In den Behörden streiken die AR-15-Schütz*innen für mehr sozialdemokratischen Klimaschutz in Wisconsin – Vermischtes 11.04.2023

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Fundstücke

1) Raw data: What Democrats and Republicans think of federal agencies

What I found was sort of interesting. First, here are Democrats: The lines go from most to least favorable agency, and there aren’t very many large changes between the years. Now here are Republicans: This time it makes a considerable difference who the president is. In 2019 Republicans felt consistently more favorable toward federal agencies than they did under either Obama or Biden. If you look at 2015 vs. 2023, Republican views are fairly consistent for all the agencies except these four: CDC, down 39%, FBI, down 35%, Veterans, up 22%,CIA, down 25%. […] So the upshot here is that Democrats have agencies they like and agencies they don’t, and those views stay about the same regardless of who’s in the White House. The opposite is true of Republicans: They consistently view the government less favorably when the opposition controls the White House, and they change their views of specific agencies when they view them as being anti-Republican. (Kevin Drum, Jabberwocky)

Der Grund für diese Disparität liegt glaube ich in der Betrachtung des demokratischen Prozesses. Denn grundsätzlich ist an solch parteiischer Sicht nichts Neues. Die Umfragen zur Lage der Wirtschaft sind ja ziemlich berühmt in dem Zusammenhang: wenn die Präsidentschaft wechselt, ändern sich schlagartig die Einschätzungen zur Lage der Wirtschaft. So fanden Democrats die Wirtschaft 2017-2021 katastrophal und Republicans total super, und vorher und nachher war es jeweils das gegenteilige Bild. Das ist soweit ja normal; auch in der Außenpolitik und vielen anderen Feldern können wir das sehen. Dieser Unterschied weist aber einmal mehr darauf hin, dass die Republicans die Machtausübung fundamental anders sehen als die Democrats: für diese sind Behörden wie auch für uns in Deutschland neutrale Institutionen, die eben einen Umsetzungs- und Verwaltungsjob machen. Die Republicans nutzen sie als politische Waffe und gehen instinktiv (und falsch) davon aus, dass ihr Gegner das genauso macht. Es ist Projektion.

2) Das verdient Deutschland – und das verdient die Streikbranche

Die Kurven bilden die fatale Wirkung der hohen Inflation eindeutig ab. Bereits Ende vergangenen Jahres hat sie die bis zum Jahr 2020 ansehnlichen Kaufkraft- und damit Wohlstandsgewinne bei den Tariflöhnen zumeist komplett aufgefressen. In der Bahnbranche lagen die Reallöhne um 1,4 Prozent unter dem Niveau von 2015, im öffentlichen Dienst um 0,3 Prozent. Lediglich bei den Post-, Kurier- und Expressdiensten war noch ein Plus von 1,8 Prozent übrig geblieben. Und die Preise steigen ja weiter stark. Für dieses Jahr erwartet die Bundesregierung eine Inflationsrate von sechs Prozent, die Wirtschaftsweisen sogar noch etwas mehr. Rechnet man das mit ein, wird klar: Selbst, wenn die Gewerkschaften einen Abschluss erkämpfen könnten, der den Beschäftigten im Schnitt 10,5 oder zwölf Prozent mehr Gehalt brächte, würden deren Reallöhne am Ende dieses Jahres immer noch niedriger sein als im Jahr 2020. Jeder Prozentpunkt, den die Gewerkschaften in den Verhandlungen davon preisgeben, erhöht diesen Kaufkraftverlust weiter. So gesehen sind ihre Lohnforderungen zwar nominal hoch, aber sicher angemessen. (Florian Diekmann, SpiegelOnline)

Von einer Lohn-Preis-Spirale ist immer noch nichts zu sehen, ganz im Gegenteil. Die Teuerung hat die Kaufkraft der Bevölkerung massiv gesenkt, und es ist nur legitim, dass die Lasten nun etwas gleichmäßiger verteilt werden sollen. Klar erhöht das auch wieder die Inflationsraten, aber die Alternative ist, dass die Beschäftigten einseitig die Lasten schlucken. Und die haben eh schon den Kürzeren gezogen, auch wenn diese Forderungen durchgehen würden (was sie nicht werden).

3) Der getarnte Verlierer

Die Kompromissbildungsschmiede der Ampel hat bislang eher gut funktioniert. Die SPD bekam 12 Euro Mindestlohn, die FDP mehr Minijobs. SPD und Grüne bekamen 60 Milliarden ursprünglich für die Coronakrise geplantes Geld für den Klimafonds, die Liberalen keine Steuererhöhungen. Das war zwar immer weniger als das, was für den sozial-ökologischen Umbau nötig ist. Und Fortschrittskoalition war eine forsche Selbstüberhöhung. Aber für eine Regierung mit Finanzminister Christian Lindner war es solides politisches Handwerk. Und Olaf Scholz gab den ausgleichenden Moderator. Das ist seit dem 30-Stunden-Ampel-Marathon vorbei. Die Kompromissmaschine läuft nicht mehr rund. SPD und FDP haben die Grünen in deren Kernbereich Klima gemeinsam an die Wand gedrückt. Dass der Kanzler, der nicht zum Überschwang neigt, diesen Notkompromiss fern von hanseatischem Understatement als „sehr, sehr, sehr gut“ feierte, zeigte, dass hier etwas nicht stimmt. Was die Ampel beschlossen hat, hilft weder dem globalen Klima noch dem Binnenklima im Kabinett. Die FDP wird nach diesem Sieg nicht weniger nervös auftreten. Im Gegenteil: Diese Demütigung der Grünen schmeckt nach Wiederholung. Neben dem Grünen gibt es noch einen Verlierer. Er ist schwer zu erkennen, weil gut getarnt: der Kanzler. Scholz sieht sich als Macher. Merkel mit Plan, so hat ihn der Stern vor Jahren mal genannt. Also pragmatisch, aber mit Blick für das große Ganze. Das aber hat Scholz komplett aus den Augen verloren. Ein amputiertes Klimaschutzgesetz für mehr Klimaschutz – diese Gleichung geht in keiner noch so raffinierten Dialektik auf. Die klimapolitische Wende der SPD war offenbar nur eine Fassade, die beim ersten zarten Windstoß umgefallen ist. Die SPD ist keine sozial homogene Milieupartei der urbanen Mittelschicht wie die Grünen. Sie muss an Geringverdiener und Dieselfahrer in der Provinz denken. Sie ist eine Volkspartei in der Abenddämmerung und muss mehr Mi­lieus einbinden. (Stefan Reinecke, taz)

Mich würde an der Stelle die Einschätzung von Stefan Pietsch interessieren, weil der immer argumentiert hat, dass Merkels Übervorteilung der FDP in der Koalition ein Riesenfehler und generell zu verurteilen war. Gilt da hier dasselbe? – Davon abgesehen stimme ich Reinecke in seiner Einschätzung der SPD völlig zu. Die waren ja auch noch nie die „Klimapartei“, das war immer Schönwetterpositionierung, wie bei Merkel und der CDU vorher auch. Und dass sie viele Wählende hat, die dem ganzen Klimaschutzprojekt sehr skeptisch gegenüberstehen, ist völlig richtig. Sie hat halt auch keine kompatiblen Antworten dazu. Wenn das Thema en vogue ist, positioniert sie sich gerne im grünen Frack, aber sobald es ans nitty-gritty geht, ist da keinerlei Substanz da. Es gibt ja keinen „sozialdemokratischen Ansatz zum Klimaschutz“. Die FDP hat ja wenigstens ein intellektuell geschlossenes und konsistentes Alternativprogramm mit der CO2-Bepreisung, aber was hat denn die SPD?

4) This Is What the Mainstreaming of Militia Culture Looks Like

The AR-15 is situated at the intersection of a relatively innocent hobbyism and the sinister mainstreaming of features of the militia culture of the 1990s, even among people who lead law-abiding lives. The primary selling point of the AR-15 is that it can be endlessly modified, configured, reimagined. It can become louder or quieter, easier to carry, wield, fire and reload, or more lethal. It is meant to be combined with a seemingly endless array of customizable stocks and grips, blast mitigation devices, piston uppers and conversion kits. These components are themselves paired with a vast assortment of accessories — vests, helmets, straps and other gear unfailingly designated as “tactical.” It is this adjective, and the ubiquity of references to “tacticians” in advertising copy, review sites and hobby forums, that suggests the baleful aspect of AR-15 culture. Who exactly is practicing these tactics, and where and for what purpose? […] I suspect that part of the reason for the rise of AR-15 fandom is the decline of other American hobby cultures: auto repair, darkroom photography, ham radio operation and the like. Automobiles have become hulking mobile computers that often can be repaired only by manufacturer-approved dealerships; anyone with a smartphone can now take high-quality pictures; no one needs limited-frequency radio bands anymore to talk with people on the other side of the world. Gun ownership is among the last preserves of community for those who might once have enjoyed the opportunities for the innocent pursuit of mastery and refinement afforded by those innocuous pastimes. But for all the amateur tinkering, the reality is that these fetishized murder weapons, so often treated by their owners as if they were indistinguishable from model ships or Pokémon cards, have been used repeatedly in incidents like the recent one in Nashville. (Matthew Walter, New York Times)

Matthew Walter betreibt hier auch so einen Eiertanz, um das Offensichtliche nicht aussprechen zu müssen. Es ist doch sonnenklar, wer diese Taktiken zu welchem Zweck praktiziert. Die ganze AR-15-Kultur ist eine des konservativen Spektrums. Natürlich hat Walter Recht wenn er darauf verweist, dass die überwiegende Mehrheit das relativ harmlos als Hobby betreibt. Aber das Marketing, der ganze identitätspolitische Kram, diese Vermischung der Knarre mit der absurden „Milizkultur“ läuft alles auf die aggressive Verteidigung im fiktiven Bürgerkriegs- oder Apokalypsefall hinaus. Das Wishfulfillment gibt es ja auch in diversen Serien, gerade im Zombiegenre (zuletzt wieder in „The Last of Us“). Inwieweit die These mit dem Hobby zutrifft, bin ich auch unsicher. Schließlich gilt das für alle anderen Länder ja auch, und es bleibt noch eine Riesenbandbreite anderer, weniger tödlicher Hobbys. Das scheint mir echt viel „beating around the bush“ zu sein.

5) With Protasiewicz win, Democrats flip the Wisconsin Supreme Court // Wisconsin votes to remain in the 21st century

The victory by Protasiewicz opens the door to the Wisconsin Supreme Court to potentially intervene against the state’s congressional map, which is a version of a Republican partisan gerrymander. Other state courts have done so in recent years against both Republican and Democratic gerrymanders. This has national implications given the closely-divided U.S. House. Despite being one of the nation’s most competitive states, Republicans now hold a 6-2 advantage in the state’s U.S. House delegation. After losing the red-trending Obama-to-Trump WI-3 in western Wisconsin last year, Democrats are now confined to just a pair of heavily blue enclaves centered around Madison and Milwaukee. (Kyle Kondik/J. Miles Coleman, Center for Politics)

The Wisconsin supreme court is now under 4-3 liberal control. This small change means that Wisconsin’s wildly extreme Republican gerrymandering will probably be moderated, which in turn means there’s at least a fighting chance that Democrats can someday win control of the legislature. It also means that Wisconsin is unlikely to overturn the 2024 election results in favor of Donald Trump, something that was a real possibility if the court had remained in conservative hands. Also, the court will probably now overturn Wisconsin’s 1849 abortion ban and remain a state where abortion is freely available. That’s a lot riding on a single supreme court justice in one state. (Kevin Drum, Jabberwocky)

Es ist einfach völlig absurd, welches Ausmaß die Judikative in den USA hat. Schon allein, dass das Richteramt wählbar ist, ist eine bescheuerte Einrichtung; dass die dann oft auf Lebenszeit auf ihren Posten sind (der aktuelle wurde ja auch nur gewählt, weil der Vorbesitzer ein Dinosaurier war, der aus Altersgründen zurücktrat) macht sie mächtiger als jedes andere Amt. Letztlich bestimmt diese eine Person in Wisconsin wesentlich mehr als der Gouverneur und der ganze State Senate zusammengenommen – und das auf potenziell drei oder vier Jahrzehnte. Wie soll so eine Regelung weiter funktionieren? Wie kann das in einem demokratischen Staatswesen gesund sein?

Resterampe

a) Die Lebensmittelindustrie lügt wie gedruckt, um Werbeeinschränkungen bei Junk Food für Kinder zu verhindern. Wie immer halt.

b) In Sachsen haben Rechtsextreme einige Leute zusammengeschlagen, aber die Polizei äußerst sich nicht zum Tatmotiv. Schon weird, wie man rechtsstaatliche Standards bei Neonazis einhält, aber bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund nicht. Mir ist zumindest keine Wortmeldung mit Forderungen über die Veröffentlichung von Vornamen bekannt.

c) Jonathan Chait hat noch eine gute Einordnung zum Trump-Prozess.

d) 20 Mythen über Wärmepumpen.

e) Der Kult des Arbeitens bis zur völligen Erschöpfung kann echt weg.

f) Idiotie von der Letzten Generation. Hast du keine gesellschaftlichen Mehrheiten, fordere Räte. Hat ja schon 1918 so gut funktioniert.

g) Es ist einfach keine Ambivalenz. Only one side does it.

h) Was für eine Farce.

i) Wie Volksentscheide bescheuert konstruiert sind, Folge 73529375.

j) Markt regelt.

k) Die „Gymnasiumsquote“ der Schweiz benachteiligt Schweizer*innen gegenüber ausländischen Studierenden. Was für ein Treppenwitz.

l) Aufruf für höhere Gehälter.

m) Artikel, der sich kritisch gegenüber der Holocaust-Erziehung äußert, und eine Kritik daran. Mir scheint das ein ziemlich US-spezifisches Problem zu sein.

n) Analyse der Konsequenzen des finnisch-schwedischen NATO-Beitritts. Was ich auffällig finde ist die unglaubliche Ressourcenverschwendung, die dieser neue Kalte Krieg mit sich bringt. Was man mit dem Geld alles Sinnvolles anstellen könnte…!

o) Sehr wohlwollende Rezension von „Die Moskau-Connection“.

{ 165 comments… add one }
  • Tim 11. April 2023, 09:26

    (2 – Inflation)

    Die Teuerung hat die Kaufkraft der Bevölkerung massiv gesenkt, und es ist nur legitim, dass die Lasten nun etwas gleichmäßiger verteilt werden sollen.

    Die Teuerung hat übrigens auch die Kaufkraft der Unternehmen massiv gesenkt. Leider wird dieser sehr wichtige Faktor weder gemessen noch diskutiert. Das Ergebnis ist dann die – stark verzerrte – Ansicht, dass die Lasten derzeit nicht gleichmäßig verteilt sind.

  • Tim 11. April 2023, 09:31

    (3 – Der getarnte Verlierer)

    Die FDP hat ja wenigstens ein intellektuell geschlossenes und konsistentes Alternativprogramm mit der CO2-Bepreisung, aber was hat denn die SPD?

