Der Neidkomplex und die Kunst, mehr zu bekommen

Wenige Themen emotionalisieren so stark wie die Fragen nach Einkommen und Vermögen. Es ist jedoch nicht so, dass die Deutschen besonders gerne über ihr eigenes Gehalt sprechen. Da sind selbst Tarifbeschäftigte, bei denen man leicht die Vergütung an den Tabellen ablesen könnte, verschwiegen. Während der Amerikaner das Prahlen mit dem Einkommen als Ausweis seines Könnens und damit als Statussymbol begreift, fürchten wir hier den Neid unserer Mitmenschen. Die meisten von Flensburg bis zum Bodensee lieben es schön gleich. Also gleich in dem Sinne, dass ein anderer nicht mehr verdienen sollte als man selbst. Deswegen bemüht sich die Politik seit Jahrzehnten in Verkennung des eigentlichen Anliegens, Löhne und Gehälter öffentlich zu machen. Transparenz wird das in diesen Sphären genannt, wenn es einfach um Neidkomplexe geht. Wenn solche Transparenz aufdeckt, wie gering mancher entlohnt wird, begreift das kaum jemand als Zeichen, zu den Geringleistern zu gehören, im Gegenteil. Es ist eine Frage ungerechter Entlohnung. Im umgekehrten Fall ist so mancher weit großzügiger.

In Gehaltsdebatten ist kein Klischee zu abgedroschen um nicht doch bemüht zu werden. In kaum einem anderen Land werden Einkommen und Gehälter so wenig mit der Leistung in Verbindung gebracht wie in Deutschland. Neid ist das dominierende Element jeder Debatte. Wenn der Nachbar trotz ähnlicher Bedingungen wie Studium und Lebensverhältnisse ein weit größeres Vermögen als man selbst anhäuft, dann sind zwei Dinge klar: seine verbesserte Lage hat natürlich nichts damit zu tun, wie er sein Arbeitsleben gestaltet und seine Ersparnisse angelegt hat. Und: Er war die längste Zeit der Nachbar.

Selten rief ein Kommentar so viel Kopfschütteln hervor wie die Behauptung, Menschen könnten Arbeits- und Vertragsbedingungen ein ganzes Stück weit selbst bestimmen. Doch nicht in einem Land, wo die Sozialpartnerschaft institutionalisiert wurde! Verhandeln zu können hieße, sein Leben in der eigenen Hand zu haben, und das kann nicht sein. Denn wer selbst am Steuer seines Lebens sitzt, der hat auch Verantwortung für sein Scheitern und Nichtvorankommen. Dabei ist unser Leben von richtigen und falschen Entscheidungen bestimmt und mit mehr Ehrlichkeit könnte jeder erkennen, warum er wo nicht steht, wo er bei besserem Verlauf hätte stehen können.

Anfang der Neunzigerjahre verlangte die Politik von Unternehmen, die Vergütungen der Organe von Kapitalgesellschaften, Vorstand und Aufsichtsrat, offen zu legen. Es war ein deutlicher Versuch, die Verschwiegenheit in den oberen Etagen aufzubrechen und damit Gehaltsexzessen einen Riegel vorzuschieben. Der Versuch ging nach hinten los. Die neue Transparenzordnung brachte die Vergütungen von Topmanagern erst richtig in Fahrt. Wer übernimmt schon die Leitung eines Großkonzerns aus altruistischen Motiven? Es geht um Macht und nicht zuletzt um persönliches Einkommen. Wer da schlechter abschneidet, hat gute Argumente, den Aufsichtsratsvorsitzenden um eine deutliche Verbesserung der eigenen Bezüge – zu bitten wäre das falsche Wort – aufzufordern. Nicht ohne Grund sind die Gehälter in familiengeführten Konzernen maßvoll geblieben. An der Spitze stehen Vorstände von Publikumsgesellschaften wie SAP, Daimler, BASF, Siemens und VW, was mit Leistung nur unzureichend begründet ist.

Als wesentliches Motiv von solchen Transparenzverordnungen wird das Lieblingswort der Deutschen angeführt: Gerechtigkeit. Doch die Deutschen haben eine seltsame Vorstellung von Gerechtigkeit. Durchschnittliche Leistungen sollen durch immerwährende Gehaltserhöhungen belohnt werden. Das ist die Idee von Tarifverträgen, nach deren Formel das Einkommen auch dann steigen soll, wenn jemand nicht mehr leistet, sondern einfach Preisentwicklung und allgemeine Produktivitätssteigerung dies anzeigen. Selbstredend, das Low Performer nicht mit Gehaltsverzicht bestraft werden sollen. Und wer sieht sich schon als solch ein Minderleister? Gewerkschaften, Sozialverbände und linke Parteien können so etwas nicht erkennen, Gehaltserhöhungen sind generell verdient und wer seinen Job verliert, dann natürlich nur unverschuldet.

