Frauenförderung: Der Staat als Teil des Problems

Die nun schon länger hier geführte Debatte über das Regelungsbedürfnis im Beruflichen und Familiären hat erneut gezeigt, dass die Einmischung des Staates jenseits der klaren „Leitplanken“ oft zum Gegenteil dessen führt, was ursprünglich gewollt war. Meist verbirgt sich hinter wohl klingenden Begriffen und Absichten äußerst harte Interessenpolitik. Als ich am Freitag einen Artikel über besagte Frauenquote in Aufsichtsräten las, für die nun Top-Managerinnen mobil machen würden, war ich interessiert, welche Personen da öffentlich die Kanzlerin herausforderten. Doch es waren am Ende keine Spitzenfrauen, die sich für die Quote stark machten, sondern gelernte Lobbyistinnen und Unternehmerinnen mit entsprechendem „Stallgeruch“.

Die Frage, die nun schon seit Generationen die Gesellschaft bewegt, lautet: werden Frauen heute noch benachteiligt? Die Politik versucht die Antwort aus den Stellungnahmen von Interessengruppen und Statistiken abzuleiten. Das ist wenig hilfreich in der Sache, denn wo Politik ist, da geht es meist um das Austarieren von Chancen und schlicht um Geld. Dass die politische Methode nicht zielführend ist, zeigt auch ein anderes, banales Fakt: je toleranter und aufgeschlossener die Gesellschaft im Laufe der Jahre geworden ist, desto größer ist die Zahl der Benachteiligten und Diskriminierten geworden. Paragraph 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) erklärt zuvorderst der Großteil der Bevölkerung als grundsätzlich diskriminierungsgefährdet.

Ein Indiz für die Benachteiligung von Männern und Frauen ist nach Ansicht der Politik, breiten Teilen der Medien und einiger Wissenschaftler die ungleiche Bezahlung. Hier muss zwingend eine Diskriminierung vorliegen, wenn beide Geschlechter grundsätzlich gleich an Intelligenz und Ehrgeiz sind. Doch die entsprechende Globalzahl des Statistischen Bundesamtes unterscheidet nicht nach Berufen, Branchen, Qualifikationen und Beschäftigungsformen. Und so wird statistisch die teilzeitbeschäftigte Putzfrau im Einkommen mit dem Top-Manager von Siemens verglichen. Die Wahrheit ist: in Deutschland arbeiten Frauen weit häufiger teilzeitbeschäftigt, in Branchen mit generell niedriger Entlohnung und in Dienstleistungsberufen und als Verkäuferinnen, wo auch Männer schlecht vergütet werden.

Sowohl Stefan Sasse als auch Ariane insistieren regelmäßig, dass Frauen allein wegen der Fähigkeit, Kinder zu bekommen, benachteiligt wären. Dadurch käme es zu Ausfallzeiten im Job und dadurch würden sie im Berufsleben langsamer voranschreiten. Der Autor dieser Zeilen musste noch 15 Monate Grundwehrdienst ableisten, andere Altersgenossen dienten sogar knapp 2 Jahre als Zivis. Gleichzeitig war die Generation, die in den 1980er Jahren die Gymnasien verließ, jene, wo das Geschlechterverhältnis bei den Akademikern erstmals nahezu gleich war. Doch niemand ist je auf den Gedanken gekommen, dass diese Männer gegenüber Frauen benachteiligt wären. Das Argument: schließlich bekämen weibliche Angestellte Kinder. Wie man’s nimmt: schon in der Alterskohorte war die Fertilisationquote 1,3-1,4 Kinder pro Frau, unter den Akademikerinnen sieht es noch schlechter aus.

Grundsätzlich schadet ein Sabbatical dem beruflichen Vorankommen nicht. Da die Politik vielen Vieles verspricht und in einer Demokratie Ziele kaum vereinbart werden können, pflegen wir als Gesellschaft Widersprüchliches. Aus sozialen Gründen wird werdenden Müttern die Option gewährt, bis zu 3 Jahre nach ihrer Niederkunft an ihren angestammten Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Und da die Menschen Illusionen lieben, glaubt tatsächlich ein Großteil der jungen Mütter, solange wie es das Gesetz zulässt, sich ausklinken zu können. Doch das ist dann wirklich tödlich für die Karriere. 1 Jahr Kinderbetreuung übersteht die die Karriere völlig schadlos, bei 3 Jahren hat sich jemand entschieden. Nein, Kinder sind keine Erklärung für unterschiedliche Karriereerfolge, sondern Motivation, Interesse und Macht- sowie Erfolgswillen. Und hier unterscheiden sich die Geschlechter eben schon sehr stark. Das hat die Politik und Genderstreamer jedoch nicht davon abgehalten am Ideal des Chefs mit Pumps zu feilen.

Frauen soll nun mit gezielter Förderung von der Schule bis ins hohe Alter auf der Karriereleiter unter die Arme gegriffen werden. In Schulen wird Mädchen an Girls Days gelehrt, bestimmte Karriereberufe zu ergreifen, während Jungs sich für die Jobs interessieren sollen, die dem schwachen Geschlecht bisher die schlechten Einkommen beschert haben. Irgendwie funktioniert das Ganze nicht. Nach wie vor studieren junge Abiturientinnen vor allem so, dass sie später als interessante Gesellschafterin gefallen können. Germanistik und Anglistik bilden sicherlich. Auf eine Spitzenposition bei einem börsennotierten Unternehmen bereiten diese Studiengänge jedoch eher weniger vor. Und so verlassen die Universitäten weit mehr junge Männer mit Karriereoptionen als Frauen. Man kann sagen, dass ist von jedem einzelnen so gewollt. Warum also mischt sich die Politik ein?

Unternehmen sind selbst höchst interessiert an gemischten Teams und Führungspersonal. Das Problem: weit weniger Frauen als Männer (und hier gibt es ebenfalls Tendenzen) sehen die obersten Ränge der Wirtschaft als erstrebenswertes Lebensziel. So zumindest verhalten sie sich in Ausbildung und Beruf. Eine irgendwie geartete Förderung, wie sie Ariane vorschwebt, würde daran nicht das Geringste ändern. Und gerade auf der mittleren Ebene in Unternehmen besteht doch ein einigermaßen ausgeglichenes Geschlechterverhältnis, schließlich reden Wissenschaft und Politik von der gläsernen Decke und nicht von generell geringen Chancen von Frauen.

