Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal komplett zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.
Fundstücke
1) There’s No Such Thing as a Great Power
Die Enthüllung der russischen Schwäche wirft nicht nur Moskaus Status als Großmacht in Frage, sondern auch das Konzept einer Großmacht selbst. Die Verwendung des Begriffs „Großmacht“ ist oft vage und unscharf definiert. Analysten sollten stattdessen untersuchen, was eine „vollumfängliche“ Macht ausmacht, die nicht nur militärische Stärke, sondern auch wirtschaftliche und technologische Fähigkeiten umfasst. In den letzten 150 Jahren gab es nur wenige solcher Mächte, darunter die USA, das Vereinigte Königreich, Deutschland, die Sowjetunion und China. Die Fähigkeit, hochwertige Militärausrüstung herzustellen und einzusetzen, ist ein wichtiger Aspekt militärischer Macht. Politische und soziale Faktoren spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle. Westliche Entscheidungsträger haben die russische Macht in der Vergangenheit oft überschätzt, was zu schwerwiegenden Konsequenzen geführt hat. Es ist wichtig, ein genaueres Verständnis von Macht und deren Ausübung zu entwickeln, um zukünftige Fehleinschätzungen zu vermeiden. (Philips O’Brien, Foreign Policy)
Tatsächlich sind Konzepte wie „Großmacht“ oder „Supermacht“ normativ stark aufgeladen. Das „Konzert der Großmächte“ um die Jahrhundertwende etwa hat durch die ständige Statusrangelei – wer ist eine Großmacht und warum? Es hat sich ja dann letztlich auch gezeigt, wer keine ist. Um bei dem Beispiel zu bleiben: vielleicht hätte ohne dieses Statusgetue Österreich-Ungarn nicht krampfhaft versucht, seine Stellung im Club der Fünf zu bewahren und wäre vorsichtiger beziehungsweise zurückhaltender gewesen?
2) Wie die Reichen unantastbar wurden
In den letzten Tagen sind mehrere Nachrichten aufgetaucht, die eine erhebliche sozioökonomische Schieflage in Deutschland zeigen. Während 2.900 Menschen im Land mehr als 100 Millionen US-Dollar besitzen und 21 Prozent des gesamten Vermögens kontrollieren, wird der Mindestlohn nur um 41 Cent erhöht. Eine Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) zeigt zudem, dass Unternehmensgewinne den größten Teil der Inflation in Europa ausmachen. Trotzdem scheint die politische Klasse kaum Interesse an diesen Ungleichheiten zu haben. Dies ist bemerkenswert, da soziale Ungleichheit früher als schädlich angesehen wurde. Sogar der IWF empfiehlt eine Vermögensteuer für reiche Länder, während deutsche Wirtschaftsexperten eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes vorschlagen. Die Politik reagiert jedoch nicht auf den öffentlichen Druck, und große Teile der Gesellschaft scheinen nicht mehr an die Veränderbarkeit der ökonomischen Verhältnisse zu glauben. Die Naturalisierung wirtschaftlicher Bedingungen und die Trennung von Wirtschaft und Politik haben dazu geführt, dass Ungleichheiten als unveränderliche Naturereignisse betrachtet werden. Eine Ideologie, die den Interessen der Vermögenden dient. (Lenz Jacobsen, ZEIT)
Ich finde das wenig verwunderlich. Wir haben auf breiter Front eine Entpolitisierung dieses Themas erlebt. Das war ja eine jahrzehntelange, konzertierte Bemühung: der Staat habe sich aus der Wirtschaft herauszuhalten. Das bedeutet übrigens nicht, dass es keine staatliche Wirtschaftstätigkeit gegeben hätte; bekanntlich sind die Staatsausgaben ja nicht eben gesunken. Es bedeutet aber, dass sich der Rahmen des Vorstellbaren verschoben hat. Paradoxerweise wurden dem Staat auf der einen Seite völlig neue Gestaltungsspielräume und -ansprüche eingeräumt (was etwa in der Ausweitung sozialer Leistungen seinen Niederschlag findet), aber auf der anderen Seite das, was früher unter „Wirtschaftspolitik“ oder „Industriepolitik“ lief in den Bereich des Anrüchigen verschoben. Eingriffe in die Struktur der Wirtschaft und der Besitzverhältnisse waren bis zu den 1980er Jahren wesentlich vorstellbarer; umgekehrt waren damals die Ansprüche an die Tätigkeit noch nicht so groß.
Diese Unterschiede haben ihren Weg vom rechten Teil des Spektrums auch in den Linken gefunden; als Stichworte seien hier Clinton, Blair und Schröder genannt. Die Linke ist, was das alles angeht, inzwischen auch weitgehend ideenlos. Es wird zwar, wie Jacobsen das hier macht, immer wieder beklagt, dass auf dem Feld nichts geht, aber für mich fehlt es auch an ernstzunehmenden Gegenvisionen. Diese Unernsthaftigkeit ist in meinen Augen mit ein großer (und praktisch nie anerkannter Grund), dass die Debatte einfach nicht stattfindet, jedenfalls kommt sie nicht über ritualisierte Kritik hinaus. Alle paar Wochen oder Monate wird mal wieder erkannt, wie ungleich die Gesellschaft doch ist, man tauscht die altbekannten von Floskeln von Solidarität und Gerechtigkeit versus Leistung und Verdienst aus, und dann ist wieder Ruhe. Mich erinnert das an die Klimadebatte, wo im Endeffekt auch nur eine Richtung ernsthafte Ideen hat und alle anderen sich in ritualisierter Kritik ergehen, was zu der Dominanz dieser Richtung in der öffentlichen Wahrnehmung führt. Genauso wenig wie Klimapolitik ein grünes Thema sein sollte, sollte Wirtschaftspolitik ein bürgerliches sein. Aber so ist es in beiden Fällen leider.
3) Don’t Reform the Courts. Disempower Them.
Der sozialistische Jurist Louis Boudin argumentierte bereits 1932 in seinem Buch „Government by Judiciary“ überzeugend, dass die Gerichte stets den Interessen der Reichen dienen. Dieser Standpunkt wurde von liberalen und linken Kreisen während der New-Deal-Ära geteilt, da sie der Meinung waren, dass die Gerichte eingeschränkt werden müssten, um eine Demokratie zu verwirklichen. Die aktuelle reaktionäre Ausrichtung der Gerichte könnte dazu führen, dass Liberale und Linke sich mit der Frage der Macht der Gerichte auseinandersetzen müssen. Zwei Harvard-Rechtswissenschaftler schlugen vor, den Obersten Gerichtshof durch Gesetze zu beeinflussen und seine Befugnisse einzuschränken, um ein Verständnis von demokratischer Gerechtigkeit zu fördern. Dieses Vorhaben erfordert jedoch ein langfristiges Engagement und könnte dazu führen, dass Liberale ihre Verbindungen zu großen Anwaltskanzleien und Elite-Rechtsschulen aufgeben müssen. Die Frage der Entmachtung der Gerichte betrifft die Möglichkeit, in den USA eine vollständige Demokratie zu erreichen, da die Gerichte historisch gesehen oft Feinde der Volkssouveränität und der Ausweitung der Rechte waren. (Jeet Heer, The Nation)
Ich bin imemr hin- und hergerissen, was die Frage der Reform des Justizsystems in den USA angeht. Da laufen schließlich zwei Probleme durcheinander: einerseits die parteiunabhängig zu große Macht der dritten Gewalt und andererseits meine Ablehnung der Politik, die diese ausübt. Deswegen finde ich Heers Ansatz hier auch grundsätzlich besser. Wenn man die Macht der Gerichte generell beschneidet, ist das langfristig parteiunabhängig (aktuell würde es wegen der rechtsradikalen Mehrheiten natürlich den Republicans schaden, aber keine Mehrheit hält ewig, und irgendwann wird, wie in den 6oer und 70er Jahren, auch wieder eine liberale Mehrheit existieren).
Die Begründung dafür habe ich schon öfter dargelegt, jüngst im Podcast zum Grundgesetz mit Ariane in Bezug auf das BVerfG. Ich bin kein Fan davon, auch wenn es mir politisch in den Kram läuft, dass Politik „über Bande“ von den Gerichten gemacht wird. Solche Entschlüsse gehören in einer Demokratie in die Hände der Volksvertretung. Die wurde gewählt, und politische Fragen haben politisch entschieden zu werden, nicht von der Juristerei.
4) Ziviler Ungehorsam als Demokratie
Ziviler Ungehorsam ist seit dem Frühjahr 2022 in Deutschland wieder ein viel diskutiertes Thema. Die Protestaktionen der „Letzten Generation“ haben Justiz, Wissenschaft und die politische Öffentlichkeit mit dynamischen Entwicklungen konfrontiert. Die Kernfrage, die dabei immer im Raum steht, ist, wann es gerechtfertigt ist, Gesetze zu brechen, um für ein höheres Ideal einzustehen. Historisch betrachtet ist ziviler Ungehorsam gerechtfertigt, wenn es um existenzielle Krisen geht. Verschiedene Philosophen wie John Rawls, Ronald Dworkin, Jürgen Habermas, Hannah Arendt und Robin Celikates haben unterschiedliche Ansätze, um zivilen Ungehorsam zu rechtfertigen. Gemeinsam ist ihnen jedoch die Auffassung, dass ziviler Ungehorsam eine tiefere Gesetzestreue ausdrückt und ein Mittel ist, um auf fundamentale Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen. Die Klimabewegung nutzt zivilen Ungehorsam als politisches Instrument, um auf die existenzielle Krise des Klimawandels aufmerksam zu machen und Demokratiedefizite anzuprangern. Blockaden sind ein häufig genutztes Mittel des zivilen Ungehorsams, um die öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen. Ziviler Ungehorsam ist ein Teil der politischen Praxis der Bürger:innen und kann demokratische Veränderungen herbeiführen. In Anbetracht existenzieller Krisen wie der Klimakrise ist ziviler Ungehorsam als Protestmittel besonders gut legitimierbar. Er zeigt auf, dass Entscheidungsträger:innen nicht angemessen auf lebensbedrohliche Krisen reagieren und deckt demokratische Missstände auf. Ziviler Ungehorsam ist somit ein wichtiger Teil einer intakten und lebendigen Demokratie. (Lena Herbers, Verfassungsblog)
Ähnlich wie bei Fundstück 3 laufen bei diesem Thema zwei Themenkomplexe durcheinander: die rechtliche Bewertung von zivilem Ungehorsam einerseits und seine gesellschaftliche Legitimierung andererseits. Rechtlich gesehen ist die Sache nicht ganz so klar, wie dass die bürgerlichen Kritiker*innen immer gerne hätten; ich hatte in den letzten Vermischten immer wieder mal Expertisen dazu verlinkt. Grundsätzlich aber kann wenig Zweifel daran bestehen, dass hier Rechtsverstöße stattfinden (wie auch immer die dann gerichtlich zu bewerten sind, das übersteigt meine Expertise). Das wird ja auch nicht grundsätzlich angezweifelt.
Der viel stressigere Teil ist die Deutung: was folgt daraus? Denn wie Herbers beschreibt ist ziviler Ungehorsam in modernen Demokratien Teil des politischen Prozesses. Ich finde es auffällig, wie er in der Rückschau immer völlig verklärt wird, zu seiner jeweiligen Zeit aber massive Abwehrreaktionen hervorrief. Denken wir an die Suffragetten: gegen deren Proteste ist die Letzte Generation ein laues Lüftchen, das waren effektiv Terroristinnen. Heute gelten sie als bewundernswerte Vorkämpferinnen der Emanzipation. Martin Luther King und die Bürgerrechtsbewegung wurden zur damaligen Zeit massivst angefeindet und waren keinesfalls mehrheitsfähig; die Sit-Ins, Busboykotte etc. galten als schwerwiegende Gefährdungen des öffentlichen Friedens. Heute werden sie parteiübergreifend in Gedenktagen begangen und stellen sich selbst die härtesten GOP-Rassisten in eine Tradition mit MLK. Und selbst die Friedensbewegung der 1980er Jahre oder die Anti-Atom-Bewegung haben ihre damaligen Kanten geglättet bekommen und sind eher Folklore, von den 68ern gar nicht erst angefangen. Ich gehe davon aus, dass dasselbe auch mit der Letzten Generation passieren wird.
5) Harvard fraud claims fuel doubts over science of behaviour
Behauptungen, dass gefälschte Daten in von einer renommierten Ethikexpertin der Harvard Business School mitverfassten Artikeln verwendet wurden, haben eine wachsende Kontroverse über die Validität der Verhaltenswissenschaft ausgelöst. Die Ergebnisse dieser Wissenschaft werden in Business Schools gelehrt und in Unternehmen angewendet. Unternehmen wie Coca-Cola und JPMorgan Chase haben Führungskräfte, die sich auf Verhaltenswissenschaft spezialisiert haben, und Regierungen weltweit haben ebenfalls deren Erkenntnisse übernommen. Doch nun werden bekannte Prinzipien wie die „Nudge-Theorie“ in Frage gestellt. Die Veröffentlichung gefälschter Daten in zahlreichen Forschungsprojekten des niederländischen Forschers Diederik Stapel vor einem Jahrzehnt führte zu Zweifeln an der Bedeutung des „sozialen Primings“, der Idee, dass bestimmte Reize das Verhalten von Menschen verändern können. Dieser Vorfall und andere haben das Vertrauen in die Verhaltenswissenschaft erschüttert. Obwohl die aktuellen Vorwürfe eine weitere Belastung für die Verhaltenswissenschaft darstellen, sind Forschungsergebnisse in diesem Bereich bereits zuvor infrage gestellt worden. Dennoch betonen Befürworter der Verhaltenswissenschaft, dass sie einen wertvollen Beitrag zur Korrektur unbegründeter Verhaltensprognosen leisten kann. Experten schlagen vor, dass die Verhaltenswissenschaft durch eine verstärkte Weitergabe von Daten, eine Vereinfachung von Forschungsteams und eine vorsichtigere Herangehensweise an Laborstudien rigoroser gestaltet werden sollte. Es wird auch empfohlen, Forschungshypothesen vorab zu registrieren, um das Cherry-Picking von Daten zu verhindern. Trotz der aktuellen Kontroversen sehen Befürworter der Verhaltenswissenschaft diese als Ausnahmen und betonen ihren Wert bei der Korrektur unbegründeter Verhaltensprognosen. (Andrew Jack/Andrew Hill, Financial Times)
Ich habe eine besondere Beziehung zu dem Thema „Nudging“. Als wir Deliberation Daily 2013 gestartet haben, war die Lektüre von Sunsteins „Simpler – The Future of Government“ eine der ersten Artikelreihen. Die Idee schien die klassischen ideologischen Bruchlinien zu durchschneiden und bot einen neuen und spannenden Ansatz. Ich war ein ziemlicher Fan. Doch in der letzten Zeit haben sich immer mehr Zweifel daran gemeldet, dass das überhaupt funktioniert. Die im obigen Financial-Times-Artikel angesprochene Replikationskrise der Psychologie ist ein großer Aspekt davon, aber unabhängig von der empirischen Basis ist leider auch der Pop-Science-Aspekt Sunsteins genausowenig zu vernachlässigen wie seine Wirkung als Chef von OIRA. Ich habe schlicht zu viel vom KoolAid getrunken und seine Selbstdarstellung für bare Münze genommen, was nie eine besonders gute Idee ist. So attraktiv Sunsteins Konzepte in der Theorie waren, so problematisch waren sie in der Realität. Der „If Books Could Kill„-Podcast hat zwei Folgen dazu, die das im Detail auseinandernehmen (Teil 1, Teil 2).
Resterampe
a) Interessante Einordnung der debt-forgiveness-Entscheidung des SCOTUS. Siehe dazu auch den Vergleich mit der für Affirmative Action, die er für vernachlässigbar hält. Zu Affirmative Action hat Marcel Fratzscher interessante Schlussfolgerungen für Deutschland.
b) Shot and Chaser.
c) America finally loves Obamacare. Die Vorhersage kam von nüchternen Beobachtungen jahrelang, und ich bin froh, dass sie Recht behalten haben.
d) Electoral College Ratings: Expect Another Highly Competitive Election.
e) Guter Punkt zu diesem amerikanischen Kulturkampfphänomen des Bäckers, der sich weigert, eine Hochzeitstorte für gleichgeschlechtliche Ehen zu backen.
f) Sehr guter Hinweis auf das Phänomen des Concept Creep.
g) Die Umfragefrage, wie es aktuell um die Wirtschaft stehe, hat praktisch keine Relation dazu, wie es um die Wirtschaft steht.
h) YouGov hat eine Umfrage zum Erkennen von Fake-Headlines gestartet. Ich finde die Ergebnisse eigentlich gar nicht so schlecht. Ich habe darüber ja schon einmal geschrieben, aber ich glaube, dieses Phänomen wird wesentlich überbewertet.
i) Beim Wiederaufbau im Ahrtal wird nicht auf Flutsicherung geachtet. Es ist zum Haareraufen.
j) Spannende Einordnung zum Wagner-„Putsch“.
k) Interessanter Thread zu den Unruhen in Frankreich.
(2 – Ungleichheit)
Das war ja eine jahrzehntelange, konzertierte Bemühung: der Staat habe sich aus der Wirtschaft herauszuhalten.
Gähn. Hat er aber nicht. Ganz im Gegenteil. Jedes Jahr kommt neue Bürokratie auf Unternehmen zu. Dieses ganze Gerede über eine angeblich neoliberale Wirtschaftspolitik war und ist einfach nur Quatsch. Was natürlich wahr ist: Große Unternehmen haben viel mehr steuerliche Gestaltungsmöglichkeit als kleine und sind dadurch klar im Vorteil. Sie kommen auch viel besser mit Bürokratiebelastung klar. Darüber könnte man mal reden. Aber die Debatte macht einen großen Bogen drum.
Alle paar Wochen oder Monate wird mal wieder erkannt, wie ungleich die Gesellschaft doch ist,
Auch das ist so ein Ärgernis der Debatte: Permanent wird so getan, als seien Unternehmen Bürger und als seien Unternehmensgewinne irgendwie per se Treiber der Ungleichheit. Darum noch mal ganz langsam: Wenn ein Unternehmen Gewinne macht, heißt das noch lange nicht, dass die Gewinne auch die Eigentümer ausgeschüttet werden. Und wenn doch, werden die Gewinne versteuert. Ist das wirklich so schwer zu begreifen?
Eine symbolische Kinderdebatte, wie so viele andere in Deutschland. Sie adressiert falsche Probleme und zementiert die echten.
Ja und nein. Entbürokratisierung insgesamt gab es natürlich nicht, weil das in niemandes Interesse ist (auch nicht der Unternehmen by the by), auch wenn es volkswirtschaftlich sicher ganz gut wäre. Aber es gab insofern eine neoliberale Wende, als sich der Zweck und die benficiaries von Bürokratie verschoben haben.
Entbürokratisierung insgesamt gab es natürlich nicht, weil das in niemandes Interesse ist (auch nicht der Unternehmen by the by)
Ich kenne kein Unternehmen, das sich nicht weniger Bürokratie wünscht. Kein einziges.
ber es gab insofern eine neoliberale Wende, als sich der Zweck und die benficiaries von Bürokratie verschoben haben.
Schau Dir die Staatsausgaben an. Weder das stetige Wachstum noch die Ausgabenstruktur deutet auch nur im geringsten auf einen neoliberalen Einfluss hin. Die Haupt-Beneficiaries von Bürokratie sind übrigens immer Bürokraten, auch wenn die selbst ebenfalls über zuviel Bürokratie klagen.
