Erinnerungskultur und Erster Weltkrieg

Der Beginn des Ersten Weltkriegs jährt sich dieses Jahr zum hundertsten Mal. Wenig überraschend ist daher, dass er in der öffentlichen Diskussion eine Rolle spielt wie seit der Fischer-Debatte nicht mehr. Ebenso wenig überraschend ist, dass die öffentliche Debatte andere Formen annimmt als die der historischen Zunft. Einige davon kann man belächeln, andere dagegen sind eher Besorgnis erregend. So fällt auf, dass besonders zwischen der deutschen und der britischen konservativ orientierten Presse (Blätter wie die Daily Mail auf der einen und die Welt auf der anderen Seite) geradezu ein neuer Streit über die Schuldfrage ausgetragen wird. Während im konservativen Teil Großbritanniens, wo die Erinnerungskultur ohnehin von den Tories massiv politisch vereinnahmt wird, die Ursache des Krieges als klare Notwehr gegen ein aggressiv-imperialistisches Deutschland gesehen wird, versucht die Welt, den deutschen Teil der Kriegsschuld in den größeren Kontext einer allgemein unvorteilhaften Atmosphäre zu stellen. Es ist im Kleinen ein Wiederaufflammen der Kriegsschulddebatte, die so unnötig wie ein Kropf und ähnlich gesund ist.


Der Krieg ist mittlerweile 100 Jahre alt. Bereits vor diesem Jahr hat er als Vergleichsmaßstab ebenso wie die Endphase der Weimarer Republik im Kontext der Euro-Krise an Aufmerksamkeit gewonnen, wo er mal besser, mal schlechter als historischer Vergleichsmaßstab herhalten muss. In Deutschland rächt sich gerade der übermäßige Fokus, den der Zweite Weltkrieg und die Nazi-Zeit bislang in der öffentlichen Debatte hatten. Bis vor kurzem war der Erste Weltkrieg den meisten Menschen hauptsächlich als Vorbedingung für den Zweiten bekannt, und das zeigt sich in der Debatte. Nur so ist es erklärbar, dass viele Zeitungen die Erkenntnis, dass Fischers Thesen nicht unbedingt als Erklärung ausreichen, als gewaltigen Tabubruch feiern – eine Erkenntnis, die den Historikern seit 50 Jahren geläufig ist und seither unzählige Male relativiert wurde. Und selbst diese Relativierungen selbst sind inzwischen durch neue Relativierungen abgelöst worden (etwa Wehlers Sonderweg-These).

Aber diese Historiker-Debatten haben, das macht die aktuelle Diskussion deutlich, die Öffentlichkeit offensichtlich nie erreicht. Stattdessen steigt man hier in ideologische Schützengräben, die man eigentlich seit den 1960er Jahren überwunden geglaubt hatte, und debattiert von Neuem die Frage der „Kriegsschuld“, ein moralisch aufgeladener Begriff, der kaum einen Erklärungswert besitzt und nachhaltig das Klima vergiftet. Nur so ist es möglich, dass Historiker Clark (dessen Buch „Die Schlafwandler“ derzeit eine ungeheure Popularität genießt) im konservativen Deutschland wie eine Art Schutzschild geschwungen wird, um die alleinige Kriegsschuld von sich zu weisen – als ob die noch von irgendjemandem außerhalb der Torie-Sphäre ernsthaft debattiert würde.

Aber genau hier liegt der Kern des Problems, der der deutschen Nabelschau zu entgehen scheint: die anderen Länder haben den Krieg nicht wie wir Deutschen vergessen (mit Ausnahme der Russen, vermutlich). In Großbritannien wie in Frankreich, wo die Formulierung vom „Großen Krieg“ (Great War bzw. Grande Guerre) noch nicht durch die Nummerierung abgelöst wurde, ist die Erinnerung an 1914 noch wesentlich lebendiger. In Großbritannien finden sich prominent die Gefallenentafeln, ist die Erinnerung an Flandern noch immer wachgehalten. Auch die Franzosen haben aus naheliegenden Gründen den Ersten Weltkrieg nicht so schnell vergessen wie die Deutschen nach 1945. Für Großbritannien wie Frankreich ist der Sieg heute noch für die Psyche ein wichtiger Einschnitt, der in offiziellen Feiertagen (wie dem Armistice Day in Großbritannien am 11.11.) auch heute noch begangen wird.