Als eine wesentliche Maßnahme zum Ziel „Frauen in Führungspositionen“ sieht die Politik ein breites Angebot von Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Wie soll ein normal gebildeter Mensch aber verstehen, das dieses außerordentlich kostspielige Angebot vor allem kostenlos auf den Markt für „High Potentials“ geworfen werden soll, die sicher unter manchem leiden, keineswegs jedoch an zu wenig Geld? Demokratische Politik ist nicht an Qualität interessiert, sondern daran, möglichst viele Wählergruppen mit vordergründig guten Angeboten zu erreichen. Masse statt Klasse dominiert staatliches Handeln.

Inzwischen hat die Politik bemerkt, dass sie vor allem Kinderverwahranstalten anbietet und versucht durch „Qualitätsoffensiven“ gegenzusteuern. Der Branche werden zusätzliche Auflagen gemacht, die Erzieherinnen erfüllen sollen, die bisher für die nicht zufriedenstellende Betreuung verantwortlich waren. Es folgt dem Grundsatz, jedes Problem ließe sich mit einem Gesetz aus der Welt schaffen. Tatsächlich wurde die Ausbildung für den Erzieher(innen)beruf schon vor Jahren von 3 auf 5 Jahre gestreckt. Nun müssen junge, meist Realschülerinnen, weit länger als ihre Mitschülerinnen die Schulbank drücken. Gleichzeitig sollen sich weit mehr Jugendliche als bisher für den Beruf entscheiden.

Wie soll das funktionieren? Der Staat versperrt jeden Weg, die Erzieherausbildung tatsächlich attraktiver zu machen. Auch der Weg über höhere Entlohnungen ist verschlossen, da die Gemeinden die wichtigsten Arbeitgeber in dem Zweig darstellen. Im Konzert mit der Gewerkschaft Verdi wird dafür Sorge getragen, dass die erreichbaren Einkommen sich nicht stark aufsplitten, so dass für eine teure akademische Ausbildung kein Anreiz besteht. Ein Kindergarten verträgt es nach unserem Gleichheitsverständnis nicht, dass in einer Einrichtung die eine Erzieherin 900 EUR und eine andere 4.500 EUR erhält.

Da der Staat den Markt angeregt hat, die erhöhte Nachfrage nach Erzieherinnen sich jedoch nicht in steigenden Gehältern entladen kann, nimmt die Fluktuation stark zu und öffentliche Einrichtungen machen sich gegenseitig die raren Erzieherinnen abspenstig. Die Qualität erhöht das nicht.

Der Beruf ist weder für Karriere noch für Dauer gemacht. Wer fremde Kinder erziehen will, will meist auch eigene Kinder. Und so verwundert es nicht, dass Müttern im Alter zwischen 30 und Anfang 40 meist pädagogische Fachkräfte gegenüber sitzen, die weit jünger als sie selbst sind mit weit weniger Lebenserfahrung. Und ohne eigene Kinder. Denn sobald eine Erzieherin schwanger wird, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie nach einer Auszeit zurückkehrt, außerordentlich gering.

So diskutieren wir weitgehend über Probleme, die es in der Form nicht gibt und versuchen mit Hilfe des Staates die Lebenslagen von Menschen zu verbessern ohne Kenntnis von der Materie und den Bedingungen zu haben. Am Ende ist niemand richtig zufrieden.

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  • Ariane 19. November 2014, 12:36

    Puh, du wirfst immer soviele unterschiedliche Themen gleichzeitig in den Ring, da weiß ich gar nicht, auf was ich jetzt eingehen soll.
    Generell finde ich es eigentlich ein bisschen naiv, die ganze Problematik zu negieren und zu verkünden, es gäbe überhaupt keine Probleme. Es hat ja schon seinen Grund, warum der Bedarf an KiTa-Plätzen viel höher ist als die Platzanzahl und auch, dass Akademikerinnen weniger Kinder haben. Oder meinst du, studierte Frauen hätten irgendwie von Natur aus einen geringeren Kinderwunsch als der Rest der Bevölkerung?
    Dazu kommt, dass es sich um einen gesellschaftlichen Prozess handelt, der noch recht jung ist. Als die Universitäten für Frauen geöffnet wurden, sind die auch nicht sofort an die Unis gestürmt, das hat sich auch aus Bedarf, Gelegenheit und Möglichkeit zusammengesetzt und ich glaube so ist es auch, wenn es darum geht, gleichzeitig Elternteil und arbeitstätig zu sein. In der Generation meiner Oma war es gar nicht anders denkbar, als dass die Frau zur Hausfrau und Mutter wird (und meine Oma war es nicht und wurde dafür ganz schön angefeindet), in der Generation meiner Mutter war es auch noch ziemlich selbstverständlich, dass sie drei Jahre zu Hause bleibt. Und heute weicht sich das nun mal auf, eben weil der Bedarf da ist und die Möglichkeiten besser sind als vor 30 Jahren.

    Und sorry, aber manchmal sind da so schräge Ansichten drin, dass es mir schon fast leid tut, hier überhaupt zu kommentieren. Dass man mit nem Germanistik-Studium kein börsennotiertes Unternehmen führen wird, geschenkt. Aber zu unterstellen, man studiere das, um später als interessante Gesellschafterin zur Verfügung zu stehen, ist eigentlich unterste Kanone. Nur weil du das für brotlose Kunst hältst, müssen das alle anderen ja nicht auch so sehen.

    Und worüber ich noch gestolpert bin: och das ist dann wirklich tödlich für die Karriere. 1 Jahr Kinderbetreuung übersteht die die Karriere völlig schadlos, bei 3 Jahren hat sich jemand entschieden.
    Da machst du es dir imo viel zu einfach! Es gibt nicht unbegrenzte, bezahlbare Kita-Plätze für 1jährige Kinder und das Kind kann doch nicht einfach alleine zu Hause bleiben. Tagesmütter sind extrem teuer und Großeltern mit unbegrenzt Zeit hat auch nicht jeder vor der Tür sitzen. Und wenn wir hier auch noch von Vollzeit statt Teilzeit reden, ist das fast schlichtweg unmöglich. Einfach anzunehmen, das alle Mütter, die länger als ein Jahr zu Hause bleiben genau das wollen und ihre Karriere damit freiwillig für immer an den Nagel hängen ist genauso blauäugig wie deine kritisierte Sicht auf sämtliche Frauen die dringend irgendwelche staatliche Hilfe benötigen.

    • Wolf-Dieter 19. November 2014, 23:55

      @Ariane

      Oder meinst du, studierte Frauen hätten irgendwie von Natur aus einen geringeren Kinderwunsch als der Rest der Bevölkerung? – Nein, sondern von Sozialisation – so verkopft, dass die körperliche Traute auf der Strecke bleibt. („Kinder? Natürlich! – Aber noch bin ich nicht so weit.„)

      Nur weil du das für brotlose Kunst hältst, müssen das alle anderen ja nicht auch so sehen. – Brotlos ist die Kunst, die kein Geld (kein Brot) einbringt. Der Tatbestand ist objektiv, also keine Meinungssache. (Freilich könnte es gelogen sein.)

