Herausgepickt: über CDU-Kandidaten, türkische Aggressionen, Corona-Probleme und grüne Sorgen (28.10.2020)

Ein Beitrag von Erwin Gabriel

„Herausgepickt“ stellt, wie „Vermischtes“ von Stefan Sasse, eine Ansammlung von Nachrichten und Themen dar, die mich persönlich bewegen. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen für repräsentativ halte.

Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist – neben der vorherigen Lektüre des verlinkten Artikels – auch mein politischer Standpunkt (konservativ/rechts der Mitte) hilfreich. Auch ich fasse die Quelltexte nicht zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte gebt bei Euren Antworten die entsprechende Nummerierung mit an, um mir und den anderen die Zuordnung zu erleichtern.

Vielen Dank an Stefan Sasse für das Forum, und vielen Dank auch an Stefan Pietsch für die Unterstützung.

1) Der vierte Mann
Während Friedrich Merz sich weitgehender Zustimmung der CDU-Basis erfreut – das aktuelle Umfrageergebnis zeigt Friedrich Merz (45 %) deutlich vor Armin Laschet (24 %) und Norbert Röttgen (13 %) – kann sich noch aktuelle Parteiführung nicht an den Gedanken gewöhnen, diesen meinungsstarken Charakterkopf an der Spitze der CDU zu sehen. Laschet und Röttgen wiederum schwächeln zu stark, um sie durch die üblichen kleinen Tricks an Merz vorbei zu bringen.

Als Alternative, so vermeldet Steingarts Morning Briefing, soll nun ein Nicht-Kandidat an die Spitze gebracht werden, der als vierter Mann im Kandidatenrennen bislang im Schatten mitlief: Jens Spahn.

Dazu werden verschiedene Szenarien genannt, die ich mangels Verlinkungsmöglichkeit ausführlich zitieren möchte (sorry dafür):

Szenario 1: Friedrich Merz schadet sich mit seinen Attacken auf „das Establishment“ selbst und steht in der Partei als Querulant da. Männer wie der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, der in seiner Heimatzeitung, der „FAZ“, die Beobachtungen des Rauchmelders Merz als „albern, falsch und widersinnig“ bezeichnet, tragen vorsätzlich zur Isolation von Merz bei. Er soll bei seiner Fanbasis als Mann diskreditiert werden, der Gespenster sieht.

Gleichwohl, und das ist wichtig für Szenario 1, kann Armin Laschet von diesem Treiben in den Umfragen nicht profitieren. Unter dem sanften Druck seiner Parteifreunde zieht er schließlich zurück. Als letzte heroische Tat vor dem Abstieg schlägt er die Nr. 2 seines Teams als Nr. 1 vor. Damit wäre der Weg frei für Jens Spahn, der die soziale Absicherung seines heutigen Teampartners übernehmen müsste. Laschet würde fallen, aber weich.

Szenario 2: Der bislang in der Kulisse sich formierende Sympathisantentrupp für Jens Spahn, angeführt von Wolfgang Schäuble und Edmund Stoiber, tritt aus dem Halbdunkel in die TV-Studios von ARD und ZDF. Eine öffentliche Belobigung von Spahn als „Hoffnungsträger“ käme, zumal aus dem Mund der Altvorderen, einer Demütigung von Laschet gleich und könnte die Verhältnisse in der Union zum Tanzen bringen. Spahn dürfte auch in diesem Szenario nicht auf eigenes Risiko loslegen. Man würde ihn rufen. Er soll nicht auf die Bühne stürmen, sondern schreiten.

Szenario 3: Die Kanzlerin sowie die Parteivorsitzenden von CDU und CSU entwickeln eine gemeinsame Vorstellung von der Zukunft Deutschlands und der künftigen Aufgabenverteilung. In diesem Szenario belohnen sie Laschets Verzicht auf Parteivorsitz und Kanzlerschaft mit der Aussicht auf Schloss Bellevue. Laschet würde als Schlossherr den Niederungen der Tagespolitik entschweben und damit die Kandidatur von Spahn auf dem Parteitag ermöglichen. Im Gegenzug für diese Rochade müsste Spahn allerdings die Kanzlerkandidatur, kaum im Amt des Parteichefs angekommen, an den Mann aus Bayern weiterreichen.

Als Indiz dafür, dass an den Spekulationen etwas dran ist, mag man die Verschiebung des CDU-Krönungsparteitags nehmen – Intrigen brauchen halt ihre Zeit.

