Es gibt keine Sünden im deutschen Strafrecht

Ich habe noch nie verstanden, wieso Steuerhinterziehung kein Vergehen wie jedes andere sein soll. Die aktuelle Debatte, losgetreten von der Bekanntwerdung von Alice Schwarzers Steuerhinterziehung (ca. 800.000 Euro Zinserträge), zeigt diese merkwürdige Schieflage einmal mehr vor Augen. Abgesehen von verhaltener Kritik des ADAC bei Änderungen des Bußgeldkatalogs gibt es kein Feld, auf dem dieses Problem so markant auftritt.

Dies liegt offensichtlich daran, dass die Legitimität des Staates, Steuern einzuziehen, auf sehr wackeligen Füßen steht. Nicht, weil er dieses Recht nicht hätte – das ist gesetzlich einwandfrei geregelt, genauso wie das Recht, Diebe, Mörder oder Stalker zu bestrafen – sondern weil es von vielen Menschen schlicht nicht anerkannt wird. Jan Fleischhauer bringt dies in seiner SpOn-Kolumne deutlich auf den Punkt:

Deutschland steht offenbar am Ende eines langen Kulturkampfs: Nahezu täglich werden schärfere Regeln gegen Steuerbetrüger gefordert. Denn Steuerflucht ist auch Aufstand gegen die Obrigkeit.

Ein Aufstand gegen die Obrigkeit? Fleischhauer führt den Gedanken näher aus:

Hier ist jedes Bewusstsein erloschen, dass bürgerliche Freiheitsrechte auch Ungehorsam bedeuten können oder gar die Ungehörigkeit, der Obrigkeit eine Nase zu drehen.

Ich warte noch auf Fleischhauers Verteidigung des Schwarzen Blocks, von ungenehmigten Demonstrationen, wilden Streiks und der Forderung des Generalstreiks durch Oskar Lafontaine. Ich gehe davon aus, dass sie ausbleiben werden. Denn für die Apologeten der Steuerhinterziehung handelt es sich bei den Steuergesetzen nicht um Gesetze wie jedes andere. Sie dürfen stattdessen nach eigenem Gusto ausgelegt werden, interpretiert, umgangen – alles Teil der Freiheitsrechte eines Bürgers. Für keinen anderen Bestand wird dies in Anspruch genommen. Dies gelingt vor allem mit einer semantischen Umdeutung, deren prekäre Lage Fleischhauer gerade erregt:

Wer sich um die Pflicht herumdrückte, war ein Steuersünder. Jetzt ist er ein Steuerbetrüger. Das ist mehr als ein semantischer Unterschied, es ist der Vorstoß in eine andere moralische Dimension.

Andersherum wird ein Schuh draus. Wenn ich mit 120 in der Spielstraße geblitzt werde, bin ich kein Temposünder, der der Obrigkeit eine lange Nase dreht. Völlig zu Recht wird mir der Führerschein entzogen. Dasselbe gilt auch für das Steuerrecht. Ein Vergehen dagegen ist ein Verbrechen, und es gibt keinen Grund warum es anders geahndet werden sollte als das desjenigen, der ins Rathaus einbricht und Geld aus der Kommunalkasse entwendet. In beiden Fällen ist nachher Geld da, wo es nicht sein sollte. Der einzige Unterschied ist der, dass viele Menschen nicht bereit sind, die Legitimität von Steuern anzuerkennen.

Dies hat zwei Ursachen. Zum Einen liegt es am Gefühl, das beim Steuerentrichten entsteht. Der Gehaltszettel weist eine große Bruttozahl aus, die von einer wesentlich kleineren Nettozahl begleitet wird. Das wirkt, als werde einem etwas weggenommen, auf das man eigentlich ein Anrecht hatte. Zum anderen, und das ist direkt verknüpft, ist man nie mit dem gesamten Ausgabenverhalten des Staates einverstanden. Während der Ausbau meiner täglichen Pendelstrecke auf meine Zustimmung stößt, ist der Aufbau eines neuen Flughafens in Berlin mir nicht-fliegendem Schwaben gleichgültig. Warum muss ich das finanzieren?

Diese Gefühle sind vor allem das: Gefühle. Nur sind es die Gefühle der wohlhabenderen Schichten, denn in den Geringverdienerzonen ist die Höhe des Spitzensteuersatzes nur ein akademisches Problem. Der Hass auf Steuern bleibt auch dort, wo klar nachweisbar ein Netto-Profit nachweisbar ist (Geringverdiener profitieren wesentlich mehr als einzahlen), weil das Gefühl so stark und unmittelbar und der Gewinn so unglaublich abstrakt ist. Entsprechend wird es auch nicht als Verbrechen wahrgenommen, Steuern zu hinterziehen. Stattdessen „schütze ich mein Geld“.

Da Steuerhinterziehung praktisch ein ausschließliches Privileg der wohlhabenderen Schichten ist, wird es gleichzeitig zu einer Klassenstraftat, und die entsprechenden Verurteilungen zu Klassenjustiz. Das ist das große Problem, wenn Steuerhinterziehung als „Sünde“ betrachtet wird, die man einfachen begehen kann und die bei Auffliegen durch eine kleine Beichte (Selbstanzeige) einfach beseitigt werden kann. Alice Schwarzers Verteidigungsrede entsprang klar dieser Einstellung. Das Strafrecht kennt aber keine Sünde. Es kennt gesetzeskonformes Handeln und nicht gesetzeskonformes Handeln. Steuern sind ihrer Natur nach, von der Emotion entkleidet, nur ein weiteres Gesetz, das eben befolgt werden muss.

Daraus geht klar hervor, dass es auch ein politischer Gegenstand ist. Wenn die Höhe oder Ausgestaltung bestimmter Steuern das Missfallen einer bestimmten Bevölkerungsgruppe trifft, so steht es ihr frei, im Rahmen ihrer grundgesetzlich garantierten Interessenausübung Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess zu nehmen und die Gesetze zu ändern. Dass dabei eine totale Schieflage zulasten Vermögender und zum Nutzen der Geringverdiener oder gar Nicht-Arbeitenden Bevölkerung enrsteht, kann getrost ausgeschlossen werden: das Bundesverfassungsgericht würde solche Gesetzgebung wegen der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kippen. Da es bereits gegen die Pendlerpauschale entschied, ist die Wahrscheinlichkeit einer Enteignung der Reichen als sehr gering anzusehen.

Mitleid mit Steuerhinterziehern ist daher nicht angebracht, und noch viel weniger ihre Romantisierung als Helden im Kampf gegen die Medusa staatlicher Bürokratie. Ihre Verbrechen entstehen blankem Eigennutz und schaden der Allgemeinheit. Sie sollten entsprechend behandelt werden.

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  • Am_Rande 7. Februar 2014, 17:38

    Mal eine Frage aus reiner Neugier:

    Ist Ihnen, Herr Sasse, der Ursprung des Begriffes „Ziviler Ungehorsam“ bekannt?

    „Der Ausdruck ziviler Ungehorsam (im Englischen: civil disobedience) wurde vom Amerikaner Henry David Thoreau in seinem Essay „Civil Disobedience“ geprägt, in dem er erklärte, warum er aus Protest gegen den Krieg gegen Mexiko und die Sklavenhaltung keine Steuern mehr bezahlte.
    Thoreau befasste sich nicht direkt mit zivilem Ungehorsam, sondern mit den Gewissenskonflikten, die er als Bürger, Wähler und Steuerzahler auszutragen hatte.
    Militärischer Dienst im Krieg und die Bezahlung von Steuern stellen für Thoreau Fälle dar, in denen ein Bürger dem Staat aus Gewissensgründen den Gehorsam verweigern kann.“
    (aus Wikipedia)

    • Stefan Sasse 7. Februar 2014, 18:17

      Thoreau bezahlte seine Steuern in einem konkreten Fall nicht – einem Krieg, den er nicht unterstützen wollte. Vor allem: er tat das öffentlich. Es war eine Form von Protest. Zumwinkel, Schwarzer und Konsorten wollen die Kohle behalten. Das ist kein ziviler Ungehorsam. Das ist, als ob ich schwarz fahre und wenn ich erwischt werde behaupte, es sei ein Protest gegen Fahrpreise. Diese Protestform gibt es, nur machen die das öffentlich. Das Argument ist daher schlicht Augenwischerei.

