Die Guten, die Schlechten und die Irrelevanten – Teil 3: AfD und LINKE

Genauso wie die Parteien in drei Doppelkonstellationen eingeordnet werden können, was ihre Einstellung zur aktuellen Lage und ihre Vorstellungen für die Zukunft betrifft, so können wir ihre Wahlkämpfe ebenfalls in drei Doppelkonstellationen sehen – die Guten, die Schlechten und die Irrelevanten. Den Teilnehmenden hat das politische Geschick eine Kartenhand zugeteilt, die gut (Grüne), akzeptabel (CDU, FDP, AfD, LINKE) und miserabel (SPD) war. Wie die Parteien diese Karten spielten sehen wir im ersten Teil einer Serie über die Wahlkämpfe der Parteien zur Bundestagswahl 2021 an. In Teil 1 befassen wir uns mit SPD und FDP, in Teil 2 mit Grünen und CDU und in diesem Teil mit LINKEn und AfD.

Der Wahlkampf 2017 wurde völlig von der AfD dominiert. Ihre Themen waren permanent in den Nachrichten, das komplette TV-Duell war auf ihre Narrative hin ausgerichtet, und wenig überraschend fuhr sie ein starkes Ergebnis und ein zog und in den Bundestag ein. Die LINKE dagegen hat es bereits seit 2013 eher schwer. Die Einführung des Mindestlohns nahm ihr eines ihrer wichtigsten Themen, Hartz-IV wurde deutlich entschärft, und Afghanistan interessierte praktisch niemanden. Zwar konnte sie stets auf ihre Stammwählendenschaft bauen, die sie verlässlich um die 8%-Marke schweben ließ, aber jedes zweistellige Ergebnis stellte einen großen Sieg dar – und die Regierungsbeteiligung blieb der weiße Elefant, der nicht zu erreichen war. In diesem Wahlkampf kommen die Parteien des linken und rechten Rands praktisch nicht vor – stattdessen konzentriert sich alles auf die Mitte, in der sich zur allgemeinen Überraschung Olaf Scholz breitgemacht hat.

Absehbar war Scholz‘ Erfolg zwar nicht, wohl aber die relative Schwäche der beiden Randparteien. Sie brauchen eine weitgehende Unzufriedenheit mit dem Status Quo, leben davon, dass die vier etablierten Parteien als austauschbar wahrgenommen werden, brauchen eine Hervorhebung ihrer Themen. Die relativ gute wirtschaftliche Lage einerseits und die Beendigung des Flüchtlingsthemas andererseits aber sorgen dafür, dass diese Faktoren nicht gegeben sind, und die spannende Offenheit des Wahlkampfs macht die Idee, dass es irrelevant sei, ob man für SPD oder Grüne, CDU oder FDP stimmt zu einer Albernheit.

Für die LINKE kommt als Problem hinzu, dass sie, im Gegensatz zur AfD, an die Regierung will. Sie muss den Spagat bewerkstelligen, sowohl für eine rot-rot-grüne Koalition zu werben als auch ihre traditionelle Protest- und Oppositionsrolle wahrzunehmen. Dieser Spagat gelingt ist, das ist glaube ich fair zu sagen, eher nicht so gut. Der Wechsel an der Parteispitze von den nicht eben als Publikumsmagneten bekannten Katja Kipping und Bernd Riexinger zu den praktisch unbekannten Janine Wissler und Susanne Hennig-Welsoff tat wenig, um die Partei in die Öffentlichkeit zu bringen, was zumindest in Hennig-Welsoffs Fall wohl auch kein Nachteil ist.

Die Vorsitzenden repräsentieren einen tiefen Graben in der Partei, der sie in den letzten Jahren permanent in die Negativ-Schlagzeilen gebracht hat. Die LINKE verliert ihre Stammwählendenschaft, teils aus demographischen Gründen (zusammen mit der CDU hat sie die ältesten Wählenden), teils aus strukturellen Gründen, die sie mit allen anderen Parteien teilt. Wo der eine Flügel versucht, die LINKE zu modernisieren (Katja Kipping und nun Susanne Hennig-Welsoff), versucht der andere, weiterhin Protest- und Klientelpartei für Wendeverlier*innen zu sein und die reine Lehre zu verteten.

Als wäre das nicht genug, besitzt die LINKE noch ein drittes Machtzentrum, das gegen die eigene Parteiführung arbeitet und für eine kommunikative Kakophonie sorgt: Politrentner Oskar Lafontaine und Sara Wagenknecht. Mit der parteiinternen Abspaltungsbewegung „Aufstehen“ scheiterten die beiden krachend, aber Wagenknecht ist eine begnadete Rednerin, Debattiererin und Autorin, und auch Lafontaine bleibt selbst auf dem politischen Abstellgleis eine Kraft. Mit ihrem aktuellen Buch „Die Selbstgerechten“ hat es Wagenknecht nicht nur wieder in die Bestsellerlisten geschafft, sondern sich auch ein (mittlerweile eingestelltes) Parteiausschlussverfahren an den Hals geschrieben. In der SPD dürften diverse Leute ob der Ironie des Schicksals, dass Lafontaine nun auch die LINKE spaltet, dunkel auflachen.

Ohne einen aktuellen Anlass, der ihre Themen in die Öffentlichkeit bringt, tut sich die LINKE ohnehin schwer, kommunikativ durchzudringen. Doch die unterschiedlichen, gegeneinander arbeitenden Machtzentren neutralisieren sich praktisch gegenseitig. Dies führt so weit, dass diese Neutralisierung jede auch negative Berichterstattung in der Presse unterdrückt. Die LINKE würde aktuell ja davon profitieren, wenn sie wegen harscher Flügelkämpfe und dem Gespenst einer rot-rot-grünen Koalition im Gespräch wäre. Aber nicht einmal das gelingt ihr. Sie wird praktisch nicht wahrgenommen, und die generische Botschaft hilft da wenig.

Die LINKE konnte früher die SPD am Nasenring durch die Manege führen, weil sie wie im Rennen des Hasen und des Igels immer schon da war, sie war die Partei des „immer eines mehr als du“, um eine Kinder-Debattierstrategie auf den Punkt zu bringen. Da eine Regierungsbeteiligung ohnehin ausgeschlossen war, konnte sie auf die Forderungen von SPD und Grünen einfach immer eines draufsetzen (weswegen ihr Programm in Analysen auch immer führt, ob es nun um Maßnahmen für den Klimaschutz, „Friedenspolitik“ oder Sozialpolitik geht). Ein Echo davon haben wir 2021 auch, wenn etwa die Forderung nach 13 Euro Mindestlohn plakatiert wird. Warum 13 Euro? Weil die SPD 12 Euro fordert. Mehr steckt nicht dahinter.

Und diese Strategie funktioniert nicht mehr, seit Teile der LINKEn offensiv versuchen, um eine Regierungsbeteiligung unter Rot-Rot-Grün zu werben. Man kann nicht die unrealistischen, plakativen Forderungen einer Oppositionspartei vertreten, wenn man gleichzeitig die Aussicht haben will, in Koalitionsverhandlungen zu gehen, wo diese zwangsläufig auf ein realistisches Maß gestutzt werden würden. Aber es wollen eben nur Teile der Partei eine Regierungsbeteiligung. Daraus ergibt sich die angesprochene Kakophonie, die gegenseitige Neutralisierung, und auch die Gefahr für potenzielle Koalitionspartner – weswegen R2G ja auch eine mögliche, aber unwahrscheinliche Konstellation für die nächste Legislaturperiode ist.

Zumindest eines dieser Probleme teilt die AfD nicht: sie versucht nicht einmal, den Eindruck zu erwecken, sie wolle an die Regierung. Die AfD ist eine reine Protest- und Oppositionspartei; sie versucht die Stimmen all derer einzusammeln, die, um die Bullyparade zu zitieren, einfach mit der Gesamtsituation unzufrieden sind. Niemand ist programmatisch so weit voneinander entfernt wie LINKE und AfD, und doch streiten sie um ein vor allem im Osten großes Wählendenklientel, das groß genug für den Einzug in den Bundestag und ideologisch eher ungebunden ist. Janine Wisslers stramm linke Ausrichtung kann diese Leute kaum fangen, die wenig an Antifa und Friedensdemos interessiert sind; sie sind es, um die Lafontaine und Wagenknecht sich, Hufeisen schmiedend, bemühen. Aber die AfD ist in diesem Spiel besser als die LINKE.

Der Grund dafür liegt absurderweise in eben diesem „immer eines mehr als du“, das so lange der Garant für den Erfolg der LINKEn gegenüber der SPD war. Seit die LINKE versucht, sich einigermaßen seriös zu geben, kann sie dieses Oppositionsspiel nicht mehr mitspielen. Es gibt keine Möglichkeit, auch für Lafontaine und Wagenknecht nicht, die AfD zu flankieren. Die AfD kann immer die schärfere, weitgehendere Forderung stellen. Doch um welche Wählendenschicht konkurriert die LINKE denn dann eigentlich? Diese Frage wird durch ihren Wahlkampf nicht beantwortet, und es überrascht nicht, dass die gefürchtete 5%-Hürde immer näher rückt. Dass eine Ablösung der Union im Kanzleramt durch einen SPD-Kanzler nun in greifbare Nähe gerückt scheint, schadet der LINKEn noch einmal weiter, weil es Proteststimmen abzieht, die eine Chance auf Wandel sehen.

Doch die AfD spielt auch defensiv. 2017 schwamm sie auf einer Welle des Rechtsrucks in den Bundestag. Die Medien (und ja, auch die öffentlich-rechtlichen) waren voll von Sendungen und Artikeln zur Flüchtlingskrise. Die Anti-Merkel-Stimmung erreichte einen fiebrigen Höhepunkt. Doch dieses Thema ist seither aus den Schlagzeilen verschwunden. Auch Europa macht keinen Ärger mehr. Die zentralen Themen der AfD spielen schlicht keine Rolle, und dementsprechend ist sie in den Umfragen abgesackt. Ihr geht es darum, möglichst viele der Protestwählenden von 2017 an sich zu binden und zu einer Stammwählendenschaft heranzuziehen; neue Wählende wird sie dieses Jahr kaum erreichen können.

Im Gegensatz zur LINKEn aber führt die AfD einen stabilen Wahlkampf. Diese Stabilität erwächst aus einer zwingenden Notwendigkeit. Die größte Schwäche der AfD ist der Ekel, den sie in potenziellen Wählenden aus dem bürgerlich-konservativen Lager hervorruft. Wenn ein Rechtsaußen wie Hans-Georg Maaßen sich mit Leichtigkeit von der AfD abgrenzen kann, dann hat die Partei ein Problem. Seit dem Tühringen-Debakel versucht sie daher vermehrt, Kreide zu fressen. In diesem Wahlkampf sieht man keine Plakate, die Abschiebungen fordern oder Ähnliches. Stattdessen präsentiert sich die AfD als normalitäre Partei.

Diese Strategie verläuft unter der Oberfläche und macht die Partei nicht sonderlich sichtbar, aber das ist im Interesse dieser eher defensiv angelegten Strategie. Anders als 2017 wird Björn Höcke nicht in Talkshows eingeladen, werden keine Deutschlandfahnen über Sessellehnen drapiert. Die Partei bekommt keine kostenlose Aufmerksamkeit und versucht das beste daraus zu machen, indem sie die Grundlage für die angestrebte Etablierung als potenzieller Koalitionspartner der CDU und FDP in den Ländern legt. Das Motto des Wahlkampfs, man muss es sagen, ist sehr geschickt gewählt: „Deutschland, aber normal.“ Es ist im Endeffekt das, was die CDU zu sagen versucht, aber in ihrem grausigen Wahlkampf nicht schafft.

Die AfD lässt keinen Zweifel daran, was sie unter „normal“ versteht: männlich dominierter Ein-Ernährer-Haushalt, ein weißes Deutschland, paternalistische Strukturen, keine Diversität. Sie kennt ein klares Feindbild, die Grünen, konzentriert im Slogan „AfD. Alle anderen sind grün.“ Das ist, wenngleich nicht in dieser Strenge, in CDU und zumindest teilweise in der FDP problemlos mehrheitsfähig, in einem Spiegelbild dessen, wie die LINKE aufgestellt ist: im Prinzip ist die Schnittmenge zu den etablierten Verwandten groß, in der Praxis aber nicht. Diese Lücke versuchen beide Parteien zu füllen.

Allein, im Bund ist völlig klar, dass eine Koalitionsoption nicht besteht. Die CDU fährt genauso wie die FDP eine klare Abgrenzungsstrategie; über den Mangel einer solchen in den thüring’schen Landesverbänden stürzte zuletzt Annegret Krampp-Karrenbauer. In einem Wahljahr, in dem nicht die Fortsetzung des gewohnten – das Kabinett Merkel IV – auf der Agenda steht und es leicht macht, den Zorn der Unzufriedenen zu mobilisieren, sondern stattdessen der von Armin Laschet bemühte „Wind des Wandels“ weht, kann die AfD als Partei von gestern allerdings kaum punkten. Ihr Wahlkampf ist deswegen irrelevant, weil die Partei in diesem Zyklus irrelevant ist. Auch wenn der Wahlkampf, anders als bei der LINKEn, halbwegs kompetent geführt wird.

Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass die LINKE zwischen ihren verschiedenen Flügeln und Persönlichkeiten und die Gretchenfrage der Regierungsbeteiligung zerrissen wird, was sich direkt auf den inkohärenten und wenig proaktiven Wahlkampf niederschlägt, während die AfD einen defensiven, kompetent-unauffälligen Wahlkampf führt, um niemanden zu verschrecken und die eigene Stellung zu konsolidieren.

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  • Hanni Hartmann 8. September 2021, 10:36

    Die SPD profitiert davon das die Kontrahenten ebenso flach und nichtsagend und letztlich auch unfähig sind. Unter den Blinden ist der Einäugige Koenig. Nun mit Scholz als Frontman, der fest daran glaubt, dass es bei allen großen Herausforderungen der Staat richten muss. Und dass die Lösung für die meisten Probleme vor allem eins ist: Geld. Grauenvolle Aussichten..

    • Stefan Pietsch 8. September 2021, 12:56

      Olaf Scholz präsentiert sich wieder als das, was er in seinem politischen Kern ist: Hanseatischer Sozialdemokrat mit klaren Tendenzen ins Liberale und Sozialliberale. Im Vergleich zu Baerbock präsentiert sich Scholz doch deutlich staatsskeptischer. Wo die Grüne als Lösung für alle Probleme mehr Ausgaben und Steuererhöhungen für Reiche, die Vermögensteuer und die Bekämpfung der Steuerhinterziehung anbietet (Sendung Wahlarena 2021 in der ARD), gibt sich Scholz wesentlich zurückhaltender.

      So musste er einem aufgebrachten Mieter, der sich über vermeintlich lange Kündigungsfristen (3 Monate) bei seinen Wohnungen beklagte, bescheiden, dass Verträge eben auch für beide Seiten gelten. Souverän den Rechtsstaat geschützt.

    • Marc 8. September 2021, 13:32

      Herausforderungen, wie der Klimawandel, kann der Markt nicht alleine stemmen. Wenn er es könnte, hätte er 30 Jahre lang Zeit gehabt, es bereits getan zu haben. Warum sollte er es jetzt plötzlich machen? Wo ist da eine Logik? Der Staat kann es auch nicht alleine meistern, das sagt weder Scholz noch Baerbock. Es geht nur gemeinsam Staat mit dem Markt.

      Problemlösungen kosten Geld? Ja, grauenvoll aber eine Binse.

      • Stefan Pietsch 8. September 2021, 13:45

        Herausforderungen, wie der Klimawandel, kann der Markt nicht alleine stemmen.

        LOL.

        Was der Staat alles nicht kann, das haben die Deutschen ja in den letzten Jahren sehr drastisch vor Augen geführt bekommen. Der Staat weiß nicht einmal, in welches Unternehmen und in welche Technologie er investieren soll. In der Finanzkrise beteiligte er sich an der Commerzbank. Über ein Jahrzehnt später fällt man immer noch in den Abgrund. Aber Hauptsache die Vorstandsgehälter sind gedeckelt. In der Corona-Krise, wo viele gewonnen haben, beteiligte sich der Staat mit fast 400 Millionen Euro an einer kleinen Klitsche. Und verlor bei der mRNA-Technologie als einziger.

        Was eine naive grüne Kanzlerkandidatin übersieht: Der Markt, das sind wir alle. Keine Vorgabe des Staates, z.B. für die Grenzwerte der Automobilindustrie oder den Ausbau von Windkraftanlagen konnte sein eigentliches Ziel erfüllen und einen messbaren Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen leisten. „Der Markt“ in Gestalt des ETS schafft das.

        Problemlösungen kosten Geld?

        Dann sind all jene Unternehmen mit wenig Kapital verloren. Aber zum Glück ist das eben Unsinn.

        • Marc 8. September 2021, 15:43

          Das EEG hat Solar- und Windenergie Ausbau gestärkt, das ist ein messbarer Betrag.

          Der ETS legt die enormen Technologiewandel kosten direkt auf den Preis um. Das wird sehr teuer. Der Staat kann das über Schulden finanzieren und die Zahlungen strecken. Das kann ETS nicht.

          • Stefan Pietsch 8. September 2021, 15:48

            Ich habe gezeigt, dass die Vermeidungskosten der EEG-Umlage pro Tonne CO2 bei mindestens 3.700 EUR liegen. Dazu steuerte das EEG völlig an den vorgegebenen Zielen vorbei. Unternehmen wären damit pleite. Der Staat melkt einfach seine Bürger.

            Die Vermeidungskosten pro Tonne CO2 liegen derzeit bei rund 50 EUR. Sie werden soweit rechnen können: Das ist unvergleichbar günstiger. Sie können heute 50 Euro investieren und haben tatsächlich etwas fürs Klima getan. Toll, oder?

            • Marc 9. September 2021, 10:26

              Die Vermeidungskosten pro Tonne CO2 liegen derzeit bei rund 50 EUR.

              Ich spreche aber von den Umrüstkosten, die sind exorbitant höher, müssen von den Unternehmen gestemmt werden und auf die Preise aufgeschlagen werden. Die Umrüstkosten unterschlagen sie aber immer, damit wird aber ihr Vergleich mit dem EEG, die Investitionen abdecken sollen, nur noch absurd.

              • Stefan Pietsch 9. September 2021, 11:37

                Ich spreche aber von den Umrüstkosten, die sind exorbitant höher, müssen von den Unternehmen gestemmt werden und auf die Preise aufgeschlagen werden.

                Wie kommen Sie denn darauf? Das ist sowohl volkwirtschaftlicher als auch betriebswirtschaftlicher Unsinn. Ich frage mich, ob ich dazu einen Artikel machen soll, denn leider ist dieser Unsinn in unserer Gesellschaft voll ökonomischer Analphabeten sehr verbreitet. Und am Ende wird so etwas wie die Grünen gewählt.

                Volkswirtschaftliche Perspektive.
                Wir haben keine Planwirtschaft, sondern eine dynamische Marktwirtschaft. Die wirtschaftliche Dynamik entsteht dabei durch Kapitalakkumulation, also den Aufbau eines Kapitalstocks. Das passiert permanent. Zum Kapital wird übrigens auch Know-how gezählt.

                Der Aufbau des Kapitalstocks erfolgt entlang zukünftiger Bedarfsannahmen. Das sehen Sie z.B. aktuell daran, dass die Investitionen in Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor deutlich zurückgehen, während Investitionen in Elektromobilität und Wasserstoff stark zugenommen haben. Das bedeutet aber nicht, dass es einen signifikant gestiegenen Investitionsbedarf gibt. Das ist allein eine Annahme und pauschal nie richtig. Es gibt nur einen veränderten Investitionsbedarf.

                2018 lagen die Bruttoanlageinvestitionen bei 711 Milliarden Euro. Die Abschreibungen hierauf beliefen sich auf 608 Milliarden Euro. Der Anlagenbestand wurde also erhöht. Und das passiert praktisch jedes Jahr. Per Saldo unter Berücksichtigung aller Faktoren hat sich 2018 das Anlagenkapital um 100 Milliarden Euro erhöht. Wären die Abschreibungen höher als die Bruttoinvestitionen, lebten wir von der Substanz.

                Zwischenfrage: Was ist kostenwirksam, die Bruttoinvestitionen oder die Abschreibungen? Ich komme darauf zurück.

                Der CO2-Preis für ein Zertifikat beschreibt die Opportunitätskosten für die Unternehmen. Ist es günstiger, für 50€ eine Erlaubnis für die Emission einer Tonne Kohlendioxid zu erwerben oder ist es günstiger eine Produktionsumstellung vorzunehmen. In jedem Fall wird CO2 in der geplanten Größenordnung vermieden.

                Die betriebswirtschaftliche Perspektive.
                Sie behaupten, die Unternehmen hätten gewaltige Umrüstkosten, die auf die Kosten aufgeschlagen würden. Das setzte voraus, dass Unternehmen nicht investieren und von der Substanz leben. Das ist sowohl volkswirtschaftlich als auch betriebswirtschaftlich falsch. Ein Unternehmen, dass dauerhaft von der Substanz lebt, hört nach kurzer Zeit auf zu existieren. Stellen Sie sich ein Hotel vor. Wenn es sein Zimmer- und Dienstleistungsangebot nicht innerhalb von 10 Jahren rundum anpasst, findet es keine Gäste mehr.

                Die Frage ist also, in welche Richtung die Investitionen fließen, sowohl die in den Erhalt als auch in die Erweiterung. Da das Globalziel Klimaneutralität ist, ist die Antwort einfach. Nur ergibt sich daraus nicht automatisch eine Belastung der P&L (Profit & Loss Statement). Denn wie gesehen finden Investitionen und Abschreibungen dauernd statt, sie sind Teil der Kapitalflussrechnung und der Erfolgsrechnung.

                So, zurück zur Frage: Was ist kostenwirksam? Natürlich die Abschreibungen. Bleiben die Abschreibungen relativ gleich (im Vergleich zum Umsatz), gibt es keine reale Kostenbelastung. Die Investitionen müssen aus den liquiden Mitteln bezahlt werden. Dafür hilft es übrigens wenig, wenn der Staat die Abschreibungsdauer verkürzt, das ist lediglich buchhalterischer Gewinn. Wirksamer wären Steuersenkungen. Hier verbleibt wirklich Kapital im Unternehmen.

                Ein Drittel der Kapitalgesellschaften sind defizitär. Über kurz oder lang führt das in die Insolvenz. In Ihrer Diktion ist das Vernichtung von volkswirtschaftlichem Vermögen. Nur schafft es Ressourcen für Neues. Auch das passiert ständig. Investoren lenken ihre Mittel in junge Unternehmen, wenn sie ein ertragreiches Modell versprechen. Vieles davon klappt nicht, auch das liegt in der Natur der Sache. Aber auch ihre Investitionen werden stärker in Branchen, Technologien und Unternehmen gelenkt, die eine höhere Wahrscheinlichkeit besitzen, in 10 Jahren zu existieren als solche, deren Geschäftsmodell veraltet ist und „Umrüstungen“ sich nicht lohnen.

                Ihre „Umrüstkosten“ gibt es nicht, weder volkswirtschaftlich noch betriebswirtschaftlich. Wir können uns natürlich welche schaffen, die Grünen haben dafür ja auch einen Plan.

                • Thorsten Haupts 11. September 2021, 17:46

                  Sie, Herr Pietsch, und Marc reden erkennbar aneinander vorbei. Er hat nämlich durchaus Recht – ohne staatliches Eingreifen würde der Markt weiter fröhlich die externen Effekte (Umweltzerstörung und Klimawandel) in Kauf nehmen, weil sie kurzfristig kostenfrei sind und niemand weiter als die nächsten 5 bis 10 Jahre denkt (und handelt) bzw. selbst wenn er das tut, das bei Konkurrenz preislich tödlich sein kann.

                  Das heisst, wir streiten seriös nicht über die Notwendigkeit von Staatseingriffen, sondern nur über die Art des Eingriffes. Das ist aber eine andere Diskussion.

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

          • Erwin Gabriel 10. September 2021, 09:49

            @ Marc 8. September 2021, 15:43

            Das EEG hat Solar- und Windenergie Ausbau gestärkt, das ist ein messbarer Betrag.

            Ja, durchaus, Zustimmung. Das zähle ich aber dennoch nicht als Erfolg.

            Wenn Du in Deine Werkstatt gehst, um einen Service für Dein Auto durchzuführen, und Du kriegst den Wagen nach zwei Monaten zurück und musst ein paar tausend Euro zahlen, ist das neue Öl im Motor auch ein meßbarer Erfolg. Aber – bleiben wir höflich – Du wärst nicht zufrieden.

            Das EEG ist eine Katastophe. Das bisschen, was erreicht wurde, hat extrem viel Geld gekostet und blieb weit unter den Möglichkeiten. Das Ergebnis grenzt an staatlich gesteuerte Planwirtschaft zugunsten einer bestimmten Klientel, die jetzt halt nicht mehr e.on, Vattenfall & Co. heisst. Ganz übel!

            • Hanni Hartmann 10. September 2021, 10:08

              @Erwin Gabriel:“Das EEG ist eine Katastophe. Das bisschen, was erreicht wurde, hat extrem viel Geld gekostet und blieb weit unter den Möglichkeiten….“
              Völlig richtig. Die EEG war/ist lediglich ein weiterer Meilenstein auf dem langen Marsch von überteuerten und oftmals nutzlosen Programmen, die von Apparatschiks ausgeheckt wurden. Diese Programme sind dabei extrem teuer fuer die Buerger/Steuerzahler..

        • Lemmy Caution 9. September 2021, 18:51

          Der Kern der Finanzkrise von 2008 bestand an den vielen zu gering bewerteten Risiken von Immobilien-Krediten in den USA.
          Diese Kredite wurden in Wertpapiere gebündelt und damit auf dem Markt handelbar. Die Existenz dieses künstlichen Markts hat doch unterstützt, das bei der Kredit-Vergabe nicht mehr so genau auf das Risiko eines Zahlungsausfalls geschaut wurde, schließlich konnte man dieses Risiko leicht loswerden, indem man es in Wertpapiere bündelte und verkaufte.