  • In Dubio 19. November 2014, 15:11

    Liebe Ariane, ich liebe Deine Kommentare. Insbesondere dann, wenn Du Dich so herrlich aufregen kannst! 🙂

    Es hat ja schon seinen Grund, warum der Bedarf an KiTa-Plätzen viel höher ist als die Platzanzahl (..).

    Ist es das? Und wenn ja, warum? Der Bedarf ist doch nicht vom Himmel gefallen. Erstens ist er mit steigender Erwerbstätigkeit von Frauen kontinuierlich gewachsen. Warum wird die Politik nun seit über einem Jahrzehnt dauerüberrascht? Liebe Ariane, weil die Politik alles selbst in der Hand haben will. Solche Klagen gibt es nicht in Frankreich und nicht in Skandinavien oder den USA. Würde die Politik einen Markt zulassen und nicht mit penetranter Regelungswut die Errichtung privater Kindergärten und Betreuungen (Stichwort: Tagesmütter) als Konkurrenz zu öffentlichen Trägern erschweren, würden Beiträge nicht einer starken Limitierung unterliegen, hätte es längst gewinnsüchtige Unternehmer gegeben, die sich dem Problem angenommen hätten. Da wir die Ergebnisse nicht wollen und das Gegenteil auch nicht, sitzen wir halt in dem Mist.

    Warum ist es in Kitas nicht möglich, dass die eine 900 EUR und die andere 4.500 EUR verdient? Weil es unsere gesellschaftlichen Normen und tarifliche Regelungswut nicht zulassen. Nicht, weil es nicht geht.

    Auch in den USA und in Skandinavien haben Akademikerinnen weniger Kinder als normal Berufstätige oder Hausfrauen. So what? In Frankreich gilt das nicht, dort werden besserverdienende Frauen jedoch auch durch das Familiensplitting entlastet, das Linke hierzulande rigoros ablehnen. Wieso kreieren wir Deutsche daraus ein gesellschaftspolitisches Problem, das mit kostenlosen staatlichen Leistungen bekämpft werden muss?

    Meine Mutter war voll berufstätig und selbständig. Und sie hat 4 Kinder zur Welt gebracht. Und sie heißt nicht Ursula von der Leyen. Die Trümmerfrauen haben das selbe getan. Meine Schwester wiederum hatte alle Möglichkeiten, hat sich irgendwann selbständig gemacht, gearbeitet und verdient bis zum Umfallen. Und nachdem sie sich auf ihre spanische Finca im Alter von Ende 30 zurückgezogen hatte, beschloss sie, ein Kind wäre jetzt nett. Nur findet das ihr 10 Jahre älterer, norwegischer Mann nicht, der selbst mit einer anderen Frau 2 Zwillinge hat und damit von Kindererziehung genug. In den Statistiken und Untersuchungen wird meine Schwester, die nie einen ausgeprägten Kinderwunsch hegte, als Frau auftauchen, der Kinder wegen der Karriere versagt blieben.

    Das Schöne ist: Du interpretierst mich ziemlich falsch, da auch 3 DIN-A-4 Seiten für das Thema zu wenig sind. Tatsächlich sehe ich Deutschland als eine außerordentlich kinderfeindliche Gesellschaft, die es seit den frühen 70er Jahren vergessen hat, dass nicht nur Haus, Auto und Boot zum Leben gehören, sondern auch Kinder. Und dass Kinder kein Armutsrisiko sind, sondern eine Bereicherung. Vor allem, wenn man sich nicht den Großteil des eigenen Lebens auf einem Selbstfindungstrip befindet.

    Hans-Werner Sinn hat in einem Buch einen Vergleich zwischen Frankreich und Deutschland angestellt. Indikator für den Kinderwunsch einer Frau ist, ob sie generell ein Kind bekommt. Der Unterschied in der Anzahl der Kinder begründet die gesellschaftlichen Umstände. Das ist plausibel, die Kosten für ein Kind werden dem Kinderwunsch auf Dauer niemals entgegenstehen, wohl aber der Ausweitung der Familie. In Deutschland gibt es inzwischen weit mehr Frauen die überhaupt keine Kinder haben, eben ein Zeichen wachsender Kinderfeindlichkeit. Und das verwundert nicht, wenn Kinder in der Gesellschaft nicht stattfinden, werden sie als Mysterium empfunden und nicht als Selbstverständlichkeit.

    Aber zu unterstellen, man studiere das, um später als interessante Gesellschafterin zur Verfügung zu stehen, ist eigentlich unterste Kanone.

    Ich kopiere diese Formulierung regelmäßig. Mitte des letzten Jahrzehnts las ich sie in einem SPIEGEL-Leitartikel zum Studienverhalten oder zu Familien. Die Formulierung stammte von einer Journalistin. Und ja, sie hat recht. Auch bei meiner Tochter spielten die Einkommensmöglichkeiten für die Studienwahl keine Rolle. Ebenso für meine Frau, die bessere (Einkommens-) Chancen gehabt hätte. Das war bei mir ganz anders. Und im Studium sind mir einige Frauen begegnet, die eher so in den Tag hinein studiert haben. Am Ende war ich mit einer im Mündlichen, die halt mal so lapidar bei freier Themenauswahl das Schwerste genommen hat. Sie ist durchgefallen. Mit dickem Schwangerschaftsbauch und der Perspektive, ihr Studium nicht zum Abschluss zu bringen.

    Nur, warum kann Frauen Einkommen bei der Wahl ihrer beruflichen Zukunft so egal sein?!

    Es gibt nicht unbegrenzte, bezahlbare Kita-Plätze für 1jährige Kinder und das Kind kann doch nicht einfach alleine zu Hause bleiben. Tagesmütter sind extrem teuer und Großeltern mit unbegrenzt Zeit hat auch nicht jeder vor der Tür sitzen.

    Warum spielt der Preis von Tagesmüttern bei High Potentials (von denen reden wir doch, oder?) eine Rolle? Ansonsten gilt: der Großteil der der deutschen Erwerbstätigen lebt in einem Radius von 20 oder 30 km Umfeld, wo derjenige auch aufgewachsen ist. Und da gibt es Großeltern, die bei Anfang 30jährigen nahe dem Renteneintrittsalter sein sollten. Nein, das sind keine Argumente.

