den Niedriglohnsektor verkleinern wollen, also dafür zu sorgen, dass mehr Menschen ein Einkommen nahe am Durchschnitt verdienen, müssen Sie dafür sorgen, dass Menschen nicht in so großer Zahl für lange Zeit aus dem Erwerbsleben verschwinden, dann müssen Sie daran arbeiten, dass junge Leute ihre Ausbildung schmeißen. Andernfalls ändern Sie die Situation nicht.

          Heute beziehen 6.5 Mio. Hartz IV.

          Wissen Sie, wie viele 2004 Sozialhilfe und Wohngeld bezogen? Knapp 3 Millionen Deutsche, davon 1 Million Kinder. 3,5 Millionen Haushalte (rund 5,5 Millionen Deutsche) erhielten Wohngeld. Zählen Sie zusammen, so sind Sie bereits ohne Arbeitslosenhilfeempfänger bei 8,5 Millionen Bedürftigen vor Einführung von Hartz-IV. Heute beziehen weniger als 50.000 Haushalte Wohngeld, die Anzahl der Bedürftigen ist seit 2004 drastisch gesunken. Das finden Sie schlecht? Und merken Sie was? Viele Menschen, die früher mit dem Wohngeld weit weniger hatten, bekommen heute mit der Aufstockung durch Hartz-IV weit mehr. Das ist gut, das ist nicht schlecht, wie Linke es immer wieder darstellen.

          • Stefan Sasse 28. November 2018, 06:36

            Ich glaube auch du kennst die Zahlen über das Rentenniveau. Selbstverständlich wurden die Renten in diesem Sinne zerstört. Ob das eine schöpferische bzw. erhaltende Zerstörung war, weil andernfalls das System nicht haltbar wäre, ist eine andere Diskussion; aber das Absinken der Rentenniveaus ist Fakt. Ein Fakt, mit dem gerade Mietmäuler wie Raffelhüschen ja auch ihre Kohle verdienen.

            • Stefan Pietsch 28. November 2018, 16:18

              Laut Duden Synonyme für Zerstörung:
              Auflösung, Ausmerzung, Beseitigung, Demolierung, Fall, Untergang, Verfall, Vernichtung

              Deutsch, Präzision, irgendetwas in der Art?

              Für Mietmaul findet sich nichts im Duden, wohl aber im Netz:
              Professoren, Wissenschaftler, Doktoren & Experten, die für Geld das erzählen, was der Kunde hören will.

              Beleidigend, lässt sich hinzufügen. Wer den Begriff verwendet, unterstellt, dass derjenige nicht sein Meinung / Überzeugung wiedergibt, sondern Sprechblasen. Hast Du irgendwelche Hinweise darauf?

              Nur mal so: ich habe deutliche Hinweise, dass manche Frauen Blondinen sind – eine Bezeichnung, die Du wiederum despektierlich findest, obwohl sie etwas äußerlich Erkennbares beschreibt. Was denkst Du denn, was der von Dir verwendete Begriff ist? Aus meiner Sicht ziemlich daneben. Sorry, Stefan.

              • Stefan Sasse 28. November 2018, 22:15

                Nun, der Generationenvertrag wurde zerstört, das kannst nicht anders sagen.

                Und Raffelhüschen war (keine Ahnung ob er noch ist) als Lobbyist für die Versicherungsbranche unterwegs. Das ist schon ein Mietmaul. Das heißt nicht, dass seine wissenschaftliche Arbeit damit werlos oder gekauft wäre, aber seine öffentliche Reputation und Persona stellte er in den Dienst einer Sache, für die er bezahlt wurde. Ich finde das schon passend.

                • R.A. 29. November 2018, 10:18

                  „der Generationenvertrag wurde zerstört“
                  Es gab nie einen solchen Vertrag. Das ist ein Propagandabegriff der verschleiern soll, daß es kein tragfähiges Konzept gibt um die Rückzahlung der Beiträge zu gewährleisten.

                  Die RV beruht darauf, daß nicht nur die Demographie stabil bleibt, sondern auch die Verteilung der Erwerbstätigen auf die Bereiche Beamte/Selbständige/abhängig Beschäftigte.
                  Beide Annahmen sind unhaltbar.

                • Stefan Pietsch 29. November 2018, 10:20

                  Das ist doch eine Fiktion, noch dazu eine völlig falsche. Ein Vertrag zeichnet sich dadurch aus, dass er von den betroffenen Parteien gezeichnet wird. Eine Partei jedoch, die zum Zeitpunkt der aktiven Erwerbstätigen noch nicht oder gerade Volljährigen sind ja nicht geschäftsfähig. Würdest Du zu Lasten Deiner Kinder einen Vertrag abschließen, der sie für Jahrzehnte zur Zahlung eines hohen Prozentsatzes ihres Einkommens verpflichtet, wäre das zu Recht nach 139 BGB sittenwidrig.

                  Du kämpfst für sittenwidrige Verträge. Tatsächlich sah das Konstrukt der dynamischen Rente eine Kinderkomponente vor. Einzahler ohne Kinder hätten den doppelten Beitrag entrichten müssen. Tatsächlich diente das umformulierte Modell einzig dem Ziel, die Alten, die ihre Altersvorsorge durch einen unnützen Krieg und Hyperinflation verloren hatten, ein drittes Mal zu helfen. Das ist völlig einseitig und die Verteilung von Vor- und Nachteilen sind so geblieben. Du jammerst über ein reines Betrugskonzept zum Kauf von Wählerstimmen. Adenauer holte damit die Stimmen der Rentner für die CDU und einmalig die absolute Mehrheit. Noch Fragen?

                  Raffelshüschen forscht seit Jahrzehnten finanziert mit öffentlichen Mitteln zu Fragen der Demographie. Und wie nicht wenige Hochschullehrer lässt er sich seine Expertise auch privatwirtschaftlich vergüten. Nur den einen Hochschulprofessor nimmst Du das Engagement für Gewerkschaften und Sozialverbände ab, die anderen sind Mietmäuler.

                  Piano.

                  • Stefan Sasse 29. November 2018, 15:38

                    Fakt ist, dass erst die Reformen von 1957 und 1972 Renten brachten, von denen die Rentner vernünftig leben konnten. Und diese Basis können nach 2002 in Rente gehende Rentner nicht mehr in Anspruch nehmen.

                    Ist ja jetzt nicht ebenso, als wärt ihr gegenüber denen, die sich für progressive Ziele einsetzen freundlicher. Ihr verwendetet halt bisher nicht diesen spezifischen Begriff.

                    • Stefan Pietsch 29. November 2018, 16:04

                      1972 ist ja nun schon eine Weile her. Und die Geschichte ist auch ein bisschen anders. Die Reform brachte erst Renten, womit Rentner in der neuen Republik überleben konnten. Teilweise erhielten sie 39 DM bei einem damals geltenden Monatslohn von 350 DM. Klar waren die Alten erleichtert und klar war das ein großes gesellschaftliches Problem. Nur wurde es einseitig zu Gunsten der Rentner gelöst und die Jungen vergessen. Stell‘ Dir vor, Kinderlose müssten bis heute die doppelten Beiträge zahlen. Ich denke schon, dass diese Einladung zum Trittbrettfahrertum in einem auf Nachwuchs basierenden Umlageverfahren viel zur rekordniedrigen Geburtenrate in Deutschland beigetragen hat.

                      Man kann auch argumentieren, dass hierin die eigentliche Sollbruchstelle des Systems angelegt wurde, die Jahrzehnte später zu immer neuen Zahlungsproblemen der Rentenkasse führte.

                      Ich denke schon, dass ich freundlicher bin. Immerhin wird damit eine halböffentliche Person direkt beleidigt und herabgewürdigt. Ich glaube das Ärgste was ich geschrieben hatte, war, Gina-Lisa Lohfink als „falsche Blondine“ und „durchgereichte Trash-Prominente“ zu bezeichnen.

                      Ist eigentlich nicht mein Vokabular. Und Deins auch nicht.