Jens Spahn als neuer Parteichef würde mir sicherlich besser gefallen als die anderen die Kandidaten; Stefan Pietsch wird sich an eine Diskussion erinnern, in der er mir diese Einschätzung als Freud’schen Versprecher auslegte. Markus Söder hätte als Kanzler-Kandidat definitiv meine Stimme, selbst wenn ich befürchte, dass das dem Wahlkampf der Grünen einen Schub verpassen würde.

2) Macron als Hassobjekt in der islamischen Welt
Für seine Aussage, der Islam sei in der Krise, ist Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in islamisch geprägten Ländern zum Hassobjekt geworden, und alles Französische gleich mit. … Dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan passt die Gelegenheit bestens in sein politisches Konzept: Er kann gegen Macron hetzen, der die Speerspitze der – sogar militärisch aktiven – Türkei-Eindämmungspolitik im Mittelmeer und darüber hinaus ist. Und er kann in der islamischen Welt zeigen, dass die Türken – und nicht die Araber – die wahren Verteidiger der Ehre des Propheten sind.

Ja, es handelt sich um Politik, aber die immer wieder gleichen Bilder von wütenden Muslimen, die den Anlass für Macrons Worte – nichts weniger als die Enthauptung eines französischen Lehrers durch einen Islamisten – völlig ausblenden, machen deshalb um nichts weniger betroffen.

Der Islam ist eine gefährliche Religion. Das soll weiß Gott nicht heißen, dass alle Muslime gefährlich sind. Aber zu viele integrierten Anhänger dieser Religion lassen sich zu emotionalen Reaktionen hinreißen, während sie die im Namen Allahs ausgeführten Gewalttaten ignorieren bzw. als unvermeidbar akzeptieren, á la „so etwas darf man nicht, aber man hätte auch die Karikaturen nicht zeigen sollen“. So etwas darf man nicht, egal, welche Karikaturen gezeigt werden. Entsprechend freue ich mich über Reaktionen wie die von Charlie Hebdo.

Ich lande in solchen Situationen immer wieder bei einer Leitkultur. Wer nicht bereit ist, die Vorgaben des Grundgesetzes (bzw. in diesem Fall der französischen Verfassung) zu akzeptieren, wer seinen Gott (welchen auch immer) über die Gesetze stellt, der hat in Europa nichts verloren. Dulden wir das, kann irgendwann sogar das von Michel Houellebecq im Roman “Unterwerfung“ gezeichnete Szenario Wirklichkeit werden.

Und machtgeile Populisten wie Erdogan, der immer wieder Griechenlands Seeraum verletzt und mit Militär droht, der in Syrien Söldner ausbilden lässt, damit sie in Libyen oder Bergkarabach kämpfen, der europäischen Regierungschefs Geisteskrankheit und Islam-Hass vorwirft und fast schon unverhohlen zu Terror aufruft, der den Islam (da bin ich bei Stefan Sasse) für identitäre Zwecke missbraucht, gehört so hart bekämpft, wie es eben geht.

PS: Bei solchen Gelegenheiten vermisse ich schmerzlich wirkungsstarke Diplomaten wie Hans-Dietrich Genscher (der andere auch mal ein kleines bisschen nötigen konnte, ohne dass sie dabei ihr Gesicht verloren) oder Joschka Fischer (der bei allen nicht gerade geringen diplomatischen Fähigkeiten immer wieder auch mal bereit war, ein starkes Statement oder eine moralische Bewertung abzugeben). Der einzige eines solchen Kalibers, den ich derzeit sehen kann, ist der russische Außenminister Sergei Lawrow; unser ohnmächtiges Außenministerchen Heiko Maas spielt da leider drei Ligen tiefer.

3) Putin sucht Erdogans Archillesferse
Faylak al-Sham nahm unter dem Befehl der Türkei von 2018 bis 2019 an verschiedenen Offensiven gegen die Kurden in Nordsyrien teil. Gleichzeitig sei die Gruppierung für Ankara eines der wichtigsten Reservoire zur Rekrutierung von Söldnern für die Konflikte in Libyen und im Kaukasus, sagt Heras. Gemäss unterschiedlichen Schätzungen hat die Türkei seit Beginn dieses Jahres zwischen 5000 und 16 000 syrische Söldner nach Libyen geflogen, damit diese dort gegen die mit Russland verbündeten Truppen von Khalifa Haftar kämpfen. Obwohl es Erdogan vehement abstreitet, geht Moskau davon aus, dass seit September auch Hunderte syrische Söldner auf der Seite Aserbaidschans an der Front in Nagorni Karabach gegen Armenien kämpfen.

