Die Schuldenbremse ist tot

Als die DDR unterging, zeigte sich, dass den Sozialismus in seinem Lauf zwar weder Ochs noch Esel, sehr wohl aber die Realität aufhielt. Ideologische Stromlinienförmigkeit, absolute Prinzipientreue und weltanschauliche Unerschütterlichkeit mochten zwar eine Parteikarriere ermöglichen, aber kein noch so detailliert ausformulierter Fünf-Jahr-Plan kam gegen die unerbittliche normative Kraft des Faktischen an. Ähnlich ist es bei der Schuldenbremse. Ihr mangelt es nicht an absolut überzeugten und determinierten Verfechtern, die bereit sind, eher 2+2=5 ins Grundgesetz zu schreiben als ihr liebstes ideologisches Projekt aufzugeben. Aber das ändert wenig daran, dass sie gescheitert und im Grunde tot ist.

So wie alles, was in der DDR auch nur ansatzweise funktionierte, dies trotz, nicht wegen der Planungsbehörden tat und diese umgehen musste, so verhält es sich auch mit der Schuldenbremse. Im sozialistischen Utopia flossen Schmiergelder, wurde geschmuggelt und wurden Absprachen aller Art getroffen, Kuhhändel geschlossen und Regeln umgangen, um den Laden einigermaßen am Laufen zu halten. Das lief mehr schlecht als recht und am Ende eigentlich nur noch schlecht.

Auch die Schuldenbremse ist nicht mehr das Papier wert, auf dem sie geschrieben steht, genauso wie ihre große Schwester, der Stabilitäts- und Wachstumspakt. Der 30jährige Versuch, eine ideologische Wirtschaftspolitik zu betreiben, ohne Rücksicht auf die Realität zu nehmen, ist gescheitert. Genauso wie beim realsozialistischen Experiment ist der Kollateralschaden beträchtlich, wenngleich er mit deutlich weniger menschlichem Leid auskommt. Auch in seinem Scheitern zeigt sich der Kapitalismus dem Realsozialismus noch überlegen.

Bevor wir genauer anschauen, warum dieses ideologische Experiment scheiterte und warum es politisch trotz aller Absichtsbekundungen tot ist, eine kurze Geschichte dieser beiden Instrumente.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt wurde von der Kohl-Regierung als ein Teil des Preises eingetrieben, den Frankreich für die Einführung seines Herzenswunsches, des Euro, bezahlen musste (der andere war die Einrichtung der EZB in Frankfurt als Spiegelbild der Bundesbank). 1993 war die Wirtschafts- und Währungsunion in Maastricht ratifiziert worden, die 1997 durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt ergänzt wurde. Er enthält die berüchtigten beiden Kennzahlen der Staatsverschuldung: maximal 3% der jährlichen Wirtschaftsleistung, maximal 60% des BIP insgesamt.

Die Schuldenbremse wurde 2009 von CDU und SPD eingeführt. Die SPD versprach sich von ihrer tatsächlich eine Steuersenkungsbremse: angesichts einer dräuenden CDU-FDP-Regierung wollte sie dieser mit der Schuldenbremse fiskalisch die Hände binden, damit sie nicht zu viele Kürzungen vornehmen konnte. Dieses Kalkül kann man höflich als kurzsichtig beschreiben, aber es ging grundsätzlich auf: die große Steuerreform blieb zwischen 2009 und 2013 jedenfalls aus. Die Schuldenbremse begrenzt die Nettokreditaufnahme auf 0,35% des BIP, sieht jedoch automatische Angleichungen für die Konjunkturlage und Mechanismen zur Außerkraftsetzung in Krisen vor.

Beide Instrumente stießen auf krisenhafte Umstände, die ihre Modifikation erforderten. Besonders unnachgiebig war der starre Stabilitäts- und Wachstumspakt, der im Lauf der Finanz- und Eurokrise so oft und umfassend reformiert wurde, dass er mittlerweile kaum mehr wiederzuerkennen ist; die Corona-Pandemie versetzte ihm effektiv den Todensstoß. Die Klagen seiner Verteidiger*innen zu diesem Umstand sind vollkommen richtig: der SWP ist mittlerweile zwar noch irgendwie rechtsgültig, hat aber mit seiner ursprünglichen Konzeption nur noch wenig zu tun.

Der Schuldenbremse droht gerade dasselbe Schicksal. Bereits während der Finanz- und Eurokrise stieß sie immer wieder an ihre Grenzen, doch es war die Corona-Pandemie, die sie endgültig ad absurdum führte. Ohne die massive Öffnung der Kredithähne wären die gesamtgesellschaftlichen Kosten ohne Zweifel deutlich höher gewesen als die Kreditaufnahme. Man kann nur auf Knien dankbar sein, dass ein Sozialdemokrat und nicht ein Christdemokrat oder Freidemokrat im Finanzministerium saß.

Man sollte nicht annehmen, dass die Verteidiger*innen es nicht ernst meinten: Die FDP und der rechte Flügel der CDU unter dem damaligen Wortführer Wolfgang Bosbach ließen beinahe die Regierung über die Frage der buchstabengetreuen Einhaltung des SWP scheitern; Merkel überlebte nur dank Leihstimmen der SPD. Wie so oft erwiesen sich die Sozialdemokraten selbst in der Opposition als bis an die Schmerzgrenze verantwortungsbewusst.

Diese Position ist dabei keine Minderheitsposition. Die überwältigende Mehrheit der Deutschen liebt die Schuldenbremse, zumindest im Prinzip. Gefragt, ob sie Habeck oder Lindner als Finanzminister bevorzugen würden, antworteten fast 50% mit Lindner und kaum 24% mit Habeck; nicht einmal im „linken Lager“ genießt die Idee einer nicht schuldenbremsebasierten Finanzpolitik eine Mehrheit.

Das führt zu einer paradoxen politischen Situation. Die Forderung, die Schuldenbremse abzuschaffen, ist offensichtlich eine politische Totgeburt (ohne die CDU wäre die Verfassung niemals zu ändern), weswegen immer kreativere Methoden gefunden werden, um sie zu umgehen. In der Rezession ist sie, wie die Pandemie gezeigt hat, effektiv bereits erledigt. Doch angesichts des gewaltigen Investitionsstaus einerseits und den Herausforderungen der Klimakrise andererseits, nicht zu sprechen von Unternehmungen wie dem 2%-Ziel der NATO, ist allen Beteiligten klar, dass die Staatsausgaben in den nächsten Jahren steigen werden. Kürzungen sind aber fast nicht möglich, weil die größten Ausgabeposten gar nicht angetastet werden können (Stichworte: Hartz-IV, längerfristig verplante Gelder, etc.). Da Steuererhöhungen andererseits niemals die Summen ergeben können, die nötig wären (auch wenn die linken Parteien aus taktischen Gründen diesen Eindruck zu erwecken versuchen), bleibt eigentlich nur die Kreditaufnahme.

Man achte nur einmal darauf, wie häufig in der letzten Zeit die Idee eines Investitionsfonds oder ähnlich gelagerter Instrumente in die politische Debatte eingebracht wird, gerade auch von Ökonom*innen, die bisher nicht unbedingt durch ihre Nähe zum linken Lager aufgefallen sind. Investitionsfonds haben den großen Vorteil, einerseits direkter den privaten Sektor zu involvieren als die das eher schwerfällige Instrument direkter staatlicher Ausgabenpolitik tut, und andererseits nicht unter die Begrenzungen der Schuldengrenze zu fallen. Dafür ist „nur“ ein bisschen buchhalterisches Jiu-Jitsu vonnöten.

Diese Art von Tricks kennt man bereits vom SWP, der, wie bereits mehrfach erwähnt, mittlerweile zwar etwas regelt – aber nicht das, was ursprünglich einmal beabsichtigt war. Das ist sehr problematisch, denn auf diese Art wird letztlich das System ausgehölt, das Fundament beschädigt. Es werden zwar noch Lippenbekenntnisse abgegeben, aber längst nicht mehr danach gehandelt. Auch das erinnert an die DDR: dem Sozialismus wurden Lippenbekenntnisse gewidmet, aber niemand handelte mehr danach. Das hölte das System aus und schuf mehr als alles andere die Grundlage für den schnellen Zusammenbruch 1989/91.

Es ist natürlich eine Frage des Standpunkts, wie man das bewertet. Ich lasse wenig Zweifel daran, dass ich die Schuldenbremse genauso wie den SWP für eine grundsätzlich schlechte Idee halte. Sie ist rein ideologisch motiviert und hat keine Verankerung in irgendwelchen realen Grundlagen; die Zahlen sind politisch. Warum 60% vom BIP und nicht 65%? Warum 3% Neuverschuldung und nicht 2,5%? Es sind erfundene Zahlen, die eine willkürliche Grenze definieren, weil man eine Grenze definiert haben wollte. Die Ideologie verlangte es.

Denn die grundlegende Idee hinter diesen Instrumenten ist, dem Staat so weit wie möglich die Gestaltungsmacht zu nehmen. Die „Unabhängigkeit“ der Notenbanken (die keine echte Unabhängigkeit ist) gehört in das gleiche Spektrum. Der beherrschende Wunsch ist, dem Parlament und der Regierung Spielräume zu nehmen. Diese Position kann man durchaus vertreten – es ist ein legitimes Ziel, Ausgaben und Interventionen des Staates einschränken zu wollen – aber man sollte auch ehrlich sein, dass man dieses Ziel verfolgt. Genau das tun aber die Verteidiger*innen dieser Instrumente nicht.

Fast 30 Jahre lang sicherte die institutionelle Dominanz der Ideolog*innen diese Instrumente ab. In die Bundesbank wurde nur berufen, wer vorher absolute Linientreue bewiesen hatte. Der Rat der Wirtschaftsweisen bestand zu 4/5 aus Gleichgesinnten. Medial galt nur als satisfaktionsfähig, wer diese Linie mittrug. Und so weiter. Doch inzwischen bröckelt diese ideologische Front, und zwar vor allem, weil die Realität sich einfach nicht länger ignorieren lässt. Als es „nur“ darum ging, die Wirtschaft anderer Länder zu ruinieren, noch dazu die Südeuropas, hielt die Front, aber seit in der Pandemie die Folgen der ideologischen Linientreue massiv die eigene Bevölkerung treffen würden, wurden diverse Leute zum Offenbarungseid gezwungen. Ideologische Vorkämpfer wie Lars Feld oder Jens Weidmann haben das Handtuch geworfen und einer Riege pragmatischerer Akteure Platz gemacht, die mittlerweile sogar den Hort der Linientreue, die Bundesbank, auf eine pragmatischere Linie gebracht haben.

Während die ökonomische Zunft bereits in großen Schritten Abschied von den alten Paradigmen nimmt, sieht das in der Politik noch anders aus. Die Linien verlaufen etwas unübersichtlich: Zwar gibt es eine klare Links-Rechts-Trennung, bei der SPD, Grüne und LINKE seit der Bundestagswahl 2021 auch offiziell Abschied von der Schuldenbremse nehmen, während CDU, FDP und AfD weiter an ihr festhalten. Aber die neuen politischen Lager erlauben es nicht, daraus Resultate folgen zu lassen; jede mögliche Koalition besteht aus Vertretern beider Lager.