    In der Tat, die SPD hat kaum jemandem noch etwas zu bieten. Eine Chance wäre sicher, sich wirksam für kleinere Unternehmen und Handwerker einzusetzen, da sich sonst niemand für diese Gruppe interessiert. Aber ich vermute, dass die SPD am Ende ihrer programmatischen Kraft ist.

    • Stefan Sasse 11. April 2023, 10:30

      Ich weiß auch nicht, wie erfolgreich das sein könnte. Das scheint mir nicht eben die Kernklientel zu sein, und neue zu erschließen ist nicht leicht. SPD und Freiberufler sind nicht eben natürliche Verbündete.

    • Erwin Gabriel 14. April 2023, 10:01

      @ Tim 11. April 2023, 09:31

      3)

      In der Tat, die SPD hat kaum jemandem noch etwas zu bieten. …
      Aber ich vermute, dass die SPD am Ende ihrer programmatischen Kraft ist.

      Sehe ich genauso.
      Für mich ist (nur gefühlt, nicht erforscht) die SPD geprägt durch die Weltsicht von Baby-Boomer-Lehrer und -Beamten. Null Innovationskraft; irgendwie ist die Welt an deren konservativ-idealisierten Ansichten weit vorbeigeeilt.

      Hab in jüngeren Jahren fleißig und regelmäßig SPD gewählt, bin traurig.

      • Stefan Sasse 14. April 2023, 10:27

        Ich sehe die SPD nicht wirklich als Beamt*innenpartei. Zumindest sind sie mir habituell fremd.

        • Erwin Gabriel 14. April 2023, 11:29

          @ Stefan Sasse 14. April 2023, 10:27

          Ich sehe die SPD nicht wirklich als Beamt*innenpartei. Zumindest sind sie mir habituell fremd.

          Wie gesagt: nur mein Gefühl …

          • Stefan Sasse 14. April 2023, 15:22

            Bei mir ist es auch rein subjektiv. Aber ich glaube wir sind uns einig, dass es nicht die Startup-Partei ist 😉

      • CitizenK 14. April 2023, 10:53

        Nicht so voreilig. Auch der FDP wurde schon oft das Totenglöcklein geläutet. Die Arbeitnehmerrechte werden in der Gig-Ökonomie wieder mehr Bedeutung gewinnen. In die Richtung gucken die Genossen.

        • Erwin Gabriel 14. April 2023, 11:31

          @ CitizenK 14. April 2023, 10:53

          Die Arbeitnehmerrechte werden in der Gig-Ökonomie wieder mehr Bedeutung gewinnen. In die Richtung gucken die Genossen.

          Ja, ich weiß
          Arbeitnehmer haben Rechte. Arbeitgeber haben Pflichten.
          🙂

        • Stefan Sasse 14. April 2023, 15:21

          Word.

      • Stefan Pietsch 14. April 2023, 12:35

        Ich sehe die SPD heute besser aufgestellt als vor vier Jahren. Und sie ist vielleicht die verantwortungsvollste Partei, die Deutschland hat.

  • Tim 11. April 2023, 09:36

    (5 – Judikative)

    Schon allein, dass das Richteramt wählbar ist, ist eine bescheuerte Einrichtung;

    Überall in der westlichen Welt werden Richter gewählt. Die Frage ist immer nur, von wem bzw. von wie wenigen. In Deutschland werden Richter z.B. überwiegend von Politikern gewählt. Das hat bislang gut funktioniert, weil die Gesellschaft nicht gespalten war. Inzwischen sehen wir allerdings auch bei uns deutliche Lagerbildung. In spätestens 20 Jahren wird man das auch der Judikative ansehen.

    • Stefan Sasse 11. April 2023, 10:30

      Hm, guter Punkt.

    • cimourdain 11. April 2023, 13:22

      Ich würde die Ernennung des Lobbyisten Steffen Harbarth schon in die Lagerecke setzen…

      • Tim 11. April 2023, 13:47

        Bin wahrlich kein Fan von Harbarth, aber … „Lobbyist“? Naja.

        • cimourdain 11. April 2023, 16:25

          ‚Lobbyist‘ ist imho. noch eine freundliche Formulierung für jemanden, der während seiner Abgeordnetenzeit, in der er ‚aktiv an Gesetzen mitwirkte‘, von einer Wirtschaftskanzlei (die sowohl bei Cum-Ex als auch beim Abgasskandal mittendrin steckte) Millionenbezüge erhielt ohne auch nur im geringsten darzulegen, für welche Leistung das war.

  • schejtan 11. April 2023, 10:54

    e) Was ich ja seltsam finde: In der Regel gilt ja eher, dass Sachen schnell erledigt sein sollen. Ausser Meetings/Diskussionen/“Gipfel“ etc. Da muss immer betont werden, wie lange sie doch gedauert haben.

    • cimourdain 11. April 2023, 14:08

      Bei anderen Horrorfilmen gilt auch, dass sie sich umso besser verkaufen je länger die Spannung aufgebaut wird bevor das Publikum das Monster zu sehen bekommt.

      • Ariane 11. April 2023, 14:56

        LOL

        Ich verstehe aber auch nicht, warum dieses „bis zum Umfallen“ immer dargestellt wird, als wenn das was Tolles wäre. Es stirbt niemand dran, wenn das drei Tage dauert und dafür keine Halbleichen wichtige Entscheidungen treffen. (mal abgesehen davon ist es ja auf internationalen Treffen üblich, alles vorzuverhandeln, das wäre ja auch eine Idee)

        • Stefan Sasse 11. April 2023, 15:16

          Jein, wenn Spitzenleute sich treffen hast du sehr harte Zeitlimits. Deswegen geht das ja immer bis in die Nacht.

    • Stefan Sasse 11. April 2023, 15:09

      Nicht Meetings per se, das sind nur diese Gipfeltreffen.

    • Erwin Gabriel 14. April 2023, 10:05

      @ schejtan 11. April 2023, 10:54

      e) Was ich ja seltsam finde: In der Regel gilt ja eher, dass Sachen schnell erledigt sein sollen. Ausser Meetings/Diskussionen/“Gipfel“ etc. Da muss immer betont werden, wie lange sie doch gedauert haben.

      Für mich nachvollziehbar. Wenn Grüne und FDP in ein Meeting gehen und kommen nach 10 Minuten mit dem Ergebnis raus, dass die Atomkraftwerke nun doch länger betrieben werden und nun doch ein Tempolimit eingeführt wird, fühlt sich doch jeder verarscht.

  • Ralf 11. April 2023, 11:03

    Selbst, wenn die Gewerkschaften einen Abschluss erkämpfen könnten, der den Beschäftigten im Schnitt 10,5 oder zwölf Prozent mehr Gehalt brächte, würden deren Reallöhne am Ende dieses Jahres immer noch niedriger sein als im Jahr 2020.

    Hmmm … Muss man das nicht einfach unter “das ist dann halt eben so” verbuchen? Die Inflation hat zwei treibende Ursachen. Die erste ist unsere China-Abhängigkeit, die Anfang 2022 durch die Null-Covid-Politik des dortigen Diktators eine erhebliche Verknappung von Gütern verursachte. In einem Markt mit Angebot und Nachfrage führt eine Verknappung von Gütern halt zu Preissteigerungen. Und die zweite Ursache ist unsere Abhängigkeit vom russischen Diktator, dessen billige fossile Energie wir zur essentiellen Grundlage unseres Wirtschaftsmodells gemacht haben. Vor beiden Entwicklungen ist vehement gewarnt worden – z.B. von den Grünen. Aber der Wähler hat eben lieber Merkel haben wollen. Und SPD. Statt Veggie-Day und Investitionen in Wind und Solar lieber billiges Zeug aus China. Und Benzin und Gas zum Spottpreis aus Russland. Wahlen haben jetzt halt Konsequenzen. Hätten wir Mitte der 2000er Jahre in unsere Zukunft investiert, Schlüsseltechnologien ausgebaut und systemrelevante Infrastruktur vor dem Zugriff ausländischer Despoten geschützt, stünden wir heute viel entspannter da. Aber die Wähler wollten es anders. Die Wähler waren offensichtlich kurzsichtig und blöd. Ich finde es richtig, dass die nun die Zeche zahlen für ihre dummen Entscheidungen.

    • cimourdain 11. April 2023, 13:36

      Wahlen haben Konsequenzen. Wähle Parteien, die Handelskriege führen und du bekommst garantiert keine Prosperität.

      Und dass du Großinvestoren wie Blackrock als ausländische Despoten bezeichnest, finde ich auch ein wenig hart.

      • Ralf 11. April 2023, 14:25

        Wenn Du Parteien wählst, die Handelskriege anstreben oder uns in die Hände von Blackrock geben, dann trägst Du selbstverständlich ebenfalls die Verantwortung dafür, wenn Dich das dann anschließend Wohlstand kostet.

        • cimourdain 12. April 2023, 09:12

          Irgendwie stand im Wahlprogramm keiner der Regierungsparteien „Wir wollen aus Bündnistreue einen Handelskrieg mitmachen.“

          • Ralf 12. April 2023, 09:41

            Mir ist schleierhaft, wovon Du sprichst. Es führt doch auch niemand einen Handelskrieg aus Bündnistreue. Falls Dein Kommentar eine Anspielung auf die Isolation des russischen Despoten sein soll, die geschieht nicht aus Bündnistreue sondern aus Eigeninteresse. Schließlich geht es dabei um unsere Sicherheit, unsere Demokratie und Wohlstand in unserer Europäischen Union.

            • Stefan Sasse 12. April 2023, 12:45

              Exakt.

            • cimourdain 12. April 2023, 15:49

              Fünfer in das Phrasenschwein, inflationsbereinigt 8 €.

              • Ralf 12. April 2023, 16:11

                Na komm, als wenn Du das Phrasenschwein nicht bereits mit “Handelskrieg aus Bündnistreue” gefüllt hättest …

    • Erwin Gabriel 14. April 2023, 11:47

      @ Ralf 11. April 2023, 11:03

      Die Inflation hat zwei treibende Ursachen.

      Reicht nicht … ich sehe über China und Covid hinaus auch andere Gründe.

      Die Wähler waren offensichtlich kurzsichtig und blöd. Ich finde es richtig, dass die nun die Zeche zahlen für ihre dummen Entscheidungen.

      Ein Stück weit richtig, aber die Wähler wurden auch von der Politik belogen. Alles, was die Grünen wussten, wussten Merkel & Co auch.

      Aber Zustimmung, Wahlen haben Konsequenzen.

      • Ralf 14. April 2023, 18:06

        ich sehe über China und Covid hinaus auch andere Gründe

        Ja, da wäre noch der Putinkrieg. Ansonsten sehe eher wenige zusätzliche Gründe …

        https://dzresearchblog.dzbank.de/content/dzresearch/de/2022/04/29/hohe-teuerung-indeutschlandhaeltan.html

        … oder anders ausgedrückt: Mit der Inflationsrate vor Putin und Covid hätte ich bestens leben können.

        die Wähler wurden auch von der Politik belogen

        Nenn mal ein auf Merkel bezogenes Beispiel. Ich fühle mich zwar etwas unwohl in der wiederholten Rolle eine Bundeskanzlerin zu verteidigen, die ich viermal nicht gewählt habe und die an der Spitze einer Partei stand, die ich als meinen politischen Gegner betrachte. Aber wenn ich eine Lüge als eine wider besseres Wissen mit dem Ziel der Manipulation vorgetragene Unwahrheit definiere, erinnere ich mich nicht an übermässig viele solche Fälle bei ihrer Regierung. Eine Lüge war z.B. Schröders Aussage, dass Putin ein “lupenreiner Demokrat” sei. Merkel hat sowas nie behauptet. Was Merkel behauptet hat, ist zum Beispiel, dass Nordstream 2 im deutschen Interesse sei. Das hab ich damals allerdings auch behauptet. Und nicht alles, was sich im Nachhinein als falsch herausstellt, war zum Zeitpunkt der Projektion eine Lüge. Der Wettermann nach der Tagesschau ist ja auch kein Lügner, nur weil sich der angekündigte Sonnenschein nicht hat blicken lassen. Man trifft in der Politik halt auf der Basis von Interpretationen von Geschehnissen und oft auch einfach basierend auf Annahmen Entscheidungen. Die Entscheidungen sind manchmal besser und manchmal schlechter. Ich behalte Merkel als Kanzlerin in Erinnerung, die oft mutlos, bequem, entscheidungsschwach und reformunwillig war. Aber eine ausgesprochene Lügnerin war sie aus meiner Sicht nicht.

        • Stefan Sasse 14. April 2023, 18:40

          Volle Zustimmung zur „Lüge“-Thematik. Politiker*innen lügen allgemein sehr selten.

        • Thorsten Haupts 14. April 2023, 19:45

          Schliesse mich dem „Merkel hat nicht bewusst und vorsätzlich gelogen“ an. Deswegen unterschreibe ich nicht Stefans Generalexkulpation, dafür habe ich zu viele Politikeraussagen in meinem Leben gesehen, die erkennbar eine dreiste Lüge waren (z.B. „die EZB darf keine Staaten finanzieren“, das EEG „kostet Verbraucher soviel wie eine Kugel Eis“, die „blühenden Landschaften“ in Ostdeutschland, die „Bedeutung der Bildung in einem rohstoffarmen Land“ etc.).

          Gruss,
          Thorsten Haupts

          • Ralf 14. April 2023, 21:04

            Also zumindest die “blühenden Landschaften” waren keine Lüge. Ebensowenig wie Merkels “wir schaffen das”. Weder “das” (Merkel) noch “blühende Landschaften” (Kohl) sind objektiv definiert. Für jemanden, der nach der Wende in Cottbus seinen Job verloren hat, anschließend in Hartz IV abgerutscht ist und jetzt in einer von Abwanderung und wirtschaftlichem Verfall gekennzeichneten, zerfallenden, grauen Stadt lebt, klingen die “blühenden Landschaften” natürlich wie blanker Hohn. Für jemanden, der in der aufwendig, für teures Geld komplett sanierten und herausgeputzten Altstadt von Leipzig ein kleines Hotel aufgemacht hat, das jetzt gut besucht ist und viel Gewinn abwirft, sind die “blühenden Landschaften” hingegen greifbar und real. Ist eben – wie fast immer – alles eine Frage der Perspektive …

            Ein besseres Beispiel für eine Lüge der Ära Kohl ist das Versprechen vor der Wahl 1990 die Steuern nicht zu erhöhen. Das war damals das Hauptwahlkampfthema. Und nur wenige Wochen nach der gewonnen Wahl wurden dem Land die heftigsten Steuererhöhungen in der Geschichte der BRD aufgebürdet. Hier ist dreist und klar wider besseres Wissen gelogen worden mit dem Ziel sich einen Wahlsieg zu erschleichen.

