Warum die NATO nicht in Kiew einmarschiert

Disclaimer: Dieser Artikel setzt voraus, dass mein Artikel zur Logik der Abschreckung bekannt ist. Ich bin außerdem kein Experte für das Thema, weswegen die folgenden Ausführungen eher als work in progress anzusehen sind. Ich freue mich auf die Diskussion!

Im Überschwang der Solidarisierung mit der Ukraine gehen dieser Tage viele Beobachtende reichlich weit in ihren Forderungen nach Maßnahmen gegen Russland. Sanktionen können nicht scharf genug sein, Waffensysteme aller Art sollen geliefert werden, man bejubelt Freiwillige, die in den Krieg ziehen, fordert Flugverbotszonen, die Aufnahme der Ukraine in die NATO während der laufenden Kampfhandlungen oder sogar den Einsatz von NATO-Truppen auf dem Gebiet der Ukraine während selbiger laufender Kampfhandlungen. Ich will versuchen, etwas deutlicher zu machen, warum Russland agiert wie es agiert und warum der Westen darauf so reagiert wie er reagiert. Ich möchte dabei unzweifelhaft deutlich machen, dass ich die Leute verabscheue, die gerade mit erstaunlicher Hochmütigkeit über die Zukunft der Ukraine entscheiden zu können glauben oder einfach nur naiv mit dem Zauberstab der Verhandlungen wedeln.

Beginnen wir mit dem Kalkül für Russland selbst. Wir haben mit der Ukraine ein Musterbeispiel für das von mir im letzten Artikel beschriebene Paradox der „instabilen Stabilität“, das durch Atomwaffen entsteht. Wäre Russland keine Atommacht, so wäre eine internationale, vermutlich NATO-geführte Militärmission vermutlich längst im Gange. Mindestens Luftschläge gegen den Aggressor dürften im Repertoire sein. Diese Option ist aber nicht auf dem Tisch. Russland ist eine Atommacht, und als solche gibt es keine Möglichkeit, ohne das unannehmbare Risiko eines thermonuklearen Weltkriegs militärisch in der Ukraine einzugreifen. Putin war diese Logik natürlich klar, weswegen er militärisch von westlichen Reaktionen auch wenig zu befürchten hatte. Wir kümmern uns gleich noch um die wirtschaftliche Seite mit den Sanktionen; lassen wir das erst einmal beiseite.

Nur Narren wie Matthias Döpfner können ernsthaft fordern, dass NATO-Truppen direkt in den militärischen Konflikt mit Russland eingreifen. Aber das ist eine glasklare rote Linie, die außer diesen Narren allen Akteuren völlig klar ist. Ein solcher Eingriff ist außerhalb des Handlungsfelds. Wesentlich unklarer ist die Lage, wenn es um die Unterstützung der Ukraine geht, also vor allem die Bereitstellung von Material, Informationen und Waffen.

Hierbei handelt es sich um die „inneren Bewegungen“, die im Abschreckungsartikel angesprochen wurden. Im Vorfeld der Krise galt zumindest die Lieferung von Waffen bereits als eine rote Linie, die viele Staaten nicht zu überschreiten bereit waren. Vor allem Deutschland tat sich hier hervor. So blockierte die Bundesregierung einen Weiterverkauf alter Geschütze aus DDR-Beständen und weigerte sich, auch nur Pullover zu liefern, sofern diese im Flecktarnmuster gehalten waren. Keine Militärgüter in die Ukraine, man wollte die Situation auf keinen Fall eskalieren lassen. Andere Länder waren etwas forscher, aber substanzielle Lieferungen erhielt die Ukraine von niemandem, da man keinesfalls eine Rote Linie überschreiten wollte und, das ist ebenfalls wichtig, der Raum für solche Aktionen durch die eigene öffentliche Meinung eingeschränkt war. Gerade in Deutschland war die Lieferung von Militärgerät politisch nicht mehrheitsfähig; hier waren externe Bewegungen notwendig, um diesen Spielraum zu erweitern. Auch dazu kommen wir gleich noch.

Die Vorstellung aber, man könnte einfach ein Geschwader Mig-29-Maschinen über die USAF und den Stützpunkt Rammstein an die Ukraine übergeben, ist vor diesem Hintergrund geradezu gefährlich naiv. Hierzu müssten ukrainische Piloten in direktem Kontakt mit NATO-Personal und auf NATO-Bündnisgebiet Waffen direkt aus dem Besitz der NATO übernehmen – oder aber NATO-Personal die Ukraine betreten und diese Waffen direkt übergeben. Das wäre eine direkte Interventionsstufe, die zumindest gefährlich nahe an Russlands Rote Linien kommt, diese aber möglicherweise auch überschreitet – ein Risiko, das im Westen (glücklicherweise) niemand einzugehen bereit ist.

Wir sehen die Gefährlichkeit dieser Manöver bereits auf viel niedrigschwelligerer Ebene. Lkw-Konvois mit Nachschubgütern und Kleinwaffen aller Art aus Polen und dem Baltikum sind relevante Ziele für Russland, das zwar die Lufthoheit nicht vollständig innehat, aber doch genug, um reale Bedrohungen für solche Konvois darzustellen.

Ob die Mig-29 oder ein Konvoi mit Panzerabwehrwaffen – der Krieg findet direkt an der Grenze des NATO-Bündnisgebiets statt. Eine Eskalation ist sehr leicht vorstellbar. Würden die Mig-29 etwa tatsächlich übergeben, so hätte Russland ein Interesse, sie zu zerstören. Am verwundbarsten wären sie bei der Übergabe – wo aber die Gefahr einer Eskalation besonders hoch ist. Dasselbe gilt für Konvois mit Panzerabwehrwaffen. Wie schnell kann es passieren, dass Geschosse NATO-Personal erwischen, auf der falschen Seite der Grenze landen oder ein Flugzeug NATO-Luftraum verletzt? Jede solche Intervention birgt ein Eskalationsrisiko, weswegen die beteiligten Staaten sehr vorsichtig sein müssen.