                    • Stefan Sasse 29. November 2018, 19:51

                      Stimme dir durchaus zu, was das angeht

                      Und ok, ich verwende den Begriff nicht mehr, sehe aber in deinen Beispielen jetzt nicht den Qualitätsunterschied erkennen.

        • Stefan Pietsch 27. November 2018, 19:08

          Der Verteilungsspielraum (Zielinflationsrate 1,9% + Produktivität 1,5%) wird seit über zwanzig Jahren unterboten.

          Was erzählen Sie da? Wie kann ein von einer volkswirtschaftlicher Planwert – insbesondere in der Rückschau – eine Grundlage für Lohnerhöhungen sein? Der Inflationszuschlag dient in der Begründung dem Ziel, Inflationsbedingte Reallohneinbußen zu verhindern. Wenn die Inflation bei 1% statt 3% liegt, so kann der Ausgleich eben nur 1% sein. Eigentlich logisch. In Hochinflationsländern würden Sie schließlich auch nicht argumentieren, dass der Inflationsausgleich nur in Höhe eines Planwertes liegen sollte.

          Wir haben keine Produktivitätsgewinne von 1,5%, sondern nur von 1%. Wobei mir nicht klar ist, warum Produktivitätsgewinne einseitig in die Taschen von abhängig Beschäftigten fließen sollten. Solche Gewinne entstehen schließlich durch eine bessere Kaptialausstattung, welche die Kapitalgeber finanzieren. Wenn ein Unternehmen beispielsweise die alten Computer mit langsamen Prozessoren und Arbeitsspeicher durch moderne Geräte ersetzt, steigt die Produktivität des Beschäftigten pro Stunde, ohne dass dieser etwas dazu beigetragen hätte. Wenn Sie diese Gewinne einseitig verteilen, nehmen sie Unternehmen jeden Anreiz, die Produktivität zu steigern.

          Rechnen wir zusammen, so kommen wir auf realistische Lohnforderungen von 2% und etwas darüber in den vergangenen 10 Jahren. Tatsächlich waren es im Schnitt mehr, weshalb auch der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen zu Lasten von Vermögens- und Gewinneinkünften zugenommen haben. Das sind die Fakten.

          • Stefan Sasse 28. November 2018, 06:37

            Mein Stand ist auch, dass es in den letzten Jahren sehr, sehr kleine Reallohnerhöhungen gab. Die Reallohneinbußen lagen in den 2000er Jahren.

            • Stefan Pietsch 28. November 2018, 16:10

              Die Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen (Einkommen der abhängig Beschäftigten + Vermögens- und Gewinneinkünfte) betrugen 1990 67,8% und 2017 68,6%. Das bedeutet, das zusätzliche Wachstum des Volkseinkommens als Teil des Bruttoinlandsprodukts hat sich zu Gunsten der Arbeitnehmer verändert. Ja, Anfang des Jahrtausends hatten sich die Anteile sogar auf über 70% und danach auf bis zu 64% verschoben. In der langen Reihe lässt sich jedoch nicht sagen, dass Arbeitnehmer zu wenig vom Erwirtschafteten erhalten. Und klar, wenn der Staat hohe Steuern erhebt, bleibt halt wenig Reallohn übrig. Da musst Du Dir aber eine andere Adresse suchen, dass ist nicht die Schuld der Arbeitgeber.
              https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/LangeReihen/VolkswirtschaftlicheGesamtrechnungen/lrvgr04.html

              • Stefan Sasse 28. November 2018, 22:13

                Die Steuern sind doch nicht gestiegen? Woher kommt es denn deiner Ansicht nach? Und die Gesamtsumme beinhaltet ja auch die Gewinner einer Verschiebung von unten nach oben.

                • R.A. 29. November 2018, 10:16

                  „Die Steuern sind doch nicht gestiegen?“
                  Doch. Wir haben jedes Jahr eine deutliche Steuererhöhung, weil die Progressionsgrenzen nicht inflationsangepaßt werden.
                  D.h. der Staat kassiert einen überproportional hohen Teil der Lohnerhöhungen, obwohl real gerechnet die Leute kaum „reicher“ geworden sind.

                  • Stefan Sasse 29. November 2018, 15:36

                    Ok, ich nehm das mal so – aber das sind doch niemals signifikante Beträge. Ja, ist ätzend, aber nicht im Bereich von Prozentpunkten wie eine Einkommenssteuerreform.

                    • R.A. 30. November 2018, 09:56

                      „aber das sind doch niemals signifikante Beträge“
                      Das sind SEHR signifikante Beträge!
                      Schließlich ist das eine Entwicklung, die über viele Jahre läuft. Pro Jahr geht es „nur“ um 1-2%, aber kumuliert (und mit etwas Zinseszinseffekt) hat das erhebliche Effekte.

                      Man kann das recht gut hier nachverfolgen:
                      https://de.wikipedia.org/wiki/Kalte_Progression

                      1960 betrug der Spitzensteuersatz 53% – aber er setzte erst bei 110.000 DM ein, das war das 18-fache des Durchschnittslohns, betraf also wirklich nur die absoluten Spitzenverdiener.
                      Heute ist zwar der Spitzensteuersatz auf 43% gesenkt worden (was die Linken immer wieder als sozial ungerecht brandmarken), aber der setzt immer noch auf fast demselben nominalen Niveau ein wie in den 60er Jahren, das ist nur noch das 1,5-fache des Durchschnittslohns und inzwischen werden breite Bevölkerungsschichten so stark belastet wie früher nur die „Superreichen“.

                    • Stefan Sasse 30. November 2018, 10:14

                      Stimmt natürlich, aber da vergleichst du Äpfel mit Birnen. Die ganze Steuerbelastung hat sich ja signifikant geändert, das drückst du über den reinen Satz ja gar nicht aus.

                      Was die kalte Progression angeht: ja, absolut, aber das ist immer noch ein Rahmen am Rand. Es ändert, ob ich mit 53.000 oder 56.000 in den Spitzensteuersatz falle. Aber das sind kleine Beträge verglichen mit dem von dir ja korrekt genannten 18fachen des Durchschnittslohns.

                    • Stefan Pietsch 30. November 2018, 11:07

                      1970 waren die Einkommen mit 26,5% Sozialabgaben belastet, zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung lag dieses Abzug bei 35,6%. Bis 1997 stieg dieser Wert auf 42,1% und verharrte dann jahrelang auf diesem Niveau. Das ist der tiefere Grund, warum die Reallohnentwicklung sich in diesem Zeitraum negativ entwickelte. Neben der rezessionsbedingten Lohnzurückhaltung war dies die wesentliche Ursache. Es zeugt von Geschichtsvergessenheit, heute damit Politik zu machen, über einen langen Zeitraum hätten Arbeitgeber die Löhne gedrückt. Das ist schlicht Quatsch, im Gegenteil, von Ende der Neunzigerjahre bis Anfang des Jahrtausends stiegen die Löhne schneller als die Produktivität.
                      http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Finanzierung/Datensammlung/PDF-Dateien/tabII6.pdf

                      Auch die Steuerbelastung der Einkommen lag Mitte bis Ende der Neunzigerjahre mit 19% für einen ledigen auf einem historischen Peak und sank erst danach. 1990 nach der großen Stoltenberg’schen Reform lag sie deutlich niedriger.
                      http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61896/steuer-und-abgabenlast

                      Die Reallohnentwicklung ist ganz wesentlich staatlich induziert.

                • Stefan Pietsch 29. November 2018, 10:31

                  Von Mitte der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre bis Anfang des Jahrtausends stieg die Abgabenbelastung, wozu schließlich auch Sozialbeiträge zählen. Gerade abhängig Beschäftigte wurden in einem nie gekannten Ausmaß vom Staat geschröpft. Genau das bildet sich in der Reallohnentwicklung ab gepaart mit stagnierenden Löhnen aufgrund der dümpelnden Wirtschaft 1994-1998. Die Lohnnebenkosten stiegen auch für Arbeitgeber gravierend an. Schröders Steuerreform, gestreckt auf vier Jahre, schaffte etwas Erleichterung, da die Wirkung aber in eine Rezession fiel, auf einen längeren Zeitraum verteilt wurde und als wesentlichen Kern zwar die Absenkung der Grenzsteuerbelastung, nicht jedoch der effektiven Durchschnittssteuerbelastung zum Ziel hatte, erholten sich die Reallöhne nur langsam.