Gleichzeitig wird ein solcherart politisch erinnerter Konflikt, der wesentlich zur Bildung einer nationalen Identität verwendet wird, auch immer politisch vereinnahmt. Sowohl in Großbritannien als auch in Frankreich ist die Frage nach dem Stolz auf die erbrachten Leistungen und Opfer stets auch ein Glaubensbekenntnis. So etwa wird in Großbritannien darum gestritten, ob auch pazifistische Einstellungen bei den offiziellen Feiern zu Wort kommen dürfen. Wenn es nach den Tories geht, würde jedenfalls das Narrativ eines tapferen Verteidigungskrieg gegen den üblen deutschen Imperialismus obsiegen, der vom gesamten britischen Volk einig geführt und gewonnen wurde.

Solche Debatten führen wir in Deutschland nicht. Zurecht hat man sich davon verabschiedet, die Geschichte der Kriege als sinnstiftenden Identitätsquell zu nutzen. Dies führt jedoch gleichzeitig zu einem Unverständnis gegenüber den Vorstellungen und Mentalitäten der unmittelbaren Nachbarn, die den Krieg ganz anders erlebt haben und ihn auch ganz anders erinnern. Doch auch in Deutschland zeigen sich in der Debatte erneut die Risse und politischen Konflikte, die den Krieg noch immer umgeben. Das erklärt auch die Heftigkeit, mit der die Welt die britische Selbstdarstellung (die rein nach innen gerichtet ist und daher von uns genauso gut ignoriert werden könnte) attackiert. Die ständigen Vergleiche eines nach der europäischen Vorherrschaft strebenden Deutschland kommen zur politischen Unzeit. Schon länger greift die Linke etwa die Krisenpolitik Deutschlands als neues Hegemonieprojekt an, eine Sichtweise, die besonders in den betroffenen Ländern noch wesentlich virulenter ist. Ein Akzeptieren dieses Narrativs hätte daher in der heutigen europäischen Union Nebenwirkungen.

Und so verbindet sich die Deutung des Ersten Weltkriegs in seinem Jubiläumsjahr aufs Neue mit politischen und ideologischen Zielsetzungen. Die eigentlichen Ansichten der Historiker, ihre Debatten und ihre differenzierten Analysen kommen dabei kaum zu Wort und werden allenfalls selektiv wahrgenommen. Es steht daher zu hoffen, dass die eigentlichen Gedenkfeierlichkeiten davon unbeeindruckt in einem nüchternen Rahmen ablaufen und sich der moralischen Fragen weitgehend zugunsten des Konsenses, dass das Trauma eines europäischen Krieges sich unter keinen Umständen wiederholen darf, enthalten werden. Die Frage der Kriegsschuld ist keine, die uns sonderlich weiter bringt. Viel wichtiger muss es sein, die richtigen Schlüsse aus den Ereignissen zu ziehen.

Crosspost vom Geschichtsblog.
{ 13 comments… add one }
  • In Dubio 13. Januar 2014, 10:32

    Tatsächlich, über den 1. Weltkrieg wissen wir ziemlich wenig, selbst wenn wir Abitur haben. Interessant ist Dein Blickwinkel und dafür danke.

    Die zwei Weltkriege waren der Gipfel der Jahrtausende alten Tradition der Eroberungskriege, die zu dem Zeitpunkt längst ihre Hochzeit hinter sich hatte. Die an Menschen und Gebieten verlustreichen Feldzüge machten Politik und Gesellschaft überdeutlich, dass Wohlstand nicht mehr durch Kriege zu erringen ist. Wahrscheinlich bedurfte es dieser schlimmen Menschheitserfahrung.

    Die Schuldfrage ist tatsächlich müßig, die Nationen im Westen blickten 1914 auf lange Kriegsepochen zurück. Interessant ist auch die Frage, was Menschen von der geübten Kriegsführung abgebracht hat. Aufklärung? Einsicht? Ich glaube, nein. Ich habe mich oft gefragt, was Menschen dazu bringt, ihr Leben auf einem Schlachtfeld zu riskieren. Nach Historiker-Berichten konnte man diesen Einsatz ja schon in den Weltkriegen nur noch unter Einsatz von Drogen erwirken. Doch in früheren Jahrhunderten gab es keine Drogen. Lernen wir dadurch, dass unser Leben heute Jahrzehnte länger als zu früheren Zeiten dauert, den Wert weit mehr schätzen?