Im Abstrakten, klar. Abstrakt sind alle Leute auch immer dafür, dass der Staat die Ausgaben kürzt. Aber immer wenn es konkret wird, ist man dann doch dafür. Schau dir nur mal die aktuelle Elterngelddebatte an!
@ Stefan Sasse 6. Juli 2023, 13:43
Abstrakt sind alle Leute auch immer dafür, dass der Staat die Ausgaben kürzt. Aber immer wenn es konkret wird, ist man dann doch dafür.
Wer sind „alle Leute“? Ist schon mal falsch, müsste eher die „Mehrheit der Nutznießer“ heißen, während die „Mehrheit der Finanzierer“ dagegen ist.
Wenn ich hier im Forum frage, ob jeder, der hier mitliest, von Dir 10 Euro pro Monat bekommen sollte (wer postet, pro Post nochmal 10 Euro oben drauf), kriegt das wohl auch die Zustimmung. Ob das sinnhaftig ist, so zu arbeiten?
Die Frage wird dann interessant, wenn Du Ausgaben-neutral zur Diskussion stellst: Alle Kita-Plätze umsonst, alle Klassenfahrten, Lehr- und Schulmaterialien umsonst, aber öffentlichen Toiletten dichtgemacht und die Parkgebühren oder Bahnpreise verdoppelt.
zustimmung.
@ Stefan Sasse 6. Juli 2023, 09:02
Ja und nein. Entbürokratisierung insgesamt gab es natürlich nicht, weil das in niemandes Interesse ist (auch nicht der Unternehmen by the by) …
Da ist Du Dich. Wenn beispielsweise ein Haus gebaut wird, sind alles in allem Vorschriften in 5stelliger Zahl relevant. Zugegeben – deren Einhaltung unterliegt nicht nur dem Bauunternehmer, sondern auch dem Planer, den Baustoffherstellern usw. Aber zum einen braucht das kein Mensch, und zum anderen braucht niemand das hohe Tempo, mit denen die sich ändern.
Wie gesagt, ich widerspreche dir gar nicht, was die Sache angeht. Alle kennen Vorschriften, die doof sind. Aber für sich genommen macht jede Sinn und hat ihre Verteidiger*innen. Es ist das Aggregat, das das Problem ist, nicht die Einzelvorschrift. Nur: wann immer man drangeht, welche wegzumachen, stellt sich die Frage: welche? und da es gute gründe für jede gibt, scheitert das meist.
Ja, aber darum geht es eben nicht. Nicht einzelne Regeln müssen sinnvoll sein, sondern ein Regelwerk muss stimmig sein, damit es zum einen akzeptiert, zum anderen vollzogen werden kann. Genau deswegen führen immer weitere Regeln tiefer rein in die Dysfunktionalität, während weniger Regeln Dynamik entfalten.
@ Stefan Pietsch 7. Juli 2023, 08:47
Nicht einzelne Regeln müssen sinnvoll sein, sondern ein Regelwerk muss stimmig sein, damit es zum einen akzeptiert, zum anderen vollzogen werden kann.
Genau so wird ein Schuh draus …
@ Stefan Sasse 6. Juli 2023, 09:02
Nachtrag: In welchem Interesse ist es, wenn das genehmigungsverfahren für ein Windrad 6 Jahre braucht?
niemand natürlich!
@ Tim 6. Juli 2023, 08:14
2) Wie die Reichen unantastbar wurden
Zustimmung zu beiden Punkten.
Was mich an der Debatte so unendlich nervt: Es gibt kaum eine Handvoll Leute, die diese Ungleichheit nicht sehen, die sie nicht für schädlich halten oder die nicht der Meinung sind, man müsse daran was ändern. Auch ein (sorry) Hardcore-Liberaler wie Stefan Pietsch sieht die Ungleichheit, und hält sie ein Stückweit für ungesund.
Aber die Maßnahmen, die der Politik einfallen, sind einfach viel zu plump und zu billig. Man verändert am System nicht das, was die Schere auseinander bringt, sondern verstärkt es, und versucht dann, die Symptome auszugleichen, was grundsätzlich zu Lasten des Mittelstands geht. Das ist so wirksam, als würde man auf einer Straße mit Schlaglöchern eine Geschwindigkeitsbegrenzung einführen, statt sie zu reparieren.
Zustimmung.
Den Weg raus aus der Konzentration von Vermögen kenne ich auch nicht.
In China kann eine allmächtige Partei zu mächtige Unternehmer einfach mal kaltstellen. Putin hat auch diese Möglichkeit. Eine solche absolute Macht wollen wir nicht und widerspricht auch unserer historischen Erfahrung. Vielleicht müssen wir einen Weg finden, um globale Glaubwürdigkeit wiederzugewinnen.
(i – Ahrtal)
Haarsträubend, ist aber leider ja genau so vorhergesagt worden. Schon die ursprünglichen Bauten aus den 50er und 60er Jahren an diesen Stellen waren völlig verrückt, ein typischer Fall von Hybris. Und auch ein typischer Fall für die bequemste aller Schuldzuschreibungen: „Der Klimawandel war Schuld! Keinesfalls das Verhalten der Menschen vor Ort!“ – in der Wasserdebatte oder beim Thema Artenvielfalt sehen wir dasselbe Muster. Für den Wiederaufbau hätte niemals auch nur 1 Cent Steuergeld ver(sch)wendet werden dürfen.
Es erinnert mich an die USA, die Hochwasserversicherungen unterstützen und somit verantwortungslose Bebauung fördern.
Völlig!
4) Ziviler Ungehorsam als Demokratie
Zustimmung insoweit, dass die Klima-Kleber der letzten Generation gegen Gesetze verstoßen; organisiertes Verbrechen ist das meiner Meinung nach aber nicht.
Im Gegensatz zu den Suffragetten wird die letzte Generation aber nichts erreichen. Die haben für Frauenrechte und politische Teilhabe gekämpft, die es nicht gab. Die Klima-Aktivisten setzen sich aber nicht für ein Thema ein, dass es nicht gibt, sondern verkleben sich im Kampf um ein paar Nachkommastellen, was das Tempo angeht. Und dabei nehmen Sie (nicht durchs Kleben, sondern durch die geforderten Maßnahmen) in Kauf, dass viele normale Menschen Wohlstand, Jobs und Geld verlieren; die „Bedrohung“ zielt meiner Wahrnehmung nach viel persönlicher auf den einzelnen Bürger.
Wenn man dann halbwegs versteht, was der Klimawandel bedeutet und wie er funktioniert, sind deren Aktionen einfach nur sinnlos bzw. Jahrzehnte zu spät.
Die Suffragetten werden da auch völlig überschätzt, by the by.
@ Stefan Sasse 6. Juli 2023, 13:41
Die Suffragetten werden da auch völlig überschätzt, by the by.
Das war nicht mein Punkt, aber ja – Zustimmung. Nur gaben sie einem Problem, das vorher nicht (zumindest nicht vom die Politik dominierenden männlichen Teil der Bevölkerung) als Problem erkannt war, eine Stimme.
Nur: In Sachen Klimawandel heißt die Stimme FfF bzw. Greta Thunberg. Daher ist das, was die Last Generation anstellt, letztendlich ein gutes Stückweit kontraproduktiv.
ich bin überhaupt kein fan der LG, das sollte mittlerweile deutlich sein. ich stimme dir da zu. ich sage nur, dass es gut sein kann, dass die später nostalgisch verklärt werden, wie das schon öfter passiert ist.
@ Stefan Sasse 7. Juli 2023, 08:18
ich sage nur, dass es gut sein kann, dass die später nostalgisch verklärt werden, wie das schon öfter passiert ist.
Ah, in meinem Übereifer überlesen.
Zustimmung, wird passieren – „Opa erzählt vom Krieg“ und so …
Genau, die werden dann in den generellen Klimaprotest gerollt. Ich sehe Geschichtsschreibung in 30 Jahren Klimaproteste feiern und FFF meinen, aber Aktionen von LG beschreiben oder so.
So wie hier und jetzt auch keiner mehr zwischen ’suffragists‘ und ’suffragettes‘ unterscheidet .
good point
zu 1) Dieser neue 1-stündige Vortrag von Münkler find ich in dem Zusammenhang interessant. Dass mit fünf Großmächten zu rechnen ist, hat spieltheoretische Gründe. Natürlich ist der Übergang von Großmacht und zweite Reihe fliessend.
https://www.youtube.com/watch?v=0l84kj55714
USA, China, Europa, Indien, Moskowien macht für mich irgendwie Sinn, wobei letzteres offensichtlich stark abstiegsbedroht ist. Ich sehe aber auch in Lateinamerika, Afrika und Südostasien keinen challenger.
Überzeugt mich mehr als Masalas Prognose eines neuen Biploarismus USA – China.
Interessant, dass sich Münkler klar für europäische Nuklearwaffen ausspricht während Masala das für unrealistisch hält.
Nicht-Großmächte sind Regierungen solcher Länder, die sich für ihre geopolitische Strategie immer an ein anderes Land anlehnen und dafür Gegenleistungen einfordern. Brasilien ist dafür ein gutes Beispiel.
Moskowien wäre damit schon Großmacht: Die machen definitiv ihr sehr eigenes entsetzliches Ding.
Es gibt ja einen Unterschied, ob man was für sinnvoll oder realistisch hält.
Und wieder zwei Länder falsch geschrieben: „Maratha“ und „France antarctique“
Zu 2)
Der Link hier beschreibt die Entwicklung der Staatsquote (mit und ohne Sozialversicherungen) seit 1960:
https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2022/03/Inhalte/Kapitel-6-Statistiken/6-1-15-entwicklung-der-staatsquote.html
Ich jedenfalls kann die angebliche neoliberale Wende in den Zahlen nicht erkennen, aber vielleicht habe ich ja einen Augenfehler?
„Spar“- und „Austeritäts“politik sind ebenso wie „neoliberal“ Kampfbegriffe, die – kämen sie von rechts – als demokratiefeindliche Hetze qualifiziert würden. Sie haben nämlich überhaupt keine Entsprechung in der Realität.
Gruss,
Thorsten Haupts
Und das sind nur direkt sichtbare Staatsausgaben. Firmen in Staatsbesitz und öffentlich-rechtliche Einrichtungen wie Sparkassen werden z.B. gar nicht mitgezählt, Abgaben und z.B. Rundfunkbeiträge ebenfalls nicht, soweit ich weiß. Die Dunkelziffer ist hoch. Würde der Staat seine eigenen Kartellvorschriften auf sich selbst anwenden, wäre die Staatsquote sicher noch mal 5-10 Prozentpunkte höher.
Wie bereits gesagt: es fand keine Abnahme der Staatsquote statt, das ist unstrittig. Es gab eine Umwidmung.
@ Stefan Sasse 6. Juli 2023, 13:48
Wie bereits gesagt: es fand keine Abnahme der Staatsquote statt, das ist unstrittig. Es gab eine Umwidmung.
Ja. In Richtung mehr Sozialstaat
Kannst du so pauschal nicht sagen. an manchen stellen war der trend klar weniger (rente), nur dass halt die gesamtausgaben ähnlich blieben. aber das ist der demographische wandel und liegt nicht an einer neu gefunden großzügigkeit. das muss man schon auseinanderhalten.
@ Stefan Sasse 7. Juli 2023, 08:20
Kannst du so pauschal nicht sagen. an manchen stellen war der trend klar weniger (rente), nur dass halt die gesamtausgaben ähnlich blieben. aber das ist der demographische wandel und liegt nicht an einer neu gefunden großzügigkeit. das muss man schon auseinanderhalten.
Die „Richtung Sozialstaat“ passt trotzdem 🙂
Mit dieser Argumentationslinie haben wir einen über Jahrzehnte eingetrampelten Pfad.
Die Gegenseite kann dann die fortschreitende Vermögenskonzentration und den stark überdurchschnittlichen Anstieg der Spitzengehälter anführen.
Wir kommen so nicht weiter.
Ja, aber der Pfad ist so eingetrampelt, weil wir uns auf drei simple Fakten nicht einigen können:
1. Die Vermögenskonzentration ist sehr hoch, aber sie nimmt nicht zu. In Deutschland wird ein wesentlicher Teil der Vermögensbildung in den Aufbau der staatlichen Rente gesteckt. Werden diese Anwartschaften berücksichtigt, hat Deutschland eine durchschnittliche Vermögensverteilung.
2. Zum Aufbau von Vermögen sind Einkommen wichtig. Nur Einkommen der oberen 60 Prozent eignen sich zur Bildung von Vermögen. Hohe Einkommen entstehen hauptsächlich aus Unternehmertätigkeit.
3. Deutschland hat vor 30 Jahren einen bettelarmen Staat mit 16 Millionen Einwohnern übernommen. Die statistische Vermögenskonzentration hat sich damit signifikant erhöht. Innerhalb der letzten Dekade haben wir ebenfalls über 4 Millionen Neubürger aufgenommen, die ebenfalls weitgehend arm waren (und sind). Auch das hat die Vermögenskonzentration maßgeblich getrieben.
Politik kann gerade in Hinblick auf die Aufnahme der DDR und von Migranten nicht sein, dass bestehende Vermögen – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Barbestände – mit den Zugezogenen geteilt werden. Oder ist das ernsthaft die Idee der Linken? Die politischen Forderungen zielen dahin.
@ Stefan Pietsch 7. Juli 2023, 08:11
Alle 3 Punkte sind für mich nachvollziehbar
Für mich ist das Problem weniger die Vermögenskonzentration, sondern die Vermögensverwendung. Ich sehe das im Immobilienbereich – kenne Einige die vermieteten Immobilien ihrer Eltern erbten (z.B. zwei bis drei Mehrfamilienhäuser) und als ad hoc Maßnahme die Mieten deutlich erhöhten, weil „jetzt endlich mal vernünftige Renditen sprudeln sollen“.
Prinzipiell kann jeder mit seinem Vermögen machen was er wil, aber ich bin da ein bisschen Altmodisch. „Eigentum verpflichtet, sein Gebrauch soll der Allgemeinheit dienen“ – für mich ist hier etwas aus den Fugen geraten. Habe ich das recht von meinem Vermögen zu profitieren: Auf jeden Fall. Steht Rendite-Maximierung über allem? Da sehe ich schon Verantwortung bei den Vermögenden, die Schraube nicht zu überdrehen.
Es ist bezeichnend, dass sie bei der Vermögensverwendung allein auf geerbtes Vermögen replizieren. Seit der Finanzkrise sind die Vermögen in Deutschland aus zwei Gründen gestiegen, wovon fast ausschließlich Alt-Besitzer profitiert haben:
a) Unternehmens- und Aktienbesitzer. Dies geschah durch eine Zangenbewegung: zum einen trieb billiges Zentralbankgeld die Kurse in die Höhe, zum anderen gewannen Beteiligungswerte noch durch die relative Abwertung von festverzinslichen Anlagen an Wert.
b) Immobilien. Zum einen erleichterte die Quantitive Easing-Policy der Notenbank ohnehin solventen Kreditnehmern die Finanzierung von Immobilien, während Kunden mit geringer Bonität von der Finanzwirtschaft ausgesondert wurden – die Erfahrungen mit dem Subprime-Markt lässt grüßen. Zum anderen erzeugten die getriebene Nachfrage gepaart mit relativ niedrigen Werten eine Hausse.
Für die Form der Vermögenskonzentration können die Vermögenden wenig. Sie ist Folge der Geldpolitik und der Finanzpolitik des Staates. Es ist eine uralte Erfahrung: greift man an einer Stelle eines funktionierenden Systems ein, muss man permanent neu regulieren.
An Ihrer Behauptung ist mehreres zu hinterfragen: In Deutschland können Immobilienbesitzer die Mieten nicht frei nach oben treiben. Der Mietzins ist stark reguliert, das Mietrecht ebenso. Um trotzdem hohe Steigerungen erzielen zu können, bedarf es eines sehr aggressiven und risikobehafteten Vorgehens. Doch die meisten sind als Investoren Preisnehmer, nicht Preissetzer.
Deutschland hatte zumindest bis 2010 im internationalen Vergleich sehr niedrige Renditen auf Immobilien. Das hat den Markt für ausländische Investoren interessant gemacht, zumal Deutschland das einzige größere EU-Mitgliedsland war, dass attraktive Wachstumsraten zeigte. Junge Erwerbfähige strömten nach Berlin, München und Frankfurt.
Seit zwei Jahren sinken die Immobilienwerte auf breiter Front und trotzdem können sich immer weniger Deutsche eine Immobilie leisten. Grund sind die stark gestiegenen Zinsen und die hohen bürokratischen Auflagen durch die Ampelregierung und Brüssel. Vermögensbildung wird also noch mehr erschwert. Und das bedeutet, wir müssen auch deswegen mit mehr Vermögenskonzentrationen rechnen.
Der Staat verursacht all das, was er im nächsten Atemzug beklagt. Leider ist das ökonomische Wissen in der Bevölkerung sehr gering, solche Zusammenhänge zu durchschauen. Sonst würde eine Mehrheit eine andere Politik einfordern.
@ Kning4711 7. Juli 2023, 12:01
Ich … kenne Einige, die vermieteten Immobilien ihrer Eltern erbten (z.B. zwei bis drei Mehrfamilienhäuser) und als ad hoc Maßnahme die Mieten deutlich erhöhten, weil „jetzt endlich mal vernünftige Renditen sprudeln sollen“.
Ein, zwei solcher Fälle kenne ich auch. In der Regel sind das Leute, die selbst kein nennenswertes Vermögen aufgebaut haben.
Habe ich das recht von meinem Vermögen zu profitieren: Auf jeden Fall. Steht Rendite-Maximierung über allem? Da sehe ich schon Verantwortung bei den Vermögenden, die Schraube nicht zu überdrehen.
Da stimme ich ein Stück weit zu, aber …
Wir haben ein ererbtes haus mit viel Aufwand renoviert, und die mieter so behandelt, wie wir als Mieter gerne behandelt worden wären. Nun verhalten die Mieter sich aber nicht so, wie wir uns als Mieter verhalten haben. Zweischneidiges Schwert.
Und Stefan Pietsch hat Recht; wir können die Miete nicht frei festlegen. Aber die Mieter können die Miete durch ihr Verhalten ein Stück weit nach unten regulieren. Sie haben trotz Gaspreis-Explosion im letzten Winter ihre Heizkosten um 30% senken können. Wenn sie nicht heizen und nicht lüften, gibt es Schimmel, und den nehmen Sie zum Anlass, die Miete um 25% zu kürzen. Hatten wir bis dahin keine Probleme mit.
insgesamt gute Punkte, aber
1. Um die Ansprüche aus dem umlagefinanzierten Rentensystem als Teil des Vermögens zu deklarieren benötigt es schon einige argumentative Klimmzüge, oder?
2. Die Definition von „hohem Einkommen“ unterscheidet sich stark, aber im Grunde hast Du recht.
3 und 4 treiben nicht nur die Vermögenskonzentration sondern natürlich auch die Sozialausgaben.
Find Aussagen wie bettelarm über die DDR nicht nett. Burkina Faso wars ja auch nicht. Außerdem sind die 5 Länder im Osten reich an sehr schönen Landschaften. Bin dieses Jahr schon Berlin – Anklam und Hannover – Berlin mit dem Rad gefahren.
@ Lemmy Caution 7. Juli 2023, 12:43
Um die Ansprüche aus dem umlagefinanzierten Rentensystem als Teil des Vermögens zu deklarieren benötigt es schon einige argumentative Klimmzüge, oder?
Hatten wir doch vor kurzem in der Diskussion, dass die Vermögenswerte der „Reichen“ aus der Rendite hochrechnet werden, die sie aus den Vermögen ziehen. Wo ist hier der Unterschied?