Die Welt in Unternehmen ist da schon komplizierter. Die Leistungsstruktur hat üblicherweise den Verlauf einer Parabel. Das Gros der Beschäftigten gehört zum Durchschnitt. Sie werden gebraucht um die Leistung sicherzustellen, aber der Weggang des ein oder anderen schadet nicht. 10-18 Prozent zählen zu denjenigen, welche den Output eher belasten, sie halten andere von der Arbeit ab, haben eine hohe Fehlerquote und sind bei Kunden wie Kollegen nicht besonders geschätzt. Es ist das Ziel jeder vernünftigen Personalpolitik, diesen Kreis so niedrig wie möglich zu halten. Bei betriebsbedingten Kündigungen werden sie gerne auf die Abschussliste gesetzt, leider ist ausgerechnet diese Gruppe oft durch Schutzgesetze gut abgesichert. Der Kreis der Leistungsträger ist ähnlich limitiert mit 10-18 Prozent. Durch attraktive Angebote wird versucht, diese bei Laune zu halten. Es ist ein häufiges Missverständnis, dass der Mittelstand und die Schwachen meinen, die Ansprüche der Leistungsträger ständen auch ihnen zu. Ab und zu begehen diese intern beschriebenen Pfeifen den Fehler, ein ordentliches Gehaltsplus zu fordern, sonst müssten sie kündigen. Mit großem Bedauern wird die Kündigung erwartet, die dann allerdings meist nicht kommt.

Ein großes Problem solcher Debatten ist regelmäßig die Schwäche, sich selbstkritisch einzuschätzen. Die eigene Leistung wird höher bewertet, die der Gutverdienenden mindergeachtet. Dazu kommt bei vielen das Fehlen eines realistischen Bezugs zum eigenen Marktwert. Dies ist insbesondere dann verbreitet, wenn Beschäftigte schon sehr lange dem Betrieb angehören. Der typische Fall ist der Neid auf das Gehalt des Neuen, der schließlich gar nicht so viel leisten könne. Dass mit zunehmender Betriebszugehörigkeit die sprichwörtliche Betriebsblindheit Raum greift, der Langgediente sich Schrullen leistet, die nur widerwillig von Vorgesetzten, Kunden und Kollegen akzeptiert werden, wird ebenso wenig gesehen wie die Risikobereitschaft des neuen Kollegen, der aus einer sicheren Beschäftigung kommt und riskiert, in der Probezeit zu fliegen.

Nach einer brandaktuellen Studie verdienen Frauen in Toppositionen kaum weniger als ihre männlichen Kollegen, manchmal sogar mehr. Im mittleren Management tut sich dagegen eine große Gehaltslücke auf. Die Gründe für das Gender Pay Gap ist selten Diskriminierung, die ohnehin verboten ist. Frauen haben tendenziell andere Ziele als Männer und sie verhandeln bescheidener. So erfolgen Karriereentwicklungen innerbetrieblich aufgrund von früherem Einsatz. Als Teilzeitbeschäftigter Vorstand zu werden, klappt vielleicht im Öffentlichen Dienst, sonst aber nicht. Da Frauen aber weniger Zeit für die Karriere aufwenden, fallen sie im Karriereverlauf ab.

Von ähnlichem Gewicht ist die Abneigung zu Verhandlungen. Es ist Usus geworden, dass Unternehmen in Stellenanzeigen die Gehaltsvorstellungen der Bewerber einfordern. Zum einen wollen potentielle Arbeitgeber damit Kandidaten ausschließen, die sich in anderen Gehaltssphären bewegen, als es das Budget hergibt. Doch neben dem rationalen Motiv gilt es, sich einen Vorteil bei der späteren Gehaltsverhandlung zu verschaffen. Haben Fachabteilung und Personal ihren Favoriten erkoren, kommt dieser nicht mehr von seinem Rahmen runter. Frauen neigen in dieser Lage mehr als Männer dazu, zum Einstieg niedrigere Gehaltsforderungen zu stellen in der Erwartung, sich nicht von Beginn an durch zu hohe Erwartungen aus dem Rennen zu schießen. Die männliche Konkurrenz ist forscher.