So auch die nun anstehende Ampel. Von Beginn an war klar, dass eine Ampel nur unter einer Bedingung zustandekommen würde: Christian Lindner wird Finanzminister. Wie beschrieben deckt sich das auch mit den Wünschen und Vorstellungen der Mehrheit, die in der FDP offensichtlich eine Hüterin der Geldbörse und Garantie gegen angebliche linke Unseriosität auf wirtschaftlichem Gebiet sieht. 40 Jahre ideologische Indoktrinierung sterben nur langsam, da kann Ostdeutschland bekanntlich ein Lied von singen.

Es ist verständlich, dass der Rest der Welt bei weitem nicht so positiv auf einen Finanzminister Lindner blickt wie die Deutschen, vor allem, nachdem vier Jahre Olaf Scholz zeigten, was pragmatische Finanzpolitik gegenüber ideologischer Beharrung ausrichten kann. Lindner ist, in Abwandlung des berühmten Sun-Covers von 1998, der „gefährlichste Mann Europas“. Niemand hat so viel Potenzial, nicht nur die europäische, sondern die weltweite Wirtschaft in die Krise zu stürzen wie er.

Gleichzeitig zeigen die immer windigeren Umgehungsmanöver der Schuldenbremse und des SWP, dass Alternativen bestehen. Es sind zwei Szenarien für die Zukunft denkbar. Lindner ist überzeugter Schuldenbremsenideologe und wird alles in seiner Macht stehende tun, um sie aufrechtzuerhalten. Das wird nicht nur die Koalition bis aufs Äußerste spannen, sondern auch verheerende Effekte für die Wirtschaft inner- und aiußerhalb Deutschlands haben. Oder er zeigt sich pragmatisch und lässt die Umgehungsmaßnahmen wenigstens in manchen Fällen geschehen. Es ist quasi der Unterschied zwischen Angela Merkel und Wolfgang Schäuble, nur dass weder Scholz die Macht Merkels über Schäuble hat noch Lindner auch nur annähernd dieselbe Loyalität zu Scholz verspüren dürfte wie Schäuble zu seiner Parteichefin.

So oder so aber ist die Schuldenbremse tot. Sie erreicht ihre Ziele nicht, hat sie auch nie erreicht, wird sie nie erreichen. Sie steht im Weg, versucht Entscheidungen aus dem Bereich demokratischer Meinungs- und Entscheidungsfindung herauszuziehen, die im Kern politisch sind, versucht, die Realität in ein Korsett aus juristischen Formeln zu zwingen. Aber die Realität schert sich nicht um die Ideologie, und wenn beides in direkten Konflikt gerät, verliert immer die Ideologie. Die Kosten dafür allerdings sind für gewöhnlich horrend. Bleibt zu hoffen, dass das dieses Mal nicht der Fall sein wird.

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  • CitizenK 25. Oktober 2021, 08:28

    Ich frage mich seit einiger Zeit, wie Scholz und Habeck öffentlich damit umgehen werden, dass ihnen Lindner die Hände bindet und damit notwendige Aktivitäten verhindert – die ironischerweise auch von den Anhängern der Schuldenbremse unter den Wählern gewollt werden. Die Energiepreiskrise gibt einen Vorgeschmack.

    „Die SPD versprach sich von ihrer tatsächlich eine Steuersenkungsbremse“

    Verstehe ich nicht. Bei gegebener Summe an Staatsausgaben bremst das eine das andere doch mit?

    „….erwiesen sich die Sozialdemokraten selbst in der Opposition als bis an die Schmerzgrenze verantwortungsbewusst“ sagt einer, der diese Partei noch vor Kurzem als überflüssig erklärt hat? SCNR.

  • Thorsten Haupts 25. Oktober 2021, 09:15

    Mich interessiert diese Debatte nur am Rande, aber ein paar Anmerkungen zur Entstehungsgeschichte der Schuldenbremse erlaube ich mir, weil Sasse hier nahe an der geschichtsfälschung arbeitet:

    1) Die Schuldenbremse war wesentlich das Ergebnis einer leicht verifizierbaren Beobachtung: Bis zu ihrer Einführung stieg nicht nur der Schuldenstand der öffentlichen Hand kontinuierlich, sondern auch die jährliche Neuverschuldung wurde immer höher. Und man kann mir ja viel verkaufen, aber ich bin kein MMTler und glaube nicht an folgenlose unlimitierte Schulden eines Haushaltes.

    2) Die Schuldenbremse kam als echtes politisches Wunder in das Grundgesetz. Denn das politische Anreizsystem zum Schuldenmachen motivierte bis dahin ausschliesslich höhere Schulden. Warum? Einfach – Schuldenmachen belastete erst einmal niemanden direkt, man hatte mehr Geld für politische Lieblingsprojekte und die eventuellen Folgen traten ein, nachdem die verantwortlichen Politiker lange in Rente waren. Dieses absolut einseitige Anreizsystem wieder in Kraft zu setzen, wird die vorhersehbaren Folgen haben. Ungebremste Schuldenaufnahme.

    3) Zu verschweigen, dass die Schuldenbremse eingeführt wurde, als die Schuldenzinsen bei 6% plus lagen, ist einfach unredlich. Der Schulden- und Zinsdienst des Bundeshaushaltes war nach meiner Erinnerung zu der Zeit der höchste oder zweithöchste Posten im Bundeshaushalt – viele, viele Milliarden Euro, die man für politische Vorhaben nicht mehr zur Verfügung hatte.

    Möglicherweise ist die Schuldenbremse politisch tot. Dann sind wir erneut in der Lage, in der ich die Schuldenbremse damals befürwortet habe – das komplette politische Anreizsystem läuft in Richtung unbegrenzter Schulden, weil das für die Handelnden keinen Preis hat. Dauerhaft über seine Verhältnisse leben geht aber nicht gut, da können mir Ökonomen erzählen, was sie wollen (ich halte sie eh für eine Unterabteilung der Astrologie).

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 25. Oktober 2021, 12:52

      1) Auch MMTler glauben nicht an unlimitierte Schulden, aber das hatten wir ja schon mal. Du informierst dich nicht darüber nicht, haust aber klare Aussagen raus, während du mir „Arbeit nahe an der Geschichtsfälschung“ vorwirfst. Wer im Glashaus sitzt, sollte weniger mit Wackersteinen werfen.

      2) Wie ich im Artikel schrieb, wenn man die Ideologie teilt, findet man die natürlich gut. Den Aufbau des Sozialismus in Deutschland empfanden auch viele als politisches Wunder.

      3) Ja, brillant wegen einer Momentaufnahme des Zinsstands eine ewig geltende Grenze in die Verfassung zu schreiben. Was du hier sagst stützt nur meine Argumentation.

      Letztlich bleibt Schuldenaufnahme immer ein politisches Problem. Wenn du eine Mehrheit hast in einer Demokratie, kannst du es verhindern. Wenn nicht, nicht. Warum das bei diesem Thema anders sein sollte als bei allen anderen, lässt sich nur aus den Präferenzen der Ideolog*innen erklären.

      • R.A. 25. Oktober 2021, 13:01

        „Auch MMTler glauben nicht an unlimitierte Schulden, …“
        An welches Limit glauben MMTler denn?
        Ich kann keine konkrete Einschränkung erkennen. Und in der Praxis empfehlen MMTler eigentlich IMMER zusätzliche Schulden, das Limit scheint also keine reale Rolle zu spielen.

        • Stefan Sasse 25. Oktober 2021, 13:26

          Ich würde euch beiden empfehlen, einfach ein Minimum (so zehn Minuten) in Beschäftigung mit der Theorie zu stecken. Das wird ziemlich prominent kommuniziert.

          • R.A. 25. Oktober 2021, 16:55

            „einfach ein Minimum (so zehn Minuten) in Beschäftigung mit der Theorie zu stecken.“
            Habe ich gemacht (deutlich mehr als zehn Minuten).
            Fällt verdammt schwer, da schon bei den Grundannahmen so viele grotesk falsche und realitätsferne Sachen postuliert werden, das die weitere Lektüre kaum noch sinnvoll erscheint (z. B. die Wahnvorstellung, eine Regierung könne sich JEDE „notwendige“ Ausgabe leisten).

            Was das Limit der Staatsverschuldung betrifft, habe ich nur eine Angabe gefunden: Die Staatsverschuldung könne nicht größer sein als die private Sparquote.
            Was m. E. schon falsch ist, weil neue Staatsschulden ja nur zu einem kleinen Teil bei Privatleuten landen.
            Und es wäre auch keine sinnvolle Obergrenze, wenn der Staat das komplette Sparvermögen als Staatsverschuldung aufsaugt (und damit die Privatwirtschaft nichts mehr investieren kann). Besonders steil die MMT-These, der Staat könne jederzeit seine Schulden zurückzahlen: Klar kann er das – durch entsprechende Vernichtung von privatem Vermögen.

            Abgesehen von der reinen Verschuldungsfrage finde ich es abenteuerlich, wie MMT Arbeitslosigkeit als reine Funktion der Geldmenge begreift. Irgendwelche andere Faktoren für Arbeitslosigkeit kommen da gar nicht vor, nach MMT kann jede Arbeitslosigkeit direkt durch staatliche Schulden beseitigt werden. Siehe oben: So grotesk falsch und realitätsfern, daß die weitere Beschäftigung kaum sinnvoll erscheint.

        • Nicolai 26. Oktober 2021, 07:33

          MMT folgt der Functional Finance: der Staatshaushalt sollte sich an der Erreichung realwirtschaftlicher ziehe orientieren.

          Daraus folgt automatisch, dass die einzige echte Grenze für Schuldenaufnahme die Inflation ist. Solange du mehr Geld ausgeben kannst, ohne die Inflation über das gewünschte Maß zu erhöhen (zur Erinnerung: gar keine Inflation ist auch schlecht), dann sollte man das tun. Vor allem natürlich für Investitionen.

          Orthogonal dazu gibt es Fragen der Effizienz, Verteilung, und Gerechtigkeit.

          Zum Beispiel: herrje, wir zahlen so viel Zinsen (zumindest früher). Auch das ist der Blick auf die realen Auswirkungen nötig. An wen gehen die Zinsen denn? Primär an die reichsten 0,1%? Oder an eine neue Masse aufgrund des Push bin zur kapitalbasierten Rentenversicherung? Je nach Antwort fällt auch die Beurteilung der Zinszahlungen differenziert aus.

          Aber Ideologen interessiert sowas natürlich nicht.

          • Stefan Pietsch 26. Oktober 2021, 09:17

            Dann bleibt noch die generelle Frage, selbst wenn man das akzeptieren würde:

            Wenn Geld praktisch beliebig geschöpft werden kann (Inflation ist schließlich – Achtung Zirkelschluss – auch nur eine Definitionssache), warum sollte der Staat noch das Geldmonopol besitzen? Das Recht Geld zu schöpfen, stände dann doch jedem Bürger zu. Und genau deshalb entstehen und boomen Kryptowährungen, die das staatliche Geldmonopol angreifen.

            • Stefan Sasse 26. Oktober 2021, 10:00

              Wo besteht denn da der Zusammenhang?

              • Stefan Pietsch 26. Oktober 2021, 11:08

                Die MMT ist auf die vermeintlichen Bedürfnisse des Staates und der Politik ausgerichtet. Wie kann sich der Staat möglichst unendliche finanzielle Mittel verschaffen ohne den Widerstand bei Bürgern aufgrund hoher Steuerzahlungen und wirtschaftliche Verwerfungen aufgrund hoher Kreditaufnahme hervorzurufen?