          Aber beim Emmissionshandel wird es natürlich ganz anders sein: This time it will be different.

          Wir müssen nur einen künstlichen Markt schaffen und das Problem reguliert sich durch Angebot und Nachfrage quasi selbst. Ist doch offensichtlich! Wer das nicht einsieht, hat halt die Welt nicht verstanden. Ich hab da große Zweifel:
          Schwellenländer werden nicht unbedingt mitmachen. Dann wird die Einführung von Zertifikat-Handel in Branchen mit starker Konkurrenz aus Schwellenländern sehr schwierig, weil Politiker aus reichen Ländern auf eine Aussetzung des Zertifikat-Handel für diese Branche drängen werden. Schliesslich sind sie ja sonst unfairer Konkurrenz ausgesetzt.
          Zumindest können die Zertifikat-Gläubigen dann immer das Argument anführen, dass nicht ihre perfekte Lösung schuld ist, sondern dass die perfekte Lösung halt andere gewählte Politiker benötigen. Das Volk ist doch selbst Schuld, wenn sie nicht überall Politiker wählen, die fest für einen möglichst reinen Markt eintreten.
          Oder in reichen Ländern werden stark CO2 produzierende Industrien für eine längere Zeit vom Zertifikathandel entbunden, weil sonst der Strukturwandel kurz- bis mittelfristig zu starke soziale Verwerfungen generieren würde.

          • Stefan Pietsch 9. September 2021, 19:41

            Der Kern der Finanzkrise von 2008 bestand an den vielen zu gering bewerteten Risiken von Immobilien-Krediten in den USA.

            Was meinst Du mit dem Satz? Die FED wünschte einen Subprime Market. Hausbauer, die eigentlich nach konservativen Maßstäben nicht kreditwürdig sind, sollten durch sehr günstige Geldpolitik dennoch Kredite erhalten. Im Prinzip spielen wir dieses Spiel ja seit über 10 Jahren mit den Staatsschulden. Staaten, die nach herkömmlichen Maßstäben nicht mehr kreditwürdig sind, bekommen ihre Bonds dennoch abgekauft, weil die Notenbanken eine Buy back-Garantie abgeben.

            Das ist Marktmanipulation. Ja, auch auch der Emissionshandel ist nicht gegen Manipulationen gefeit, aber das gilt generell dort, wo der Staat sich nicht selbst beschränkt.

            Ein Erfolgsmodell erkennt man daran, wie häufig es kopiert wird. Das ETS hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Kopien erhalten. Es funktioniert seit 15 Jahren und hatte erfolgreiche Vorgänger. Wo also ist Dein Problem?

            Keine Subvention, kein Grenzwert, kein Ausbau von Erneuerbaren Energieträgern kann garantieren, was der Emissionshandel garantieren kann (so man ihn lässt) und was eigentlich das Knock-out-Kriterium sein muss: Klimaneutralität ab 2050. Beim Emissionshandel gibt es 2050 nur noch Zertifikate, wenn entsprechend Kohlendioxid aus der Atmosphäre genommen wird. Ohne solch ein Regulativ gilt auch 2050: Wenn dann noch Verbrenner herumfahren, ja, dann ist es so. Wenn nicht der gesamte Energiebedarf durch Null-Emissions-Energieträger gedeckt werden kann, ja, dann ist es halt so. Man wird es nicht ändern können.

            Ich habe in zwei Artikelserien aufgezeigt, wo das Problem mit Schwellenländern liegt. Und auch, wo Lösungsansätze liegen könnten. Nur, Lemmy, das Problem gilt ja generell. Mehr noch: offensichtlich ließen sich Brasilien, Indien oder Vietnam leichter in ein Zertifikate-Regime einbinden als in unsere Vorstellungen von Verboten und Industriezuschüssen.

            Oder in reichen Ländern werden stark CO2 produzierende Industrien für eine längere Zeit vom Zertifikathandel entbunden, weil sonst der Strukturwandel kurz- bis mittelfristig zu starke soziale Verwerfungen generieren würde.

            Nicht ausgeschlossen, aber die Politik wäre offensichtlich in einem starken Rechtfertigungsdruck. In den westlichen Demokratien werden solche Eingriffe zunehmend schwierig, erst recht, weil die EU und nicht einzelne Länder über die Einhaltung wachen.

            Nur: Deine Argumente gelten für sämtliche Politiken. Sie sind nicht auf den Emissionshandel beschränkt, im Gegenteil. Sie treten im Ordnungsrecht (wer legt eigentlich welchen Grenzwert fest?) und bei Subventionen (welche Unternehmen erhalten eigentlich welche Zuschüsse für wie lange?) viel stärker auf.

            Hier gilt, was Du so schön schreibst: This time it will be different.

            • Lemmy Caution 10. September 2021, 09:37

              LC: Der Kern der Finanzkrise von 2008 bestand an den vielen zu gering bewerteten Risiken von Immobilien-Krediten in den USA.

              SP: Was meinst Du mit diesem Satz? [… eine Menge Zeugs das nicht mit dem Thema zu tun hat …]

              LC: Die default Risiken der Immobilien-Kredite wurden von den Markt-Teilnehmern geringer bewertet als sie tatsächlich waren. Märkte funktionieren halt oft nicht mit vollständiger Konkurrenz, Transparenz und all diesem Kleingedruckten.
              Da gibts absolut Nüsse zu diskutieren, Stefan.
              Es gab in den letzten 8000 Jahren eine Menge Krisen, die ihren Ausgang im default von Schulden hatte. Alle diese Krisen hatten letztlich diesen Grund.
              Du versuchst hier sowas wie das Gesetz der Schwerkraft in Frage zu stellen.

              SP: Das ist Marktmanipulation.
              LC: Und wieso haben die Käufer der zu Wertpapieren gebündelten Schulden dies nicht erkannt? Die sind doch angeblich gut informiert. Die Politik zur Ankurbelung des Häuslebauens in den USA war doch transparent und absolut kein Staatsgeheimnis.

              SP: eine Subvention, kein Grenzwert, kein Ausbau von Erneuerbaren Energieträgern kann garantieren, was der Emissionshandel garantieren kann (so man ihn lässt)
              LC: Und wenn die ungewaschenen Massen Politiker wählen, die halt zum Schutz einer Industrie schon mal fünfe Grade sein lassen, können wir irgendwann Amsterdam mit Taucheranzug und Sauerstoffmake besichtigen.
              Eigentlich hätte es ja funktioniert, leider funktioniert die Welt nicht wie mein Modell.

              • Stefan Pietsch 10. September 2021, 11:19

                Nun bist Du völlig vom Weg abgekommen. Ich denke, es ging Dir vor allem darum, dass Ordnungsrecht und Subventionen zur Rettung des Weltklimas vorteilhafter seien als ein Markt mit Erlaubniszertifikaten, in dem Politiker ohnehin einzelne Unternehmen / Industrien rauspaucken könnten und die Schwellenländer ohnehin nicht mitmachen. Was ist der Unterschied bei Deinen Kritikpunkten?

                Kredite an Schuldner mit höherem Ausfallrisiko sind lukrativer, denn der Zins liegt höher. Exakt das gleiche Muster übrigens wie bei den Staatsschulden. Auf italienische Staatsanleihen werden höhere Zinsen fällig. Aus den höheren Zinsen werden die eventuell notwendigen Wertberichtigungen und Rückstellungen für Ausfallrisiken bezahlt.

                Das ist wichtig zu wissen. Wird der Preis (Zins) durch externe Maßnahmen – z.B. Geldpolitik der Notenbanken – gedrückt, so wandert das Risiko für das eigentlich Wertberichtigungen gebildet worden wären, auf den Externen. Ansonsten würde der Markt ja nicht mehr funktionieren, für die Hochrisikoanlagen würden sich keine Abnehmer finden. Das will der Externe / Notenbank nicht, weswegen die Investoren angezuckert werden. Die Halter von Staatsanleihen bekommen Vergünstigungen, die nur der Staat gewähren kann.

                Nur hat das alles nichts mit dem Zertifikatemarkt zu tun, wo das Ziel besteht, die Nachfrage abzusenken. Und Rückstellungen für Risiken sind auch nicht zu bilden. Es ist das Ideal eines Wochenmarktes: Wer viele Birnen braucht, treibt damit den Birnenpreis nach oben. Sind keine Birnen mehr da, werden halt Äpfel gekauft.

                • Lemmy Caution 10. September 2021, 19:35

                  SP: Nun bist Du völlig vom Weg abgekommen.
                  LC: Dies ist ein freies Land, jeder hat ein Recht auf seine Privatmeinung.

                  Für mich steht der Zertifikate-Markt und kräftige staatliche Subventionen in nachhaltigere Produktionsverfahren sowie Verbote in keinem antagonistischen Verhältnis. Ich will das alles, je mehr desto besser, weil mit dem Klima-Thema sehr starke long tail Risiken verbunden sind.
                  Ich könnte mir vorstellen, dass etwa in einer Ampel-Koaltition FDP Politiker ihre Kompetenz in die Ausweitung des Zertifikate-Handels auf weitere Sektoren beweisen können. Ich verspreche mir aus den genannten Gründen nicht viel davon, aber da wären diese Politiker beschäftigt und könnten keinen weiteren Schaden anrichten.

                  SP: Kredite an Schuldner mit höherem Ausfallrisiko sind lukrativer, denn der Zins liegt höher.
                  LC: Naja, sie erschienen zunächst lukrativer. Tritt das Ausfallrisiko ein, stellen sie sich als weniger lukrativ heraus. As simple as that.

                  SP: Staatsschulden…
                  LC: Ich hab mich in den 90ern wirklich viel und tief mit der großen Lateinamerikanischen Schuldenkrise der 80er beschäftigt. Ich informiere mich über argentinische Wirtschaftspolitik, in der die Staatsschulden eine dominantere Rolle spielen, als in jedem anderen Land.
                  Für eine Staatsschuld brauchts immer 2: Einen Schuldner und einen Gläubiger. Droht der default, hat vor allem auch der Gläubiger die zukünftige Entwicklung falsch vorausgesehen. Wir haben auch hier definitiv ein Marktversagen. Dies war übrigens die Legitimation der haircuts für Lateinamerikanische Staatsanleihen in den Brady Bonds und anderer Mechanismen, die damals die Krise beendet haben.
                  In der Perzeption der Risiken für Italienische Staatsanleihen spielt Deutschland als potentieller Bürge eine wichtige Rolle. Für andere Länder steht auch der IWF bereit.
                  Die meisten Ländern ists das, weniger die Möglichkeit Schulden mit ihrer Geldpresse wegzuinflationieren. Italien gibt Schulden in Euro aus, eine Währung über die sie keinen wirklichen geldpolitischen Einfluß haben. Die Schulden von Schwellenländern sind meist in Dollar.
                  Chile ist meines Wissens aktuell das einzige Lateinamerikanische Land, das an Internationalen Kapitalmärkten einen Teil der Schuldbonds in der eigenen Währung ausgibt. Ich besitze übrigens seit Mai Chile Bonds in meinem Rücklagen-Portfolio… in Dollar. Die lokalen gäben etwas höhere yields, aber für die letzten 8 Monate hätte ich mir damit keinen Gefallen getan, obwohl die BIP mässig V-shaped durch Covid-19 gehen. Für den Sparstrumpf sind heutzutage seriöse Informationsquellen alles -> https://twitter.com/EconomistaFlait (der wuasho meldet, wenn es Probleme gibt)

                  • Stefan Pietsch 10. September 2021, 22:13

                    Dies ist ein freies Land,

                    Bist Du sicher? In einem Land, wo die Mitmenschen darauf achten, dass man alle Coronaauflagen einhält? Stellen wir mal die Behauptung zurück. 😉

                    Weißt Du wie es schmeckt, wenn Du in Dein Essen gleichzeitig viel Salz und viel Zucker zugibst? Beides schmeckt – aber zusammen?

                    Naja, sie erschienen zunächst lukrativer. Tritt das Ausfallrisiko ein, stellen sie sich als weniger lukrativ heraus. As simple as that.

                    Wenn es nicht lukrativer wäre, würde niemand risikobehaftete Anlagen kaufen. Das habe ich glaube deutlich gemacht. Zinsen abzüglich (realitätsnahe) Wertberichtigung müssen zu einer höheren Rendite führen als Zinsen auf „sichere“ Anlagen. Der Default ist statistisch eingeplant, nur darf nicht jede Anlage ausfallen.

                    So, was passiert, wenn der Staat durch einen äußeren Eingriff den Zins für risikobehaftete Anlagen nach unten manipuliert, beispielsweise durch Verbilligung von Krediten oder Buy Back-Garantien? Das Risiko der Anlage sinkt, denn der Staat tritt in die Haftung. Andernfalls würde niemand die Bonds zeichnen. Investoren haben wenig Interesse, sich selbst zu bescheißen. Stimmt die Höhe des Zinses nicht, um die Risiken abzudecken, kaufen sie nicht. Es ist noch immer so, dass Schuldner einen Preis zahlen müssen für das Risiko, das sie darstellen.