Und Russland fährt seine eigenen externen Bewegungen, um den Bewegungsspielraum der NATO einzuschränken. Als Putin die russischen Atomstreitkräfte in höchste Alarmbereitschaft versetzte, tat er dies, um deutlich zu signalisieren, dass er zur Eskalation bereit war. Die Attacken russischer Truppen auf Atomkraftwerke können entweder als bedauerliche Kollateralschäden gelesen werden – oder als weiteres Signal, dass Russland zu nuklearer Eskalation bereit ist. So oder so schränken sie den Spielraum der NATO ein, weil sie die Roten Linien Russlands verschieben.

Doch natürlich beschränken sich diese Bewegungen Russlands nicht auf die Zeit nach dem Angriff. Der Angriff selbst war eine klassische „interne Bewegung“: ein Versuch, in einem angrenzenden Staat ohne Atomwaffen und Schutz durch eine andere Atommacht mit einem schnellen Schlag – ein kombinierter Vorstoß von Panzerverbänden und Luftlandetruppen zu neuralgischen Punkten der gegnerischen Verteidigung – vollendete Tatsachen zu schaffen, in diesem Fall einen regime change, bei dem eine neue pro-russische Regierung die Abtrennung der Krim und der Donbass-Gebiete akzeptiert und so ein für Russland vorteilhaftes strategisches Vorfeld in Europa geschaffen hätte.

Dieses Vorgehen steht in krassem Gegensatz etwa zur Invasion der USA im Irak 2003. Die USA konnten wesentlich methodischer vorgehen und eroberte Gebiete absichern, weil sie nicht schnell vollendete Tatsachen schaffen mussten. Ihre Strategie erlaubte ihnen, die militärische Strategie statt die Politik den Gang der Ereignisse bestimmen zu lassen. Zwar versuchte Putin zuvor, durch externe Bewegungen seinen eigenen Spielraum zu vergrößern (wie dies die USA mit den gefälschten „Beweisen“ für Massenvernichtungswaffen 2003 taten), aber dies gelang nur eingeschränkt.

Einerseits war die russische Propaganda, anders als die amerikanische 2003, in einem Paradox gefangen: bislang war Putin stets als Verteidiger der nationalen Souveränität aufgetreten. Nun verletzte er diese im eigenen Interesse. Niemand, nicht einmal China (dessen moderate Unterstützung für Russland eigentlich von allen Seiten eingepreist war und dessen Neutralität im Konflikt eine schwere Niederlage für Putin darstellt), akzeptierte die russische Linie. Umgekehrt waren die externen Bewegungen der NATO sehr erfolgreich, die den russischen Spielraum einschränkten, indem sie von Beginn an (sehr akkurat) die russischen Absichten vorhersagten und die offensichtliche Lüge von den „Manövern“ der Armee an der ukrainischen Grenze damit zerstörten.

Warum aber, könnte man nun fragen, schränkte die NATO von Beginn an ihren eigenen Bewegungsspielraum ein, indem sie die militärische Option vom Tisch nahm? Präsident Biden machte von Anfang an unmissverständlich deutlich, dass es keinesfalls zu einer NATO-Intervention kommen würde, unabhängig davon, wie der Krieg verläuft. Warum? Der Grund dafür ist einfach: da dies offensichtlich die russischen Roten Linien überschreiten würde und sehr wahrscheinlich zu einer nuklearen Eskalationsspirale führen, wäre eine solche Drohung entweder geradezu absurd unverantwortlich oder ein Bluff. Ein solcher Bluff aber, von Putin aufgedeckt, würde die Position der NATO im Allgemeinen und der USA im Speziellen an anderen Standorten gefährden; dazu aber später mehr.

Das russische Kalkül war also Folgendes: eine schnelle Operation schafft vollendete Tatsachen des regime change, worauf der Westen mit weitgehend symbolischen Sanktionen reagiert, deren Folgen Putin bereits einkalkuliert hatte und die strafenden, nicht strategischen Charakter hatten: ihr Zweck wäre gewesen, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu bestrafen und ein Unterpfand für Verhandlungen zu sein, ähnlich den Sanktionen 2014 im Minsk-Prozess. In einigen Jahren wären diese Sanktionen schrittweise wieder abgeschafft worden.

Dieses Kalkül ist nicht aufgegangen. Der Grund dafür liegt nicht in brillanten Manövern des Westens, sondern einzig und allein in den Handlungen der Ukraine selbst. Diese ist nämlich, egal was Neokolonialisten wie Richard David Precht denken mögen, ein souveräner Staat. Anstatt wie 2014 die russische Operation geschehen zu lassen, leistete die Ukraine entschlossen Widerstand. Das Regime Präsident Selenskys erwies sich als deutlich widerstandsfähiger, als sowohl Putin als auch der Westen angenommen hatte. Sowohl die inneren Bewegungen der Ukraine – eben dieser Widerstand – als auch die externen Bewegungen veränderten die Handlungsspielräume der beteiligten Akteure drastisch.

Über Nacht brach weltweit, aber besonders im Westen, eine Sympathiewelle mit der Ukraine aus, die politische Hindernisse, die für Jahrzehnte bestanden hatten, beiseite wischte. Die „Zeitenwende“ der deutschen Verteidigungspolitik ist dafür nur ein Beispiel. Behauptete die Regierung vor dem Wochenende des Angriffs noch, mit einer Lieferung von 5000 Helmen ein „starkes Zeichen“ zu setzen, öffneten sich nach dem Wochenende die Schleusen. Innerhalb einer Woche erhielt die Ukraine mehr Panzerabwehrwaffen, als die russische Armee Panzer besaß, auch aus Deutschland – um nur ein Beispiel zu nennen.