Um die Ansprüche aus dem umlagefinanzierten Rentensystem als Teil des Vermögens zu deklarieren benötigt es schon einige argumentative Klimmzüge
Darum geht es nicht. Unter normalen Bedingungen können wir einen Euro nur einmal ausgeben. Wir können ihn in das Ansparen für ein eigenes Haus stecken oder in die Umlage für die gesetzliche Altersvorsorge. Ersteres wird in der Vermögensstatistik als Vermögen des Bürgers gezählt, anderes nicht.
Ich hatte in einem Artikel aufgezeigt, dass in den überschuldeten Staaten der EU die Bürger vergleichsweise vermögend sind, während sie in Deutschland in Summe (!) vergleichsweise arm sind. Dafür ist unser Staat relativ vermögend, in dem sein Schuldenstand niedrig ausfällt. Wenn wir also über Vermögenskonzentration und Vermögensverteilung diskutieren, müssen wir berücksichtigen, wie die Deutschen ihr Geld investieren. Sonst kommen wir zu falschen Schlüssen. Denn die meisten Menschen, ob in Deutschland oder USA, haben nicht die Möglichkeit, mehr als 20% ihres Einkommens für die Altersvorsorge zurückzulegen.
Ich habe „hohe Einkommen“ definiert und führe dazu immer wissenschaftliche Abgrenzungen an.
3 und 4 treiben nicht nur die Vermögenskonzentration sondern natürlich auch die Sozialausgaben.
Das kommt auf die Gestaltung an. Nur für die Vermögensverteilung ist es ein nicht wegzudiskutierender Fakt.
Als Deutschland wiedervereinigt wurde, war die gesamte Infrastruktur der untergegangenen DDR marode und vollumfänglich sanierungsbedürftig. Die Immobilien konnten nach westlichen Standards nicht mehr genutzt werden, die Betriebe verbürgten keinen nennenswerten Wert. Da kann man aus Liebhaber Sicht sagen, das sei aber doch nett, in Bilanzen steht das mit einem Wert von Null. Und wenn das darin mit Null bewertet wird, dann schlägt sich das in der Vermögensverteilung nieder. Noch heute besitzen Immobilien im Westen, in Düsseldorf, Stuttgart und Wiesbaden ein Vielfaches an Wert als solche in Dresden und Rostock. Das ließe sich nur heilen, in dem wir dem Immobilienbesitzer in Erfurt einen Ausgleich für sein niedrig bewertetes Haus zahlen – und das käme ja aus der Tasche des Nürnberger Eigenheimbesitzers. Du siehst, wie absurd es wird, wenn wir solche Fakten unberücksichtigt lassen würden.
Zu 3)
D’accord. Das Bundesverfassungsgericht wie der europäische Gerichtshof haben an mehr als einer Stelle IMHO ihre Aufgabengrenzen an mehreren Stellen in den letzten Jahrzehnten weit überschritten, mit massiven politischen Folgen zum Beispiel im Flüchtlings- und Migrationsrecht.
Zu 5)
Ich bin vor einigen über den – damals sehr interessanten, heute weitgehend inaktiven – twitter account Real Peer Review auf die tatsächlich massive Replikationskrise (Studienergebnisse können von anderen nicht widerholt werden) in der Psychologie gestossen und traue seitdem keiner der in den Medien kurz- oder langfristig gehypten Studien mehr. Für eine seriöse Wissenschaft ist die Zahl dubioser Studienergebnisse viel zu hoch.
Zu e)
Mir war das spezifische Problem schon immer zu doof, mich damit überhaupt zu beschäftigen. Wenn sich einzelne Akteure in einer polypolistischen Marktwirtschaftssituation weigern, bestimmte Kunden zu bedienen, so what? Dann gehe ich zu dem nächsten Anbieter, aber nicht vor Gericht. Und um das klarzustellen – ja, ich war von dem Problem schon konkret persönlich betroffen. In Hamburg gabe es Anfang der achtziger Geschäfte, die sich weigerten, einen Soldaten in Uniform zu bedienen.
Zu i)
Ich habe mit nichts anderem gerechnet. Privathäuser auf Privatgrundstücken werden dort wieder aufgebaut, wo sie vorher standen – wer hat denn bitte etwas anderes erwartet?
Zu j)
Mein hot take des verlinkten Artikels: Auch stark autoritäre oder diktatorische Systeme funktionieren offenbar am besten nach dem alten Feudalprinzip der Erbfolgeregelung qua Geburt 🙂 .
Zu k)
Karon gilt in linken twitter-Kreisen nicht umsonst bereits als Faschist …
Gruss,
Thorsten Haupts
Für eine seriöse Wissenschaft ist die Zahl dubioser Studienergebnisse viel zu hoch.
Ich hatte im Studium damals auch eine Reihe von Psychologie-Vorlesungen und traue dieser Disziplin seitdem auch nicht mehr über den Weg. Die meisten Ergebnisse basieren auf methodisch fragwürdigen Experimenten, an denen amerikanische Erstsemester teilnehmen, weil es dafür Punkte gibt. Es wird grundsätzlich auch sehr viel Realität definiert. Von strenger Wissenschaftlichkeit ist das alles weit weg.
Schön sind aber immerhin die aufziehenden Streitigkeiten zwischen Psychologie und Neurowissenschaft. Beide Seiten werfen sich vor, keine Ahnung zu haben und das Falsche zu messen. Herrlich.
Das ist in allen empirischen Wissenschaften so, sehr stark auch in der Volkswirtschaftslehre.
Ich behaupte, in automatisierten Tests für Softwareentwicklung eine gewisse Expertise entwickelt zu haben, aber zu grundsätzlichen, d.h. wichtigen Fragen der optimalen Testabdeckung und Unit- oder Integrationstest vertrete ich im Grunde Vorstellungen, die sich gegenseitig widersprechen. Hängt halt von einer Menge an Parametern ab und man kann sich für die Wahrheitsfindung da nur projekt/teamspezifisch versuchen anzunähern.
Das ist in allen empirischen Wissenschaften so, sehr stark auch in der Volkswirtschaftslehre.
Die Qualität einer Disziplin erkennt man daran, wie genau ihre nicht-triviale Vorhersagen sind. Die Psychologie hat hier etwa im Gegensatz zur Physik fast nichts zu bieten. Und das nach fast 150 Jahren Geschichte. Ein Trauerspiel.
die geschichtswissenschaft kann auch keine vorhersagen machen. das ist eine merkwürdige anforderung.
Für eine empirische Verhaltenswissenschaft – Geschichte ist das nicht, Psychologie oder Soziologie sind das – ist das durchaus eine zulässige Anforderung. Aus empirisch gesicherten Erkenntnissen müssten sich Vorhersagen zu menschlichem Verhalten entwickeln lassen (Psychologie für´s Individuum, Soziologie für Gruppen).
Gruss,
Thorsten Haupts
ich kenne mich damit zu wenig aus. ich meine, die wiwis sind auch notorisch schlecht in prognosen. weiß nicht, ob das überhaupt der anspruch ist.
Wenn du Wissenschaft anwenden willst, sicher. Bezueglich Wiwi ist es ja schoen und gut, wenn ich im Nachhinein erklaeren kann, warum diese Massnahme zu den und den Folgen gefuehrt hat (wobei dass auch immer ideologisch gepraegt ist). Aber letztendlich willst du ja zum Beispiel wissen, welche Folgen zum Beispiel Mindestlohnerhoehungen haben. Und da sind Oekonomen, wie du ja sagst, nicht so gut drin. Wobei das vielleicht weniger das Problem ist, als dass es zu viele gibt, die so tun, als ob sie es koennen und mit Aussagen a la „Die Wirtschaft wird um 1.354 % wachsen“ ne Genauigkeit vorgaukeln, die es nicht gibt.
Klar, aber im Nachhinein erklären ja auch Psychologie und Soziologie gut.
Wahlprognosen sind – für die Komplexität der Materie – erstaunlich genau. Die (eigentlich unnötigen, aber für das Testen der Verfahren wichtigen) Aussagen um 18 Uhr am Wahltag bestätigen das.
true
Die Demoskopie-Fritzen weisen doch immer mit Nachdruck darauf hin, dass es sich bei den Aussagen NICHT um Prognosen handelt, sondern um Feststellungen zum Erhebungszeitpunkt. Die Aussagen kurz nach 18 Uhr (den Partei-Oberen wird das vermutlich schon vorher eingeflüstert^) sind Exit-Polls. Nix Prognose, sondern – streng genommen – historische Erhebungen; „vor 10 Minuten“ ist auch historisch; jedenfalls ein ganz anderes Ding.
Bei Umfragen kurz VOR dem Echt-Ereignis geht man halt von einer gewissen Trägheit aus (jetzt kann nicht mehr viel passieren). Das ist i.d.R wohl berechtigt und für häßliche, also größere, Abweichungen hat man ja immer noch den „Last-minute-swing“, was ja durchaus plausibel sein mag und niemand ausschließen kann. Hauptsache, dass das keiner nachprüfen kann und man im Übrigen hinterher unverzüglich ganz genau zu wissen glaubt, warum die Leut dies und das und jenes gewählt haben.
Das sind keine Prognosen, sondern Hochrechnungen. Eine Prognose wäre, wenn Du heute die nächste Bundestagswahl vorhersagen kannst.
Okay, jetzt muss nur noch geklärt werden, warum das mit der Prognostik humanwissenschaftlich nicht wirklich gut funktioniert. Bei den zu definierenden Bedingungen ist es so, dass stets irgendwelche Störenfriede daher kommen und den Aufbau des Experimentes draußen im Lande umpusten. Blöd halt, dass wir nicht – steril und keimfrei gemacht – im Labor leben. Das nennt man – glaub ich – Freiheit. Etwas, was wissenschaftlich nur schwer zu erklären ist. Die gibt es gar nicht, die sei nur eingebildet, behauptet der eine oder andere, aber auch indem man das behauptet, macht man von seiner Freiheit Gebrauch.
https://www.livewiremarkets.com/wires/nine-jokes-about-economists
Psychologie und Soziologie versuchen die Wirklichkeit in möglichst wirklichkeitsnahen modellhaften Vorstellungen nachzuzeichnen. Da die Einflußfaktoren auf die Wirklichkeit gegen unendlich tendiert, kann die Prognosefähigkeit nicht absolut sein. Wir kennen ja auch noch nicht die wirklich letzte Nachkommastelle der Zahl Pi.
Im Deutschen gibt es eben leider nicht die Unterscheidung zwischen science und studies. Darum hängt sich gern jede Disziplin den Suffix „-wissenschaft“ an, ohne im strengen Sinne eine Wissenschaft zu sein. Irgendwann werden Maurer an Unis studieren. Das Fach wird dann in Deutschland Maurerwissenschaft heißen.
weil der begriff im englischen ja quasi gesetzlich geschützt ist…
Für alles, was „… im strengen Sinne eine Wissenschaft zu sein“ behauptet, gilt ohnehin Poppers Falsifikationskriterium. Alleine dessen Nichtanwendbarkeit begrenzt die Verallgemeinerungsfähigkeit geistes- und sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse erheblich.
5) Yes.
e) Es geht ja nicht um die Häuser, sondern um Hochwasserschutz.
2) Wie die Reichen unantastbar wurden
Entpolitisierung des Themas?? Wo leben die Leute? Jeden Tag diskutiert dieses Land über Verteilungsfragen. Selbst beim Klimaschutz rückt das Verteilungsthema in den Mittelpunkt, obwohl Klimaschutz nunmal definitionsgemäß jeden angeht. Zentraler Punkt der Debatten ist, das hat Erwin Gabriel ja längst moniert, dass in einer Gesellschaft manche reich sind. Als Mittel gegen die festgestellte Ungleichheit werden verschiedene Varianten des Wegnehmens empfohlen. Im Gegenzug sollen jene Menschen, die gar nichts tun, höhere Transferzahlungen erhalten.
Es gibt keine Studie und kein empirisches Beispiel, das belegen würde, dass solche strategisch-politischen Maßnahmen die Ungleichheit reduzieren würde. Im Gegenteil: In den vergangenen 30 Jahren nahm die Ungleichheit in Deutschland nur in einer Phase ab, von 2005 – 2013. In dieser Zeit wurden gefühlt die Sozialtransfers für Ärmere zurückgenommen, während die Beschäftigung zunahm. Kein Zufall, es hat seine Entsprechung in den anderen OECD-Ländern.
Warum fordert keine linke Partei eine solche Strategie, die nachweisbar Erfolge zeigt? Weil es eben nicht um die Reduzierung von Ungleichheit geht. Dann würden die linken Parteien nämlich ihre heutige Existenzberechtigung verlieren.
Kleine Geschichtsstunde: Die Neoliberalen, die nach 1945 die deutsche Wirtschaftsordnung konzipierten, Alfred Müller-Armack, Walter Eucken, Franz Böhm und Leonhard Miksch sowie Alexander Rüstow und Wilhelm Röpke (die Namen darf man sich als Geschichtskundiger durchaus mal merken), forderten mitnichten, dass sich der Staat aus dem Wirtschaftsgeschehen herauszuhalten habe.
Was die Begründer der marktwirtschaftlichen Ordnung ablehnten war eine Industriepolitik. Auch wenn die Parteien sonst gerne über die Wirtschaft stritten, so war doch genau dieses Tabu in der Nachkriegsgeschichte immer weitgehend unumstritten.
Genauso waren Eingriffe in die Besitz- und Eigentumsverhältnisse, von den ersten Jahren der Republik abgesehen, ebenfalls weitgehend tabu. Wer es probierte, holte sich spätestens in Karlsruhe eine blutige Nase. Hier die Geschichte in wesentlichen Punkten umschreiben zu wollen, ist schon ziemlich dreist.
Die FDP führte in den Wahlkampf Vorschläge ein, die Armutsfalle zwischen Sozialsystem und Steuersystem deutlich abzubauen und damit ärmeren Menschen einen erleichterten Zugang in die Erwerbstätigkeit zu schaffen. Die SPD schlug als zentrale Maßnahme die Erhöhung des Mindestlohns um rund 25% auf 12 Euro vor, wovon bei ärmeren Menschen das Gros im Säckel des Finanz- und Arbeitsministers landet. Die FDP erhielt 11% der Stimmen, die SPD 27%.
3) Don’t Reform the Courts. Disempower Them.
Wieder zeigt sich, wie sehr Linke den Rechtsstaat ablehnen. Demokratie ohne Rechtsstaat ist nichts wert. Beide Pfeiler stehen gleichberechtigt nebeneinander in einer zivilen Gesellschaft. Autokratische Staaten schaffen immer als erstes den Rechtsstaat ab. Das ist in Putins Russland nicht anders gewesen als in Erdogans Türkei, in Polen und in Ungarn. Ergo: wer für die Einschränkung des Rechtsstaates plädiert, fordert den ersten Schritt zur Autokratie.
Die Bundesregierung wollte in der letzten Sitzungswoche des Parlaments vor der Sommerpause das sogenannte Heizungsgesetz durchprügeln, ohne dass die Abgeordneten Zeit und Gelegenheit zur Beratung gehabt hätten. In der ersten Lesung wurde dazu ein Gesetzesentwurf vorgelegt, der überhaupt nicht mehr beschlossen werden sollte, während die Volksvertreter eine dürre Notiz erhielten, was sie demnächst beschließen sollten, ohne es gelesen haben zu können.
Das ist der Staat, der Kritikern wie Stefan vorschwebt. Erst schaffen wir das Recht ab und dann sind die demokratischen Mehrheiten auch egal. Wer an der Stelle nicht den Schuss gehört hat, der ist völlig taub.
Das ist einfach Quatsch. Stefan S hat – und ich stimme ihm da zu – beobachtet, dass höchste Gerichte, die ihrerseits keiner Kontrolle mehr unterliegen, dazu neigen, ihre Grenzen zu überschreiten. Und möchte gesetzlich, parlamentarisch, geregelt sehen, wie weit Gerichte gehen dürfen. Daraus lässt sich nicht ableiten, er wünsche sich das verfassungswidrige hau-ruck-Durchwinken von Gesetzesvorhaben, also unterstellen Sie das bitte nicht.
Gruss,
Thorsten Haupts
Die meisten Rechtsstaaten lassen ihre obersten Richter vom Souverän bestimmen und geben ihnen ein auf Zeit beschränktes Mandat. So versucht man den Spagat, dass alle Gewalt vom Volke ausgehen soll kombiniert mit der Anforderung, dass die Gewalten unabhängig voneinander zu sein haben.
Das kann man eigentlich nicht ernsthaft kritisieren. Wenn das eine Verfassungsorgan (Parlament) das andere dominieren und in seinen klar abgegrenzten Rechten einschränken soll, ist das die Wurzel für eine Verfassungskrise.
Ich sehe auch nicht, wo europäische Verfassungsgerichte ihre Kompetenzen überschreiten würden. Noch am ehesten würde ich das für den EuGH gelten lassen, aber sonst agieren Richter zurückhaltend im Rahmen ihres Mandats.
Danke.
4) Ziviler Ungehorsam als Demokratie
Das Konzept des zivilen Ungehorsams stammt aus autokratischen und diktatorischen Systemen, wo die Menschen keine andere Handhabe haben, gegen die Anweisungen der Regierung aufzubegehren. Genau deswegen haben demokratische Rechtsstaaten Spielregeln gefunden, wie jedermann Gehör findet.
Es gibt deswegen ausgerechnet in demokratischen Rechtsstaaten kein Recht auf zivilen Ungehorsam. Es gibt nur die Unterscheidung legitim (also zulässig) oder rechtswidrig. Deswegen muss der demokratische Rechtsstaat alle Formen sogenannten „zivilen Ungehorsams“ mit mehr Härte verfolgen als Autokratien (die hier ein Ventil für den gesellschaftlichen Unmut öffnen). Tut er es nicht, benachteiligt er ausgerechnet die rechtstreuen Bürger in der Teilhabe am öffentlichen Meinungsbildungsprozess. Und in ihren Grundrechten.
Wie schon beim Vorgenannten zeigt sich auch hier, welch Geistes Kind Linke inzwischen sind, die sich nicht einmal mehr auf zivile, demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien einlassen.
Und wo fängt die Unterscheidung an, was zivilen Ungehorsam berechtigt und was nicht? Deutschland belastet die Bürger über die Maßen mit Steuern und Abgaben. Historisch wie im internationalen Vergleich flüchten die Menschen dann – in Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung, Auswanderung, legale und illegale Verschiebungen von Vermögenswerten. Es gibt also sehr gute Gründe, Steuerhinterziehung zu einem Kavaliersdelikt herabzustufen, denn der Staat tut eindeutig zu wenig, seinen Bürgern einen angemessen Teil ihres Verdienstes zu belassen. Think about!
Das Konzept des zivilen Ungehorsams stammt aus autokratischen und diktatorischen Systemen, wo die Menschen keine andere Handhabe haben, gegen die Anweisungen der Regierung aufzubegehren.
Ich habe gerade meinen Kaffee über die Tastatur gespuckt. Wie kommst du den darauf?
In einer funktionierenden, rechtsstaatlichen Demokratie gibt es keinen Raum für „zivilen Ungehorsam“. Wem etwas nicht passt, der suche sich politische Mitstreiter, fertig. „Ziviler Ungehorsam“ ist hier nur ein linker Euphemismus“ für „Welche Gesetze ich akzeptiere, entscheide ich, will dafür aber nicht die Folgen tragen“.
Kriminelle sind Kriminelle, mir ist der Grund dafür, WARUM jemand zum Kriminellen wird, vollkommen wumpe.
Gruss,
Thotrsten Haupts
Rosa Parks und Martin Luther King waren „Kriminelle“?