                    Ich hab mich in den 90ern wirklich viel und tief mit der großen Lateinamerikanischen Schuldenkrise der 80er beschäftigt.

                    Glaube ich Dir unbesehen.

                    Für eine Staatsschuld brauchts immer 2

                    Jetzt glaube ich Dir das weniger, denn dafür braucht niemand die Geschichte lateinamerikanischer Staatsschulden zu studieren.

                    Droht der default, hat vor allem auch der Gläubiger die zukünftige Entwicklung falsch vorausgesehen.

                    Nein, das ist absoluter Unsinn. Investoren nehmen eine Risikobewertung vor und treffen dafür Vorkehrungen. Auch Unternehmer verkaufen Waren auf Ziel, wohlwissend, dass ein Teil der Kunden ausfällig wird. Man weiß nur nicht wer. Wüsste man es, würde man an denjenigen nicht verkaufen.

                    Der Schuldner muss, ich wiederhole mich, einen Preis für das Risiko zahlen, das er darstellt. So lange der Staat in diesen Mechanismus nicht eingreift, funktioniert das. Greift er ein, um den Schuldner / Kreditnehmer vor vermeintlich zu hohen Zinsen zu schützen, tritt er in das unternehmerische Risiko ein. Das ist kein Marktversagen, das ist eine Verlagerung unternehmerische Risiken. Die Öffentlichkeit beschwert sich halt dann, dass der Staat eintreten muss. Sie hat sich aber nicht beschwert, als die Zinsen heruntermanipuliert wurden.

                    Italien gibt Schulden in Euro aus, eine Währung über die sie keinen wirklichen geldpolitischen Einfluß haben.

                    Die EZB hat ein Drittel der italienischen Staatsschuld aus dem Markt genommen. Dadurch sinkt das Ausfallrisiko für die privaten Investoren, denn im Zweifel streichen die Währungshüter einfach die Schulden Italiens, wodurch Rom solvent wird oder bleibt. Eigentlich einfach, oder? Viele Notenbanken gehen genauso vor. Das Dumme: angesichts der Höhe, die die Notenbanken in ihren Portfolios haben, wird es wahrscheinlich bald nicht mehr anders gehen als dass sie die Schulden streichen.

                    Die lokalen gäben etwas höhere yields, aber für die letzten 8 Monate hätte ich mir damit keinen Gefallen getan, obwohl die BIP mässig V-shaped durch Covid-19 gehen.

                    Ich sehe Deinen Fehler: Hättest Du die Differenz als Wertberichtigung zurückgelegt und nicht kalkulatorisch vereinnahmt? Unternehmen denken in Risikovorsorge und Wertberichtigung, Private tun das selten. Die sehen nur den (Total-) Ausfall, rechnen aber nicht die höheren Erträge bei jenen Anlagen entgegen, wo es eben nicht zum (Total-) Ausfall gekommen ist.

                    • Stefan Sasse 11. September 2021, 10:28

                      Bist Du sicher? In einem Land, wo die Mitmenschen darauf achten, dass man alle Coronaauflagen einhält? Stellen wir mal die Behauptung zurück.

                      Was für eine intellektuelle Bankrotterklärung.

                    • Erwin Gabriel 11. September 2021, 15:48

                      Stefan Sasse 11. September 2021, 10:28

                      Was für eine intellektuelle Bankrotterklärung.

                      In diesem Fall: von Dir.

                      Stefan Ps Bemerkung war durch einen Smiley deutlich als Ironie gekennzeichnet, und trotz aller politischen Differenzen sollte Dir klar sein, das der Intellekt von Stefan Pietsch (wie Deiner ja auch) überduchschnittlich funktioniert.

                      Sorry – war ebsolut dämlicher, unnötiger Spruch

                    • Stefan Sasse 11. September 2021, 17:16

                      Die Ironie entging mir. Nehme es zurück, sorry.

                    • Erwin Gabriel 16. September 2021, 16:11

                      @ Stefan Sasse 11. September 2021, 17:16

                      Die Ironie entging mir.

                      Kenne ich, passiert mir häufiger

          • Thorsten Haupts 10. September 2021, 16:21

            Der Kern der Finanzkrise von 2008 bestand an den vielen zu gering bewerteten Risiken von Immobilien-Krediten in den USA.

            Nicht wirklich. Der Kern der Krise bestand im ersten Teil in der politisch unterstützten Kreditvergabe an Leute, die sich überhaupt keinen Kredit leisten konnten (auch keinen subventionierten) – Staatsversagen. Im zweiten Teil wurden diese Kredite „abgesichert“ und immer neu auseinandergeschnitten, zusammengesetzt und so gemischt, dass am Ende nicht einmal mehr Finanzprofis wussten, was sie da genau einkauften. Ich halte das übrigens für vorsätzlichen, aber leider legalen, Betrug – Marktversagen. Und im Schlussteil platzten dann reihenweise Kredite (vorhersehbar, siehe erster Teil), die Absicherungsunternehmen waren finanziell überfordert und gingen ihrerseits in Konkurs. Womit die im gesamten Markt weltweit gestreuten Kreditschnipsel-Bündel bei praktisch allen Finanzinstitutionen weltweit rumlagen, aber niemand wusste, wo und wieviel und mit welchen Risiken genau. Damit trauten sich alle Finanzinstitutionen weltweit nicht mehr über den Weg und die Kreditvergabe starb über Nacht regelrecht aus. Exit Finanzkrise 2008.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Stefan Sasse 10. September 2021, 18:02

              Ich finde den Versuch, die Finanzkrise auf den Staat zu schieben, ziemlich dünn. Klar, die Regulierung (oder ihr Mangel) und die Subventionen waren ein Problem, aber der Subprime-Handel passierte nicht auf staatlicher, sondern finanzindustrieller Ebene, von mittelmäßigen Leuten, die unter völliger Hybris litten und glaubten, die masters of the universe zu sein.

              • Erwin Gabriel 11. September 2021, 15:56

                @ Stefan Sasse 10. September 2021, 18:02

                Ich finde den Versuch, die Finanzkrise auf den Staat zu schieben, ziemlich dünn.

                Ich kann die Aussage nachvollziehen.

                bei der Subprime-Krise kamen zwei Punkte aufeinander: Der (eigentlich löbliche) Wunsch des Staates, möglichst viele Bürger in Wohneigentum zu bringen, und die Möglichkeiten der banken, die dazu abgeschlossenen Kredite gewinnbringend in eigene Papiere zu bündeln. Beides war durch gesetzliche Regelungen gefördert/ermöglicht.

                Natürlich gab es Hybris – sowohl bei den Brokern, als auch bei den kreditnehmern, die angesichts ständig steigender Immobilienpreise über Hypotheken ihren Konsum finanzierten.

                • Stefan Sasse 11. September 2021, 17:16

                  Ich sag ja, ich zweifle nicht daran, dass Regulierungsprobleme und schlechte Politiken mit reingespielt haben. Aber dem die einzige oder auch Hauptschuld zu geben ist Unfug.

                  • Thorsten Haupts 11. September 2021, 17:49

                    (Lach) Ohne Subprimes keine Subprime-Krise, Beweisvortrag abgeschlossen.

                    Ich mach da auch gerne einen Langvortrag draus, aber bei intelligenten Leuten sollte das nicht nötig sein. Zum Marktversagen habe ich mich sehr klar geäussert.

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

      • Hanni Hartmann 8. September 2021, 15:03

        @Marc:“ Wenn er (Markt) es könnte, hätte er 30 Jahre lang Zeit gehabt, es bereits getan zu haben. Warum sollte er es jetzt plötzlich machen? Wo ist da eine Logik?
        Die Logik besteht fuer mich eben darin das der Markt es eben NICHT machen kann….Klar; wir als Menschheit muessen bei der Klima Chose gegensteuern und noch mehr Aktionen in Gang setzen. Wir muessen aber uns darüber im Klaren sein, das wir die langfristigen Zyklen auf diesem Planeten nur Minimalst beeinflussen koennen. Vor a 10.000 Jahren lag ein bis zu 3 KM dicker Eispanzer ueber dem Gebiert der Heutigen Bundesrepublik . Mit der von den Gruen als „ONE Theme“ – Klima_ gefahrenen Wahlkampf kriegen wir das problem niemals gelöst…

        „Der Staat kann es auch nicht alleine meistern, das sagt weder Scholz …“

        Das hat Scholz gesagt:…“ Der Staat muss es richten“ Also glatte Bauchlandung schon vorprogrammiert…

        • Erwin Gabriel 11. September 2021, 16:06

          @ Hanni Hartmann 8. September 2021, 15:03

          Wir muessen aber uns darüber im Klaren sein, das wir die langfristigen Zyklen auf diesem Planeten nur minimalst beeinflussen koennen.

          Wir kaempfen nicht gegen einen langfristigen Zyklus, sondern gegen eine eindeutig menschengemachte, kurzfristige, rasante Entwicklung.

          Davon abgesehen bin ich bei Dir. Der Staat legt die Spielregeln fest, aber spielt nicht selbst. Die Spieler (der Markt) agieren, können aber nicht gleichzeitig die Regeln bestimmen.

          Versagen Staat ODER Markt, wird das nichts. Wir brauchen beide. Der Staat legt nur die Ziele fest. Auf welchem Weg die dann erreicht werden, regelt der Markt. Stimmen die Vorgaben oder Regeln nicht, wird der Markt das angestrebte Ziel nicht erreichen koennen.

          Die Fehler in den letzten Jahren lagen klar beim Staat – etwa viel zu späte, schwache und gleichzeitig kostspielige Vorgaben (etwa EEG). Der Markt kann nur innovativ sein im Rahmen der Regeln

  • R.A. 8. September 2021, 11:31

    Nach Betrachtung der sechs relevanten Parteien fehlen mir noch zwei Aspekte:

    Einmal die Frage, wo die „Querdenker“ ihr Kreuz machen werden. Und da meine ich nicht nur die hardcore-Spinner, die zu irgendwelchen Demos gehen. Sondern die viel weiter reichendere Gruppe von Leuten, die mit der Corona-Politik stark unzufrieden sind (insbesondere weil es sie wirtschaftlich schwer getroffen hat, bis hin zur Pleite). Das dürften bestimmt 10-15% der Wähler sein, die ihre Wahlentscheidung wesentlich von dieser Frage bestimmen lassen. Und die haben bisher alle möglichen Parteien gewählt, die größte Gruppe von ihnen sind wohl die Impf-Gegner aus der esoterischen Ecke, die früher grüne Stammwähler waren.
    M. E. hat die AfD hier ein Potential, das nichts mit ihren übrigen Themen zu tun hat. Und es könnten diverse Kleinparteien profitieren.

    Und diese übrigen Parteien sind der zweite Aspekt. Ich gehe davon aus daß die insgesamt deutlich mehr Stimmen bekommen werden als bei der letzten Wahl. Wahrscheinlich wird es trotzdem keine in den Bundestag schaffen – aber da werden den sechs betrachteten Parteien ganz wesentliche Prozente fehlen.
    Einerseits werden die Freien Wähler CDU/FDP schaden, andererseits Volt und Klimaliste den Grünen. Und ich vermute auch, daß viele bei den Umfragen SPD angeben weil es gerade Hype ist, aber dann doch lieber eine Kleinpartei wählen. Die völlige Unklarheit über die kommende Regierungskoalition sorgt ja auch dafür, daß das übliche „man darf keine Stimme verschwenden“ ziemlich irrelevant geworden ist.

    • Stefan Pietsch 8. September 2021, 13:05

      Sehe ich nicht so. Außer der AfD gibt es praktisch keine Partei, die Corona leugnet. Gleichzeitig behaupten alle treuherzig, einen weiteren Lockdown solle es nicht geben.

      Die Freien Wähler wildern zum Großteil bei den Konservativen, kaum bei den Liberalen. Das war bisher die Linie bei den Landtagswahlen. Entsprechend ist die Wahlstrategie der Partei ausgerichtet.

      Wähler sind ein Stück Opportunisten. Sie wollen bei den vermeintlichen Siegern sein. Die SPD liegt derzeit deutlich in Front und wird aller Voraussicht nach diese Bundestagswahl gewinnen. Hinzu kommt, dass in den nächsten 10 Tagen weitere Millionen bereits ihr Kreuz machen werden, lange vor dem eigentlichen Wahltag. Diese Wahl ist für die Demoskopen gelaufen, das sieht man im Unionslager genauso. Kaum noch ein Spitzenpolitiker will sich mit Laschet, dem vermutlichen Wahlverlierer sehen lassen, schon gar nicht sein eigentlicher Kompagnon Jens Spahn. Weg, alle weg.

      Eher steht also zu vermuten, dass die SPD in den letzten Tagen noch einen Swing nach oben erlebt. Ein Ergebnis von 26-28 Prozent würde mich nicht überraschen. Auch die Liberalen können noch Last Minute zulegen, für die Grünen dagegen sieht es düster aus. Jede Woche verlieren sie fast 1%, sie haben den Geruch des Verlierers. Lieber SPD als Grüne, wird sich da so mancher sagen.