Typisch ist, zum Start des Suchprozesses sowohl ein Kandidatenprofil als auch ein Finanzbudget zu erstellen. In einer schlecht verdienenden Branche wird ein Außendienstmitarbeiter vielleicht ein Fixum von 3.500 – 4.000 Euro erzielen können. Bewerber aus sehr gut verdienenden Branchen wie beispielsweise von einem Pharmaunternehmen wird sich da wenig wiederfinden. Umgekehrt erhöht ein Bewerber nicht seine Chancen, wenn er nur 2.500 Euro fordert. Schon hier haben mehr Frauen als Männer Schwierigkeiten, das Spiel zu durchschauen. Kristallisiert sich im weiteren Verlauf des Verfahrens ein Kandidat heraus, der seine Vorstellungen mit 3.000 – 3.500 Euro formuliert hat, kommt er davon nicht mehr herunter und das Maximum bleibt unerreicht. Kluge Kandidaten halten sich daher die Optionen offen. Sie wissen, wenn ein Unternehmen in Gehaltsverhandlungen eintritt, hat es seine Entscheidung getroffen. Hand aufs Herz: Wer sich mal für eine sehr teure Investition wie ein Haus oder ein Auto entschlossen hat, wird hiervon nicht mehr wegen ein paar tausend Euro Zusatzkosten Abstand nehmen.

Der Irrglaube im politischen Raum besteht darin zu glauben, der Betriebsfrieden hinge an einer gleichen Entlohnung. Die VW-Beschäftigten konnten selbst mit einem exorbitanten Gehalt eines Martin Winterkorns leben, so lange sie selbst hohe Jahresboni kassierten. Doch während der Ex-Vorstandsvorsitzende nun mit seinem Privatvermögen für die Rekordgewinne der Vergangenheit haftet, behält der Fließbandarbeiter ungeschmälert seine Zulagen, die er aufgrund eines Betrugs kassierte.

In jedem Unternehmen mit längerer Lebensdauer bilden sich Erbhöfe. In guten Zeiten werden die Mitarbeiter mit Zulagen und Jahresboni verwöhnt, früher wurden auch noch Pensionsansprüche ausgeschüttet. In schlechten Zeiten kommt eine Leitung selten davon herunter. Dann werden Mitarbeiter entlassen. Ziehen Konjunktur, Absatz und Gewinn wieder an, werden neue Kollegen eingestellt, je nach Marktlage zu besseren oder schlechteren Konditionen. Hinzu kommt das in Deutschland besonders ausgeprägte Senioritätsprinzip bei der Entlohnung. Viele Tarifverträge enthalten eine Staffelung nach Betriebszugehörigkeit. So entfernt sich die Gehaltsstruktur älterer Beschäftigter zunehmend vom Marktwert, zumal Unternehmen nicht selten Wissensträgern und unverzichtbaren Spezialisten hohe Zulagen zahlen, um ihnen die Möglichkeit abzukaufen, sich einen neuen Arbeitgeber suchen zu können. Das Spezialwissen ist nur für den einen Betrieb interessant, hat außerhalb jedoch nur geringen oder keinen Wert. Verlieren solche Beschäftigten ihren Job, lernen sie die Differenz zwischen bisherigem Gehalt und Marktwert auf unangenehme Weise kennen.

Vor einigen Monaten habe ich nach langem Gezerre mein Sky-Abonnement um zwei weitere Jahre verlängert. Die ersten Verhandlungen waren dahingehend erfolglos, als das Münchner Unternehmen mir als langjährigem Kunden nur einen vergleichsweise hohen Tarif einräumen wollte, monatlich 10€ über dem alten Preis. Als Konsequenz kündigte ich, bereit, zukünftig auf Fußballübertragungen zu verzichten. Die Beendigung des Vertragsverhältnisses setzte Sky unter Druck, am Ende einigten wir uns auf eine Fortsetzung zu den bisherigen Konditionen. Es gibt Kunden, die weit mehr bezahlen. Und es gibt Kunden, die ein oder zwei Euro günstiger wegkommen. Ist das ungerecht?

Verhandlungen zeigen, welche Leistungen einen Preis haben. Der ist für jeden Menschen unterschiedlich. Neid bedeutet, immer zu meinen, man selbst sei zu kurz gekommen. In einem dem Autor bekannten Fall bekam die teilzeitbeschäftigte Mitarbeiterin einer familiengeführten Immobiliengesellschaft, Alleinerziehende, die Möglichkeit, gegenüber dem Geschäftsführer ihr Gehalt neu zu verhandeln. Sie setzte eine ordentliche Erhöhung ihres Stundenlohns durch und war sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Zwei Wochen später erfuhr sie, dass eine Kollegin, deren Leistung sie geringer als die eigene einschätzte, nochmals 15% mehr erhielt. Ziemlich erbost ob solcher Ungerechtigkeit wollte sie unverzüglich kündigen.
Im ersten Schritt kündigte sie innerlich und bewarb sich bei konkurrierenden Unternehmen. Die Ausbeute blieb bescheiden.

Ein junger Makler wollte sie schließlich heuern und bot sogar ein um 20% erhöhtes Gehalt. Im Gegenzug sollte die Alleinerziehende die Verantwortung für den Aufbau eines Marktes übernehmen. Die Einschränkungen fanden sich im Kleingedruckten. So war der Urlaub auf ein Minimum gesetzt und die Arbeitszeit erhöht. Bis heute arbeitet sie bei dem alten Arbeitgeber. Was ist die Quintessenz? Die meisten Menschen verdienen, was sie verdienen. Wäre es anders, hätten sie mehr, denn kaum jemand erträgt es, dauerhaft unterbezahlt zu sein.