    Tatsächlich ist es doch anders, Ariane. Die Französinnen beispielsweise bekommen ihre Kinder etwas später als die Deutsche, dafür allerdings in weit größerer Menge. Staatliche Kindergärten decken auch dort den Gesamtbedarf nicht ab. Allerdings beginnen Franzosen wegen dem G8 und verkürzten Studiendauern ihre Karriere im Durchschnitt über 2 Jahre früher, womit sie im Alter von 29 / 30 auf einem anderen Level stehen als Deutsche, die hier sich gerade die ersten Meriten erworben hat. Das sind Maßnahmen, die in Deutschland bis aufs Blut bekämpft werden. Wer aber mittleres Management bereits erreicht hat, kann sich karrieremäßig und einkommensbezogen Sabbaticals leisten.

    Tatsächlich bin ich kein Freund davon, Kinder bereits nach ein paar Monaten in Fremdbetreuung zu geben. Und die meisten Fachspezialisten auch nicht. Ja, wir müssen uns entscheiden, das ist Leben! Es ist eine Gewalttat an Kleinkindern, sie teilweise 8-14 Stunden in Grippen mit mehreren Gleichaltrigen und spartanischer Umgebung zu geben. Das ist Stress pur und rächt sich in späteren Jahren. Nur wird das in unserer Gesellschaft ungern gehört.

    • Wolf-Dieter 20. November 2014, 00:10

      @In Dubio – Warum ist es in Kitas nicht möglich, dass die eine 900 EUR und die andere 4.500 EUR verdient? Weil es unsere gesellschaftlichen Normen und tarifliche Regelungswut nicht zulassen. – Vorsicht, Stefan, hier lauert ein Gewerkschafter bei den Lesern. Einer von der tückischen Sorte. Du weißt schon.

  • Stefan Sasse 19. November 2014, 17:33

    Ich finde auch, du machst es dir da wesentlich zu einfach. Besonders die Vorstellung, dass die aktuellen Zustände irgendwie eine natürliche Folge freier Entscheidungen sind ist schlicht Unsinn und beißt sich völlig mit deiner These, dass der Staat in seiner Selbstüberschätzung den Bedarf unterschätzt hat. Fakt ist, dass der Kita-Ausbau seit Ewigkeiten aus politischen Gründen verschleppt wurde – weil halt niemand zahlte. Es brauchte tatsächlich die neuen konservativen Powerfrauen, weil unter Macho-Schröder Familienpolitik unter „Gedöns“ abgetan wurde, unter dem Beifall der feineren Unionsleute. Man kann gegen Merkel sagen was man will, aber unter ihr ist ein neuer Geist in die Republik eingezogen, was das anbelangt, für den die Sozialdemokratie immer Lippenbekenntnisse abgab, dann aber lieber ihre finanzpolitischen Credentials pflegte, die ihr auch nach fünfzehn Jahren noch niemand abnimmt.
    Auch deine Ansichten zur Ökonomie der Kitas weise ich zurück. Die Einkommensgleichheit hat denselben Grund wie auch bei Schulen: der Staat hat als Leitziel ausgegeben, dass das Niveau vergleichbar für alle ist. Wenn wir anfangen, Elitekindergärten aufzubauen, erreichen wir in denen sicher sehr gute Ergebnisse. Nur dass da dann die Kinder drin sind, deren Eltern es sich leisten können, während der Rest sich weiter in den umgebauten Schleckerläden bei den ehemaligen, im Schnellkurs umgeschulten Verkäuferinnen rumhängen darf. Die Qualität der Kitas aus Kommunen, die über halbwegs Kohle verfügen (wie glücklicherweise die, in der ich lebe) ist super und keineswegs spartanisch. In der U3-Gruppe unseres Sohnes ist das Betreuungsverhältnis 3:1. Kaum die dramatischen Zustände, die du beschreibst, und wesentlich besser als die der Trümmerfrau, die du in herzlicher Sat-1-Kitsch-Romantik mit rosa Farbe vollkleisterst.

    • In Dubio 19. November 2014, 20:38

      Soso, der Staat hat seit schon immer das gesamte Erziehungswesen in der Hand, aber er ist die Lösung und nicht im wesentlichen das Problem. Klingt auch plausibel. Deswegen mache ich es mir einfach und die, welche auf den Staat vertrauen und nicht nur seine Regelungskompetenz, sondern auch seine Weisheit, suchen die komplizierten Lösungen.

      Stefan, es zahlt auch heute niemand. Die Politik hat es sich zum Ziel gesetzt, eine weitere Dienstleistung völlig kostenlos bereit zu stellen ohne Steuern zu erhöhen und ohne Verschuldung. Er möchte das Angebot ausweiten ohne zur Deckung des gewachsenen Bedarfs neue Mitarbeiter mit höherem Einkommen zu locken. Das klingt eher nach Milch und Honig als nach gesundem Realismus.

      Du hast vergessen zu erwähnen, dass Du in einer Region wohnst, die über außerordentlich hohe Durchschnittseinkommen verfügt. Schon für die etwas gehobenen Regionen gilt das nicht. Meine Frau hat wie bereits mal erwähnt während ihres Berufslebens in einigen Gemeindekindergärten mit leicht überdurchschnittlichem Einkommensniveau (+5-10 Prozent über Bundesdurchschnitt) gearbeitet. Wie meine Frau auch, wandern dort die Erzieherinnen ab und die Zustände sind kritisch. Kleinkinder werden zusätzlich aufgenommen, weil es das Gesetz (und die Förderung des Landes) dies verlangt. Meine Frau ist zu einem Betriebskindergarten der EZB gegangen. Nicht des Einkommens wegen, denn die meisten Gemeinden zahlen gleich (Lohnsozialismus). Aber die Bedingungen dort sind traumhaft – dennoch haben auch diese Einrichtungen große Schwierigkeiten, frei werdende Stellen zu besetzen:

      Jeweils 4 (junge) Erzieherinnen kümmern sich um 8 Kinder im Alter von 0-4 Jahren. Dennoch sind Krankenstand und Fluktuation hoch, weil das Geld aus dem Automaten kommt und die jungen Dinger keine Ahnung vom Markt haben. Die Kundschaft sind logischerweise Angestellte der Europäischen Zentralbank mit einem durchschnittlichen Netto-Haushaltseinkommen von 5.000 – 9.000 EUR. Ein Betreuungsplatz kostet gut 100 EUR, darin ist eine Rundumbetreuung von 7-20 Uhr enthalten. Entsprechend nutzen die Kunden das Angebot und bringen ihre Kleinsten selbst dann und umfänglich, wenn sie sich in ihrer freien Zeit eigentlich um ihren Nachwuchs kümmern könnten. Woher das Geld kommt? Die EZB druckt es.