      • Am_Rande 9. Februar 2014, 19:45

        Sehr verehrter Herr Sasse,

        Ihr Anwurf „Das Argument ist daher schlicht Augenwischerei“ trifft mich nicht, weil ich gar kein Argument vorgebracht habe.
        Ich wollte wirklich nur wissen, ob Ihnen der Zusammenhang von „Zivilem Ungehorsam“ und Steuerboykott bekannt war.

        Er ist es also.

        Ich dachte nur, dass es interessant ist, dass Sie zwar das Argument von Herrn Fleischhauer vorbringen:

        “ Hier ist jedes Bewusstsein erloschen, dass bürgerliche Freiheitsrechte auch Ungehorsam bedeuten können oder gar die Ungehörigkeit, der Obrigkeit eine Nase zu drehen“,
        aber nicht darauf eingehen, dass „Ziviler Ungehorsam“ und Steuerboykott Hand in Hand gehen können.

        Stattdessen ziehen Sie sich einfach auf einen schlichten und absoluten Rechtspositivismus zurück und schreiben, dass jedes Recht einfach deshalb zu achten sei, weil es der Staat erlässt.
        Damit wird aber jede Form des zivilen Ungehorsams von Ihnen als illegitim erklärt.

        Dass eine Frau Schwarzer, ein Herr Hoeneß oder ein Herr Sommer (von der Zeit) dabei keineswegs als Verfechter eines solchen „Zivilen Ungehorsams“ angesehen werden sollen, ist mir klar.
        Dazu sind alle drei – wie sollte es in diesem Land anders sein – viel zu staatsverliebt, ihre Motive der Steuerhinterziehung waren rein eigennützig; ein Vergleich mit einem Henry David Thoreau verbietet sich von selbst.

        Aber ich finde es nur interessant, dass ein großer Nachfolger der Tradition Thoreaus – die Große Seele Mahatma Gandhi – auch die Methode des Steuerboykotts – in seinem so genannten Salzmarsch – gewählt hat; und Gandhi hierzulande doch als Verkörperung des Guten schlechthin gilt; ich aber in der ganzen aktuellen Diskussion in diesem staatsseligen Land den Zusammenhang zwischen Steuerboykott und legitimen Widerstand gegen die Anmaßungen des Staates nicht ein einziges Mal erwähnt gefunden habe.

        Auch in Ihrem Artikel nicht.

  • Ingmar Vetter 7. Februar 2014, 17:45

    Anmerkungen zum Beitrag:

    Ich nehme dazu Ihre folgende Aussage als Ausgangspunkt: »Steuern sind ihrer Natur nach, von der Emotion entkleidet, nur ein weiteres Gesetz, das eben befolgt werden muss.«

    Vielleicht entkleiden Sie sich von Ihrer Emotion bzw. Empörung und nehmen folgende Fakten zur Kenntnis, welche Ihnen bei wirklicher Beschäftigung mit dem Thema nicht hätten entgehen dürfen:

    1. Steuern sind kein Gesetz, sondern Ansprüche des Bundes oder der Länder bzw. Kommunen und Gemeinden an die Bürger.

    2. Die Art von Steuern, um welche es hier geht, beruhen auf sogenannten Steuern auf Einkommen, auch als Einkommensteuern (inkl. Lohn- und Kapitalertragssteuern) bekannt.

    3. Dass der Staat diese grundsätzlich erheben darf ist hier unstrittig.

    4. Die dafür heute jedoch angewendte »gesetzliche Grundlage« ist das Einkommensteuergesetz (EStG) vom 16.10.1934, erlassen und unterzeichnet von Adolf Hitler … und hier beginnt das eigentliche Problem.

    5. Denn am 6. Januar 1947 verwarf das französische Tribunal Général de la Zone Francaise d’Occupation mit Sitz in Rastatt bei Baden-Baden im sogenannten Tillessen-Prozess mit Bindungswirkung für alle deutschen Gerichte und Behörden (welche heute noch gilt) die ebenfalls auf der Grundlage eines Hitlerbefehls erlassene Notverordnung vom 21.03.1933 (RGBL. 1/134).

    6. Die Begründung dafür war die höchstgerichtliche Feststellung: Die Wahl zum Reichstag vom 05. März 1933 kam unter Umständen zustande, die eine offenkundige, von der Regierung begangene Gesetzeswidrigkeit und Gewaltanwendung darstellten. Das Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933 wurde von einem Parlament erlassen, daß infolge Ausschlusses von 82 ordnungsgemäß gewählten Abgeordneten eine gesetzwidrige Zusammensetzung hatte und durch die Vereinigung aller Vollmachten in der Hand von Hitler alle wesentlichen Voraussetzungen einer ordnungsmäßigen und normalen Rechtsgrundsätzen entsprechenden Regierung verletzte. Die Regierung Hitlers hat sich weder vor noch nach dem 21. März 1933 auf ein Vertrauensvotum eines ordnungsgemäß zusammengesetzten Parlaments gestützt, ein Erfordernis, daß von der damals geltenden Verfassung vom 11. August 1919 aufgestellt war.

    7. Fazit: Auch das Einkommensteuergesetz vom 16.10.1934 wurde von einer verfassungswidrigen Regierung am Reichstag vorbei verfassungswidrig erlassen und ist deshalb ebenso nichtig wie die o.a. Notverordnung. Diese Nichtigkeit kann auch nicht durch Änderungen geheilt werden, sondern nur durch den Erlass eines neuen und hier dem Grundgesetz zu entsprechen habenden Einkommensteuergesetzes. Dies ist jedoch bis heute nicht geschehen. Diese Tatsachen waren und sind allen Bundestagen und Regierungen bekannt.

    Im Ergebnis muss nun den bösen Steuerhinterziehern bescheinigt werden, dass sie gegen ein nichtiges Gesetz verstoßen haben und somit in einem Rechtsstaat keine Strafe zu befürchten hätten. Ob das dem Bürger, der »die da« gern hätte bluten sehen nun passt oder nicht, denn auch er bezahlt seine Einkommen- und Lohnsteuern auf der Grundlage eines ungültigen Hitlerbefehls.

    Bleibt die Frage zu stellen, wer nun wirklich bestraft werden muss? Diejenigen Bürokraten, welche ohne verfassungsrechtliche Grundlage heute noch Hitlerbefehle gegen die Bürger exekutieren oder diejenigen, welche gegen ein nichtiges Gesetz verstoßen?

    Im Übrigen können auch die Bürokraten nicht bestraft werden, denn der Amtsmissbrauch wurde 1943 als Straftatbestand von den Nationalsozialisten aus dem Strafgesetz entfernt und bis heute nicht wieder eingefügt. Warum wohl? Darüber hinaus ist jeder Amtsträger, welcher rechtswidrig Abgaben für den Staat erhebt, von denen er weiß, dass sie zu Unrecht erhoben werden, ebenfalls straffrei (vgl. § 353 StGB).

    Soviel zum Thema Verbrechen und Verbrecher. Und alles ganz ohne Emotion, nur dem geltendes Gesetz nach.

    Sollten Sie an weiteren Informationen interessiert sein, lassen Sie es mich per E-Mail wissen.

    • Stefan Sasse 7. Februar 2014, 18:21

      Die BRD ist Rechtsnachfolgerin des Dritten Reichs. Wenn sie also Gesetzestexte übernommen hat, so ist das nicht deswegen sofort nichtig. Davon abgesehen gilt dasselbe wie oben: kein Steuerhinterzieher bisher hat sich auf diese obskure angebliche Rechtslage berufen. Wenn das der Grund wäre, so könnten sie öffentlich erklären, keine Steuern zu bezahlen, weil die BRD keine Legitimation dafür hat, und es auf eine Gerichtsverhandlung ankommen lassen. Das tun sie nicht, aus zweierlei Gründen. Erstens ist ihre Handlung purer Eigennutz und eben kein politisches Statement, und zweitens würden die Gerichte dieser Argumentation (sinnvollerweise) nicht folgen. Selbst wenn sie es täten müsste der Bundestag dann nur ein neues Gesetz beschließen.

      • Ingmar Vetter 7. Februar 2014, 19:29

        Die BRD ist Rechtsnachfolgerin des Dritten Reichs. Wenn sie also Gesetzestexte übernommen hat, so ist das nicht deswegen sofort nichtig. Davon abgesehen gilt dasselbe wie oben: kein Steuerhinterzieher bisher hat sich auf diese obskure angebliche Rechtslage berufen. Wenn das der Grund wäre, so könnten sie öffentlich erklären, keine Steuern zu bezahlen, weil die BRD keine Legitimation dafür hat, und es auf eine Gerichtsverhandlung ankommen lassen. Das tun sie nicht, aus zweierlei Gründen. Erstens ist ihre Handlung purer Eigennutz und eben kein politisches Statement, und zweitens würden die Gerichte dieser Argumentation (sinnvollerweise) nicht folgen. Selbst wenn sie es täten müsste der Bundestag dann nur ein neues Gesetz beschließen.