  • Stefan Sasse 13. Januar 2014, 14:20

    Immer gerne. Kriegseinsatz konnte immer nur durch Einsatz von Drogen erwirkt werden. Alkohol und später Zigaretten gehörten nicht umsonst in großen Mengen zur Standardration der Soldaten. Auf den Segelschiffen früherer Epochen waren die Leute praktisch dauerhaft betrunken, und auch die Soldaten der Landarmeen waren ordentlich mit Alkohol versorgt. Das änderte sich erst ein wenig mit der Einführung der Wehrpflicht und der Millionenheere, weil die Leute erstmals freiwillig kämpften, bzw. zumindest keine ernsthafte Möglichkeit zur Desertation bestand, weil man nicht mehr Gegner, sondern Feinde hatte.

  • Kirkd 13. Januar 2014, 16:15

    Ohja. Ich muss zugeben, dass mich diese Debatte ziemlich überrascht hat. Zumindest in meinem Geschichtsunterricht vor über 20 Jahren, wo wir mit noch mal 20 Jahre älteren Geschichtsbüchern arbeiteten, wurde nicht ernsthaft eine einseitige Kriegsschuld Deutschlands behauptet. Die Kriegsmuseen in Frankreich die ich besucht habe (zB Caen, Verdun), haben den ersten Weltkrieg keinesfalls einseitig auf Deutschland geschoben.

    Ich timme Dir zu, dass das auch daran liegt, dass der erste Weltkrieg in Deutschland eben ein Schattendasein führt und im Wesentlichen als kausale Vorstufe zur Nazizeit behandelt wird. Dabei ist der Beginn des ersten Weltkrieges doch ein Lehrbuch über Aussenpolitik, Krisenmanagement und natürlich auch Rüstungsökonomie. Man wird aber nichts daraus lernen, wenn er nur als Argument für aktuelle Debatten zu Pazifismus (von Links) oder zu vermeintlichen Denkverboten (von Rechts) missbraucht wird.

    • Stefan Sasse 14. Januar 2014, 14:15

      Aktuelle Schulbücher machen das übrigens auch nicht. 🙂

  • Am_Rande 13. Januar 2014, 16:53

    Der Autor, Herr Sasse, schreibt:

    „Solche Debatten führen wir in Deutschland nicht. Zurecht hat man sich davon verabschiedet, die Geschichte der Kriege als sinnstiftenden Identitätsquell zu nutzen.“

    Je nun – ob man zwei Weltkriege krachend und zu Recht verloren hat, wie Deutschland, oder ob man zwei Weltkriege glorios und zu Recht gewonnen hat, wie England – das wird schon einen Unterschied im Umgang mit der eigenen Kriegsvergangenheit bewirken.

    Ansonsten gilt, was schon Voltaire gesagt hat:
    „Geschichte ist die Lüge, auf die man sich geeinigt hat.“

    Die Briten haben sich darauf geeinigt, den ersten und zweiten Weltkrieg als Kampf für die Rechte und die Freiheit der Nationalstaaten, als Kampf um das Recht auf freie Selbstbestimmung zu interpretieren.
    Mit dem ewigen England als Heros eines eigensinnigen, freien, rechtsstaatlichen und demokratischen Nationalstaates.

    Die Deutschen haben sich darauf geeinigt, den ersten und zweiten Weltkrieg als Kampf gegen die Hybris eines übersteigerten Nationalgefühls, gegen die Hybris eines wahnhaften Chauvinismus, als Kampf gegen die Auswüchse eines überbordenden Nationalismus zu interpretieren.

    Mit dem damaligen, alten, heute überwundenen Deutschland als irregewordenem Akteur eines präpotenten Nationalstaates, der sein ihm eigenes Wesen dem restlichen Europa und der Welt aufzwingen wollte.

    Einer der wenigen, der zur Zeit des ersten Weltkrieges fähig war, dem kaiserlichen Deutschland ein positives Kriegsziel zu präsentieren, war Friedrich Naumann im Jahre 1915.

    „Naumanns berühmteste Arbeit, sein Buch „Mitteleuropa“, thematisiert allerdings einen Aspekt, dem heute wieder Aufmerksamkeit widerfährt, nämlich die Schaffung eines mittel- und osteuropäischen Wirtschaftsraumes,
    der in der Vision des Autors in einen vierten Weltstaat neben Amerika, Russland und dem britischen Empire einmünden sollte“, schreibt der amerikanische Historiker Ralph Raico darüber.