      Ja Stefan, das ist traumhaft und es wäre schön, wenn der Staat überall – und vor allem jenen Kindern, die tatsächlich einer so sündhaft teuren Betreuung bedürfen – ein solches Angebot bereitstellen könnte. Denn die Illusionisten glauben immer, wenn nur der Staat die Sache in die Hand nimmt, gäbe es keine Knappheiten und alle Menschen würden sich freudig erregt für die Allgemeinheit einsetzen. Doch tatsächlich leben die größten Egoisten und Selbstoptimierer im sozialen Bereich. Nur kleiden sie das in schöne Worte und Begriffe.

      Schau‘ Dir allein das Gros der deutschen Erzieherinnen an. Eine Fachkraft über 40 ist äußerst selten und schwierig zu bekommen. Kannst Du daraus Schlussfolgerungen ziehen? Z.B., dass der Staat die doppelte bis dreifache Zahl als in anderen Branchen ausbilden müsste, um der außerordentlich hohen Fluktuation im Erziehungswesen Herr zu werden. Wie wenig der Staat von seinem eigenen Geschäft versteht zeigt sich darin, dass die Politik doch allen Ernstes davon ausgeht, dass Erzieherinnen wie in anderen Branchen auch in ihrem Beruf altern und im wesentlichen zwischen 60-65 Jahren ausscheiden. Ich habe nie Unternehmen vertraut, die ihren Markt und ihre Kundschaft nicht kennen.

      • Wolf-Dieter 20. November 2014, 00:43

        @In Dubio – Denn die Illusionisten glauben immer, wenn nur der Staat die Sache in die Hand nimmt, gäbe es keine Knappheiten und alle Menschen würden sich freudig erregt für die Allgemeinheit einsetzen. Knappheiten? Knappheiten? Ich lach mich tot! Den Globus umschwirrt mehr Geld, als demselben geldwerte Waren gegenüber stehen. Willst du mir widersprechen?

        • In Dubio 20. November 2014, 18:31

          Und? Ist das Knappheitsgebot aufgelöst, weil die Zentralbanken wie verrückt seit 2008 Geld gedruckt haben? Interessante Annahme.

          • Wolf-Dieter 20. November 2014, 22:33

            Knappheitsangebot? – Jetzt komm ich ins Schleudern. Ich nahm an, du verwendest Knappheit im Sinn der Volkswirtschaftslehre. Liege ich falsch? Verwendest du das Wort als Fachterminus in mir unbekanntem Bereich?

            Unter Annahme des volkswirtschaftlichen Begriffs: es gibt keine Knappheit an Waren oder Gütern. Sondern der Geldfluss als „Schmiermittel“ des Warenverkehrs stockt. (Widerspruch? Ich höre!)

            • In Dubio 23. November 2014, 09:50

              Nee, gibt es nicht? Also für mich gibt es Knappheit an Geld, an Zeit, ich kann mir weder materiell noch zeitlich alles leisten. Allen Menschen um mich herum geht es genauso. Ihnen nicht, dann sind Sie ein außerordentlich seltenes Exemplar, das es sich lohnt, kennenzulernen.

              Im Sozialismus oder auch in Nazi-Deutschland gab es keine Knappheit an Waren? Alle Länder dieser Welt schwimmen im Überfluss an Gütern und Kapital? Interessant.

              • Wolf-Dieter 23. November 2014, 15:13

                Du verwendest den Begriff Knappheit in andererm Kontext, als ich angenommen habe. Verstanden.

  • Stefan Sasse 20. November 2014, 01:13

    @InDubio: Erneut finde ich deine Argumentation widersprüchlich. Wenn Erzieherinnen einfach qua Persönlichkeitsstruktur hohe Fluktuation haben, wie genau behebt ein freier Markt für Kitas das Problem? Und komm mir nicht mit höheren Gehältern, denn das wird nicht passieren. Klar, in einigen Elite-Kitas, aber das Problem habe ich bereits angesprochen und würde die Lage für den breiten Rest nur verschärfen. Ich hatte unser Kind über ein Jahr lang in einem privaten Kindergarten (mangels Alternativen) und bin heilfroh, dass unsere Kommune inzwischen ein eigenes Ganztagsangebot stellt. Der Laden war teurer als das kommunale Angebot und unprofessionell.

    Dass niemand für die Kitas zahlt weiß ich auch. Das Problem sind die Kosten. Realistisch gesehen ist ein qualitativ genügender Kitaplatz kaum für unter 1000 Euro im Monat zu haben, und das stapelt tief. Bei Schulen oder Universitäten haben wir das gleiche Problem. Deswegen werden die Kosten auf die Allgemeinheit umgeschlagen, denn (hier bitte pathetische Stimme einsetzen) Kinder sind unsere Zukunft. Es ist im Interesse der Gesellschaft, ihnen bestmögliche Kitas zu verschaffen, denn langfristig ist das billiger als die Alternativen. Und das kann nicht von privaten Anbietern geleistet werden.

    Wir reden letztlich von einem Finanzierungsproblem. Das ist aber ein technisches Problem, das auf vielerlei Art gelöst werden kann. Und nein, weder EZB noch neue Schulden sind dafür Lösungen. Entweder es werden bestehende Budgets umgeschichtet, oder es müssen neue Einnahmequellen aufgetan werden.

    • In Dubio 20. November 2014, 19:02

      Erneut finde ich deine Argumentation widersprüchlich. Wenn Erzieherinnen einfach qua Persönlichkeitsstruktur hohe Fluktuation haben, wie genau behebt ein freier Markt für Kitas das Problem? Und komm mir nicht mit höheren Gehältern, denn das wird nicht passieren.

      Hm. Ich gebe zu, ich bin kein herausragend phantasievoller Mensch, sonst würde ich Millionen mit Bildern schöpfen oder hätte das Smartphone erfunden. Deswegen lehne ich mich immer sehr stark an dem an, was ist oder schon mal war oder irgendwo ist. Bin ich schon phantasielos, scheinst Du noch eine Schippe drauf zu legen…

      In vielen Ländern wie den USA oder Skandinavien qualifiziert nur ein Hochschulstudium zum Beruf der Erzieherin. Zum Studium benötigt man jedoch einen qualifizierten Bildungsabschluss, hierzulande also das Abitur. Eine Uni-Absolventin ist zwischen 24 und 26 Jahre alt. In Deutschland sind wir auf den genialen Gedanken verfallen, einfach die Ausbildungszeit für in der Regel Realschülerinnen mit mittelmäßigem Abschluss von 3 auf 5 Jahre zu verlängern. Eine typische staatliche Schnapsidee. Die lange Ausbildungszeit wirkt für junge Frauen eher abschreckend, die eben eher möglichst schnell praktisch arbeiten wollen. Als Berufsanfängerinnen starten sie mit 21 – 22 Jahren in den Beruf.