Ich bin nicht ganz sicher, welche Schlüsse man daraus ziehen kann. Wird Erdogan langsam größenwahnsinnig? Ist Russland so schwach, dass es sich nicht mal gegen die Türkei durchsetzen kann? Fest steht, dass sich Erdogan immer mehr zu einem überaus gefährlichen Brandstifter entwickelt.

Wenn die Egomanen Putin und Erdogan aufeinander losgehen, haben sich sicherlich die beiden richtigen am Hals. Freuen tut es mich trotzdem nicht, denn diese Art der Auseinandersetzung kostet stets so unendlich viele Menschleben. Und wie immer peinlich, wie schwer es Europa bzw. der EU fällt, eine Meinung zu entwickeln und zu vertreten.

4) Wie der deutsche Staat das Geld seiner Bürger verschwendet
Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahlerbunds, meinte, die im aktuellen Schwarzbuch aufgeführten hundert Fälle seien „nur die Spitze des Eisbergs“. Grundsätzliche Kritik übte er sowohl am Kohleausstieg als auch am Umgang mit der Corona-Krise.

Der Staat sei zugleich in manche Unternehmen eingestiegen. Manche Maßnahmen seien sicher sinnvoll gewesen und wurden durch einen gesellschaftlichen Konsens getragen. „Unterm Strich ist das wirtschaftliche Engagement aber mit großem Risiko für die Steuerzahler verbunden, die am Ende haften müssten“, mahnte er. Grundsätzlich sollte sich der Staat darauf beschränken, Regeln zu formulieren und sie durchzusetzen. „Wenn sich der Staat schließlich doch wirtschaftlich betätigen möchte, sollte es Grenzen wie zum Beispiel eine ,Beteiligungsbremse‘ geben.“

Dass wir keine Monarchie mehr haben, scheint einem Gutteil des überbürokratisierten Beamtenapparates immer wieder zu entgehen. Steuern sind nicht das Geld des Staates, sondern das Geld der Bürger, dass treuhänderisch zu deren Wohl eingesetzt werden sollte. Ob die aus Ideologie, Nachlässigkeit, Bequemlichkeit oder Ahnungslosigkeit erfolgenden Fehltritte „nur“ einige Tausend oder einige Milliarden Euro kosten, die Reaktionen – Arroganz oder Schulterzucken – sind stets gleich, und die Folgen für die Verschwender bleiben in der Regel aus.

5) Mittelstand erwartet Corona-Pleitewelle spätestens nach der Bundestagswahl
„Hier drängt sich mir der Verdacht auf, dass die Politik versucht, die drohende Pleitewelle im Mittelstand – und damit einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit – so lange wie möglich aufzuschieben, am besten bis nach der Bundestagswahl“, sagte Ohoven. Er warnte zudem vor einem zweiten Lockdown: „Das wäre der wirtschaftliche GAU für unser Land. Bei einem zweiten Lockdown würde die Zahl der Insolvenzen dramatisch steigen – und damit die Arbeitslosigkeit.“

Wenn die Bundesregierung in der Krise mit irgendetwas überfordert ist, ist es die Betreuung kleiner und mittelständischer Unternehmen. Wie schon mal an anderer Stelle geschrieben, wird dieser Bereich der Wirtschaft nicht mal ansatzweise verstanden; nicht umsonst erfolgte vor einem guten Jahr die Ausladung des Wirtschaftsministers Peter Altmaier zum 70jährigen Jubiläum des Verbands der Familienunternehmen.

Wie wichtig die „Kleinen“ sind, zeigt ein Blick auf die Anzahl der rechtlichen Einheiten in Deutschland nach Beschäftigtengrößenklassen: Von knapp 3,5 Millionen Unternehmenseinheiten (inkl. Selbstständige) haben über 3,1 Millionen weniger als 10 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, für die entweder nichts oder das Falsche getan wird. In den wenigen Fällen, in denen die beschlossenen Corona-Maßnahmen wirken könnten, erschweren erhebliche bürokratische Hindernisse die Wirksamkeit.