Dieser Erfolg beruht auch auf den geradezu brillanten externen Bewegungen der Ukraine und dem überraschenden Totalversagen der entsprechenden russischen Bewegungen. Nachdem Putins Propagandamaschine von der Krim über den Brexit und Trump zur Flüchtlingskrise gewaltige Erfolge im Westen feiern konnte, blieb sie dieses Mal praktisch wirkungslos. Stattdessen gewann die Ukraine die Schlacht um die öffentliche Meinung durchschlagend, sowohl im eigenen Land – was den Widerstand überhaupt erst ermöglichte – als auch im Westen, wo der überraschend heftige Widerstand der Ukraine die Handlungsspielräume der Regierungen dramatisch veränderte. Dabei half ihr natürlich die geografische und ethnische Nähe zum Westen: der Ukraine fiel es wesentlich leichter als der syrischen Opposition, westliche Sympathien zu gewinnen. Es war „echt“, „im Herzen Europas“ und was der abstoßenden Formulierungen nicht mehr durch die Medien geistert.

Möglich wurde das alles durch das Versagen der russischen Armee. Anstatt wie geplant vollendete Tatsachen zu schaffen, blieben sie im Schlamm der Rasputiza stecken. Über Nacht verwandelte sich die hochmoderne, gefürchtete Goliath der russische Armee in einen überforderten Haufen Amateure, der vom David der ukrainischen Armee niedergestreckt wurde. Dieser dramatische Ansehensverlust erweiterte erneut die Spielräume des Westens bei der Unterstützung der Ukraine.

Das wurde nicht nur bei den Waffenlieferungen deutlich, sondern auch bei den Sanktionen. Anstatt weitgehend symbolische Sanktionen punitiven Charakters nach einem fait d’accompli durchzusetzen, belegte der Westen Russland mit einem Maßnahmenbündel, das mit jedem Tag an Schärfe zunahm. Waren ein Ausschluss aus SWIFT und ein Einfrieren der russischen Dollarreserven zu Beginn als „nukleare Option“ diskutiert worden, so zeigte sich nur Tage später die Dummheit solch überzogener Metaphern. Ein Ende dieser Eskalationsspirale von Sanktionen ist bislang nicht abzusehen. War zu Beginn des Krieges etwa für alle Beteiligten völlig klar, dass die Flüsse fossiler Rohstoffe aus Russland, vor allem Öl und Gas, nicht angetastet würden, werden genau diese nun diskutiert. Die Folgen der Sanktionen für die russische Wirtschaft sind verheerend.

Aber: Sanktionen sind mittel- bis langfristig wirkende Maßnahmen. Alle Analyst*innen sind sich einig, dass sie den Verlauf des eigentlichen Krieges in der Ukraine nicht beeinflussen werden. Dieser entscheidet sich an den Fähigkeiten der russischen Armee, Selensky zur Annahme von Bedingungen zu zwingen. Das Ziel der Ukraine ist dabei zumindest bisher nicht, die russische Armee zu besiegen – das wirkt immer noch wie ein wesentlich zu hoch gegriffenes Ziel, wenngleich einige Beobachtende bereits ihren Kollaps vorhersagen – sondern die russischen Forderungen zu begrenzen. Dieses Ziel verfolgt auch die NATO mit ihren Bewegungen: sie versucht, das Fenster möglicher Aktionen so einzuschränken, dass Putin seine Kriegsziele nicht erreichen kann und weniger Optionen hat. Zumindest der regime change scheint zur Stunde weitgehend vom Tisch zu sein, die Ukraine also zumindest ihr Ziel des Erhalts der Souveränität erreichen zu können.

Für die Außenpolitik des Westens mit der Ukraine ergibt sich hier ein Dilemma. Es ist nämlich im Interesse der Ukraine, dass der Westen eskaliert und in seinen Handlungen die Roten Linien Russlands überschreitet. Die Lieferungen von immer mehr und besseren Waffen, die Aufnahme in NATO oder EU wären legitime Szenarien für einen ukrainischen „Sieg“. Nur bergen sie ein solches Risiko für eine nukleare Eskalation des Krieges, dass sie aus Sicht des Westens unannehmbar sind. Gerade der Erfolg der externen Bewegungen der Ukraine schafft hier im Westen eine gefährliche Eskalationsspirale von Forderungen, wie sie etwa in Döpfner deutlich wurde, und erfordert einen kühlen Kopf in der Politik, der glücklicherweise von allen Beteiligten bisher gezeigt wird. Nicht auszudenken, wäre in dieser Situation immer noch Trump im Weißen Haus.

Doch der Krieg geht noch auf anderen Ebenen in seiner Bedeutung über die Ukraine und NATO hinaus. Das Verhalten der Akteure, vor allem der USA, wird von allen Seiten aufmerksam beobachtet, von niemandem aber genauer als von China. Anders als im Fall der Ukraine haben die USA nämlich für Taiwan eine bewusst ambivalente Sicherheitsgarantie abgegeben. China würde lieber heute als morgen das „abtrünnige“ Eiland übernehmen, notfalls mit Gewalt. Aber anders als in der Ukraine haben die USA bewusst die Option einer militärischen Verteidigung nicht vom Tisch genommen. Sie haben sich andererseits auch nie fest verpflichtet, wie das etwa mit Japan oder Südkorea der Fall ist. Diese strategische Ambivalenz dient der Abschreckung Chinas, und die Handlungen der USA im Ukrainekrieg geben der Führung in Beijing Rückschlüsse auf ein mögliches Verhalten der Supermacht in einem Konflikt um Taiwan. Wir erinnern uns, bei Abschreckung geht es um die Wahrnehmung.