                  Und die Gesamtsumme beinhaltet ja auch die Gewinner einer Verschiebung von unten nach oben.

                  Äh, ja. Du kannst ja eine Petition starten, „Zahlt den AT-Angestellten weniger, damit die Unteren mehr haben!“ Das Konzept ist außerordentlich erfolgreich, in den Achtzigerjahren kehrte es die unteren Lohngruppen aus, die seit dem Arbeitslosenhilfe bezogen und vermieste das Verhältnis der Gewerkschaften zu den besser verdienenden Lohngruppen, die ja als Beitragszahler nicht so ganz unwichtig sind. In Betrieben hast Du seit dem Probleme, gebildetere und intelligentere Mitarbeiter für die Gewerkschaftsarbeit zu gewinnen. Ich würde dieses Konzept nochmal empfehlen, damit Gewerkschaften endgültig in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Aber mich fragt ja keiner. 😉

                  Übrigens: in der Reallohnentwicklung sind auch Gewinner und Verlierer enthalten. Die Kernaussage bleibt: Arbeitnehmer erhalten heute nicht weniger vom Erwirtschafteten als in den langen Reihen immer. Das ist nix unfair.

                  • popper 29. November 2018, 15:39

                    Suggestion ist kein wissenschaftlich belegte Fundierung. Der Begriff Lohnnebenkosten ist ein Popanz, da praktisch alle Kosten außer den Direktvergütungen als solche bezeichne werden, also weit mehr als nur die Sozialversicherungsabgaben. Der Wortbestandteil „neben“ suggeriert, dass es sich bei den entsprechenden Kosten um im Grunde verzichtbare Ausgaben handelt und die Arbeitskosten ohne die Sozialabgaben entsprechend geringer wären. Das aber ist ein Trugschluss. Bemühen Sie sich endlich mal um eine sachgerechte Argumentation und bringen Sie nicht immer diesen selektiven, statistischen Firlefanz.

                  • Stefan Sasse 29. November 2018, 15:42

                    Jupp.

                    Ich sag ja nicht, dass man sofort staatliche Umverteilung fordern muss, aber daraus leitet sich keine Fairness ab. Theoretisch gesehen könnte bei den Zahlen einer alles und der Rest nix haben, dann hat sich im Schnitt auch nichts verändert, und es wäre trotzdem unfair. Was fair und unfair ist muss eine Gesellschaft immer wieder neu verhandeln, da werde ich mit soziologischen Begriffen und Steuerstatistiken nicht weit kommen. Siehe auch Merz.

                    • Stefan Pietsch 29. November 2018, 16:20

                      Wir führen in manchen politischen Sphären wieder eine Klassenkampfdebatte über Gewinneinkünfte und die Löhne der Arbeiter. Wie Du ja jetzt auch festgestellt hast, könnte das die Falsche sein.

                      Es ist aber nie wirklich eine gute Idee gewesen, wenn der Staat in die Lohnfindung eingreift. Die Gehaltsexzesse an der Spitze sind längst zum Erliegen gekommen, das ist nicht das Verteilungsproblem in Deutschland. Zu den oberen 20% der Einkommenspyramide zählen Leute mit einem monatlichen Gehaltsscheck von 5.000 Euro, zu den oberen 40% zählt man bereits mit 2.500 Euro-Verdiensten. Und das sind all jene, die – ja, abgestuft – von den Lohnentwicklungen profitiert haben. Ist es ungerecht, das eine Erzieherin, ein Verpacker in der Chemie deutlich mehr von Gehaltssteigerungen erhält als ein Fleischer? Eine gar nicht so einfache Frage, nur für ideologisch Voreingenommene.
                      https://www.einkommensverteilung.eu/deutschland/

                    • Stefan Sasse 29. November 2018, 19:53

                      Ich bin auch kein Freund staatlicher Eingriffe da. Ich hätte gerne, dass der Staat auf einer anderen Ebene eingreift, indem er die Verhandlungsstärken angleicht. Und dann können die Arbeitnehmer den Lohn mit den Arbeitgebern aushandeln, in einem vernünftigen marktwirtschaftlichen Prozess.

                    • Stefan Pietsch 30. November 2018, 10:35

                      Das kann ein Staat immer nur sehr bedingt. Tatsächlich sind in vielen Bereichen die Gewichte längst gravierend zugunsten der Arbeitnehmer verschoben. Nehmen wir die Arbeitsmarktsituation in den Boomregionen, nehmen wir, dass die Entgeltentwicklung der letzten 8, 9 Jahre deutlich über dem Wachstum lag, nehmen wir die Weltfinanzkrise 2008, wo in Deutschland trotz einer tiefen Rezession von -6% kaum Entlassungen vorgenommen wurden – ein historisch beispielsloser Vorgang. Unternehmen können heute oft nicht mal mehr mit Entlassungen drohen, sie sind hohl. Wir haben in den letzten 30 Jahren zwar unzählige Streiks gehabt (Warnstreiks gehören dazu), aber fast keine Aussperrungen. Im Arbeitskampf haben wir seit den Achtzigerjahren eine Waffenungleichheit zugunsten der Beschäftigten. Die Arbeitnehmerseite hat ihre Machtposition so weit entwickelt, dass sogar eine SPD-Ministerin einschreiten musste und die Überdehnung Gegenstand von Gerichtsverfahren ist, die immer mehr im Sinne der Arbeitgeber entschieden werden (müssen). Wir haben die außerordentlichen Schutzrechte von Schwerbehinderten, Frauen und Müttern – sowohl werdend als auch bestehend – u.ä.

                      Ja, die untersten Einkommensbezieher haben die geringste Macht, das liegt in der Natur der Sache. Und wenn Männer einstmals Kinder zur Welt bringen, wird sich das auch ändern. Geringfügig Beschäftigte sind am leichtesten ersetzbar und sie machen sich auch meist selbst überflüssig. Nirgends ist die Verweildauer so niedrig wie im prekären Bereich. Sie organisieren sich nicht und sind an Organisation nicht interessiert. Einem Obdachlosen, der die Enge einer Wohnung nicht aushält, ist mit einer teuer hergerichteten Wohnung nicht zu helfen, auch wenn er auf der Straße krepiert.

              • poipper 29. November 2018, 15:20

                Wenn man Schlussfolgerungen mit der großen Quaste der Verallgemeinerung (Durchschnittswerte) vornimmt, kommt solcher Unsinn heraus. Arbeitnehmer, wer ist denn das alles? Wenn hier, was ich annehme, auch die Zetsches und/oder Winterkorns einbezogen sind, ist ihre Rechnung ein Zerrbild und kein Pfifferling wert. Diese Art von Schönfärberei ist einfach nur grotesk.

    • Stefan Pietsch 26. November 2018, 17:13

      Stattdessen wurden Beitragserhöhungen von 4% des sozialversicherungspflichtigen Einkommens einseitig den Arbeitnehmer aufgebürtet zu Spekulationszwecken und Absahne der Banken und Versicherungen und als notwendige Eigenvorsorge verkauft, obwohl sich dadurch die Anwartschaften bei der GRV entsprechend reduzieren (Riester etc.). D.h. Privatvorsorge reduziert die Rentenansprüche in der GRV. Und Geringverdiener werden doppelt bestraft.

      Das ist natürlich Unsinn. Wer riestert, erhält neben der gesetzlichen Rente eine Kapitalauszahlung. Wer nicht riestert, bekommt halt nur die gesetzliche Rente. Privat vorzusorgen, vermindert so wenig wie früher den eigenen Anspruch. Was allerdings, und da nehmen Sie wahrscheinlich Bezug darauf, in der Prognose der Rentenansprüche (das ist wie gesagt eine Prognose) abgebildet wird, ist das Absinken des gesetzlichen Rentenniveaus aufgrund der demographischen Entwicklung. Sowohl Steigung der Beiträge als auch Mindestrentenniveau sind gesetzliche Zielvorgaben, reine Planwirtschaft also. Der staatliche Riesterzuschuss dient allein – wie sagen Sie so schön? – zur Camouflage des einfachen Fakts, dass der Staat wegen der seit Jahrzehnten niedrigen Geburtenrate und der immer weiter ansteigenden Lebenserwartung sein ursprüngliches Versprechen nicht mehr halten kann, ein auskömmliche Rendite im Rentenversicherung zuzusichern.