      • R.A. 8. September 2021, 13:15

        „Außer der AfD gibt es praktisch keine Partei, die Corona leugnet.“
        Es geht nicht um die echten Corona-Leugner. Das ist in Deutschland nur eine ziemlich kleine Gruppe.
        Aber es gibt deutlich mehr Leute die die Angemessenheit der Corona-Maßnahmen kritisch sehen. Teilweise mit einer so hohen persönlichen Betroffenheit, daß dieses Thema ihre Wahloption entscheidet.

        „Gleichzeitig behaupten alle treuherzig, einen weiteren Lockdown solle es nicht geben.“
        Das ist ziemlich unglaubwürdig, da solche Zusagen schon mehrfach nicht eingehalten wurden.

        „Diese Wahl ist für die Demoskopen gelaufen …“
        Womit die Demoskopen wohl wieder einmal falsch liegen. Was die Leute den Demoskopen erzählen dürfte oft nichts mit dem zu tun haben, was sie parallel bei der Briefwahl oder später an der Urne ankreuzen.
        Speziell die CDU halte ich für demoskopisch unterbewertet. Da wird es derzeit einen Effekt geben, den es schon bei de AfD gab: Wegen der allgemeinen Stimmung trauen sich viele nicht zuzugeben, daß sie die wählen.
        Natürlich wird die Union deutlich schlechter abschneiden als die 33% vom letzten Mal. Aber einen Absturz auf die derzeit behaupteten 19% halte ich für extrem unwahrscheinlich.

        • Stefan Pietsch 8. September 2021, 13:36

          Die FDP macht da ein Angebot. Völlig überragend wurde da aber nicht eingezahlt, schon gar nicht in der von Ihnen skizzierten Höhe. Entweder bewerten Sie es über oder das ist alles schon eingepreist. Nach meiner empirischen Aufnahme wirkt das Angebot der FDP attraktiv. Und das war’s.

          Die bisherige, geradezu ängstliche Corona-Politik ist maßgeblich von der Bundeskanzlerin dominiert. Mehrmals brachte sie die Ministerpräsidenten mit Drohungen und politischen Winkelzügen auf Linie. Das fällt weg.

          Über die Hälfte der Deutschen will Briefwahl machen. Dazu müssen die Stimmzettel bis knapp eine Woche vor der Wahl eingeschickt sein, also in 10 Tagen. Viele warten jedoch nicht so lange, man möchte schnell sein Kreuz machen.

          Ich kenne keinen Konservativen, der freiwillig für Laschet stimmen würde. Keinen einzigen. Ich kenne aber einige, die der Name vertrieben hat. Und auch mancher, der sagt: lieber Scholz als diese Union. Wie bei den Grünen halten viele konservative Wähler die Nominierung von Laschet schlicht für Betrug. Die Umfragen waren so eindeutig, das Votum der Mitglieder war eindeutig und in einer Nacht-und-Nebelaktion wird der Provinzfürst Kandidat. So geht’s nicht.

          Meine Schätzung zur Union liegt daher bei 20-22 Prozent, zumal sie in Umfragen meist besser abgeschnitten hat als am Wahlabend. So z.B. 2017. Es käme einer Sensation gleich, würden die Schwarzen noch vor die Roten kommen. Ich glaube, Sie machen sich keinen Begriff, wie unbeliebt Laschet tatsächlich ist.

        • Stefan Sasse 8. September 2021, 18:21

          Ich wäre da auch vorsichtig. Sind noch drei Wochen.

      • Dennis 8. September 2021, 19:32

        Zitat Stefan Pietsch
        „Auch die Liberalen können noch Last Minute zulegen“

        Diesen Optimismus hätte ich hier nie erwartet^.

        Allensbach (nicht links-versifft wie Forsa) macht da heute den party pooper: FDP 9,5 🙁 🙁 , also ein Minus zu 2017; da wiederum lagen die im Hinblick auf die FDP 0,2 Pünktchen daneben.

        Okay, es kann alles anders kommen, klar. Die ganz Alten wissen ja noch, wie Noelle-Neumann anno ’69 im Fernsehen feierlich den Kiesinger zum Wahlsieger ausgerufen hat. Wenn wünschen hilft, hätte ich auch noch ein paar Wünsche.

        Zitat:
        „für die Grünen dagegen sieht es düster aus. “

        Das versteht sich von selbst

        • Stefan Pietsch 8. September 2021, 19:46

          Allensbach ist Unionsnah. 2009 sahen sie den Erfolg der FDP in dem Ausmaß nicht kommen, 2013 konnten sie deren Untergang nicht prognostizieren. Es erscheint nicht gerade plausibel, dass die Liberalen in einer nahezu idealen Situation – Schwäche der Union, kritische Position zu Grundrechtseinschränkungen, Alleinstellungsmerkmal in Wirtschaftsliberalität – schlechter abschneiden sollte als 2017. Alle anderen Institute sehen das sehr konträr.

          Generell sind Allensbach-Prognosen direkt vor der Wahl sehr präzise. Nicht jedoch zum jetztigen Zeitpunkt. 2017 sah man am 6.9. die Union noch 6%-Punkte über ihrem tatsächlichen Ergebnis – ohne dass es damals ein Ereignis gab, welches den Absturz hätte erklären können. Und 1998 prognostizierte man noch ein Kopf-an-Kopf, was es dann bekanntlich nicht wurde.

          Die FDP jedenfalls wird von Allensbach traditionell unter par gesehen.

          • Kirkd 9. September 2021, 10:02

            Forsa ist der SPD Trendmacher. Die legen vor, in der Hoffnung, dass die öffentliche Meinung folgt. Ging zuletzt aber immer schief, siehe Steinbrück und Schulz-Zug. Ausserdem haben sie immer passende Umfragen parat, wenn es darum geht moderate SPDler gegen SPD-Linke durchzusetzen.

            Allensbach ist der Stabilitätsanker des bürgerlichen Lagers. Da Noelle-Neumann einst nachgewiesen hat, dass die Wähler dem Sieger folgen und aussichtslosen Partein von der Stange gehen, hält sie die Stellung für die Union und würde niemals die FDP vor einer Wahl unter 5% setzen, damit der die Wähler nicht von der Stange gehen. 1998 hatte Allensbach bis eine Woche vor der Wahl prognostiziert, dass Kohl Kanzler bleibt um dann plötzlich umzuschwenken und das präzisteste Ergebnis von allen vorherzusagen. Anfang der 90er hatten sie den Einzug der Republikaner in den Landtag Bawü mit 9% nicht vorhergesagt. Damit konfrontiert erklärte Allensabach, dass sie das sehr wohl vorhergesagen konnten, aber die Zahl nicht publiziert haben, damit sich nicht noch mehr Wähler dazu entscheiden, Republikaner zu wählen. Mit anderen Worten: sie haben zugegegeben, dass sie die Zahlen wegen ihrer Auswirkung auf Wahlentscheidungen frisieren.

            • Stefan Sasse 9. September 2021, 10:49

              Exakt. Beide sind parteiisch.

              • Dennis 9. September 2021, 12:29

                Nu ja, aber die operieren ja nicht von sich aus sondern haben für die Polit-Sachen, die an das Publikum weitergereicht werden, Auftraggeber aus der Medien-Industrie. Jemand muss das ja auch bezahlen^. Die alte Tante Allensbach wird von der alten Tante F.A.Z. beauftragt, Forsa von Subunternehmen des Hauses Bertelsmann. Keine Ahnung, ob das was bedeutet.

                Wenn schon Verschwörung^, glaub ich eher an eine Art informelle Kartellabsprache nach dem Motto, wenn wir alle gleich bedeppert dastehen (wie namentlich beim berühmten Fall 2005) hat keiner einen Reputationsnachteil im Hinblick auf zukünftige Aufträge. In diesem Sinne wäre Allensbach allerdings momentan ein – milder – Kartellbrecher, Forsa eher mainstreammäßig unterwegs.

                Schwierig auch die Frage, welche Manipulation (abgewertet/aufgewertet) überhaupt den gewünschten Effekt hat, falls so was von wem auch immer gewünscht ist und ob und inwieweit der ganze Umfrage-Zirkus überhaupt „was bringt“ und falls ja, was genau. Vielleicht tanzt die politische Klasse da ja an der falschen Stelle.

                Alles sehr komplex, jedenfalls . Die von Kirkd beschriebene Allensbach-Manipulation in BaWü hatte jedenfalls keinen Erfolg 🙁 Die Umschwenk-Theorie im Hinblick auf 1998 kann ich allerdings nicht nachvollziehen:
                https://www.wahlrecht.de/umfragen/allensbach/2002w.htm

                • Stefan Sasse 9. September 2021, 13:05

                  Ich kenne bestätigt nur von Allensbach aus den 1960ern dass sie für die CDU Ergebnisse gefälscht haben. Neueren Datums liegt mir da nichts vor. Aber Forsa hat immer extrem politische Positionierungen gehabt durch Manfred Güllner, und die schlagen auf die Ergebnisse durch. Meine Bekannten, die im Sektor arbeiten, halten von den beiden auch nichts.

                  • Hias 9. September 2021, 17:26

                    Wie sehen deine Bekannten Wahlkreisprognose? Die hatte ich bisher nicht aufm Schirm, aber die wagen sich auch ziemlich weit vor.

                    • Stefan Sasse 9. September 2021, 18:34

                      Meinst du generell oder eine spezifische?

                    • Hias 9. September 2021, 23:39
                    • Stefan Sasse 10. September 2021, 12:19

                      Ich erkundige mich mal.

                    • Dennis 10. September 2021, 09:12

                      Uuii, danke für den Link. Bei election.de ist die Rotfärbung z.Zt.noch etwas milder, Schleswig-Holstein ist da noch kaum umgekippt, aber so was ändert sich ja momentan stündlich^.

                      Hieß es nicht unlängst noch, die Wahl wäre langweilig? Dass das Mehrheitswahlrecht für die Genossen interessant wäre, hat bis vor Kurzem auch noch keiner gedacht.

                      So gedopt wurden wir Politjunkies schon lange nicht mehr.

                    • Hanni Hartmann 10. September 2021, 09:22

                      @Dennis:“ So gedopt wurden wir Politjunkies schon lange nicht mehr…“
                      Wo ist eigentlich die Partei die eine signifikante Reduzierung des aufgeblähten Bundestages im Programm hat ?

                    • Stefan Sasse 10. September 2021, 12:22

                      Oh, das wollen sie alle. Nur eben so, dass es den anderen mehr schadet als ihnen. Wenig überraschend kommt da kein Konsens raus.

                    • Dennis 10. September 2021, 09:35

                      @ Hartmann

                      Grüne, FDP und Linke. Deren (gemeinsamer!) Gesetzentwurf (das ist mehr als ein Programm, kann man/frau ergoogeln) wurde von der jetzigen Koalition bisher abgelehnt. Dass das in der neuen Legislatur, also für die nächste Wahl, auf keinen Fall so bleibt wie jetzt, ist mit großer Sicherheit anzunehmen.

                    • Hias 10. September 2021, 11:29

                      @Dennis: Und um das Ganze noch zu steigern, hier auch noch der Link zur INSA-Wahlkreiskarte:
                      https://www.insa-consulere.de/insa-wahlkreiskarte/

                      Die erscheint mir aber schon ziemliches Wunschdenken.

                      Das ist inzwischen schon echt verrückt. Alleine in Bayern läßt sich für mindestens die sechs großstädtischen Wahlkreise nicht sagen, wer die erobert.

                    • sol1 10. September 2021, 20:33

                      „Die erscheint mir aber schon ziemliches Wunschdenken.“

                      Vor allen Dingen scheinen mir einige Prognosen totaler Quatsch zu sein.

                      Die SPD soll in diesem Wahlkreis vorne liegen?

                      https://de.wikipedia.org/wiki/Bundestagswahlkreis_Kulmbach

                      Da kippt viel eher ein Wahlkreis im Münchner Umland.

            • Stefan Pietsch 9. September 2021, 11:48

              1998. Das ist 23 Jahre her, oder? Glauben Sie ernsthaft, Unternehmen bleiben eine Generation unverändert? Ändern Sie sich nie?

              Die Demoskopie lebt von Umfragen für die Wirtschaft. Marktforschung und Analyse von Kundensegmenten sind die lukrativen Aufträge. Die politische Demoskopie wird weitgehend nebenbei betrieben. Die Sonntagsfrage ist der Wettbewerb, in dem die Institute ihren Kunden belegen, wie genau sie die Belange der Bevölkerung einschätzen können. Es ist der Maßstab für Seriosität.

              Als einziges Institut hat die Forschungsgruppe Wahlen zuletzt noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen drei Parteien prognostiziert, während alle anderen die Grünen (schnell) fallen sehen. Auch hier ließe sich viel hineininterpretieren. Aber es bleibt das Endergebnis: wer wird nach der nächsten Woche das Wahlergebnis am genauesten vorhersagen können?

              • Hanni Hartmann 10. September 2021, 19:52

                @Sasse:“ Oh, das wollen sie alle. Nur eben so, dass es den anderen mehr schadet als ihnen. Wenig überraschend kommt da kein Konsens raus….“

                Ja, leider. Warum? Weil wir nur noch Polit Fuzzies und Apparatschiks und Karrieristen in den Parlamente sitzen haben.