    Und weiter:

    „Naumann sieht für die Nachkriegszeit die Herausbildung eines Systems konkurrierender Machtblöcke voraus, „die über das nationale Maß hinausgehen, um die Führung der Menschheitsgeschicke und um den Ertrag der Menschheitsarbeit ringen. Als eine solche Gruppe meidet sich Mitteleuropa.“ (Naumann, 1964d, S.663) Mit ein wenig Glück könne das – natürlich von Deutschland geführte – Mitteleuropa neben den Vereinigten Staaten von Amerika, Rußland und dem britischen Empire ein vierter Weltstaat werden.“

    Man ersetze heute einmal „Mitteleuropa“ durch „Europäische Union“:

    „Europa ist, ob es will oder nicht, ein „global player“. Die EU ist der größte und reichste Binnenmarkt der Welt, unsere Wirtschaftskraft macht ein Viertel des globalen Bruttosozialproduktes aus. Die EU […] ist ein Wirtschaftsriese. Globale wirtschaftliche Macht geht Hand in Hand mit weltpolitischer Verantwortung – diesem Auftrag kann sich Europa nicht entziehen. Europas Partner erwarten – zu Recht – dass Europa sich dieser Verantwortung stellt und aus der Wirtschaftssupermacht auch eine weltpolitische Supermacht wird.
    […]
    Wir haben also gar keine Wahl, als weitere Bereiche der Außenpolitik zu vergemeinschaften. Außenpolitik, das ist Handelspolitik – diese haben wir mit großem Erfolg bereits vergemeinschaftet.
    […]
    Jedes Land hat seine eigene historisch gewachsene Perspektive, seine Traumata, seine Vorlieben und Eigenheiten.
    Aber auch an dieser Stelle möchte ich normativ antworten, denn ich bin davon überzeugt, dass wir gar keine andere Wahl haben, als europäische Interessen zu entwickeln. Weil wir nur als Weltregion im interkontinentalen Wettbewerb mit anderen Weltregionen bestehen können.
    […]
    Heute mag das noch Zukunftsmusik sein, aber langfristig müssen wir uns in Europa in diese Richtung bewegen, wenn wir die Weltpolitik nach unseren Werten und Interessen prägen wollen. Die Weltgeschichte ist voll mit Beispielen, wie falsche strategische Entscheidungen ein Land oder gar einen ganzen Kontinent zurückwerfen können. Unlängst habe ich [ein] Buch […] gelesen, [das] mich tief beeindruckt hat:
    Im 16. Jahrhundert verfolgte der chinesische Kaiser Jiajing eine Isolationspolitik. […] China wendete sich von der Welt ab, während der dynamische Aufstieg Europas begann. China brauchte fast sechs Jahrhunderte, um sich von dieser falschen Entscheidung zu erholen und seinen Platz als Weltmacht zurückzugewinnen.
    Ich hoffe deshalb, dass wir in Europa keine falschen Entscheidungen treffen und uns nicht der notwendigen Anpassung an eine sich rasant verändernde Welt verweigern – sondern unsere Chancen klug nutzen.“

    (Martin Schulz; „Die Außenpolitik der Europäischen Union im 21. Jahrhundert: Vision, Ambition, Wirklichkeit“, Rede vom 26.02.2013).

    Der Autor, Herr Sasse, schreibt:
    „Die Frage der Kriegsschuld ist keine, die uns sonderlich weiter bringt. Viel wichtiger muss es sein, die richtigen Schlüsse aus den Ereignissen zu ziehen.“

    Welche Schlüsse sollen also die Engländer heute ziehen, wenn ein deutscher Machthaber wieder ungeniert das Wort „Weltmacht“ in den Mund nimmt?

  • Stefan Sasse 14. Januar 2014, 14:23

    Niall Ferguson hat die EU-These („Mitteleuropa“) auch stark in seinem Buch „Der falsche Krieg“ thematisiert.

    Und ich empfinde die deutsche Außenpolitik als nicht gerade clever.

  • Am_Rande 14. Januar 2014, 16:46

    @ Stefan Sasse

    Bleibt die Frage, wer Recht hat.

    Die EU-Skeptiker (allen voran einige britische Politiker), die in der Schaffung eines Paneuropäischen Megastaates das Wiederaufleben kontinentaleuropäischer Großmachtpläne sehen; nach dem Motto: Was Napoleon und Hitler jeweils nicht geschafft haben, dass schaffen nun (langsam, aber stetig) Frau Merkel, Herr Hollande, Herr Schulz und ein Heer von Eurokraten.

    Oder die Vertreter einer „immer engeren Union der europäischen Völker“, (allen voran die deutschen Politiker), die gerade in einem starken, zentralistischen Europa die Chance sehen, den Alpträumen der Vergangenheit zu entfliehen, die aus den kleinlichen Egoismen der Einzelstaaten entstanden seien.