                Das sind aber nicht die Belange von Unternehmen und Bürgern. Ihre Bedürfnisse beschreibt die klassische Geldtheorie: Stabilität, Möglichkeit der Aufbewahrung, Tauschwert. Eine Währung, die diesen Anforderungen nicht Rechnung trägt, wird nicht akzeptiert und ausgetauscht. Hundertfach gesehen im zeitlichen Rückblick und in internationalen Beobachtungen.

                Die MMT-Befürworter haben das Wesentliche des Staates aus dem Blick verloren: für den Bürger dazusein.

                • Stefan Sasse 26. Oktober 2021, 15:40

                  ER KANN SICH NICHT UNENDLICHE FINANZIELLE MITTEL VERSCHAFFEN HERRGOTTNOCHMAL HÖRT AUF DAS ZU BEHAUPTEN

                  • Stefan Pietsch 26. Oktober 2021, 15:50

                    Die MMT ist auf die vermeintlichen Bedürfnisse des Staates und der Politik ausgerichtet. Wie kann sich der Staat möglichst unendliche finanzielle Mittel verschaffen ohne den Widerstand bei Bürgern aufgrund hoher Steuerzahlungen und wirtschaftliche Verwerfungen aufgrund hoher Kreditaufnahme hervorzurufen?

                    Was hast Du an dem Satz nicht verstanden? Du hast verstanden ich würde behaupten, der Staat könne sich unendlich verschulden.

                    Der Haken an der Sache: Das steht dort nicht.

                  • R.A. 26. Oktober 2021, 17:23

                    „ER KANN SICH NICHT UNENDLICHE FINANZIELLE MITTEL VERSCHAFFEN“
                    Nicht unendlich. Aber so viel, daß nichts mehr übrig bleibt für irgenwelche anderen Zwecke.

                    Ich habe ja oben dargestellt, was ich nach etwas mehr als 10 Minuten MMT-Theorie rausgefunden habe.
                    Eine Praxis-relevante Verschuldungsgrenze scheint es dort nicht zu geben.

                    • Stefan Sasse 26. Oktober 2021, 18:30

                      Ich geb’s auf. Red ruhig weiter in deinem Zerrbild, aber erwarte nicht, dass da irgendwas rauskommt.

                    • R.A. 26. Oktober 2021, 18:45

                      „Ich geb’s auf.“
                      Du hast überhaupt nicht angefangen.
                      Von Dir kam nur die kryptische Behauptung es gäbe sehr wohl eine Grenze und die könne man mit 10 Minuten MMT sehen.
                      Habe ich gemacht und mein Ergebnis oben ausführlich beschrieben: Es gibt eine theoretische Grenze, aber de facto erlaubt MMT fast alles.

                      Kann ja sein, daß ich das falsch verstanden habe. Aber wenn Du nur vage auf die Theorie verweist und nicht bereit bist explizit zu sagen, wo Du die Grenze siehst bzw. wie die in MMT hergeleitet wird, dann ist auch klar daß beim Publikum das „Zerrbild“ bleibt.

                • Jens Happel 26. Oktober 2021, 17:27

                  Kein MMTler sagt es ist problemlos unbegrenzt Schulden zu machen.

                  Die MMT sagt lediglich, ein Staat mit eigener Notenbank und NUR Schulden in eigener Währung kann nicht pleite gehen. Dass das gut für den Staat oder seine Bürger ist behaupten die nicht!

                  Historisch betrachtet sind bislang nur Staaten pleite gegangen, die sich in ausländischer Währung verschuldeten, z.B. Argentinien in Dollar. Auch die Hyperinflation in Deutschland, wurde ausgelöst, weil ausländische Darlehensnehmer (USA) ihre Darlehn in US$ zurück forderten.

                  • R.A. 26. Oktober 2021, 17:49

                    „Kein MMTler sagt es ist problemlos unbegrenzt Schulden zu machen.“
                    Na ja. Eine typische MMT-Formulierung ist: „Eine souveräne Regierung kann sich jede notwendige Ausgabe leisten“.
                    Da „notwendig“ hier völlig beliebig nach den Wünschen dieser Regierung gestaltet werden kann, ist das keine Grenze. Und daß Verschuldung oder zu hohe Verschuldung irgendwelche Probleme bringen könnte, davon habe ich bei der ganzen MMT nichts gefunden.

                    „Historisch betrachtet sind bislang nur Staaten pleite gegangen, die sich in ausländischer Währung verschuldeten …“
                    Der Eindruck täuscht.
                    Erstens gab es ja schon sehr viele Staatspleiten vor Einführung von Zentralbankgeld. Wie überhaupt MMT nur in Zentralbankgeld denkt und deswegen zu ganz abstrusen Vorstellungen über wirtschaftliche Zusammenhänge kommt. Es hat schließlich Wirtschaft und Staatshaushalte schon vor der Existenz von Zentralbanken gegeben.
                    Zweitens muß man überlegen, warum sich Pleitestaaten wie Argentinien überhaupt in fremder Währung verschuldet haben: Weil kaum noch jemand bereit war, Anleihen in heimischer Währung zu akzeptieren.

                    Auch das ein zentraler Fehler der MMT-Theorie: Das problemlos Geldschöpfen mit eigener Zentralbank funktioniert nur, wenn dieses Geld auch auf Akzeptanz steht. Diese Akzeptanz ist am größten bei Zentralbanke wie der Bundesbank, die eben NICHT so agiert wie MMT das möchte. Und sobald eine Regierung/Zentralbank à la MMT mit überzogener Verschuldung zahlen möchte, kriegt sie die frisch gedruckten Lappen nicht mehr los.
                    Es gibt da genug historische Erfahrungen: Bis zu einem gewissen Grad kann eine Regierung die Akzeptanz erzwingen – aber damit drängt sie die Bürger massiv in den Schwarzsektor und stört die Wirtschaftskreisläufe sehr stark.

                    • Jens Happel 27. Oktober 2021, 09:31

                      Erstens gab es ja schon sehr viele Staatspleiten vor Einführung von Zentralbankgeld.

                      Ohne FIAT Geld (Zentralbankgeld), kann man natürlich als Staat pleite gehen, weil man sich dann z.B. in Gold bei Hr. Fugger verschuldet hat. Reale Dinge sind endlich. Fiat Geld nicht.

                      Und die irgendwann einsetzende Hyperinflation ist dann auch die harte Grenze für „unbegrenzte“ Kreditaufnahme (MMT). Das sagen die MMTler aber auch genau so!

                      Kein MMTler sagt es wird keine Inflation geben bei vermehrter „unbegrenzter“ Kreditaufnahme.

                      Und kein MMTler sagt Inflation ist egal.

                      Ich verstehe deine Kritik nicht.

                    • R.A. 27. Oktober 2021, 10:24

                      „Und die irgendwann einsetzende Hyperinflation ist dann auch die harte Grenze für „unbegrenzte“ Kreditaufnahme (MMT).“
                      Wenn das tatsächlich die einzige von der MMT akzeptierte Schuldengrenze ist, dann gilt ja meine Einschätzung, daß es keine Praxis-relevante Grenze gibt.

                      Denn wenn man bis kurz vor Hyper-Inflation Schulden macht ist man schon so heftig in der Inflation, daß ein Umsteuern kaum noch möglich ist. Dann bleiben nur Währungsschnitt und/oder Schuldenstreichung – also Teilformen des Staatsbankrotts.

                      „Und kein MMTler sagt Inflation ist egal.“
                      Na ja, sie halten Inflation aber für ziemlich harmlos: „Insofern bleiben nur recht geringe Folgekosten der Inflation übrig (z.B. Druckkosten für Anpassung von Preislisten u.ä.)“
                      https://www.pufendorf-gesellschaft.org/grundbegriffe-empirischer-geldtheor
                      S. 40

                      Inflation ist auch deswegen für die MMTler kein echtes Thema weil sie abstruserweise glauben, die staatliche Steuererhöhung würde der Inflationsbekämpfung dienen, nicht der Staatsfinanzierung.
                      S. 36

                    • Stefan Sasse 27. Oktober 2021, 10:31

                      Ich roll so hart mit den Augen…

                    • R.A. 27. Oktober 2021, 12:54

                      „Ich roll so hart mit den Augen…“
                      Weil Du nach wie vor nicht in der Lage bist Deine Behauptungen zu belegen?
                      Oder weil die MMT halt doch andere Sachen beinhaltet als oben dargestellt?

                  • Stefan Sasse 26. Oktober 2021, 18:31

                    Und die MMT sagt ausdrücklich, dass es eine ziemlich harte Grenze für Geldschöpfung gibt…

                    • Jens Happel 27. Oktober 2021, 09:24

                      Genau!

                  • Lemmy Caution 26. Oktober 2021, 19:33

                    wenn sich ein Staat stark in der eigenen Währung verschuldet, sind die Zinsen für Kredite in vernünftig gemanagten Währung wesentlich geringer.

                  • Thorsten Haupts 27. Oktober 2021, 15:27

                    Kein MMTler sagt es ist problemlos unbegrenzt Schulden zu machen.

                    Wundervoll! Dann gibt es ja einige klare Zitate von prominenten MMTler, wo und wie hoch die Verschuldungsgrenze ist? Gespannt wartend,

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 27. Oktober 2021, 16:09

                      Solange du eine konkrete Prozentzahl erwartest wirst du enttäuscht werden, solcherlei Unsinn kommt nur von den Ideolog*innen.

                    • Thorsten Haupts 27. Oktober 2021, 18:30

                      Ich bin Projektmanager, nicht Erbsenzähler – eine Grössenordnung reicht mir völlig. Na?

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Nicolai Haehnle 28. Oktober 2021, 00:33

                      Die Vorstellung, dass man die Grenze überhaupt als festen Prozentsatz angeben kann, ist schon verkehrt. Es kommt auf das Verhalten der privaten Akteure an, das sich von Land zu Land und Zeitraum zu Zeitraum unterscheiden kann.

                      Aber wenn du konkrete Zahlen willst: die USA scheinen mit >100% sehr gut zurecht zu kommen, Japan mit >200%. Jetzt ist Inflation in den USA gerade ein Thema, aber es ist eher noch zu früh, um das endgültig zu beurteilen. Ich würde tippen, dass das eher vorübergehende Anpassungen in Folge der Coronapandemie sind, aber noch kann man das nicht wirklich wissen.

                    • Stefan Sasse 28. Oktober 2021, 07:10

                      Exakt.

                      Das ist zumindest der überwältigende Konsens der ökonomischen Zunft.

      • Thorsten Haupts 25. Oktober 2021, 13:02

        1) Doch, tun sie.

        2) Okay. Ich bekenne mich gerne zu der Ideologie, den Staat trotz passender politische Mehrheiten nicht unbegrenzt Schulden machen zu lassen. Abgehakt. Die im Artikel offen benannte Ideologie ist: Grundgesetz? Scheiss der Hund drauf, hebeln wir eh aus.

        3) Eine Momentaufnahme, die bis zu dem Zeitpunkt der Schuldenbremse bereits mehr als 30 Jahre dauerte. Angesichts der Lebensdauer der Sonne ist das natürlich eine Momentaufnahme. Sonst eher nicht.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Thorsten Haupts 25. Oktober 2021, 13:03

          Persönliche Nachbemerkung: Ich werfe hier bewusst nicht mit Wackersteinen und werde das auch in Zukunft nicht tun. Wer meine Schreibweise kennt, weiss das :-).