      Ja, Stefan, Du kommst nicht umhin zu fragen, warum jemand einen bestimmten Beruf ergreift. Eins kann ich Dir aus über 25 Jahren an der Seite einer Erzieherin verraten: Die Mitglieder dieser Kaste sind nicht überdurchschnittlich kinderlieber als der Durchschnitt der Bevölkerung. Was motiviert durchschnittliche Realschülerinnen (ja, das Gros hat keinen besonderen Schulabschluss vorzuweisen) in einen Beruf zu wechseln, der häufig befristete Halbtagsstellen (ja, der Staat, der das immer in der Privatwirtschaft kritisiert, ist hier der größte Sünder) mit bestenfalls durchschnittlichem Einkommen bereit hält? Irgendeine Idee? Image wäre ein Motiv, gesellschaftliche Anerkennung. Als eine solche Option ist der Erzieherinnenberuf weit attraktiver als z.B. Verkäuferin. Arbeitszeiten ist auch so ein Argument. In der Vergangenheit bot der Job sehr angenehme Beschäftigungszeiten.

      Ja, Stefan, wenn Du das ändern willst, brauchst Du einen völlig anderen Typus für den Job. Ausbildung, Verantwortung und Entlohnung sind dafür starke Stichworte. Dann bekommst Du die Erzieherinnen (und Erzieher), die Du in den USA und Skandinavien bekommst. Nur halt zu einem ganz anderen Preis.

      Ich will Dich nun nicht mit der Finanzierungsfrage langweilen, die Argumente sind mehr als 30 Jahre alt. In Deutschland haben wir uns entschieden, dass zu Milliardenkosten jungen Elitebürgern ein kostenloses Studium ermöglichen. Unsere Bildungsausgaben stecken wir also in das Ende, so dass wenige profitieren. Dann fragen wir uns, warum die unteren Gebietskörperschaften nicht die bedürftigen Kinder besonders fördern können. Die Kinderbetreuung für alle muss kostenlos sein, weil wir Stigmatisierung der Abgehängten befürchten. Ja, da ist die Privatwirtschaft weit besser. Ein solches Denken würde jeden Normalo ruinieren. Deswegen fragen wir nach dem Problem und gehen es punktuell an. Knappheit von Mitteln, Geld und Zeit ist das, was jeder kennt, wir auf staatlicher Ebene aber seltsamerweise nicht akzeptieren.

      Kinder aus gutem Elternhaus benötigen keine allgemeine, staatliche Betreuung (die DIW-Studie dafür habe ich in der Tasche). Warum finanzieren wir deren Kinder den Kindergartenplatz? Für Mittelklassefamilien ist es Komfort, statt einem akzeptablen Beitrag von 200-400 EUR nichts zu bezahlen. Wer seine Kinder bis heute kaum in die Einrichtungen schickt, sind jene, die der professionellen Betreuung am meisten bedürfen und die die Leistungen ohnehin kostenlos erhalten. Wir bescheinigen 6jährigen, dass sie schulreif sind. Warum untersuchen wir 3 oder 4jährige nicht, ob sie sich innerhalb eines Rahmens altersgerecht entwickeln und nicht verwahrlost sind? Warum legen wir Eltern von diesen Kindern nicht die Pflicht auf, den Nachwuchs in eine öffentliche Einrichtung zu bringen?

      Es ist das alte Problem des kontinentaleuropäischen Wohlfahrtstaates: das Geld fließt an jene gesellschaftlichen Gruppen, die der Unterstützung am wenigsten bedürfen (OECD-Studie). Und anschließend reden wir von Sozialabbau, wenn der Versuch unternommen wird, die Kräfte zu konzentrieren.

  • Ariane 20. November 2014, 06:54

    Liebe Ariane, ich liebe Deine Kommentare. Insbesondere dann, wenn Du Dich so herrlich aufregen kannst! 🙂
    Na Gott sei Dank, manchmal mach ich mir schon Sorgen, ob du wirklich so schräge Ansichten hast oder mich nur provozieren willst 😀

    Und wenn ja, warum? Der Bedarf ist doch nicht vom Himmel gefallen. Erstens ist er mit steigender Erwerbstätigkeit von Frauen kontinuierlich gewachsen. Warum wird die Politik nun seit über einem Jahrzehnt dauerüberrascht?
    Ja also was denn nun? Dein ganzer Artikel basiert darauf, dass es hier gar kein zu lösendes Problem gibt und nun hat der Staat dieses nichtexistiente Problem verschlafen? Beides zusammen ist doch nun schwerlich möglich.

    Warum spielt der Preis von Tagesmüttern bei High Potentials (von denen reden wir doch, oder?) eine Rolle? Ansonsten gilt: der Großteil der der deutschen Erwerbstätigen lebt in einem Radius von 20 oder 30 km Umfeld, wo derjenige auch aufgewachsen ist. Und da gibt es Großeltern, die bei Anfang 30jährigen nahe dem Renteneintrittsalter sein sollten. Nein, das sind keine Argumente.
    Aua!
    Also 1. ich rede nicht unbedingt von High Potentials und selbst die verdienen mit Anfang 30 oft noch keine riesigen Vermögen, gerade ja nicht wenn einer der Eltern irgendwie so eine „gepimpte Version der höheren-Töchter-Schule“ (deine Interpretation) studiert hat. Und ein ganzes Bataillon von Großeltern NAHE dem Renteneintrittsalter hilft auch nicht oder sollen die jetzt in Frührente gehen, um das Enkelkind zu versorgen? Du hast den Zeitraum ja sehr eng gesetzt, wenn das Kind nicht mit 1 Jahr aus dem Haus ist, hat die Frau die Karriere ja freiwillig und bewusst schon aufs Abstellgleis geschoben.
    Ich glaube eben, so einfach ist es nicht. Und man sieht es auch an deiner Argumentation. Auf der einen Seite kritisierst du Frauen, die „Gedöns“ studieren und nix „Ordentliches“ und legst einfach fest, dass es nach einem Jahr wieder voll losgehen muss, sonst haben sich die Frauen schon entschieden. Auf der anderen Seite findest du das gar nicht so schön, Kinder sollten mehr bei der Familie sein. Alles zusammen funktioniert aber eben nicht, das kritisieren Stefan und ich doch auch. Das ist auch das, was du an meiner Argumentation ständig kritisierst^^
    Und die Zeiten aus den 60ern mit strikt getrennten Aufgabenfeldern sind nun einmal vorbei, wohl auch recht unwiderruflich. Und das schreit für mich schon nach Überlegungen, wie man Arbeitsleben und Familienleben dann eben anders organisieren könnte.