In diesem Spannungsfeld bewegen sich auch Sanktionen. Beweist der Westen im Fall der Ukraine, dass er bereit ist, auch ökonomische Schmerzen zur Sicherung der eigenen Werte in Kauf zu nehmen, ist das ein deutliches Signal an Länder wie China, dass ihnen dasselbe Schicksal blühen könnte. Wie realistisch das ist, sei angesichts der Größe und Bedeutung der chinesischen Volkswirtschaft und ihrer größeren ökonomischen globalen Verflechtung einmal beiseitegelassen (Russlands BIP ist nicht einmal so groß wie das Italiens, nur zum Vergleich). Die Hoffnung wäre, dass das Risiko als so groß eingeschätzt wird, dass Beijing es nicht darauf ankommen lässt.

Der Ukrainekrieg ist aber für China auch aus anderen Gründen ein relevantes Anschauungsobjekt. Ebenso wie die chinesische Armee war die russische vergleichsweise hoch gerüstet und professionalisiert, aber seit Jahrzehnten weitgehend ohne Kampferfahrung. Es gibt ernsthafte Zweifel daran, wie hoch der Kampfwert der chinesischen Armee im Ernstfall tatsächlich wäre. Ihre Doktrinen sind alle unerprobt, ebenso das Zusammenspiel der Teilstreitkräfte. Das überraschende Ausmaß des russischen Versagens in der Ukraine ist ein abschreckendes Beispiel für einen möglichen chinesischen Überfall auf Taiwan, bei dem der Albtraum amphibischer Landungen und eine mögliche Verwicklung der USA dazukommen.

Und das alles ist, in a nutshell, die Dynamik des Ukrainekriegs auf strategischer Ebene. Wie das Ganze ausgehen wird, ist völlig unklar. Vielleicht wird der ukrainische Widerstand gerade völlig überschätzt, die russische Armee erholt sich bald und erreicht ihre Ziele doch noch. Vielleicht friert der Konflikt ein und verwandelt sich zu einem weiteren Afghanistan für die russische Armee. Vielleicht kollabiert die russische Armee tatsächlich, mit unabsehbaren Folgen für Putins Regime und die Stabilität der gesamten Region. Vielleicht passiert etwas völlig anderes. So oder so aber hat der russische Angriff eigentlich keine positiven Optionen gelassen. Jeder Ausgang ist mit schrecklichem Leid für die ukrainische Bevölkerung verbunden, und die Welt ist vielleicht ein unsicherer Ort, als sie das vor dem Februar 2022 war.

{ 41 comments… add one }
  • Tim 14. März 2022, 15:26

    Volle Zustimmung. Es gibt keinen positiven Ausweg aus dieser Krise.

    Neu war für mich die irre Position von Precht. Bestärkt mich wieder mal in meiner Ansicht, dass Precht stets Unsinn erzählt, wenn es nicht um sein Kerngebiet Philosophie geht.

    • Stefan Sasse 14. März 2022, 18:33

      Der Typ ist ein Schaumschläger vor dem Herrn, unerträglich.

      • Tim 14. März 2022, 20:17

        Aber er sieht halt sehr gut aus. Dadurch ist er kompetent genug für jede Talkshow.

        • Thorsten Haupts 14. März 2022, 20:39

          Ja. Und was man auch nicht unterschätzen sollte – er formuliert genau im akzeptierten Feuilleton-Korridor des Duktus, der Wortwahl und der „Nachdenklichkeit“, den ich inzwischen ohne noch Nachdenken zu müssen mit der deutsch-universitären Ausbildung bestimmter Studiengänge identifiziere. Sprich, er bespielt präzise seinen Resonanzkörper.

          Einfach ausgezeichnete Selbstvermarktung. Chapeau dafür.

          Gruss,
          Thorsten Haupts

          • Ariane 20. März 2022, 15:07

            Absolut! (btw gibt es sehr unterschiedliche Ansichten zum „gut aussehen“) Aber ja, der Typ ist ein Paradebeispiel für eine Medienfigur, die man zu jedem Thema in jede Talkshow setzen kann für ein paar abgefahrene Ideen.

        • Stefan Sasse 14. März 2022, 23:17

          Das Aussehen ist weniger relevant als dass er bereit ist, extrem zugespitzte und polarisierende Thesen rauszuhauen. DAS macht ihn gut für Talkshows.

          • Tim 15. März 2022, 09:38

            Dann wären wir alle hier im Blog aber auch gut geeignet für Talkshows. 🙂

            • Stefan Sasse 15. März 2022, 11:24

              Nein, wir kriegen das alle nicht talkshow-kompatibel präsentiert, fürchte ich. Außerdem sind wir viel zu sehr bereit, einander zuzuhören und auf die Argumente der anderen einzugehen.

  • Thorsten Haupts 14. März 2022, 15:46

    Ich bin mit fast allem im Blogbeitrag ausgeführten weitgehend einverstanden, halte aber den nachfolgenden Teil des Schlussatzes für falsch: … und die Welt ist ein unsicherer Ort, als sie das vor dem Februar 2022 war.

    Äh, nein. Bleibt der Westen entschlossen und einig, was zu beweisen bleibt, ist die restliche Welt mit und nach dem Ukrainekrieg wieder ein Stück sicherer geworden, zumindest in Europa (und das ist nunmal die Weltgegend, die mich als erstes interessiert). Unsicherer wurde die Welt in der Periode zwischen der Annexion der Krim und der jetzigen Eskalation dieses russischen Krieges gegen die Ukraine genau deswegen, weil es so schien (und immer noch so werden könnte), dass ein Eroberungskrieger mit einem nackten Eroberungskrueg weitgehend folgenfrei durchkommt.