        • Stefan Sasse 25. Oktober 2021, 13:27

          1) Nein.

          2) Nein. Wie gesagt, ich fordere nicht, das GG auszuhebeln, sondern beschreibe, dass es ausgehebelt wurde, weil eine ideologische Vorgabe reingeschrieben wurde, die in der Praxis nicht tut.

          3) Mhm.

          • Jens Happel 26. Oktober 2021, 17:30

            Für mich ist der Auslöser, dass der Vertag von Lissabon de facto von der EZB gebrochen wurde.

            Die Alternative wäre aber wohl das plötzliche Zerbrechen des Euros gewesen. So gesehen, ist der Vertragsbruch als kurzfrisitge „Lösung“ das kleinere Übel gewesen. Er etabliert sich leider als Dauerlösung.

            • Stefan Sasse 26. Oktober 2021, 18:31

              Klar, gibt ja auch keine Bereitschaft ihn zu reformieren, weil man damit das Scheitern der eigenen Ideologie eingestehen müsste.

              • Jens Happel 27. Oktober 2021, 09:37

                Ich denke, dass Problem ist eher, dass es für danach keine Lösung gibt, die den Akteuren, das politische Überleben garantiert.

                Es müssten überall Dogmen fallen. So müßte Deutschland einsehen, dass eine gemeinsame Währung in einem so heterogenen Wirtschaftsraum nur funktioniert, wenn es erhebliche Ausgleichszahlungen gibt. Und der Süden müßte einsehen, dass sie extreme Anstregungen unternehmen müßten um ihre Produktivität zu erhöhen. Letzteres geht kurzfristig nur über Gehaltseinbußen.

                Beides ist kaum Mehrheitsfähig. Und wenn die EZB das einfach „löst“ durch Geld drucken, ist das erst mal bequem. Und es funktioniert ja erst mal so so.

                Ist ungefähr so wie die Antwort des Mannes der vom Hochaus fällt und auf Nachfrage wie es ihm geht antwortet. „Gut, ich bin erst beim 5 Stock!“

      • Ant_ 25. Oktober 2021, 13:18

        Leute, das Schuldenlimit ist ansteigende Inflation, die dann durch Steuererhöhungen gedämpft wird. Die ganze Nummer ist echt nicht suuuper kompliziert aber kann ich nicht ist halt doch der kleiner Bruder von will ich nicht

        • schejtan 25. Oktober 2021, 13:53

          Zumal es auch nicht um Schulden im Sinne von „Staat leiht sich Geld und zahlt es mit Zinsen zurueck“ geht, sondern um eine direkte Finanzierung durch die Notenbank.

        • Thorsten Haupts 25. Oktober 2021, 15:23

          Genau :-). Unbegrenzte Schulden? Null problemo, das regeln Steuern und Inflation. Hatten wir schon ma, endete in Stagflation (die eigentliche Ursache des „Neoliberalismus“).

          Gruss,
          Thorsten Haupts

        • Lemmy Caution 26. Oktober 2021, 19:54

          Inflation beinhaltet eine implizite Steuer, die sozial übrigens sehr regressiv ist. Bei Ländern mit hoher Inflation macht diese Steuer einen Großteil der Einnahmen aus.
          In Argentinien wird für dieses Jahr mit einer Inflation von über 50%, obwohl politisch stark dämpfend auf viele Preise eingewirkt wird. Das funktioniert aber nur für eine gewisse Zeit.

    • Jens Happel 26. Oktober 2021, 17:20

      Zu verschweigen, dass die Schuldenbremse eingeführt wurde, als die Schuldenzinsen bei 6% plus lagen,

      Die Schuldenbremse fällt in die Zeit des Euro.

      Mit der Schuldenbremse ist es wie mit der Klimapolitik. Beides funktioniert im Ganzen, also nur in ganz Europa bei der Schuldenbremse und global bei der Klimapolitik.

      In einer Währungsunion einer der wenigen Darlehnsgeber zu sein und alle anderen machen Schulden ist keine gute Idee.

      Denn die Schuldner kaufen für ihre Schulden Waren und Wertanlagen. Der Schuldner wird den größten Teil des Geld , z.B. aus Griechenland und auch bei anderen Ländern nicht zurück bekommen oder zumindest nicht in Zeiträumen die ein Menschenleben dauern.

      Die anderen haben haben aber immer noch die Waren und Wertanlagen. Diese sind bei den südeuropäischen Bürgern, die Schulden bei den südeuropäischen Staaten.

      Der deutsche Staat hat nur wertlose Zahlungsversprechungen. Target 2.

      Und die Schuldenbremse hat nicht die 6% Zinsen auf Staatsanleihen gedrückt. Das war die Schuldenorgie im Süden der EU. Damit diese nicht pleite gehen, hat die EZB den Geldhahn aufgedreht, indem sie die Leitzinsen senkte.

      Du siehts in dieser paradoxen Welt haben die Schulden der Südländer die Zinsen in der ganzen EU gesenkt.

      Ich bin kein Freund der Schuldenbremse, aber zu sagen Schulden sind egal, ist auch nicht richtig.

      Richtig bekloppt war es die letzten Jahre als Deutschland zwar einen sogar positiven Haushalt hatte, aber dafür die Infrastruktur vergammelte. Von der Bildung will ich gar nicht erst anfangen und dass die Flüchtlinge von 2015 zum größten Teil immer noch in Hartz4 sitzen, ist definitiv auch am falschen Ende gespaart, da hätte es eine echte Bildungs- und Weiterbildungsoffensive geben müssen.

      Die Zinsen haben sich meiner Mainung nach noch nie nach Angebot und Nachfrage gerichtet, sondern immer nur nach der Notenbankpolitik. Das fiel früher nur nicht so auf.

      • R.A. 26. Oktober 2021, 17:33

        “ als Deutschland zwar einen sogar positiven Haushalt hatte, aber dafür die Infrastruktur vergammelte.“
        Das Eine hat mit dem Anderen fast nichts zu tun. Die Infrastruktur vergammelt sein vielen Jahren und hatte auch in den Jahren mit fröhlicher Neuverschuldung keine Priorität.
        Auch von den Ausgabensteigerungen der letzten Jahre ist nichts bei der Infrastruktur gelandet – das wäre auch nicht der Fall, wenn es X Milliarden mehr durch zusätzliche Schulden gäbe.

        „da hätte es eine echte Bildungs- und Weiterbildungsoffensive geben müssen.“
        Das ist kein Finanzierungsproblem.
        Einerseits haben wir auch hier das typische Regierungsversagen in Berlin. Die haben 2015 zwar wohlwollend zugeschaut, wie Massen ins Land kamen und von Ländern, Kommunen und Freiwilligen versorgt wurden. Aber die Ministerien haben im wesentlichen „business as usual“ gemacht und sich nur am Rande mal Gedanken gemacht, daß Innen-, Bildungs-, Arbeits-, Wohnungsbau-, Wirtschafts-, Justiz-, Familien- und Gesundheits-Ministerium tun müßten um die neue Lage besser zu bewältigen.
        Andererseits gibt es gar nicht genug potentielles Personal für so eine groß angelegte „Bildungsoffensive“. Es ist ja schon ziemlich jede pensionierte Grundschullehrerin aus der Reserve gekratzt worden um Deutschkurse etc. zu halten.

  • Erwin Gabriel 25. Oktober 2021, 09:22

    @ Stefan Sasse

    Wie so oft führst Du, selbst nicht frei von Ideologie, die falsche Debatte. Ich kann mich an kein größeres Investitionsprojekt erinnern – und damit meine ich nicht nur Bauwerke, sondern auch allgemeine Themen wie Altenpflege, Bildung, Digitalisierung, Aufbau Ost (erforderlich und politisch gewollt), Aufbau West (ebenfalls erforderlich, aber politisch nicht nicht gewollt), die an zu wenig Geld scheiterte; stets waren es Ideologie, Bürokratie, Unfähigkeit und/oder Proteste aus der Bevölkerung.

    Der Kampf gegen die Schuldenbremse ist nur ein Kampf für mehr Sozialstaat und überbordende Bürokratie.

    • Stefan Sasse 25. Oktober 2021, 12:53

      Ich gestehe sofort zu, dass ich meine eigene Sicht auf die Dinge habe. NIEMAND ist ideologiefrei. Nur die Befürworter*innen der Schuldenbremse tun so, als ob sie es wären.

      Diese Ziele erreicht sie aber nicht.

      • Erwin Gabriel 25. Oktober 2021, 13:55

        @ Stefan Sasse 25. Oktober 2021, 12:53

        NIEMAND ist ideologiefrei.

        Du hast geschrieben, als wärst Du es.

        Dennoch: Ich habe keine grundsätzliche Ideologie zum Thema Schulden; ich weiß, ohne geht es nicht, und habe genug Themen im Kopf, die Schulden erfordern. Aber mir ist auch klar, was die Regierungen mit dem Geld treiben, dass sie in die Hand bekommen. Ich habe eine „Ideologie“, wenn Du meine Bedenken so nennen magst, gegen überbordende Schulden, die dem Konsum dienen, nur weil die Regierenden sich nicht trauen, erforderliche Maßnahmen umzusetzen. Bedenken gegen überbordende Schulden, die von den einzelnen Parteien initiiert werden, um die Wählerstimmen für die nächste Wahl zusammenzukaufen. Bedenken gegen Schulden für einen überbordenden Sozialstaat, der mehr Begehrlichkeiten weckt, als Probleme zu lösen. bedenken gegen überbordende Schulden, die uns selbst in guten Zeiten an die Grenzen der Belastbarkeit bringen, und die uns in schlechten Zeiten kaputt machen können. Bedenken gegen überbordende Schulden, mit denen wir uns jetzt einen Lebensstandard leisten wollen, den unsere Nachkommen bezahlen müssen.

        Und alles immer wieder nach dem Motto, dass man das Klima, die armen, die Wirtschaft oder sonst wen „retten“ will.

        Es gibt so unendlich viel Geld, dass dem Staat zufließt, und so wenig, was man daraus macht. und die Konsequenz ist stets, noch mehr Geld zu verlangen. Wenn ich ein Lock im Tank habe, aus dem der Sprit läuft, kann ich das Loch flicken, oder ich gehe öfter Tanken. Du forderst, von ein paar Lippenbekenntnissen abgesehen, stets den zweiten Weg.

        Nur die Befürworter*innen der Schuldenbremse tun so, als ob sie es wären.

        Es gibt ideologisch geprägte Befürworter und Ablehner der Schuldenbremse, da stimme ich Dir zu. Es gibt auch andere. Aber was immer von meiner Seite zu geschrieben wird, wird von Dir als Ideologie abgetan, ohne dass Du konkret auf meine Punkte eingehst. Von uns beiden bist Du der Ideologe, nicht ich.

        • Stefan Sasse 25. Oktober 2021, 14:21

          Tut mir Leid, wenn der Eindruck entstanden ist, aber ich habe hier wirklich schon oft genug geschrieben, dass ich niemanden für ideologiefrei halte, auch mich selbst nicht.

          Nein, würde ich nicht so nennen bei dir. Ideologie ist schon härter.