          • Stefan Sasse 15. April 2023, 10:53

            Ich habe keine Generalexkulpation geschrieben, sondern sagte, dass sie es selten tun. Und was du listest sind eben keine Lügen. Lüge ist, wenn ich etwas faktisch Falsches sage. Kohl konnte kaum sicher wissen, ob es blühende Landschaften geben würde oder nicht. Die Bedeutung der Bildung ist hoch. Und so weiter. „Lüge“ ist einfach ein krasser Vorwurf, und „gelogen“ ist, wenn ich nachweisen kann, dass die Person eine Falschaussage getätigt hat. Sowas wie „ich habe den Herrn Schreiber nie gesehen“ und dann nen Koffer mit 100.000DM haben (fiktives Beispiel). Das sind Lügen.

          • Erwin Gabriel 15. April 2023, 13:33

            @ Thorsten Haupts 14. April 2023, 19:45

            Schliesse mich dem „Merkel hat nicht bewusst und vorsätzlich gelogen“ an.

            Können wir uns darauf einigen, dass Frau Merkel immer wieder Formulierungen gewählt hat, die bewusst einen falschen Eindruck erzeugen sollten?

            Zustimmung zum Rest.

            • Stefan Sasse 15. April 2023, 18:02

              Das auf jeden Fall. Aber welche*r Politiker*in tut das nicht? Oder Vorstandschef*in?

        • Erwin Gabriel 15. April 2023, 11:09

          @ Ralf 14. April 2023, 18:06

          zu Inflation: Ganz klar die Null-Zins-Politik der EZB. Wenn Du ein eigenes Häuschen hast, mag der Miet-Wahnsinn unbemerkt an Dir vorbeigegangen sein (und vielleicht hast Du auch keine Rentenversicherung abgeschlossen, die von Jahr zu Jahr geringere Beträge versprach). Hinzu kam, schleichend, aber für unsere Branche schon spürbar, der Fachkräftemangel, der sich auf die Baupreise schon vor Covid und Russlands Angriff auswirkte. Nicht so rapide wie der plötzliche Anstieg der Energiepreise, aber die Spirale war schon davor nach oben in Bewegung.

          zu Lügen: Hier steht alles zur Renten- und Sparentwertung zu Buche, die es laut Merkel nicht gab. Auch die Aussage, dass die Flüchtlingskrise „überraschend“ kam, war glatt gelogen. Wenn das BAMF bereits 2010 die Umsetzung des Dublin-Abkommens für Griechenland außer Kraft setzte, bedeutet das für mich, dass die Regierung das Flüchtlingsthema im Auge hatte. Und jeder, der die „Tagesschau“ oder „Heute“ guckte, konnte sehen, was sich spätestens seit 2011 zusammenbraute.

          Ich halte unsere Kanzlerin für eine hochintelligente Frau. So blöd, dass sie all das sah und „falsch interpretierte“, ist sie nicht. Das sind unsere Politiker, ob sie Scheuer oder Merkel heißen, nie.

          • Ralf 15. April 2023, 11:46

            Vorab: Ich bin kein Wirtschaftsexperte. Aber ich frage mich, wie viel von diesem „Miet-Wahnsinn“ darauf beruhte, dass einerseits Immobilien in Großstädten zunehmend zu finanziellen Anlageobjekten geworden sind und andererseits Regierungen zurück bis in die 90er Jahre einfach zu wenig in Wohnungsbau investiert und stattdessen Wohnungen privatisiert haben. Wien hat das z.B. deutlich besser gemacht als München, weshalb in Wien weniger „Miet-Wahnsinn“ herrscht und Wohnraum bezahlbar ist. Ist also ein bisschen fraglich aus meiner Sicht, welchen Anteil der Schuld die EZB am Problem trägt. Bei der Rentenversicherung kenne ich mich leider noch weniger aus.

            Was den Fachkräftemangel angeht, ist das die „Schuld“ von jemandem? Oder verbuchen wir das unter „unabwendbare Endwicklung“? Klar – intelligentere Einwanderungsregelungen, mehr Investitionen oder überhaupt erstmal ein Wille zur solideren Integration von Einwanderern, wären hier nützlich gewesen. Aber die demographische Entwicklung vollständig oder auch nur annähernd zu kompensieren, wäre aus meiner Sicht sehr, sehr schwierig …

            Zur „überraschenden“ Flüchtlingskrise: Ich bin da etwas skeptisch, ob „überrascht sein“ als gutes Beispiel für eine Lüge taugt. Ja, die Flüchtlingskrise hätte man absehen können. Wie die Klimakrise. Von der wusste man schon Ende der 70er. Aber Politiker denken nicht in langen Zeiträumen und unser demokratisches System gibt ihnen keinerlei Incentives das zu ändern. Regierende müssen schauen, dass sie die laufende Legislaturperiode überleben und gut aufgestellt sind, die nächste Wahl zu gewinnen. Krisen, bei denen man hoffen darf, dass sie erst in der nächsten Legislaturperiode oder vielleicht sogar viel später auftreten und damit möglicherweise dem politischen Gegner auf die Füße fallen, haben keine Priorität. Ein Stück weit kann man das ja auch verstehen. Jede Zeit hat ihre eigenen Krisen und Regierungen priorisieren diejenigen Krisen, die gerade akut sind und den Bürgern Sorgen machen. Wenn sich dann irgendwo irgendwas zusammenbraut, hofft man, dass der Kelch an einem vorübergeht oder dass die Katastrophe zumindest nicht gerade jetzt gleich explodiert. Geschieht das dann wider Erwarten dennoch, ist man „überrascht“. Selbstverständlich kann man dann in der Retrospektive oft feststellen, dass sich die Beteiligten zu lange in die eigene Tasche gelogen haben. Aber die „Überraschung“ ist meist, aus meiner Sicht, doch echt. Und halt menschlich.

            • Erwin Gabriel 15. April 2023, 14:08

              @ Ralf 15. April 2023, 11:46

              Aber ich frage mich, wie viel von diesem „Miet-Wahnsinn“ darauf beruhte, dass einerseits Immobilien in Großstädten zunehmend zu finanziellen Anlageobjekten geworden sind und andererseits Regierungen zurück bis in die 90er Jahre einfach zu wenig in Wohnungsbau investiert und stattdessen Wohnungen privatisiert haben.

              An Deinem Einwand ist zutreffend, dass keine gesellschaftliche Entwicklung nur eine einzige Ursache hat. Ja, die öffentliche Hand hat angesichts der angenommenen Altersentwicklung den sozialen Wohnungsbau praktisch eingestellt, was sicherlich ein Stück weit Voraussetzung war/ist für die Immobilienpreis- und Mietentwicklung.

              Aber nun pumpt die EZB bei Zinsen um 0 Prozent Milliarden Euro in den Markt, die irgendwo hinmüssen. Staatsanleihen lohnen nicht, also investiert man in Aktien, Gold, Immobilien – mit steigenden Preisen, die auf die Mieten umgelegt werden.

              Zum Thema Rentenversicherung: Hier sind die Versicherungsgeber vom Gesetzgeber angehalten, das für die Altersvorsorge eingezahlte Geld nicht spekulativ anzulegen, daher sind seriöse Staatsanleihen in vielen Fällen die primäre Anlageform.

              Was den Fachkräftemangel angeht, ist das die „Schuld“ von jemandem? Oder verbuchen wir das unter „unabwendbare Endwicklung“?

              Bei diesem Punkt ging es mir nicht um Schuld, sondern um die Relevanz als Aspekt. Die Frage, die Du hier stellst, ist jedenfalls eine sehr gute (wenn auch genauso sinnlos wie mein Geschimpfe über Merkel, weil die Situation eben ist, wie sie ist).

              Dass die Baby-Boomer irgendwann in Rente gehen, ist so lange bekannt, wie es sie gibt. Ein Stückweit ist die Situation also unvermeidbar. Aber unter Helmut Kohl (aufgrund seiner langen Regentchaft), spätestens unter Kanzler Schröder hätte, um die aktuellen Probleme lösen zu können, eine Öffnung in für Einwanderung in den Arbeitsmarkt erfolgen müssen.

              Sie ist nicht erfolgt und aus meiner subjektiven Wahrnehmung in erster Linie daran gescheitert, dass die Mehrheit der Wähler das nicht wollte. Ob aufgrund von vorhandenem Fremdenhass oder aufgrund von absichtlich Ängsten durch bestimmte Parteien und Politiker, spielt auch keine Rolle. Durch die Blockade haben wir die Situation, dass wir nur die „Fremden“ aufgenommen haben, die wir mussten, so dass das Thema Einwanderung inzwischen mit Sozialhilfe und nicht mit Arbeit unterlegt ist. Die Tatsache, dass wir acht Jahre nach 2015 immer noch keine klaren gesetzlichen Regelungen haben, dass die Anforderungen an die Einwanderer gelegentlich höher liegen als an die Einheimischen, und dass der (nicht nur vor von Stefan Sasse, sondern von vielen anderen hier geforderte) Spurwechsel von Asyl in Richtung Beschäftigungseinwanderung immer noch nicht funktioniert, sehe ich als Versagen der Politik.

              Zur „überraschenden“ Flüchtlingskrise: Ich bin da etwas skeptisch, ob „überrascht sein“ als gutes Beispiel für eine Lüge taugt. Ja, die Flüchtlingskrise hätte man absehen können. Wie die Klimakrise. Von der wusste man schon Ende der 70er.

              Die Sache lief über mehrere Jahre regelmäßig in den Nachrichten – da akzeptiere ich keine Entschuldigung.

              Aber Politiker denken nicht in langen Zeiträumen und unser demokratisches System gibt ihnen keinerlei Incentives das zu ändern. Regierende müssen schauen, dass sie die laufende Legislaturperiode überleben und gut aufgestellt sind, die nächste Wahl zu gewinnen. Krisen, bei denen man hoffen darf, dass sie erst in der nächsten Legislaturperiode oder vielleicht sogar viel später auftreten und damit möglicherweise dem politischen Gegner auf die Füße fallen, haben keine Priorität. Ein Stück weit kann man das ja auch verstehen.

              Grundsätzlich stimme ich da zu. Aber wenn man das durchzieht und es derart schief geht wie bei Frau Merkel, die wirklich alles von der Bildung über Infrastruktur, Pflege und Renten bis zur Verteidigung in Trümmern hinterließ, dann muss sie das halt auf ihre Kappe nehmen.

              Jede Zeit hat ihre eigenen Krisen und Regierungen priorisieren diejenigen Krisen, die gerade akut sind und den Bürgern Sorgen machen.

              Kanzler Helmut Schmidt hatte als Krisen beispielsweise den RAF-Terror (mit brutalen Entscheidungen) und den kalten Krieg (Nachrüstung) zu bewältigen. Er hat sich später entschuldigt, dass er die Rentenproblematik darüber aus den Augen verloren hat. Aber welche Entschuldigung haben dann in dieser Angelegenheit die Kanzler von Kohl bis Merkel?

              Wenn mein Haus brennt, und ich statt zu löschen die Einfahrt kehre, ist das auch Arbeit. Aber wenn das Haus abgebrannt ist, wird niemand die Entschuldigung, man habe sich um ein anderes Problem kümmern müssen, als gerechtfertigt annehmen.

              PS: In die eigene Tasche lügen ist auch lügen 🙂

            • Stefan Sasse 15. April 2023, 18:01

              Sehe ich auch so. „Lüge“ ist einfach der falsche Begriff.

  • Thorsten Haupts 11. April 2023, 11:36

    Zu 2)
    Natürlich kann man eine angebotsknappheitsinduzierte Inflation mit Lohnsteigerungen ausgleichen. Man verstetigt dann halt den einmaligen Schock und macht ihn dauerhaft. Warum man das tun MUSS, leuchtet mir allerdings nicht ein. Und ich muss Ralf ein Stück weit zustimmen – wir haben als Gesellschaft auf bestimmte Geschäftsmodelle gesetzt und leiden jetzt darunter, dass diese sich als Fehler erwiesen (nein, das war NICHT sicher vorhersehbar und könnte genausogut weiter gut laufen).

    Nur ein weiterer Gedanke – Preissteigerungen (besonders Energie) haben den eigentlich sehr erwünschten Effekt, Verhaltensänderungen wahrscheinlicher zu machen. Gleicht man die Preissteigerungen aus, können sie diesen Effekt nicht mehr erzielen. Und Preise wirken als Instrument für den Wechsel zu anderen Konsum- und Produktionsweisen um Grössenordnungen besser, als alle Alternativen.

    Zu 4)
    Mit ein bisschen Kenntnis wüsstest Du, dass es in den USA längst eine immer stärker werdende Szene von „progressiven“ Waffenträgern gibt, die Deine Beurteilung Die ganze AR-15-Kultur ist eine des konservativen Spektrums. zunehmend in Frage stellt.

    Zu 5)
    Richterwahl von Verfassungsgerichten ist die Norm in allen entwickelten Staaten. Ich wüsste ehrlich nicht, durch welches System man sie ersetzen könnte, ohne sich andere massive Probleme einzuhandeln. Die deutsche bisherige Geräuscharmut dieser Wahlen beruht ausschliesslich auf einem informellen, überparteilichen Konsens. Der – siehe Wahlrechtsänderung – gerade aufgekündigt wird.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 11. April 2023, 15:12

      2) Hoffen wir, dass wenigstens das rauskommt.

      4) Ich weiß, dass es die gibt. Ich weiß auch, dass ihre Zahl verschwindend gering ist. Und ich weiß, dass die im Artikel angesprochene Milizkultur mit Sicherheit die progressiven Mitglieder an Fingern abzählen kann. Und selbst wenn es signfikikante Zahlen wären, würde das die entsprechende Kultur kein Stück besser machen.

      5) Ja, wie bei Tim schon gesagt: grundsätzlich richtig. Aber: das betrifft nur Verfassungsgerichte etc. Die USA wählen ja echt alle. Und da haben wir mit unserer Beamtenlaufbahn schon klare Vorteile, weil das vom politischen Betrieb segregiert ist.

      • Thorsten Haupts 11. April 2023, 17:24

        Die USA wählen ja echt alle. Und da haben wir mit unserer Beamtenlaufbahn schon klare Vorteile …

        Kann man so sehen, ist aber im Kern natürlich obrigkeitsstaatliches Denken. Die US-amerikanische Tradition des „Ich möchte schon demokratisch mitbestimmen, wer mich eventuell lebenslang hinter Gittern bringt“ ist völlig anders geprägt.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 11. April 2023, 22:42

          Ja, das funktioniert topp bei denen gerade mit den demokratischen Traditionen, bei denen Leute 40 Jahre lang unentfernbar im Amt rumsitzen. Der funktionale Unterschied zu unseren Beamtenlaufbahnen ist, mal abgesehen von der höheren Kontrollierbarkeit von Beamten, echt wahnsinn.

  • Thorsten Haupts 11. April 2023, 11:53

    Zu a)
    Yup!

    Zu b)
    Du setzt mit „rechtsextrem“ etwas voraus, was erst zu belegen wäre.

    Zu e)
    Scheint mir ein Politikphänomen zu sein. Ist auch mehr ein Schaukult („seht, wie tough wir sind und wie sehr wir uns eingesetzt haben“), als ein Arbeitskult – man arbeitet mit derartigem Schlafentzug nicht mehr, sondern simuliert das bestenfalls.

    Zu n) Was ich auffällig finde ist die unglaubliche Ressourcenverschwendung, die dieser neue Kalte Krieg mit sich bringt.