  • In Dubio 20. November 2014, 19:35

    Ja also was denn nun? Dein ganzer Artikel basiert darauf, dass es hier gar kein zu lösendes Problem gibt und nun hat der Staat dieses nichtexistente Problem verschlafen? Beides zusammen ist doch nun schwerlich möglich.

    OH DOCH! Es ist absolut logisch, dass mit zunehmender Frauenerwerbstätigkeit (was wir seit über 30 Jahren beobachten, soviel zur Schlafmützigkeit des Staates) auch der Bedarf nach Fremdbetreuung steigt. Der Staat hat das mit der üblichen Verzögerung von 20 Jahren erkannt. Chapeau!

    Die Große Koalition von 2005-2009 hat eine allgemeinen Rechtsanspruch für jedes Kind über 1 Jahr auf frühkindliche Betreuung geschaffen. Bis dato gab es diesen Anspruch nur für über 3jährige. Demgemäß hat sich die Politik verpflichtet, für jedes dritte unter 3jährige einen Krippenplatz anzubieten. Woher diese Zahl kommt? 39% der betroffenen Eltern wünschten sich damals ein solches Angebot. Doch wird ein solch umfangreiches Angebot überhaupt benötigt, diese Frage stellte sich die Politik nicht. Immerhin können sich auch knapp 40% der Wahlberechtigten ein Kreuz bei der FDP vorstellen. Bekanntlich ist die Partei aus dem Bundestag geflogen…

    Da junge Eltern nun einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Betreuung haben, es aber noch nicht gemäß der Zielvorgabe ausreichend Plätze gibt, müsste es bei diesem klagefreudigen Völkchen eigentlich eine Prozesswelle geben. Doch die Deutschen klagen wegen Hartz-IV (und unterliegen meist), sie klagen wegen dem Laub des Nachbarn, massenweise wegen Arbeitsplatzverlusts und gegen die Steuererhebung (auch dort unterliegen sie meist). Wogegen sie nicht klagen: dass es nicht genügend staatliche Betreuungsmöglichkeiten gäbe.

    Inzwischen dämmert immerhin einigen, dass man den Bedarf möglicherweise als zu hoch angesetzt habe. An der politischen Zielsetzung haben die Zweifel jedoch nichts geändert.

    Ich rede nicht unbedingt von High Potentials und selbst die verdienen mit Anfang 30 oft noch keine riesigen Vermögen (..).

    Sorry: doch. Eine Faustformel besagt: ein Akademiker sollte innerhalb der ersten 10 Jahre sein Anfangsgehalt verdoppeln. Wer also mit 24 zum Durchschnittstarif einsteigt, sollte mit Anfang 30 bei einem Einkommen von 50.000 – 60.000 EUR liegen. Nur so: ich hatte die Grenze damals schon deutlich gesprengt. Aber ich habe ja auch Karrierefächer studiert…

    Auf der einen Seite kritisierst du Frauen, die “Gedöns” studieren (..).

    Nein! Ich kritisiere, dass man die Konsequenzen aus der eigenen Entscheidung nicht akzeptieren mag. Und dass die Politik das auch nicht tut.

    Auf der anderen Seite findest du das gar nicht so schön, Kinder sollten mehr bei der Familie sein.

    Richtig! Ich wiederhole: Leben heißt entscheiden. Und auch, wer keine Entscheidung trifft, entscheidet sich. Man kann nicht alles in diesem Leben haben! Ich habe großen Respekt vor jeder Mittelklassefamilie, wo jeder so seiner Arbeit nachgeht und die Leute es schaffen, daneben noch 2 Kinder zu erziehen. Und ihnen der Staat dafür die gesamte gesellschaftliche Verantwortung aufbürdet. Nur bitte, klagt nicht über die Konsequenzen!

    Und die Zeiten aus den 60ern mit strikt getrennten Aufgabenfeldern sind nun einmal vorbei, wohl auch recht unwiderruflich.

    Ach ja? Wie kommst Du darauf? Meines Wissens nach kritisiert eine EU-Kommission in regelmäßigem Turnus, dass gerade in Deutschland – aber auch sonst in der EU – die häusliche Aufgabenverteilung dem klassischen Muster folgen würde. Danach investieren europaweit und in Deutschland speziell Frauen ungefähr die dreifache Zeit in Hausarbeit als Männer (ich kann die Studie raussuchen). Und das Interessante dabei: das ist auch und gerade bei Paaren so, die sich 10 Jahre zuvor geschworen haben, dass sie ganz modern sein werden…

    Aber Du wirst es besser wissen… 😉

  • Stefan Sasse 20. November 2014, 22:01

    Der Bedarf ist doch ganz klar da, siehe hier: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/kita-betreuungszeiten-fuer-kinder-werden-immer-laenger-a-991879.html Der Bedarf ist wenn überhaupt unterschätzt worden. Und hattest du das nicht vor einigen Comments noch selbst behauptet?

    • In Dubio 20. November 2014, 23:15

      Der Text sagt am Ende, dass das Ziel bereits erreicht sei (jedes 3. Kind unter 3 Jahren wird betreut). Die andere Frage ist, ob das gesund für das Kindeswohl ist. Amerikanische Langzeitstudien legen nahe, dass dies ein zu großes Maß an Stress für Kleinkinder ist. Um Kinder geht es der Politik allerdings sehr wenig. Und jungen Eltern immer weniger.

      Und nein, ich habe nicht gesagt, dass die Politik den Bedarf unter- sondern eventuell überschätzt hat. Sie hat nur die Entwicklung jahrzehntelang gar nicht wahrgenommen. Das ist etwas anderes.

  • Ariane 21. November 2014, 14:33

    Nein! Ich kritisiere, dass man die Konsequenzen aus der eigenen Entscheidung nicht akzeptieren mag.
    Wer ist denn „man“? Du tust einfach so, als wenn sich jede einzelne Frau über dies und jenes beschwert. Dem ist aber natürlich nicht so. Ich beschwere mich ja auch nicht darüber, dass man mir noch keinen Aufsichtsratposten bei Siemens angeboten hat oder ein Managergehalt. 😉
    Frauen sind durchaus Individuen und müssen nicht mit allem konform gehen, was Frauenlobbygruppen gerade fordern oder bemängeln.