                • Stefan Sasse 10. September 2021, 21:24

                  Kaum zu glauben, aber wenn du in die Politik gehst, wirst du Politiker. Wer ein Unternehmen gründet, wird Unternehmer.

                  • Hanni Hartmann 10. September 2021, 22:03

                    @Sasse: „.“Kaum zu glauben, aber wenn du in die Politik gehst, wirst du Politiker. Wer ein Unternehmen gründet, wird Unternehmer……
                    Ich wage mal zu behaupten das du von Unternehmern und Unternehmen herzlich wenig Ahnung hast….

                    • Stefan Sasse 11. September 2021, 10:27

                      In etwa so viel wie du von Politik. Meine Aussage war aber eine andere: sich darüber zu echauffieren, dass Leute, die in die Politik gehen, Politik machen, ist ungefähr so sinnvoll wie sich darüber zu echauffieren dass Leute, die ein Unternehmen gründen, dann ein Unternehmen führen.

                • Thorsten Haupts 11. September 2021, 18:54

                  Und ich, lieber Herr Hartmann, würde niemals einen Unternehmer in die Politik lassen. Da sind sie nämlich völlig ausserhalb ihres Elementes, wissen aber trotzdem immer alles besser :-).

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

                  • Hanni Hartmann 11. September 2021, 23:33

                    @Thorsten Haupts: „Und ich, lieber Herr Hartmann, würde niemals einen Unternehmer in die Politik lassen. Da sind sie nämlich völlig ausserhalb ihres Elementes, wissen aber trotzdem immer alles besser :-).

                    Nun; Ich habe lieber Unternehmer in der Politik als Politiker als Unternehmer…

                  • Stefan Sasse 12. September 2021, 12:09

                    Exakt. Das ist bisher noch jedes Mal schiefgegangen.

        • Stefan Sasse 9. September 2021, 09:06

          Forsa und Allensbach sind beide bestenfalls B-Tier. Ich vertraue keinem der beiden.

          • Hanni Hartmann 11. September 2021, 13:48

            @Sasse:“Meine Aussage war aber eine andere: sich darüber zu echauffieren, dass Leute, die in die Politik gehen, Politik machen…………“
            Ich habe kein Problem das Leute in die Politik gehen. Ich habe allerdings schwere Probleme damit, das Leute in die Politik gehen, die Ich in meinen Firmen allenfalls als Pförtner haette eingestellen lassen.

            • Stefan Sasse 11. September 2021, 17:15

              Nun, diese arrogante Herablassung kannst du natürlich zur Schau stellen, aber sie sagt mehr über dich als die Politik.

    • Stefan Sasse 8. September 2021, 18:20

      Überzeugte Querdenker können eigentlich sinnvoll nur zur AfD, wenn das den Ausschlag der Wahlentscheidung geben soll. Wenn es das nicht tut, entscheiden die anderen strukturellen Milieufaktoren.

    • cimourdain 8. September 2021, 18:44

      In meinen Augen werden „Coronafrustrierte“ 4 Optionen wahrnehmen.
      – Wahlenthaltung (Ich fürchte eine insgesamt schwache Beteiligung)
      – AfD, die darauf mit ihrem „Deutschland, aber normal“ Slogan genau darauf aus ist
      – FDP, die tatsächlich gegen die Coronamaßnahmen Oppositionsarbeit geleistet hat
      – Die Basis, die zwar in den Medien das Voldemort-Treatment bekommt, aber dafür in Foren und Kommentarspalten massiv Astroturfing betreibt.

      „Kleinparteien“ haben zusammen in Umfragen mit 7,3% mehr Anteil als bei der Wahl 2017 (5%) . Über die Zusammensetzung schweigen die Umfrageinstitute. Nach meinem Gefühl wird das aber zu wenig Verschiebungen führen, (‚wegnehmen‘ tun sie den Großen insgesamt ja eh nichts) da jede Partei die eine oder andere ‚kleine Konkurrenzpartei‘ hat.
      Chancen haben wohl nur die Freien Wähler, die den ‚wie die CDU vor 20 Jahren‘ Teil gut ausfüllen ohne den Igitt-Faktor der AfD zu haben.
      Volt sehe ich eher zwischen Grünen und FDP (proeuropäisch, prodigital, irgendwie modern), aber nicht über 1%.
      ‚Klimaliste‘ vielleicht 1-2% in den Ländern, wo die Grünen mitregieren, in den anderen Ländern vernachlässigbar.
      ‚Die Basis‘ : ein großes X (siehe oben)
      ‚Die Partei‘: uninteressant. Die, die von der Politik frustriert sind, haben in derzeit wenig Lust auf Spassmacher.

      • Stefan Sasse 9. September 2021, 09:05

        – Ich hoffe auf Wahlenthaltung be idenen.
        – Der Slogan ist großartig, aber die Umfragen zeigen keinerlei solche Bewegung an
        – Am ehesten die FDP, ja
        – Die Basis ist eine irrelevante Splitterpartei

        • cimourdain 9. September 2021, 20:13

          – Enthaltung : Nicht dein Ernst. Davon abgesehen, dass es nach Demokratieverwahrlosung klingt, ist es kurzsichtig. Überleg einmal, was es bedeutet, wenn 10-15% des Elektorats (und ich denke R.A.’s Schätzung ist realistisch, eher zu konservativ), die von einer Politik reale Nachteile hatten, so enttäuscht sind, dass sie nicht einmal versuchen, sie durch Wahl zu korrigieren.
          -Basis: Die einzige verlässliche Zahl ist ihr Ergebnis in Sachsen-Anhalt im Juni 2021 (1,5% Zweitstimmen)
          – AfD: Es könnte sein, dass sie (wie 2017) systematisch unterschätzt wird, weil sie überproportional viele ‚closet-voter‘ hat.

          • Stefan Sasse 10. September 2021, 12:15

            – Enthaltung: Die Leute, die harte Querdenker sind, sind viel, viel weniger als 10-15%. Das sind eher 1-2%, wenn überhaupt. Die dürfen gerne wegbleiben. Und wenn alle AfD-Wählenden stattdessen nicht wählten, wäre das auch fein.
            – Basis: Wow. Das ist, was, so viel wie die Piratenpartei? Immerhin mehr als die MLPD.
            – AfD: Die wurde doch nicht systematisch unterschätzt? Die Grünen wurden mehr „systematisch unterschätzt“ als die AfD, wenn du die Umfragewerte und das Ergebnis in den Wochen vor der Wahl anschaust. Das ist kaum 1%.

            • cimourdain 10. September 2021, 16:58

              – Enthaltung: R.A. redet nicht von harten Querdenkern, sondern von Geschädigten ( Unternehmen und Gastwirte, die dichtmachen mussten, deren Angestellte, Künstler, etc..). Und in meinen Augen ist gegenüber den langfristigen Folgen, die ein nachhaltiger Vertrauensverlust nicht nur in Demokratie sondern in Institutionen und Staatlichkeit hat, die AfD das kleinere Übel.

              – Basis: war nach den freien Wähler die zweitstärkste Kleinpartei, Piraten waren bei 0,4, Klimaliste 0,1, Volt und MLPD sind nicht angetreten. Aber was wichtiger ist, die Grenze für Wahlkampfkostenerstattung liegt m.W. nach bei 0,5%.

              -AfD: nach dem Hype 2016 wurde sie im Sommer vor den Wahlen durchaus systematisch unterschätzt:
              https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/1b/Mittelwerte.png
              Siehst du den Haken nach oben kurz vor den Wahlen?

              • Stefan Sasse 10. September 2021, 18:03

                – Wer die AfD als kleineres Übel wählt, sollte ich besser enthalten.

                – Okay. Gibt immer wieder Parteien die 1, 2, 3% kriegen. Weck mich wenn sie 4,5% erreichen.

                – Falsche Prämisse. Vielleicht waren sie 2016 auch schwächer? Du kannst ja nicht das Ergebnis von 2017 zurückdatieren.

    • Ariane 8. September 2021, 22:13

      Die Hardcore-Querdenker haben ja auch noch „die Basis“. Ansonsten denke ich auch, dass AfD – vielleicht auch Linke oder FDP da etwas auffangen können. Insgesamt denke ich aber, dass das Thema deutlich in den Hintergrund getreten ist.

      Mit einem kleinen Zuwachs der Kleinstparteien rechne ich auch. Vielleicht auch eine normale Reaktion der Ausdifferenzierung, ich denke aber, dass das insgesamt nicht so eine große Rolle spielen wird.

  • Stefan Pietsch 8. September 2021, 12:51

    Leider wiederholst Du fast schon penetrant Dein rein subjektiv gefärbtes Bild: Die AfD wäre ein Medienereignis und bestimmte Themen, so sehr sie auch die Bevölkerung interessieren, sollten ausgespart werden. 2016 / 2017 sorgten Terroranschläge, steigende Gewaltkriminalität wie die Kölner Silvesternacht 2015/2016 zusammen mit einem anhaltend starken Zuzug von Migranten dafür, dass das Flüchtlingsthema zwangsläufig eine dominierende Rolle spielen musste. Was denn sonst?! Eine Gesellschaft von 82 Millionen Einwohnern kann nicht einfach mal 2 Millionen Menschen aus Regionen aufnehmen, mit denen keine kulturelle Verbundenheit besteht, und die demokratische Politik sagt: Darüber diskutieren wir nicht. Dass es so nicht geht, zeigten schon die Landtagswahlen 2016. Bis zur Bundestagswahl war die AfD fast in jedes Landesparlament eingezogen, meist mit zweistelligen Stimmenergebnissen. Alles andere als der Einzug in den Bundestag wäre da eine nicht erklärbare Anomalie gewesen.

    Nach einer Studie der Otto Brenner Stiftung beschäftigen sich 2017 nur 12% der Talksendungen im Monat vor der Bundestagswahl mit dem Thema Migration, 15% jedoch mit Arbeit/Familie/Soziales und 11% mit der Außenpolitik (warum auch immer). Auch eine breiter angelegte Studie kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Im Beobachtungszeitraum 2017 – 2020 lag das Thema Parteien / Wahlen vorn, gefolgt von Europa. Das Thema Migration / Asyl spielt in Talksendungen traditionell eine untergeordnete Rolle, obwohl nach einer neuen Allensbach-Studie das für ein Drittel der Bevölkerung das Top-Thema ist.

    In diesem Zusammenhang werden auch Redakteure von Talkshows und des ARD-Magazins „Monitor“ interviewt. Betont wird das Selbstverständnis, dem Publikum Informationen zur Meinungsbildung zu liefern. „Monitor“-Chef Georg Restle geht einen Schritt weiter: „Meinungsfreiheit gibt es nicht ohne Meinung.“ Die Frage, ob Politsendungen das Wahlverhalten ändern können, wird verneint. Volker Wilms, Redaktionsleiter von „Maybrit Illner“, sagt: „Den Anspruch möchte ich auch gar nicht haben.“

    Dass die Berichterstattung das Wahlergebnis 2017 signifikant beeinflusst hätte, ist nichts weiter als eine wenig fundierte Meinung.
    https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/thema-migration-in-talksendungen-haben-ard-und-zdf-den-erfolg-der-afd-herbeigesendet/24242642.html
    https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/studie540.pdf

  • Hanni Hartmann 8. September 2021, 14:52

    @R,A, :“ In ihrem Szenario zeichnen sich Ansaetze zu einer neuen „Weimarer Repubik“ ab. Wuerde mich nicht wundern

  • Nomenestomen 9. September 2021, 07:53

    Der Elefant im Raum wird hier gar nicht thematisiert, die Spaltung der Gesellschaft, die von allen Parteien massiv gefördert wird.
    Da kann man wählen, wen man will, ausser vielleicht einer neuen Partei, die sind alle ganz fleissig mit dabei.
    Von Wahlmöglichkeit kann keine Rede sein, aber solange es in den Ämtern demokratisch zugeht, ist auch alles in Butter.

    • Stefan Sasse 9. September 2021, 09:09

      Sorry, aber das ist Unfug. Das ist pluralistischer politischer Streit, keine „Spaltung der Gesellschaft“. Das ist Kernelement der Demokratie.

    • cimourdain 9. September 2021, 23:19

      Von welcher Spaltung sprichst du ?
      1) Der ökonomischen Spaltung in Arm und Reich
      2) Der kulturellen Spaltung in ‚conservative‘ und ‚liberal‘ (im US-Sinn)
      3) Dem Zerfall in unterschiedliche kleine Deutungsgrüppchen?

      1) lässt sich innerhalb des politischen Systems mit politischem Willen etwas lindern und bremsen, aber nichtgänzlich vermeiden.
      2) Benötigt eine sehr Charismatische Führungspersönlichkeit, aber die ist nicht in Sicht. Außerdem kann so etwas furchbar schief gehen.
      und 3) ist, wie Stefan Sasse meint ein ständiges Streiten und Aushandeln.

      • Soso 10. September 2021, 17:48

        Das darf man in diesem Blog nicht schreiben, es hat mit einem Piks zu tun.
        Die drei Punkt sind doch keine aktive Spaltung, da kenne ich nur eine Sache.