Und ja, die verantwortlichen Polit-Profis Angela Merkel, Peter Altmaier und Olaf Scholz spielen auf Zeit. Wie immer der nächste Bundeskanzler heißt, er wird eine Menge aufzuräumen haben.

6) Dreitagebart und Anzug
Das Grünen-Image ist ein perfektes Angebot für konforme Nonkonformisten. Die Grünen haben das Copyright auf Klimaschutz – und bestimmen damit derzeit einen Großteil der politischen Agenda. Doch ihre Erfolge sind schwankender, als man derzeit glaubt. Es wäre nicht das erste Mal, dass Grüne nur Umfragen gewinnen.

Das übliche grüne Dilemma: Auf der einen Seite möchte man authentisch sein, und müsste dementsprechend in Sachen Klima- und Umweltschutz harte Forderungen aufstellen. Auf der anderen Seite will man die Wähler der Mitte nicht verschrecken, muss also deutlich spürbare Maßnahmen vermeiden.

Wir werden also bis zur Bundestagswahl von Annalena Baerbock und Robert Habeck eine Symbol-Politik im grünen Gewand erwarten können: „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“. Denn auch die Grünen bewegen sich ausschließlich in ausgetretenen Pfaden und sind inzwischen so sehr Teil des Systems geworden, dass sie zu Ideen darüber hinaus nicht fähig sind; „mehr Fahrradwege“, um nur ein Beispiel zu nennen, ist kein großer, zukunftsweisender Entwurf von Verkehrspolitik.

Ich vermute dennoch (anders als die TAZ), dass ein Großteil der Wähler diese Wohlfühl-„Verarsche“ goutieren wird.

{ 27 comments… add one }
  • Dobkeratops 28. Oktober 2020, 17:21

    1. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Merzschen Verschwörungserzählung: Es wirkt wahnsinnig unsouverän, schon mal eine Ausrede für das Verlieren einer Wahl zu erfinden, bevor diese überhaupt stattgefunden hat.

    • Erwin Gabriel 28. Oktober 2020, 18:09

      zu 1.

      Unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Merzschen Verschwörungserzählung: Es wirkt wahnsinnig unsouverän, schon mal eine Ausrede für das Verlieren einer Wahl zu erfinden, bevor diese überhaupt stattgefunden hat.

      Vorab: Ich kann mir gut vorstellen, dass da eine Menge dran ist. Merkel hat, wie damals Helmut Kohl, ein Mordsgedächtnis.

      Warum Merz so reagiert? Auf der einen Seite stimme ich zu: es klingt nach „Mimimi“; er sieht, was passiert, und kann sich (ausgegrenzt, wie er derzeit noch ist) nicht anders wehren. Auf der anderen Seite bin ich mir sicher, dass Friedrich Merz in einer freien, offenen Wahl das Rennen machen würde. Das weiß er, das wissen die anderen. Ob es das Beste für die Partei bzw. für das Ergebnis der nächsten Wahl ist, sei mal dahingestellt.

      • Stefan Sasse 28. Oktober 2020, 18:22

        „Freie, offene Wahl“ – ich zweifle nicht, dass er der Darling eines guten Teils der Basis ist, aber das erinnert mich stark an die Argumentation der Bernie-Bros.

        • Erwin Gabriel 28. Oktober 2020, 18:29

          Stefan Sasse 28. Oktober 2020, 18:22

          … ich zweifle nicht, dass er der Darling eines guten Teils der Basis ist, aber das erinnert mich stark an die Argumentation der Bernie-Bros.

          Wenn er knapp die Hälfte hat, und sich die anderen den Rest teilen müssen, ist er durch. Aber ich vermute, dass man ihm die Option „grün“ nicht zutraut. Ehe er die Konkurrenz in Rot-Rot-Grün treibt, sichert man sich lieber einen anderen Vorsitzenden.

        • Erwin Gabriel 28. Oktober 2020, 18:34

          PS: Merz steht innerparteilich sicherlich stärker da als damals Bernie Sanders, damals ging es um zwei fast gleichstarke Gegner. Aber auch Sanders hätte vermutlich gegen Trump verloren; damals schien mir (bei aller Sympathie für Sanders) HRC die sicherere Bank zu sein. Der Schritt, die Unruhen mit einem Querdenker an der Spitze zu vermeiden, schien da genau so logisch wie jetzt hier.