Die gleiche Frage läßt sich zu Henry David Thoreau stellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ziviler_Ungehorsam
Sie beide wollen die Situation in Indien 1945 oder den USA 1860 und 1960 mit heute vergleichen? Staun. Wenn das nicht klar geworden ist – ich sprach vom Deutschland 1980 ff.
exakt, das ist hanebüchen.
Nach dieser Logik waren die USA in den 1960ern kein funktionierender demokratischer Rechtsstaat. Die Aktionen der Bürgerrechtsbewegung haben sicher mehr freie Bürger bei der freien Fahrt behindert als die Klimakleber heute.
Bei Thoreau gehe ich nicht mit – das ist völlig individualistisch. Wenn jeder sich nur auf sein Gewissen beruft („dann brich das Gesetz“), ist kein Gemeinwesen mehr möglich. Thoreau ging dann ja auch in die Wälder.
Die Gleichsetzung von Klimaklebern mit Dieben und Räubern ist gleichwohl unsäglich.
Wir sind uns hoffentlich einig, dass ein Staat mit „Rassentrennung“ kein „funktionierender demokratischer Rechtsstaat“ im heutigen Sinne ist, ja?
Aber genau das ist der Punkt – in einem demokratischen Rechtsstaat heutiger Prägung ist jeder echte Grund für „zivilen Ungehorsam“ entfallen. Und selbstverständlich ist die Gleichsetzung von Klimavandalen mit Dieben und Räubern zulässig – beide wollen ihre egoistischen Interessen gesetzeswidrig gegen eine breite Mehrheit anderer durchsetzen.
Gruss,
Thorsten Haupts
Nein.
Diebe und Räuber wollen nur Vorteile für sich selbst und zum Schaden anderer. Egoismus.
Die Aktivisten wollen und haben für sich selbst keinerlei Vorteile, nur Nachteile. Kein Egoismus.
Der Mensch wird nicht von altruistischen Motiven getrieben. Leider ist das die Vorstellung von Linken. Und auch wer nicht über die Motivstruktur von Klimakriminellen philosophieren möchte, sollte doch eins anerkennen, weil es die Grundlage unseres Zusammenlebens ist: Es gibt in einem zivilen, demokratischen Rechtsstaat keine Begründung für zivilen Ungehorsam.
Wir waren ansonsten schon einmal weiter. Mit steigendem Einkommen arbeiten Menschen oft nicht hauptsächlich für den Broterwerb. Der Manager, der 20 Millionen kassiert, leitet doch nicht hauptsächlich des Geldes wegen ein Unternehmen. Der Fußballtrainer mit einem Millioneneinkommen leitet vor allem junge Menschen und unterhält Fans.
Auch Menschen, die sozialen Berufen nachgehen, haben durchaus Motive, die sich aus ihrer Ich-Perspektive beziehen: Gesellschaftliche Anerkennung und vor der Ächtung, wenn sie sich nicht um ihren pflegebedürftigen Partner kümmern.
Mit Ihrer Argumentation lassen sich problemlos 80 bis 90 Prozent zu allein am Gemeinwohl interessierten Menschen erklären. Das ist zweifellos die kommunistische Sicht auf die Menschheit, weshalb Linke so skeptisch bis ablehnend dem Individuum gegenüberstehen.
Sektenmitglieder, und damit vergleichen Experten inzwischen die Gruppe der Letzten Generation, suchen nach der Anerkennung der Gläubigen. Die Feststellung ist ja, dass die Klimakriminellen nicht diskutieren wollen. Sie wollen ihre Sicht der Dinge erzwingen, sie wollen nicht überzeugen. Sie lassen sich für ihre Überzeugungen bezahlen, sei es durch Gehaltsbezug, Kostenübernahme, Spenden für Strafen. Ein altruistisch eingestellter Mensch will das nicht. Ihre zentralen Forderungen sind 9-Euro-Ticket und Tempolimit.
Angesichts ihres Namens kann niemand glauben, dass diese Lösungsansätze der Schwere ihres Anliegens nur annähernd gerecht würde. Klar ist aber, dass das 9-Euro-Ticket in den Kreisen der Öko-Linken, der Medien wie des staatlichen Unibetriebs sehr beliebt war, weil des dort besonders genutzt wurde. Das ist eine pure egoistische Forderung!
Und was die Verschandelung von Geschäften und Häusern wie Kunstwerken mit dem Anliegen Klimaschutz zu tun hat, erschließt sich niemanden außer den Sektenmitgliedern. Sie behaupten, damit Reiche treffen zu wollen. Doch die Ladenbesitzer sind selten Millionäre, für den Schaden kommt die Versicherung auf und beseitigt wird es von unterdurchschnittlich verdienenden, hart arbeitenden Menschen, die am wenigsten Verständnis für den Vandalismus haben.
Auch Vandalen haben kein Gemeinwohlinteresse. Erschreckend, dass Sie dazu nicht nur schweigen, sondern es noch schönreden.
Ich habe NIEMALS Vandalismus schöngeredet. Oder das Beschmieren von Wänden und Fahrplänen. Oder die Idioten, die „Fuck Capitalism“ sprühen.
Banksy ist eine andere Kategorie.
Dieser Beitrag hat sich mir nicht erschlossen.
Dass die LG sektenartige Züge aufweisen, sehe ich auch. Aber das ist nicht „kriminell“.
Was hat sich Ihnen nicht erschlossen? Es gibt keine Begründung für zivilen Ungehorsam in unserer freien Gesellschaft.
Die Aktivisten wollen ein demokratisch legitimiertes Parlament dazu zwingen, ihre spezfischen Gesetzeswünsche 1:1 umzusetzen. Etwas egoistischeres kann ich mir kaum vorstellen.
Und noch einmal – die ohnehin wackeligeBegründung für „zivilen Ungehorsam“ ist in einem demokratischen Rechtsstaat heutiger Prägung schlicht vollständig entfallen. Heute heisst „ziviler Ungehorsam“ nur noch „Ich bin zu faul, mich politisch zu engagieren bzw. halte das für mein spezifisches Anliegen für aussichtslos, deshalb greife ich zu moralisch überhöhten Erpressung“.
Finde es sehr schade, dass Islamisten oder Rechtsradikale für politische Anliegen, die ihnen persönlich nicht direkt nutzen, nicht zu zivilem Ungehorsam greifen. Würde die sympathisierende Akzeptanz bei Linken und Linksliberalen für diese Form politischer Erpressungsversuche erheblich abkühlen …
Gruss,
Thorsten Haupts
Wenn sich islamisten auf die straße klebten, hätten wir halt einen entscheidenden unterschied: ihre ziele sind nicht mit der fdgo vereinbar. die gleichsetzung ist daher völlig schief. ich würde fdp-ler, die sich auf die straße kleben um die einhaltung der schuldenbremse zu erreichen, auch nicht anders betrachten.
Ach, und ein nach dem Zufallsprinzip zusammengesetzter Gesellschaftsrat ist mit unserer freiheitlichen Grundordnung in Übereinstimmung zu bringen? Wo hast Du das gelesen und welches EU- oder nordamerikanische Land hat so etwas?
„… welches EU- oder nordamerikanische Land hat so etwas?“
Irland:
https://en.wikipedia.org/wiki/Citizens%27_Assembly_(Ireland)
ich halte das wie schon oft geschrieben für eine bescheuerte idee, aber machen kann man das schon.
Auch hierzulande wurden unsinnige und potentiell gefährliche Vorhaben durch zivilen Ungehorsam gestoppt: Wyhl und Wackersdorf. Ohne die angeblich bei uns „das Licht ausgegangen“ wäre. Auch die ehemaligen Befürworter sehen das inzwischen so.
Nicht von „Kriminellen“ , sondern von Winzern, Bauern und Bürgern. Und nach diesem Denkanstoß sogar von einem Landrat.
Davon abgesehen blockieren Bauernverbände permanent irgendwo mit Treckerdemos Straßen. Stört keine Sau.
Das wäre mir neu. Ich glaube, da bist Du in der Zeit stehengeblieben, 1984 würde ich sagen. 😉
zustimmung
Das verwundert mich. Du bist zum einen Geschichtslehrer, zum anderen hast Du Dir selbst das Thema gewählt. Der Begriff des zivilen Ungehorsams stammt aus der Antike und Du wirst mir sicher zustimmen, damals und danach waren zivile, demokratische Rechtsstaaten nicht das dominierende Staatskonzept. 1850 wurde das weiterentwickelt, aber auch damals waren Demokratie und Rechtsstaat nur etwas für Amerikaner und Briten. Das Ziel des Konzepts des modernen zivilen Ungehorsams ist, die Durchsetzung von Bürger- und Menschenrechten.
Mit etwas Klugheit und Belesenheit wird man als Bürger feststellen: das ist in den Verfassungen der westlichen Demokratien lückenlos verankert. Wie wenig Du selbst davon hältst und wie sehr es Dich juckt, das einfach politisch zu instrumentalisieren, hast Du in der Pandemie gezeigt. Die Bürger, die gegen die Grundrechtseinschränkungen des Staates demonstriert haben und manchmal Gesetze übertreten haben, hast Du Querdenker, Schwubler geschimpft und ihnen schlicht das Recht abgesprochen, gegen die Maßnahmen zu sein. Auch das, Stefan, war aber nach Lesart ziviler Ungehorsam.
Es hat seine sehr guten Gründe, warum das angebliche „Recht auf zivilen Ungehorsam“ nicht in den Verfassungen der modernen Demokratien verankert ist. Es ist ein Widerspruch in sich. Der moderne, zivile Staat gewährt und garantiert die Grund- und Menschenrechte.
ich verweise immer auf das gegenbeispiel MLK.
Nochmal: welche politische Position lässt sich im demokratischen Rechtsstaat nicht durchsetzen als dass es zivilen Ungehorsams bedurfte? Teilen der amerikanischen Bevölkerung wurden bis ins 20. Jahrhundert hinein Grundrechte vorenthalten. Darauf zielen Eure Erwiderungen. Aber welches Grundrecht wird Klimakriminellen grundsätzlich vorenthalten? Ich sehe es nicht.
Es gibt auch ein Grundrecht, mit der gebotenen Gewaltsamkeit Klimachaoten von den Straßen zu entfernen. Da hast Du allerdings vor kurzem argumentiert, die würdest eine „Radikalisierung“ sehen. Und über das Recht, Sprüher zu besprühen, muss auch noch gesprochen werden.
die würden argumentieren, das grundrecht auf lebenswerten planeten und dass sie sich für die einhaltung der verfassung einsetzen, die die breg bricht.
@ Stefan Sasse 7. Juli 2023, 09:02
die würden argumentieren, das Grundrecht auf lebenswerten Planeten …
Nichts von dem, was sie fordern bzw. erreichen wollen, ändert die Klimaentwicklung auch nur auf der dritten Nachkommastelle.
… und dass sie sich für die Einhaltung der Verfassung einsetzen, die die Bundesregierung bricht.
Dafür gibt es Gerichte …
I know. ich sag nur was die argumentieren.
Es ist nicht relevant, wie sie argumentieren. Das theoretische Konzept des zivilen Ungehorsams geht von objektiv feststellbaren Tatbeständen aus. Wenn eine Gruppe von der Willensbildung sowohl de jure als auch de facto ausgeschlossen ist, kann sie nunmal nicht mitbestimmen. Dagegen aufzubegehren, begründet danach zivilen Ungehorsam.
Nur, dieser Sachverhalt liegt hier nicht vor und er ist in unserer Ordnung nicht einmal theoretisch denkbar.
Es liegt auch in der Natur der Sache, dass „die Rettung des Planeten“ nur von der Weltgemeinschaft bewerkstelligt werden kann. Deswegen hat sich die UN der Sache seit Jahrzehnten angenommen und die Staaten sind Verpflichtungen eingegangen. Diesen zu folgen und zu überwachen, ist Aufgabe der demokratischen wie rechtsstaatlichen Ordnung. Diese wiederum sind basisdemokratisch bestimmt. Wie sagst Du immer? Wer einen radikaleren Klimaschutz will in Richtung der Aktivisten, kann die Grünen wählen. Spätestens wenn sie die absolute Mehrheit erhalten, sind sie sehr frei in ihrem Handeln.
Und mit der Begründung ist ziviler Ungehorsam jedem bei jedem politischen Themenfeld erlaubt. Ich mache mir auch Sorgen, dass die Rechte und damit Lebenschancen von Gutverdienern elementar verletzt sind, wenn sie eine weit höhere Steuerlast tragen müssen als üblich, wenn für sie Sondersteuern erhoben werden (Gleichheitsgrundsatz!) und sie de facto enteignet werden. Und ich fühle mich in meinen Grundrechten verletzt, wenn Menschen in diesem Land bleiben, die keinen legalen Aufenthaltsstatus besitzen und sie mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit Gewaltdelikte begehen.
So geht es nicht. Und wenn heute Deutschland von der Landkarte verschwindet, ändert das nicht das Geringste (!) an den klimatischen Bedingungen. Das ist nicht messbar.
Wussten das die Verfassungsrichter nicht, als sie der Politik diesen unsinnigen Auftrag erteilten?
Was wussten die Richter nicht?
Man könnte glatt meinen, Stefan Pietsch sei ein Verfassungsfeind.
ja, aber dann würde man sich auf sein niveau runterbegeben.
„wenn Deutschland von der Landkarte verschwindet“
Weniger polemisch, pardon: Wenn das so ist, machen klimapolitische Maßnahmen in kleinen Ländern wie D keinen Sinn. Das kann es doch wohl nicht sein.
Sie beklagen Polemik und hauen gleich eine polemische Aussage hinterher. Tststs.
Ich habe die Tatsache schon oft in verschiedenen Formulierungen wiederholt, weil wir in Deutschland und ganz besonders im öko-linken Lager in unserer Vorbildfunktion die Relationen ignorieren.
Die globalen Emissionen belaufen sich auf 37 Milliarden Tonnen CO2, Deutschland trägt dazu knapp 0,7 Milliarden Tonnen oder 1,7% bei. Das ist weniger als das jährliche Wachstum an Emissionen, verursacht durch Drittländer außer den USA. Deswegen: selbst wenn Deutschland 0 Emissionen aufwiese, wäre das nicht spürbar.
Die gesamte EU emittiert 3,3 Millionen Tonnen, das sind rund 9 Prozent des globalen Ausstoßes, Tendenz fallend. Das ist nicht unwesentlich. Neben den vier großen Flächenländern besteht die Europäische Gemeinschaft vorrangig aus kleinen Staaten. Es macht also sehr wohl Sinn, wenn die 27 Staaten gemeinsam handeln, soweit man sich in einer solchen Gemeinschaft abstimmen kann.
Keinen Sinn macht es jedoch, wenn Deutschland sich als „Vorbild“ aufspielen will, tatsächlich beim größten Sektor, dem Energiebereich, sich auf andere Länder stützt. Es erschließt sich auch nicht der Sinn, warum Deutschland mit der Sektoreneinteilung eine deutlich differenzierte Strategie fährt. Diese hat bisher außer anklägerischen Feststellungen, dass mehrere Sektoren seit Jahren ihre Ziele reißen, nichts gebracht.
Auch im Rahmen einer konzertierten Klimaschutzpolitik war es also sinnvoll, dass die EU-Kommission als Vertragspartner auftritt. Und nebenbei, CitizenK, besitzt die EU auch die Kompetenz für den Klimaschutz wie für außenwirtschaftliche Verträge. Mit „zivilem Ungehorsam“ also zu meinen, etwas fürs Klima bewegen zu können, ist an Dummheit kaum zu überbieten.
„Es macht also sehr wohl Sinn, wenn die 27 Staaten gemeinsam handeln“
Darauf wollte ich hinaus.
„an Dummheit nicht zu überbieten“
Nicht dümmer, als Kundgebungen abzuhalten oder Artikel zu verfassen. Naivität ist nicht gleich Dummheit.
Ich verstehe einfach nicht euer Beharren auf der Gleichsetzung mit Kriminellen. Diese wollen der gesetzlichen Strafe entgehen, sich der Verantwortung für ihr Tun entziehen. Sehr im Gegensatz zu den Aktivisten, die das in Kauf nehmen als Preis für ihren Einsatz für ein (vielleicht vermeintliches) höheres Gut bewusst in Kauf nehmen. Wie kann man diesen strukturellen Unterschied nicht sehen?
Ich kenne eine solche Aktivistin persönlich. Gestandene Frau Mitte Vierzig, Softwareentwicklerin bei einem großen IT-Unternehmen, Mutter von drei Adoptivkindern (aus schwierigen familiären Verhältnissen), um deren Zukunft sie sich sorgt. Hat zweimal mit einer „Klimaliste“ kandidiert – erfolglos. Daraus den Schluss gezogen, dass in der Bevölkerung das Bewusstsein für die Dringlichkeit der Klimafrage fehlt und sich der LG angeschlossen.
Dass die Klebeaktionen kontraproduktiv sind, weil sie die Menschen gegen ihr Anliegen aufbringen, haben wir ihr immer wieder gesagt. Dass andere Aktionsformen sinnvoller wären, auch. Sie will das nicht sehen. Naiv? Ja. Kriminell? Nein.
Mir will einfach nicht in den Kopf, warum gebildete und aufgeklärte Menschen diese Frau mit Einbrechern und Schlägern in eine Schublade stecken wollen.
oder terroristen.
@ CitizenK 8. Juli 2023, 00:07
Ich verstehe einfach nicht euer Beharren auf der Gleichsetzung mit Kriminellen.
Wie schon öfter gesagt sehe ich das nicht ganz so krass wie Stefan P., muss aber zugeben, dass er die Argumente auf seiner Seite hat.
Ist jemand, der mit 100 km/h durch die Stadt rast, sich betrunken hinters Lenkrad klemmt oder ständig während der Fahrt am Smartphone die Mails checkt, kriminell? Er nimmt wissentlich ein deutlich höheres Risiko für sich und andere in Kauf.
Ist jemand, der Verkehrswege blockiert, für Staus, knifflige Verkehrssituationen und so für erhöhten Streß bei anderen Verkehrsteilnehmern sorgt, kriminell? Solch eine Person nimmt ein deutlich erhöhtes Risiko für sich und andere in Kauf (und sei es durch die Blockade von Verkehrswegen für Rettungswagen, Feuerwehr oder Polizei).
Sehr im Gegensatz zu den Aktivisten, die das in Kauf nehmen als Preis für ihren Einsatz für ein (vielleicht vermeintliches) höheres Gut bewusst in Kauf nehmen. Wie kann man diesen strukturellen Unterschied nicht sehen?
Dieser strukturelle Unterschied ist nicht relevant. Ob Dir jemand auf die Nase haut und dann davonläuft, um sich der Strafverfolgung wg. Körperverletzung zu entziehen, oder ob er stehenbleibt, sich festnehmen lässt und sagt „das war’s mir wert“, macht für Deine Nase bitte welchen Unterschied?
Der Unterschied zwischen Stefan P., Thorsten H. und Erwin G. auf der einen Seite und Stefan S., Citizen K. etc. ist der, dass Du auf der einen Seite mit dem Anlass der Kleberei sympathisierst (wobei Du verstehen solltest, wie sinnlos die Forderungen im Gesamtkontext sind) und dem Staat nicht soooo viel Respekt entgegen bringst. Für mich ist wiederum das Funktionieren von Polizei und Rechtsstaat enorm wichtig, während bei mir die Erfüllung einer Forderung, die praktisch nichts bewirkt, keine besonders hohe Priorität hat.
Aber Fakt ist: Hier wird bewusst Recht gebrochen, selbst wenn sich der Rechtsbruch nicht direkt gegen Eigentum oder Gesundheit anderer Menschen richtet (eine Parallele etwa zur Steuerhinterziehung).
Aber da hier die Werteprägung greift, werden Argumente und Fakten sinnlos sein, so dass beide Seiten dieser Diskussion bei ihrer Meinung bleiben werden.