    Nicht ein Angriffskrieg an sich macht die Welt unsicherer, sondern die ausbleibende, negative, Reaktion grosser Teile der Welt auf diesen Krieg.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 14. März 2022, 18:34

      I see your point. Muss mal drüber nachdenken, ob ich das teile.

    • Kning4711 15. März 2022, 11:03

      Unsicherer wurde die Welt in der Periode zwischen der Annexion der Krim und der jetzigen Eskalation dieses russischen Krieges gegen die Ukraine genau deswegen, weil es so schien (und immer noch so werden könnte), dass ein Eroberungskrieger mit einem nackten Eroberungskrueg weitgehend folgenfrei durchkommt.

      Dem Stimme ich zu – hätte man 2014 als Westen so reagiert wie jetzt, wäre wahrscheinlich Putin nicht zum Ukraine Abenteuer aufgebrochen. Jedoch sind die militärischen Möglichkeiten gegen eine Nuklearmacht einfach begrenzt.

      Ich glaube eine Lösung zum Konflikt kann es auf westlicher Sicht nur geben, wenn wir innerhalb des militärisch-ökonomischen Machtkomplexes Kräfte stärken können, die mäßigend auf Putin einwirken können. Das erreichen wir nur durch die Sanktionen und entsprechende Abschreckungsmaßnahmen.

      Das Lage ist so hochkompliziert: Was ist wenn der Krieg weiter so schleppend verläuft und Putin zu anderen Mitteln greifen möchte um die Ukraine gefügiger zu machen. Taktische Nuklearwaffe, Chemiewaffeneinsatz, eben das, was das Arsenal des Grauens hergeben könnte. Putin traue ich sogar zu eine Analogie zu den USA zu ziehen. Diese rechtfertigten Hiroshima und Nagasaki damit, den Krieg zu verkürzen und unnötige Opfer zu vermeiden. Meine Hoffnung ist aktuell, dass es eine zweite Reihe innerhalb der russischen Führung gibt, die das Undenkbare verhindern wissen.

      Würde die NATO stillsitzen wenn ein gigantisches Massaker an der Zivilbevölkerung verübt würde?

  • Kirkd 14. März 2022, 17:02

    Ich hatte dazu meinen Erkenntnismoment 2014. Als ich von der Annexion der Krim hörte, dachte ich, dass kann sich NATO nicht bieten lassen, also gibt es Krieg. Dann habe ich einiges gelernt über Bündnis und Nicht-bündnis, wie auch über die Fähigkeiten der Bundeswehr, bzw ihr Nicht-Vorhandensein.

    Der Ukrainekrieg ist ein Lehrbeispiel dafür, dass man eben nicht überall Recht immer mit Gewalt umgehend durchsetzen kann. Dieses Verständnis wurde durch amerikanische Selbstüberschätzung in den Bushjahren stark getrübt. Aber Bush war eben – wie viele schon damals anmerken – eine fehlgeleitete ameriakische Strategie, deren Folgen wir bis heute ausbaden.

    Aber auch wenn die Ukraine nicht zur NATO gehört, so kannn die NATO immer noch in den Konflikt hineingezogen werden. Fortgesetzte Brutalität der russischen Invasoren können zu hohem öffentlichen Druck in Europe führen, einzugreifen.

  • Lemmy Caution 14. März 2022, 21:38

    Stimme weitgehend überein. Natürlich müssen wir einem militärischen Konflikt mit Rußland aus dem Weg gehen.
    Aber: Ich sehe uns nicht in einem Kalten Krieg II, sondern auf dem Weg in eine wesentlich multipolarere Welt. Beide sind unterschiedlich. Wir befinden uns da teilweise in uncharted waters und können das nicht alleine den Profis überlassen wie nach der Frühphase des Kalten Kriegs.

    Wäre die Ukraine schnell zusammengebrochen, hätte sich ein Angriffskrieg in Europa gelohnt. Aus systemischer Sicht ist für den Fortbestand der Welt wie wir sie mögen fundamental wichtig, dass Putin einen hohen Preis bezahlt. Ich sehe uns damit bei der Ukraine in einer gewissen Schuld. Bekomm jetzt von Thorsten bestimmt einen übergebraten, aber egal.
    ich bewundere auch die extrem mutigen oft weiblichen Anti-Kriegs Demonstranten in Rußland. (https://twitter.com/KyivIndependent/status/1503465160253579266)
    Man mag die in den Krieg ziehenden internationalen Freiwilligen für verrückte Abenteurer mit Testeron-Überschuß halten, aber hier haben sie einen wertvollen Beitrag geleistet.
    Die Ukraine hat auch in anderen Weltgegenden überzeugt. In Chile entdeckte ich allerdings Bereiche, bei denen die russische Propaganda sehr gut verfängt. Auch manche indische Journalisten/Influencer schrieben gefährliches Zeugs.
    Dieses Desinformations-Ding ist für mich beunruhigend. Viele unterschätzen das immer noch.

    • Stefan Sasse 14. März 2022, 23:19

      „Kalter Krieg“ bedeutet ja nicht automatisch „bipolar“. Dass wir in uncharted waters sind – auf jeden Fall.

  • sol1 14. März 2022, 23:23

    /// Wesentlich unklarer ist die Lage, wenn es um die Unterstützung der Ukraine geht, also vor allem die Bereitstellung von Material, Informationen und Waffen. ///

    Das Völkerrecht ist da eindeutig. Waffenlieferungen alleine machen einen Staat nicht zur Kriegspartei:

    https://www.sueddeutsche.de/politik/waffenlieferungen-ukraine-russland-konfliktpartei-1.5538564

    Die Lieferung von Flugzeugen war aus den von dir aufgeführten Gründen offenbar nichtzu bewerkstelligen. Aber Manpads und ähnliches Kleingerät läßt sich problemlos ins Land schaffen. Erst recht gilt das natürlich für Informationen.