    War und bleibt das rationale Hauptargument des deutschen Bequemlichkeitspazifismus, der die Bundeswehr in ihren heutigen Zustand gebracht hat. War und bleibt falsch – militärische Resourcen dienen ultimativ der Überlebenssicherung des eigenen Staates und Gesellschaftsmodells und sind daher nie „Verschwendung“. Vor Errichtung eines weltumspannenden Staates wird es immer mindestens einen (potentiellen) Agressor geben, völlig unabhängig von aktuellen Entwicklungen. Die Verdrängung dieses gut etablierten historischen Musters ist das Verbrechen des deutschen Bequemlichhkeitspazifismus.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 11. April 2023, 15:13

      e) Korrekt. Aber mein Punkt ist eben, dass das, was zur Schau gestellt wird, nicht positiv ist.

      n) Das meinte ich nicht. Es ist Verschwendung in dem Sinne, als dass wir uns gegenseitig zu Ressourcenverschwendung zwingen. Wie du meinen vielen Beiträgen hier mittlerweile entnommen haben solltest, bin ich absolut für Aufrüstung. Ich bedauere nur, dass es nötig ist.

    • sol1 11. April 2023, 22:12

      b) Google doch einfach mal „European Brotherhood“!

    • cimourdain 12. April 2023, 08:49

      n) „Wir“ sind also um der Verteidigung willen gezwungen, das zigfache der „Konkurrenz“ für Waffen auszugeben und diese dann in Wüsten und Ozeanen, die tausende Kilometer vom eigenen Territorium entfernt sind, zu stationieren.

      • Thorsten Haupts 12. April 2023, 15:30

        Wir geben schon absolut (in US $) sehr deutlich weniger für Verteidigung aus, als potentielle Gegner. In Kaufkraftparitäten verschlechtert sich das noch einmal ziemlich. Wovon also reden Sie?

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • cimourdain 12. April 2023, 15:46

          von 1.175 Mrd. USD Militärausgaben NATO 2021 ( also vor der militaristischen Zeitenwende) . Das ist das vierfache Chinas und das 17-fache Russlands. Ziemlich genau die Hälfte der gesamten weltweiten Militärausgaben (bei 10 % der Weltbevölkerung). Und bei Panzern sind Kaufkraftparitäten ziemlich nivelliert. Also reden Sie keinen Blödsinn, Sie kennen die Zahlen genauso gut.

          • Thorsten Haupts 12. April 2023, 16:34

            Ihr Kaufkaftargument ist aus der Hüfte geschossen und natürlich komplett falsch:

            Moderne, vergleichbare, Kampfpanzer:
            (Ch) ZTZ-99 – ca. 2,6 Mill. US $
            (Ru) T90 AM – ca. 4,25 Mill. US $
            (D/EU) Leopard 2A6 – ca. 6,8 Mill. US $
            (US) M1A2 – ca. 8,5 Mill. US $

            Ihr nachgeschobenes NATO-Argument konterkariert das „Wir“ Ihres Ausgangsargumentes, umfasst die USA mit ihren weltweiten Nicht-NATO-Interessen und lässt vollkommen unberücksichtigt, dass aus 20 verkrüppelten und nicht kampffähigen nationalen europäischen Einzelarmeen im Ernstfall nicht wie durch ein Wunder eine schlagkräftige „Gemeinschafts“-Truppe wird.

            Ohne die USA wären wir heute schlicht nicht verteidigungs-, geschweige denn, bündnisfähig. Deutschland hat vorgestern eingeräumt, dass es heute nicht einmal die der NATO zugesagte 1 Division stellen könnte (zum Vergleich – die Russen haben in der Ukraine irgendwas von etwa 15 im Einsatz).

            Munitionsbestände, Potentiale der Rüstungsindustrie oder einsatzfähige Reservisten erwähne ich gar nicht weiter, das geht über den Horizont der meisten Zivilisten.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • cimourdain 13. April 2023, 11:20

              Sehen Sie, das meint Stefan Sasse mit Verschwendung…
              ein Buchhalter (dezidierter Zivilberuf) würde fragen, warum wir das dreifache für das gleiche Produkt zahlen. Und er würde fragen, was es bringen soll, mit zwölfstelligen Beträgen 20 verkrüppelte Einzelarmeen zu unterhalten oder warum trotz erheblichen Finanzaufwands bei der Bundeswehr kein hinreichend ‚vorzeigbares‘ Ergebnis dasteht. Und das Controlling würde sicher diese Fragen nicht mit „Pump mehr Geld hinein“ beantworten.

              • Thorsten Haupts 13. April 2023, 13:52

                Ganz Ihrer Auffassung, nur: Die EU ist weder ein Unternehmen noch ein Nationalstaat. Und da sie weder das eine noch das andere ist und Sicherheit zu den nicht übertragbaren Aufgaben von Nationalstaaten gehören, lässt sich das Problem im Rahmen der vorhandenen Strukturen schlicht nicht lösen. Ich möchte und kann als Deutscher NICHT abhängig sein von einer französischen Luftwaffe oder Luftabwehr und vice versa.

                Gruss,
                Thorsten Haupts

  • cimourdain 11. April 2023, 12:11

    2) Ich habe zu diesem Thema den sehr interessanten Begriff „Greedflation“ gelesen.
    https://www.nytimes.com/2022/06/03/business/economy/price-gouging-inflation.html

    3) Mich erinnert das ganze an die Zeit der Schwarz-Gelb-Schwarzen Koalition, als auch eine Kanzler*innenpartei zwischen zwei profilierungssüchtigen Partnern stand. Aber damals gab es wenigstens noch unterhaltsames Pöbeln mit „Wildsau“ und „Gurkentruppe“

    4) Natürlich ist es vor allem die Lust am „Soldatenspielen“, deswegen auch die Verbindung mit anderen militärischen Paraphernalia. Früher gab es das Klischee von einer „Wildwestmentalität“, die mit Triebkraft der Waffenbegeisterung war. Heute sind es dann stärker die (Para)militärischen Role-models. Nicht dass Deutsche dagegen immun wären, auch hier gibt es so ein paar Cosplayer (https://www.welt.de/politik/deutschland/video244681574/Gruener-Minister-in-Uniform-Cem-Oezdemir-mit-Begeisterung-bei-den-Feldjaegern.html)

    5) Bei uns werden Verfassungsrichter zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt, Richter an BGH und BFH durch den Richterwahlausschuss. Auf den unteren Ebenen entsprechend. Und auch bei uns ist i.d.R. Richteramt auf Lebenszeit. Was also ist der Unterschied (außer den politisch weisungsgebundenen Staatsanwälten bei uns) ?

    f) DU musst jetzt ganz stark sein: Es gab in den letzten Jahren 80 Bürgerratsverfahren, 7 auf Bundesebene, nach der Sommerpause wird der Bundestag einen einsetzen. Dann leben wir endgültig in einer Räterepublik.
    https://www.buergerrat.de/

    i) Hast du nicht zum Thema Nichtwähler geschrieben, dass Demokratie nun mal eine Veranstaltung für die ist, die hingehen?

    o) Erstaunlich, wie leicht man mit Verschwörungstheorien durchkommt, wenn man nur „Illuminaten“ überall durch „Putin“ ersetzt…

  • sol1 11. April 2023, 12:14
  • Stefan Pietsch 11. April 2023, 12:36

    2) Das verdient Deutschland – und das verdient die Streikbranche

    Die Lohn-/Preisspirale ist längst da, spürbar in jeder Personalabteilung bei allen Gehaltsverhandlungen. Sie ist vor allem spürbar beim Staat. Seit einem Jahr haut dieser Staat Sonderregelungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer raus, um genau diesen Effekt zu mildern.

    Ein Effekt übrigens, an dem der Staat selbst massiv gedreht hat. Mit der politisch beschlossenen Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro wurde den untersten Einkommensgruppen eine Lohnerhöhung von über 22% zuteil. Für 2024 erwartet der Bundesarbeitsminister eine Erhöhung auf über 14 Euro, so das binnen weniger Monate die Lohnuntergrenze um rund 45% gestiegen wäre. Diese Anhebung übt natürlich einen erheblichen Druck auf die darüber liegenden Löhne aus. Vor zwei Wochen klagte ein Lieferando-Fahrer bei „Hart aber fair“, sie bekämen nur den Mindestlohn. Ach ja? Wer kommt eigentlich überhaupt noch für die Bezahlung nach Mindestlohn in Betracht?

    Inflation ist die Folge von Warenknappheit und Preismenge. Ein wesentlicher Preistreiber ist heute – leider kann man da nicht auf die üblichen Verdächtigen einschlagen – die Verknappung des Arbeitskräfteangebots aufgrund der Alterung und der Bequemlichkeit der Erwerbsbevölkerung. Gerade im Dienstleistungssektor und im Baugewerbe – besonders arbeitsintensive Branchen – steigen die Preise rasant. Das Leistungsangebot ist beschränkt, weil nicht genügend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.

    • Stefan Sasse 11. April 2023, 15:15

      Wenn, dann ist das aber eine Preis-Lohn-Spirale, nein?

      • Stefan Pietsch 11. April 2023, 16:00

        Wenn Du es so willst, ja. Das Wesen einer Spirale ist ja, dass sie keinen wirklichen Anfangs- und keinen echten Endpunkt hat. Neoliberale argumentieren seit so 3, 4 Jahren auch nicht mehr für niedrigere Löhne, eher für der Marktlage angepasste Löhne. Und die sieht für die meisten Bereiche deutliche Erhöhungen vor. Soweit ist dagegen gar nichts zu sagen.

        Was immer schlecht ist: Wenn dort Löhne steigen, wo ein deutliches Arbeitskräfteangebot besteht und / oder Unternehmen / Branchen im Verlust oder mit sehr geringen Margen arbeiten. Dann müssen die Leute eben in Unternehmen / Branchen gehen, wo gut verdient wird, aber nicht ihres kaputtmachen.

        • Stefan Sasse 11. April 2023, 22:39

          Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass wir es geil fänden, wenn die Inflation nicht so hoch wäre. Aber zu sagen, dass die abhängig Beschäftigten jetzt halt als einzige alles schlucken müssen kann ja auch nicht sein.

          • Stefan Pietsch 12. April 2023, 00:18

            Die Inflation ist maßgeblich politisch erzeugt. Und das durch eine Politik, die auch Du immer gerechtfertigt hat. Wir haben ja nicht erst seit gestern eine ungesunde Inflation. Wir hatten 10 Jahre eine Assetinflation, die Preise für Immobilien und Wertpapiere stiegen seit 2010 enorm. Diese Assetpreis-Entwicklung ist gebrochen, der Dow ist in Jahresfrist gesunken, andere Indizes ebenso, die Häuserpreise selbst in begehrten Metropolen wie München und Frankfurt stagnieren oder brechen gar ein. Das einzige, was seit 2021 passiert ist, ist dass die Inflation sich in den Bereich der Konsumgüter verlagert hat.

            Es ist doch keine „Gerechtigkeitsfrage“, wer hauptsächlich Opfer der Inflation ist. Hauptträger sind immer die wirtschaftlich Schwächsten, die ohne Alternativen. Das ist eine der Regeln des Lebens. Es geht eben nicht um „Schlucken“. Es ist ein unvermeidlicher Fakt, dass irgendjemand und im Zweifel viele die Folgen der Inflation tragen müssen. Und die Erfahrung und der Blick ins Geschichtsbuch der Wirtschaft lehrt: Es sind die Menschen am unteren Ende der Einkommenspyramide.

            Wem das nicht gefällt, sollte nicht versuchen, die Dynamik umzukehren, sondern Inflation zu vermeiden.

            • Stefan Sasse 12. April 2023, 12:34

              Einfach nein. Die Inflation kommt durch den doppelten Angebotsschock von Covid und den Ukrainekrieg, und du wirst keine Posts von mir finden, in denen ich für Pandemien oder Kriege argumentiere.

              Und wenn das keine Gerechtigkeitsfrage ist, dann weiß ich auch nicht.

              • Tim 12. April 2023, 16:58

                Also mit anderen Worten: Die gigantische Geldschwemme der EZB (und anderer Zentralbanken) ist Deiner Meinung nach völlig verpufft. Das Geld – auf wundersame Weise einfach so verschwunden. Die wahnsinnige Wertsteigerung an den Finanz- und Immobilienmärkten hat es nicht gegeben. Wir haben uns das alle nur eingebildet.

                Ernsthaft?

                • Thorsten Haupts 12. April 2023, 17:51

                  Er ist damit in bester Gesellschaft. Ich bin 2009 (zu Recht) aus dem ZEIT-Forum geflogen, u.a. weil ich bei gleicher Argumentation der ZEIT-Wirtschaftsjournalisten Schieritz et al. (Geldschwemme hat überhaupt keine Wirkung) ein paar sehr scharfe Attacken ritt.

                  Ein verdammt grosser Anteil von Wirtschaftsjournalisten und Ökonomen behauptet das bis heute (ohne handfeste Belege und gegen die Intuition), damit der zu zahlende Preis für die damals im Kern gut begründete EZB-Politik nur ja nicht beim Pöbel ankommt.

                  Für mich war das schon immer Staats- und Bankenrettung auf Kosten von Mietern, also der Mehrheit der deutschen Bevölkerung. There ain´t no such thing as a free lunch (quantitative easing).

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

                  • Tim 13. April 2023, 09:41

                    „Zeit“-Journalisten und Wirtschaftsfragen … Ich habe das schon in den 90ern nicht mehr ausgehalten. 🙂

                  • Tim 13. April 2023, 10:15

                    damit der zu zahlende Preis für die damals im Kern gut begründete EZB-Politik

                    Ich fand die Begründung der EZB einer Zentralbank immer unwürdig und viel zu regierungsnah, wenn man so etwas auf EU-Ebene sagen kann. Ich weiß gar nicht, ob es inzwischen überhaupt noch etwas gibt, was nach Meinung der EZB nicht Teil der EZB-Politik sein kann. „EZB – wünsch dir was“, das könnte ihr Slogan sein.

                • Stefan Sasse 12. April 2023, 22:55

                  Ja, nein, nein, nein, ja.

                  • Tim 13. April 2023, 09:37

                    Ich bin gespannt. Wo ist das Geld Deiner Meinung nach geblieben? Haben die Leute es verbrannt oder verbuddelt?

                    • Stefan Sasse 13. April 2023, 10:12

                      „Die Leute“ hatten das ja nie. Ich hab jedenfalls auf meinem Konto keinen müden EZB-Euro gesehen. Du vermutlich auch nicht.

                    • Tim 13. April 2023, 10:25

                      @ Stefan Sasse

                      Ich hab jedenfalls auf meinem Konto keinen müden EZB-Euro gesehen. Du vermutlich auch nicht.

                      Ich glaube, Du denkst hier zu statisch. Geld fließt. Nehmen wir mal das Anleihekaufprogramm der EZB. Die EZB hat bis zum Ende des Programms rund 3 Billionen Euro dafür aufgewendet und damit Banken und Fonds EU-Anleihen abgekauft (weit außerhalb des EZB-Mandats, aber welche Rolle spielt das schon in der EU). Die haben mit dem Geld weitergearbeitet und z.B. mir Anlagen abgekauft. Und schon habe ich von dem EZB-Geld profitiert.