    ch ja? Wie kommst Du darauf? Meines Wissens nach kritisiert eine EU-Kommission in regelmäßigem Turnus, dass gerade in Deutschland – aber auch sonst in der EU – die häusliche Aufgabenverteilung dem klassischen Muster folgen würde
    Ich rede doch nicht vom Abwasch, sondern von der Arbeitswelt. Das hat auch nur bedingt etwas mit Geschlechtern zu tun, sondern einfach damit, dass es heute viel unwahrscheinlicher ist, dass ein Partner soviel verdient, dass der andere komplett zu Hause bleiben kann und sich um häusliche Angelegenheiten kümmert. Selbst unter der Annahme, dass sich die Lebenswünsche kein Stück verändert haben, sind die Realitäten heute andere.
    Und wir stehen aus diesen Gründen vor dem Problem, dass Dinge wie Kinderbetreuung, Altenpflege und auch der Abwasch irgendwie mit einem Berufsleben vereinbart werden müssen.
    Das ist zuvorderst ein rein praktisches Problem (diese Sachen müssen halt irgendwie gemacht werden) und zum zweiten auch ein geschlechtsspezifisches, weil häusliche Dinge immer noch „Frauensache“ sind. Gleichzeitig müssen und wollen sie aber auch noch arbeiten und wenn die Ausbildung gut war, natürlich auch nicht nur schnöde arbeiten, sondern wenns geht erfolgreich.
    Also auch wenn wir den ganzen Rollenklimbim ausklammern (weil wir da eh nicht auf einen Nenner kommen), sitzen wir vor diesem rein praktischen Dilemma.

  • In Dubio 21. November 2014, 18:43

    Das hat auch nur bedingt etwas mit Geschlechtern zu tun, sondern einfach damit, dass es heute viel unwahrscheinlicher ist, dass ein Partner soviel verdient, dass der andere komplett zu Hause bleiben kann und sich um häusliche Angelegenheiten kümmert. Selbst unter der Annahme, dass sich die Lebenswünsche kein Stück verändert haben, sind die Realitäten heute andere.

    Ja und? Was hat das mit Politik zu tun? Es werden doch heute 2 Gehälter benötigt, weil die Bedürfnisse der Menschen weit gestiegen sind. Die Kosten für die Grundbedürfnisse sind dagegen weit gesunken.

    Und wir stehen aus diesen Gründen vor dem Problem, dass Dinge wie Kinderbetreuung, Altenpflege und auch der Abwasch irgendwie mit einem Berufsleben vereinbart werden müssen.

    Dass wir eine stark alternde Gesellschaft sind, haben Politik und Bürger sich so ausgesucht – inklusive Du und ich, Deine und meine Eltern. Auch das hat seinen Preis. Unternehmen haben sich das nicht ausgesucht, sie arbeiten in kinderreichen Ländern wie Frankreich oder den USA nach den gleichen Grundsätzen wie in kinderarmen Staaten wie Deutschland, Italien oder Japan.

    Das ist zuvorderst ein rein praktisches Problem (..) und zum zweiten auch ein geschlechtsspezifisches, weil häusliche Dinge immer noch “Frauensache” sind. Gleichzeitig müssen und wollen sie aber auch noch arbeiten und wenn die Ausbildung gut war, natürlich auch nicht nur schnöde arbeiten, sondern wenns geht erfolgreich.

    Woher Du das alles weißt… Okay, ich habe die Statistik gefunden. Warum arbeiten Frauen in Deutschland die doppelte Zeit im Haushalt? Warum arbeiten die Deutschen generell relativ wenig? Warum genießen wir relativ viel Freizeit? Da ist z.B. viel Zeitpotential für die Pflege der alternden Gesellschaft. Nein, Ariane, dass alles ist das Bild einer zutiefst egoistischen Gesellschaft. Und nun werden wieder bequeme Lösungen gesucht…

  • Stefan Sasse 22. November 2014, 13:38

    „Ja und? Was hat das mit Politik zu tun? Es werden doch heute 2 Gehälter benötigt, weil die Bedürfnisse der Menschen weit gestiegen sind. Die Kosten für die Grundbedürfnisse sind dagegen weit gesunken. “

    Das ist eine These, die ich interessant finde und die ich gerne als eigenen Artikel ausgearbeitet sehen würde 🙂

    • In Dubio 23. November 2014, 09:51

      Und das soll ich übernehmen? Ooookkkaaayyyy. Kostet aber mit etwas Fundament Zeit und zur Knappheit dessen, siehe oben. 😉

      • Stefan Sasse 23. November 2014, 10:11

        Kein Ding, eilt ja nicht. Fände ich aber sehr interessant, denn aus dem Bauch heraus hätte ich gesagt dass das nicht stimmt. Wenn es das aber tut hätte was du hier so als Throwaway-line hinschreibst gigantische Konsequenzen.

  • Ariane 23. November 2014, 11:48

    Ich fänds auch interessant. Auf der einen Seite kann ich mir schon vorstellen, dass die Grundbedürfnisse (Wohnung, Essen, Kleidung) heute im Schnitt vielleicht nicht mehr so teuer sind, also was die prozentualen Ausgaben angeht.
    Auf der anderen Seite wurde das früher (also in den 60ern) alles von einem Gehalt nach Hause gebracht. Und wenn man sich überlegt, dass von EINEM Durchschnittsgehalt auch noch eine Frau und zwei Kinder leben sollen, da glaube ich nicht unbedingt, dass das heute so einfach ist.

  • Ralf 24. November 2014, 01:50

    Dabei waere aber zunaechst mal wichtig zu definieren, was eigentlich ein Grundbeduerfnis ist. Im Gesundheitssektor explodieren zum Beispiel die Kosten, aber die meisten Menschen wuerden ihre Gesundheit wohl als Grundbeduerfnis erachten. Macht z.B. ein HIV-Infizierter, der die teure aber lebensrettende HAART-Therapie anstrebt, einen Anspruch auf ein Grundbeduerfnis geltend? So wie ich In Dubio kenne, waere ich nicht ueberrascht, wenn er etwa eine HIV-Infektion als Luxus betrachten wuerde, den sich ein Infizierter leistet, waehrend zu Grundbeduerfnissen lediglich Essen, Trinken und moeglicherweise noch ein Dach ueber dem Kopf gehoeren.

    Noch komplizierter wird es bei der Teilhabe an der Gesellschaft. Unsere Verfassung sichert allen Buergern ein Mindestmass an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben zu. Ich persoenlich sehe diese Teilhabe auch als ein Grundbeduerfnis an. Faellt mir allerdings schwer mir vorzustellen, dass In Dubio das genauso sieht. Und selbst wenn wir hier auf einen gruenen Zweig kommen wuerden, was bitte genau ist ein „Mindestmass“? Ist das ein Eis in der Woche? Ein Kinobesuch? Kirmes? Theater? Fussballverein? Wo faengt „Mindestmass“ an und wo hoert es auf?

    Bevor solche Fragen nicht geklaert sind, kann sich jeder den Begriff „Grundbeduerfnis“ beliebig klein- oder grossrechnen und die Aussagekraft ist gleich Null.

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