    • Kning4711 25. Oktober 2021, 13:20

      Die Frage ist aber dann, ob es nicht bessere Mechanismen gäbe ein ähnliches Ziel zu erreichen, ohne den ausgeglichenen Haushalt sakrosankt ins Grundgesetz zu schreiben. Zumal große Krisen analog Corona, Finanzkrise 2009 oder Flüchtlingskrise ohnehin ganz andere Wirkmechanismen erfordern, sprich an der Schuldengrenze „vorbei“ implementiert werden, während die Schuldenbreme verheerende Wirkung entfalten kann, wenn auf Ihr basierend die falschen Entscheidungen getroffen werden. Italien ist bspw. dem internationalen Druck seit 2009 gefolgt und hatte Einsparungen am Gesundheitswesen vorgenommen, nur um die Vorgaben zum Staatshaushaltssaldo schneller zu erfüllen, die sich in der Corona Pandemie bitterlichst gerecht haben.

      Was aktuell aufgeführt wird, ist das Festhalten an der Kurzsichtigkeit. Der schwarzen Null wegen, sparen wir im Erhalt unserer Infrastruktur, lassen staatliche Behörden bis an die Grenze der HAndlungsunfähigkeit verkommen, nehmen im Kauf, dass die Bekämpfung der Pflegekrise oder Klimakrise anhand der kurzfristigen Kassenlage ausgerichtet wird. Die viel höheren Folgekosten werden ausgeblendet und werden im Umkehrschluss zur Belastung der folgenden Generationen. Politik nach aktueller Kassenlage – kann man machen, ist aber nie nachhaltig und führt zunehmend zu einer prozyklischen Fiskalpolitik.

      Insofern wäre es viel wirkungsvoller statt kleinlicher Geschenke vielmehr zu definieren, wo dringend Geld gebraucht wird und dann zusehen, wie diese Mittel aufgetrieben werden können. Kann ja durchaus sein, dass wir bestehende Mittelverwendung in Frage stellen und ändern müssen. Je, nach Investition, kann es auch heißen, ja das Geld wird geliehen. Wenn das gut angelegt ist, kommt es ja früher oder später zurück. Und dann sinken die Schulden viel nachhaltiger.

      • Stefan Pietsch 25. Oktober 2021, 13:30

        Der ausgeglichene Haushalt ist nicht sankrosankt.

        Italien, Japan, Griechenland, Belgien und noch einige andere Länder stecken in Schuldenspiralen fest. Seit Jahrzehnten leiden sie unter Wachstumsschwäche.

        Italiens Schulden sind nicht tragfähig. Das weiß jeder. Die Lösung des Problems wird in Italien und auf EU-Ebene nur in Alternativen gesehen, in denen das Wort „Italiener“ nicht vorkommt.

        Der schwarzen Null wegen, sparen wir im Erhalt unserer Infrastruktur

        Wegen der lockeren Sozialpolitik sparen wir am Erhalt unserer Infrastruktur. Seit 2010 sind über 50 Milliarden Euro zusätzlich allein in die Rentenkasse gewandert, aber nur 3 Milliarden Euro in den Straßenbau. Und Sie meinen, die geringen Infrastrukturausgaben seien das Problem…

      • Erwin Gabriel 25. Oktober 2021, 15:06

        @ Kning4711 25. Oktober 2021, 13:20

        Die Frage ist aber dann, ob es nicht bessere Mechanismen gäbe ein ähnliches Ziel zu erreichen, ohne den ausgeglichenen Haushalt sakrosankt ins Grundgesetz zu schreiben.

        Wer tut das? Grundgesetz § 109 Abs. 3 sagt u.a.:
        „Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Bund und Länder können Regelungen zur im Auf- und Abschwung symmetrischen Berücksichtigung der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung sowie eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, vorsehen. Für die Ausnahmeregelung ist eine entsprechende Tilgungsregelung vorzusehen. Die nähere Ausgestaltung regelt für den Haushalt des Bundes Artikel 115 mit der Maßgabe, dass Satz 1 entsprochen ist, wenn die Einnahmen aus Krediten 0,35 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt nicht überschreiten.“

        Für 2020 betrug das Bruttoinlandsprodukt trotz Corona etwas über 3.350 Mrd. Euro. Eine neue Staatsverschuldung von knapp 12 Mrd. Euro wäre also trotz Schuldenbremse zulässig. Zum Vergleich: Die Einnahmen betrugen 2020 etwas über 311 Mrd. Euro.

        Für Krisen kann diese Schulden“bremse“ außer Kraft gesetzt werden, soweit man für die zusätzliche Schuldenaufnahme (2020: über 130 Mrd. Euro) einen soliden Tilgungsplan aufsetzt (das ist der einzig sakrosankte Teil). Die Schulden sind gemacht, einen belastbaren Tilgungsplan gibt es aber nicht.

        Zumal große Krisen analog Corona, Finanzkrise 2009 oder Flüchtlingskrise ohnehin ganz andere Wirkmechanismen erfordern, sprich an der Schuldengrenze „vorbei“ implementiert werden, …

        … in dieser Diskussion also keine Rolle zu spielen brauchen.

        während die Schuldenbreme verheerende Wirkung entfalten kann, wenn auf Ihr basierend die falschen Entscheidungen getroffen werden.

        Ja, falsche Entscheidungen (worauf immer sie basieren) können verheerende Folgen haben. Und im Regen wird man nass.

        Italien ist bspw. dem internationalen Druck seit 2009 gefolgt und hatte Einsparungen am Gesundheitswesen vorgenommen, nur um die Vorgaben zum Staatshaushaltssaldo schneller zu erfüllen, die sich in der Corona Pandemie bitterlichst gerecht haben.

        Für diese Schlussfolgerung, dass die Corona-Toten nicht die Folge eines grundsätzlich anderen Gesundheitswesens sind, sondern direkt auf den Einsparungen beruhen, hätte ich gerne einen Beleg.

        Der schwarzen Null wegen sparen wir im Erhalt unserer Infrastruktur, lassen staatliche Behörden bis an die Grenze der Handlungsunfähigkeit verkommen, nehmen im Kauf, dass die Bekämpfung der Pflegekrise oder Klimakrise anhand der kurzfristigen Kassenlage ausgerichtet wird. Die viel höheren Folgekosten werden ausgeblendet und werden im Umkehrschluss zur Belastung der folgenden Generationen. Politik nach aktueller Kassenlage – kann man machen, ist aber nie nachhaltig und führt zunehmend zu einer prozyklischen Fiskalpolitik.

        Vollkommen falsche Sicht. Schau Dir mal hier die Entwicklung der Einnahmen des Bundes seit 1969 an. Du kannst hier sehen, in welch großen Sprüngen der Staat Jahr für Jahr mehr Geld zur Verfügung hat. Es waren rein politische Entscheidungen, die Investitionen z.B. für den Ausbau von Verkehrswegen über Jahrzehnte konstant zu halten.

        Seit Helmut Kohls Zeiten lagen z.B. die Aufwendungen für den Erhalt von Fernstraßen und Brücken bei 5,35 Mrd. Euro. Erst Verkehrsminister Alexander Dobrint hat in Erkenntnis des maroden Zustands unserer Verkehrswege diese Summe deutlich hochgetrieben – mit dem Ergebnis, dass die meisten Bundesländer aus Mangel an Planungskapazitäten (eine Folge der Stagnation der Verkehrsausgaben) anfangs nicht in der Lage waren, die Gelder in Projekte umzuwandeln.

        Aber nun zur Preisfrage: Wo ging dann das ganze Geld hin? Kleiner Tipp: Um 1970 herum betrug der Anteil der Sozialausgaben spürbar unter 100 Mio. DM. Heute sind es über 160 Mrd. Euro.

        Es waren politische Entscheidungen der jeweiligen Regierungen, die anstehenden Aufgaben zu vernachlässigen, um den Sozialstaat aufzublähen. Es war keine Frage des Geldes, sondern der Prioritäten. Dass es Menschen gibt, die diese Entwicklung mit Sorge betrachten, sollte angesichts der Zahlen durchaus nachvollziehbar sein. Diese Leute zu Ideologen zu erklären, hat wohl eher mit fehlenden Argumenten als mit der Realität zu tun.

        • CitizenK 25. Oktober 2021, 19:19

          „um den Sozialstaat aufzublähen“

          An dieser Stelle hätte ich immer gern eine Liste, wo genau die Luft rausgelassen werden soll.

          • Stefan Pietsch 25. Oktober 2021, 19:27

            Überall dort, wo sie reingepumpt wurde.

            Das ist das Bemerkenswerte: diejenigen, die immer die fehlenden Mittel für Investitionen beklagen, sind jene, die sämtliche sozialpolitischen Maßnahmen immer für richtig und notwendig erachteten. Es geht aber um Priorisierung. Wir lernen schon als Kinder, dass man nicht alles haben kann, sondern sich entscheiden muss. Entscheiden, was einem wichtiger ist. Die meisten Staaten dieser Welt leisten sich viel weniger Soziales und mehr Investitionen.

            So basiert in Deutschland die Altersvorsorge weit überproportional auf staatlichen Transferleistungen. Die Folge ist, dass die Deutschen über weniger Vermögen verfügen und ihre Altersbezüge niedriger sind. Dafür aber haben die Menschen die Sicherheit, dass das Geld vom Staat zuverlässig aufs Konto kommt. Man kann nicht alles im Leben haben.

            Aber wenn es um den Staat geht, werden viele Linke wieder zu Prepubertierende.

            • Stefan Sasse 26. Oktober 2021, 07:47

              Könntest du bitte einfach mal diese ständigen Beleidigungen aus deinen Beiträgen lassen und beim Argument bleiben?

              • Stefan Pietsch 26. Oktober 2021, 09:11

                CitizenK stellt an solchen Stellen die immer gleichen Fragen. Er bekommt jedesmal eine Antwort. Das Problem: sie gefällt ihm nicht. Dann zieht er von dannen und stellt sie bei anderer Gelegenheit neu. Wo kann man sich ein solches Verhalten leisten? Mir fallen da nicht viele Bereiche ein, sie haben aber mit Unreife zu tun.

                Meine Vorstellung ist, die Dinge auszudiskutieren. Dann kenn man die Gegenargumente. Will man den Faden wieder aufnehmen, antizipiert man die ausgetauschten Begründungen und fängt bitte, bitte nicht immer bei Null ein, weil einem sonst nichts einfällt.

                Schon vor Jahren erhielt CitizenK bei der gleichen Frage von mir die Antwort, wir hätten die seit 2010 entstandenen Überschüsse sehr einseitig in die Rente gekippt. Dazu hatte ich die genauen Zahlen und Quellen geliefert. Das war eine Entscheidung. CitizenK antwortete, dass er Mütterrente, Rente mit 63, Ausweitung der Pflegeleistungen und in der Krankenversicherung sämtlich für richtig halte. Aber jetzt fehle halt noch das Geld für Investitionen.

                Vor dem Rechner greife ich mir da an den Kopf. CitizenK sagt, er will nicht priorisieren, er will alles. Leute wie Erwin und ich sagen, auch der Staat muss priorisieren, wie überall im Leben. Dann ist das Geld halt weg. Dann endet die Debatte regelmäßig und lässt zumindest mich mit einem Gefühl der Unzufriedenheit zurück, denn ich finde das nicht erwachsen.

                • Stefan Sasse 26. Oktober 2021, 09:59

                  Ja, ich denke da haben wir den grundsätzlichen Dissens. 🙂

                • CitizenK 26. Oktober 2021, 11:09

                  Dass „man“ priorisieren muss, ist ja nicht gerade eine neue Erkenntnis. Die Frage stellt sich mir jeden Tag.