                      Vielleicht hat die EZB geglaubt, dass der Rentenfonds das Geld unten im Tresor versteckt. Manche EZB-Verlautbarungen klangen ja tatsächlich so. Eine der besten Qualitätszentralbanken eben, die man für Geld kaufen kann.

                    • Stefan Pietsch 13. April 2023, 10:25

                      Wenn es niemand hatte, Stefan – wofür war dann die bis heute anhaltende Politik des QE gut? Welchen Sinn hat das, wenn niemand davon profitiert, niemand benachteiligt wird und es keine wirtschaftlichen Effekte hat?

              • Stefan Pietsch 12. April 2023, 18:08

                Tja, Tim hat schon dazu kommentiert. Alle schuld, der Putin, China, die Unternehmen – aber keinesfalls eine auf lange Linien angelegte Geldpolitik des Quantitive Easing.

                Wie gesagt, wie haben seit sehr langer Zeit hohe Inflationsraten. Erst im Bereich der Assets, nun der Konsumgüter. Auf meinen häufigen Hinweis erhielt ich immer die Behauptung entgegen, das sei eben typische Spekulation. Seltsam, dass diese Spekulation so plötzlich endet und dafür Inflation an einer anderen Ecke auftritt.

                Was ist bitte die Gerechtigkeitsfrage? Inflation ist das sichtbare Zeichen von Knappheit bei hohem Geldangebot. Nicht jeder kann alles kaufen und nicht jeder hat viel Geld. Wenn RR seine Preise verdoppelt, interessiert das ja niemanden wirklich. Und wenn der Brotpreis um 40% steigt im Grunde auch kaum jemanden. Ärmere Menschen werden halt für einige Jahre mehr Geld für Lebensmittel und weniger für Restaurantbesuche, Kino und Smartphones und vielleicht Urlaube ausgeben. So what? Eigentlich ist das doch im gesamtgesellschaftlichen Sinne, es wird weniger konsumiert.

                Linke haben da nur, anders als Liberale, das Problem mit der Verteilung. Nur wo steht, dass Menschen einen Anspruch auf eine Ferienreise haben? Oder jedes Jahr ein neues Smartphone? Und warum sollte ein Besserverdiener über den Umweg der Steuer dafür zahlen, dass die gleiche Menge an Urlaubsreisen nachgefragt wird (nebst Flug), obwohl sich die Preise verdoppelt haben? Es ist doch gerade gewünscht, dass weniger geflogen wird! Also, es ist wie in der Pandemie gut, wenn viele Menschen in den Sommermonaten zuhause bleiben und an den Baggersee fahren statt nach Mallorca zu fliegen. Dafür sollte eben kein Steuergeld ausgegeben werden, solche Nachteile auszugleichen.

              • Erwin Gabriel 13. April 2023, 15:58

                @ Stefan Sasse 12. April 2023, 12:34

                Einfach nein…
                Weil, so schließt er messerscharf,
                nicht sein kann, was nicht sein darf.

                Die Inflation kommt durch den doppelten Angebotsschock von Covid und den Ukrainekrieg, …

                Jahrzehntelange Niedrig-/Null-Zins-Politik der EZB spielt also keine Rolle – alles klar.

                Und wenn das keine Gerechtigkeitsfrage ist, dann weiß ich auch nicht.
                Es sind alle belastet; vielleicht nicht alle gleich stark, aber nicht nur Arbeiter und Angestellte.
                Und Gerechtigkeit ist nur ein subjektives Empfinden. Was willst Du damit in dieser Situation? Die einen haben Pech mit den Kosten und wollen nun irgendwoher Geld, andere sollen irgendwie bezahlen, obwohl sie die Situation nicht verursacht haben.

                • Stefan Sasse 13. April 2023, 18:47

                  Wenn man euch zuhört, gibt es für die Inflation weder Covid noch Ukrainekrieg, „weil nicht sein kann, was nicht sein darf“. Es muss einfach die „Geldschwemme“ sein.

                  Es sind alle belastet; vielleicht nicht alle gleich stark, aber nicht nur Arbeiter und Angestellte.
                  Und Gerechtigkeit ist nur ein subjektives Empfinden. Was willst Du damit in dieser Situation? Die einen haben Pech mit den Kosten und wollen nun irgendwoher Geld, andere sollen irgendwie bezahlen, obwohl sie die Situation nicht verursacht haben.

                  Eben. Und deswegen müssen wir das ausdiskutieren, Lösungen und Kompromisse finden.

                  • Tim 14. April 2023, 08:11

                    Wenn man euch zuhört, gibt es für die Inflation weder Covid noch Ukrainekrieg, „weil nicht sein kann, was nicht sein darf“

                    Richtig. Wir sprechen ja auch von der Zeit vor Covid und Ukraine.

                    • Stefan Sasse 14. April 2023, 10:21

                      …als es keine nennenswerte Inflation gab.

                  • Erwin Gabriel I. 14. April 2023, 09:52

                    @ Stefan Sasse 13. April 2023, 18:47

                    Wenn man euch zuhört, gibt es für die Inflation weder Covid noch Ukrainekrieg, „weil nicht sein kann, was nicht sein darf“. Es muss einfach die „Geldschwemme“ sein.

                    „Wir“ (vielen Dank für die Anrede im im Pluralis Majestatis – wir fühlen uns geschmeichelt) haben oft genug darauf hingewiesen, dass (beispielsweise) die Baustoff-Verteuerung in unserer Branche auf Lieferkettenprobleme (=COVID) und Materialknappheit (Ukraine-Krieg) zurückzuführen ist, dass für die Baupreissteigerungen zusätzlich der Fachkräftemangel und steigende EU-Anforderungen (Wärmeschutz, Schallschutz, Prüfzeichen etc.) hinzukommen, dass aber die Immobilienpreise lange vor COVIS und Ukraine durch die Decke gingen – aufgrund der (wie Du es nennst) „Geldschwemme“ und einer verfehlten Zuwanderungs- und Wohnungsbaupolitik (in erster Linie durch diverse Regierungen Merkel). „Wir“ haben auch oft genug darauf hingewiesen, dass für den Wohnungsbereich nicht nur der Staat, sondern auch die Kommunen Verantwortung zu tragen haben (die wiederum, so unsere Einschätzung, vom Staat im Stich gelassen worden sind).

                    Wenn man Dir zuhört, liegt aber alles nur an COVID oder dem Ukraine-Krieg.

                    [Es sind alle belastet …]
                    Eben.
                    Dieser Kommentar unterscheidet sich schon sehr von Deiner Aussage, dass die Lasten einseitig nur von den AN getragen werden.

                    • Stefan Sasse 14. April 2023, 10:26

                      Die Inflation bei Wohnkosten sicher nicht, klar. Ich glaube, wir liegen inhaltlich gar nicht dermaßen auseinander, es ist eher eine Frage, was betont wird.

                  • Stefan Pietsch 14. April 2023, 12:43

                    Krisen durchziehen das Wirtschaftsgeschehen. It’s not a bug, it’s a feature!

                    Damit einhergehen ständige Verschiebungen der Preisrelationen. Auch das: It’s a feature. Wenn aber generell Preise weit über den Mittelwerten anziehen, dann war dies immer (!) politisch induziert. Politische Faktoren gibt es derzeit einige und sie wirken fast ausschließlich preistreiben. Aber, das Grundrauschen gibt es seit 2010, nur wurde es von bestimmten politischen Kreisen negiert.

                    Erst stiegen die Assetpreise über 10 Jahre so stark wie nie zuvor in der Geschichte. Nachkriegsdeutschland erlebte die größte Hausse am Immobilienmarkt. Und nahtlos ging die Assetinflation 2021 in die Konsumgüterinflation über.

                    Die darunter liegende Welle bleibt im Grunde gleich, nur trifft es eine andere Armada.

                • CitizenK 13. April 2023, 22:26

                  „/Null-Zins-Politik der EZB“

                  Asset-Inflation, ja. Aber warum kam die nicht beim Verbraucher (Index) an?

                  • Stefan Pietsch 14. April 2023, 12:23

                    Kam es ja. Ab 2010 hatten wir ein Jahrzehnt mit stark steigenden Mieten zu kämpfen. Die wachsende Knappheit auf dem Immobilienmarkt verschärfte nur das Problem. Bei Sparern kam die Inflation durch Verschiebung der Renditen an. Anlagen werden ja nicht nur einmalig emittiert, sie werden auch gehandelt. Hier stiegen die Anleihen, was den verbrieften Zins auf den Papieren im relativen Wert reduzierte. Auf dieser Basis bieten Banken ihren Kunden Sparbriefe, Kapitallebensversicherungen und andere festverzinsliche Anlagen an.

                    • CitizenK 14. April 2023, 13:40

                      The missing link. Danke.

                  • Erwin Gabriel 14. April 2023, 16:42

                    @ CitizenK 13. April 2023, 22:26

                    Asset-Inflation, ja. Aber warum kam die nicht beim Verbraucher (Index) an?

                    Steigende Miet- bzw. Wohnkosten einerseits, sinkende Erträge bei nicht-spekulativen Rentenversicherungen andererseits.

                    • CitizenK 14. April 2023, 22:25

                      Ja. Kontensparer und Inhaber von Kapital-Lebensversicherungspolicen haben den Schaden. Diese Form der Geldentwertung erscheint nicht im Index, ist aber eine Folge der Geldschwemme.
                      So gesehen ist die Verkehrsgleichung doch nicht ganz falsch?

          • Erwin Gabriel 13. April 2023, 15:50

            @ Stefan Sasse 11. April 2023, 22:39

            Aber zu sagen, dass die abhängig Beschäftigten jetzt halt als einzige alles schlucken müssen, kann ja auch nicht sein.

            Wieso „als einzige“? Sind Selbstständige und Freiberufler nicht betroffen? Sind Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger nicht betroffen? Sind Unternehmen nicht betroffen?

            • Stefan Sasse 13. April 2023, 18:46

              Die Handwerker, die ich gerade im Haus habe, erzählen mir ständig, dass sie wegen der Inflation ihre Preise erhöht haben.

              • Erwin Gabriel 14. April 2023, 09:03

                @ Stefan Sasse 13. April 2023, 18:46

                Die Handwerker, die ich gerade im Haus habe, erzählen mir ständig, dass sie wegen der Inflation ihre Preise erhöht haben.

                Au weia …
                Das ist weder eine Antwort auf meine Frage noch die umfassendste Untersuchung, die je zu solch einem Thema angestellt wurde. Nicht bös sein, wenn ich hier aus der „Diskussion“ aussteige.

  • Stefan Pietsch 11. April 2023, 12:41

    2) Das verdient Deutschland – und das verdient die Streikbranche

    Die wesentliche Kritik entzündet sich nicht an den Forderungen, sondern den Mitteln der Durchsetzung. Die Gewerkschaften greifen dabei massiv auf sogenannte Warnstreiks zurück, ein Instrument, das es im Arbeitsrecht so nicht gibt. Sie tun das, noch bevor Verhandlungen ernsthaft begonnen haben, um den Arbeitgeber vorab massiv zu schädigen. Umgekehrt ist den Arbeitsgebern das ihnen an die Hand gegebene Instrument der Aussperrung de jure wie de facto versperrt. Seit den Achtzigerjahren, also seit 40 Jahren, sperren Arbeitgeber nicht mehr aus und sind damit den Arbeitskampfmitteln der Gewerkschaften wehrlos ausgeliefert.

    Ein fairer Kampf bedingt Waffengleichheit. Dafür hat der Staat zu sorgen. Wo es keine Waffengleichheit gibt, wird der ohne Waffen unnötig geschädigt.

    • Stefan Sasse 11. April 2023, 15:15

      Den Warnstreik gibt es doch seit Jahrzehnten als etabliertes Mittel. Das wurde noch nie angezweifelt. Wo kommt das denn plötzlich her?

      • Stefan Pietsch 11. April 2023, 15:56

        Ähm, nein. Erstens ist „toleriertes“ das passendere Wort. Zweitens entstand nach meiner Wahrnehmung dieses Instrument in den Neunzigerjahren. Damals liefen immer mehr Tarifverhandlungen völlig ohne Phasen des Streiks ab. Man kam gar nicht so weit. Die Mitglieder wurden jedoch unzufriedener, denn der wirtschaftliche Wandel, die Globalisierung wie die Arbeitsmarktreformen, fanden auf ihrem Rücken statt.

        Also begannen die Gewerkschaften, mehr Streit zu inszenieren als ihn ernsthaft auszutragen. Symptomatisch in einem meiner Ex-Unternehmen. Der alteingesessene Maschinenbauer hatte Ende der Nullerjahre eine veritable Insolvenz hingelegt, war danach wieder leidlich profitabel geworden. Nur gab es für den Konzern zwei Nachteile: zum einen war der Organisationsgrad der IG Metall sehr hoch, zum anderen handelte es sich um eine Publikumsgesellschaft in Rhein-Main. Bei jeder Tarifrunde veranstaltete der Betriebsrat eine Show, die Mitglieder gingen eine Stunde in den Ausstand und dann wieder zurück. Wochen später gab es die erwartete Tariferhöhung.

        Das ist Kindergarten. Zunehmend legen die Gewerkschaften jedoch den Kindergeburtstag „Warnstreik“ als echten Streik aus wie vor zwei Wochen. Und das ist eine völlig andere Kategorie. Arbeitsrechtlich waren sie immer fragwürdig, aber Arbeitgeber haben es zur Wahrung des Betriebsfriedens toleriert, damit die Beschäftigten Dampf ablassen konnten. Ein ganzes Land just for show lahmzulegen ist etwas ganz anderes.

        • CitizenK 11. April 2023, 21:21

          Hinzu kommt, dass Streiks im Öffentlichen Dienst gar nicht in erster Linie dem Arbeitgeber schaden, sondern der Allgemeinheit. Diese ist in jedem Fall betroffen: Wenn Kommunen oder das Land die Dienste einschränken (Kiga-Zeiten) oder wenn sie nachgeben und das Geld von den Bürgern in Form von Gebühren oder Steuern zurück holen muss.

          • Stefan Pietsch 12. April 2023, 00:54

            Das ist richtig. Bei einem Streik in der Privatwirtschaft wird der Arbeitgeber durch Umsatzverlust geschädigt und er kann kalkulieren, ob der Preis gerechtfertigt ist. Am Ende kommt man zu einem Kompromiss, in dem sich die Abwägung „Kosten weiterer Streiks“ versus „Kosten von Lohnerhöhungen“ widerspiegeln. So ist es gedacht.

            Im Öffentlichen Dienst schädigen Streiks nicht die Arbeitgeber, sondern die Kunden (vulgo: Bürger), die keine Alternative haben, während der Arbeitgeber Staat sich durch Steuererhöhungen bei eben diesen schadlos halten kann. Gewerkschaften nehmen in diesen Fällen also die Bürger als Geisel, um den Arbeitgeber zu höheren Löhnen zu bewegen, die dann die Geisel zu bezahlen hat.