      Es ist anders als Sie sagen: der Riesterzuschuss verdeckt die tatsächlichen Kosten der DRV. In dem der Staat scheinbar geringere Rentenbeiträge der heutigen Einzahler verlangt, erhöht er die Renditeerwartung in der Zukunft. Zusätzlich wirken die aus den Kapitalansparungen bedienten privaten Renten renditeverbessernd.

      Alternative: der Staat zahlt heute höhere Renten an die derzeitigenRentner, in dem die Steuermittel an die Rentenkasse umgewidmet werden. Das bringt dem Rentner im Jahr 2035 keinen Cent mehr Rente, er wird aber trotzdem höhere Beiträge zahlen. Das verschlechtert seine Rendite in der DRV.

      Alternative 2: das Steuergeld wird zur Beitragsdämpfung genutzt, das erhöht zwar die Rendite der heute Aktiven, aber nicht ihren Rentenanspruch.

      Beides sind daher keine guten Alternativen, weswegen die Kombination aus Umlage- und kapitalgedeckter Rente der bessere Weg ist. Der Trick ist der staatliche Zuschuss und die Hebewirkung des Zinses. Das ist ähnlich als würden Sie einen Kredit mit 20 Jahren Laufzeit aufnehmen und das Geld zu einer höheren Rendite für eben so lange anlegen. Der Staat tritt dabei als Garant auf. Die Geringverdiener erzielen übrigens die beste Rendite beim Riestersparen, da ihre Zuschüsse am höchsten sind. Wenn sie denn vorsorgen.

      • popper 27. November 2018, 11:08

        Können Sie auch mal etwas anderes als ständig diesen larmoyanten Unsinn herunterbeten. Sie wären doch intellektuell fähig alternative Szenarien nachzuvollziehen. Aber nein, stattdessen kommt bei ihnen immer wieder dieser Drang dem Unsinn von z.B. Frau Siems oder Herrn Raffelhüschen nachzueifern.

        Natürlich verringern „Riestern“ und andere betriebliche Vorsorgeinstrumente die gesetzliche Rente. In den meisten fällen bedienen sich Arbeitnehmer einer sogenannten Gehaltsumwandlung/Entgeltumwandlung, d.h. nur auf das Einkommen, das verbleibt, fallen dann Abgaben und Steuern an. Man zahlt also jahrelang etwas geringere Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung ein, ergo? Weniger Rente. selbst die Zulagen des Staates zahlt der Arbeitnehmer bei seiner Einkommensteuererklärung zurück, sie wird nämlich der Steuerlast aus dem zu versteuernden Einkommen zugeschlagen. Und um tatsächlich eine Nettorendite zu erzielen müssten die meisten zwischen 90 und 105 Jahre alt werden. Ganz abgesehen von den Kosten in der Ansparphase.

        … einfachen Fakts, dass der Staat wegen der seit Jahrzehnten niedrigen Geburtenrate und der immer weiter ansteigenden Lebenserwartung sein ursprüngliches Versprechen nicht mehr halten kann, ein auskömmliche Rendite im Rentenversicherung zuzusichern.

        Das ist der übliche Mumpitz, den uns arbeitgebernahe Think-Thanks weismachen wollen. Nobert Häring hat mit Bezug auf Patrick Schreiner auf seinem Blog eine Gegenrechnung aufgemacht, die ich ihnen hier gerne zur Kenntnis bringe, ich zitiere:

        „Doch selbst wenn die Produktivität auf ihrem heutigen schwachen Niveau verbleiben sollte, wird sie ausreichen, um trotz demografischem Wandel eine lebensstandardsichernde Rente ohne höheres Renteneintrittsalter zu ermöglichen. Unterstellt sei für eine Beispielrechnung das Folgende.

        1. Die Arbeitsproduktivität wächst bis 2060 um 1,4 Prozent jährlich. (Dies entspricht der durchschnittlichen Zunahme seit 1991.)
        2. Die Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter (20-65 Jahre) schrumpft bis 2060 in jenem Umfang, den das Statistische Bundesamt
        prognostiziert, nämlich von fast 50 Millionen auf weniger als 38 Millionen Menschen. (Die Zahlen wurden der 13.
        Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts entnommen, Variante 2).
        3. Spiegelbildlich entwickelt sich die Zahl der Über-65-Jährigen ebenfalls so, wie es das Statistische Bundesamt prognostiziert,
        nämlich von etwa 16 Millionen auf über 23 Millionen.
        4. Die Erwerbsbeteiligung steigt nicht weiter an.

        Dies sind insgesamt eher vorsichtige Annahmen. Im Ergebnis ergibt sich bis 2060 dennoch ein realer Einkommenszuwachs von fast 70 Prozent: Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Gesamtbevölkerung steigt von 32.137 Euro (2010) auf 42.209 Euro (2040) und schließlich auf 53.973 Euro (2060).

        Man kann das Ganze auch umgekehrt betrachten und fragen: Wie hoch müsste die durchschnittliche jährliche Produktivitätssteigerung sein, damit die Auswirkungen des demografischen Wandels ausgeglichen werden und das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf gleich bleibt? Die Antwort: Weniger als 0,4 Prozent. Dies ist ein niedriger Wert, der mehr als realistisch erscheint.“ Quelle: (http://norberthaering.de/de/27-german/news/791-schreiner-demografie)

        Im Übrigen, die Herzog-Kommission kam damals zu ähnlichen Ergebnissen. Ihre ganzen Vorbehalte halten einer sachorientiertren Prüfung nicht stand. Hinzukommt, dass wir mittlerweile in Deutschland eine Situation haben, wo alle drei Sektoren der Volkswirtschaft sparen. Allein das Ausland finanziert unser mickriges Wachstum. Wie jemand mit Verstand an einen Sparerfolg glauben kann, bleibt mir ein Rätsel.

        • Stefan Pietsch 27. November 2018, 11:40

          Herr Raffelshüschen ist ein deutscher Professor, ein außerordentlich hoher Bildungstitel. Bitte erweisen Sie auch dann Menschen ein Minimum an Respekt, wenn Sie nicht deren Ansichten teilen.

          In den meisten fällen bedienen sich Arbeitnehmer einer sogenannten Gehaltsumwandlung/Entgeltumwandlung

          Aber das ist doch eine absolut freiwillige Entscheidung! Diese Menschen bewerten den Ertrag aus der privaten Vorsorge höher als den aus der Rentenversicherung. Daneben, ein Großteil jener, die eine solche Entgeltumwandlung betreiben, liegen damit über der Beitragsbemessungsgrenze, womit dies keine Auswirkungen auf die Renteneinzahlungen hat.

          selbst die Zulagen des Staates zahlt der Arbeitnehmer bei seiner Einkommensteuererklärung zurück, sie wird nämlich der Steuerlast aus dem zu versteuernden Einkommen zugeschlagen.

          Nur ist das mit den Rentenzahlungen genauso. Sie werden im Jahr 2030 voll versteuert.

          Und um tatsächlich eine Nettorendite zu erzielen müssten die meisten zwischen 90 und 105 Jahre alt werden.

          Erstens: es ist der Staat, der dieses Ding so unwahrscheinlich teuer gemacht hat. So kosten Mindestverzinsungen Geld und Kapital. Der Staat erlaubt keine Aktienfonds, weil die theoretische Möglichkeit besteht, das Geld auch zu verlieren. Nur haben sie eine weit bessere Rendite im Schnitt und wenig Verwaltungskosten. Zweitens: Bei jeder Versicherung gibt es Gewinner und Verlierer. Wer mit 65 das Zeitliche segnet, hat von seiner gesetzlichen Rente auch nichts.