        Sie haben sich offensichtlich nie mit der Entstehung von Gesetzen beschäftigt. Das EStG ist nicht nichtig, weil die BRD es übernommen hat, sondern weil es bereits nach den Vorgaben der Weimarer Reichsverfassung nicht ordnungsgemäß zustande kam, also nicht ordnungsgemäß in den Geltungsbereich des GG überommen werden konnte.

        Ob die Gerichte dem folgen ist insoweit unerheblich, als dass kein Gericht die Kompetenz hat, ein nichtiges Gesetz für gültig zu erklären. Das ist auch keine obskure angebliche Rechtslage, sondern Verfassungsrecht. Dies würden und könnten Sie verstehen, wenn Sie ihrer Pflicht zur ordentlichen Recherche in Bezug auf Gesetzesentstehung, Verfassungsrecht und Historie nachkommen würden, anstatt in das moralinsaure Horn zu blasen.

        Zudem ist die BRD keine Rechtsnachfolgerin des Dritten Reiches, sondern ist identisch mit dem Deutschen Reich (vgl. BVerfGE 36, 1 – Grundlagenvertrag).

        Entschuldigen Sie, aber ihr Bericht ist faktenfrei und emotionsbeladen. Das wäre auch nicht weiter schlimm, wenn Sie nicht das Gegenteil behaupten würden.

        Ansonsten schließe ich mich dem Kommentar von In Dubio an unter dem Vorbehalt, dass es kein gültiges EStG in Deutschland gibt, gegen welches verstoßen werden könnte.

        • Kirkd 8. Februar 2014, 09:56

          Nach der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland gelten vorkonstitutionelle Gesetze unabhängig davon, ob sie nach damaligen oder heutigen Maßstäben rechtmäßig, zustande gekommen sind, solange sie nicht inhaltlich den Maßstäben des Grundgesetzes widersprechen.

          Für das ESTG spielt das keine Rolle. Es wurde in sämtlichen Regelungen vielfach geändert und neu bekannt gemacht, dass es sich inzwischen vollständig um vom jetzigen verfassungsgemäßen Gesetzgeber gestaltetes Recht handelt.

          • Ingmar Vetter 8. Februar 2014, 11:15

            1. Ich weiß zwar nicht von welcher Verfassung Sie reden, aber das Grundgesetz schreibt in Art. 123 Abs. 1 GG eindeutig vor: »Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages gilt fort, soweit es dem Grundgesetze nicht widerspricht.«

            1.1. Um von sogenanntem vorkonstitutionellem Recht zu sprechen, bedarf es jedoch dessen Geltung, hier des EStG, zu diesem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes am 23.05.1949. Da sich das EStG v. 16.10.1934 zu diesem Zeitpunkt jedoch gar nicht in verfassungsmäßiger Rechtskraft befand, ist seine Weitergeltung nicht möglich gewesen. Dies alles unabhängig davon, dass es dem Grundgesetz in wesentlichen Punkten widersprach.

            2. Änderungen können kein untergegangenes Gesetz wiederbeleben. Dazu bedarf es eines formellen Aktes des Neuerlasses. Dies ist vorliegend nicht geschehen.

            Auch bei Ihnen scheint da mehr der Wunsch (nach der Weitergeltung nationalsozialistischen Unrechts?) der Vater des Gedankens zu sein, als Wissen um das korrekte Zustandekommen von Gesetzen im Lichte des Grundgesetzes.

          • Kirkd 8. Februar 2014, 12:05

            @ Ingmar Vetter: Auf jenen Art 123 GG des Grundgesetzes, der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, beziehe mich. Dieser zielt exakt darauf ab, von den Nationalsozialisten erlassenes Recht Fortgeltung zu lassen, trotz aller Einwände gegen dessen zustandekommen. Nur wenn dieses Recht materiell dem Grundgesetz widerspricht, also inhaltliches Unrecht nach den Masstäben des Grundgesetzes ist, sollte es nicht fortgelten.

            Änderungen vorkonstitutionellen Gesetzes machen die Änderungen nachkonstiutionellen, wenn sich aus der Änderung der der Wille des Gesetzgebers ergibt, dass diese Regelung fortgelten soll.

            Sie müssen sich insoweit schon mit der Entstehungsgeschichte und der Rechtsprechung zu Art123 GG auseinandersetzen.

          • Ingmar Vetter 8. Februar 2014, 16:00

            @Kirkd
            Nochmals: Recht nach Art. 123 GG gilt fort, soweit es zu dem Zeitpunkt gültig war. Dies gilt für das EStG nicht. Sie können gern alle dargelegten gerichtlichen Beweise ignorieren. Das ändert nichts an der Nichtigkeit der nationalsozialistischen Gesetzgebung. Die Protokolle des Parl. Rat sowie diverser Urteile zum Thema sind einschlägig. Änderungen nichtiger Gesetze machen diese nicht gültig. Dazu bedarf es – wie mehrmals dargelegt und von Ihnen warum wohl ignoriert – eines eigenen Neuerlasses. Das ist Bestandteil juristischer Grundlagenarbeit. Wunschdenken von Fans nationalsozialistischer Gesetze ändern daran nichts. Es ist im Übrigen immer wieder bemerkenswert, wie sehr man auf angebliche Steuersünder schimpft, aber mit heute noch exekutierten Hitlerbefehlen keine Probleme hat.

            »Der wohl hervorstechendste und auch erschreckendste Aspekt der deutschen Realitätsflucht liegt in der Haltung, mit Tatsachen so umzugehen, als handele es sich um bloße Meinungen.«Hannah Arendt, Nach Auschwitz. Essays & Kommentare 1

          • Kirkd 8. Februar 2014, 18:16

            Es ist sicherlich verführerisch, das EStG für unwirksam zu halten, weil es einst von Hitler ausgefertigt wurde. Dennoch hatte es 1949 formellen Geltungsanspruch, und nur darauf kommt es nach Art123 GG an. Das hat nichts mit Wunschdenken zu tun, sondern werden sie der Arbeit des parlamentarischen Rates und den einschlägigen Kommentaren zum Grundgesetz auch selbst entnehmen können.

            Im übrigen bin ich kein Fan von nationalsozialistischen Gesetzen und war immer Befürworter, Rechtsakte aus jener Zeit zu überprüfen und ggf neu zu erlassen.

          • Stefan Sasse 9. Februar 2014, 10:01

            Ich weiß überhaupt nicht, von was wir hier überhaupt noch reden. Niemand zieht ernsthaft die Legitimität unserer Verfassung in Frage. Das Steuerrecht wurde so oft reformiert, dass vom ursprünglichen Gesetzestext wahrscheinlich eh nichts übrig ist, und all diese Reformen waren demokratisch legitimiert. Was also soll der Unsinn? Auch die Idee einer Einkommenssteuer geht nicht auf Hitler zurück, sondern ist wesentlich älter. Um was soll es hier also gehen?

  • In Dubio 7. Februar 2014, 19:03

    Der Artikel hat einen völlig falschen Ansatz, da er die Herkunft von Steuern und den Sinn des Strafrechts ausblendet. Das Strafrecht des Staates ist das schärfste Schwert des Staates, einen Sachverhalt zu heilen und Rechtsfrieden herzustellen. Entsprechend dosiert sollte es verwendet werden. Zudem kennen wir die Unterscheidung in Vermögens- und Personendelikte. Letztere lassen sich selten noch heilen, deswegen muss dem Geschädigten Genugtuung gegeben werden, in dem der Schädiger sichtbar bestraft wird. Anders verhält es sich bei Vermögensdelikten. Hier kann und hier verzichten Staaten des Öfteren auf den Strafanspruch, wenn der Schaden vollständig beglichen wird (Österreich). Hier hat das Strafrecht höchstens noch den Sinn, den Schädiger von weiterem rechtswidrigen Verhalten abzuschrecken.

    Steuerhinterzieher sind selten Wiederholungstäter, zumindest, wenn sie bereits einmal erwischt wurden. Sämtliche prominente Fälle haben ihre Steuerschuld vollständig beglichen, dem Staat über dem Markt liegende Zinsen für die hinterzogenen Steuern gezahlt und darüber hinaus Strafzinsen entrichtet. Wer hat hier noch Anspruch auf Genugtuung, in welchem Fall ist eine deutliche Wiederholungsgefahr erkennbar? In keinem.