            Man kann diese Konstruktion als ungut empfinden. Deswegen hat das Argument etwas, in solchen Bereichen Streiks nur nach einem geordneten Verfahren der Schlichtung zu erlauben. Denn es kommt noch ein weiterer Fakt hinzu: In der Privatwirtschaft bezahlen Arbeitnehmer zu hohe Lohnforderungen ggf. mit Arbeitsplatzverlust. Einem solchen Risiko sind Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes nicht ausgesetzt.

            • Stefan Sasse 12. April 2023, 12:37

              Selbstverständlich. Angestellte des Öffentlichen Dienstes sind auch Angestellte. Auch da gibt es Sparmaßnahmen und Entlassungen.

          • Erwin Gabriel 14. April 2023, 10:14

            @ CitizenK 11. April 2023, 21:21

            Hinzu kommt, dass Streiks im Öffentlichen Dienst gar nicht in erster Linie dem Arbeitgeber schaden, sondern der Allgemeinheit.

            Zustimmung

        • Stefan Sasse 11. April 2023, 22:38

          Ich kann dir sagen, dass der Warnstreik in den Lehrmaterialien als völlig normaler Bestandteil von Tarifverhandlungen geführt wird. Ich habe auch noch nie gehört, dass das jemand anders sieht. Ich glaube, da hast du eine ziemliche Außenseiterposition. Kann man schon haben, aber illegitim sind Warnstreiks sicher nicht.

          • Stefan Pietsch 12. April 2023, 00:28

            Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat 1988 entschieden, dass auch Warnstreiks durch das Streikrecht des Grundgesetzes gedeckt sind. Allerdings gilt auch für sie das Ultima-Ratio-Prinzip. Warnstreiks gleich zu Beginn von Tarifverhandlungen und dann noch in massiver Form fallen ziemlich klar nicht darunter. Das Ultima-Ratio-Prinzip besagt, dass Streiks erst nach dem Scheitern von Verhandlungen zulässig sind.

            Das war bei den gegenwärtigen Verhandlungen nicht der Fall. Das, Stefan, ist die geltende Rechtslage.

            Aber Du bist an einem wichtigen Punkt ausgebüxt, in dem Du ihn einfach ignorierst. Es besteht seit Jahrzehnten keine Waffengleichheit mehr bei Tarifverhandlungen. Würden beispielsweise Arbeitgeber permanent bei den turnusgemäßen Gesprächen Arbeitnehmer aussperren, während diese nicht mal streiken dürften (könnten), würdest Du die maßlose Ungerechtigkeit beklagen. Aber wenn über Generationen erkennbar ist, dass die Rechtslage eine Partei eindeutig begünstigt und diese die andere Partei fast grenzenlos schädigen kann, ist das für Dich in Ordnung.

            • cimourdain 12. April 2023, 09:07

              Sehen Sie sich die Urteilsbegründung des BAG von 1988 an. Dort wird schon die Tatsache, dass die Gewerkschaft zum Warnstreik aufruft, als Indiz gewertet, dass die Verhandlungen gescheitert sind. Das können Sie als Zirkelschluss werten, aber so ist die Grundsatz-Rechtsprechung.

              Etwas anderes sind Aussperrungen: Diese gibt es noch (z.B. 2019 durch die Firma Cinestar), sind aber aus wirtschaftlichen Gründen selten, da sich die Arbeitgeberseite damit vor allem ins eigene Fleisch schneidet.

              Rechtlich wurden die Aussperrungen in den 80ern sogar gestützt. indem staatliche Leistungen für von Aussperrung Betroffenen als Eingriff in die Tarifautonomie gewertet und deshalb unterbunden wurde.

              • Stefan Pietsch 12. April 2023, 18:15

                Alles richtig. Aussperrungen spielen seit Jahrzehnten keine Rolle, „Warnstreiks“ eine sehr große. Mein Punkt – den bisher keiner widerlegt hat: Das ist eine krasse Ungleichheit der Arbeitskampfmittel.

                • Stefan Sasse 12. April 2023, 22:57

                  Ja, die armen Arbeitgeber, komplett machtlos gegenüber riesigen Macht ihrer Angestellten.

                  • Stefan Pietsch 12. April 2023, 23:30

                    Nochmal, wäre es umgekehrt, würdest Du darüber zig Artikel verfassen. Der Staat hat sich neutral zwischen seinen Bürgern zu verhalten, wenn sie ihre Grundrechte wahrnehmen. Es gibt damit Gründe, hier einen Missstand zu konstatieren, der eben nicht für eine kurze Zeit besteht, sondern seit Jahrzehnten.

                    Wohlgemerkt, das war und ist im Prinzip anders gedacht gewesen.

                    • Stefan Sasse 13. April 2023, 10:11

                      Es ist dein Recht, diese Haltung zu vertreten, klar. Aber du kannst nicht behaupten, dass hier eine eindeutige rechtliche Lage vorliegen würde.

                    • Stefan Pietsch 13. April 2023, 10:35

                      Wir haben eine höchstrichterliche Entscheidung von vor 35 Jahren, als das Instrument der Warnstreiks erst aufkam. Damals, in den Achtzigern, dominierten noch „normale“ Streiks. Gewerkschaften und Arbeitgeber verhandelten, irgendwann reichte es den Arbeitnehmervertretern, sie erklärten den Streik oder im ÖTV-Bereich die Verhandlungen offiziell für gescheitert. Das hatte aber sehr wenige Streiks und damit Öffentlichkeitswirksamkeit zur Folge.

                      Heute erklärt niemand mehr Verhandlungen für offiziell gescheitert. Die Gewerkschaften fahren da eine doppelzüngige Strategie. Einerseits erklären sie ihren Mitgliedern und in Medien, es müsse „Druck auf die Arbeitgeber“ ausgeübt werden, damit diese sich bewegen. Das rechtfertigt jedoch keinen Streik, schon gar nicht so einen massiven, weil der Streik in diesem Fall keine Ultima Ratio ist. Damit sie arbeitsrechtlich nicht auf zu dünnem Eis stehen, erklären sie zusätzlich formaljuristisch korrekt, die Verhandlungen seien aus ihrer Sicht gescheitert – nur um sich am selben (!) Tag mit den Arbeitgebern an einen Tisch zu setzen.

                      Es wäre interessant, diesen Fall vor das BAG zu bringen. Politisch ist zu konstatieren, dass Gewerkschaften in den vergangenen 40 Jahren ihre Arbeitskampfmittel verfeinern und erweitern konnten, Arbeitgeber aber nur stumpfe, nicht einsetzbare Schwerter vom Gesetzgeber gestellt bekommen.

                      Nochmal, hier fehlt jede Einordnung und Bewertung von Dir.

                    • Stefan Sasse 13. April 2023, 18:42

                      Ich bewerte das als nicht stichhaltig und ordne das in den Niedergang gewerkschaftlicher Macht ein, die das Machtgleichgewicht seit den 80ern mit Sicherheit nicht zugunsten der AN verschoben hat.

                    • Tim 13. April 2023, 11:47

                      @ beide Stefans

                      Man muss auch bedenken, dass Streikrecht in Deutschland grundsätzlich Richterrecht ist. Es gibt dafür keinerlei gesetzliche Regelung. Wie so manches andere auch haben sich Richter dafür alles aus einem dürren Satz im Grundgesetz herbeigezaubert. Für mich ist das ähnlicher Mumpitz wie die Rundfunkrechtsprechung des Bundesverfassungsgericht – letztlich juristische Magie ohne belastbares Fundament.

            • Stefan Sasse 12. April 2023, 12:35
  • Stefan Pietsch 11. April 2023, 15:17

    3) Der getarnte Verlierer

    Mich würde an der Stelle die Einschätzung von Stefan Pietsch interessieren, weil der immer argumentiert hat, dass Merkels Übervorteilung der FDP in der Koalition ein Riesenfehler und generell zu verurteilen war.

    Nun, als Hardcore-Liberaler würde ich antworten, weil die Grünen auf zu vielen Bäumen sitzen, von denen sie heruntergeholt werden müssen. 😉

    Nein, eine Partnerschaft funktioniert natürlich nur, wenn jeder seine Punkte bekommt und die nicht zu sehr zu Lasten der anderen gehen. Es gibt Gemeinsamkeiten zwischen der Situation 2017 und deutliche Unterschiede. Der Wesentliche: Lindner schmiss hin, als die FDP in den Sondierungsverhandlungen keine Schnitte bekam. Heute sind wir einige Schritte weiter, Sondierung und Koalitionsverhandlungen wurden so abgeschlossen, dass alle drei Partner zufrieden waren.

    In der Zeit ist viel passiert: Die Grünen konnten wesentliche Teile ihrer gesellschaftspolitischen Vorstellungen umsetzen. Nicht nur diese stehen in deutlicher Opposition zur Mehrheitsmeinung der Bevölkerung. Zusätzlich durften sie am Atomausstieg festhalten, obwohl eine so krisenhafte Situation eingetreten ist, die selbst für die Mehrheit der Grünen-Anhänger (!) ein Weiterlaufen der Atommeiler rechtfertigt. Natürlich muss man für so etwas einen politischen Preis zahlen, den musste die FDP Anfang 2022 auch, als sie sich gegen weitere Corona-Maßnahmen und eine Impfpflicht stemmte.

    Im Auge der Wähler hat die FDP am meisten geopfert. Bei allen Wahlen wurde die Partei halbiert und flog ein paar Mal aus dem Parlament, während die Grünen gute Ergebnisse einfuhren. Das ist ein Statement. Bei Vertragsabschluss war sowohl Scholz als auch Habeck klar, dass man den Liberalen so viel geben muss, damit eine solche Situation eben nicht eintritt. Aber sie ist eingetreten.

    Habeck und insbesondere Baerbock positionieren sich klar als Rivalen des Alphatieres Scholz. Anfangs bekamen sie auch weit bessere Haltungsnoten. Auch das tut der Stabilität einer Koalition nicht gut. Zudem sind die Grünen der einzige Partner, der eine echte Alternative hat. SPD und FDP haben das eben nicht. Das hat Folgen. Eine ganz Entscheidende ist, dass die Grünen vor Kraft kaum laufen können.

    In Berlin wollten sie der SPD die Macht der Regierenden Bürgermeisterin so weit beschneiden, dass diese nur noch Frühstücksdirektorin gewesen wäre. Auch im Bund empfinden die neuen alten Partner die Grünen als völlig überheblich. Der Koalitionsgipfel war ja nur wegen den Grünen notwendig geworden. Dann musste man 30 Stunden ins Rennen, obwohl in den Vorarbeiten bereits 85 Prozent der Punkte als geeint galten. Die Verhandlungen mussten mehrmals unterbrochen werden, damit die Grünen sich abstimmen konnten. Am Ende bekamen sie weniger, als das Kompromisspapier in der ursprünglichen Version vorsah. Klar sind Partner da leicht voneinander genervt.

    Die Sozialdemokraten folgten sehr lange der Überzeugung, dass ihrer Wählerschaft große Schnittmengen mit den Grünen habe. Inzwischen sieht man das in der Parteispitze deutlich anders. Jetzt kommen die Gemeinsamkeiten von SPD und FDP hervor. Beide Gruppen leiden unter den gleichen Faktoren.

    Für die Grünen sind die Konservativen eine ernsthafte Option. Selbst Linke der Partei meinen ja inzwischen, mit der Union würde man auch nicht schlechter fahren. Das sehe ich übrigens auch so. Nur: derzeit hat Schwarz-Grün keine Mehrheit und in der Konstellation wären die Grünen in gesellschaftspolitischen Fragen weiter isoliert. Lindners FDP ist von der Union desillusioniert und weiß die Zuverlässigkeit von Sozialdemokraten zu schätzen. Also werden die Liberalen die Koalition nicht sprengen.

    Seit der Berlinwahl hat die Partei einen Kurswechsel vollzogen in starker Opposition zu den Grünen. Das zahlt offenbar auf ihr Konto ein und geht zu Lasten der Alternativen. Warum also den Kurs ändern?

    • Stefan Sasse 11. April 2023, 22:36

      Ne, dein Argument bezog sich auf Schwarz-Gelb unter Merkel. Dass sie die FDP nicht genug gefüttert hätte, immer positiv verglichen mit Kohl. Die Sondierungsverhandlungen sind ein anderes Thema, davon rede ich nicht. Davon habt ihr mich weitgehend überzeugt.

      Im Auge der Wähler hat die FDP am meisten geopfert.
      Im Auge welcher Wählenden? „Die“ Wählenden gibt es so nicht. Denn da hast du sehr, sehr unterschiedliche Meinungen. Alle sind immer der Meinung, ihr eigenes Lager hätte am meisten geopfert.

      Ich sehe auch nicht, dass die Koalition von irgendjemand gesprengt wird. Das halte ich für das übliche sinnlose Hintergrundrauschen der Hauptstadtjournalist*innen (bei dem ich mich immer frage, warum in der Hölle die jemand für diese gedruckte Grütze bezahlt).

      • Stefan Pietsch 12. April 2023, 00:46

        Okay, dann habe ich das falsch zugeordnet.

        Die „Misshandlung“ der FDP begann 2009 ja bereits in den Koalitionsverhandlungen. Weil das so früh zu sehen war, hat Lindner 2017 die Lehren daraus gezogen. Die Grünen sind aber weder in den Koalitionsverhandlungen noch in der Folge schlecht behandelt worden. Sie konnten sehr viele Punkte machen – und haben das auch so eingeschätzt. Noch mehr: nicht nur ihre Wähler haben das goutiert, sie haben weitere Zustimmung gewonnen. Aber die Zuwächse erfolgten auf Kosten ihrer Partner.

        Das ist schon eine ganz andere Situation als 2009. Unter Kohl hat die FDP nicht über die Union triumphiert. Ihr bestes Ergebnis erzielte sie damals 1990. Aber auch die Union siegte damals klar über die SPD. Die FDP hatte 2009 einen großen Erfolg eingefahren, die Grünen 2021 eher ein kleines Debakel erlebt – bei einer Wahl, wo sie die SPD herausgefordert hatten. Die SPD gerierte sich nicht als Triumphator, während Merkel 2009 offensichtlich nur das eine Ziel hatte, die FDP klein zu machen.

        Anders als in der Wahrnehmung habe ich nicht beklagt, als Merkel 2010 das vage Steuersenkungsversprechen einkassierte als Folge der Eurokrise. Steuersenkungen waren damals einfach nicht mehr begründbar. Aber: heute ist der Verzicht auf die Kernkraft praktisch nicht begründbar. Heute ist ein Verbotsprogramm wie das von Habeck nicht begründbar. Das wissen Scholz und Lindner, erstaunlicherweise erkennen das Habeck und Baerbock nicht. Statt ihre Partei zu drehen, greinen sie.

        Ich habe auch immer geschrieben, die FDP habe sich ihren Absturz 2013 selbst zuzuschreiben. Das gilt selbstredend auch für die Grünen heute.