    Glauben Sie, die Geschichte könne darauf eine eindeutige Antwort geben?

    • Stefan Sasse 15. Januar 2014, 11:04

      Nein. Geschichte wiederholt sich nicht. Was wir an der Geschichte sehen können ist, welche Fehler früher gemacht wurden und wie man sie vermeiden kann. Ich kann Ursachen erfahren, was vor allem wichtig ist um falsche Ursachenkonzepte loszuwerden (z.B. „Hyperinflation als Voraussetzung Hitlers“). Aber ich bekomme keine Antworten auf aktuelle Fragen. Die muss ich selbst finden.

  • Ariane 14. Januar 2014, 21:54

    Ich finde, man sieht daran auch wieder gut das Problem von Europa (und der EU). Das Thema bleibt total im jeweiligen Diskurs stecken und wenn man von den Diskursen der anderen Ländern erfährt, führt dies bestenfalls zu Verwunderung oder gleich zur Konfrontation. Ich hab vor kurzem auf Phönix so ein History-Gespräch mit Sönke Neitzel und Clark gesehen, die angeregt haben, das ganze Kriegsgeschehen mehr aus der nationalen Perspektive herauszulösen und gesamteuropäisch zu sehen. Ich glaube, das wäre ein besserer Weg. Aber da sind wir wieder am Anfang, weil diese globaleren Historikeransichten gar nicht erst den Weg in die Öffentlichkeit finden und wenn (wie bei Clark) doch wieder nur für das Suhlen im eigenen Saft genutzt werden.

    Solche Debatten führen wir in Deutschland nicht. Zurecht hat man sich davon verabschiedet, die Geschichte der Kriege als sinnstiftenden Identitätsquell zu nutzen
    Joa nun ja. Das sehe ich ähnlich wie Am_Rande. Mit zwei krachenden Niederlagen ist da wenig zu holen, sonst hätte unsere konservative Presse sicherlich auch ein paar glorreiche Heldengeschichten draus gestrickt. Ich weiß auch nicht, ob es wirklich so klug ist, ins andere Extrem zu fallen und vieles, was mit dem 1. WK zu tun hat, zu verdrängen. Hier glaube ich nämlich auch, dass die teils schiefen Vergleiche nicht nur mit dem Jubiläum zu tun haben, sondern weil die Situation einfach ähnlicher ist mit 1913 als mit 1938 (platt gesagt) und Deutschlands Öffentlichkeit und Politikern dieses Wissen fehlt, das überhaupt wahr- und ernstzunehmen.

    • Stefan Sasse 15. Januar 2014, 11:05

      Die Historiker machen das bereits, aber diese Debatten kommen in der Öffentlichkeit einfach nicht an. Hier ist alles noch sehr national geprägt. Die Lehrpläne übrigens auch.

      Da stimme ich dir zu.

  • Kirkd 16. Januar 2014, 10:54

    Warum ordnest Du die Niederlage im ersten Weltkrieg eigentlich als krachend ein? MwN wird sie militärisch doch eher als eine Niederlage nach zähem Ringen, Teilsieg im Osten und Eintreten einer weiteren Kriegspartei eingeordnet.

    Ansonsten hat unsere Zeit mit 1913 vielleicht gemein, das wir eine lange Freihandelsperiode, eine schwer einzuschätzende Machtbalance und eine Zeit der vielen kleinen, unbewältigten Krisen hinter uns haben. Was kriegsvergleiche aber nicht unbedingt hilfreich macht! haben wir in Europa doch eine lange Periode der Demilitarisierung hinter uns und der Krieg wird in der Bevölkerung nicht mehr als eindeutig legitimes Mittel der Politik angesehen.

    • Stefan Sasse 17. Januar 2014, 15:52

      Naja, die deutsche Armee befand sich im Herbst 1918 effektiv in der Auflösung. Dem war zwar ein zähes Ringen vorausgegangen, aber die Niederlage war im August 1918 unabwendbar. Nur gaben die Soldaten eben auf, weil sie es einsahen und die Konsequenzen nicht so sehr fürchteten wie den Kampf. Im August 1944 war der Krieg auch verloren, aber die Nazis schleppten ihn noch äußerst blutige Monate hin.

  • Am_Rande 16. Januar 2014, 13:49

    @Kirkd

    Den Zusammenbruch sehr vieler bisheriger Srukturen in Staat und Gesellschaft in Folge des Krieges sehe ich einfach als krachend an.

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