                  Ist es erwachsen, auf eine konkrete Frage nicht zu antworten? Immer die gleichen Klagen ohne jemals einen Vorschlag.
                  Wenn Lindner Sie Ihre Vorschläge erfragen würde, wo er reinschneiden soll: Was würden Sie ihm sagen?
                  Die Leute in den Stabsstellen können sich auch nicht rausreden mit „mach ich nicht, ist nicht erwachsen“.

                  Mütterrente kann nicht weg, schrieben Sie hier vor Kurzem. Rentenzuschuss kurzfristig auch nicht. Also?
                  Wohnbauförderung? Peanuts.
                  BaföG? Sowieso zu niedrig, sagen die Experten. Bildung ist Rohstoff.
                  ALG II: Muss ohnehin reformiert werden.
                  Weiter?

                  • Stefan Pietsch 26. Oktober 2021, 11:42

                    Wenn man eine Antwort für nicht ausreichend hält, kann man das sagen. Man kann darum bitten, sie spezifizieren. Oder zur Transparenz Beispiele anführen. Was nicht geht: sich verziehen und danach zur Wiedervorlage: Was noch nicht beantwortet wurde.

                    Ich nehme für jede an mich gerichtete Frage Zeit und ich bin sicher am genausten. Ich fühle mich durch so ein Verhalten veralbert. Ist das geklärt?

                    Zuvorderst ist also festzustellen, dass auch Sie den Ausbau des Sozialen Vorrang einräum(t)en. Warum dann die permanente Klage? Oder haben Sie die Dinge falsch betrachtet?

                    Erste Frage: ist der Bedarf unmittelbar? Kaum, denn dann fehlt die Begründung für die nicht abgerufenen Mittel im zweistelligen Milliardenbereich. Der Investitionsbedarf ist als vor allem politisch indiziert und durch eine unfähige Verwaltung hervorgerufen.

                    Folglich muss erst die Verwaltung verbessert werden, bevor neue Finanzmittel in Milliardenumfang fließen können. In den vergangenen 18 Monaten hat der Staat dreimal gezeigt, dass er nicht in der Lage ist, schnell die Verteilung zusätzlicher Mittel adäquat zu organisieren und zu monitoren. Dort liegt also das ad hoc-Problem.

                    Zweite Frage: wie hoch ist der Bedarf?
                    Darüber streiten die Gelehrten und es ist vor allem auch eine politische Frage. Wer den Idealzustand in allen Bereichen zum Maßstab erhebt, kommt auf ganz andere Summen als derjenige, der sagt, man könne in manchem auch mit Low Budget haushalten.

                    Dritte Frage: Gibt es alternative Finanzierungsformen, beispielsweise der Verlagerung von bisher staatlichen Aufgaben auf Private? Auch das ist vor allem Politisch. Aber aus all dem lässt sich nicht ableiten, es bestände jetzt ein dringender öffentlicher Finanzierungsbedarf.

                    Vierte Frage: Wie gehen wir mit den zusätzlichen Einnahmen der kommenden 10 Jahre um? Erfahrungsgemäß liegt hier ein Potential im höheren dreistelligen Milliardenbereich. Wird weiter linear auf die Haushaltsposten verteilt oder wird priorisiert? Sagen Sie’s, das können Sie.

                    Fünfte Frage: Was sind die größten Haushaltsposten? Z.B. der Rentenetat. Die Ausgaben steigen überproportional, aber nicht durch Leistungsgesetze, sondern eine Selbstverpflichtung des Bundes, das Delta in der Rentenversicherung auszugleichen. Es wäre denkbar, die Zuzahlung stabil zu halten oder nur noch linear zu erhöhen. Das führt aufgrund der schnell voranschreitenden Alterung zu steigenden Sozialversicherungsbeiträgen, sinkenden Renten für Neu- als auch Bestandsrenten oder Druck auf die Erhöhung des Renteneintrittsalters.

                    Ein überproportionaler Ausgabeposten sind die Verwaltungskosten im SGB II, meiner Erinnerung nach über 25 Milliarden Euro. Die Verwaltung der Langzeitarbeitslosen ist weitgehend wirkungslos, mithin die Ausgaben zu hoch. Hier lautet die Alternative: entweder weniger Betreuung oder mehr Erfolge bei der (dauerhaften) Vermittlung.

                    Das EU-Budget wird neu verhandelt. Im Raum steht ein bis zu zweistellig höherer Betrag für Deutschland. Eine einfache Frage: wenn wir in Deutschland mehr Aufgaben der EU übernehmen wollen wie beim Klimaschutz, dann können wir nicht gleichzeitig Mehrausgaben dafür an Brüssel leisten. Oder umgekehrt.

                    Das mag Ihnen alles als Alternativen zusagen. Doch das ist etwas völlig anderes als was Sie behaupten, es gäbe keine Spielräume und nicht genügend Mittel. Ihnen gefallen nur nicht die Möglichkeiten, und das ist eine politische Wertung.

                    Dann behandeln Sie sie bitte zukünftig so und erzählen nicht, man habe ja alles ausgereizt.

                    • CitizenK 26. Oktober 2021, 18:37

                      Ich hatte auf Erwin G. geantwortet. Möglicherweise hatte ich ihn missverstanden – siehe meine Replik dort.

                      Zum Punkt „unfähige/verbesserungsbedürftige Verwaltung“.

                      Dass Mittel nicht abgerufen werden können (im Bau- und Bildungsbereich) liegt auch an den Einsparungen der vergangenen Jahre. Dass zu viel (und oft schlecht) verwaltet wird, liegt auch an der „Flickschusterei“, wie Stefan Sasse das nennt. Wenn die neue Regierung da eine Schneise in den Dschungel schlagen könnte, wäre schon einiges gewonnen. Wir werden sehen.

                      Verbesserung der Verwaltung ist leichter gesagt als getan. Aber wer grundsätzlich alles Staatliche schlecht redet, wird es nicht erreichen. Kliniken, Pflege und Wohnen sind ja schon weitgehend privatisiert. Die Ergebnisse sind nicht überzeugend.

                    • Stefan Sasse 27. Oktober 2021, 07:42

                      Ist auch meine Kritik. Dass es da großes Verbesserungspotenzial gibt steht außer Frage, aber gerade CDU und FDP wollen ja gar keine Verbesserung. Eine effektive Finanzverwaltung etwa ist ja der Abtraum dieser Parteien.

          • Erwin Gabriel 25. Oktober 2021, 19:54

            @ CitizenK 25. Oktober 2021, 19:19

            An dieser Stelle hätte ich immer gern eine Liste, wo genau die Luft rausgelassen werden soll.

            Es geht meiner Meinung nach nicht darum, einzelne Maßnahmen zu bewerten, weil eine Veränderung einzelner Maßnahmen nicht reicht, um systemische Schwächen zu beheben. Es müsste doch möglich sein, eine grundsätzliche Debatte darüber zu führen, was der Sozialstatt leisten soll und was nicht. Es gibt stets oberflächlich-schwammige Schönsprech-Begrifflichkeiten („den Menschen helfen“), aber das ist kein konkretes Ziel. Und es gibt die Einzelmaßnahmen. Dazwischen klafft eine Lücke.

            Ein wenig wie die Diskussion zur EU: Ganz oben wolkiger Idealismus, unten kleinliche Vorschriften, und der wichtige Block dazwischen fehlt.

            • Stefan Sasse 26. Oktober 2021, 07:49

              Es müsste auch möglich sein, eine Debatte darüber zu führen, was der Markt leisten soll und was nicht. Scheint aber auch nicht zu gehen. Warum auch? Abseits einer Krise gibt es wenig Grund, solche Grundsatzdebatten zu führen, weil wer sie aufbringt vor allem eines schafft: Feinde für sich selbst.

              • Stefan Pietsch 26. Oktober 2021, 08:54

                Tun zumindest Erwin und ich oft. Sogar klare theoretische Abgrenzungen. Eigentlich kann man das nicht überlesen.

                Solche Abgrenzungen fehlen auf der Linken, zumindest soweit es um Wolkenbeschreibungen wie „Sage ja nicht, dass der Staat immer besser ist“, hinausgeht. Und da hat Erwin Recht, das ist ermüdend.

                Immer die gleiche Frage, wo soll denn gekürzt werden (sagt jemand was von Kürzungen?), und beim Hinweis auf die enormen Steigerungen seit 2010 einfach wieder verschwinden bis zur Wiedervorlage.

                Man bekommt nicht, wenn man zehnmal die gleiche Frage stellt, irgendwann die für einen passende Antwort. Das passiert vielleicht in Hollywoodfilmen. Und dann reicht es einem auch mal.

                • Thorsten Haupts 26. Oktober 2021, 23:18

                  Das ist auch mein Problem in Diskussionen mit Linken: „Aber wir sind doch gar nicht für unbegrenzte Masseneinwanderung“ – „Okay, wo würdet Ihr die Grenze ziehen und welche Massnahmen würdet Ihr ergreifen, um sie bei Überschreitung dieser Grenze zu unterbinden?“ – Wortreiches Gestammel ohne konmkrete Antwort. Ausnahmslos.

                  Ich habe das bei einigen Themen (Bsp.: Abgrenzung Staat/Markt, Höhe von Steuern, Flucht/Migration, Europa) in vielen Jahren niemals anders erlebt. Meine Conclusio ist mittlerweile ganz einfach – das diskutierte Eingangsstatement ist eine opportune politische Lüge.

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

                  • Stefan Pietsch 26. Oktober 2021, 23:55

                    Genau das habe ich heute auch mal gedacht. Die Rücksicht beispielsweise auf den Markt ist pure Semantik. Das Verdikt lautet immer: ohne Staat geht es nicht. Nirgends.

                    Es macht es schwierig, Unterschiede herauszuarbeiten und genau daran diskutieren zu können.

                    Die Debatte, „Wo ist das Geld für Investitionen?“ läuft nach dem Schema. Die zusätzlichen sozialpolitischen Maßnahmen wie Mütterrente und Rente mit 63, nicht zu vergessen die Grundrente, waren allesamt natürlich richtig. Aber jetzt hilft kein Klagen, jetzt brauchen wir Geld für Investitionen, die wir alle natürlich auch für richtig halten. Oder etwa nicht?!

                    Meine Frau ist Erzieherin. Eine extrem Gute übrigens, sie hat eine natürliche Begabung, dass Kinder sich von ihr angezogen fühlen. Manche Eltern sind schon eifersüchtig geworden. Jedenfalls, Kinder probieren aus, wie sie mit Erwachsenen spielen können. Ich will dies, ich will das. Essenszeit. Habe keinen Hunger. Bin fertig. Okay. Nachdem alles abgeräumt ist, wird es sich anders überlegt. Nein, Du warst fertig.

                    Heutige Eltern reagieren da wie balzende Liebhaber und versuchen ihren 3jährigen jeden Wunsch zu erfüllen und jede Wendung mitzumachen. Dass sie sich damit zum Affen machen, ist ihnen nicht bewusst. Das Kind jedenfalls wird nicht erzogen.

                    Die Staatsgläubigen verhalten sich in Bezug auf ihr Lieblingsobjekt genauso: Irgendwie scheinen sie nicht einzuplanen, dass wenn man heute 20 Milliarden für eine sinnbefreite Mütterrente ausgibt, nicht morgen diese 20 Milliarden zur Verfügung hat um neue Straßen zu bauen. Daraus wird dann eine Dringlichkeit konstruiert – wir brauchen doch jetzt die Investitionen, dabei haben wir doch gerade vor 4 Jahren anders entschieden.