    /// Dabei half ihr natürlich die geografische und ethnische Nähe zum Westen: der Ukraine fiel es wesentlich leichter als der syrischen Opposition, westliche Sympathien zu gewinnen. Es war „echt“, „im Herzen Europas“ und was der abstoßenden Formulierungen nicht mehr durch die Medien geistert. ///

    Abstoßend, aber vorhersehbar. Erst recht hätte das für die russische Propagandamaschinerie vorhersehbar sein sollen, die solche Sentimente in den letzten Jahren nach Kräften befeuert hat.

    • Stefan Sasse 15. März 2022, 11:14

      Informationen ist viel problematischer als du es hier darstellst. Wenn etwa die USA direkt Satelliteninformationen etc. an die Ukraine weitergeben oder so was ist das ziemlich bedeutsam. Ich denke nicht, dass es Rote Linien überschreitet, aber komplett harmlos ist es halt auch nicht. Und die Waffenlieferungen sind aus den genannten Gründen problematisch: sie sind legitime Ziele.

      • CitizenK 15. März 2022, 14:30

        Wenn Putin einen Gedanken an das Völkerrecht verwenden würde, gäbe es diesen Krieg gar nicht. Schon die Sanktionen hat er eine „Kriegserklärung“ genannt. Die Sanktionierung der Zentralbank macht Adam Tooze große Angst:
        https://www.sueddeutsche.de/kultur/putin-selenskyj-wirtschaft-sanktionen-ukraine-1.5545248

      • sol1 15. März 2022, 23:10

        „…komplett harmlos ist es halt auch nicht…“

        Deswegen wird das halt nicht an die große Glocke gehängt:

        /// Frage an Mike, Oberstleutnant der Bundeswehr und einer der Einsatzleiter: „Erhalten die Ukrainer diese Informationen?“ Antwort: „Das weiß ich nicht. Also nicht von uns.“ Ein Amerikaner in gleicher Funktion gibt exakt die gleiche Antwort. ///

        https://www.zdf.de/nachrichten/politik/luftueberwachung-awacs-ukraine-krieg-russland-100.html

        „Und die Waffenlieferungen sind aus den genannten Gründen problematisch: sie sind legitime Ziele.“

        Sie müssen aber nicht durch NATO-Leute begleitet werden.

        • Stefan Sasse 15. März 2022, 23:44

          Als würden die es zugeben.

          Nein, aber bis zur Grenze schon.

          • sol1 16. März 2022, 13:33

            Transporte von kleineren Waffen sind aber nicht als solche erkennbar. Wie soll man von außen feststellen, ob in einem Lastwagen oder Waggon Lebensmittel oder Manpads sind?

            • Stefan Sasse 16. März 2022, 17:15

              Für so was gibt es Aufklärung und Geheimdienste.

              • sol1 16. März 2022, 18:48

                Die sind aber erstens nicht fehlerfrei, und zweitens können ihre Erkenntnisse nicht ohne weiteres offenlegen, so daß sie für Propagandazwecke eingesetzt werden können.

                • Stefan Sasse 17. März 2022, 10:05

                  Ja, aber die müssen auch nicht fehlerfrei sein dafür. Fehleranfälligkeit ist ja gerade mein Punkt. Du kriegst raus, dass da ein Waffentransport stattfindet und beschließt, ihn direkt hinter der Grenze abzufangen. Es passiert ein Fehler und du fängst ihn direkt vor der Grenze ab. Dabei sterben NATO-Soldat*innen. DAS ist das Szenario.

  • Hias 15. März 2022, 01:27

    Ich finde ja, Prechts Fähigkeit faszinierend, zu wirklich jedem aktuellen Thema etwas unglaublich dämliches zu sagen. Mein Liebling ist ja die Einschätzung von Sebastian Kurz: https://www.youtube.com/watch?v=DzVuUMpLaAs

    Größtenteils d’accord mit deiner Einschätzung. Meiner persönlichen Meinung nach war allerdings die entscheidende Frage, wie die Regierung, insbesondere Selenskyj, in den ersten ein, zwei Tagen handelnd wird, entscheidend für den Misserfolg des fait d’accompli. Hätte er das Angebot der Amerikaner angenommen und wäre er geflohen, wäre der Widerstand wohl größtenteils zusammengebrochen, zumindest in Kiew. Hier hat Putin seinen Gegner eindeutig unterschätzt und vielleicht aus dem Afghanistan-Rückzug der USA die falschen Schlussfolgerungen gezogen.

    Dass die gesamte Operation auf einen schnellen Regime Change ausgelegt war, hat dann wohl auch dazu geführt, dass weder die Logistik noch die Moral noch die Propaganda bereit waren um den Einmarsch adäquat zu begleiten. Das hat sich inzwischen deutlich geändert.