Gut, dass du das Beispiel erwähnst: https://twitter.com/OomenBerlin/status/1676896964493864960
Sie reden so, argumentieren aber für das Gegenteil. So stimmen Sie der Aussage zu, es sei sinnvoll, wenn 27 Staaten ihr Vorgehen beim Klimaschutz weitgehend abstimmen würden, fordern aber konsequent Alleingänge. Z.B. forderte bisher kein Partnerland, Deutschland solle seine Energieerzeugung konsequent auf Wind und Sonne überstellen, im Gegenteil. Es wurde der deutschen Politik von Brüssel, Paris, Stockholm angeraten, seine Kernkraftwerke nicht abzuschalten. Sie argumentieren wahlweise mit der Vorbildfunktion oder dem angeblichen Nachholbedarf. Sie bauen Ihre Argumentation auf der Sektorentheorie auf. Das hat nichts mit gemeinsamen Vorgehen zu tun.
Ich verstehe einfach nicht euer Beharren auf der Gleichsetzung mit Kriminellen. Diese wollen der gesetzlichen Strafe entgehen, sich der Verantwortung für ihr Tun entziehen.
Das ist Ihr Unterscheidungsmerkmal? Really?
In den Siebzigerjahren haben wir uns als demokratischer Rechtsstaat entschieden, Terroristen nach ihren Taten zu beurteilen und nicht, wie von ihnen verlangt, als politische Gefangene. Sie rollen die Geschichte neu auf.
In einem Rechtsstaat gibt es das sehr weite Feld des Legalen und den kleinen Bereich des Illegalen. Verhaltensweisen, die wir als Gemeinschaft besonders ächten, die völlig inakzeptabel sind, fassen wir im Strafrecht. Klimakriminelle tun genau das, was im Strafgesetzbuch steht, in voller Absicht, um Aufmerksamkeit zu erregen. Nur darf uns die Motivation nicht interessieren.
Was ist der Unterschied zwischen migrantischen Autoposern, die aus Anlass einer Hochzeit den Verkehr auf einer Autobahn lahmlegen und Klimakriminellen, die dies auf einer Stadtstraße tun? Was ist der Unterschied zwischen jemanden, der aus Ärger über die Ladenpreise Waren und Einrichtung eines Shops beschädigt (Falling Down!) und Klimakriminellen, die solche Läden mit Farbe verunstalten?
Aus Sicht des Rechts gibt es keinen. In dem einen Fall ist es ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gepaart mit Nötigung und im anderen Vandalismus. Sie sind begründungspflichtig, auf was Sie Ihre Unterscheidung stützen.
Klimakriminelle versuchen sehr wohl, sich ihrer Strafe zu entziehen. Das geschieht auf vielfältige Art. Weglaufen geht ja aus Gründen der Sache nicht. Sie plädieren auf nicht schuldig, erscheinen nicht vor Gericht, versuchen die Strafen durch Spenden abzudecken, sie dokumentieren das Vorgehen der Staatsgewalt (nicht ihre eigenen Übergriffe) im Detail in der Hoffnung, die Polizei auch bei kleinen Fehlern bloßstellen zu können. Man könnte das als Staatsverachtung bezeichnen. Das ist alles, nur keine Eigenverantwortung.
Ich kämpfe seit Jahrzehnten für eine Vereinfachung des Steuersystems und maßvollere Besteuerung. Manchmal nahm sich eine Partei des Anliegens an, meistensteils waren Politik und Bevölkerung aber blind für den doch objektiv feststehenden Missstand. Dennoch habe ich Steuerhinterziehung nie als Protestform begriffen, die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren.
Kriminell sind nicht nur Einbrecher und Schläger – obwohl die Klimakriminellen sich in diese Richtung bewegen, wenn sie in Häuser und bei Airports einbrechen, das Eigentum anderer zerstören. Da blicken Sie einfach drüber hinweg. Kriminell sind viele Taten, die nicht mit physischer Gewalt einhergehen. Dennoch wollten Sie sie nicht aus dem Strafgesetzbuch getilgt wissen.
Ich habe von Anfang an klargemacht, dass ich hier nicht schreibe, um andere von meiner Meinung zu überzeugen. Im Gegenteil, eine offene, freie Gesellschaft verlangt viel Toleranz. Ich schreibe Artikel als Diskussionsangebot, und deswegen oft sehr pointiert. Angebote kann man annehmen oder ablehnen. Zuletzt wurden die Angebote weitgehend abgelehnt, was zur Rücknahme des Angebots führt. Marktwirtschaft. Auf den Gedanken, andere dazu zu verpflichten, die Artikel nicht nur zu lesen, sondern auch kommentieren zu müssen, bin ich noch nicht gekommen.
q Stefan Sasse 8. Juli 2023, 11:35
Gut, dass du das Beispiel erwähnst: https://twitter.com/OomenBerlin/status/1676896964493864960
Der gehört für mich auch in den Knast, zumindest mehrere Tausend Euro Strafe samt Führerschein-Entzug auf Lebenszeit o.ä.
„Das habe ich nicht gewollt“ ist für mich bei solch einem Fehlverhalten kein strafmildernder Umstand.
das missverhältnis ist schon echt krass. ich weiß nicht, wie sehr ich in die vollen greifen will bei bestrafung – ich bin generell eher für restitution denn strafe – aber das, was es hier gibt, ist lächerlich.
@Citizen K:
Mir will einfach nicht in den Kopf, warum gebildete und aufgeklärte Menschen diese Frau mit Einbrechern und Schlägern in eine Schublade stecken wollen.
???? Weil Sie jemanden kennen, dessen verbalisierter Motivation Sie glauben, ist derjenige kein Krimineller mehr, wenn er kriminell wird?
Punktuelles Klimakleben war dabei nicht einmal mein Hauptpunkt, sondern die versuchte politische Erpressung über das expressis verbis ausgedrückte Ziel der „Bewegung“, den Verkehr einer Stadt lahmzulegen oder der sinnlose Vandalismus gegen eine schöne, unwiderbringlich zerstörte, Jugendstil-Bar auf Sylt. Mir ist es in solchen Fällen vollkommen wurscht, ob die Täter besoffen mal geile action machen wollten oder ein politisches Ziel haben.
Es gibt in unserer freien Gesellschaft kein politisches, GG konformes, Ziel mehr, das man nicht auf völlig legalen Wegen aktiv betreiben kann. Damit ist die Begründung für „zivilen Ungehorsam“ einfach entfallen und Täter, die sich hinter diesem Begriff verstecken, sind immer noch Täter. Was auch immer in deren Gehirnen vorgeht ist für mein Urteil vollkommen belanglos.
Gruss,
Thorsten Haupts
„Grundrecht, …..Klimachaoten von den Straßen zu entfernen“
Grundrecht auf Selbstjustiz? Welcher GG-Artikel ist das?
Es mag Sie erschrecken – aber an der Stelle fremdeln Sie mit unserem Rechtsstaat – aber ich darf Klimachaoten von der Straße entfernen, ggf. etwas an den Haaren zeiehn, wenn das das geringste Mittel ist. Denn tatsächlich haben solche Personen nichts auf der Straße zu suchen.
Leider wird das noch viel zu wenig getan.
alter, wenn hier jemand mit dem rechtsstaat fremdelt bist du das, wie man an deinem letzten kommentar ja gut sehen konnte…hör endlich auf mit diesen ständigen angriffen! wir können auch andere meinungen haben ohne gleich terroristen, rechtsstaatsverächter oder demokratiefeinde zu sein. rüste mal ab!
Ich habe das Wort Terrorist noch nie im Zusammenhang mit Klimaklebern verwandt.
Konkret beschwerte sich CitizenK, dass andere Bürger Klimakleber von der Straße zerren. Da stellt sich die Frage: Wo ist das Problem?
Darüber hinaus postulierst Du, meist unausgesprochen, eine Überordnung des Demokratieprinzips über das Rechtsstaatsprinzip. Doch das gibt es nicht. Wo sehe ich je Deinen Respekt, von Liebe ganz zu schweigen, gegenüber dem Recht? Ich höre von Dir immer, man müsse das Recht so lange biegen, bis es der eigenen Überzeugung entspricht.
Und dann beschwerst Du Dich, wenn ich solche Einstellungen als rechtsstaatsfeindlich bezeichne?
Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, dass Sie wiedermal auf nix geantwortet haben? Finden Sie das höflich?
In der Pandemie haben Sie hart geurteilt, wenn Sie sich nur gefühlsmäßig in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrheit verletzt fühlten. Auf das Tatsächliche kam es nicht an. Warum sind Sie beim Thema Klimakleber nicht so auf strenge Abgrenzung bedacht?
Sie haben keinen Nachweis, keine Quelle für Ihre Behauptung geliefert, Bauern und LKW-Fahrer dürften ungestraft Straßen blockieren.
Finden Sie es richtig, dass die Corona-Ordnungswidrigkeiten noch heute verfolgt werden? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?
Wie wollen Sie die Motive von Klimaklebern erforschen?
Es wäre nett, wenn Sie darauf eingehen würden.
Unrecht muss in Deutschland dem Recht nicht weichen. Mit anderen Worten – Sie dürfen Ihr Recht gegen einen Rechtsbrecher notfalls auch mit Gewalt durchsetzen (innerhalb von Verhältnismässigkeitsgrenzen), wenn nichts anderes hilft.
Ist ein alter deutscher Rechtsgrundsatz, gegen den Linke schon mehrfach Sturm gelaufen sind (allerdings mit exakt zero Chance auf Bevölkerungsmehrheiten).
Gruss,
Thorsten Haupts
Grrr. Korrektur: Recht muss dem Unrecht nicht weichen.
a) Interessante Einordnung der debt-forgiveness-Entscheidung des SCOTUS. Siehe dazu auch den Vergleich mit der für Affirmative Action, die er für vernachlässigbar hält. Zu Affirmative Action hat Marcel Fratzscher interessante Schlussfolgerungen für Deutschland.
Fratzscher wird immer mehr zu einem populistischen Schreiber, bei dem sich die Substanz entgegengesetzt entwickelt. Wer mal ein paar Vorstellungsgespräche geführt hat und die Entwicklung der Neuen im Unternehmen beobachtet, wird immer wieder feststellen, dass man in einem 1-2stündigen Interview nicht genügend über einen Menschen erfährt, um ihn zuverlässig einschätzen zu können.
Genau deswegen sind Noten, die über einen langen Zeitraum erworben werden, wie Selbsterfahrungen in Form eines harten Ausleseprozesses in den ersten Semestern eines Studiums letztendlich unersetzlich. Wer sich selbst schlecht einschätzen kann, dem müssen durch hautnahe Erfahrungen die Grenzen nahbar gemacht werden.
Dazu behauptet Fratzscher mit Verweis auf Artikel des DIW, dass die Erfahrungen mit Quoten in Vorständen und Aufsichtsräten durchgehend positiv seien. Doch das gibt seine eigene Quelle nicht her. Wörtlich heißt es:
Erneut mehr Frauen in Vorständen großer Unternehmen – durch Beteiligungsgebot angestoßene Dynamik lässt aber nach
Ohne dass die gesetzlichen Vorgaben erfüllt wurden, hat sich der Effekt des Gesetzes enorm abgemildert. Das sollte übrigens allen zu Denken geben, die vorzugsweise auf Gebote und Verbote in ihrem politischen Denken setzen. Schon vor über 15 Jahren schrieb ich übrigens, dass sich der Frauenanteil im Top-Management nahezu zwangsläufig erhöhen wird, da der Anteil weiblicher Mitglieder im Mittelbau des Managements aufgrund ihrer tendenziell höheren Bildung wächst. Aber man kommt nicht mit Mitte Dreißig zu Vorstands- und Geschäftsführerposten.
Tatsächlich bleiben Frauen aber weiterhin stark zurück, wenn es um den Einstieg in die Karrierebereiche Vertrieb, Produktion und Finanzen geht. Weibliche Talente sind hier in den meisten Unternehmen rar gesät. Es nützt aber keinem Unternehmen etwas, wenn an der Spitze eine Person steht, die mit den Kernfunktionen wie dem Geschäft an sich nur am Rande vertraut ist. Vorstand und Geschäftsführung müssen das Unternehmen gegenüber Geschäftspartnern, Anteilseignern und der Öffentlichkeit kompetent vertreten. Eine HR-Managerin kann da zwangsläufig nur herumlavieren. Sie versteht keine Zahlen, sie versteht keine technischen wie branchentypischen Zusammenhänge.
Die „Erfolge“ werden weiter getrübt, in dem viele der aufgestiegenen Frauen sich nur wenige Monate bis Jahre in ihren Positionen halten können. Ihnen fehlt neben den angeführten Punkten häufig die Vernetzung wie das Einfinden in die Einsamkeit an der Spitze.
@ Stefan Pietsch 6. Juli 2023, 13:45
Fratzscher wird immer mehr zu einem populistischen Schreiber, bei dem sich die Substanz entgegengesetzt entwickelt.
Oh Mann, volle Zustimmung. Habe ihn mal live gehört, da gefiel er mir gut. Aber das ist auch schon ein paar Jahre her.
Wer mal ein paar Vorstellungsgespräche geführt hat und die Entwicklung der Neuen im Unternehmen beobachtet, wird immer wieder feststellen, dass man in einem 1-2stündigen Interview nicht genügend über einen Menschen erfährt, um ihn zuverlässig einschätzen zu können.
Oh ja!!!
Dazu behauptet Fratzscher mit Verweis auf Artikel des DIW, dass die Erfahrungen mit Quoten in Vorständen und Aufsichtsräten durchgehend positiv seien. Doch das gibt seine eigene Quelle nicht her. Wörtlich heißt es:
Was sollen denn die männlichen Vorstände und Aufsichtsräte sagen?
„Das Weibsvolk taugt nichts“? Was sollen denn die Frauen sagen? „Alte weiße Chauvi-Säcke bremsen uns aus“?
Schon vor über 15 Jahren schrieb ich übrigens, dass sich der Frauenanteil im Top-Management nahezu zwangsläufig erhöhen wird, da der Anteil weiblicher Mitglieder im Mittelbau des Managements aufgrund ihrer tendenziell höheren Bildung wächst.
Was willst Du mit einer logischen Erklärung, wenn es eine ideologische auch tut? 🙂
Tatsächlich bleiben Frauen aber weiterhin stark zurück, wenn es um den Einstieg in die Karrierebereiche Vertrieb, Produktion und Finanzen geht.
Ist auch meine Erfahrung: Egal wie hoch die Position, die meisten Frauen landen bei den „weichen“ wie Marketing oder HR. Die zwei, drei Ausnahmen, die ich kenne, haben den Laden geerbt.
2)
Zitat Stefan Sasse:
„Die Linke ist, was das alles angeht, inzwischen auch weitgehend ideenlos.“
Ist ja auch nicht nötig, wenn man einen Ideen-Lieferdienst hat:
https://economicsociology.org/2018/03/19/thatcherisms-greatest-achievement/
Aber immerhin gibt’s bei allerlei weichen Themen (O-Ton Schröder: Gedöns) linkerseits jede Menge Modernisierung. Jetzt hängt der Himmel zwar voller Gendersternchen, aber der traditionelle sozio-ökonomische Acker liegt eher brach. Die kleinen Leute, die bei Debatten über Queer-Themen womöglich nicht mithalten können, suchen sich unterdessen andere Adressen. Die extreme Rechte lässt es sich angelegen sein, den verwaisten Acker zu bestellen, denn bei brach gelegten politischen Äckern finden sich immer Interessenten; zum Beispiel diese:
https://www.lemonde.fr/en/politics/article/2022/04/21/how-marine-le-pen-gave-up-economic-liberalism-for-a-social-populist-agenda_5981169_5.html
Die ganze Thematik hat übrigens auch Wagenknecht in ihren letzten Buch behandelt. Sie ist im Kern von deinem Kommentar (BTW: Zustimmung meinerseits) nicht weit entfernt, nur etwas zugespitzter^ und mit kübelweise Polemik, damit das „draußen“ fetziger ankommt. Aber sie hat politisches Talent, genau wie ihr Ehemann; beider Problem ist die Zügellosigkeit und die offenbar unstillbare, deutlich überzogene Selbstdarstellungssucht.
da hab ich wagenknecht auch zugestimmt, als ihr buch rauskam.
4) Interessante Anmerkung in den Kommentaren:
/// Am Ende bleibt das paradoxe Problem, dass der Verstoß gegen Regeln selbst auch mindestens seine ungeschriebenen Regeln braucht. Die „tiefere Gesetzestreue“ ist dafür möglicherweise der beste Ansatz, weil er die Widerständler und die, gegen die aufbegehrt wird, auf eine Plattform bringt.
Und noch eins: Mit Habermas den widerständigen „Ungehorsam“ als Form der Kommunikation zu verstehen, ist auch ein wichtiger Punkt und mehr als nur eine weitere Definition. Denn Kommunikation will nichts erzwingen, sondern eine Position vortragen und unüberhörbar machen. In dieser Hinsicht kann sich die LG nicht auf Habermas berufen, insofern sie, bevor sie sich zwecks eigener Existenz und Persistenz institutionalisierte, ganz konkrete Forderungen mit der Politik dealen wollte: Tempolimit 100 auf der Autobahn und wir stoppen die Blockaden.
Ich habe unbeschränkte Sympathie für die Ziele der LG, hege aber Zweifel an der Legitimität einiger Aktionsformen im Kontext solcher Deal-Angebote und vor dem Hintergrund, dass eine – damals noch – sehr kleine Gruppe an aller deliberativer Demokratie vorbei sozusagen eine konkrete Gesetzesvorlage durchzwingen will. Wenn das legitim wäre, wären ja künftig alle sozialen Bewegungen dumm, die nicht ebenfalls maximale Hebelkraft ansetzen und dazu einfach heftig schmerzende Regelverstöße ersinnen.
Ich fürchte, der dargelegte theoretische Rahmen braucht für die Praxis einige Verfeinerungen, stillschweigende Übereinkünfte und zivile Selbstbeschränkungen. ///
Das eigentlich Problematische an der LG sind weder die Ziele noch die Aktionen, sondern der Mangel an Selbstreflexion.
In dieser Hinsicht kann sich die LG nicht auf Habermas berufen, insofern sie, bevor sie sich zwecks eigener Existenz und Persistenz institutionalisierte, ganz konkrete Forderungen mit der Politik dealen wollte: Tempolimit 100 auf der Autobahn und wir stoppen die Blockaden.
Ich halte das eh für Kokolores. glaubt jemand ernsthaft, die würden zufrieden heimgehen, wenn wissing tempo 100 vorschreibt?
Na ja, einige Bürgermeister sind erfolgreich auf den Deal eingegangen, diese Forderungen zu unterstützen.
Aber das tiefere Problem ist die sektenhafte Struktur der Letzten Generation, wie sie im Dossier der Welt am Sonntag herausgearbeitet wurde.
Das Konzept beruht ja darauf, die bestehende Rechtsordnung anzuerkennen und Strafen bewusst in Kauf zu nehmen.
Dabei kommt es dann auf die Abwägung von Rechtsgütern an und auf die Verhältnismäßigkeit.