                    Kinder. Siehe oben.

                  • Stefan Sasse 27. Oktober 2021, 07:49

                    Ist, denke ich, ein fairer Vorwurf.

          • Erwin Gabriel 25. Oktober 2021, 20:23

            @ CitizenK 25. Oktober 2021, 19:19

            An dieser Stelle hätte ich immer gern eine Liste, wo genau die Luft rausgelassen werden soll.

            PS: Und alle meine weiteren Zahlen und Argumente interessieren Dich offenbar nicht …

            Du solltest an den Zahlen erkennen können, wie krank das System ist. Aber auch Du gehört offenbar zu den Leuten, die das Loch im Tank bekämpfen, die bestenfalls zur günstigeren markenfreien Tankstelle fahren, statt das Loch zu flicken.

            Das ist der Punkt, wo die Diskussion mit Dir für mich stets frustrierend ist.

            • Stefan Sasse 26. Oktober 2021, 07:51

              Ich glaube, das lässt sich gar nicht vermeiden. Das System ist einem kontinuierlichen Zustand der Flickschusterei und wird das vermutlich immer sein. Die Rhetorik von „Sozialstaat zukunftsfest machen“ scheint mir Illusion.

              • Erwin Gabriel 26. Oktober 2021, 13:18

                @ Stefan Sasse 26. Oktober 2021, 07:51

                Wenn ich bei jeder Diskussion die „“Gehe zurück auf Los“-Karte in die Hand gedrückt bekomme, wird das Mitspielen ermüdend. Natürlich werden wir hier in dieser Runde das Problem des Sozialstaats nicht derart lösen können, dass Herr Scholz vorbei kommt und sich bedankt. Aber wenn wir hier Werte-basierte Diskussionen führen, sollte nicht die eine Seite jedes mal ausbüchsen, wenn gegnerische Argumente und Fakten kommen.

            • CitizenK 26. Oktober 2021, 18:04

              Die Loch-im-Tank-Metapher führt doch auch nicht weiter. Ich hatte Dich so verstanden, dass die Ausgaben im Sozialbereich gekürzt werden sollen. War das ein Missverständnis? Dann hätten wir eine andere Diskussion.

              Eine Grundsatzdiskussion, wie Du und StefanP sie fordern, wäre sicher eine gute Sache. Aber die neue Regierung kann darauf nicht warten. Wenn Mittel gestrichen werden sollen, möchte ich wissen, wo. Die Umstellung auf die Global-Lösung „Bürgergeld/Negative Einkommensteuer“ ist in 4 Jahren nicht zu schaffen. Wenn sie überhaupt politisch machbar ist.

              Der größte Posten, die Rente. Bis sich eine mögliche Fonds-Lösung auswirkt, vergeht viel Zeit. Die aktuell zu bedienenden Stellschrauben sind bekannt. An welchen soll gedreht werden?
              Das war meine Frage. Darüber können wir dann streiten – mit Argumenten, nicht mit Metaphern.

              • Erwin Gabriel 27. Oktober 2021, 19:16

                @ CitizenK 26. Oktober 2021, 18:04

                Die Loch-im-Tank-Metapher führt doch auch nicht weiter.

                Diese Metapher ist die Beschreibung der Realität.
                Hätte ich auch gerne anders.

                Ich hatte Dich so verstanden, dass die Ausgaben im Sozialbereich gekürzt werden sollen.

                Du willst das Problem nicht verstehen. Wir geben – als eines der reichsten Länder der Welt, mit einer der höchsten Steuereinnahmen der Welt, mit einem der höchsten Lebensstandards der Welt – ein Wahnsinnsgeld für Soziales aus. Schau Dir doch mal diese Entwicklung an: eine förmliche Ausgaben-Explosion. Du kannst offenbar gut damit leben, ich tue mich da schwer mit.

                Wir haben im vergangenen Jahr pro Bürger*in im Schnitt etwa 1.131,26 Euro ausgeben – unabhängig vom Alter, unabhängig vom Verdienst. Ich halte das für brutal viel. Was Du von mir verlangst, sind Vorschläge, diesen Betrag auf 1.131,17 oder auf 1.129,87 Euro zu bringen, was die Situation nicht ansatzweise ändert.

                Denn Deine Prämisse ist nie: „Wie geht der Staat mit dem Geld um“, sondern (überspitzt formuliert) „ich habe noch jemanden gefunden, der etwas brauchen könnte“.

                Nicht bös sein, da macht eine Diskussion einfach keinen Sinn.

  • R.A. 25. Oktober 2021, 09:38

    Es ist mir unverständlich wie ein intelligenter Mensch daran glauben kann, ein Staat könne sich dauerhaft durch immer stärkere Verschuldung finanzieren. Die linken Gegner der Schuldenbremse blenden konsequent aus, daß Schulden auch zurückbezahlt werden müssen und daß mit einer jährlich steigenden Schuldenlast der Staat immer weniger handlungsfähig wird.

    Die Schuldenbremse ist nicht gescheitert. Jedenfalls nicht in der realen Anwendung.
    Sondern sie hat keine politische Mehrheit mehr – weil die CDU Harakiri begeht und die AfD einen Teil der Wählerschaft politisch neutralisiert. Das sagt aber nichts über Sinn oder Unsinn der Maßnahme aus.

    Daß die Schuldenbremse kein Hindernis in Krisensituationen ist hat sich jetzt bei Corona gezeigt.
    Im normalen Haushalt ist Verschuldung definitiv nicht notwendig. Der deutsche Staat hat gigantische Einnahmen, die Bürger müssen insgesamt mehr abliefern als in jedem anderen Staat und als jemals zuvor in der Geschichte.
    Es ist wieder nur eine Frage der politischen Mehrheiten, wenn Grüne/SPD nicht bereit sind die bestehenden Ausgabeposten zugunsten neuer Ausgabeideen umzupriorisieren.

  • Kirkd 25. Oktober 2021, 10:59

    Die Schuldenbremse war der grösste Fehler, den die SPD in den grossen Koalitionen gemacht hat. Und ja, ihr konservativer ideologischer Unterbau bröckelt, ihr Rückhalt selbst im bürgerlichen Lager schwindet.

    Dennoch ist sie Verfassungsrecht. Daher halte ich das für tot erklären für kontraproduktiv. Man wird sie weichwaschen, aushöhlen und neu intepretieren müssen, keine Frage. Aber mit für tot erklären, liefert man konservativen Verfassungsrichtern genau die Munition, die sie benötigen.

    • Stefan Sasse 25. Oktober 2021, 12:54

      Ich fordere nicht, dass sie tot zu sein hat, sondern beschreibe, dass sie das ist.

      • Erwin Gabriel 25. Oktober 2021, 15:09

        @ Stefan Sasse 25. Oktober 2021, 12:54

        Ich fordere nicht, dass sie tot zu sein hat, sondern beschreibe, dass sie das ist.

        Das mag sogar stimmen. Aber dann ist es eine schlechte Entwicklung.

        • Stefan Sasse 25. Oktober 2021, 18:50

          Ja, das sehe ich ja auch so. Es ist einfach scheiße, Policy-Zielsetzungen in die Verfassung zu schreiben, vor allem dann, wenn sie Ideologie sind. Das führt dann zu so einem Unterlaufen der Verfassung, das dem ganzen GG schadet. Deshalb halte ich die gerade in Kreisen von Grün und FFF aufkommendende Forderung, das 1,5° Ziel im GG zu verankern für irrsinnig.

          • Jens Happel 26. Oktober 2021, 17:36

            Volle Zustimmung! Politik muss dem Wählerwillen unterworfen sein. Das ist auch mein größter Vorwurf gegen die Schuldenbremse im GG.

            • Stefan Sasse 26. Oktober 2021, 18:32

              Dito.

              • Thorsten Haupts 27. Oktober 2021, 15:23

                Jau. Wer fordert als erstes eine Abschaffung von 90% des Grundgesetzes (alles ausser einem Teil der ersten 20 Artikel)? Das wird ALLES der Politik entzogen – es sei denn, man kann eine 2/3 Mehrheit mobilisieren.

                Na? Gehen die Grundsatztreuen „Politik muss dem Wählerwillen unterworfen sein“ da mit?

                Gruss,
                Thorsten Haupts

                • Stefan Sasse 27. Oktober 2021, 16:09

                  Ich rede nicht von „immer“. Aber das GG regelt zu viel in meinen Augen. In alle möglichen Richtungen.

    • Thorsten Haupts 25. Oktober 2021, 15:30

      Klar bröckelt der Rückhalt (nicht unbedingt bei den wenigen Konservativen). Folge des Wechsels in der Medienberichterstattung: Schulden? Null problemo, niemand wird jemals mit Rückzahlung oder Zinsen belastet, aber wir haben JETZT gaaaanz viel Geld zum Ausgeben. Keine Nebenwirkungen, keine Rückschläge, keine Folgen, nur Unmengen an Geld.

      Wer wäre da noch für eine Schuldenbremse? Das x-te perpetuum mobile, diesmal in der Finanzpolitik.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

  • Stefan Pietsch 25. Oktober 2021, 11:32

    Bereits die Überschrift ist mindestens ungewöhnlich, zumal für einen Lehrer.

    Vor kurzem wurde ich hier traktiert, weil ich die Regelungswütigkeit des Staates in meiner Privatsphäre zurückweise. Das Hauptargument von Befürwortern wie Kritikern der Corona-bedingten Beschränkungen: Man müsse sich selbst dann an Gesetze und Regeln halten, wenn sie möglicherweise rechtswidrig seien.

    Das scheint aber in Deinen Augen nur für den Bürger zu gelten, die Politik ist frei zu tun und zu lassen, was ihr beliebt, so lange sie eine Mehrheit hat – oder auch dann, wenn nicht. Genauso sinnvoll und zutreffend ist zu sagen: die Grundrechte sind tot. Weg damit, wir brauchen sie nicht.

    Anscheinend kann man sich auf der Linken des politischen Spektrums jeden Tag die Fakten schön trinken. Wenn etwas nicht funktioniert, heißt es für Dich und die angeschlossenen Milieus: More of the Same!

    Wo in Europa sind die wachstums- und finanzstarken Ländern? Im Norden. Wer will alimentiert werden? Der Süden. Die Politik der EZB ist heute die der Staatsfinanzierung, die Jahrzehnte im Süden Europas betrieben wurde. Im Ergebnis wollte niemand so sehr den Euro wie Italiener, Spanier und Griechen. Warum?

    Im Leben und in der Ökonomie ist nichts umsonst, alles hat Folgen. Die Befürworter der Transferpolitik reden von staatlicher Souveränität und übersehen, dass die einstmals souveränen Staaten sich an ein paar Beamte im Frankfurter Bankenturm ausgeliefert haben. Sie sind allein davon abhängig, dass die Europäische Zentralbank dauerhaft die Zinsen auf dem heutigen Niveau belässt und ihre Anleihen aufkauft, denn andernfalls steht für Italien, Griechenland und möglicherweise Spanien der Staatsbankrott an. Das ist das Gegenteil von souverän. More of the Same?