          Das ist der übliche Mumpitz, den uns arbeitgebernahe Think-Thanks weismachen wollen.

          Es ist einfach Fakt. Und Ihre weitere Ausführung, die ja nicht bestritten wird, zeigt ja nur, dass nur mit höheren Einzahlungen die Fiktion einer auskömmlichen Rente zu halten ist. Tatsächlich aber muss man die Frage stellen, warum Generationen von Beitragszahlern eben nicht ihre Produktivitätsgewinne für die Altersgelder zurücklegen brauchten, dies aber nun von einer Generation verlangt wird. Das ist schon auf den ersten Blick ungerecht. Bisher konnten Lohnempfänger ihre Steigerungen immer zur Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse nutzen. Und weitere Fragen beantworten Sie nicht: woraus sollen den die anderen steigenden Kosten für Gesundheit und Pflege gedeckt werden, wenn Sie schon alles für die Rente verbraten?

          Eine Produktivitätssteigerung von 1,4% ist nicht realistisch. Seit den Nullerjahren ist dieser Wert auf 1% und darunter gesunken. Gepuffert wird Ihr Durchschnitt durch die großen Entlassungswellen der Neunzigerjahre, wodurch die Produktivitätssteigerungen hoch waren. Wobei, dass Entlassungen zu Produktivitätssteigerungen führen, hatten Sie gerade noch an anderer Stelle bestritten.

          • popper 28. November 2018, 11:22

            Wenn eine Produktivitätssteigerung von 1,4% unrealistisch ist, dann glauben Sie also nicht an die Verheißungen der Digitalisierung. Sie werden doch hier nicht den Richard (Casper) David Precht geben und den Weltuntergang propagieren. Macht nichts, selbst bei 1% ist die rente mit Beitrgssteigerungen zu wuppen. Und die Leute haben auch noch genug übrig zum Leben.

            Sie werden mich nicht überreden können, Raffelhüschen Respekt zu zollen. Auch nicht mit einer so läppischen untertänigen und autoritätsriefenden Attitüde. Raffelhüschen ist Professor ja, aber was noch wichtiger ist, eines von der Versicherungswirtschaft finanzierten Forschungszentrums für Generationenverträge, da muss man nicht noch extra klingeln, damit einem ein Licht aufgeht. Seine Verflechtungen und abstrusen Gefälligkeitsstudien sind legendär, siehe hier: (https://lobbypedia.de/wiki/Bernd_Raffelh%C3%BCschen). Das hat mit Professor und respektieren nichts mehr zu tun, der Mann und seine Expertisen sind verbrannt. Dass Sie auf solche Ladenhüter immer noch setzen, macht Sie mir nur noch suspekter.

            Aber das ist doch eine absolut freiwillige Entscheidung! Diese Menschen bewerten den Ertrag aus der privaten Vorsorge höher als den aus der Rentenversicherung. Daneben, ein Großteil jener, die eine solche Entgeltumwandlung betreiben, liegen damit über der Beitragsbemessungsgrenze, womit dies keine Auswirkungen auf die Renteneinzahlungen hat.

            Also stimmen Sie zu, dass bei vielen unterhalb der Bemessungsgrenze die Rente sich reduziert. Diejenigen über der Beitragsbemessungsgrenze stehen gar nicht zur Debatte, deren Rente dürfte nicht so gering ein, dass sie „Riestern“ müssten. Allerdings lohnt sich bei denen das „Riestern“, wenn man von der exorbitant großen Bearbeitungsgebühr absieht. Wenn hier die gesetzliche Rente zu gering sein sollte, können sie andere Vorsorge-Quellen wählen. Ihr Argument war aber: „Das ist natürlich Unsinn. Wer riestert, erhält neben der gesetzlichen Rente eine Kapitalauszahlung.“ Im Übrigen, die sogenannte Nahles-Rente (Betriebsrentenstärkungsgesetz) ist nichts als eine weitere Schwächung der gesetzlichen Rente. Ihr Hinweis, das sei alles freiwillig ist wieder mal zynisch, wie so oft, wenn ihnen das stechende Argument fehlt.

            Nur ist das mit den Rentenzahlungen genauso. Sie werden im Jahr 2030 voll versteuert.

            Halte ich auch für einen Skandal, aber Einkommen oder die Rente versteuern und Zulagen der Steuer zuzuschlagen ist was ganz anderes. Die Zulage 154.- € für Erwachsene und Kinder 185.- € wird nicht versteuert, sondern in Gänze auf die Steuerlast draufgesattelt, d.h. wenn ihre Zahllast 3.000.- € beträgt, dann kommen die 339 noch dazu und Sie zahlen 3.339.- €. Das ist rechte Tasche, linke Tasche. Im Übrigen, eine Zusatzversorgung die so toll ist, warum muss sie überhaupt bezuschusst werden? Und, dass Riester nichts taugt, pfeifen die Spatzen der Wirtschaftspresse schon länger von den Dächern. Abgesehen davon, dass eine Volkswirtschaft nichts in die Zukunft sparen kann. Im Gegenteil, die „Ersparnisse“ entziehen der Volkswirtschaft Kapital, das sie brauchte um zu Investieren und zu wachsen. Aber, das verstehen Neoliberale nicht.

            • Stefan Pietsch 28. November 2018, 17:59

              Wenn eine Produktivitätssteigerung von 1,4% unrealistisch ist, dann glauben Sie also nicht an die Verheißungen der Digitalisierung.

              Was hat das Eine mit dem anderen zu tun? Wenn ich heute durch die Digitalisierung eine Produktivitätssteigerung von 20% im Jahr 2020 erziele, so hat das für das Jahr 2030 keine Bedeutung. Sie können schließlich die 20% nicht auf jedes Jahr draufpacken. So, dann baue ich dafür 10 Leute ab und gebe eine Gehaltssteigerung von 3% im Jahr 2020. Was nochmal ist damit für die Rentenkasse gewonnen?

              Macht nichts, selbst bei 1% ist die Rente mit Beitragssteigerungen zu wuppen.

              Sie antworten nicht auf die immer gleiche Frage: warum sollten wir das tun? Wieso sollte einer Generation abverlangt werden, was die vorherigen nicht geleistet haben? Und warum sollten wir den Großteil unserer Leistungsgewinne dafür verwenden, die Altersgelder zu erhöhen? Haben Sie in Ihrem Leben so gehandelt, haben Sie den Großteil Ihrer Gehaltserhöhungen für das Alter zurückgelegt? Eher nicht, richtig? Warum sollten Ihre Kinder und Enkel das tun? Mehr noch: warum verlangen Sie eine gesetzliche Obliegenheit, dass sie es tun müssen?

              Also stimmen Sie zu, dass bei vielen unterhalb der Bemessungsgrenze die Rente sich reduziert.

              Natürlich, ungefähr so wie wenn eine junge Frau sich entscheidet, Teilzeit zu arbeiten. Oder ältere Beschäftigte mehr Freizeit haben wollen, weil ihre Sparvermögen und ihr Lebensstandard reichen. Kommt, wie ich in den letzten Jahren erfahren habe, durchaus öfter vor und zwar bei Durchschnittsverdienern. Sagen Sie da auch, geht nicht, weil sie damit ihre Rentenbeiträge reduzieren?

              Ich kann politisch nur kritisieren, was der Staat veranlasst. Die private Entscheidung geht mich nichts an. Es gab schon sehr früh steuerlich geförderte Entgeltumwandlungen, das ist keine Besonderheit von Riester. Genau darum geht es Ihnen aber.

              Wenn hier die gesetzliche Rente zu gering sein sollte, können sie andere Vorsorge-Quellen wählen.

              Welche denn, die Sie nicht verdammt haben? Ich bin ja durchaus bei Ihnen, dass wir im unteren Bereich ein Problem haben. Ich sehe jedoch bei Ihnen keine Lösung.