        • cimourdain 10. September 2021, 23:45

          Weiter unten habe ich die Schweigespirale erwähnt. Schreibst du nur „Das darf man nicht schreiben“ oder wurden ernsthafte, nicht polemische Beiträge gelöscht. Aussagen wie „Die derzeitige Impfdebatte führt zur Spaltung der Gesellschaft und wenn es so weiter geht zu einer Zwei-Klassen-Gesellschft“ oder auch „Viel spricht dafür, dass die Stigmatisierung Ungeimpfter dazu dient, den Ärger der Bevölkerung über das Versagen bei der Coronabekämpfung auf eine Minderheit als Sündenbock umzuleiten“ sind imho diskussionswürdig.

          • Stefan Sasse 11. September 2021, 10:28

            Kannst du sicher diskutieren, halte ich nur für Blödsinn ^^

  • Wirtschaftswurm 9. September 2021, 09:59

    Interessant, dass die Verfassungsschutzdebatte auch nach Meinung des Autors für die AfD irrelevant ist.

    • Stefan Sasse 9. September 2021, 10:48

      Du meinst, dass sie ein Verdachtsfall sind? Es kann kein Zweifel bestehen, dass die AfD rechtsradikal ist. Wer sie wählt, hat das bereits einkalkuliert und stört sich entweder nicht dran oder wählt sie, WEIL sie rechtsradikal sind.

    • sol1 9. September 2021, 12:24

      Intern ist sie keineswegs irrelevant, wie Alexander Leschiks Enthüllungen in seinem mit Nicolai Boudaghi verfaßten Buch „Im Bann der AfD“ (Kapitel 12) zeigen. Meuthen warnt in internen Konferenzen vor einer Übernahme der AfD durch Leute, die eine Beobachtung durch den VS „geradezu geil“ finden, und der Leiter der Arbeitsgruppe, die sich am tausendseitigen VS-Gutachten abmüht, bezeichnet sie als „aktuell die wichtigste Truppe der Partei“.

      • Erwin Gabriel 10. September 2021, 10:41

        @ sol1 9. September 2021, 12:24

        Meuthen warnt in internen Konferenzen vor einer Übernahme der AfD durch Leute, die eine Beobachtung durch den VS „geradezu geil“ finden, und der Leiter der Arbeitsgruppe, die sich am tausendseitigen VS-Gutachten abmüht, bezeichnet sie als „aktuell die wichtigste Truppe der Partei“.

        Es gibt in der Tat noch einen bürgerlich-konservativen Flügel in der AfD, die nur rechtskonservativ anstatt rechtsextrem sein wollen, und die hoffen, dass sie sich bei entsprechendem „Stillhalten“ à la Grüne oder SPD (wo die Spitzenkandidaten auch deutlich mittiger sind als die Partei) als Strohhalm für die Union anbieten können.

        Aber das wird die Partei nicht vor dem Extremismus retten. Deren beste Redner ist Höcke, und er uns seine Truppen sind durchaus bereit, durchzuziehen und Schritte zu gehen, vor denen Gauland und Meuthen zurückschrecken würden.

        • sol1 10. September 2021, 11:09

          Ich empfehle dazu nachdrücklich dieses Aussteigerbuch sowie das ältere von Franziska Schreiber aus dem Jahr 2018.

          Eine bürgerlich-konservative Haltung läßt sich in der AfD nicht durchhalten, weil man, um für einen Parteiposten oder für eine Wahlliste aufgestellt zu werden, die extremistischen Kräfte mit markigen Worten bedienen muß. Hinzu kommt die Radikalisierung durch die Blase, in der man sich in den sozialen Medien bewegt.

          Leschik erzählt, wie er bei seiner Mitarbeit in der „Arbeitsgruppe Verfassungsschutz“ schockiert war, als er bei der Lektüre des VS-Gutachtens immer wieder feststellen mußte, daß Leute, die er als Verbündete der „Gemäßigten“ in Erinnerung hatte, im Internet mit Islamhaß, Rassismus und Demokratiefeindlichkeit aufgefallen sind.

          Er resümiert:

          „Ich selbst bin nach dem Lesen der vielen Seiten einerseits erschrocken, dass ich so lange dabeigeblieben bin. Klar, ich habe innerhalb der AfD immer gegen die radikalen Kräfte angekämpft. Aber habe ich das Zerstörerische, das letztlich Zersetzende solcher AfD-Äußerungen tatsächlich immer bemerkt? Und ist davon nicht auch einiges in meine eigenen Reden eingesickert?“

          (S. 222)

          • Erwin Gabriel 16. September 2021, 16:21

            @ sol1 10. September 2021, 11:09

            Eine bürgerlich-konservative Haltung läßt sich in der AfD nicht durchhalten, weil man, um für einen Parteiposten oder für eine Wahlliste aufgestellt zu werden, die extremistischen Kräfte mit markigen Worten bedienen muß.

            Zustimmung. Das ist, was kurzzeitig Bernd Lucke, dann mit geringerer bzw. fast ohne Hemmschwelle Frauke Petry und Alexander Gauland versucht haben. Lucke und Petry gingen den Extremisten nicht weit genug, und mussten gehen. Gauland hat sich meiner Einschätzung nach inzwischen in seiner Blase radikalisert, aber nicht gemerkt, wie weit er inzwischen ins Extreme abgerutscht ist. Und Meuthen steht mit dem Rücken zur Wand.

            Wie immer die einzelnen Mitglieder ticken mögen, die AfD als Partei ist rechtsextrem.

            • Stefan Sasse 16. September 2021, 17:37

              Lucke war ein kompletter Amateur. Zauberlehrling par excellence.

        • Stefan Sasse 10. September 2021, 12:24

          In Parteien setzen sich nicht die besten Redner durch, sondern diejenigen, die am besten netzwerken.

        • Hanni Hartmann 10. September 2021, 19:21

          @Erwin Gabriel:“Aber das wird die Partei nicht vor dem Extremismus retten. Deren beste Redner ist Höcke, und er uns seine Truppen sind durchaus bereit, durchzuziehen und Schritte zu gehen, vor denen Gauland und Meuthen zurückschrecken würden.“
          Das sehe ich sehr aehnlich. Das ist der Fluch der AfD das sie sich nicht von der zwar kleinen, aber vokalen und radikalen Minderheit lösen koennen. Ohne diese Idioten waere die AfD echt eine „Alternative“ und wuerde ei bedeutend besseres Ergebnis einfahren..

          • Stefan Sasse 10. September 2021, 21:24

            Die Annahme, dass die AfD trotz Nazis gewählt wird und nicht wegen ist eine, die nicht immer so leichtfertig angenommen werden sollte.

            • Hanni Hartmann 10. September 2021, 21:59

              @Sasse:“ Die Annahme, dass die AfD trotz Nazis gewählt wird und nicht wegen ist eine, die nicht immer so leichtfertig angenommen werden sollte…….“
              Ach Gottchen, die AfD wird/wurde von Vielen aus Protest gewaehlt. Die hatten ja Stimmen von CDU, von SPD, ja sogar von Gruen und -gasp- sogar von den Linken. Klar geistern da ein paar Nazis/Unverbesserliche herum. Das wird/wurde aber von den Etablierten hochgejazzt. Die AfD hat den Finger in Wunden gelegt und den Alt Parteien blieb das Nichts Besseres uebrig als die Nazi keule zu schwingen…Letzlich deren Armutszeugnis Zeugnis

              • sol1 12. September 2021, 02:50

                Um diesen Quatsch zu widerlegen, reicht es einfach aus, den Fans von Höcke zuzuhören:

                https://twitter.com/JHillje/status/1436246065011904514

                • Hanni Hartmann 12. September 2021, 07:44

                  @Sol1:“ Um diesen Quatsch zu widerlegen, reicht es einfach aus, den Fans von Höcke zuzuhören:……….
                  Klar gibt es da unfassbare und unerträgliche Ansichten und Aeusserungen. Kann man dann ergo die Parteien der Gruenen, der SPD und der Linke ebenso einstampfen weil bei denen ebenso manche Politiker unfassbare und unerträgliche Ansichten und Äusserungen loslassen?

                  • Stefan Sasse 12. September 2021, 12:12

                    Da stimme ich Hanni zur Abwechslung mal zu. Aber bei der AfD brauchen wir auch nicht irgendwelche willkürlichen Fans, da ist das ja in der Parteispitze – anders als bei SPD und Grünen.

          • Erwin Gabriel 16. September 2021, 16:23

            @ Hanni Hartmann 10. September 2021, 19:21

            Ohne diese Idioten waere die AfD echt eine „Alternative“ und wuerde ein bedeutend besseres Ergebnis einfahren.

            Als Bernd Lucke Parteichef war, habe ich die auch gewaehlt. Schon unter Petry nicht mehr, da musste dann die FDP herhalten.

  • sol1 9. September 2021, 10:34

    /// Das Motto des Wahlkampfs, man muss es sagen, ist sehr geschickt gewählt: „Deutschland, aber normal.“ Es ist im Endeffekt das, was die CDU zu sagen versucht, aber in ihrem grausigen Wahlkampf nicht schafft. ///

    Das ist wirklich sehr geschickt.

    Es beißt sich aber mit dem Programm, das solche Hämmer wie den EU-Austritt enthält, und dem extremistischen Personal (in NRW steht ein Kandidat auf einem sicheren Listenplatz, der sich in internen Chats als „das freundliche Gesicht des NS“ bezeichnet). Hinzu kommt ein tölpelhafter Spitzenkandidat, der nicht umsonst parteiintern den Spitznamen „Pinsel“ hat.

    • Stefan Sasse 9. September 2021, 10:49

      Klar tut es das. Es ist geschicktes Messaging, aber es ist immer noch eine rechtsradikale Partei. Und das Kreise fressen wird immer wieder von der eigenen Seite torpediert.

  • sol1 9. September 2021, 10:37

    Das Problem mit Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht ist, daß es völlig unvorhersehbar ist, in welchen Bereichen sie querschießen könnten – siehe die von ihnen neuerdings verbreitete Impfskepsis, die keinem erkennbaren politischen Kalkül entspringt und wohl auf bloßer Besserwisserei beruht.

    • Stefan Sasse 9. September 2021, 10:50

      Ziemlich vorhersehbar – überall, wo gerade populistische Punkte zu holen sind. Das kann Migration sein, das kann Impfgegnerschaft sein, das kann das Gender-Thema sein. Die springen da auf jeden Zug auf.

      • sol1 9. September 2021, 12:27

        „Die springen da auf jeden Zug auf.“

        Vor allen Dingen wenn es gegen die Grünen geht. Das neue Interview habe ich wegen der Paywall noch nicht gelesen, aber die Schnipsel sagen mal wieder alles:

        „Grünen vertreten Ansichten, die in erschreckender Weise autoritär sind“

        „Für Sahra Wagenknecht (Linke) ist es eine Frage der Freiheit, sich für oder gegen die Corona-Impfung zu entscheiden“

        https://www.welt.de/politik/bundestagswahl/plus233666896/Sahra-Wagenknecht-Gruenen-vertreten-Ansichten-die-in-erschreckender-Weise-autoritaer-sind.html

        • Stefan Sasse 9. September 2021, 13:04

          Mir wäre bisher kein spezifischer Anti-Grünen-Zug da aufgefallen, früher schossen sie vor allem gegen die SPD. Mich erinnert das an die Toten Hosen:
          Wir waren dagegen und nie dafür
          Und damit endlich etwas passiert
          ritzten wir in jede Scheißhaustür:
          Viva La Revolution

          • cimourdain 9. September 2021, 20:30

            Danke für diese Erinnerung – und weil es so gut zum Thema passt noch zwie Zeilen aus diesem Lied:

            Und heute können wir wählen zwischen SPD und CDU
            Zwischen RTL und ZDF, für Pepsi oder Coke

            • Stefan Sasse 10. September 2021, 12:18

              Eins das bleibt bestehen:
              Entenhausen bleibt stabil
              Entenhausen bleibt stabil

        • cimourdain 10. September 2021, 09:21

          Um zu wissen, dass Wagenknecht etwas gegen die Grünen hat, brauche ich kein Paywall-Interview. Hier setzt sie völlig frei zugänglich ernsthafte Blankwaffen ein (welche das sind, möge Hanni Hartmann entscheiden 😉 ):
          https://www.focus.de/politik/deutschland/weitergedacht/weitergedacht-die-wagenknecht-kolumne-gruene-versprechen-sauberes-leben-aber-sankta-annalena-behuetet-nur-die-reichen_id_13261539.html
          Dagegen ist dein Zitat ein Therapiegruppen-Wattebäuschchen „Du, ich finde ja, die Annalena hat da erschreckend autoritäre Ansichten“

          • Stefan Sasse 10. September 2021, 12:21

            Ich sag’s ja, die reitet auf jedem Zug, der irgendwie gegen „die da oben“ geht.