    Strategisch ist der Krieg auf alle Fälle die mit Abstand beschissenste Aktion seit Jahrzehnten. Putin kommt aus der Nummer ohne Gesichtsverlust nicht mehr raus, außer er erobert in einem längeren Krieg die Ukraine komplett, wofür er aber zu wenig Truppen haben dürfte. Selbst dann stellt sich die Frage, wie er seine Wirtschaft wieder zum Laufen kriegen will, wie er die Kosten einer Besatzung decken will und woher er die Soldaten zur Besatzung nehmen will. Die Sowjetunion hatte im ungefähr gleich großen Afghanistan in den 1980er Jahren über 100.000 Mann Besatzung stationiert. Das würde bedeuten, dass ungefähr ein Viertel des russischen Heeres als Besatzungstruppen in der Ukraine gebunden wären, kaum vorstellbar, dass dies lange möglich sein wird.
    Und mit jedem Tag, in denen die Ukrainer die russische Armee hinhalten, wird eine Verhandlungslösung schwieriger und die Ukrainer werden immer weniger zu Zugeständnissen bereit, zumindest bis zu einem gewissen Punkt. Aber den sehe ich, sofern der Westen weiterhin Waffen liefert, in naher Zukunft nicht.
    Und der Westen ist mit seinen Sanktionen zum Erfolg verdammt. Alleine schon die Tatsache, dass man die Öl- und Gaslieferungen nicht kappt, könnten Russland und China als Zeichen der Schwäche interpretieren. Zudem ist die Front nicht so stabil, wie sie scheint. Mit Brasilien, Indien und Südafrika halten sich vergleichsweise mächtige Volkswirtschaften eher zurück als bei den Sanktionen mitzumachen und China wird sich genau überlegen, welche Handlungen in seinem Interesse sind. Und die größte Atommacht der Welt an der ökonomischen Hundeleine zu haben, ist ein verführerischer Gedanke.
    Zudem bleibt die Frage, wie man den Krieg diplomatisch lösen will. Soll die Ukraine ernsthaft nach der Erfahrung mit dem Budapester Memorandum auf eine weitere Zusage Moskaus vertrauen?
    Und dann sind da noch die weiteren „neutralen“ Staaten. Moldawien als ehemalige Sowjetrepublik hat bereits russische Truppen im Land und eine Eroberung der Ukraine könnte einen Landkorridor schaffen um auch Moldawien zurückzuholen. Die Tatsache, dass Russland auch Schweden und Finnland mit Vergeltungsmaßnahmen gedroht hat, falls sie der NATO beitreten, beruhigt nicht wirklich.
    Alles in allem sehe ich da keinen Ausweg, außer der massiven Niederlage entweder der Ukraine und damit des Westens oder Russlands. Ersteres dürfte, wie Du schon geschrieben hast, auch andere Großmächte ermutigen, letzteres dürfte wohl zum Sturz Putins und damit zu einer chaotischen Phase in Russland führen. Beides keine schönen Szenarien.

  • cimourdain 15. März 2022, 09:11

    Eine Ergänzung, die gut in deine Argumentation passt:
    Der Erfolg der ukrainischen Truppen ist in meinen Augen ganz wesentlich einer westlichen Unterstützung geschuldet, die weit unterhalb der ‚red line‘ Schwelle liegt: Der Versorgung mit Information in Form von Satellitenaufnahmen und Kommunikationsdaten. Dadurch können Truppenbewegungen schnell präantizipiert werden.

  • einfachnurRoland 16. März 2022, 13:12

    Gute Zusammenfassung der Situation zum jetzigen Zeitpunkt!
    Einen Punkt finde ich aber hier genau so wenig wieder, wie sonst auch: Was sind die Folgen des Scheiterns des Budapester Memorandums? Wenn die Abgabe von Atomwaffen zu einer völligen Katastrophe führen, wie es im Fall der Ukraine gerade geschieht, wird doch wirklich jedes Regime sich damit absichern wollen/müssen. Die anderen unterzeichnenden Nationen (USA, UK), aber eigentlich auch alle anderen Zweitschlag-Potentaten, müssen doch im Rahmen einer längerfristigen Schadensbegrenzung mehr tun, als zu verhindern, dass die Ukraine verliert. Jeder noch so kleine Teilsieg von Putin wird doch zu einem globalen nuklearen Aufrüsten führen.
    Ich hoffe, dass die NATO hier noch ein paar rote Linien im Ärmel hat, um eine Atomkriegsgefahr jetzt mit einer Atomkriegsgefahr in 10 oder 20 Jahren abwägen zu können.
    Auch die Politik Chinas kann ich in diesem Sinne nicht wirklich nachvollziehen.

    • Stefan Sasse 16. März 2022, 13:26

      Ich denke nicht, dass Atomwaffenverbreitung die relevante Frage ist; es geht halt eher wieder um die Ausweitung der NATO.

  • Thorsten Haupts 16. März 2022, 14:51

    Wenn die Abgabe von Atomwaffen zu einer völligen Katastrophe führen, wie es im Fall der Ukraine gerade geschieht, wird doch wirklich jedes Regime sich damit absichern wollen/müssen.

    Yup. Und da noch nicht alle Regierungen weltweit an westlichen Universitäten das Denken verlernt haben und ernsthaft an regelbasierte Weltordnungen glauben, wird es genügend geben, die man jetzt überhaupt nicht mehr überzeugen kann. Und das ist auch gut so – es gibt keinen Schutz, den man nicht selber (zumindest partiell) organisieren kann und will. Ich hoffe, insbesondere Taiwan hat gestern mit der Entwicklung einer eigenen Nuklearwaffe begonnen – was eine Sicherheitsgarantie wert ist, weiss es ja jetzt (hätte es auch vorher wissen können, aber es gibt ja Leute, die glauben ernsthaft an westlich-liberale Illusionen vom Ende der Geschichte).

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 16. März 2022, 17:18

      Ich bring da im nächsten Vermischten noch mal was dazu, ich halte das für ne Fehleinschätzung.

      • Thorsten Haupts 16. März 2022, 18:11

        Spannend :-).

  • Lemmy Caution 17. März 2022, 11:47

    Seh grad Maischberger von gestern abend.
    Vorschlag: Der Typ bekommt den Job von Anja Kohl.
    https://twitter.com/PabloSpyer/status/1504407694979043332
    Anja Kohl wäre dann frei für das Amt als Bundeskanzlerin.