  • Stefan Sasse 28. Oktober 2020, 18:40

    1) Ich finde übrigens die Wortwahl des von dir verlinkten Artikels schrecklich. Das leistet diesem ganzen Verschwörungsblabla Vorschub, mit Insinuierungen einer Riesen-Verschwörung von Merkel über alle Parteispitzen über ARD und ZDF und wahrscheinlich auch noch den ADAC.

    2) Jepp.

    3) Erdogan bereut glaube ich mittlerweile die Anschaffung russischer Luftabwehr-Hardware.

    4) Frag mal den Andreas Scheuer dazu.

    5) Bin ich bei dir.

    6) Naja, nachdem man sie jahrelang als Radikale und Extremistenspinner verunglimpft hat kann man ihnen nun Vorsicht kaum vorwerfen…

  • CitizenK 28. Oktober 2020, 18:42

    2) „… der hat in Europa nichts verloren“.
    Stimmt, aber was heißt das konkret?

    • Erwin Gabriel 28. Oktober 2020, 21:22

      CitizenK 28. Oktober 2020, 18:42

      zu 2) Macron als Hassobjekt in der islamischen Welt

      [„… der hat in Europa nichts verloren“]

      Stimmt, aber was heißt das konkret?

      Das steht im Gesetz. Was man halt mit Gewalttätern so macht.

  • Erwin Gabriel 28. Oktober 2020, 21:15

    @ Stefan Sasse 28. Oktober 2020, 18:40

    zu 1) Der vierte Mann

    Ich finde übrigens die Wortwahl des von dir verlinkten Artikels schrecklich. Das leistet diesem ganzen Verschwörungsblabla Vorschub, mit Insinuierungen einer Riesen-Verschwörung von Merkel über alle Parteispitzen über ARD und ZDF und wahrscheinlich auch noch den ADAC.

    Finde ich persönlich halb so wild. Und was heißt „Vorschub leisten“? Es gibt häufig Differenzen zwischen den Mitgliedern und der Führung, die die Führung möglichst ignoriert, während die Mitglieder das bei einem Bier wegfluchen. Ist halt ganz normale, partei-interne Hinterzimmer-Diplomatie á la Kohl, Merkel, oder Müntefering, und ist genau so beschrieben: Munkeln in dunklen Ecken.

    Der Versuch ist übrigens keine Garantie, dass es klappt,

    • Stefan Sasse 29. Oktober 2020, 10:48

      „Vorschub leisten“ heißt, dass es das verbreitete Ressentiment unterstützt. Und das finde ich bedenklich. Inhaltlich stimme ich dir zu.

      • Erwin Gabriel 29. Oktober 2020, 11:46

        @ Stefan Sasse 29. Oktober 2020, 10:48

        „Vorschub leisten“ heißt, dass es das verbreitete Ressentiment unterstützt.

        Wenn Du das Kungeln meinst: Das ist halt so. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass ein Vorstand eines großen Unternehmens die Hälfte seiner Zeit damit verbringt, zu kungeln, sich abzusichern, Intrigen zu spinnen etc. Nimm Markus Söder; dem hat Horst Seehofer nicht einfach seinen Ministerpräsidenten-Stuhl angeboten. Oder nimm den Fraktionsvorsitzenden der CDU; Favorit der Kanzlerin war Volker Kauder, und dass Ralph Brinkhaus nach der Wahl 2018 gegen ihn antrat und auch noch gewann, war selbst für Merkel und Kauder eine handfeste Überraschung.

        Man sucht sich Mehrheiten doch meist im Hinterzimmer zusammen, nicht in öffentlichen Verhandlungen. Ist auch grundsätzlich nichts Verwerfliches, solange nicht „Korruption“ im Spiel ist (z.B. Laschet tritt freiwillig zurück und wird zur „Entschädigung“ Bundespräsident).

        • Stefan Sasse 29. Oktober 2020, 12:41

          Neinnein, mir geht’s gar nicht darum, das ist Politik. Das ist normal. Und wenn Merz das nicht kann und da keine Unterstützung findet, kann er auch kein Kanzler sein. Was ich sehr problematisch finde ist die Insinuierung, dass das über die Parteikreise raus geht und dass die ÖR quasi mit im Boot sind.