    Das Problem des Rechtsstaates ist, dass dieser Sachverhalt nicht kommuniziert wird. Deswegen ist es nicht bekannt und die Steuerhinterzieher werden als eine Gruppe gesehen, die sich leicht von ihren Taten freikaufen könnte. Dabei zeigen Berechnungen der Finanzverwaltung, dass ein ertappter Steuerhinterzieher nahezu seinen sämtlichen Ertrag durch die Maßnahmen des Staates verliert. Auch die Berechnungen über die Höhe der Steuerhinterziehung ist zur politischen Emotionalisierung völlig aufgeblasen. In den Summen, die kursieren, sind stets so 4/5 durch Schwarzarbeit begründet, was eben auch die Hinterziehung von Einkommensteuer, aber eben auch Sozialabgaben betrifft (worin in manchen Staaten kein Unterschied gemacht wird).

    Steuern zu zahlen ist keine Selbstverständlichkeit. Der Staat hat sich dieses Recht im Laufe der Geschichte angeeignet und in Deutschland als Obrigkeitsstaat konfisziert er sofort bei der Einkommensentstehung „seinen“ Anteil – und manchmal sogar noch davor. In der Schweiz dagegen, die hier seltsamerweise selten als Vorbild genannt wird, können wir wirklich noch von Bürgern sprechen. Der Staat verlangt erst dann seinen gerechten Anteil, wenn das Steuerjahr gelaufen und das Einkommen abschließend entstanden ist. Danach macht der Bürger seine Erklärung und überweist dem Staat den Betrag. So, wie er zuvor sein Einkommen vom Arbeitgeber oder Auftraggeber erhalten hat. Das ist eine kulturelle Frage.

    Hinzu tritt ein weiteres Problem: in den OECD-Ländern konzentriert sich die Einkommensteuerschuld immer mehr auf einen schrumpfenden Teil der Bevölkerung. Wer nicht steuerpflichtig ist oder nur geringe Beträge entrichtet, weiß nicht wie es ist, den Staat mit einem relativ hohen Anteil seines Einkommens finanzieren zu müssen und dafür marode Straßen und schlechte Schulen geboten bekommt. In Deutschland stimmt die Relation zwischen Tax Burden und Leistungen des Staates nicht, weil dieser Staat sich vor Jahrzehnten entschlossen hat, weniger Dienstleister für seine Bürger als Umverteilungsmaschine für angeblich und tatsächlich Benachteiligte zu sein. Gerade linke Blogs sind dominiert von diesem Gedanken.

    Doch dazu haben Menschen den Staat ursprünglich nicht geschaffen. Da der deutsche Staat, anders als die Schweiz, diesem Gedanken so offensichtlich zuwider handelt ist, nicht verwunderlich, die Steuerhinterziehung hierzulande größer als bei unseren eidgenössischen Nachbarn. Manchmal könnte man auch von den Kleinen lernen.

    • Stefan Sasse 7. Februar 2014, 20:31

      Ich sagte bereits: all das kann man kritisieren, darf man kritisieren, muss man teilweise sogar kritisieren. Ich bin der letzte, der sich einer vernünftigen Steuerreform entgegenstellt. Was ich kritisiere ist: diese ganzen prominenten Steuerhinterzieher haben ihre Steuern hinterzogen, weil sie das Geld nicht abdrücken wollten. Es war eben KEIN politisches Statement. Hätte es jemand als solches geplant, so hätte er oder sie dies entsprechend publik machen können (ganz besonders bei Personen wie Alice Schwarzer, die einen permanenten Zugang zur Öffentlichkeit besitzen). Was sie stattdessen taten ist, von den Privilegien Gebrauch zu machen, die ihnen ihr Status bietet.

      • In Dubio 8. Februar 2014, 10:29

        Worüber reden wir dann? In einem demokratischen und Rechtsstaat ist die Begehung einer Straftat niemals ein politisches Statement. Ich kann sehr wohl verstehen, dass ein Bürger, egal ob betucht oder nicht, eine Güterabwägung trifft und aus Eigennutz sein Einkommen nicht vollständig deklariert. Ich empfinde das auch nur bedingt moralisch verwerflich, es ist schlicht nachvollziehbar. In unserer Welt gibt es ganz andere Verhaltensweisen, die moralisch verwerflich sein können, aber niemals justiziabel sind. Was ich nur nicht mag ist, dass jemand, der ein Delikt begangen hat, sich anschließend als verfolgte Unschuld sieht, statt ehrenhaft zu der Tat zu stehen und die Strafe einfach entgegen zu nehmen.

        • Stefan Sasse 9. Februar 2014, 09:53

          Exakt. Das ist ja eben mein Punkt – Begriffe wie Sünde, ziviler Ungehorsam, etc. haben hier alle nichts verloren. Ich fahre auf manchen Strecken auch zu schnell, aber wenn ich geblitzt werde, muss ich mit den Konsequenzen leben und deute es nicht als einen Widerstandsakt gegen die Regulierungswut des Staates um. Gleichzeitig gilt, dass Handlungen eben auch immer Auswirkungen auf den Rest der Gesellschaft haben. Die Steuerhinterziehung von denen, die die Möglichkeiten dazu besitzen (ihre Eigeninteressen zu maximieren) schaden denen, die diese Möglichkeit nicht haben, weil sie die Zeche zahlen müssen.

          • In Dubio 9. Februar 2014, 10:31

            Es ist absolut menschlich, für eigenes Fehlverhalten andere verantwortlich zu machen und es moralisch zu rechtfertigen. Das tun Schwarzfahrer, Ladendiebe, Schwarzarbeiter, Temposünder und eben auch Steuerhinterzieher. Was mich zunehmend stört: wir sind eine so durchmoralisierte Gesellschaft, in der Begriffe wie Eigeninteresse, Individualität, Profit keinen Platz haben oder mit einem höheren Begriff gerechtfertigt werden müssen.

            Die Steuerhinterziehung von denen, die die Möglichkeiten dazu besitzen (..) schaden denen, die diese Möglichkeit nicht haben, weil sie die Zeche zahlen müssen.

            Aber daran sind doch explizit die Linken schuld! Das Tandem Schäuble / Waigel machte Politik und Gesellschaft auf Basis der Vorschläge der Bareis-Kommission Mitte der 1990er Jahre ein Angebot, das von Paul Kirchhoff 10 Jahre später wiederholt wurde: einfache Steuerregeln gegen niedrige Steuersätze, so dass die Einnahmen des Staates nicht (signifikant) sinken. Das Angebot wurde zweimal – erst vom SPD-Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine, später vom amtierenden Bundeskanzler Gerhard Schröder – verworfen. Der nachfolgende Finanzminister Peer Steinbrück bediente sich am Baukasten, erhöhte deutlich den Steuerertrag zur Verbesserung der Staatseinnahmen und verpulverte damit das Potential für Reformen.

            Das andere Potential blieb jedoch erhalten. Das nämlich, ohne das Linkssein nicht existieren kann, dem Moralisieren über die Unmoral der Mitmenschen. Das ist das Lebenselixier von Religionen und jedweder Ideologie. Die Grünen beispielsweise gäbe es gar nicht ohne den Anspruch, grundsätzlich die besseren Menschen zu sein.

            Steuerhinterziehung ist kein Problem einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe. In meinem Leben sind mir in jeder Einkommensgruppe Steuer- und Abgabebetrügereien begegnet. Und während wir öffentlich mehr und mehr moralisieren, belächeln und tolerieren wir es im Privaten. Man kann ja heute den Eindruck gewinnen, es wäre ein größeres Verbrechen, Steuern zu hinterziehen als seine Frau zu betrügen.

          • Stefan Sasse 9. Februar 2014, 19:10

            Das liegt aber daran, dass diese Begriffe von einer Schicht sich parasitär gebährender Wohlhabender benutzt wurden, um eigenes Fehlverhalten zu kaschieren. Sie wurden effektiv verbrannt. Es gab eine Zeit, in der diese Begriffe in Deutschland universal vergöttert und als Nonplusultra erklärt wurden – und dann kam heraus, was die Leute damit gemacht haben. Das ist das komplette Versagen einer Klasse. Genauso wurde ja das Wort „Gleichheit“ und der ganze damit verbundene Metaphernwortschatz von den Realsozialisten völlig unbrauchbar gemacht, und was der Beispiele mehr sind. Die Schuld dafür kannst du nicht nur einer dem Profit feindlich gegenüber eingestellten Gesellschaft vor die Tür werfen, sondern auch jenen, die für diesen Profit über Leichen gegangen sind.