  • Thorsten Haupts 17. März 2022, 14:14

    Das hier ist übrigens die angeblich rationale Gegenposition zu „Ukraine bewaffnen und Russland sanktionieren“:

    https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/neugier-genuegt/redezeit-johannes-varwick-100.html

    Der Typ krigt ja nicht einmal seine eigen Logik auf die Reihe.

    „Putin hat seine eigenen Spielregeln. Das sind Regeln, die von einer Skrupellosigkeit geprägt sind, bei der wir nicht mitgehen können und wollen. Denn sie enden in einer nuklearen Katastrophe. Daher ist jetzt die Stunde gekommen, um Putin in Verhandlungen entgegenzukommen.“

    Für Johannes Varwick bedeutet das: keine Waffenlieferungen an die Ukraine mehr, um jedes weitere Blutvergießen zu vermeiden; eine Entmilitarisierung der Ukraine und die Option einer Exilregierung in Berlin oder Warschau.

    Äh – wie bitte. WENN Putin so skrupellos ist, wie unterstellt, und wir ihm darin nicht folgen können und wollen, dann ist die einzige Alternative die bedingungslose Unterwerfung des gesamten freien Europa, sofort. Mit dem Selbstopfer der Ukraine gewinnen wir dann gar nichts (ausser der Hoffnung auf Putins sozialverträgliches Frühableben).

    Und, derselben Logik folgend, spricht dann auch absolut nichts mehr dagegen, Putin auf dem Gebiet der Ukraine entgegenzutreten und den III. Weltkrieg jetzt (zu für uns vorteilhaften Bedingungen) auszulösen.

    Ich hab ja wirklich nichts gegen eine „realpolitische“ Betrachtung der Welt. Die vom Professor (!) JW vertrenene Position allerdings ist die eines Endzeit-Apokalyptikers. Und nicht einmal in sich konsistent.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Lemmy Caution 17. März 2022, 14:54

      Die aktuell größtdenkbare Apokalypsis wäre Igor Sushkos 6. Brief ‚wind of change‘ aus dem FSB.
      https://twitter.com/igorsushko/status/1503668377289584640
      Ich halte das aber für unwahrscheinlich. Vor allem: Wie würde China reagieren?
      Putin ist natürlich eine in die Ecke gedrängte Ratte, aber mit dem Atomkrieg drohen wird er auch nicht.

    • Stefan Sasse 17. März 2022, 19:05

      Ja, ich bin auch mehr als verwirrt von seinen Äußerungen. Manche sind ziemlich clever, andere einfach inkonsistent oder wirr.

    • Ariane 20. März 2022, 15:24

      HAha, über den hab ich mich auch schon massiv aufgeregt! 😀

  • Ariane 20. März 2022, 17:09

    Late to the party, aber nochmal vielen Dank für die beiden Artikel und auch an die Kommentatorenriege für die vielen Gedanken und Ergänzungen (v.a. Thorsten).

    Ich bin auch immer noch etwas missmutig, dass die deutsche Debatte noch viel zwischen den Extremen (alles rein, was geht oder die Ukraine soll sich bitte ergeben und wir uns die Augen zuhalten) schwankt. Trägt mehr zur Verwirrung bei als zu Punkten, an denen man weiterdenken kann.

    Es ist schon alles eine sehr verfahrene Situation, man muss ja auch damit rechnen, dass das ganze echt lange, vielleicht sogar jahrelang, dauern kann. Mag ich mir gar nicht vorstellen, scheint aber nicht unwahrscheinlich und selbst mit einer Kapitulation der Ukraine wäre es ja nicht vorbei.
    Das ist schon alles eine sehr schmale Gratwanderung, auf die der Westen eben auch nur bedingt Einfluss hat (nichts tun ist keine Option, aber Russland betrachtet ja mittlerweile öffentlich alles als Bedrohung) und Putin agiert, während der Westen dazu reagieren muss. Nicht zu vergessen, dass es verständlicherweise enorme Unterschiede zwischen den Ostländern der Nato/Eu und dem Rest gibt. Wurde ja auch schon angesprochen, dass natürlich auch die Weitergabe von Informationen genau wie die Waffen-Konvois problematisch sein können.
    Und natürlich sind die Konvois ein legitimes Ziel, fragt sich nur auf welchem Gebiet. (ich meine, das war auch ein Problem mit den MIGs, nicht nur die Übergabe, sondern auch die Startplätze. Allerdings hat man sich ja auch maximal dämlich in dieser Frage angestellt)

    Ich möchte hier nochmal drauf zurückkommen:
    Äh, nein. Bleibt der Westen entschlossen und einig, was zu beweisen bleibt, ist die restliche Welt mit und nach dem Ukrainekrieg wieder ein Stück sicherer geworden, zumindest in Europa

    Ob die (deutsche/westliche/europäische) Welt nun tatsächlich sicherer ist, weiß ich nicht, neige aber auch eher zu Thorstens Einschätzung. Sie ist auf jeden Fall erstmal klarer geworden. Jemand von Miltwitter, glaub der Bendlerblogger, hatte mal brutal aber vermutlich zutreffend geschrieben, dass Russland die Ukraine als Pufferzone haben wollte und jetzt ist sie eher die Pufferzone der NATO geworden.
    Das gilt vermutlich gerade für die östlichen Länder, mal abgesehen davon, dass Russland mit seinen militärischen Problemen aktuell wohl nicht in ein zweites Land einfallen wird, werden die eben gerade hochgerüstet, überall Soldaten stationiert und vermutlich würde man auch nicht so unbeteiligt zusehen wie jetzt bei der Ukraine.

    • Stefan Sasse 20. März 2022, 18:39

      Was das mit den Konvois angeht: mein Problem ist ja, dass der Unterschied zwischen „5 Meter östlich oder westlich der Grenze“ sehr schnell schwammig wird.

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