Rezension: Elio Garcia/Lina Antonsson – The Rise of the Dragon: An Illustrated History of the Targaryen Dynasty, Volume One

Elio Garcia/Lina Antonsson – The Rise of the Dragon: An Illustrated History of the Targaryen Dynasty, Volume One (Hörbuch)

Als im Herbst 2019 „Fire and Blood“ erschien, waren nicht alle Lesenden komplett überzeugt (meine Besprechung hier). Die Geschichte der Targaryen-Dynastie (Teil 1) kam weitgehend ohne die ausgefeilten Charaktere und die personale Erzählperspektive aus, die „Das Lied von Eis und Feuer“ zu einem solchen Kunstwerk machen, und bot stattdessen eine Art geschichtswissenschaftlicher Abhandlung, mit widerstreitenden Quellen, einem misanthropischem Blickwinkel und Beschreibungen von politischen Geschehnissen. Wer sich immer schon (oder durch die HBO-Adaption „House of the Dragon“ neuerdings) für den Stoff interessiert hat, aber lieber eine kürzere, kondensierte Version gelesen hätte, mit ganz vielen Bildern, wird mit dem vorliegenden Prachtband glücklich werden.

Ein Disclaimer vorneweg: Ich bin mit Elio persönlich bekannt, was möglicherweise meine Sicht auf die Dinge färben könnte.

Bevor wir zum eigentlichen Verkaufsargument dieses nicht ganz billigen, aber im Regal ordentlich was hermachenden Schmökers kommen, will ich den Inhalt besprechen. Wie auch „Fire and Blood Vol. 1“ erzählt „Rise of the Dragon“ die ersten rund 150 Jahre der Targaryen-Dynastie. Die Handlung beginnt mit Aegon dem Eroberer, der aus unbekannten Gründen – „House of the Dragon“ hat hier eine neue Möglichkeit eröffnet, die seither heiß disktutiert wird – auf einen Eroberungsfeldzug nach Westeros aufbricht. Dieser Teil der Geschichte, in dem es den Targaryens gelingt, die Westerosi weitgehend einzeln zu schlagen oder mit ihnen gemeinsame Sache zu machen (was an die Eroberung durch die Andalen 5000 Jahre zuvor erinnert, die in „Die Welt von Eis und Feuer“ erzählt wird), gefällt mir wegen der relativen Kürze und prägnanten Erzählung ganz gut. Wie in Martins faux-history-Werken üblich bleibt die Charakterentwicklung weitgehend auf der Strecke, so dass man mit Hinweisen auf größere Tiefe Vorlieb nehmen muss. Etwas unterentwickelt bleibt Aegons eigentliche, immerhin 30 Jahre währende Regierungszeit, die sich eher als ein „Best of“ liest: einen royal progress gemacht, angefangen King’s Landing auszubauen, sonst ohne Spesen nicht viel gewesen.

Überraschend interessant ist für mich immer die folgende Ägide von Aenys, der als eine Art Echo von Viserys I. agiert, ohne allerdings die Stabilität und den großartigen supporting cast desselben zu haben. Die Dynastie steht in dieser Periode kurz vor dem Fall, was sie insgesamt etwas glaubwürdiger macht. Weniger spannend dagegen finde ich die Figur Maegors. Er bleibt eine absolute Chiffre und leider mit am meisten an der Geschichtsbuch-Perspektive, aber das ist teilweise auch in seinem insgesamt wenig interessanten Charakter angelegt, der die Neigung zu krasser Gewalt, die Martin inhärent ist, ein bisschen zu weit treibt.

Mein am wenigsten geliebter Teil der Geschichte bleibt aber die Regierungszeit von Jaeherys. Sie ist im schlechtesten Sinne realistisch, weil es ihr an jeglichem Fokus mangelt (wie echten Regierungen eben auch) und von Thema zu Thema mäandert. Leider sind auch die Themen selbst nicht übermäßig packend. Jaeherys ist eine grundunsympathische Figur, nur besteht der Text immer darauf, dass er ganz großartig ist, und das nicht in der typischen Martin-Manier, in der wir wissen, dass der aktuelle Erzähler unzuverlässig ist. Es scheint viel mehr, als teile der Autor diese Ansicht. Die mysogynen Episoden, die sich ständig wiederholen, und seine kalte Haltung als Familienvater, die einem ständigen Werben um den „World’s Worst Dad Award“ entspricht, lesen sich schlicht nicht besonders angenehm. Die ganze Periode würde deutlich von einer anderen Perspektive profitieren, aber eine solche bekommen wir nicht.