            Steuern hinterziehen ist im Gegensatz zum Betrügen des Ehepartners ein Verbrechen. Das eine ist Privatsache, das andere nicht.

          • Stefan Sasse 9. Februar 2014, 19:11

            Schön übrigens, dass du das Betrügen-Beispiel bringst: vor der linken Moraloffensive und den Grünen war „Moral“ das Territorium der Konservativen. Die glaubten auch, besser zu sein (Stichwort „Familie“) und jedem ihre Vorstellungen aufdrücken zu müssen.

          • In Dubio 11. Februar 2014, 08:02

            Falls Du nach einem Menschen ohne Fehler und ohne Fehlverhalten suchst, musst Du Dich noch eine Weile gedulden. Eigennutz ist der Antrieb der Natur und des Menschen. Wir suchen jedoch nach einer Gesellschaft, wo das Natürlichste nicht gilt. Der Mensch schließt sich nur einer Gruppe an, wenn er sich dadurch die Maximierung seines Eigennutzes verspricht und bleibt sonst lieber für sich. Die Marktwirtschaft baut auf diesem Individualismus auf. Es gibt keine Gleichheit der Menschen, nirgends. Höchstens vor dem Gesetz, da soll (zu Recht) dieses Bild gepflegt werden. Wenn die Politik jedoch die Gleichheit der Menschen zum Ideal erhebt, wird sie immer scheitern.

            Henryk M. Broder hat zu dem Thema Steuerhinterziehung wie so oft die passenden Worte gefunden. Die Zehn Gebote, auf die unsere Gesetze immer noch aufbauen, führen zwar Mord, Totschlag, Ehebruch oder üble Nachrede als Sünden auf, nicht jedoch das Vorenthalten von Steuern.

            Der Staat erwirtschaftet kein Geld, er partizipiert an dem Erfolg seiner Bürger. Deswegen bleibt es immer das Geld seiner Bürger und er hat damit treuhänderisch und nicht als Besitzer damit umzugehen.

    • Gerald Fix 8. Februar 2014, 12:25

      Steuerhinterzieher sind selten Wiederholungstäter, zumindest, wenn sie bereits einmal erwischt wurden.

      Das ist falsch. Steuerhinterzieher sind sehr häufig Wiederholungstäter, selbst wenn sie erwischt wurden. Natürlich – Prominente, die einmal erwischt werden, denen passiert das kein zweites Mal. (Obwohl, würden Sie Ihre Hand für Zumwinkel ins Feuer legen? Wo das doch schon sooo lange her ist?)

      Aber Einkommensteuerhinterziehung macht nur einen kleinen Teil der Steuerhinterziehung aus. Vermutlich beträgt die Hinterziehung im Umsatz- und sonstigen Verbrauchsteuerbereich ein Vielfaches davon. Und da haben wir es mit organisierter Kriminalität zu tun, nicht mit einem Theo Sommer, der nur deswegen Steuern hinterzieht, weil er jeden Tag 5 Bücher schreiben muss.

      • In Dubio 8. Februar 2014, 12:40

        Hören Sie öfter von mehrfach verurteilten Steuerhinterziehern? Bei Gewaltdelikten ist das doch weit häufiger der Fall. Ich mache keine Vorverurteilung, das gehört sich nicht als rechtsstaatstreuer Bürger. Sie können zumindest sicher sein, dass wenn Sie einmal der Finanzverwaltung aufgefallen sind, Sie in den nächsten 5-10 Jahren im Visier der Beamten sind. Garantiert!

        Nun bleiben Sie mal auf dem Teppich. Der Staat erhält 43-47 Prozent all dessen, was wir erwirtschaften. Die Schattenwirtschaft (also Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung) soll so nochmal 10-14 Prozent ausmachen. Wenn dies legal besteuert würde, wären wir bei einem Staatsanteil von über 50 Prozent. Nun meinen Sie, noch einen signifikanten Teil von Schwarzgeschäften drauflegen zu müssen. Das passt ja nicht mehr wirklich zusammen, oder?

        Gegen Umsatzsteuerbetrug hat die Europäische Union auf Betreiben des deutschen Finanzministeriums 2008/2009 wesentliche Maßnahmen zur Eindämmung beschlossen, dessen Kern das sogenannte Reverse Charge-Verfahren ist. In diesem Rahmen ist es extrem schwierig geworden, über das Vorsteuerverfahren noch Umsatzsteuer vom Fiskus zu ziehen, während beim Endverbraucher die Umsatzsteuer über den Rechnungsbeleg hochpoppt. Man könnte allerdings auch untersuchen, wieweit der Staat jährlich zuviel Umsatzsteuer aufgrund falscher Deklaration erhält und Unternehmen Umsatzsteuer entrichten müssen, obwohl sie ohne jede kriminelle Energie einen Bereich nicht steuerlich akkurat abgegrenzt haben und so Steuern zahlen müssen, die sie nie weiterbelasten konnten.

        • Gerald Fix 8. Februar 2014, 14:29

          Ja, ich höre oft von mehrfach verurteilten Steuerhinterziehern. Ja, sie sind im Visier der Steuerfahnder, wenn Sie einmal aufgefallen sind. Nur – Visiere allein nützen nix.
          Ich arbeite in einem (Quasi-)Finanzamt und habe täglich mit diesen Dingen zu tun. Ich habe mit diesen Scheingeschäften zu tun, die es wegen einer Ihrer EU-Initiative angeblich nicht mehr gibt. Vor einigen Jahren hat die EU auch ein System geschaffen, das den grenzüberschreitenden Verbrauchsteuerbetrug verhindert (EMCS). Das System auseinanderzunehmen ist leichter als Brötchen backen. Im Mineralölsteuerbereich ist es nicht anders. Und, wie gesagt, da arbeiten keine Amateure.

          Wenn die EU meldet, sie habe ein Loch gestopft, dann: Glauben Sie es nicht.

          • In Dubio 8. Februar 2014, 14:50

            Quasi-Finanzamt? Das hört sich interessant an. Sie schreiben, Sie hätten tagtäglich mit solchen Betrugsfällen zu tun. Das verschafft Ihnen allerdings nicht gerade einen repräsentativen Blick. Wer nur mit Straftätern zu tun hat, denkt, alle wären kriminell. Wer Arzt ist, glaubt oft auch, die meisten Menschen hätten irgendwelche Leiden.

            Doch nehmen wir das, was Sie schreiben, so an. Was schlussfolgern Sie daraus? Sie zeichnen das Bild eines Staates, der unfähig ist, sich gegen Betrug effektiv zu schützen. Und Sie beschreiben das System als komplex, das Pfiffige auseinander nehmen können. Glauben Sie ernsthaft, Komplexität schützt vor Betrug, weil Beamte ja schlauer sind als hochbezahlte Profis? Oder plädieren Sie am Ende für Simplifizierung, um ein System überschaubar zu halten. Das wird leider aus Ihren Zeilen nicht klar. Welche Schlussfolgerungen haben Sie?

          • Gerald Fix 8. Februar 2014, 15:23

            Nun ja, es handelt sich um ein Hauptzollamt – ein Finanzamt im Sinne des Gesetzes.

            Ihr Argument ist schief. Ich glaube nicht, dass ich es hauptsächlich mit Gaunern zu tun habe. Im Gegenteil: Ich weiß, dass die meisten Menschen ehrlich sind, manche mal das Gesetz übertreten und einige dies regelmäßig tun.

            Der Staat wurde von den neoliberalen Spinnern in einigen Bereichen schlichtweg kastriert. Ich hatte kürzlich einen Fall, in dem mir bekannt war, dass gegen den Antragsteller gerade wegen eines Betrugsdeliktes (es ging um eine Dreiviertelmillion) ermittelt wurde. Darf ich dem die steuerrechtliche Erlaubnis verweigern? Nein, darf ich nicht. Steht so im Gesetz, seit 2010.
            Darf ich von einer Firma, die ich nicht kenne, eine Bürgschaft verlangen. Ja, aber nur in einer Höhe, die den möglichen Schaden nicht mal im Ansatz abdeckt. Bürgschaften sind nämlich Wettbewerbsnachteile. Seit 2010.
            Meine Schlussfolgerung: Sicherungen im Vorfeld sind besser als Strafverfolgung. Vereinfachungen wären der Hit. Eine Vereinheitlichung der Verbrauchsteuersätze auf Mineralöl, Tabak, Alkohol und Strom würde nicht nur den Steuerbetrug eindämmen, sondern auch die Bürokratiekosten für die Unternehmen senken. Aber dann würde in Bayern das Bier 2 ct mehr und die Schachtel Zigaretten in Hamburg 2 ct weniger kosten. Und das darf nicht sein.