          • Floor Acita 29. Oktober 2020, 17:08

            Naja, die Medien sind halt auch real weit weniger neutral als sie sich geben. Weil Du mit dem Vergleich angefangen hast: Du hattest im Frühjahr nach dem Ausgang der primary einen Artikel gepostet, glaube aus der Washington Post, „warum Bernie nicht gewinnt“ in dem unter anderem mehr oder weniger offen angedeutet war, dass er halt in Journalisten-Kreisen Klinken putzen solle und seine Weigerung hier hinter den Kulissen entsprechende Deals zu machen / anzudeuten / anzunehmen halt dazu führen würde, dass dann weniger favorable über ihm berichtet würde als er es sich vielleicht erhoffen würde…

            Medien suchen sich „auf beiden Seiten“ und in allen Parteien Favoriten im internen Streit und insinuieren dann halt auch mal gerne selbst.

            CNN hat bspw zum wiedervolten Male versucht Zwist zwischen Biden und AOC anzuzezetteln wegen dessen Haltung zu Fracking. Als er für gefühlt 2 Tage selbst eine anti-Fracking Haltung einnahm, wurde direkt auf „gefährdet er damit seine Chancen in Pennsylvania“. Die scheinen halt pro-Fracking zu sein und handeln entsprechend.

            Schon anzunehmen, dass auch Merz vs Laschet etc Medientreibenden nicht völlig egal ist und zumimdest versucht wird dem favorisierten Kandidaten innerhalb bestimmter Grenzen beizustehen…

            • Stefan Sasse 29. Oktober 2020, 17:19

              Fair.

            • Erwin Gabriel 29. Oktober 2020, 18:14

              @ Floor Acita 29. Oktober 2020, 17:08

              Schon anzunehmen, dass auch Merz vs Laschet etc Medientreibenden nicht völlig egal ist und zumimdest versucht wird dem favorisierten Kandidaten innerhalb bestimmter Grenzen beizustehen…

              Ich denke auch, gerade beim heutigen Journalismus, der eher „meinungsbildend“ als informativ ausgerichtet ist.

          • Erwin Gabriel 29. Oktober 2020, 18:07

            @ Stefan Sasse 29. Oktober 2020, 12:41

            Und wenn Merz das nicht kann und da keine Unterstützung findet, kann er auch kein Kanzler sein.

            Es geht nicht um Kanzler, sondern um Parteichef.
            Dann hat die Parteiführung für die Wahl des Parteichefs Regeln aufgestellt, an die sie sich aus Ablehnung des vermuteten Parteibasis-Willens offenbar nicht halten mag. Bei der breiten Unterstützung, die Friedrich Merz unter den Parteimitgliedern genießt (und bei der starken Abneigung der Parteimitglieder, mal wieder derart von der Kanzlerin übergangen zu werden) bleibt nicht aus, dass irgend jemand ihm das steckt.

            Wie soll er damit umgehen, wenn er sich nicht nur mit den beiden Gegenkandidaten, sondern auf einmal auch mit der gesamten Parteiführung konfrontiert sieht? Er hat das Thema öffentlich gemacht.

            Wenn man sich die durchgängige Tonalität der Berichte zu diesem Thema anschaut, ist festzustellen, dass diese Einseitigkeit nicht „normal“ ist. Egal, wie klar eine Sachlage ist, es gibt üblicherweise immer unterschiedliche Betrachtungsweisen, aber hier berichten alle wie aus einem Guß.

            Daraus kann man zwei mögliche Schlüsse ziehen:
            Zum einen liegt Friedrich Merz so weit daneben, dass sich fast alle medien unisono zu Recht empören. Eine so starke Reaktion gibt aber die zuerst fast untergegangene Aussage von Friedrich Merz nicht her (da gibt es deutlich schlimmere Ausführungen von AfD-Politikern, die solchen „Aufschrei“ nicht auslösten).
            Zum anderen kann es sein, dass die CDU Parteiführung versucht, aus dem Hintergrund zu orchestrieren.

            Was ich sehr problematisch finde ist die Insinuierung, dass das über die Parteikreise raus geht und dass die ÖR quasi mit im Boot sind.

            Ich halte das für wahrscheinlicher, als dass sich alle zur gleichen Zeit in die gleiche Richtung aufregen. Das wäre nicht des erste Mal, dass „Sprachregelungen“ abgestimmt werden (2015 war eine ähnliche Situation; merkel musste an jeder Strippe ziehen, um zu verhindern, dass ihr die Parteibasis um die Ohren flog, und das Spiel mit den Medien hat ihr damals sehr geholfen).