Das Herzstück der ganzen Epoche ist natürlich spätestens seit „House of the Dragon“ die Herrschaft Viserys I. und des folgenden „Dance of the Dragons“, dem Targaryen-Bürgerkrieg. Ich habe sowohl in vorangegangenen Rezensionen als auch im Podcast schon öfter festgestellt, dass mich diese Geschichte in Textform nicht wirklich mitnimmt (ganz anders als die brillante Umsetzung in der TV-Serie), aber hier profitiert „Rise of the Dragon“ für mich am meisten von der Kondensierung der Inhalte. Viserys‘ Regierungszeit ist als Vorgeschichte interessant genug, und die Winkelzüge des Dance, die zwar logisch nicht immer makellos strukturiert sind und in denen vieles einfach passiert, gewinnen durch das Prisma der Serie massiv hinzu, weil man die Charaktere aus der Adaption vor dem geistigen Auge darüberlegen kann.

Für die Nachwehen des Tanzes – die Regentschaft für Aegon III. – gilt das leider weniger. Peake bleibt als Antagonist reichlich blass und ist ein archetypischer ehrgeiziger Intrigant, der „böse“ auf die Stirn geschrieben hat (wie die Brackens, die auch nicht zu Martins bestgeschriebenem Haus gehören) und am Ende die wohlverdiente Abfuhr erhält. Es bleibt reichlich unklar, worauf die ganze Episode hinausläuft, weil die Geschichte mit dem Regierungsantritt Aegon III. endet. Auch das ist historisch gesehen sicherlich realistisch, führt aber nicht eben zu großem Lesevergnügen. Zu sehr bleiben viele der Beteiligten Chiffren.

Aber das alles ist in größerem Detailgrad und Umfang ja auch aus „Fire and Blood“ bekannt, weswegen der Fokus nun auf die Gestaltung gelegt werden soll. Ohne Bilder ist es natürlich schwer, die Qualität von Illustrationen zu besprechen, aber Interessierte können problemlos diverse Beispiele googlen. Im Schnitt etwa jede dritte Seite ist mit einer ganzseitigen Illustration belegt, dazu kommen einige doppelseitige. Den Rest nehmen halbseitige Bilder ein. Sehr selten einmal sieht man eine Doppelseite reinen Texts. Angesichts der Trockenheit des Stoffs ist das sicherlich kein Nachteil, wenn mir diese Sansa-artige Bemerkung gestattet ist.

Die Bilder sind spektakulär. In zahlreichen verschiedenen Illustrationsstilen gehalten und oft in unerhörtem Detailgrad, allesamt farbenprächtig und im großformatigen Buch gut zur Geltung kommend, bieten sie ein Panorama der High Fantasy. Wer die Ästhetik der Serien erwartet, dürfte allerdings enttäuscht werden. Martin hatte schon immer eine Vorliebe für maximale Darstellungen, und dieser frönen die Artisten auch in der sorgfältigen Auswahl Elio und Lindas (die beiden haben sehr viel Zeit und Sorgfalt in die Zusammenarbeit mit den Illustratoren gesteckt). Ausgefeilte Plattenrüstungen, riesige Burgen, mächtige Flotten, gewaltige Drachen – diese Bilder haben alles. Außer, natürlich, schwarze Velaryons, aber das ist eine Diskussion, die ich hier nicht führen will.

Auf diesem Feld arbeiten die Eindrücke aus der Serie natürlich gegen das Leseerlebnis, weil man ständig die kognitive Dissonanz aushalten muss, einen völlig anderen Stil – und völlig andere Personen – zu sehen. Grundsätzlich habe ich damit kein Problem, mit einer Ausnahme: den Drachen. Die Designs der Serie sind so ikonisch und so gut durchdacht, dass ich jedes Mal einen Stich im Herzen spüre, wenn ich die Darstellungen im Buch sehe. Aber das ist eine rein subjektive und durchaus alberne Kleinigkeit.