          • Stefan Sasse 9. Februar 2014, 19:12

            Klingt realistisch.

  • Ariane 8. Februar 2014, 00:31

    Mich wundert es, dass das Protestargument überhaupt so ernsthaft diskutiert wird. Ein Protest richtet sich doch an die Öffentlichkeit und kann nicht unter großtmöglicher Geheimhaltung vonstatten gehen. Dann hätten Schwarzer und Hoeness ja eigentlich froh und glücklich sein müssen, wenn ihr heldenhaftes Protestieren endlich an die Öffentlichkeit kommt. Dem ist natürlich nicht so, stattdessen wurde das Öffentlich-Machen von beiden verurteilt und bejammert, was ihr eigenes Protestargument gleich selbst wieder demontiert.

    Ich glaube übrigens, dass vielleicht auch die konservative Presse, die sonst gerne von Steuersündern spricht, versehentlich zu einem stärkeren Bewusstsein beigetragen hat, in dem jegliche Staatsausgabe personalisiert wird als „unser aller Geld“. Die Griechen kriegen „unser“ Geld, Der Flughafen wird von „unserem“ Geld gebaut und irgendwo sonst versickert ebenfalls „unser“ Geld. Das ist natürlich erweiterbar, genauso könnte man statt „Hoeness hat sein Geld in der Schweiz gebunkert“ auch sagen, er hat unser aller Geld versteckt.

    • In Dubio 8. Februar 2014, 10:41

      Der Begriff des Straftäters ist juristisch klar definiert. Weder Alice Schwarzer noch Uli Hoeneß sind nach dem Gesetz Straftäter. Deswegen ist der rechtlich nicht belegte Begriff des „Steuersünders“ angemessen und nicht anfechtbar.

      Wir alle zahlen nach unseren Möglichkeiten in einen Gemeinschaftstopf ein, damit bleibt es „unser“ Geld. Aber Sie begehen die kulturelle Unterordnung unter den Obrigkeitsgedanken, das Einkommen, das jemand anderes erwirtschaftet hat, als Ihres anzusehen, nur weil er im Rahmen von Gesetzen verpflichtet ist, einen Teil (welchen eigentlich?) an die Gemeinschaft abzuführen. Oder würden Sie es hinnehmen, dass Ihr Verein, nur weil Sie Ihren Mitgliedsbeitrag vorenthalten, davon spricht, dass Sie mit dem Geld des Vereins einkaufen?

      Einen Teil meines Einkommens führe ich im Rahmen der ehelichen Gemeinschaft an meine Frau ab und finanziere den Unterhalt für unsere Kinder. Dies erfolgt nach Regeln einer Solidargemeinschaft, schließlich ist die Ehe die kleinste Einheit der Solidargesellschaft. Ich wäre jedoch außerordentlich pikiert, würde meine Frau von „unserem“ Einkommen sprechen und sie automatisch Anspruch auf jede Gehaltserhöhung erheben würde. Das geht übrigens den meisten so, die ich kenne.

      Wenn wir schon in der kleinsten sozialen Einheit so empfinden, wie sollen Menschen dann auf einer weit höheren Ebene es als selbstverständlich (!) ansehen, jeden Cent ihres Einkommens prinzipiell mit Menschen teilen zu sollen, die sie nicht kennen und die sie nicht mal gesehen haben?

      Solidarität hat immer Grenzen und das ist der moralische Aspekt (so man davon sprechen will), der Steuerhinterzieher treibt.

      • Stefan Sasse 9. Februar 2014, 19:14

        Das ist doch aber nur noch Semantik. Wenn du die Vorteile der Mitgliedschaft im Verein genießt, den Mitgliedsbeitrag aber hinterziehst, dann behältst du selbstverständlich „deren“ Geld ein. Gleiches gilt für die Steuerhinterzieher: sie nehmen alle Vorteile der deutschen Staatsbürgerschaft für sich in Anspruch, aber sie tragen nicht die damit verbundenen Kosten. Das gilt im übrigen auch für Steuerflüchtlinge, die einfach ihren Hauptwohnsitz verlegen. Da sind die USA uns deutlich voraus.

  • Kirkd 8. Februar 2014, 09:35

    Die Diskussion ist kein spezifisches Problem des Steuerrechts. In der Strafrechtswissenschaft wird seit Feuerbach darüber debattiert, wie Strafen zu bemessen sind, inwieweit moralische Fragen dabei eine Rolle spielen usw Seit Jahrzehnten ist die Debatte darüber hinzugekommen, inwieweit bestimme Sanktionsregime bestimmte Klassen bevorzugen. Ist beispielsweise Resozialisierung ungerecht, weil privilegierte Schichten von Haus aus eine bessere Sozialprognose haben und deshalb öfter Bewährung bekommen? So sehr sich die strafrechtliche Debatte verästelt hat, so archaisch wirkt es allerdings, wenn auf den Anspruch des Staates für Vergeltung des Rechtsbruches rekurriert wird. Das ist nie falsch gewesen, aber die Frage der gerechten Strafe hat seit Feuerbach doch wichtige Akzentuierungen gewonnen, die man nicht plump mit Vergeltung! basta! Hinwegtäuschen sollte.

  • techniknoergler 9. Februar 2014, 10:57

    „Ein Vergehen dagegen ist ein Verbrechen“

    Äh… Nein!

  • Ingmar Vetter 9. Februar 2014, 11:09

    @KirkD Last but not least: Beschäftigen Sie sich mit besagtem Urteil, dort stehen die Gründe für die Nichtgeltung nationalsozialistischen Unrechts. Den Prot. Part. Rat ist weiterhin keine Geltung des EStG zu entnehmen und zum Art. 123 GG steht klar, dass es der Geltung bedarf, um weitergelten zu können. Dies ist vorliegend erweislich nicht der Fall. Ihre Argumentation ist die Juristerei eines Prädikatsjuristen: Das argumentum ad verecundiam ohne Beweis.

    @Sasse Es wurde hier nicht die Legitimität des Grundgesetzes in Frage gestellt. Und zum Rest sage ich: Lernen Sie einfach ein wenig zum Thema Gesetzeskunde. Sie verwenden Schlagworte wie »demokratisch legitimiert« ohne Wissen, wie eine solche in Bezug auf Gesetze aussieht. Und ob die Idee einer Einkommensteuer älter als Hitler ist, ist hier auch völlig unerheblich – es geht nämlich ausschließlich um einen formellen Gesetzgebungsakt, dessen formelle Voraussetzungen nach der Weimarer Reichsverfassung nicht ordnungsgemäß erfüllt wurden und welcher demzufolge unter der Herrschaft des Grundgesetzes ebensowenig plötzlich gelten kann wie unter der WRV. Ein Änderungsgesetz ändert nur ein gültiges Gesetz und kein ungültiges. Ein Neuerlass ist wiederum etwas völlig anderes.

    Ich finde es nochmals sehr bemerkenswert, wie hier angebliche Steuerbetrüger an den Pranger gestellt werden. Aber ein Hitlergesetz in Frage stellen, trotz entsprechender Beweise? Nein, das mag der Deutsche nicht. Da schwadroniert man lieber Unfug, was das Zeug hält, anstatt zu sagen: Hitlergesetze? Mit mir nicht!

    Lassen wir es gut sein. Sie scheinen es ja in Ordnung zu finden, Ihre entspr. Steuern auf der gleichen Grundlage, nämlich eines heute noch von Adolf Hitler unterzeichneten Befehls zu zahlen, auf der die wirtschaftliche Existenz derer vernichtet wurde, welche dann im KZ und Gas landeten. Die wurden im Übrigen nicht nur als Sünder bezeichnet, sondern als Volksschädlinge. Kommt Ihnen das bekannt vor? Lesen Sie mal Ihren Text genau.