            Ich kann nachvollziehen, dass Du eine Verschwörungstheorie vermutest. Aber manchmal gibt es eben auch eine Verschwörungspraxis. Und nochmal: das muss nicht bedeuten, dass da Ergebnis wie erhofft eintrifft, oder, falls es eintrifft, dass es schlecht ist. Ich beschreibe hier nur eine mögliche Methode, ich bewerte nicht das Ergebnis.

            • Stefan Sasse 29. Oktober 2020, 21:29

              Der will Kanzler werden, das ist doch wohl klar.

              Gebe dir ansonsten Recht.

              • Erwin Gabriel 29. Oktober 2020, 21:40

                In Sachen Kanzler hast Du sicherlich auch Recht!

  • cimourdain 28. Oktober 2020, 23:43

    1) Dazu passend eine Vorstellung die in einer Diskussion über mittelalterliche Beinamen entwickelt wurde: In 500 Jahren wird womöglich in Geschichtsbüchern stehen, dass nach dem Abgang von Angela mit der eisernen Raute sich keiner der Diadochen ( Armin der Kurze, Norbert der Musterschüler und Friedrich aus dem gehobenen Mittelstand) im Nordrhein-Westfälischen Erbfolgekrieg durchsetzen konnte und deshalb das Corona-Triumvirat aus Jens dem Erkrankten, Karl mit der Fliege und Markus dem Vielgesichtigen die Macht an sich riss.

    • CitizenK 29. Oktober 2020, 09:01

      Bitte schon vor dieser Zeit: Jens der Genesene!

    • Erwin Gabriel 29. Oktober 2020, 11:47

      🙂

    • Dennis 29. Oktober 2020, 16:06

      Ja, kann sein, und was Beinamen betrifft, gibt es so einiges, was einst so vergeben wurde: es waren nicht immer nur Nettigkeiten. Allseits bekannt und beliebt ist ja der oder die Große, wird aber für den hier besprochenen Personenkreis evtl. nitt so in Frage kommen. Der Heilige, was es bei den diversen Ludwigs in Frankreich beispielsweise auch einmal gibt, wohl auch eher nicht. Aber zur Auswahl stehen ja noch u.a. der Faule und der Einfältige („le Simple“), an den „Zänker“ könnte man auch denken, der Schöne ist Ansichtssache. „Le Victorieux“, das war Karl VII, steht noch nicht fest. „Le Fou“ gab’s auch mal.

      Was Angela mit der eisernen Raute angeht muss man IMHO daran denken, dass sie mal als Angela, das Mädchen, angefangen hat:

      https://www.t-online.de/nachrichten/id_51125698/si_7/leben-und-karriere-der-angela-merkel.html

      Riesenstaatsmänner wie z.B. der kleene Koch aus Hessen sind prompt in die Mädchenfalle getappt, desgleichen jener Sauerländer, der sich seine Hosen selbst bügelt. Letzterer, also Friedrich, der Rächer des gehobenen Mittelstandes, nimmt nunmehr seine letzte Chance wahr und versucht es mit einem allerletzten Feldzug. Das könnte als großer Sieg über das ungerechte Schicksal, welches den erstrangigen Welterklärer und -versteher zunächst nicht zum Zuge kommen ließ, enden, oder aber als hochnotpeinliche ultimative Niederlage.

      Typischer Fall von griechischer Tragödie, da gibt es Beispiele, etwa so: Als Nachfolger von Achill nicht berücksichtigt massakriert Ajax – geblendet von Angela *) – im Wahn allerlei Tiere, die er für die Heerführer des feindlichen Odysseus hält. Als der Wahnsinn schwindet und erkennend, dass er bei den Göttern unten durch ist, stürzt er sich in sein Schwert; (stark vereinfacht^).

      So endet Ajax bei Sophokles, bildlich so:

      https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2d/Death_of_Ajax.jpg

      Aber okay, wir leben ja in post-heroischen Zeiten. Und außerdem ist Sieg ja noch nicht völlig ausgeschlossenen. Die Götter beratschlagen noch.

      *) Ups, es muss oben Athena heißen.

      • Erwin Gabriel 29. Oktober 2020, 18:11

        Sehr schöne Geschichte 🙂
        Aber ich würde ja „Angela die Geduldige“ vorziehen.

        Viele Grüße
        E.G.