        Der Wähler hat am Ende immer Recht. Wenn eine Partei deutlich verliert, die andere nicht, dann hat im demokratischen Urteil die eine einiges falsch gemacht. Seit der Berlin-Wahl entwickeln sich die Umfragen für Grüne und FDP entgegengesetzt. Die Grünen haben ihre Politik beibehalten, die Liberalen haben sie erkennbar geändert. Zuvor hatten die Liberalen desaströs bei Wahlen verloren. Ich war an der Stelle nicht bei Dir und Ariane, wenn ihr meintet, das sei der angeblichen Opposition der FDP gegenüber den Grünen zu sehen.

        Ich fand Lindners Verzicht 2017 richtig. Das hatte ich geschrieben. 2020 schrieb ich allerdings auch, dass auch hier der Wähler im Zweifel Recht habe. Bekanntlich verloren die Liberalen nach dem Scheitern von Jamaika deutlich in den Umfragen. Auch hier: warum sollte ich das bei den Grünen anders bewerten?

        Was ich nicht verstehe, bisher aber nicht nachgefragt habe: Warum meinst Du heute, Lindners Handeln damals sei richtig gewesen?

        • Stefan Sasse 12. April 2023, 12:37

          Ich denke, die FDP hätte 2017 von Jamaika tatsächlich nicht profitiert. Sie kriegt 2021ff. mehr raus.

          • Stefan Pietsch 12. April 2023, 16:52

            Weiß ich nicht. Interessant ist, das wir gegenseitig unsere Positionen konterkarieren. Die Umfragen danach zeigen, dass die FDP-Anhänger den Verzicht auf die Macht in Teilen nicht richtig fanden. Strategisch habe ich das Tun immer verstanden. Aus Sicht des Ganzen war es nicht richtig.

  • Ariane 11. April 2023, 15:34

    2) Klar erhöht das auch wieder die Inflationsraten, aber die Alternative ist, dass die Beschäftigten einseitig die Lasten schlucken. Und die haben eh schon den Kürzeren gezogen, auch wenn diese Forderungen durchgehen würden (was sie nicht werden).

    Zu meinen, wir haben eine höhere Inflation, weil höhere Löhne mit Glück knapp die Reallohn-Höhe halten, ist irgendwie niedlich naiv. Daran wirds liegen! Das tut der Inflation dann auch eher wenig, wenn weiter die gleichen (jetzt teuren) Dinge gekauft werden, dann ist nämlich nicht mehr Geld im Umlauf. Und wir haben ja schon festgestellt, dass Inflationsbekämpfung durch Massenverelendung vielleicht auch nicht so doll ist.

    Dazu gehören aber noch zwei Dinge, denn ein Aufholen ist ja nicht nur wegen der aktuellen Inflation dringend nötig, sondern vor allem, weil die vorangegangenen Krisen auch schon zu teils erheblichen Reallohn-Verlusten geführt haben und das hat der Mindestlohn schon mehr gebremst als irgendwelche Tarifabschlüsse.

    Von daher war es so oder so an der Zeit für höhere Abschlüsse und aktuell sind die Zeiten für Arbeitnehmende halt auch gut. Kapitalismus, Markt regelt und so. Das ging in den letzten Krisen nicht und jetzt schon, auch Arbeitnehmer dürfen effizient denken und tun das ja auch.

    3) Die waren ja auch noch nie die „Klimapartei“, das war immer Schönwetterpositionierung, wie bei Merkel und der CDU vorher auch. Und dass sie viele Wählende hat, die dem ganzen Klimaschutzprojekt sehr skeptisch gegenüberstehen, ist völlig richtig.

    Joa ich seh die SPD da auch in einer Merkelposition. Das ist für die Wahlen vermutlich auch richtig, aber deswegen nicht zwingend gute Politik.

    Ich denke, sie wäre gut darin, an einer Art sozialverträglichem Klimaschutz zu arbeiten und zwar ohne dass das irgendwie in „wir machen gar nichts“ abdriftet. So für Leute wie mich zb (natürlich wäre es ganz toll, die machen alle für mich Politik^^)

    Aber ich habe ein kleines Einkommen und mein Hauptbeitrag zum Klimaschutz ist, dass ich mir einfach wenig Luxus-Tüddelkram leisten kann. Wenn mir die Grünen nun erzählen, ich soll nur noch Bio und regional kaufen und mit Kaltwasser duschen, damit ich mir ne neue Heizung kaufen soll.
    Oder die FDP, dass ich doch bitte klaglos und ohne Bequemlichkeitsgedanken für den Mindestlohn arbeiten soll und einen CO2-Preis zahlen, damit andere ihren Porsche-Dienstwagen behalten können.

    Plakativ ausgedrückt, aber dann weine ich ein bisschen in meinen Geldbeutel und fühle mich nicht so angesprochen oder sogar unter Druck gesetzt – ohne dass das irgendwas mit dem Klima zu tun hat. Die Position „Lasten des Klimawandels gerecht verteilen“ scheint mir unterbesetzt.

    Wäre gute Politik, aber ich weiß nicht, wie wahlkampftauglich das ist. Aber das ist schon ein Kampfplatz für Privilegierte. Auf beiden Seiten, kommt ja nicht von ungefähr, dass da v.a. FDP und Grüne so engagiert sind, das ist ihre Klientel.
    Es braucht aber eigentlich schon die Massen von SPD (und eigentlich auch CDU), um da richtig Bewegung hineinzubringen und aktuell spielen die lieber wohlmeinende Verhinderer.

    • Stefan Sasse 11. April 2023, 22:37

      2) Korrekt. Die Inflation muss auch für die Arbeitnehmenden ausgeglichen werden, zumindest ein wenig. Selbst wenn jetzt 15% rauskommen passiert das für viele ja noch nicht. Und das ist ja ein illusorisches Ergebnis.

      3) Jupp.

  • cimourdain 11. April 2023, 16:19

    Nachtrag zu a)
    Man kann so oder so zum Werbeverbot stehen, aber der Artikel ist etwa genauso manipulativ wie die kritisierte Anzeige, so viel Interpretationsarbeit wie da hinein gesteckt wurde [Was ein Armutszeugnis für den Journalismus darstellt]: Der erklärende Text ist bei einer Anzeige kleiner als der Slogan … so lange nicht gezeigt wird, wie klein, ist das eine Nullaussage. Und aus der Formulierung „…werden erschwert oder gar untersagt“ ein „viele könnten denken, daß gar kein Sponsoring mehr möglich sein soll“ zu lesen, ist kühn. Genauso die Aufhübschung, dass „immer außer von 23 bis 6 Uhr“ keine weitgehende Einschränkung sein soll.

    • Stefan Sasse 11. April 2023, 22:40

      Ändert aber nichts dran, dass sie lügen, oder?

      • cimourdain 12. April 2023, 08:41

        Genau das ist mein Problem mit dem Artikel: Bewusste Falschaussage kann er keine finden. Also plustert er die (natürlich) einseitige Darstellung der Anzeige, die auch als solche gekennzeichnet ist (wichtig), so auf, dass es beim Lesen wie eine „Lüge“ wirkt.

  • sol1 11. April 2023, 17:23

    3) Scholz hat, wie in der SZ von heute zu lesen ist, eine Machtmaschine in der SPD um sich installiert, bei der Klimaschutz-Ambitionen nur stören würden:

    /// Viele strategische Überlegungen der SPD und ihren Taktgebern um Scholz kreisen aber bereits um das Projekt „Olaf 2025“, die nächste Bundestagswahl. Einer, der Scholz gut kennt, formuliert es so: „Er ist ganz eindeutig, von der Energie- bis zur Außenpolitik, näher bei der FDP als bei den Grünen. Und gibt die Richtung vor.“ Das hänge mit seiner politischen Vita zusammen.

    Scholz könne nur eine Chance auf eine zweite Amtszeit haben, wenn die FDP im Bundestag bleibe und möglichst stark werde. Und der Union wieder Wähler abjage. Deshalb sei es in seinem elementaren Interesse, die FDP zu stabilisieren, was sich ja im Moment auch zeige. Sein Glück sei, dass die CDU von Friedrich Merz geführt werde, der für die Grünen kaum eine bessere Alternative sei. Merz müsse halt Kanzlerkandidat werden und die SPD wieder stärker werden. „Dann ist Scholz eigentlich in einer komfortablen Lage“, sagt der Kenner des Bundeskanzlers über dessen Kalkül. ///

    https://www.sueddeutsche.de/politik/spd-olaf-scholz-bundesregierung-gruene-fdp-1.5790527 (Paywall)

    • Thorsten Haupts 11. April 2023, 18:08

      Einer, der Scholz gut kennt …
      Jau. Kanzleramtsastrologie und etwa genauso belastbar.

      • Stefan Sasse 11. April 2023, 22:43

        This. Ich erinnere an die „Merkel wird 20XX freiwillig aufhören“-Artikel der ganzen Kanzlerinnenflüsterer.

        • Ariane 12. April 2023, 16:51

          Ey! Das ist wie mit Inflations- und Crashpropheten, irgendwann haben sie recht und können sagen, sie haben es immer gewusst!

    • Stefan Sasse 11. April 2023, 22:41

      Was, Scholz muss die Ampel erhalten, um Kanzler zu bleiben? Potzblitz. 😀

  • Stefan Pietsch 11. April 2023, 18:28

    e) Der Kult des Arbeitens bis zur völligen Erschöpfung kann echt weg.

    Das ist eine völlig unangepasste Aussage. Im Politischen Raum wie in Tarifverhandlungen wird Zeit als Instrument genutzt, zu Ergebnissen zu kommen. Das hat nichts mit „Arbeiten bis zur völligen Erschöpfung“ zu tun. Mit fortschreitendem Schlafentzug steigt die Bereitschaft zur Einigung, wenn Schlaf nur bei eben dieser Einigung gegeben wird.

    Im Wirtschaftsleben ist eine solche Form der Einigungserzwingung nicht erforderlich. Im Gegensatz zur Politik und bei Tarifpartnern gibt es klare (Entscheidungs-) Hierarchien. Ein CEO kann sagen „So machen wir es“. Ein Kanzler kann dies nicht, er benötigt die Zustimmung seiner Koalitionspartner. Da diese jedoch oft konträre Ziele verfolgen und Interessengruppen vertreten, ergeben sich Konflikte bei der Lösungsfindung.

    Ohne (physischen) Druck sind Einigungen dann sehr schwer zu finden.

    • Stefan Sasse 11. April 2023, 22:43

      Mir ist die Dynamik dahinter völlig klar. Ich sage nur, dass ich den damit verbundenen Kult ablehne.

  • Thorsten Haupts 11. April 2023, 22:19

    Mit fortschreitendem Schlafentzug steigt die Bereitschaft zur Einigung …

    Wie hübsch. Also eine allseitig akzeptierte Form gegenseitiger Erpressung? Bleibt trotzdem Bullshit, das lässt sich anders organisieren.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 11. April 2023, 22:44

      This. Davon abgesehen stimmt es noch nicht mal. Wer sich nicht einigen will, einigt sich auch unter Schlafentzug nicht.

    • Stefan Pietsch 12. April 2023, 00:08

      Die Behauptung ist Bullshit, weil sich der Sachverhalt (Entscheidungsfindung) auch anders organisieren ließe? Was ist denn das für eine Begründung? Fakt ist, dass es diese Ewigkeitsverhandlungen nur in der Politik gibt. In Unternehmen ist das unbekannt, kein Board tagt 30 Stunden am Stück, um beispielsweise über einen Merger zu entscheiden.

      Wenn Sie meinen, es gäbe im Politischen andere Möglichkeiten, mag das sein. Sehr erfahrene Politiker sind anscheinend nicht so klug wie Sie. Das ist bedauerlich, deswegen aber nicht Bullshit.

    • cimourdain 12. April 2023, 11:12

      Eine Alternative wäre das Konklave-Modell: Wir sperren die verhandelnden Akteure bis zur Entscheidungsfindung ein, wobei Grundbedürfnisse (auch Schlaf) erfüllt bleiben, aber jeder Kontakt zur Außenwelt unterbunden wird. Keine Zeitungen, kein Internet, kein Twittern, keine Interviews, nichts. Sollte auch funktionieren.

      • Stefan Sasse 12. April 2023, 12:47

        Warum…?!

        • cimourdain 12. April 2023, 16:03

          Wegen der Sucht von Politikern nach Öffentlichkeit.

          Und weil ein global agierendes Unternehmen damit schon extrem lange erfolgreich ist.

          • Ariane 12. April 2023, 16:54

            LOL

            Obwohl Medienentzug – gerade bei so langen Verhandlungsrunden – vermutlich tatsächlich hilfreich wäre. Oder so wie bei den Coronatreffen, dann gleich richtig transparent und mit quasi Live-Twitter^^

            • Ralf 12. April 2023, 17:13

              Ich glaube, ihr geht alle von völlig falschen Voraussetzungen aus. Ich bezweifele arg, dass diese langen Verhandlungszeiten funktional nötig sind oder einen Beitrag zur Lösungsfindung leisten (oder erzwingen). Die beteiligten Verhandler sind alle Profis. Die wissen doch schon bevor sie in den Raum eintreten, was in etwa sie bekommen werden und was sie werden geben müssen.

              Die 20 Stunden Verhandlung braucht man lediglich als Show, um dem Wähler gegenüber begründen zu können, dass man endlos gerungen hat, um Wahlversprechen nicht brechen zu müssen, dass aber nach stundenlangem, zähem Ringen, die ganze Nacht hindurch, leider, leider, leider nichts anderes übrig blieb, als einen schmerzvollen Kompromiss zu schließen …

              • Thorsten Haupts 12. April 2023, 21:21

                Genau das!

              • Stefan Sasse 12. April 2023, 22:57

                Gar so zynisch würde ich da nicht rangehen, ich denke schon, dass die entsprechend lange verhandeln.

              • Erwin Gabriel 14. April 2023, 09:38

                @Ralf 12. April 2023, 17:13

                Ich bezweifele arg, dass diese langen Verhandlungszeiten funktional nötig sind oder einen Beitrag zur Lösungsfindung leisten (oder erzwingen).

                Ich auch. Zustimmung

  • Thorsten Haupts 12. April 2023, 09:36

    Der Sachverhalt ist Bullshit, nicht das Argument.

    Sehr erfahrene Politiker sind anscheinend nicht so klug wie Sie.

    Das ist das Äquivalent zu einem meiner drei „Lieblings“-Argumente aus zwei Jahrzehnten Projektmanagement:

    Haben wir schon immer so gemacht.
    Haben wir noch nie so gemacht.
    Wo kämen wir denn hin, wenn das jeder machen würde.

    Dass etwas jetzt so gemacht wird, ist eine Faktenfeststellung, aber kein Argument. Rückgriff auf Autorität (erfahrene Politiker) ist eh nur ein Totschlagstrohmann 🙂 .

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Ariane 12. April 2023, 17:00

      jep, auch zu:
      Wie hübsch. Also eine allseitig akzeptierte Form gegenseitiger Erpressung? Bleibt trotzdem Bullshit, das lässt sich anders organisieren.