    • Stefan Sasse 9. Februar 2014, 19:17

      Ich bezweifle überhaupt nicht die formaljuristische Korrektheit deines Arguments. Ich bezweifle, dass es praktische Auswirkungen hat. Klar könnte man theoretisch für den ganzen Schmodder Freitags um 17.30 mit 11 Mitgliedern des Bundestags noch mal Abstimmungen machen und den Korpus erneut durchwinken, aber wozu? Fakt ist, dass diese Gesetze nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden. Wir haben ja auch den 1. Mai als Feiertag behalten u.ä. Erneut: ich verstehe das formaljuristische Argument, ich glaube dir, dass es stimmt, aber ich empfinde es als irrelevant. Mir ist es egal, ob das heutige Steuerrecht auf einem Gesetz aufbaut, das Hitler unterzeichnet hat. Mir ist es auch egal, dass die heutigen Sozialversicherungen auf Gesetzen aufbauen, die der olle Kaiser Wilhelm unterzeichnet hat.

  • Ingmar Vetter 9. Februar 2014, 23:25

    @Sasse

    Ich bezweifle überhaupt nicht die formaljuristische Korrektheit deines Arguments. Ich bezweifle, dass es praktische Auswirkungen hat.

    Sehen Sie, und genau diese Formaljurisprudenz, die Sie für vernachlässigbar halten (wäre ja eh alles so gekommen) ist der Kitt, der alles zusammenhält. Wenn Sie einen Schriftsatz auch nur eine Sekunde zu spät einreichen, dann ist formaljuristisch alles zu spät, egal, wieviel Recht zu haben Sie wissen oder meinen. Wenn die Herren und Damen der Herrschaft aber einen Formalfehler begehen, dann soll alles nur unerhebliche Formalität sein (wäre ja eh alles so gekommen)? Ihre eigene Argumentation führt hier zur (von Ihnen beklagten) praktischen Auswirkung.

    Würden Sie auch nur im Ansatz verstehen, was Formalität bedeutet, nämlich nicht Unerhebliches, sondern das Beachten (juristisch) neutraler Ordnungs-Prozesse, denen im Sinne der Gleichheit vor dem Gesetz alle unterliegen (müssen), und deren Nichtbeachtung zum Reset führen muss, will alles gleich behandelt werden, dann wäre viel gewonnen. Sie jedoch stellen deren praktische Wirkung in Abrede und beziehen sich im Grunde auf die »normative Kraft des Faktischen« (Jellinek). Das machen aber auch Frau Schwarzer und Konsorten. In deren Fall verlangen Sie jedoch Satisfaktion, obwohl diese Herrschaften mit dem gleichen Pseudoargument punkten wie Sie: Es ist halt (praktisch) so.

    Warum? Ich sage Ihnen warum: Weil Sie (mit Verlaub) denkfaul (sicher ohne es zu wollen) sind und nicht in die Tiefe gehen. Anstelle dessen behelfen Sie sich mit den gleichen absurden Moralappellen wie Frau Schwarzer etc. Trotzdem gestehen Sie Frau Schwarzer und Konsorten nicht das Gleiche zu, wie Sie (im Grunde) Hitler zugestehen, nämlich: Wer die (praktische, faktische) Macht hat, hat eben die Macht. Wenn Sie jedoch Hitler diese normative Kraft des Faktischen zugestehen, dann müssen Sie diese auch Frau Schwarzer zugestehen. Beide bewegen sich in einem juristischen Rahmen, den Sie der einen Person (Hitler) zugestehen und der anderen (Schwarzer) nicht.

    Und an diesem Punkt sollten Menschen wie Sie und auch ich zunächst mit dem Denken und später mit der Handlung ansetzen. Ich bin dabei. Sie auch?

    • Stefan Sasse 10. Februar 2014, 06:34

      Ich möchte an der Stelle deutlich machen, dass ich kein Problem mit Formalien habe. Mir ist völlig klar, dass die wichtig sind und warum. Ich bezweifle ihre Relevanz einzig und allein bei der Frage nach der Gültigkeit von ehemaligen NS-Gesetzen.

      • Ingmar Vetter 10. Februar 2014, 07:10

        Sorry, ich bezweifle, dass Sie an tatsächlichen Hintergründen interessiert sind. Sie eiern ziemlich am Thema vorbei. Wie schon bemerkt, ist das an sich nicht schlimm. Wirklich schlimm ist, dass Sie den Lesern verkaufen, Sie wären an Hintergründen interessiert. Ich verabschiede mich hiermit.

        • In Dubio 10. Februar 2014, 14:42

          Ich verstehe juristisch Ihre Argumentation. Da das Ermächtigungsgesetz bzw. die ganze Wahl 1993 rechtsunwirksam war, kann auch das EStG als Bestandteil der Ermächtigung, von einem illegalen Parlament beschlossen, nicht wirksam sein. Es gibt zwei Schwachpunkte dieser Argumentation: Erstens stellt sich ganz allgemein die Frage, warum das Bundesverfassungsgericht in zahlreichen Urteilen über das EStG hierauf keineswegs eingeht und die Rechtstradition als legal ansieht. Zweitens wurde die von Ihnen angeführte Rechtswidrigkeit so nur vom Tribunal Gènèral de la Zone Francaise D’Occupation Rastatt festgestellt. Dessen Zuständigkeit richtete sich jedoch auf den Bereich der französischen Besatzungszone, keineswegs auf das gesamte Besatzungsgebiet. Außerdem war die Zuständigkeit des Militärtribunals auf die Strafgerichtsbarkeit gegen 2000 Angeklagte in der französischen Besatzungszone. Das sind allesamt keine Merkmale für ein Verfassungsgericht, das letztendlich über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes entscheiden könnte.

          Jede Argumentation hat auch Schwachpunkte. In diesem Wissen gibt es keinen Grund, Stefan Sasse in einer persönlichen Form anzugreifen, nur weil er nicht juristisch argumentiert. Es reicht der Verweis auf die Sichtweise der Karlsruher Richter. Ich schätze die Integrität von Stefan Sasse, der stets die Contenance bewahrt, auch wenn’s hitzig wird.

          • In Dubio 10. Februar 2014, 14:43

            Sorry, die Wahl 1933 war natürlich gemeint.

          • Stefan Sasse 10. Februar 2014, 15:07

            Danke 🙂

          • Ingmar Vetter 10. Februar 2014, 16:32

            @In Dubio

            Wir können das gern in Ruhe ausdiskutieren. Zu den von Ihnen angemerkten »Schwachpunkten« zunächst folgendes:

            1. Zitat: »Erstens stellt sich ganz allgemein die Frage, warum das Bundesverfassungsgericht in zahlreichen Urteilen über das EStG hierauf keineswegs eingeht und die Rechtstradition als legal ansieht.«

            1.1. Urteil des Ersten Senats vom 24. Februar 1953 1 BvL 21/51; BVerfGE 2, 124 – Normenkontrolle II:

            »Der Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG unterliegen nicht solche Gesetze, die vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes, dem 24. Mai 1949, verkündet worden sind.«

            2. Zitat: »Zweitens wurde die von Ihnen angeführte Rechtswidrigkeit so nur vom Tribunal Gènèral de la Zone Francaise D’Occupation Rastatt festgestellt. Dessen Zuständigkeit richtete sich jedoch auf den Bereich der französischen Besatzungszone, keineswegs auf das gesamte Besatzungsgebiet.«

            Dazu zunächst die folgende Frage (meine Antwort wird also abhängig von Ihren Quellen sein):

            2.1. Welcher Rechtsquelle entnehmen Sie diese Ansicht? Vor allem angesichts auch der Allgemeingültigkeit der Urteile z.B. des Nürnberger Tribunals, welche eindeutig für alle Besatzungszonen galten und nicht nur für die amerikanische BZ.

            3. Ich habe Herrn Sasse nicht persönlich angegriffen, sondern festgestellt, dass er seine Meinung mit Fakten verwechselt und an den Fakten nicht interessiert ist. Dass er persönlich integer sein mag, bestreite ich nicht, darüber kann und will ich mir kein Urteil erlauben. Aber er erhebt seine Meinung zum Fakt und arbeitet zumindest in diesem Fall nicht neutral und unsauber hinsichtlich der Recherche und er setzt Doppelstandards. Aber lassen wir dieses Thema und widmen uns den o.a. Fakten und Ihren Entgegnungen.

          • In Dubio 11. Februar 2014, 13:59

            Wie kommt es, dass ich in der Moderationsschleife bin?