      • Sebastian 30. Oktober 2020, 07:47

        „Civilization“-Spieler werden sich erinnern:
        Æthelred II […], known as the Unready, was King of the English from 978 to 1013 and again from 1014 until his death. His epithet does not derive from the modern word „unready“, but rather from the Old English unræd meaning „poorly advised“; it is a pun on his name, which means „well advised“.

        • Erwin Gabriel 30. Oktober 2020, 08:39

          @ Sebastian 30. Oktober 2020, 07:47

          „Civilization“-Spieler werden sich erinnern:
          Æthelred II […], known as the Unready, was King of the English from 978 to 1013 and again from 1014 until his death. His epithet does not derive from the modern word „unready“, but rather from the Old English unræd meaning „poorly advised“; it is a pun on his name, which means „well advised“.

          Oh, ja – ich erinnere mich. Ich habe auf Spieler immer ein wenig herabgeschaut, bis mir ein Freund Civilisation gab. Gab Riesenstreß mit meiner Frau, als sie abends ins Bett ging, ich ihr sagte, dass ich gleich nachkomme, und sich „gleich“ dann als 03:15 Uhr am nächsten Morgen entpuppte. Gefühlt hatte ich gerade mal 30 Minuten draufgelegt, und nicht knapp fünf Stunden.

          Aber ja, nicht nur das Spiel, auch das Beiwerk war unterhaltsam.
          🙂

      • cimourdain 30. Oktober 2020, 16:22

        Was uncharmante Beinamen betrifft, schägt wohl nichts den byzantinischen Kaiser Konstantin V. „Kopronymos“ (Er soll bei der Taufe ins Taufbecken gekackt haben). Aber ich wäre doch schon mit einem „der Gesetzesverbesserer“ zufrieden, wie Magnus VI. „lagabaetir“ von Norwegen ( von „Blutaxt“ ganz zu schweigen, wenn wir schon bei Norwegern sind) .

        Und was das „Mädchen“ Angela betrifft, zeigt das doch, dass der Weg vom „Mädchen“ zur „Mutti“ (über die „schwarze Witwe“) eine erstrebenswerte Karriereoption darstellt. 😉

  • Sebastian 30. Oktober 2020, 09:44

    ad 2)
    Der Verweis auf Houllebeqs Roman scheint mir nur vordergründig einschlägig. Ja, es wird (fiktiv) eine islamisierte französische Gesellschaft portraitiert, aber der eigentliche Clou der „Unterwerfung“ liegt in der Einordnung des Ganzen:
    1. Ausgangspunkt ist, dass die Konservativen vor einem Dilemma standen und im Resultat erstmals mit einer Partei eines politischen Islams paktieren, um eine faschistische Regierung zu verhinden.
    2. Die Islampartei interessiert sich weniger für Finanz- und Außenministerium, dafür umso mehr für Bildung und Kultur. Einige Jahre später sind die Frauen des Landes mehr oder weniger entrechtet.
    3. Hier liegt der Clou bei Houllebecq, so wie ich es lese: Die „Unterwerfung“ seitens der „herrschenden Eliten“ (auch hier mal wieder: „alte weiße Männer“, dargestellt an der Figur des Literaturprofessors und seines Umfeldes) geschieht absolut bereitwillig; wird erst mit Indifferenz begleitet, am Ende aber mitbetrieben, weil selbige Eliten einen großen Vorteil für sich erkennen: Sie können (wieder) scheinbar beliebig über die Körper von (jüngeren, attraktiveren) Frauen verfügen.
    4. Insofern geht es bei Houllebecq mal wieder (wie angeblich immer) um die männliche Sexualität als „die Wurzel allen Übels“. Gerade am Ende von „Elementarteilchen“ schreit einen dass ja richtig an, als in einer gedachten Zukunft der Nachfolger des Molekularbiologen erklärt, die Menschheit konnte dadurch zu einer friedlichen Gesellschaft finden, dass Sexualität komplett weg-„engineered“ wurde.
    5. Die große erzählerische Lücke in „Unterwerfung“ ist natürlich die, dass sich keine Worte darüber finden, wie die Millionen von französischen Frauen zum „mitmachen“ bewegt wurden. Vielleicht könnte man „Der Report der Magd“ dazu komplementär lesen, wo man es ja interessanter Weise mit einem christlich-fundamentalischen Regime zu tun hat.

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