          • Hanni Hartmann 10. September 2021, 20:09

            @Cimourdain:“Hier setzt sie völlig frei zugänglich ernsthafte Blankwaffen ein (welche das sind, möge Hanni Hartmann entscheiden ):………………“
            Da fuehle ich mich ja wirklich geehrt und „gebauchpinselt“ das Du mir eine Entscheidung fuer die herzallerliebste Sarah zuschusterst …..
            🙂

    • cimourdain 9. September 2021, 20:23

      kein politisches Kalkül ist eine Fehleinschätzung. Ich sehe mehrere taktische Gründe:
      – Marktlücke: Bisher hat das linke Lager, die Gegner der Coronapolitik vernachlässigt. R.A. geht von 10-15% real geschädigten aus, dazu kommen nochmal so viele (meine Schätzung), die durch Corona weitgehend ihr Vertrauen in Politik und Medien verloren haben.
      – Andockmöglichkeit: Ein strammer Antikapitalismus kann Impfgegner mit dem Stichwort ‚Big Pharma‘ auf einen gemeinsamen Feind bringen
      – Linkes Engagement für unterdrückte Minderheiten ( Wie weit das real, zukünftig möglich oder rein eingebildet ist, möchte ich gar nicht diskutieren) um diese für die eigene Sache zu rekrutieren

      • sol1 9. September 2021, 21:43

        „Bisher hat das linke Lager, die Gegner der Coronapolitik vernachlässigt.“

        So viel ist da nicht zu holen:

        „Die aktuell geltenden Corona-Maßnahmen halten 57 Prozent für gerade richtig. 21 Prozent wollen, dass die Maßnahmen härter ausfallen und 19 Prozent finden die Vorgaben übertrieben.“

        https://www.zdf.de/nachrichten/politik/politbarometer-bundestagswahl-spd-union-100.html

        Das Kalkül von Wagenknecht ist ein anderes – für hundert mehr verkaufte Bücher wird sie stets tausend verlorene Wählerstimmen in Kauf nehmen.

        Deswegen auch das Interview hinter der Paywall von „Die Welt“, wo potentielle Linken-Wähler eher nicht reinschauen – aber haufenweise Leute, die auf Woke-Bashing stehen.

        • cimourdain 10. September 2021, 07:15

          -wenig zu holen: Wenn man noch ein paar Prozentpunkte Schweigespirale (bei dieser toxischen Frage ist das gerechtfertigt) berücksichtigt, lag ich mit meinen 20-30% nicht schlecht.

          – ‚Welt Interview‘ Paywall – Clickbait-snippets. Das ist als Analysequelle dürftig. Wagenknecht gibt ja wahrhaftig genug Interviews, die frei zugänglich sind (watson, tagesspieegel, taz), wo du nicht nach aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten angeln musst. Sonst macht dir der confirmation bias deine gesamte Analyse kaputt.

          • sol1 10. September 2021, 11:14

            „Das ist als Analysequelle dürftig.“

            Es geht mir nicht um die Analyse ihrer Einstellung, die ich (wenn mir daran gelegen wäre) natürlich am besten anhand ihres Buches vornehmen würde, sondern um eine Analyse dieses spezifischen Manövers in der heißen Wahlkampfphase – einer Zeitung ein Interview zu geben, das diese hinter der Paywall versteckt, woraufhin die Anhängerschaft der eigenen Partei nur die frei zugänglichen Schnipsel mitbekommen wird.

            • cimourdain 10. September 2021, 17:15

              Meinst du ernsthaft, dass sie nicht lieber die bessere Reichweite eines frei zugänglichen Artikels nutzt. Diese Entscheidung lag bei der Welt. Die Wahrheit ist allerdings, dass sie mit jedem redet, der nicht bei drei auf den Bäumen ist, in den letzten zwei Wochen auch im FAZ Podcast und Spiegel Daily.

          • Stefan Sasse 10. September 2021, 12:21

            Schweigespirale?

            • cimourdain 10. September 2021, 17:10

              Begriff von Noelle-Neumann: Die Abneigung, in Umfragen Antworten zu geben, die der (vermeintlichen) Mehrheitsmeinung widersprechen. Dies führt zu einer ÜBerbewertung dieser Mehrheitsmeinung, was die Scheu verstärkt, etc.. deshalb Spirale.

              Sehe ich normalerweise eher skeptisch (Ausrede für schlechte Ergebnisse), aber genau eine moralisch überhöhte Frage (und bei C. geht das bis in den Bereich des Religiösen) rechtfertigt dieses Werkzeug durchaus.

        • Stefan Sasse 10. September 2021, 12:18

          Exakt. Wagenknecht ist in eigener Sache unterwegs, nicht für ihre Partei. Das ist nur ein Vehikel. Da ist sie wie Metzger, wie Sarrazin, usw.

  • Lemmy Caution 11. September 2021, 14:15

    Wir reden aktuell viel aneinander vorbei und ich finde deine Ausführungen stellenweise seltsam.

    SP: Wenn es nicht lukrativer wäre, würde niemand risikobehaftete Anlagen kaufen. Das habe ich glaube deutlich gemacht.

    LC: Das weiss doch jedes Kind.

    SP: So, was passiert, wenn der Staat durch einen äußeren Eingriff den Zins für risikobehaftete Anlagen nach unten manipuliert, beispielsweise durch Verbilligung von Krediten oder Buy Back-Garantien?

    LC: Staatsanleihen laufen mit Festzinsen. Da kann der Staat den Zins überhaupt nicht manipulieren. Im Jahr bekommt man Zinszahlungen zu einem festgesetzten Anteil des Nennwerts. Bei meinem Chile Bond afaik 3,9% p.a., wobei der Preis beim Kauf niedriger war als der Nennwert was normal ist, dass ich auf ca 5% als yield komme.

    LC: Droht der default, hat vor allem auch der Gläubiger die zukünftige Entwicklung falsch vorausgesehen.

    SP: Nein, das ist absoluter Unsinn. Investoren nehmen eine Risikobewertung vor und treffen dafür Vorkehrungen.

    LC: Deine Aussage, mein Lieber, ist absolut irre.
    Investitionsentscheidungen basieren auf Erwartungen. Erwartungen können sich als falsch erweisen.
    Das sind jetzt nicht verhandelbare Basics. Wenn deine Gedanken eine Basis in der realen Welt hätten, würden Aktienfonds niemals Verluste machen.
    … und Les bitte hier: https://www.elibrary.imf.org/view/books/071/03765-9781475506969-en/ch12.xml
    den Abschnitt „The confidence of bankers“

    SP: Ich sehe Deinen Fehler: Hättest Du die Differenz als Wertberichtigung zurückgelegt und nicht kalkulatorisch vereinnahmt?

    LC: Welchen Fehler? Mein Geld ist hinreichend gut angelegt. Ich habe nicht den Anspruch, dass ich alle möglichen Risiken „kalkulatorisch wertberichtigen“ kann. Niemand, der in Finanzmärkten seine hart erarbeiteten Ersparnisse gegen die Inflation schützt und darüber hinaus in den letzten Jahren eine ziemlich interessante Bonus-Rendite erwirtschaftet, tut das. Dafür ist diese Welt einfach zu unsicher.

    • Stefan Pietsch 11. September 2021, 17:07

      Staatsanleihen laufen mit Festzinsen.

      Aber nur begrenzte Zeit. Sie werden versteigert, häufig im sogenannten Tenderverfahren. In den letzten 10 Jahren war es so, dass selbst griechische Anleihen überzeichnet waren, obwohl das Land kurz zuvor einen technischen Default hingelegt hatte. Wenn der Bieter weiß, dass die Notenbank die Papiere ohnehin aufkauft, lässt sich problemlos bieten. Das ist das, wie seit Anfang der Zehnerjahre der europäische Markt für Staatsanleihen funktioniert. Und jetzt sage, was das mit freier Preisbildung zu tun hat, wenn dahinter ein Player steht, der im Zweifel auch sehr niedrig verzinste Papier kauft.

      Droht der default, hat vor allem auch der Gläubiger die zukünftige Entwicklung falsch vorausgesehen.

      Genauso kannst Du sagen, ein Bankroteur ist ein Betrüger, der selbst dann versucht, Bonds zu plazieren, obwohl er pleite ist. Die Notenbanken unterstützen diese Insolvenzverschleppung.

      SP: Nein, das ist absoluter Unsinn. Investoren nehmen eine Risikobewertung vor und treffen dafür Vorkehrungen.

      LC: Deine Aussage, mein Lieber, ist absolut irre.
      Investitionsentscheidungen basieren auf Erwartungen. Erwartungen können sich als falsch erweisen.

      Was ist daran irre? Risikobewertung = Erwartungen. Du sagst das Gleiche und meinst ich wäre irre.

      Wenn deine Gedanken eine Basis in der realen Welt hätten, würden Aktienfonds niemals Verluste machen.

      Wieder eine andere Welt. Die Kurs von Unternehmensanteilen sind sehr volatil. Risiken werden durch Streuung ausgeglichen. Niemand erwartet, dass alle Werte steigen. Vorher haben wir von festverzinslichen Anlagen gesprochen, wo die Notenbanken Einfluss auf den (Risiko-) Zins nehmen.

      Profis arbeiten mit Wertberichtigungen. Müssen sie übrigens, der Staat schreibt dies in den Rechnungslegungsgrundsätzen vor. Das ist das, was Du von Anfang an bestritten hast:

      Der Kern der Finanzkrise von 2008 bestand an den vielen zu gering bewerteten Risiken von Immobilien-Krediten in den USA.

      In der Kosten- und Leistungsrechnung steht immer: Zins ./. Wertberichtigung. Dabei muss der Zinsertrag der Subprime Kredite immer mindestens dem Zinsertrag risikoloser Anleihen entsprechen. Liegt der Zins bereits durch die Geldpolitik des Staates so niedrig, dass dieser Vergleich zu Ungunsten der Subprime Papiere ausgeht, werden sie nicht gekauft.

      Alternative: der Staat übernimmt Risiken, so dass der notwendige Risikoaufschlag aufgrund der Wertberichtigung verringert werden kann. Das ist geschehen, so wie es aktuell mit den Staatsanleihen passiert.

      Du behauptest einfach, die Investoren wären so dumm gewesen, ohne Anlass keine oder zu geringe Wertberichtigungen gebildet zu haben. Gegenfrage: Warum hätte man dann im Risiko höhere Subprime Kredite vergeben sollen? Man hat doch nichts davon, geht aber ein höheres Risiko (das Investoren normalerweise entlohnt sehen wollen) und verhält sich noch gesetzeswidrig (Nicht-Einhaltung von Rechnungslegungsnormen). Da erklärst Du hochbezahlte Investoren (die übrigens keinen Job beim Staat annehmen würden) zu Vollpfosten und den Staat zum ruhigen Supervisor. Ich halte das für eine Märchenerzählung.

  • Struppi 21. September 2021, 14:48

    Ich versuche das mal aus der Sicht eines Linkenwähler zu sagen.

    Die Analyse über Lafontaine zeigt das Narrativ das hier gepflegt wird. Tatsächlich hat er damals nicht die SPD gespalten, sondern dafür gesorgt dass sie glorreich die Kanzlerschaft stellte. Auch ich hatte damals Hoffnung. Aber als dann Schröder mit der Spaltung begann, hat Lafontaine das gemacht was selten Politiker machen, Konsequenzen gezogen und ist zurückgetreten. Das er mit dieser Haltung nicht allein war, zeigte sich dann in den darauf folgenden Jahren, wo die SPD mehr als die Hälfte der Wähler verlor. Und für mich als Arbeitnehmer kamen harte Jahre zu, deren Einschnitte sich bis in mein Rentenleben auswirken werden.

    Das die Themen die hier als wichtig erachtet werden, nicht die sind die Lafontaine oder Wagenknecht umtreibt, ist genau der Punkt worum es geht. Welchen Zweck sollte eine Linke haben, wenn sie in wichtigen Positionen sich immer mehr an die Grünen annähern?
    Es gibt Menschen die die Positionen von den beiden richtig und gut finden, aber eben nicht die Schlußfolgerungen ziehen, die man als Mensch der potentiell eher den Grünen oder SPD nahe steht, zieht.
    Ein Beispiel ist das der hier genannte Mindestlohn. Bevor rot/grün den Niedriglohnsektor geschaffen hatte, war dieser nicht notwendig. Auch die Gewerkschaften forderten überwiegend keinen Mindestlohn. daher ist er eigentlich für die Partei nicht relevant gewesen. Dieser wurde erst notwendig, als man begann Arbeit immer mehr zu belasten, als Unternehmer- und Finanzgewinne. Das gleichzeitig bei Rente und Gesundheit auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung gekürzt wurde, hat all diese Wähler von der SPD weg getrieben.
    Manche hofften auf die Linke. Aber in den letzten Jahren setzen sich immer mehr die Stimmen durch, denen andere Themen wichtiger sind und die auch von den Journalisten geschätzt werden. Ich habe das erste mal seit 1990 bei einer BT Wahl nicht mehr mein Kreuz bei dieser Partei gemacht. Trotz Wagenknecht und Lafontaine.

    • Stefan Sasse 21. September 2021, 18:25

      Man muss auch einfach sagen, dass die Gewerkschaften sich nicht um diejenigen gekümmert haben, die einen Mindestlohn brauchten. Erst als die Tarifbindung mehr und mehr fiel wurde das für sie relevant. Es war Egoismus, immer schon. Nachvollziehbar, aber das braucht man nicht auf die Gegenseite zu schieben.

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