              Nur ist das mit den Rentenzahlungen genauso. Sie werden im Jahr 2030 voll versteuert.
              Halte ich auch für einen Skandal

              Was es nicht ist. Jede dauerhafte Einnahme muss einmal (und nur einmal) versteuert werden. Entweder der Fiskus besteuert Löhne und Gehälter voll, dann müssen die später gezahlten Renten steuerfrei bleiben. Oder die Einkommen können um Vorsorgeaufwendungen (voll) vermindert werden. Dann sind die daraus resultierenden Renten selbstverständlich (voll) zu versteuern. Das ist in jedem Bereich so, also auch bei den Renten.

              Im Übrigen, eine Zusatzversorgung die so toll ist, warum muss sie überhaupt bezuschusst werden?

              Gute Frage. Tatsächlich musste die private Vorsorge in der Vergangenheit nicht bezuschusst werden, die Deutschen waren schon immer ein Volk der (Bau-) Sparer und Einzahler in Kapitallebensversicherungen. Das haben 70% der Leute gemacht und 20% gar nicht. Im Grunde ging es immer um diese 20%. Und, wie eingangs gesagt, verfassungskonform zu machen, dass der Staat sehr wohl den Eigentumserhalt der Beiträge garantiert.

              Und, dass Riester nichts taugt, pfeifen die Spatzen der Wirtschaftspresse schon länger von den Dächern.

              Nochmal, Sie wenden sich an den Falschen. Ich bin weder ein Freund bürokratischer Vorsorge wie Riestersparen mit x-Auflagen noch überhaupt dafür, hauptsächlich in Versicherungsprodukte zu investieren. Ich halte Systeme wie in der Schweiz für richtig, die ja auch hier von Linken zeitweise gelobt wurden, bis die feststellten, dass in der Schweiz ein wesentlicher Teil der Altersvorsorge als Kapitalbildung herrührt. Dann verfiel man lieber auf Österreich, was den sozialistischen Idealen näher kommt.

              Abgesehen davon, dass eine Volkswirtschaft nichts in die Zukunft sparen kann.

              Genau das stimmt ja nicht. So bilden Deutschlands Unternehmen und Haushalte Investitions- wie Sparvermögen im Ausland. Was schon theoretisch Ihre Behauptung widerlegt. Zumindest einzelne Volkswirtschaften können in jedem Fall sparen. Zweitens, wenn I = S (Sie erinnern sich), dann ist jeder Hausbau, jeder Kauf einer Aktie nichts anderes als Sparen. Und wenn Sparen (bzw. Investieren) nicht möglich wäre, so würde die Finanzierung einer Autobahn über Staatsschulden keinen Sinn ergeben. Es kann logisch nicht sein, dass Verschulden in die Zukunft möglich ist, nicht jedoch das Gegenteil: Sparen.

              • popper 29. November 2018, 10:13

                Genau das stimmt ja nicht. So bilden Deutschlands Unternehmen und Haushalte Investitions- wie Sparvermögen im Ausland.

                Sie stellen hier eine pauschale Behauptung auf, die im gar nicht stimmt, sie taucht auch immer wieder bei den Verteidigern der Leistungsbilanzüberschüsse auf, weil behauptet wird, eine Gesellschaft, die altert wie die deutsche, lege einen Teil seines Geldes im Ausland an und im Gegenzug kaufen die Ausländer hier etwas mehr Güter. Folgte man dieser Logik, müsste man auch konzedieren, dass sich die ausländischen Kreditnehmer irgendwann so total überschuldet haben, dass sie nicht mehr in der Lage sind, die Kredite zu tilgen. Dann wäre das Geld futsch.

                Diese, offensichtlich, auch von ihnen vertretene Ansicht zeigt aber nur, dass Sie nicht verstanden haben, was tatsächlich passiert. Die Gretchenfrage ist wie immer, woher kommt das Geld, mit dem überhaupt etwas bezahlt werden kann. Der Unternehmer, der den Lohn an seine Lohnabhängigen zahlt, kann Geld nicht selber herstellen, er muss es sich zunächst beschaffen. Dazu braucht er eine Institution, die ihm dazu verhilft und das sind die Geschäftsbanken, die ihm einen Kredit auszahlen, nicht indem sie physisches Geld beschaffen, sondern vermittels eines einfachen Buchungssatzes. Bilanztechnisch erfolgt: per Kredit an Girokonto. Nehmen wir an, A und B seien Banken in unterschiedlichen Ländern und ein Verkäufer und sein Kunde stammten ebenfalls aus zwei unterschiedlichen Ländern. Dann nennen sich die Forderung von A gegenüber B Auslandsvermögen und die Verbindlichkeit von B gegenüber A Auslandschulden. Das Lustige daran ist, mit dem Auslandsvermögen kann man jedoch nicht shoppen gehen und die Verbindlichkeit von B gegenüber A ist auch kein Kapital, das die Bank verwenden könnte. Mehr Geld haben nur die Exporteure des Verkäuferlandes.

                Denn merke: „Nettokapitalexporte, die aufgrund des Prinzips der doppelten Buchführung gleich den Leistungsbilanzüberschüssen sind, dokumentieren keine Geldabflüsse, sondern sind eine erhöhte Ersparnis., d.h. Nettokapitalexporte erhöhen das Geldvermögen einer Volkswirtschaft, diese hat dadurch mehr nicht weniger Mittel, und diese können natürlich für unterschiedliche Ausgaben verwendet werden. Das Geld ist also, wie Sie behaupten nicht im Land des Käufers, sondern des Verkäufers. Nicht der Exporteur, sondern der Importeur spart, da das ausgegebene Geld nicht mehr da ist und die Nachfrage nach heimischen Güter ceteris paribus verringert. Folge, es wird im Käuferland weniger produziert und Unternehmerkapazitäten werden nicht mehr in dem Umfang benötigt und in der Folge werden auch Kapazitäten bei den Arbeitnehmern abgebaut. Natürlich argumentieren Leute wie Sie mit der bei Ökonomen beliebten langen Sicht und beruhigen sich damit, dass, wer arbeitslos ist, sich weniger leisten, was früher oder später zu einem außenwirtschaftliches Gleichgewicht führt. Das ist die Methode die gegenwärtig in den Südländern der EU ziemlich erfolgreich zur Anwendung gebracht wird. Das Resultat ist, man betreibt so die totale Verarmung der Bevölkerung, um weitere Handelsbilanzdefizite zu vermeiden. Solche Regierungen, ohne jede ökonomische Vernunft, sollten von der Bevölkerung schleunigst zum Teufel gejagt werden.

                Auf ihren sonstigen Nonsens, den Sie hier, ohne wirklich auf konkrete Diskussionssachverhalte einzugehen, verzapfen, gehe ich vielleicht, wenn ich Lust habe später ein.

                • Stefan Pietsch 29. November 2018, 14:27

                  Folgte man dieser Logik, müsste man auch konzedieren, dass sich die ausländischen Kreditnehmer irgendwann so total überschuldet haben, dass sie nicht mehr in der Lage sind, die Kredite zu tilgen.

                  Wie ich in der Vergangenheit belegt habe, gibt es in der OECD eine Reihe von Staaten, die über jahrzehntelange Zyklen Handelsbilanzdefizite ausweisen und genauso gibt es nicht wenige, die stetig einen positiven Saldo haben. In all diesen Fällen konnte kein Zusammenhang zwischen dem Handelsbilanzdefizit und der Staatsverschuldung nachgewiesen werden. Ihre permanent vorgetragene Theorie steht auf so wackeligem Fundament, dass sie im Sumpf verschwindet.
                  http://www.deliberationdaily.de/2016/08/linke-wirtschaftsmythen-2-exportweltmeister-deutschland-und-das-leben-unter-den-verhaeltnissen/

                  Das Resultat ist, man betreibt so die totale Verarmung der Bevölkerung, um weitere Handelsbilanzdefizite zu vermeiden.

                  Länder mit hohen Defiziten wie die USA, UK oder auch Australien stehen längst nicht vor der Verarmung, im Gegenteil, das Pro-Kopf-Einkommen zählt zu den höchsten in der OECD. Auch hier: Fakten schlagen Theorie.