    In Deutschland hat der Länderfinanzausgleich mehr Bundesländer abhängig gemacht als sie unabhängiger werden lassen. Die Metropolen London, Paris, Wien, Madrid, Rom, Stockholm, Kopenhagen, Riga ziehen wirtschaftlich nicht nur das Umland, sondern die gesamte Volkswirtschaft. Berlin ist von den Hilfszahlungen der reichen Bundesländer abhängig. More of the Same?

    Man kann vielleicht verstehen, dass in den USA der Staat nicht in der Lage ist, auf einmal großer Infrastukturvorhaben zu stemmen. Obwohl auch in Amerika der Mangel an öffentlichen Investitionen in Straßen und Gebäude eine Frage der Priorisierung ist. Denn andererseits befindet sich der gesamte Sicherheitsapparat bis hin zum Militär in einem nirgends sonst auf der Welt erreichten Top-Zustand. Aber in einem Land, wo der Staat mehr als die Hälfte des Einkommens seiner Bürger aus Löhnen und Gehältern sowie Gewinnen beansprucht, mutet die Behauptung abenteuerlich an, es wären nicht genügend Mittel für öffentliche Ausgaben vorhanden. More of the Same?

    2021 werden die Staatseinnahmen bereits wieder über dem Vorkrisenjahr 2019 liegen, dabei lebt die Volkswirtschaft noch immer mit massiven Einschränkungen. Im Ergebnis bedeutet das, der Staatsanteil am BIP wird auf einem Rekordniveau verharren. Dennoch ist mehr Geld notwendig?

    Die Grünen behaupten auch nach dem Wahlkampf, es gäbe einen zusätzlichen Ausgabebedarf von 50 Milliarden Euro jährlich. Die Zahl ist pure Ideologie. Tatsächlich rufen Bürokratie und Bürger jährlich Mittel in Höhe eines hohen zweistelligen Milliardenbetrages nicht ab. Brauchen wir wirklich noch mehr nicht abgerufene Budgets oder einfach mehr Gieskanne?

    Selbst nach dem Programm der Grünen soll der Klimaschutz von Unternehmen und Haushalten gestemmt werden. Die Idee ist lustig, dass sie dies mit weniger Kapital tun sollen, damit der Staat höhere Steuern generiert. Lustig deswegen, weil in Bezug auf die Staatsausgaben die Grünen exakt das Gegenteil erzählen: Der Staat benötige mehr Geld.

    Der Staat kann die Klimapolitik nur vermurksen, erst recht, wenn die Grünen dafür verantwortlich zeichnen. Noch bevor einer Minister geworden ist, stellen sie plötzlich fest: schon die heutigen Energiekosten überfordern viele Haushalte, von denen auch die Grünen gewählt werden wollen. Am Anfang wollen die Grünen das Gegenteil von dem machen, was sie selbst immer gepredigt haben: die Bürger mit Gutscheinen vom Staat entlasten. More of the Same?

    Wer glaubt, der Finanzminister Olaf Scholz habe die Corona-Pandemie finanzpolitisch gut gemanagt, glaubt auch, dass der Teufel eine Sauna betreibt. Sowohl in der ersten als auch in der zweiten Welle benötigte das Finanzminsterium bis zu einem halben Jahr, um die „unverzüglich“ zugesagten Hilfsgelder in die Volkswirtschaft zu pumpen. Bei den Hilfen für die Opfer der Unwetterkatastrophe im Ahrtal wiederholt sich die Geschichte. Gelder zu bewilligen, ist der einfache Teil der Geschichte. Sie sinnvoll anzubringen, der schwierigere Teil des Geschäfts.

    Offensichtlich glaubt Olaf Scholz, die meistens mittelständischen Unternehmen hätten Rücklagen ohne Ende. Tatsächlich haben sich viele durch Stundung der Umsatzsteuer und teilweise der Sozialversicherungsbeiträge über Wasser gehalten. Das sind aber Finanzierungsinstrumente, die auch in normalen Zeiten zur Verfügung stehen und die politische Leistung überschaubar ist. Ob der Finanzminister da ggf. vom Mond gekommen wäre, hätte keine Auswirkungen gehabt.

    Das Insolvenzrecht ist bis heute ausgesetzt. Überschuldete Gesellschaften müssen ihre Zahlungsunfähigkeit nicht anmelden. Da können nur Ahnungslose davon sprechen, der Staat habe die Unternehmen gerettet. Tatsächlich rechnen alle Fachleute mit einer Insolvenzwelle, wenn die InsO wieder in Kraft gesetzt wird. In den Innenstädten selbst der Metropolen lassen sich die Verwüstungen der Pandemie dennoch begutachten, Scholz‘ Hilfsgelder konnte das Filialsterben nicht aufhalten.

    Dafür wurden Unternehmen wie die Lufthansa gerettet. In Zahlen bedeutet das: Um die Kredite an den Staat zurückzahlen zu können, führte die Lufthansa im Spätsommer eine Kapitalerhöhung durch. Der Aktionär hat dabei zwei Möglichkeiten: entweder er schießt nach, ohne dass seine Anteile im Wert steigen, oder er verzichtet auf sein Bezugsrecht, mit der Folge, dass der Wert der Anteile verwässert wird. Wer im Sommer Aktien der Fluggesellschaft hielt, erlebte danach einen Wertverlust von einem Drittel. Bei einem Anlagevolumen von angenommen 10.000 Euro erlitt der Anteilseigner einen buchhalterischen Verlust von über 3.000 Euro (Beträge pauschaliert). Der Staat hat hier den Bürger ärmer gemacht. Kostenlos ist nichts und eine Politik, die das Volksvermögen mindert statt es zu mehren, ist keine gute Politik. More of the Same?

    Die Schuldenbremse stoppt vor allem die Ausgabenwünsche der linken Milieus. Das zeigt sich bereits im Sondierungspapier. Der Eingriff in die Haushaltspolitik des Bundes wurde 2009 nötig, weil Regierungen immer wieder die laxen Regeln der Verschuldung umgangen waren. Da vor allem die Konservativen die Regierung stellen, hatte Müntefering so vor allem die Union gefesselt. Die SPD war in der ersten großen Koalition bereits auf dem absteigenden Ast, die Sozialdemokraten befürchteten eine lange Oppositionszeit wie von 1982 – 1998.

    Unser Steuersystem ist so angelegt, das im Turnus von einer Dekade eine Reform des Tarif notwendig ist. Wie sonst könnte der Staat auch sonst überproportional vom Wachstum des Volkseinkommens profitieren? Der Druck ist längst immens, was ja selbst Grüne und Sozialdemokraten seit Jahren anerkennen. Doch das Ergebnis ihrer ideologischen Sturrheit wird aller Voraussicht nach sein, dass in der kommenden Legislaturperiode die Steuerbelastung für die oberen 10% sinken wird, während sie sich für alle anderen relativ erhöht. Die beste Entlastungspolitik für Reiche haben noch immer die linken Parteien gemacht. More of the Same?

    Lars Felds Amtszeit endete im Sommer. Er ist nicht zurückgetreten. Jens Weidmann gilt selbst bei seinen Gegnern in der EZB als freundlich, umgänglich, verantwortungsbewusst und kooperativ. Also ungefähr die Eigenschaften, die Du pauschal bei der SPD lobst, Deinen politischen Gegnern aber genauso pauschal absprichst. Nur für den Historiker.

    • Thorsten Haupts 25. Oktober 2021, 13:11

      Wer glaubt, der Finanzminister Olaf Scholz habe die Corona-Pandemie finanzpolitisch gut gemanagt, glaubt auch, dass der Teufel eine Sauna betreibt.

      D´accord. Gibt halt Leute, die lassen sich von der Ankündigung (!) hoher Milliardensummen schwer beeindrucken.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

    • Erwin Gabriel 25. Oktober 2021, 15:12

      @ Stefan Pietsch

      Das Insolvenzrecht ist bis heute ausgesetzt. Überschuldete Gesellschaften müssen ihre Zahlungsunfähigkeit nicht anmelden. Da können nur Ahnungslose davon sprechen, der Staat habe die Unternehmen gerettet. Tatsächlich rechnen alle Fachleute mit einer Insolvenzwelle, wenn die InsO wieder in Kraft gesetzt wird. In den Innenstädten selbst der Metropolen lassen sich die Verwüstungen der Pandemie dennoch begutachten, Scholz‘ Hilfsgelder konnte das Filialsterben nicht aufhalten.

      Zustimmung. Wenn das Insolvenzrecht wieder gilt, beginnt ein blutiges Jahr.

    • Jens Happel 26. Oktober 2021, 17:42

      Das Insolvenzrecht ist bis heute ausgesetzt. Überschuldete Gesellschaften müssen ihre Zahlungsunfähigkeit nicht anmelden. Da können nur Ahnungslose davon sprechen, der Staat habe die Unternehmen gerettet.

      Ich denke auch das dicke Ende kommt nocht, zumal die Lieferschwierigkeiten die Erholung noch lange bremsen werden.

      Problematisch sind nicht nur die Unternehmen die pleite gehen, sondern die Unternehmen die gerade so nicht pleite gehen. Die stehen kurz vor der Überschuldung und haben keine Geld für Investitionen. Investitionen sind aber das A und O für Produktivitätsfortschritt und damit Wohlstand. Ich habe letzteres mal absichtlich nicht Wachstum genannt.

  • cimourdain 25. Oktober 2021, 15:13

    Ihr fünftletzter Abschnitt beruht auf einem brandgefährlichen Irrtum „Das Insolvenzrecht ist bis heute ausgesetzt.“ Seit 01.05.2021 gilt wieder die Insolvenzantragspflicht (außer für von der Flutkatastrophe betroffene Unternehmen, da gibt es einen neuen Aufschub). Die Behörden verfolgen diese Insolvenzen derzeit zwar nicht aktiv, aber die Pflicht (und das entsprechende Haftungsrisiko für Geschäftsführer) besteht wieder. Was da für haftungsrechtliche ‚Bomben‘ kommen, dürfen Sie sich selber ausmalen.

    Dass es bisher keine Insolvenzwelle in 2021 gegeben hat, liegt allerdings auch daran, dass dieses Thema in den an die Allgemeinheit gerichteten Medien kaum Beachtung bekommen hat und deshalb (zu) vielen das Risiko gar nicht klar ist.

  • Stefan Sasse 25. Oktober 2021, 18:48
  • Grand mal 25. Oktober 2021, 20:27

    Aber die Realität schert sich nicht um die Ideologie, und wenn beides in direkten Konflikt gerät, verliert immer die Ideologie. Die Kosten dafür allerdings sind für gewöhnlich horrend.

    Denk immer daran wenns ums gendern geht

  • cimourdain 26. Oktober 2021, 20:00

    Ganz unabhängig, wie man zur Schuldenbremse steht, ist das Instrument „Investmentfonds“, dass du mit ‚ein bisschen Buchhalterisches Jiu-Jutsu‘ verniedlichst, in vielerlei HInsicht hochproblematisch. Erstens ist es ein direktes Umgehen des parlamentarischen Haushaltsrechts (in der Diskussion ist schon das böse Wort Schattenhaushalt gefallen). Zum Zweiten wollen die privaten Investoren ( Dass das internationale Fondgesellschaften sein werden steht nochmal auf einem anderen Blatt) natürlich auch Rendite. Und die lässt sich am bequemsten durch Realisieren stiller Reserven oder Aufbau stiller Lasten schnell verwirklichen – also dem Gegenteil von Zukunftsinvestitionen.

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