      Konflikte bei der Problemlösung hin oder her, aber natürlich gäbe es andere Möglichkeiten, wenn man denn wollen würde. So ein Last-Man-Standing-Wettbewerb ist ja eh schon Bullshit, aber noch mehr, wenn es um tatsächlich wichtige Entscheidungen geht. Dann hat man vielleicht aus Erschöpfung irgendeine Entscheidung, aber sicher keine gute.

  • Thorsten Haupts 12. April 2023, 10:53

    Zu a)
    Nachdem ich mir die Sache angesehen habe – nein, die Lebensmittelindustrie lügt nicht. Der taz-Journalist muss mit Unterstellungen, Annahmen und Übertreibungen arbeiten, um zu „Irreführender Kampagne“ zu kommen. Stefans Teaser ist toppt die taz-Schlagzeile und ist tatsächlich glatt gelogen 🙂 .

    In der Schlussfolgerung bin ich übrigens durchaus nahe beim taz-Journalisten.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  • Erwin Gabriel 13. April 2023, 15:36

    @ Stefan Sasse

    2) Das verdient Deutschland – und das verdient die Streikbranche
    Die Teuerung hat die Kaufkraft der Bevölkerung massiv gesenkt, und es ist nur legitim, dass die Lasten nun etwas gleichmäßiger verteilt werden sollen.
    Die unterschwellig formulierte Ansicht, dass die Preise offenbar nur für Angestellte und Arbeitnehmer steigen, ist schon putzig. Auch für Unternehmen steigen die Preise, während die Mitarbeiter höhere Löhne fordern und die Kunden auf die Preise drücken (bzw. erforderliche Preisanpassungen nicht akzeptieren), während parallel dazu die Banken aufgrund gestiegenen Ausfallrisikos mit den Krediten richtig pingelig werden.

    3) Der getarnte Verlierer
    Was erwartest Du hier? Zuviel wurde über die letzten Jahrzehnte liegengelassen. Willst Du Veränderungen, die dem Klimawandel gerecht werden, sind extreme Eingriffe erforderlich, die weit über die Forderungen der Grünen hinausgehen und Einschränkungen, Arbeitslosigkeit und happige Wohlstandsverluste mit sich bringen. Willst Du gesellschaftlichen Frieden (= die Grenze dort ziehen, wo die Bevölkerung noch bereit ist, mitzugehen), passiert halt nichts.

    j) Markt regelt.
    Was für ein dämlicher Tweet – natürlich regelt das der Markt. Offenbar glaubt der Verfasser, er wisse, wie Mercedes & Co ab 2035 ihre Geschäfte in China betreiben. Es geht doch nichts über ein fest gefügtes Weltbild …

    l) Aufruf für höhere Gehälter.
    Wer der Argumentation folgt, dass höhere Gewinne Lohnsteigerungen nach sich zu ziehen haben, muss auch der Argumentation folgen, dass Unternehmensverluste Lohnkürzungen nach sich ziehen.
    Dann ist es stets einfach, sich ein passendes Beispiel zu suchen und daraus Schlüsse für die Allgemeinheit zu ziehen. Was der in vielerlei Hinsicht junge Mann dabei übersieht, ist, dass viele Unternehmen gerade ums Überleben kämpfen; nicht alle fahren superhohe Gewinne ein. Aber auch die Mitarbeiter in gewinnschwächeren Unternehmen wollen die gleichen Lohnerhöhungen wie alle anderen, was nicht gehen kann.
    Derart schlichte Argumentationen á la Pippi Langstrumpf zu einer wirklich komplexen Situation sind immer albern und lächerlich (genauso, wie die reflexhaften Antworten, die bei Lohnerhöhungen den Untergang des Abendlands beschwören, ein Stück weit nur Folklore sind).

    • Stefan Sasse 13. April 2023, 18:46

      2) Nur dass die Unternehmen ihre Preise erhöhen und die AN nicht.

      3) Korrekt.

      j) Moment, gleiches Recht für alle. Wer ständig hinauströtet, dass meine politischen Präferenzen konter zu Unternehmensinteressen laufen, nimmt auch in Anspruch, diese zu kennen.

      l) Ja, das ist sicher fair.

      • Erwin Gabriel 14. April 2023, 09:24

        @ Stefan Sasse 13. April 2023, 18:46

        2) Nur dass die Unternehmen ihre Preise erhöhen und die AN nicht.

        Wie kommst Du auf beides? Als Unternehmen kannst Du vielleicht Preise erhöhen, vielleicht auch nicht. Hängt davon ab, ob die Kunden mitgehen (müssen) oder nicht. Im Falle einer durchgesetzten Preiserhöhung sind die eigenen höheren Kosten vielleicht abgedeckt, vielleicht nur verringert. Ist nicht so, dass es die Unternehmen gerade leicht haben, wirklich nicht.

        Zu den AN: Da sind doch die Gewerkschaften gerade stramm auf dem Vormarsch. Und selbst, wenn wir nicht gewerkschaftlich organisiert sind, hatten Betriebsrat und Geschäftsführung miteinander ausgehandelt, dass jeder unserer Mitarbeiter eine vierstellige Inflations-Ausgleichszahlung erhält – in einer Zeit rückläufiger Auftragseingänge und, höflich formuliert, sehr preisbewussten Kunden.

        j) Moment, gleiches Recht für alle. Wer ständig hinauströtet, dass meine politischen Präferenzen konter zu Unternehmensinteressen laufen, nimmt auch in Anspruch, diese zu kennen.

        Hier ist mir der Bezug von „diese zu kennen“ nicht ganz klar.
        • Die grundsätzlichen Unternehmensinteressen kenne ich (nicht detailliert von jedem einzelnen Unternehmen jeder Branche, aber die große Überlebensrichtung).
        • Deine politischen Präferenzen gibst Du hier immer wieder bekannt. Ist etwas dabei, was allgemeinen Unternehmensinteressen entgegensteht oder aus meiner Wahrnehmung nicht zutrifft (wie hier), stimme ich zu. Widerspricht es nicht Unternehmerinteressen, stimme ich Dir oft genug zu (z.B. liegen wir beim Bürokratie-Abbau halbwegs auf einer Linie).

        Dieser Jens van ‚t Klooster bläst, basierend auf der Differenz zwischen einer Grafik und seiner Annahme der Politik von deutschen Autoherstellern in über 10 Jahren in der Zukunft einen ab. Hier fehlt mir dann auch der Bezug von meinem Kommentar und Deiner Antwort.

        • Stefan Sasse 14. April 2023, 10:25

          2) Ja, aber das ist doch genau mein Punkt: für die AN gilt dasselbe wie für Unternehmen. Die werden versuchen, ihre Preise zu erhöhen, und das Ausmaß, in dem das funktioniert, hängt vom Markt ab. Mir ist unklar, warum AN das nicht auch versuchen sollten. Es behauptet ja keiner, dass blanko sämtliche Branchen eine Erhöhung von X bekommen sollten.

          j) Was ich meine ist: wenn etwas in deiner Wahrnehmung zutrifft, stimmst du mir zu, wenn nicht, nicht. Der Verfasser traf eine Annahme über die Chinageschäfte von Mercedes. Die kannst du teilen oder auch nicht. Aber er kann eine Meinung dazu haben. Du hast ja zwangsläufig auch eine, wenn du sie ablehnst. Verstehst, was ich meine?

          • Stefan Pietsch 14. April 2023, 12:31

            2) Richtig. Nur argumentierst Du und kommst so rüber, als sollten aus Deiner Sicht die Löhne politisch bestimmt werden. „Die armen Arbeiter“ und so ähnlich haben eine Erhöhung verdient.

            Ich habe mein Problem mit der Argumentation nur an zwei Stellen: Erstens die regelrechte Erpressung mit ausgeuferten „Warnstreiks“ und dazu noch von unabhängigen Streikkommissionen zu koordiniert (Stichwort: Kartellbildung), dass dem Land (nicht den Arbeitgebern) ein maximaler Schaden entstehen sollte. Und zum anderen dass die Beschäftigten die negativen Folgen von zu hohen Lohnforderungen im Öffentlichen Dienst nicht durch Entlassungen zu spüren bekommen. In der letzten Dekade stiegen die Löhne der öffentlich Beschäftigten schneller als von Gewerblichen, obwohl diese sie de facto bezahlen.

            • Erwin Gabriel 14. April 2023, 17:09

              @ Stefan Pietsch 14. April 2023, 12:31

              Zustimmung

          • Erwin Gabriel 14. April 2023, 17:07

            Stefan Sasse 14. April 2023, 10:25

            2) Ja, aber das ist doch genau mein Punkt …

            Nein, war er nicht. Dein Punkt war: Nur die AN tragen Lasten. Das ist falsch. Auch ist Deine Annahme, dass Unternehmen „einfach die Preise erhöhen“ können, falsch.

            … für die AN gilt dasselbe wie für Unternehmen. Die werden versuchen, ihre Preise zu erhöhen, und das Ausmaß, in dem das funktioniert, hängt vom Markt ab. Mir ist unklar, warum AN das nicht auch versuchen sollten.

            Wäre mir auch nicht klar. War aber nicht der Punkt der Diskussion.

            Die meisten Arbeitnehmer sind gekniffen – einverstanden. Die Unternehmen aber auch, und die hattest Du aus der Diskussion herausgenommen („… die AN tragen die Lasten alleine …“).

            j) Der Verfasser traf eine Annahme über die Chinageschäfte von Mercedes. Die kannst du teilen oder auch nicht. Aber er kann eine Meinung dazu haben. Du hast ja zwangsläufig auch eine, wenn du sie ablehnst.

            Der Verfasser hat nur eine ideologisch basierte Meinung, die er nicht begründet. Dazu ist es eine dämliche Meinung, weil er das, was er jetzt sieht (was nicht heißt, dass er richtig guckt), als Matrize nimmt für ein Verhalten der bislang erfolgreichsten Autobauer der Welt in 10, 15 Jahren. Das ist bestenfalls wüst geraten.

            Ich habe zum angesprochenen Sachverhalt keine Meinung, weil es dämlich wäre, jetzt vorherzusagen, wie die deutschen Autobauer in 10, 15 Jahren in China agieren. Ich sitze weder in den Entwicklungslabors von Audi, BMW, Mercedes, Porsche und Volkswagen, um ihnen beim eventuellen Durchbruch in Sachen Wasserstoffantrieb über die Schulter zu schauen, noch im Politbüro der chinesischen KP, wo – vielleicht – gerade ein Überfall auf Taiwan geplant wird, der zu einem Wirtschaftsembargo führt, so dass in ein paar Jahren deutsche Autos überhaupt nicht mehr in China verkauft werden dürfen.

            Ich habe nur eine Meinung zu seiner Meinung, die er gerne haben darf, die ich aber für weniger kompetent halte wie meine Ansage, dass es am 15. April 2035 vormittags in Deinem Vorgarten nicht regnen wird.

            Ansonsten neige ich dazu, meine Aussagen entweder zu begründen oder (siehe meinen Kommentar zur SPD) als rein subjektive Meinungsäußerung zu kennzeichnen.

            • Stefan Sasse 14. April 2023, 18:41

              2) Ok, den Punkt gebe ich dir. Habe ich sehr blöd formuliert.

              • Erwin Gabriel 15. April 2023, 14:18

                @ Stefan Sasse 14. April 2023, 18:41

                Ich denke auch, dass wir da nicht weit auseinanderliegen. Du schaust halt darauf, dass die Arbeitnehmer nicht unter die Räder kommen, ich darauf, die Unternehmen überlebensfähig bleiben. Wird hart für beide Seiten …

    • Thorsten Haupts 13. April 2023, 19:19

      Wer der Argumentation folgt, dass höhere Gewinne Lohnsteigerungen nach sich zu ziehen haben, muss auch der Argumentation folgen, dass Unternehmensverluste Lohnkürzungen nach sich ziehen.

      Yup. Völlig nebensächlicher FunFact: Aus fast demselben Grund ist aus der einst häufig geforderten Arbeitnehmerbeteiligung an Unternehmen nie was geworden. Die Gewerkschaften wollten zwar immer die Beteiligung, aber nicht deren volle Konsequenzen (bei Unternehmensverlusten). Fairerweise – das konnten sie wegen ihrer Mitgliedsstruktur auch nicht, aber damit starb der Versuch, aus Arbeitern Kapitalisten zu machen. Der scheiterte AFAIR nicht an den Kapitalisten 🙂 .

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      • Erwin Gabriel 14. April 2023, 09:35

        @ Thorsten Haupts 13. April 2023, 19:19

        Aus fast demselben Grund ist aus der einst häufig geforderten Arbeitnehmerbeteiligung an Unternehmen nie was geworden. Die Gewerkschaften wollten zwar immer die Beteiligung, aber nicht deren volle Konsequenzen (bei Unternehmensverlusten).

        Zustimmung.

        Wobei ich einen Bauunternehmer kenne, der das auf eigene Kappe durchgezogen hat. Der hat ein Schwesterunternehmen gegründet, bei dem sich Mitarbeiter mit über 3 Jahren Firmenzugehörigkeit mit bis zu 5.000 Euro einbringen können (er legt jeweils die gleiche Summe drauf). In dieser Gesellschaft sind alle Werkzeuge und Baumaschinen ausgelagert, und das Bauunternehmen mietet dort. Im Schnitt über 8 Prozent Rendite p.A. in den letzten 15 Jahren; ich habe noch nie einen Bauhof gesehen, der so gepflegt war.

        Und die Mitarbeiter erziehen sich alle selbst zum sorgsamen Umgang mit den Maschinen, die kriegen nach und nach alle die unternehmerische Denke drauf. Mehr Aufträge = höhere Mieteinnahmen, besserer Zustand von Bagger, Walze & Co = geringere Wartungskosten; höhere Mieteinnahmen bei geringeren Kosten = bessere Rendite.

        Hab ich nie zuvor gesehen, läuft super.

        • Stefan Sasse 14. April 2023, 10:25

          Klingt gut, ja.

        • CitizenK 14. April 2023, 10:45

          Die Schnittmenge von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen clever genutzt. Gefällt mir.

      • Stefan Sasse 14. April 2023, 10:20

        Es ist auch keine gute Idee. Vermögensaufbau am Aktienmarkt ist ja generell vielleicht gar nicht schlecht, aber seine wirtschaftliche Zukunft doppelt an das Unternehmen zu knüpfen – einmal über Gehalt und einmal über Beteiligungen – ist Unfug. Wenn du den Job verlierst, dann wahrscheinlich, weil es dem Unternehmen schlecht geht. So eine Absicherung macht viel mehr Sinn als diversifizierte Anlage. Aber damit sind wir beim üblichen Problem, dass die unteren 50% schlicht nicht genug verdienen, um ansparen zu können.

        • CitizenK 14. April 2023, 10:48

          Deshalb die Idee mit dem Fonds – wie in Norwegen. Aber die Diskussion hatten wir hier schon vor Jahren mal.

  • CitizenK 13. April 2023, 22:21

    Das stimmt nur teilweise. Der damals diskutierte Fonds hätte auch Verluste mit sich bringen können. Die Realisierung scheiterte meiner Erinnerung nach daran, dass man sich nicht über die Macht/Entscheidungs-Verhältnisse einigen konnte.

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