                  Der Unternehmer, der den Lohn an seine Lohnabhängigen zahlt, kann Geld nicht selber herstellen, er muss es sich zunächst beschaffen. Dazu braucht er eine Institution, die ihm dazu verhilft und das sind die Geschäftsbanken, die ihm einen Kredit auszahlen, nicht indem sie physisches Geld beschaffen, sondern vermittels eines einfachen Buchungssatzes.

                  Das zeigt höchstens, dass Sie nie in einem Unternehmen waren. Kein Unternehmen nimmt zur Bezahlung von Löhnen einen Kredit auf. Und kein vernünftiger Arbeitsuchender würde sich auf so ein Modell einlassen.

              • popper 30. November 2018, 09:19

                Jede dauerhafte Einnahme muss einmal (und nur einmal) versteuert werden. Entweder der Fiskus besteuert Löhne und Gehälter voll, dann müssen die später gezahlten Renten steuerfrei bleiben. Oder die Einkommen können um Vorsorgeaufwendungen (voll) vermindert werden. Dann sind die daraus resultierenden Renten selbstverständlich (voll) zu versteuern. Das ist in jedem Bereich so, also auch bei den Renten.

                Der erste Satz ist wohl richtig, der zweite nicht ganz. Denn die Vorsorgeaufwendungen vermindern bis 2025 eben nicht voll die Einkommen, die Minderung beträgt in diesem Jahr 72%. Im Übrigen handelt es sich um völlig unterschiedliche Sachverhalte, die eben nicht vergleichbar sind. Ich sprach ja von der staatlichen Zulage zur Riester-Rente, die vorne gegeben und hinten genommen wird.

                Zweitens, wenn I = S (Sie erinnern sich), dann ist jeder Hausbau, jeder Kauf einer Aktie nichts anderes als Sparen. Und wenn Sparen (bzw. Investieren) nicht möglich wäre, so würde die Finanzierung einer Autobahn über Staatsschulden keinen Sinn ergeben. Es kann logisch nicht sein, dass Verschulden in die Zukunft möglich ist, nicht jedoch das Gegenteil: Sparen

                Ob Sie es nicht merken oder nur Augenwischerei betreiben wollen, sei dahingestellt, Tatsache ist, dass Sie bei dem Begriff „Sparen“ unterschiedliche Ebenen benutzen und beim Sparen, die Reinvermögensbildung mit der Geldvermögensbildung gleichsetzen. Dabei achten Sie nicht darauf, dass in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung Sparen immer verstanden im Sinne von Reinvermögensbildung wird. Woraus sich dann die berühmte Gleichheit von I und S, von Investieren und Sparen entsteht. Dass I und S in einer geschlossenen Wirtschaft immer gleich groß sind, kommt eben daher, dass die Reinvermögensbildung sich bei jedem einzelnen Wirtschaftssubjekt aus Geldvermögensbildung und/oder Sachvermögensbildung, sprich Investition zusammensetzt. Weil aber gesamtwirtschaftlich alle Geldvermögensänderungen sich zwingend zu Null ergänzen müssen, kann auf dieser Ebene die Reinvermögensbildung nur in Sachvermögensbildung bestehen.

                Bei dem Sparen für die kapitalgedeckte Rente handelt es sich um reines Geldvermögen. Unbestreitbar ist zwar, dass eine vermehrte Ersparnis i.S. von gesamtwirtschaftlicher Reinvermögensbildung das Problem einer alternden Gesellschaft mildert. Das ist ja auch nicht der Dissens in der Debatte, sondern die Frage. Diese spielt sich auf der reinen Geldvermögensbildung ab. Und hier liegt der Fehlschluss darin, dass ein vermehrtes Sparen der privaten Haushalte zu einer solchen gesamtwirtschaftlichen Reinvermögensbildung führt. Denn, und das Herr Pietsch ist Logik, dadurch, dass man das Sparen der privaten Haushalte sogar noch staatlicherseits fördert, erfolgt in den privaten Haushalten eine vermehrte Geldvermögensbildung. Doch diese gesteigerte Geldvermögensbildung verringert zwingend Geldvermögensbildung in einem anderen Sektor der Wirtschaft, indem vereinfacht gesagt, z.B. die Gewinne des Unternehmenssektors zurückgehen, da ja aus dem Haushaltssektor nun geringere Erträge fließen. Und nun beantworten Sie uns die Frage, wie diese Einnahmereduktion zur Bildung von Sachgütern und Wachstum führen soll. Denn nur die Sachvermögensbildung trägt zu einer leichteren Bewältigung größerer Sozialausgaben bei. Sie, Herr Pietsch und ihre neoliberalen Parteigänger ziehen daraus falsche Schlussfolgerungen indem Sie eine vermehrte Konsumeinschränkung und Geldvermögensbildung der privaten Haushalte führe zu einer gesamtwirtschaftlichen Reinvermögensbildung oder sei sogar mit ihr identisch.

                • Stefan Pietsch 30. November 2018, 10:53

                  Denn die Vorsorgeaufwendungen vermindern bis 2025 eben nicht voll die Einkommen, die Minderung beträgt in diesem Jahr 72%.

                  Wie Sie sicher wissen, ist das ein langjähriger Anpassungsprozess, ausgelöst durch ein zwanzig Jahre altes Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Dem entsprechend wird über einen langen Zeitraum die Steuerfreiheit der Renten allmählich zurückgenommen und der vollen Steuerpflicht unterworfen.

                  Ich sprach ja von der staatlichen Zulage zur Riester-Rente, die vorne gegeben und hinten genommen wird.

                  Das ist absolut das gleiche Prinzip: ich erhalten aktiv eine steuerfreie Zulage und muss aus den steuerfreien Beiträgen später die Erträge voll versteuern.

                  Tatsache ist, dass Sie bei dem Begriff „Sparen“ unterschiedliche Ebenen benutzen und beim Sparen, die Reinvermögensbildung mit der Geldvermögensbildung gleichsetzen.

                  Das ist Ihr Fetisch, den Sie bei jeder Debatte beim anderen sehen. Diesen einzubringen, wirkt auf die Dauer sehr störend. Tatsächlich wurde die frühere Rente in Sachwerten angelegt (deswegen mein Ausdruck, die früheren Rentner hätten sich ihre Rente in zwei Weltkriegen zerschossen). Und kapitalgedeckte Vorsorgesysteme, ob in der Schweiz, in Norwegen oder in den USA basieren darauf, die Mittel in den Kapitalstock einer Volkswirtschaft zu investieren. Also größtenteils Unternehmenswerten und Immobilienbesitz. Das ist eben kein Geldvermögen, denn dieses macht in den Vermögensbilanzen der Volkswirtschaften immer nur einen kleinen Anteil aus. Deswegen ist die Argumentation damit ein schlichter Fetisch, dazu bestimmt, Diskussionen abzuwürgen.

                  Und damit Sie doch theoretisches Futter bekommen: jede klassische Wachstumstheorie bis hin zu den Ausführungen von Marx setzte daran an, dass Wachstum (im Sinne von Erweiterung der Produktionskapazitäten) an der Kapitalakkumulation ansetzt. Je mehr gespart und damit in den Kapitalstock investiert werden könne, desto größer würde das zukünftige Wachstum ausfallen. Das Sparen / Investieren ginge allerdings zu Lasten des Konsums. Unter Stalin wanderten teilweise weit über 60% des Volkseinkommens in das Sparen, der Konsumanteil war so niedrig, dass die Bevölkerung hungerte. Das gab den wirtschaftlichen Experten in Kennedys Team Grund zur Sorge, die UdSSR könne in den Achtzigerjahren die USA im Wohlstand überholen.