Wenig überraschend ist der Kauf des Bandes für mich als Fan keine Frage gewesen. Ich habe ihn auch gerne gelesen, sicherlich mit mehr Genuss als „Fire and Blood“ (das für mich immer mehr Arbeit bleibt). Elio und Linda haben gute Arbeit geleistet und die Texte sinnvoll kondensiert. Und die Gestaltung macht den Band zu einem echten Hingucker im Regal und beim Aufschlagen und Blättern zu einer wahren Freude.

{ 15 comments… add one }
  • moin 24. November 2022, 08:17

    Laut der Aussage der Coautorin hat GRRM eigentlich nur seine Unterschrift unter den Vertrag gesetzt. Was sagst Du zu den zahlreichen frauenfeindlichen/rassistischen Äusserungen von Ihr?

    • Thorsten Haupts 24. November 2022, 09:19

      ROFLMAO.

      • moin 24. November 2022, 10:15

        Lol, Lmao even.

      • Stefan Sasse 24. November 2022, 10:18

        Über was lachst du?

        • Thorsten Haupts 24. November 2022, 12:52

          Über Was sagst Du zu den zahlreichen frauenfeindlichen/rassistischen Äusserungen von Ihr? Zu einer Buchbesprechung. Das ist hochgradig kindisch, aber Du siehst das offenbar als normal an, auch gut.

          • moin 24. November 2022, 13:52

            Von jemandem, der hier seine grudges mit den Entwicklungen der Welt therapiert und permanent rumroflmaot kann man schon ein bisschen mehr self awareness erwarten.

          • Stefan Sasse 24. November 2022, 18:41

            Hast du die geringste Ahnung, worum es bei der Debatte geht?

            • Thorsten Haupts 24. November 2022, 22:33

              Jetzt ja. Leider. Vergeudete Lebenszeit für eine vollkommen irrelevante Debatte darüber, ob das Bestehen auf Werks- (in anderen Zusammenhängen historischer) Genauigkeit „rassistisch“ ist. Eine typische Wokie-Sektendebatte.

              Nur – was genau sollte das in einem Kommentar zu einer Buchbesprechung?

              Gruss,
              Thorsten Haupts

              • moin 29. November 2022, 18:24

                niemanden interessiert, was du für relevant hältst.

                außerdem stellst du die debatte falsch dar, es geht nur oberflächlich um irgendwelchen fanatischen purismus, (wie so häufig bei leuten dieser couleur) die treibende motivation dahinter ist eine ganz andere.

                Und ich glaube das verstehst du auch, wenn du ehrlich bist.

                • Stefan Sasse 29. November 2022, 20:11

                  Wenn dich nicht interessiert, was andere Leute hier denken, bist du in der Kommentarspalte eines Debattenblogs am falschen Platz.

                  • moin 30. November 2022, 08:02

                    Mich interessiert schon was andere denken, nur nicht was leute denken, die mir dumm von der seite reingrätschen und die eigenen interessen, im überheblichen gestus, als irrelevant abbügeln, während sie den gesamten themenkomplex, aufgrund ihrer politischen weltsicht, absichtlich missverstehen.

                    • Stefan Sasse 30. November 2022, 08:13

                      Jo, so was würde ich dann eher ignorieren statt weiter flame wars zu entfachen 😉

                    • moin 30. November 2022, 08:55

                      Da hast du natürlich recht, aber mir ist nicht immer danach ‚the bigger man‘ zu sein 😉

    • Stefan Sasse 24. November 2022, 10:15

      Ich weiß, dass Elio und Linda die Texte selbst geschrieben und die Künstler ausgesucht und alles mit ihnen abgesprochen haben. Dass Martin recht wenig Eigenleistung an dem Ding erbracht hat, halte ich für gesichert. Aber es ist letztlich ja eine gekürzte Version seines Ursprungstextes. Ich weiß aber schon, warum ich ihn als Autor nicht genannt habe.

      Ich will ehrlich gesagt ungern Stellung zu Linda beziehen, weil ich Elio und sie kenne und mit ihnen immer wieder zusammenarbeite. Aber ich glaube es ist okay anzunehmen, dass ihr nicht zustimme.

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