3) Hier unterlaufen dir in meinen Augen gleich mehrere „Kategorienfehler“, die sich zu einem falschen Bild aufkumulieren:
i) Es ist problematisch, von USA auf Deutschland zu schließen, die Rechtstraditionen sind sehr unterschiedlich.
ii) Es geht nicht um „Politik“, sondern um Kontrolle der Gesetze und seltener (aber gerade aktuell) um Institutionenkonflikte.
iii) Diese gehen initiativ nicht von der direkten Volksvertretung (der Legislative) aus, sondern der Regierung (die nur indirekt repräsentativ ist)
iv) Auch die Verfassungsgerichtsbarkeit ist eine solche indirekt gewählte Instanz (die Richter werden abwechselnd von BT und BR bestimmt)
v) In der Systempraxis ist es doch die Exekutive, die am stärksten in die Kompetenzen der anderen Gewalten hineinwirkt. (Der aktuelle Fall Heizungsgesetz ist ein gutes Beispiel)
vi) Eine in meinen Augen ganz gute Metapher ist es, die Verfassung als „Betriebssystem“ zu sehen. Dann wäre die Judikative eine Art „Systemadministration“. Wenn jetzt die Geschäftsleitung (Regierung) eines Unternehmens die Anschaffung einer neuen Software (Gesetz) beschließt, aber der Admin sagt, dass das nicht mit dem bestehenden Betriebssystem funktioniert, ist es dumm mit dem Argument, dass „betriebliche Entscheidungen von der Unternehmensführung getroffen werden“, diese dennoch durchzuboxen.
4) Interessantes Thema, ein paar Anmerkungen von mir:
i) Das Verklären in der Rückschau beruht natürlich auch auf Rosinenpickerei, indem die ‚guten‘ Beispiele herausgestrichen werden, aber z.B. der Ruhrkampf oder das Blockieren von Abtreibungskliniken unter den Tisch fallen.
ii) Ethisch stellt ziviler Ungehorsam das eigene Gewissen und dessen Beurteilung einer Sache über die institutionelle Struktur der Gesellschaft. Dafür wird die eigene Gewissensentscheidung gegen direkte Gewalt hochgehalten, so sehr, dass manchmal Gewalt gegen sich selbst in Form von Hungerstreiks oder gar Selbstverbrennung akzeptabler erscheint. Nicht ohne Grund haben viele Protagonisten stark religiöse Überzeugungen.
iii) Hingegen ist in dieser Weltsicht die Störung von Abläufen akzeptabel. Und da ist der Konflikt mit der Staatssicht: Eine stark vernetzten Gesellschaft ist so abhängig davon, dass alle Teile reibungsfrei funktionieren, dass eine solche Störung realen Schaden anrichtet – und somit als „Gewalt“ gesehen werden kann.
5) Für den Krimifreund wird hier erklärt, wie die Fälschung entlarvt wurde (sehr spannend):
https://datacolada.org/98
h) Ohne dich bestätigen oder dir widersprechen zu wollen: 13 von 20 richtig bedeutet, dass in 30% der Fragen die Kompetenz ausreicht, um die richtige Entscheidung zu treffen.
k) Elon Musk hat Twitter nicht ganz repariert: in dem Thread wird mir der erste Post angezeigt.
3) i) wie gesagt, ich finde es in beiden ländern problematisch, usa ist nur viel schlimmer.
4) i) absolut!
ii) ja
iii) sonst wäre der protest ja auch sinnlos. protest ohne störung ist ja bescheuert.
Es ist ja schon interressant zu sehen, wer hier der Meinung ist Gesetze seien eher Richtlinien die von freien Individuen immer auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden können und man nicht Einschränkungen seiner persönlichen Freiheit akzeptieren sollte und muss, schon gar nicht mit der Begründung andere zu schützen, wie bspw einen Unfall zu riskieren weil man sich als Fussgänger auf der Strasse aufhält … oh wait, ich hab das irgendwie mit der Pandemie, Maskenmandaten und Ausgangssperren, Kubicki mit Klimaklebern verwechselt, sorry.
Tja, das sind halt die pippi langstrumpf „liberalen“
@ Erwin Gabriel
„so dass beide Seiten dieser Diskussion bei ihrer Meinung bleiben werden.“
Das ist wohl so. Abschließend möchte ich dennoch daran erinnern, dass das Motiv für eine Straftat auch im deutschen Strafrecht durchaus eine Rolle spielt:
„Eine sonst strafbare Tat wird mit einem achtbaren Motiv begangen, wodurch sie straffrei wird. Bäume für eine Brandschneise zu fällen, während ein Waldbrand wütet, ist straffrei – dieselben Bäume aus Rache gegen einen Waldbesitzer zu fällen, hingegen nicht.
Das Strafmaß wird verschärft, wenn bestimmte Motive vorliegen. Tötungsdelikte etwa gehen mit einer längeren Haftstrafe einher, wenn die Tat aus besonders niederträchtigen Gründen begangen wurden – zum Beispiel, wenn ein Tatverdächtiger einen Zeugen tötet.
Die Strafbemessung wird gemildert, wenn achtbare Motive vorliegen.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Motiv_(Recht)
Die Strafbemessung wird gemildert, wenn achtbare Motive vorliegen.
Das scheinen Sie überlesen zu haben. Das passiert ja, nur bleibt kriminelles Handeln trotzdem kriminell. Und nur darum ging es Ihnen ja. Sie verstehen nicht, warum wir Menschen, die Kriminelles aus Ihrer Sicht edlen Motiven tun, als Kriminelle bezeichnen.
@ CitizenK 8. Juli 2023, 10:21
„Eine sonst strafbare Tat wird mit einem achtbaren Motiv begangen, wodurch sie straffrei wird. Bäume für eine Brandschneise zu fällen, während ein Waldbrand wütet, ist straffrei – dieselben Bäume aus Rache gegen einen Waldbesitzer zu fällen, hingegen nicht.
Was Stefan P. nicht zu 1005 gelang, versuchst nun offenbar Du: Mich davon zu überzeugen, wie kriminell diese Leute sind.
Beim Thema „Bäume für eine Feuersperre zu fällen“ ist Gefahr im Verzug, und es gibt einen direkten Bezug zwischen potentieller Gefährdung und Tat.
Beim Festkleben kann angesichts der Trägheiten des Klimasystems keine „Gefahr im Verzug“ gelten. Selbst wenn Deutschland ab sofort alle Emissionen klimarelevanter Abgase auf Null bringt, sind die Auswirkungen auf das Weltklima a) vernachlässigbar und b) greifen frühestens in 10 Jahren. Das Kleben steht in keinem Zusammenhang mit den Schutzmaßnahmen; eher wird es so sein, dass zusätzliche Lösungsmittel freigesetzt werden, die die Atmosphäre belasten.
Nein, den Punkt sehe ich also nicht.
Was, wenn der Baumfäller sich verschätzt hat und – bei Würdigung aller Umstände – gar keine Gefahr bestanden hätte?
Die Aktivisten argumentieren mit den Kipp-Punkten: Gletscher und Polareis schmelzen viel schneller als vorhergesagt. Die Erderwärmung steigt deutlich schneller als selbst in pessimistischen Szenarien angenommen. Ozean-Temperaturen wie noch nie. Fordern ein sofortiges Handeln, auch wenn es nicht sofort wirkt. Je später man anfängt, desto schlimmer wird es, daran ist nichts falsch.
Dass sie die Möglichkeiten der deutschen Politik maßlos überschätzen, ändert daran nichts. Dass etwas sachlich falsch ist (Dein Argument) – macht es das schon moralisch verwerflich?
Wer gegen geltende Gesetze verstößt, muss bestraft werden. Das stellt keiner in Frage. (Es gab allerdings auch schon Richter die bedauerten, dass sie die Angeklagten bestrafen müssen). Mir geht es um die Verhältnismäßigkeit – und die Begriffe. „Klimakriminelle“ ist ein denunziatorischer Kampfbegriff, der in einer sachlichen Debatte nichts zu suchen hat.
Ich verstehe nicht, warum Sie so ausführlich über die angeblichen Motive von Kriminellen diskutieren wollen. Deren Forderungen sind 9-Euro-Ticket und Tempolimit.
Glauben Sie, dass sich damit ein Effekt auf das Schmelzen der Geltscher erzielen lässt?
Stellen Sie sich vor, jemand, der dem Richter sagt, er erscheint morgen nicht zur Verhandlung wird in Haft genommen. Das ist erstaunlicherweise in vielen Rechtsstaaten so. Stellen Sie sich vor, jemand steht vor Gericht, weil er einer Frau an den Hintern gefasst hat. No big deal. Allerdings, auf Fragen des Gerichts sagt er, es täte ihm keineswegs leid, die Frau hatte nunmal ein schönes Hinterteil und er würde damit weitermachen. Ihr Urteil: Bewährung, soll der Typ ruhig noch ein paar Mal grapschen.
Habe ich das so richtig verstanden?
@ CitizenK 8. Juli 2023, 16:25
Was, wenn der Baumfäller sich verschätzt hat und – bei Würdigung aller Umstände – gar keine Gefahr bestanden hätte?
Wir sollten doch erst einmal die Vorzeichen klären, ehe wir uns über die dritte Nachkommastelle den Kopf zerbrechen.
Klimakleberei verstößt gegen Gesetze, hat für bestimmte Menschen ein erhöhtes Risiko zur Folge. Der Rechtsbruch erfolgt nicht nur vorsätzlich (=strafverschärfend), sondern mit der Absicht, einen möglichst großen volkswirtschaftlichen Schaden anzurichten.
Die Forderungen der Last Generation mögen ein Stück weit legitim sein, sind aber für sich genommen vollkommen nutzlos, da selbst ihre sofortige Erfüllung den Klimawandel nicht beeinflusst.
Ist das Wort „kriminell“ für den Versuch einer Gruppe, aus nichtigem Anlass (= Erfüllungen der LG-Forderungen haben keine Auswirkungen auf den Klimawandel) bewusst einen möglichst großen indirekten Schaden zu erzwingen, wirklich zu hart?
PS: Was mich total nervt, ist, dass immer versucht wird, der Polizei bei der Beseitigung der Gesetzesbrecher irgendwie nachzuweisen, dass diese gegen dass Gesetz verstoßen; da habe ich Null Verständnis für. Viele Polizisten (gilt ja auch gleichermaßen für das Militär) mögen durchaus mit den Zielen der LG sympathisieren. Dieses Reduzieren von Menschen auf die reine Funktion, nur weil sie Uniform tragen, ist widerlich. Würde man den Klimaklebern genauso Individualität und Menschlichkeit absprechen und sie nur auf die zu beseitigende Störung reduzieren, die sie ja sind, wäre die Hölle los. Da werde ich mir bei der Suche nach verniedlichenden Begriffen nicht den Kopf zerbrechen.
PPS: Mir hat, dass muss ich gestehen, die Reaktion von VW in der Autostadt gefallen: Feierabend machen, Tür abschließen, Licht aus, die Leute sich selbst überlassen.
Zum zivilen Ungehorsam:
Ich halte absolut nichts von den Extremen, dass Klimakleber oder andere zivile Ungehorsame Schwerkriminelle sind, auch nicht davon, „dass ziviler Ungehorsam eine tiefere Gesetzestreue ausdrückt“.
Übrigens auch nichts davon, Gesetze wie vom Himmel gefallene, unveränderbare Gottesregeln zu behandeln. Das sind, häufig moralische, Regeln unseres Zusammenlebens, natürlich können sie unsinnig oder ungerecht sein und es ist völlig legitim, die politische Power zu suchen, sie zu verändern.
Hier nun meine verwegene These: Der Impact kommt nicht durch den zivilen Ungehorsam per se, sondern durch die Gegenreaktion der Autoritäten, die da gerne mal über die Stränge schlagen.
Wäre Rosa Parks nicht verhaftet worden, wüsste niemand, wer sie ist.
Wäre King einfach unbehelligt über die Brücke nach Selma spaziert, wäre das auch keine Meldung.
Die Klimakleber sammeln unheimlich viel Solidarität ein, weil ihnen aus bestimmten Bubbles und Medien so ein Hass entgegenschlägt und bayrische Sicherheitsbehörden sie zur organisierten Kriminalität erklären und Gespräche mit Journalisten abhören.
Ich glaube übrigens nicht, dass sie so erfolgreich sein werden wie die hier genannten Beispiele (vermutlich gibts viel mehr Beispiele, nach denen nix passiert ist und deswegen wissen wir davon nichts^^). Einfach weil sie kein einzelnes Gesetz angreifen, sondern die Forderungen viel zu abstrakt sind.
Aber sie sorgen dafür, dass der politische Druck hochbleibt und das wird mehr, je krasser die Gegenreaktionen sind. Und so ehrlich sollte man auch sein und ich finde das sehr bedauerlich: es liegt auch daran, dass gesetzestreue Aktionen wie Massendemos von FFF nicht diesen Impact haben.
Wieso Schwerkriminelle? Es werden juristische Tatbestände geprüft, so, ob es sich bei der Letzten Generation um eine Kriminelle Vereinigung handeln könnte. Konzertiertes Vorgehen, Einwerben von Spenden zur Finanzierung strafbewehrter Handlungen und immerhin 1,4 Millionen Euro auf dem Konto der Organisation sprechen dafür. Ansonsten werden die Taten mit relativ geringen Geldstrafen und Freiheitsstrafen geahndet. Sorry, Ariane, das ist eben nicht die Behandlung von Schwerkriminellen. Deine Argumentation ist hier nicht seriös.
Übrigens auch nichts davon, Gesetze wie vom Himmel gefallene, unveränderbare Gottesregeln zu behandeln.
Das nicht, aber Regierungen verändern nicht im Legislaturzyklus das Strafrecht aus guten Gründen. Umso mehr wiegt dann, dass die Strafrechtsnormen dem Bürger eine längerfristige Orientierung geben. Dann sollte auch niemand schönreden, dass die Klimakleber ja mit ihren Taten nicht darauf aufmerksam machen wollen, dass einzelne Normen nicht mehr zeitgemäß seien. Sie wollen Aufmerksamkeit eben durch ihr strafbewehrtes Tun.
Der Impact kommt nicht durch den zivilen Ungehorsam per se, sondern durch die Gegenreaktion der Autoritäten, die da gerne mal über die Stränge schlagen.
So werden Täter zu Opfern. Die typisch linke Strategie.
Die Klimakleber sammeln unheimlich viel Solidarität ein, weil ihnen aus bestimmten Bubbles und Medien so ein Hass entgegenschlägt
Lange keine Umfragen mehr gelesen. Sonst wäre so ein Statement nicht zu begründen. Lediglich 5% bekundeten zuletzt in Umfragen vollumfängliche Sympathie. Ariane, das ist gerademal ein Bruchteil der grünen Wählerschaft! Und das ist für Dich „viel“?? Ernsthaft?
Kleiner Hinweis: Die AfD ist in den letzten Monaten zur zweistärksten Partei in Deutschland in Umfragen aufgestiegen, so etwas wie der Gegenentwurf zur LG. Tendenz weiter steigend. Da ist es um Deine Gegenreaktion nicht gut bestellt. Tatsächlich beginnt die Politik auf den Aufstieg der AfD zu reagieren, während die Grünen zuletzt doch ziemlich gerupft daherkamen.
Der Impact kommt nicht durch den zivilen Ungehorsam per se, sondern durch die Gegenreaktion der Autoritäten, die da gerne mal über die Stränge schlagen.
So werden Täter zu Opfern. Die typisch linke Strategie.
Bitte selbst an die Regeln der seriösen Argumentation halten, Herr Pietsch.
Es geht mir nicht um die normale Strafverfolgung und ich bin auch kein Freund des Klimaklebens, aber – Surprise – wenn sich alle ans Gesetz halten müssen, gilt dies natürlich auch für die Sicherheitsbehörden und das haben sie nachweislich schon mehrmals nicht getan. Das ist genauso kritikwürdig wie gesetzwidriges auf die Straße kleben. Weder Linke noch Rechte dürfen sich da was aussuchen.
Kleiner Hinweis: Die AfD ist in den letzten Monaten zur zweistärksten Partei in Deutschland in Umfragen aufgestiegen, so etwas wie der Gegenentwurf zur LG. Tendenz weiter steigend. Da ist es um Deine Gegenreaktion nicht gut bestellt. Tatsächlich beginnt die Politik auf den Aufstieg der AfD zu reagieren, während die Grünen zuletzt doch ziemlich gerupft daherkamen.
Natürlich, Linke sind an irgendwelchen Rechten schuld. Können wir mal über Eigenverantwortung reden? An rechten Umtrieben sind Rechte schuld, niemand sonst.
Und es geht mir nicht um viel oder Mehrheiten, sondern sie halten den politischen Druck hoch alleine durch die Berichterstattung – egal ob sie freundlich ist oder nicht.
Es geht mir nicht um die normale Strafverfolgung und ich bin auch kein Freund des Klimaklebens
Deine Argumentation insinuiert gegenteilige Absichten. Ich bin auch kein Freund von Steuerhinterziehern, aber…
wenn sich alle ans Gesetz halten müssen, gilt dies natürlich auch für die Sicherheitsbehörden und das haben sie nachweislich schon mehrmals nicht getan.
Es macht einen Unterschied, ob ich einen Menschen jede Sekunde beobachte, ob er sich streng an jede Rechtsnorm und jeden Richterspruch hält, oder ob ich nachträglich das Gesamtverhalten rechtlich bewerte. Wieder ein Fakt aus dem Steuerrecht: fast jede Steuererklärung ist fehlerhaft, die meisten Steuerbescheide ebenfalls. Deine Argumentation: die meisten Steuerzahler sind Betrüger, weil sie sich nicht ans Gesetz halten. Und die meisten Steuerbeamten biegen das Recht.
Ariane, das ist absurd und damit ist Deine Argumentation absurd. Es ist normal und menschlich, dass Polizisten in absoluten Stresssituationen nicht immer und alle absolut jeden Schritt absolut rechtskonform begehen. Du verlangst zu Verteidigungszwecken Unmenschliches von der Gegenseite. Auch das sagt mehr über Deine Argumentationsführung aus als über den Sachverhalt.
Die Polizei dokumentiert – wenn sie darf – den ganzen Sachverhalt mit Bildmaterial. Die Klimakriminellen versuchen sich an möglichst subjektiver Darstellung. So ist keine Gesamtwürdigung möglich.
Können wir mal über Eigenverantwortung reden?
Das wäre für Dich zumindest mal neu, schließlich hast Du mit einem Link angewiesen, der genau eine Politik kritisiert, die den Menschen Eigenverantwortung für ihre Lebensführung zubilligt. 😉
Klimakriminelle sind für ihr Tun verantwortlich. Und dieses ist strafbewehrt. Das sollte eigentlich das Ende der Debatte sein, dennoch machen Du, CitizenK und Stefan ein großes Bohei um die Sache, gipfelnd darin, dass CitizenK ernsthaft fragt, warum wir Kriminelle Kriminelle nennen würden.
Jemand, der bereit ist eine rechtsextreme Partei zu Wählen, ist ein potentieller Wähler einer rechtsextremen Partei. Kein Rechtsextremer. Oder würdest Du behaupten, CitizenK wäre ein Krimineller, weil er Sympathie für Kriminelle zeigt?
Wieder: Dein Argument, die Klimakriminellen würden viel Sympathie wegen der Gegenbewegung (!) erfahren, fällt in sich zusammen. Weder gibt es diese Unterstützung und die Gegenbewegung erfährt viel Sympathie. Das war allerdings nicht, was Du sagen wolltest, oder?
Es ist normal und menschlich, dass Polizisten in absoluten Stresssituationen nicht immer und alle absolut jeden Schritt absolut rechtskonform begehen. Du verlangst zu Verteidigungszwecken Unmenschliches von der Gegenseite. Auch das sagt mehr über Deine Argumentationsführung aus als über den Sachverhalt.
Bitte was? Wenn ich verlange, dass sich die SICHERHEITSBEHÖRDEN an Recht und Gesetz halten, verlange ich Unmenschliches? Und ich rede doch nicht mal von den Polizisten im Einsatz (übrigens sind die dafür ausgebildet, ich erwarte auch von denen, sich an Recht und Gesetz zu halten), sondern von solchen Späßen ohne richterlichen Beschluss die letzte Generation zu einer kriminellen Vereinigung zu erklären. Das ist nicht unmenschlich, das ist das absolute Minimum.