                  • popper 1. Dezember 2018, 07:53

                    Ihre Ablehnung resultiert erkennbar aus einem auflimmenden Unbehagen, das Sie zumindest ahnen lässt, dass die neoklassische Modellierung eben mit den wirtschaftlichen Realitäten wenig bis gar nichts zu tun hat. Auf der anderen Seite verleiht ihnen die konstruktivistische Konsistenz der Neoklassik die Sicherheit, die Sie offenbar benötigen, um ihrem Zweifel keinen Raum geben zu müssen. Denn so intellektuell unterbelichtet sind Sie nicht, ganz im Gegenteil, dass Sie nicht erkennen können, dass ihre wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnis zwanghaft Sachverhalte ausklammert, die nicht in ins Konzept passen. Das ist menschlich verständlich, sollte aber nicht jedem Denkansatz die Grundlage entziehen, mit dem Hinweis, es handle sich nur um einen Fetisch, im Sinner einer intellektuellen Spinnerei. Denn saldenmechanische Betrachtungen beruhen nicht auf einer Theorie, sondern einer buchhalterischen Logik, die Sie sonst immer mit Zähnen und Klauen verteidigen.

                  • popper 1. Dezember 2018, 09:39

                    …ich erhalten aktiv eine steuerfreie Zulage und muss aus den steuerfreien Beiträgen später die Erträge voll versteuern…

                    Warum übermannt Sie immer wieder ihr Drang, es besser zu wissen. Die steuerfreie Zulage wird bei der Steuererklärung im VZ ihrer Zahlung voll! der Steuerlast zugeschlagen und nicht versteuert, d.h. eine Zulage von beispielsweise 154.-€ wird nicht versteuert, dann blieben nähmlich 2/3 erhalten, sondern voll auf die errechnete Steuerlast des zu versteuernden Einkommens draufgesattelt, ich hatte ja ein Beispiel genannt. Um es ganz klar zu machen, die errechnete Zahllast errechnet sich nicht aus dem Gesamtbetrag der zu versteuernden Einkünfte (GdE) in dem die Zulage bereits enthalten ist, sondern aus errechneter Steuerlast des GdE plus der vollen Zulage von 154.-€. Die nachgelagerte Besteuerung der Erträge ergibt sich steuersystematisch aus ganz anderen Beträgen.

                    • Stefan Pietsch 1. Dezember 2018, 16:54

                      Warum übermannt Sie immer wieder ihr Drang, es besser zu wissen.

                      … weil ich es anscheinend besser weiß. Was Sie beschreiben (und nicht falsch ist), ist die Anrechnung einer steuerfreien Zahlung auf das zu versteuernde Einkommen. Genau das Gleiche haben Sie z.B. beim Arbeitslosengeld und bei bestimmten ausländischen Einkünften, die bereits versteuert wurden. Entweder Sie finden die Systematik generell ungerecht, dass steuerfreie Einkünfte die Progression erhöhen (das ist der Effekt) oder eben nicht. Eins von beiden.

                    • popper 1. Dezember 2018, 20:43

                      …weil ich es anscheinend besser weiß

                      Nein, Sie wissen es nicht besser. Sie behaupten ins Blaue. Alle steuerfreien Einkünfte unter Progressionsvorbehalt sind abschließend in § 32b EStG geregelt: z.B. wie Sie richtig fesstellen, Arbeitslosengeld I. Die Riester-Zulage gehört jedoch nicht dazu. Im Übrigen unterfallen auch ausländische Einkünfte, bei denen nach dem DBA der Tätigkeitsstaaten (z.B. Frankreich UK oder Irland) das Besteuerungsrecht haben, unter Progressinsvorbehalt. Beim Progressionsvorbehalt des § 32b wird die steuerfreie Einkunftsart zu den Einkünften hinzugerechnet. Beispiel: Jahreseinkommen nach Abzug von Werbungskosten und Sonderausgaben 30.000.- und 2.500.- ALG 1 ergibt zusammen 32.500.- Hier schaut das FA welcher prozentuale Steuersatz auf 32.500.- Jahreseinkommen zu zahlen ist, diesen Durchschnittssteuersatz in Prozent zahlt der Stpl. dann auf seine 30.000.- das nennt man Progressionsvorbehalt. Die Zulage zählt nicht unter die steuerfreien Einkunfte des o.g. Paragraphen und wird entgegen ihrer Darstellung, voll auf die Steuerlast draufgeschlagen. Das hat mit Progression gar nichts zu tun. Bevor Sie jetzt wieder herumeiern und Unsinn proklamieren, fragen Sie besser zuvor einen Steuerexperten.

                  • popper 2. Dezember 2018, 22:17

                    Und damit Sie doch theoretisches Futter bekommen: jede klassische Wachstumstheorie bis hin zu den Ausführungen von Marx setzte daran an, dass Wachstum (im Sinne von Erweiterung der Produktionskapazitäten) an der Kapitalakkumulation ansetzt… usw.

                    Hier zeigen Sie sehr plastisch, dass Sie von einem Sparen in realen Größen und en passant von monetärem Größen (dem Konsum) sprechen. Die neoklassische Gleichgewichtstheorie kennt aber kein Geld, sondern legt dem ökonomischen Aktionsniveau eine Erstausstattung der Haushalte zugrunde, weil sie über die Ressourcen verfügen, die sie den Unternehmern für ihre Produktion überlassen. Diesen Verzicht der Haushalte nennt sie Sparen, was dann definitionsgemäß der Nicht-Konsum der Haushalte ist, d.h. ihre Ersparnis.

                    Die Idiotie dieses Denkansatzes zeigt sich dann, wenn jemand nur seine Arbeitskraft anzubieten hat und sich zwischen dem Konsum von Freizeit und zwischen dem Nicht-Konsum von Freizeit entscheidet. Da Freizeit als ein Gut definiert wird, welches mit einem positiven Grenznutzen in die Nutzenfunktion eingeht, stellt sich der kuriose Effekt ein, dass ein Arbeitsloser per definitionem einen positiven Nutzenwert aus der Vermeidung des „Arbeitsleides“ zieht, indem er „Freizeit“ konsumiert, selbst wenn er dabei verhungert. Eine solche Argumentation ist absurd, trotzdem, si ist Teil der konventionellen, neoklassischen Theorie des Arbeitsmarktes. Das nennt man dann „wahre“ Ökonomie.

                    Damit die Story nicht allzu blöd klingt bedient man sich der Quantitätstheorie, die das Wort Theorie gar nicht verdient und sich eine primitive Bankentheorie des Loanable funds anklebt, nach der die Geldersparnisse (Konsumverzicht) der Haushalte einsammeln, um sie an die Unternehmen für Investitionen per Kredit auszureichen, was die rein monetäre Ebene adressiert. Man glaubt es nicht, aber diese primitive Ansicht hat es geschafft, als exklusives Wissenskorsett der Ökonomie zu gelten, was sich darin zeigt, dass es bis dato Journalisten und Parteigänger wie Sie tagtäglich als gesichertes Wissen zum Besten geben. Sancta simplicitas! kann man da nur sagen.

  • R.A. 26. November 2018, 15:11

    „Den von Zynismus geprägten Unsinn von Pietsch und die von Unkenntnis strotzenden Einlassungen von R.A. braucht wirklich niemand.“
    So betont höfliche Einleitungen lassen meist erwarten, daß dann die richtig abstrusen Aluhut-Theorien kommen. So auch hier.

    „Die Erhebung und Verwendung von Steuern ist ein Nullsummenspiel“
    Ja klar. Dann können wir ja gerne mal den zehnfachen Staatsetat beschließen.

    „Die Steuern sind die Rückführung von Geldvermögen zum Emittenten, um nicht ständig als Nettoschuldner zu fungieren.“
    Abenteuerliche Darstellung.

    „dass man die steigende Produktivität p.a. nicht an die Beitragszahler weitergegeben hat“
    Hat man. Das nennt man Lohnerhöhungen.

    „D.h. Privatvorsorge reduziert die Rentenansprüche in der GRV.“
    Nein. Privatvorsorge geht immer zusätzlich zur GRV.

    „Im Übrigen lassen sich die Sparabsichten dann nicht verwirklichen, wenn der Staat ebenfalls zum Nettosparer wird (Schuldenbremse, Schwarze Null).“
    Der Staat wird durch Verzicht auf Neuschulden noch lange kein Nettosparer. Ein echtes Ansparen von Vermögen gab es zuletzt in den 50ern. Was auch nicht verhindert hat, daß parallel die Bürger Geldvermögen angespart haben.

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