  • In Dubio 11. Februar 2014, 08:38

    »Der Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG unterliegen nicht solche Gesetze, die vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes, dem 24. Mai 1949, verkündet worden sind.«

    Guter Punkt, stimmt. Nur gilt das insoweit, als Paragrafen fortgelten. Die Regeln über Steuerermittlung und Steuererhöhe wurden jedoch mehrfach durch den Gesetzgeber geändert und einer Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht unterworfen. Genauso verhält es sich mit dem BGB, das 1900 in Kraft trat.

    Welcher Rechtsquelle entnehmen Sie diese Ansicht? Vor allem angesichts auch der Allgemeingültigkeit der Urteile z.B. des Nürnberger Tribunals, welche eindeutig für alle Besatzungszonen galten und nicht nur für die amerikanische BZ.

    Die im Netz verfügbaren Quellen zum Tribunal General sind sehr dürftig, daher war ich zur Argumentation weitgehend auf Sekundärquellen wie Wikipedia angewiesen. Daraus geht jedoch hervor, dass es sich um ein Strafgericht auf Grundlage des alliierten Kontrollratsgesetzes Nr. 10 handelte. Aus dem Kontrollgesetz geht nun wiederum hervor, dass sich die Aufgabe der Tribunale ausschließlich auf die Prüfung von Vergehen gegen Frieden, Kriegsverbrechen und gegen die Menschlichkeit handelte. Die Tribunale waren wiederum nach Zonen unterteilt und besaßen, wie das Tribunal in Rastatt, was ausschließlich mit französischen Richtern besetzt war, nur regional begrenzte Befugnisse. Angeblich bedurfte es Druck auf die französische Besatzung, dass die Kriegsverbrecherprozesse eine völkerrechtliche Grundlage bekamen.

    Wenn ein solches Gericht nun feststellt, dass das Zustandekommen des EStG 1933 nicht rechtens war, so stellt das eindeutig eine Kompetenzüberschreitung dar. Da die Prüfung dieses Sachverhalts nicht Aufgabe des Gerichts war, kann es auch nicht zu einem solchen Urteil kommen. Meines Wissens nach ist auch nie die Unwirksamkeit der Reichstagswahl festgestellt worden. Dazu hätte es 1945 oder später der Erhebung von Beweisen bedurft, die so spät einfach nicht mehr zu erbringen waren.

    Ich empfand den Ton gegenüber Stefan Sasse bei weitem nicht angemessen, angereichert mit rhetorischen Spielereien und Vorwürfen des Desinteresses und weitergehend. Man sollte nicht vergessen, dass wir hier lediglich spielen. Alles, was wir schreiben, hat keinerlei Konsequenz außer der Selbstvergewisserung. Und Blogs sind nun mal Meinungsäußerungen.

  • In Dubio 11. Februar 2014, 08:40

    @Ingmar Vetter

    »Der Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG unterliegen nicht solche Gesetze, die vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes, dem 24. Mai 1949, verkündet worden sind.«

    Guter Punkt, stimmt. Nur gilt das insoweit, als Paragrafen fortgelten. Die Regeln über Steuerermittlung und Steuererhöhe wurden jedoch mehrfach durch den Gesetzgeber geändert und einer Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht unterworfen. Genauso verhält es sich mit dem BGB, das 1900 in Kraft trat.

    Welcher Rechtsquelle entnehmen Sie diese Ansicht? Vor allem angesichts auch der Allgemeingültigkeit der Urteile z.B. des Nürnberger Tribunals, welche eindeutig für alle Besatzungszonen galten und nicht nur für die amerikanische BZ.

    Die im Netz verfügbaren Quellen zum Tribunal General sind sehr dürftig, daher war ich zur Argumentation weitgehend auf Sekundärquellen wie Wikipedia angewiesen. Daraus geht jedoch hervor, dass es sich um ein Strafgericht auf Grundlage des alliierten Kontrollratsgesetzes Nr. 10 handelte. Aus dem Kontrollgesetz geht nun wiederum hervor, dass sich die Aufgabe der Tribunale ausschließlich auf die Prüfung von Vergehen gegen Frieden, Kriegsverbrechen und gegen die Menschlichkeit handelte. Die Tribunale waren wiederum nach Zonen unterteilt und besaßen, wie das Tribunal in Rastatt, was ausschließlich mit französischen Richtern besetzt war, nur regional begrenzte Befugnisse. Angeblich bedurfte es Druck auf die französische Besatzung, dass die Kriegsverbrecherprozesse eine völkerrechtliche Grundlage bekamen.

    Wenn ein solches Gericht nun feststellt, dass das Zustandekommen des EStG 1933 nicht rechtens war, so stellt das eindeutig eine Kompetenzüberschreitung dar. Da die Prüfung dieses Sachverhalts nicht Aufgabe des Gerichts war, kann es auch nicht zu einem solchen Urteil kommen. Meines Wissens nach ist auch nie die Unwirksamkeit der Reichstagswahl festgestellt worden. Dazu hätte es 1945 oder später der Erhebung von Beweisen bedurft, die so spät einfach nicht mehr zu erbringen waren.

    Ich empfand den Ton gegenüber Stefan Sasse bei weitem nicht angemessen, angereichert mit rhetorischen Spielereien und Vorwürfen des Desinteresses und weitergehend. Man sollte nicht vergessen, dass wir hier lediglich spielen. Alles, was wir schreiben, hat keinerlei Konsequenz außer der Selbstvergewisserung. Und Blogs sind nun mal Meinungsäußerungen.

    • Ingmar Vetter 12. Februar 2014, 10:14

      Damit hier nicht alles durcheinander geht, bitte ich zunächst um die Kennntisnahme des entsprechenden Amtsblatts (Journal Officiel 1947, S. 605-635); die deutsche Übersetzung beginnt auf S. 626: https://portal.dnb.de/bookviewer/view/1026624126#page/605/mode/1up

      Dort stehen auch die Rechtsgrundlagen der Ermächtigung des Gerichts. Das müsste eigentlich reichen als Information.

      Warum nun das BVerfG und der BGH sich an diese Entscheidung nicht halten? Kraft Wassersuppe? Jedenfalls ohne gesetzliche Ermächtigung. Ich mache dazu den Vorschlag: Schreiben Sie an die Präsidenten und wir werden sehen, was diese antworten.

  • Ingmar Vetter 11. Februar 2014, 14:47

    @ In Dubio
    Wollen wir das per E-Mail ausdiskutieren und den ganzen Thread dann hier veröffentlichen? Ich frage, weil die Threadfunktion hier nicht wirklich ausgereift erscheint.

  • In Dubio 12. Februar 2014, 08:30

    Schade, dass es die Betreiber nicht schaffen, meinen gestrigen Kommentar freizuschalten. Hierin sind drei Links verarbeitet und eine Argumentation aufgebaut. Also ein bisschen Arbeit.

    Ich finde Ihren Ansatz durchaus spannend und interessant, in jedem Fall originell. Und das begegnet mir äußerst selten, also ein Kompliment. Dennoch habe ich mich sofort an einem Knackpunkt gestoßen: Weder BFH noch BVerfG würden über Jahrzehnte ein Gesetz anwenden und bewerten, wenn sie es nicht grundsätzlich als rechtskonform zustande gekommen ansehen würden. Das reicht natürlich nicht als Argument, also ist der entscheidende Punkt, ob ein Tribunal eine solche Rechtskraft entfalten kann. Dazu habe ich geschrieben und es wäre schön, die Administratoren würden ein Zeichen geben. Ich denke aber nicht, dass eine darüber hinausgehende Diskussion für ein Blog noch interessant wäre.

    • Ingmar Vetter 12. Februar 2014, 08:36

      @ In Dubio
      Zitat: »Weder BFH noch BVerfG würden über Jahrzehnte ein Gesetz anwenden und bewerten, wenn sie es nicht grundsätzlich als rechtskonform zustande gekommen ansehen würden.«
      Ich muss Ihnen leider versichern, dass es genau so ist.

      Zitat: »Das reicht natürlich nicht als Argument, also ist der entscheidende Punkt, ob ein Tribunal eine solche Rechtskraft entfalten kann.«
      Kann es und hat es, das geht eindeutig aus den Militärgesetzen hervor.

      Wenn Sie Interesse haben, senden Sie mir doch einfach Ihren Kommentar als E-Mail an ingmar.vetter [at] grundrechtepartei.de. Ich antworte dann.

  • Stefan Sasse 12. Februar 2014, 09:21

    Sorry, hab die Mail von Wordpress nicht bekommen. Genehmigt.

  • 有機 13. August 2014, 04:58

    Right away I am going to do my breakfast, afterward having my breakfast
    coming again to read other news.

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