Können wir mal über Eigenverantwortung reden?
Das wäre für Dich zumindest mal neu
Vielleicht lernst du hier erstmal Beiträge zu schreiben, ohne Leute zu beleidigen. Und solange brauchst du mir echt nichts von Eigenverantwortung erzählen.
Und ansonsten Fick Dich und bleib weg von meinen Beiträgen. Ich hab keinen Bock darauf, höflich mit Leuten zu diskutieren, die mich beleidigen.
Sorry fürs Prollen
@ Ariane 8. Juli 2023, 14:03
Bitte was? Wenn ich verlange, dass sich die SICHERHEITSBEHÖRDEN an Recht und Gesetz halten, verlange ich Unmenschliches?
Wenn Du es in dem Rahmen tust, den Stefan Pietsch vorgeschlagen hat – Gesamtbewertung – dann nicht.
Auch veränderst Dein Verhalten und gerätst unter Streß, wenn Dir andere bei allem, was Du tust, Kameras ins Gesicht halten, nur um sicherzugehen, dass sie jeden möglichen Fehler von Dir aufzeichnen. Das wäre „unmenschlich“ und verzerrt die sonst übliche Realität, Dein übliches Verhalten, Deine sonstige Leistungsfähigkeit, Deinen sonst üblichen Umgangston.
Darüber hinaus bestehen auch die SICHERHEITSBEHÖRDEN aus Menschen. Ein:e Polizist:in ist nicht nur die ausübende, sondern auch ein Mensch (ob er/sie dabei Uniform trägt oder nicht).
Als Polizist:in wirst Du in solchen Situationen angerempelt, geschlagen, angespuckt, aufs Übelste beleidigt. Wer sich so gegen eine:n Polizisti:in wendet, meint vielleicht nur die Uniform, handelt aber gegen den Menschen, der da drin steckt, und der alles ohne mit der Wimper zu zucken aushalten soll.
Wenn Dich einer aus Böswilligkeit schubst, anspuckt etc., hast Du wie jeder andere Mensch alles Recht, Dich zu wehren. Die FUNKTION einer SICHERHEITSBEHÖRDE, auch nur ein Mensch, hat dieses Recht nicht. Sie soll das aushalten. Das ist ein Stück weit unmenschlich, in der Tat.
„sondern durch die Gegenreaktion der Autoritäten“
Die Über-Reaktion zeigt, dass da ein Nerv getroffen wurde. Im Grunde wussten die Briten und die Verfechter der Rassentrennung in den USA , dass da Unrecht war, dass gegen die eigenen Werte und gegen die Verfassung verstoßen wurde. Bekannter psychologischer Mechanismus.
Im (viel) kleineren Maßstab auch hier. Mehrere Monate Gefängnis für eine halbe Stunde Stau, Polizeiaktionen wie gegen die Mafia. Aber keine Anklage gegen „Traktorkriminelle“ (Bauern-Beispiel von Stefan Sasse).
wobei das natürlich davon abhängt, wie die gesellschaft drauf ist. eine überreaktion schließlich erfordert ein grundlegendes bewusstsein, dass es eine überreaktion ist. selma hätte 1930 niemand interessiert.
Das stimmt. Um so wichtiger, dass dieses Bewusstsein geschaffen wird.
exakt!
selma hätte 1930 niemand interessiert.
Guter Punkt, da gabs ja viel krassere Geschichten wie die Lynchmorde oder diese schwarze Siedlung, die komplett ausradiert wurde (das waren allerdings die Bewohner, nicht die Polizei)
Immer im Hinterkopf, dass es vermutlich viele illegale Protestformen gibt/gab, die nicht erfolgreich und deswegen nicht im Gedächtnis geblieben sind:
Klimakleber, MLK (oder Malcolm X, King war ja die gemäßigte Variante) oder Suffragetten standen ja nicht am Start einer Bewegung, sondern eher an deren Ende, das Bewusstsein und das Timing waren schon gelegt.
Genau wie die eigentlichen Änderungen in Gesetzen ja nicht von denen kam, die im Gedächtnis blieben, sondern zb vom SPD-Frauenortsverein Cuxhaven – platt gesagt^^
völlig!
@ CitizenK 8. Juli 2023, 15:54
Im (viel) kleineren Maßstab auch hier. Mehrere Monate Gefängnis für eine halbe Stunde Stau, …
Nein. Das weißt Du besser, und das nenne ich daher eine verfälschende Lüge.
Mehrere Monate Gefängnis für geplanten, abgesprochenen, absichtsvollen Gesetzesverstoß in dem Versuch, einen möglichst großen Schaden anzurichten, ohne dabei Rücksicht auf andere zu nehmen.
… Polizeiaktionen wie gegen die Mafia.
Das ist lächerlich. Du weißt ja nicht, wovon Du sprichst.
Aber keine Anklage gegen „Traktorkriminelle“ (Bauern-Beispiel von Stefan Sasse).
Vorab: Weißt Du das sicher, oder vermutest Du das nur?
Jede Demo stört. Aber es gibt trotzdas Recht zu demonstrieren.
Ich darf eine Sitzblockade machen, aber mich nicht an fremdem Eigentum anketten. Und zwischen „Aufmerksamkeit erzeugen“ (was alle wollen) und dem Versuch, rücksichtslos einen möglichst großen Schaden anzurichten, liegen Welten.
Du bist intelligent genug, um losgelöst von Deinen politischen Werten und Meinungen diese Differenzierung nachvollziehen zu können.
Aber sie sorgen dafür, dass der politische Druck hochbleibt und das wird mehr, je krasser die Gegenreaktionen sind. Und so ehrlich sollte man auch sein und ich finde das sehr bedauerlich: es liegt auch daran, dass gesetzestreue Aktionen wie Massendemos von FFF nicht diesen Impact haben.
Kein Zweifel.Und ich habe in den frühen neunzigern auch immer argumentiert, dass schon die reine Drohung des Umschlages von Massendemonstrationen (damals Studenten gegen die Bedingungen der Massenuniversität) in Gewalt politisch tatsächlich hilft.
Ohne Dir irgendwas unterstellen zum wollen, aber dann lass uns das bitte mal konsequent zu Ende denken:
Wenn kriminelle Aktionen oder/und Gewalt politisch nützlich sind, möchtest Du, dass ab heute jede/r diese Mittel einsetzt, der mit seinen Anliegen gerade politisch nicht durchdringt? Ich jedenfalls nicht, weil eine derartige Gesellschaft im Zeitraffertempo zerfallen und uns wieder zu Zeiten zurückbringen würde, in denen der Besitz und Gebrauch von Waffen Autorität begründete. DESHALB lehne ich den Einsatz derartiger Mittel konsequent ab.
Gruss,
Thorsten Haupts
Wenn kriminelle Aktionen oder/und Gewalt politisch nützlich sind, möchtest Du, dass ab heute jede/r diese Mittel einsetzt, der mit seinen Anliegen gerade politisch nicht durchdringt? Ich jedenfalls nicht, weil eine derartige Gesellschaft im Zeitraffertempo zerfallen und uns wieder zu Zeiten zurückbringen würde, in denen der Besitz und Gebrauch von Waffen Autorität begründete. DESHALB lehne ich den Einsatz derartiger Mittel konsequent ab.
Das halte ich zwar für übertrieben, aber ich bin keinesfalls dafür, dass irgendjemand zu illegalen Mitteln greift – auch nicht Klimakleber. Ich halte es nur für kontraproduktiv, sie zur kriminellen Vereinigung zu erklären. Und schwupps – diese banale Erkenntnis reicht doch schon, dass ich hier plötzlich zur Sympathisantin gemacht werde. Egal wie bescheuert ich es finde, dass sich jemand irgendwohin klebt.
Die Klimakleber sind vielleicht ein schlechtes Beispiel, weil sich irgendwohin kleben hauptsächlich Gewalt am eigenen Körper sind und ich schon eher genervt bin, dass die ständig Thema sind und sich nicht so leicht ignorieren lassen.
Grundsätzlich halte ich es für grundverkehrt, dass illegale – gewaltvolle Mittel häufig eins (von mehreren) erfolgreichen Mitteln sind, das sollte nicht so sein und scheint mir ein Demokratiedefizit offenzulegen. Mein Wunsch wäre daher, das zu vermeiden (und hier Klimakleber eben ganz normal anzuklagen ohne eine Mafia drauszumachen)
… das sollte nicht so sein und scheint mir ein Demokratiedefizit offenzulegen …
Da sind wir uns im Ergebnis einig, nur sehe ich den Grund in der Verfasstheit des Menschen und nicht in einem Demokratiedefizit.
Gruss,
Thorsten Haupts
Guter Punkt. Ist bei der AfD vielleicht ähnlich?
Interessante Frage, die AfD ist allerdings eine ganze Partei und hat nicht ein einzelnes, politisches Ziel. Und die Sicherheitsbehörden agieren ja am Schreibtisch – wenn die so eine Veranstaltung wie in Erding zusammengeschlagen hätten, wäre es vergleichbar.
So wie jetzt haben wir das eher auf ner kleineren Ebene. Dadurch, dass Medien und Politik wie aufgeschreckte Hühner agieren, macht es das Protestwählen tatsächlich attraktiver. Ist natürlich nicht illegal, aber als Provokation funktioniert das hervorragend, es regen sich ja alle auf, etliche meinen sogar, Linke, Grüne und das Gendersternchen wären schuld. Dann hört diesen armen Seelchen immer noch niemand zu, aber sie haben das Gefühl, sie können zumindest Schaden und Aufregung verursachen.
Das ist tatsächlich ein Grund, warum ich eher für Ignorieren bin, man lässt sich durch die Wahlergebnisse provozieren und das wirkt zurück (war bei der Linkspartei in ihrer Entstehungsgeschichte ja ähnlich, das waren öffentlich auch gerne gefährliche Kommunisten und heute interessieren sie nicht mehr)
zu 2 (Vermögensungleichheit)
Ich schmeiß mal diesen guten Artikel hier rein.
https://archive.ph/616sm
Die deutsche Sozialdemokratie wiederum verstummt schon, wenn Christian Lindner einmal „Schuldenbremse“ sagt.
Tja, Legendenerzählung. Niemand wird Regierungschef, der nur das Vertrauen eines Teils der Gesellschaft besitzt. Scholz hat sich in Hamburg den Ruf erworben, ein sehr konservativer Sozialdemokrat zu sein. Deswegen konnten Bürger wie ich auch sehr gut mit ihm als kommenden Kanzler leben. Anders übrigens als mit einer auf ihre Bubble konzentrierte Baerbock.
Die SPD stellte in weiten Phasen ihres Wahlkampfes den Kandidaten ins Schaufenster, nicht das Programm. Daraus abzuleiten, die Partei habe sich vor allem das Vertrauen der unteren Schichten für einen Klassenkampf erworben, ist schon sehr weit hergeholt. Remember: Die Reichen-Parteien Grüne und FDP hätten auch mit der Union regieren können.
Unverhohlen fordern die Journalisten, den Mindestlohn zu einer politischen Angelegenheit zu erklären. Aus guten Gründen hat man das 2015 bei der Einführung nicht getan. Greift die Politik wieder ein, kann sie die Mindestlohnkommission auflösen.
Die EU hat keine Kompetenz für die Arbeitsmarktpolitik der Mitgliedsländer. Das haben einige nicht im Kopf. Die EU-Kommission kann eine Richtlinie schreiben, anders als in anderen Politikfeldern kann sich jedoch nicht verlangen, dass diese umgesetzt wird. Mehr noch: würde Deutschland dem Begehren der Linken folgen, träte Deutschland ohne breite gesellschaftliche Mehrheit gesetzgeberische Befugnisse an Brüssel ab.
Ansonsten bin ich der Meinung, Deutschland sollte US-amerikanische Steuersätze einführen.
Ich rede ausschließlich vom „punktuellen“ Klimakleben. Vandalismus usw. ist völlig indiskutabel.
Was „in den Gehirnen“ der Angeklagten vorgeht, interessiert aber die Gerichte. Das Strafmaß hängt davon ab, ob ein „niederes Motiv“ vorliegt.
Aber wir werden uns da eh nicht einig. Ein Argument, das ich gegen mich gelten lasse: Das Verhalten ist nicht verallgemeinerungsfähig. Wenn auch Tierschützer und Abtreibungsgegner usw. damit anfingen, wäre die Justiz lahmgelegt.
Was sind „punktuelle Klimakleber“? Sie vermischen zu viel: Sie sehen es als nicht angemessen an, Klimakleber zu (geringen) Haftstrafen zu verurteilen. Nur, das sind Serientäter, Sie behaupten aber, es ginge ihnen nur um jene, die nach dem Motto „einmal ist keinmal“ agieren würden.
Gerichte. Aber wir sind kein Gericht. Wir haben keine Möglichkeit, Motivforschung betreiben zu können. Dazu fehlen uns sowohl die Mittel als auch der persönliche Kontakt. Denn, ein Angeklagter kommt nicht umhin, persönlich vor Gericht zu erscheinen, damit Richter nicht nur ihre Motive erforschen können, sondern auch ihre Glaubwürdigkeit. Und das funktioniert nicht, in dem man einfach alles glaubt, was ein anderer Mensch erzählt.
Wenn Sie das Argument gegen sich gelten lassen – warum sind Sie so maßvoll? Es gibt in jedem Rechtsstaat einen unverhandelbaren Grundsatz: Vor Gericht sind alle Menschen gleich!
Nun haben wir ja wirklich größere Probleme, aber im Hinblick auf das politische Klima im Land lohnt die Diskussion vielleicht doch.
Punktuelle Kleberei (Begriff von T. H. übernommen) ist das, was ich von meiner Bekannten kenne: Die Absicht (strafrechtlich relevant!) ist allein die Aufmerksamkeit für die Klimapolitik, Begrenzung auf 30 Minuten und die Feuerwehr wurde vorher informiert: im Notfall eine Spur frei). Also eine extensive Auslegung des Demonstrationsrechts.
Vandalismus, ganze Städte blockieren (mit oder ohne Deal) geht selbstverständlich gar nicht. Ich bestreite auch nicht, dass die für manche Aktivisten eine Art Religionsersatz ist oder auch, leider, ein Vorwand für Gewaltanwendung.
Nur: Blockaden von Bauern und LKW-Fahrern werden akzeptiert, weil die auf ihre berechtigten Belange vertreten. Ohne juristische Folgen. Vor Gericht sind also doch nicht alle gleich. Manche „Täter“ kommen erst gar nicht vor Gericht. Von Haftstrafen oder auch nur höheren Geldstrafen habe ich in diesen Fällen noch nie gehört. Gleichbehandlung?
Moderate Kleber sehe ich als poltische Akteure. Nur totalitäre System behandeln politische Gegner (Andersdenkende) wie gewöhnliche Kriminelle. Eine pauschale Kategorisierung, ohne nach Motiven und Absichten zu fragen, ist vor-aufklärerisch, auch in der Demokratie. Mit wenigen Ausnahmen machen das die Gerichte auch nicht.
Weil aber auch moderate Kleberei nicht generalisierbar ist (im Kant’schen Sinne), sollten die damit aufhören und andere, kreativere Aktionsformen suchen. In Österreich zum Beispiel haben Aktivisten eine Strandparty gefeiert mit Schlauchboot und Sonnenschirmen – in einem ausgetrockneten See. Aha-Effekt ohne Beeinträchtigung und ohne juristischs Nachspiel und ohne Kulturkampf.
Sie weichen übrigens – nicht als Einziger – der Frage aus, wie man in einem demokratischen Rechtsstaat heutiger westeuropäischer Prägung „zivilen Ungehorsam“ noch begründen kann?
Naja, als Protestform. Es hat ja nie jemand bestritten, dass das illegal bleibt und entsprechend geahndet wird.
„Ziviler Ungehorsam“ impliziert Legitimität trotz Illegalität. Und genau diese Legitimität sehe ich nicht.
das ist aber eine politische bewertung, die für die rechtsstaatliche behandlung irrelevant ist.
Deine Beschreibung sagt: jemand tut etwas Illegales und soll dafür bestraft werden. Die Definition für Diebstahl unterscheidet sich davon keinen Deut. Was also unterscheidet Deine Idee vom zivilen Ungehorsam von „einfach etwas Strafbares tun“?
Die Absicht natürlich?
So lange man noch nicht in die Köpfe von Menschen reinschauen kann, ist das ein höchst untaugliches Unterscheidungskriterium. Es mag Dich befriedigen, aber sonst lässt sich damit nichts anfangen. Schon gar nicht in der Welt des Rechts.
ich weiß nicht in welcher welt des rechts du lebst, aber in der deutschen spielt die absicht eine gewaltige rolle vor gericht bei der bewertung von taten.
Ja, und wenn Du meine Kommentierung aufmerksam gelesen hättest, hättest Du bemerkt, dass ich das nicht in Zweifel ziehe. Was ich in Zweifel ziehe, ist, dass man per Ferndiagnose oder auch einfachem persönlichen Gespräch eine rechtlich relevante Motivforschung betreiben kann. Sonst brauchen wir ja auch keine Gerichte mehr.
du brauchst auch keine motivforschung betreiben, wir wissen bei der LG, was ihre motive sind.
Nein. Wir wissen, was sie behaupten.
mit mehr kann kein gericht der welt arbeiten. und warum solltest du daran zweifeln…? welche nefariösen ziele sollten sie denn außer den erklärten vertreten? absatzsteigerungen der sekundenkleberindustrie?
Stimmt, die Letzte Generation möchte praktisch kostenlos Busse und Bahnen benutzen können und ein allgemeines Tempolimit. Ernsthaft wissen wir nicht mehr über ihre Motive als das. Ob Martin Luther King sich vorgestellt hat, dass dafür mal satte Wohlstandskinder zivilen Ungehorsam üben?
Inzwischen stellen sie die politische Frage, ob „wir“ uns „die Reichen“ noch leisten können. Um auf die Dringlichkeit der Frage aufmerksam zu machen, beschmieren sie Yachten und Luxusläden, betonieren auf Golfplätzen die Löcher zu und greifen Wächter auf Rennstrecken an. Wie man sich bei der Motivforschung zivilen Ungehorsam eben vorstellen muss.
Ich hinterziehe auch Steuern, weil ich das Abgabenniveau für unverschämt halte und lege sozusagen meinen Steuersatz selber fest. Das ist absolut gerechtfertigt. Ich stelle auch die Frage, dass wir uns die nichtstuenden Flüchtlinge nicht mehr leisten können und Alleinerziehende, die dem System auf der Tasche liegen, ohnehin nicht. Okay, das war jetzt nicht wirklich eine Frage.
Ich finde ich habe respektable Gründe, Sozialämter und das BAMF anzugreifen. Und hier habe ich jetzt zumindest meine Motive offen dargelegt.
Es gibt durchaus Legalität ohne Legitimität – „gesetzliches Unrecht“.
Zum Beispiel Gesetze, die wegen Verfassungswidrigkeit geändert oder aufgehoben wurden, vorher aber lange Zeit galten.
Wenn die Politik so tut als täte sie etwas zur Lösung eines existenziellen Problems, in Wirklichkeit aber nichts oder zu wenig oder nicht rechtzeitig handelt.
Wenn dringend notwendige Reformen (Bildung/Föderalismus) einfach unmöglich erscheinen und jahrzehntelang nichts vorangeht.
Es geht ja nicht um Umsturz, sondern um den Anstoß darum, die vorhandenen demokratischen Strukturen zum Arbeiten zu bringen. Protest, wie Stefan Sasse das nennt.
Zugegeben: Heikle Frage, Gratwanderung. Auch antidemokratische Kräfte könnten das nutzen. Deshalb nur, wenn das Ziel eindeutig im Rahmen der verfasssungsmäßigen Ordnung liegt. Und nur im Ausnahmefall.
P. A. Greta Thunbergs Schulstreik war auch ein Akt Zivilen Ungehorsams.
Sorry Sir, aber die von Ihnen genannten Beispiele leiden a) darunter, dass man sie auf gewöhnliche politische Weise (Parteienengagement, Neugründung, Gleichgesinnte suchen) lösen könnte und b) darunter, dass sie ein hohes Mass an politischer Wertung enthalten – also nichts, was eindeutig ist und „zivilen Ungehorsam“ notwendig oder verständlich machen würde.
Und die Einschränkung „Nur im Ausnahmefall “ ist albern 🙂 . Was die Ausnahme ist, bestimme ich? Nein, entweder wir akzeptieren das als normales politisches Engagement – davor schrecken selbst Sie erkennbar zurück – oder wir behandeln es wie alle anderen Akte von Ordnungswidrigkeiten, Nötigungen oder Vandalismus, als Vergehen oder Verbrechen.
Gruss,
Thorsten Haupts
@ CitizenK 9. Juli 2023, 16:14
Wenn die Politik so tut als täte sie etwas zur Lösung eines existenziellen Problems, in Wirklichkeit aber nichts oder zu wenig oder nicht rechtzeitig handelt.
Was soll denn bitteschön die Politik in einer Demokratie ausrichten, in der die Mehrheit der Bürger, die Mehrheit der Wähler das Problem entweder nicht sehen oder es nicht so gelöst haben wollen, dass sie sich einschränken müssen?
Wenn dringend notwendige Reformen (Bildung/Föderalismus) einfach unmöglich erscheinen und jahrzehntelang nichts vorangeht.
Solche Sätze hätte ich hier gerne mal zu Zeiten von gelesen, als Merkel Kanzlerin war. Alles, was hier passiert oder nicht passiert, hat seinen Grund. Wenn Kommunen und Länder nicht auf Kompetenzen verzichten möchten und der Bund Jahre braucht, um ein Gesetz abzustimmen, dass ihm endlich erlaubt, zusätzliche Gelder mit Zweckbindung zu versehen (weil Länder und Kommunen zwar mehr Geld wollen, es dann aber nach eigenem Gusto ausgeben wollen), ist das schrecklich und peinlich für alle Beteiligten.
Aber ist das ein Grund, sich auf der Straße festzukleben mit dem erklärten Ziel, anderen zu schaden? Hilft das wirklich weiter?
P. A. Greta Thunbergs Schulstreik war auch ein Akt Zivilen Ungehorsams.
Das hat zwar ein wenig gedauert, bis ich das verstanden habe, aber da habe ich Verständnis. Und sie ist nie angetreten mit dem erklärten Ziel, anderen zu schaden.
Zum Besipiel, um indolenten Behörden Beine zu machen. Selbst erlebt: Sadtverwaltung verweigert Zebrastreifen für den Schulweg zur Grundschule über eine viel befahrene Straße. Eingaben erfolglos. Kindermal-Aktion mit Presse organisiert. Polizei. Bericht in der Lokalzeitung. Post vom Staatsanwalt: Saftiges Bußgeld. Der Zebrastreifen wurde dann doch gebaut.
Am Rande: Unsere Diskussion hier entbehrt ja nicht einer gewissen Ironie: Der Sozi plädiert für mehr persönliche Autonomie gegenüber staatlichen Institutionen, die Liberalen fordern absolute Regelkonformität.
P.S. Und verspotten Menschen, die an roten Ampeln warten, obwohl kein Auto kommt, als obrigkeitshörig.
Klitzekleine Korrektur: Weder Erwin noch ich sind Liberale 🙂 .
konservative?
Oh, Pardon. Aber es gibt beachtliche Schnittmengen, wenn es um (also: gegen) Linke geht
@Stefan S:
Soll Erwin selbst beantworten, wenn er will. Ich bin ein alternder Reaktionär 🙂 .
@Citizen:
Yup, da gibt es natürlich Schnittmengen gemeinsamer Überzeugungen. Wie Stefan S in seiner Buchbesprechung (Clark) ja mehrfach erwähnt.
Gruss,
Thorsten Haupts
@ Thorsten Haupts 10. Juli 2023, 13:33
Soll Erwin selbst beantworten, wenn er will. Ich bin ein alternder Reaktionär.
Meine erste Nennung wäre in der Tat „konservativ“ gewesen, aber Deine Definition finde ich noch treffender; da kann ich ein gutes Stück weit mitgehen 🙂
reaktionär seid ihr beide nicht, konservativ trifft es schon, denke ich.
immer nur, wenn es den eigenen vorlieben dient
Der Sozi plädiert für mehr persönliche Autonomie gegenüber staatlichen Institutionen
Ja, aber das tun Sie wie alle Linke nur für jene Bürger, die Sie als besonders schutzbedürftig ansehen. Der darf auch mal Aufforderungen der Ämter nicht nachkommen, durchaus klare Vorschriften ignorieren usw.
Mein Fußgänger bezieht sich auf alle Bürger, egal ob der Bettler an der Straße, die Alleinerziehende oder der millionenbeladene Unternehmer. Staatliche Regelwerke müssen sowohl schlüssig, leicht nachvollziehbar und in ihren Folgen konsequent sein als auch für jedermann gelten.
Als Linker machen Sie da Unterschiede.
Zum Besipiel, um indolenten Behörden Beine zu machen.
Ihre gewählten Beispiele verschlimmern Ihre Sache nur. Nichts davon rechtfertigt „zivilen Ungehorsam“. Wenn politische Propaganda in eigener Sache nicht ausreicht, Wähler zum Handeln zu motivieren, dann ist das so und ist zu akzeptieren, fertig.
Mir fehlt noch immer eine überzeugende Begründung dafür, wofür genau es in einem freien, westlichen, demokratischen Rechtsstaat „zivilen Ungehorsam“ braucht? Es braucht ihn nämlich nicht – wer demokratisch zustandegekommene Mehrheiten nicht akzeptiert und seine Interessen auf diese Weise undemokratisch durchsetzen will, ist nicht mutig und ethisch „hochstehend“, sondern ein autoritärer, egoistischer Idiot.
Gruss,
Thorsten Haupts
Wer in einer Bürger-Initiative die Exekutive dazu bringen will, die Grundrechte von Kindern (Leben, körperliche Unversehrheit) zu schützen, ist ein „autoritärer, egoistischer Idiot“?
Ich sehe da eher engagierte Demokraten.
Lach.
Wer demokratisch zustande gekommene Mehrheiten nicht akzeptiert und seine Interessen auf diese Weise undemokratisch durchsetzen will, ist nicht mutig und ethisch „hochstehend“
Ich empfehle einen Blick ins Grundgesetz. Dort steht, dass der Staat die körperliche Unversehrtheit garantiert. Gilt übrigens auch für Kinder.
Sie behaupten also, dass die Regierung das Grundgesetz an einem ganz elementaren Punkt, den Grundrechten missachten würde. Sorry, soweit geht ja gerade die AfD. Da wissen Sie, in welcher Gesellschaft Sie sich mit Ihren Ansichten befinden.
@ CitizenK 10. Juli 2023, 14:33
Wer in einer Bürger-Initiative die Exekutive dazu bringen will, die Grundrechte von Kindern (Leben, körperliche Unversehrtheit) zu schützen, ist ein „autoritärer, egoistischer Idiot“?
Nur, wenn er dabei mutwillig und wiederholt gegen Gesetze verstößt.
Ich sehe da eher engagierte Demokraten.
Wenn er sich an geltendes Recht hält, ja
So sehe ich das auch.
Also eine extensive Auslegung des Demonstrationsrechts.
Das ist keine extensive Auslegung des Demonstrationsrechts. Grundrecht kollidiert mit dem Grundrecht anderer, nämlich auf Bewegungsfreiheit. Wo ist übrigens das Sympathische, wenn jemand wissentlich und wollentlich in die Grundrechte anderer eingreift? Zur Wiedervorlage: In der Pandemie haben Sie das wesentlich strenger gesehen. Sie sagen so häufig, Ihr Grundrecht wäre meinem übergeordnet. Verstehen Sie dann nicht, dass solche Anmaßungen andere auf die Palme bringen?
Blockaden von Bauern und LKW-Fahrern werden akzeptiert, weil die auf ihre berechtigten Belange vertreten. Ohne juristische Folgen.
Woher haben Sie das? Das halte ich für hochgradigen Blödsinn. Derzeit verfolgt die Justiz Ordnungswidrigkeiten aus der Pandemie mit besonderer Vehemenz. Dabei geht es um Fehlverhalten, wo Wissenschaft, Politik und Rechtsstaat heute sagen, das wäre falsch gewesen. Also, anhängig sind z.B. Verfahren, weil Menschen im Jahr 2020 ohne Maske im Freien gesessen haben.
Warum wird das gemacht? Weil es eben 2020 eine Ordnungswidrigkeit war, selbst wenn wir es aus heutiger Sicht als übergriffige Maßnahme ansehen. Das ändert für den Rechtsstaat nicht das Geringste an der Sanktionswürdigkeit. Die Politik könnte zwar, wie in anderen Ländern, solche Verfahren abblasen. Tut sie aber nicht. Also, bevor Sie sich darüber beklagen, dass Klimakleber wegen Vergehen, die wir als nicht tolerabel ansehen, strafrechtlich verfolgt werden, sollten Sie Ihre Energie besser auf andere Felder richten um Rechtsfrieden herzustellen.
Nur totalitäre System behandeln politische Gegner (Andersdenkende) wie gewöhnliche Kriminelle.
Bitte?! Ich hoffe ich habe mich verlesen. Von wem sind Klimakleber politische Gegner??
Wie wollen Sie nach den Motiven von Klimaklebern forschen um dies einer rechtsstaatlichen Bewertung zu unterziehen? Also hier, nicht im Gerichtssaal. Ihre Antwort könnte spannend sein.
Ich antworte hier (aus technischen Gründen).
Missverständnis: Ich fordere doch gar nicht, dass sie nicht vor Gericht müssen. Das gehört zum Konzept des CD. H. Prantl (Ex-Richter) geht sogar weiter als ich und hält Freisprüche für durchaus angemessen. Thomas Fischer widerspricht begründet.
https://www.publik-forum.de/menschen-meinungen/sollten-klimakleber-freigesprochen-werden
Zu den Fragen von Sonntagabend:
„gefühlsmäßig in Ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrheit verletzt fühlten“
Real, nicht „gefühlt“. Die Studien und die Realtät zeigten eindeutig ein sehr hohes Risiko für Menschen meines Alters.
„keine Quelle“ (Trecker-Blockaden). Stimmt, aus dem Gedächtnis argumentiert („nicht davon gehört“). Nach Prüfung nehme ich das ggf. zurück.
„Finden Sie es richtig, dass die Corona-Ordnungswidrigkeiten noch heute verfolgt werden?
Ich persönlich nicht, aber darauf kommt es nicht an. Nach dem Gesetz muss das sein. Ein Beispiel dafür, dass der Rechtsstaat nicht immer zu plausiblen Ergebnissen führt. Wie in den Fällen, in denen der Richter sein Verständnis ausspricht, aber nach Gesetz verurteilen muss.
“ Wie Motive von Klimaklebern erforschen?
Ich persönlich durch Gespräche. Meine „Gewährsfrau“ ist überzeugt, dass die Bedrohung durch die Erderwärmung so schnell kommt, dass für die normalen demokratischen Prozeduren (Parteigründung, Mehrheiten organisieren) „einfach keine Zeit mehr ist“.
Aber darauf kommt es wieder nicht an. Es ist Sache der Gerichte, die Ziele/Motive/Absichten bei der Strafzumessung berücksichtigen müssen. Vgl. Fischer vs. Prantl im Link.
Real, nicht „gefühlt“. Die Studien und die Realtät zeigten eindeutig ein sehr hohes Risiko für Menschen meines Alters.
Nein, gefühlt. Objektiv hatten Sie ein kaum zu bezifferndes Risiko. Das konnten Sie selbst bestimmen, in dem Sie eine Maske trugen. Nur, dass andere dies auch tun müssten, hatte dann wieder keinen messbaren Einfluss auf Ihre Gesundheit. Das ist ungefähr der Stand heute.
Doch auch damals galt: Wer in einem Supermarkt mit nur immunisierten oder generell Gesunden einkaufte, hatte statistisch das Risiko von Null, infiziert zu werden. Doch auch wenn sich dort 3, 4 Erkrankte aufgehalten hätten, hätte sehr viel zusammenkommen müssen, damit Sie (ohne Maske) überhaupt eine Chance gehabt hätten, sich zu infizieren.
Tatsächlich haben sich in der Pandemie die überwältigende Zahl von Erkrankten wie später Verstorbenen im Familienkreis angesteckt. Und das war schon zu Beginn so, was sich in Bergamo und Spanien studieren ließ. Zuhause haben nämlich jene, die sich infizierten, keine Maske getragen und das Virus hatte leichtes Spiel, schon wegen der Nähe. Ich gehe davon aus, Sie haben sich auch so „unvernünftig“ zuhause verhalten und Sie haben im Laden keinen engeren Kontakt mit Fremden gesucht.
Wie gesagt, wenn Sie sich vorsichtig verhalten haben, konnte Ihnen nichts passieren. Sie wollten aber, dass alle zu Ihrem – nicht messbaren – Schutz eine Maske tragen sollten. Da war Ihnen der Eingriff in die Grundrechte anderer egal. Und warum tragen wir heute schon längst keine Maske mehr? Was hat sich zwischen Frühjahr 2022 (damals hielten Sie die Freizügigkeit für verantwortungslos) und Frühjahr 2023 geändert? Übrigens, es sind dazwischen immer noch Menschen mit Covid-19 gestorben.
Ich verstehe Ihre Bekannte. So ist das nicht. Aber es ist objektiv falsch, es ist – wie damals mit dem Virus – hysterisch, weil es eine theoretische Gefahr völlig überbetont. Und es ist verboten.
Der Staat könnte auf den Strafanspruch verzichten, weil er zwischenzeitlich zu neuen Erkenntnissen gelangt ist. In diesem Lichte erfüllt die Ordnungswidrigkeit nicht mehr ihren Zweck. Das ist eben bei den Klimaklebern anders.
Ich persönlich durch Gespräche.
Nein, dazu sind Sie nicht fähig. Dazu fehlen Ihnen die Mittel der Erforschung. Nur weil Sie, schon aus Verbundenheit, Ihrer Bekannten alles glauben, heißt das nicht, dass das die Wahrheit ist. Sonst wäre es ja bei Gerichten leicht.
Nochmal, CitizenK: Menschen lügen. Sie lügen jeden Tag. Zu glauben, jemand würde über seine Motive zu einer Tat vollumfänglich und ehrlich Auskunft geben, ist naiv und steht erfahrenen Menschen nicht gut an.
„auf den Strafanspruch verzichten, weil er zwischenzeitlich zu neuen Erkenntnissen gelangt ist.
Sehe ich auch so, aber ist das juristisch/rechtstaatlich möglich?
Was Hysterie ist und was vernünftig/verantwortungsvolle Vorausschau, ist subjektiv. Ich halte die Kleberei in der Ziel/Mittel-Relation auch für unvernünftig. Eine ständige Mahnung an Politik und Gesellschaft ist aber notwendig. Auch ein kleines Land hat mit anderen zusammen Einfluss. EU – hatten wir schon.
Meine Bekannte zahlt klaglos die Geldstrafen (Recht und Gesetz!) , will aber nichts ins Gefängnis zu den wirklich Kriminellen. Das kann man doch verstehen?
Sehe ich auch so, aber ist das juristisch/rechtstaatlich möglich?
Bayern hat ja vom Verwaltungsgericht eine deftige Watsche kassiert.
Die Entscheidung des BVerwG wirft aber die Frage danach auf, ob der Staat Bußgelder zurückzahlen muss. Für diese Frage sind die Zivilgerichte zuständig.Grundsätzlich gilt, dass abgeschlossene Entscheidungen von Einzelfällen nicht wieder aufgerollt werden können. Ob für Bußgelder etwas anderes gelten muss, weil sie einer Strafe sehr ähnlich sind, ist unter Rechtswissenschaftlern aber umstritten. Bei Strafen, die auf der Grundlage von rechtswidrigen Gesetzen verhängt wurden, ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens möglich. Ob dieser Grundsatz auch auf Bußgelder auf der Grundlage einer rechtswidrigen Verordnung übertragen werden kann, wird rechtlich noch geklärt werden müssen.
https://www.tagesschau.de/inland/corona-massnahmen-urteile-103.html
In unserer Diskussion geht es jedoch sogar um Fälle, die noch nicht abschließend vollzogen sind, aus heutiger Sicht jedoch die verhängten Ordnungsstrafen unsinnig waren.
Dass der Staat jetzt noch rigoros vorgeht, hat eher damit zu tun, dass Ordnungsgelder für die Kämmerer wichtige Einnahmequellen darstellen. Sie sind Teil der öffentlichen Finanzwirtschaft.
Eine ständige Mahnung an Politik und Gesellschaft ist aber notwendig.
Warum?
Ich wiederhole mich: Das Strafrecht sagt, was unter keinen Umständen geht. Sich auf die Straße zu setzen ist Nötigung anderer Bürger (ein an sich schweres Delikt) und gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr. Gerichte haben die Aufgabe, Delinquenten davon abzuhalten, ihr strafwürdiges Tun zu wiederholen. Deswegen hat der Staat das Gewaltmonopol!
Ein Angeklagter, der ohne Reue ist und ankündigt, seine Tat zu wiederholen, muss anders behandelt werden als jemand, der reumütig und um Entschuldigung bittend wieder zu einem ordentlichen Verhalten zurückkehren will.
Und es ist genau diese Strafandrohung von Gefängnis, von der sich Politik und Rechtsprechung manchmal die letzte Einsicht versprechen. So hat der BGH in einem Grundsatzurteil verfügt, dass Täter, die mehr als eine Million Euro hinterzogen haben, zwingend ins Gefängnis müssen – wissend, dass in solchen Milieus nichts so abschreckend wirkt wie eine Haft.
Das gleiche Prinzip gilt auch in anderen Strafbereichen. Serienkriminellen, die sich von einem niederen Delikt zum nächsten hangeln, kommt man möglicherweise nicht anders bei. Carla Hinrichs, die Sprecherin von LG, war sehr schockiert, als ihr nun mit einer Bewährungsstrafe im Wiederholungsfalle Haft angedroht wurde.
@ CitizenK 9. Juli 2023, 20:58
Meine „Gewährsfrau“ ist überzeugt, dass die Bedrohung durch die Erderwärmung so schnell kommt, dass für die normalen demokratischen Prozeduren (Parteigründung, Mehrheiten organisieren) „einfach keine Zeit mehr ist“.
Diese Einstellung entspricht meinem Kenntnisstand.
Was bleibt, ist, dass eine Erfüllung sämtlicher Forderungen der Klimakleber in ihrer Wirkung her unter der „Verschlechterungsschwelle“ liegt, und somit nicht nur keine oder nur messbaren Unterschiede zu erwarten sind, die Auswirkungen aber Jahr dauern. Ist nicht wie beim Auto, Schlüssel abziehen, fährt nicht mehr. Das Klima hat ein unglaubliches Trägheitsmoment.
„mit dem erklärten Ziel, anderen zu schaden?“
Wenn das tatsächlich der Fall wäre, müssten die Strafen weit höher ausfallen.