Wer erfolgreich Arbeitsvertrags- und Gehaltsverhandlungen bestreiten will, sollte ein paar Tricks und Finten beherrschen. Ganz zu Beginn sollte man klar umreißen, was die eigenen Ziele und die Untergrenzen sind, die man akzeptieren würde. Diese Parameter dürfen für den Gegenüber nur im Allgemeinen erkennbar sein. Mit den eigenen Stärken und Besonderheiten wird ein hoher Gehaltsanspruch begründet und im besten Fall auch durchgesetzt. Wenn ein Unternehmen einen Arbeitsvertrag anbietet, hat es seine Entscheidung getroffen. Ab jetzt sind Sie am Zug und können Forderungen stellen. Warum sollte ein Restaurant von dem Koch-Wunschkandidaten Abstand nehmen, weil dieser 2.000€ mehr im Jahr fordert? Damit man sich mit dem zweitplatzierten Kandidaten jahrelang herumärgert, den man ja zu recht nicht den Vertrag angeboten hat?

In engen Verhandlungen bieten sich Finten an. Zeigt sich der Vertragspartner stur, sollten Sie auf Seitenwege und Täuschungen ausweichen. Nehmen Sie dazu eine Forderung, von der Sie erwarten, sie nicht durchsetzen zu können. Der andere wird sehr wahrscheinlich ablehnen, aber nun unter Druck stehen, an anderer Stelle nachgiebig zu sein. Ein höheres Gehalt lässt sich partout nicht durchsetzen, weichen Sie auf variable Gehaltsbestandteile aus. Bei weichen Faktoren sind die Bedingungen bestens für den Arbeitnehmer, da jede Ungenauigkeit zulasten des Arbeitgebers geht.

Und: reden Sie nicht von Ihren Schwächen und der Bereitschaft, nachzugeben. Wer bereits am Anfang bekennt, auch weniger zu akzeptieren, wird nicht ernst genommen. Machen Sie sich immer klar: wer mit Ihnen verhandelt, will etwas von Ihnen. Und das hat einen Preis.

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  • Ralf 6. Oktober 2019, 21:14

    Also zunächst mal machen Sie es sich viel zu einfach, Forderungen nach mehr Transparenz schlicht mit Neid gleichzusetzen. Viele gerade junge Mitarbeiter haben keine Ahnung, was sie auf dem Markt verlangen können und das Wissen ist in vielen Fällen auch nicht einfach zu erlangen. Die Mentoren an der Universität haben zumeist selbst keinen Plan, was die Privatwirtschaft zahlt, weil sie keinerlei Kontakt dorthin pflegen. In den meisten Fällen fährt man am besten, wenn man die Tipps, die man aus dieser Ecke bekommt, vollständig ignoriert. Im Internet kann man sich über Webseiten wie Glassdoor über Gehaltshöhen informieren, aber diese Informationen sind in der Regel schwierig zu interpretieren und nicht selten irreführend. So stammen die meisten Daten in Glassdoor z.B. aus den USA und die dortigen Gehälter sind in keinster Weise vergleichbar mit denen in Europa. Die Bezahlungen sind auch regional sehr unterschiedlich (in Mecklenburg-Vorpommern verdient man weniger als in Baden-Württemberg (Osten vs. Westen), im bayrischen Pfaffenhofen verdient man weniger als im bayrischen München (ländlich vs. urban), große Unternehmen zahlen mehr als kleine Unternehmen), was die Bewertung der Daten oft fast unmöglich macht bzw. es bleiben kaum Daten übrig, die zur Bewertung der eigenen Position halbwegs passen. Außerdem kennt man die individuellen Qualifikationen der Autoren der Angaben nicht, kann sich also selbst nicht wirklich relativ dazu einordnen. Bleibt halt nur noch der persönliche Kontakt mit Bekannten, wenn man das Glück hat jemanden zu kennen, der in der Branche oder sogar im gewünschten Unternehmen arbeitet. Auch da kriegt man allerdings lediglich eine Einzelmeinung, die in keiner Weise repräsentativ sein muss. Folglich sind junge Bewerber meist völlig ratlos, was sie denn verlangen können. Und bei soviel Unwissenheit über den Markt zahlt sich die etwas aggressivere Verhandlungsweise von Männern gegenüber der Zurückhaltung von Frauen aus. Fair ist das nicht. Und mehr Transparenz wäre vonnöten, um Berufseinsteigern überhaupt erstmal eine Chance zu geben eine sinnvolle Gehaltsforderung zu stellen.

    Dabei dürfte klar sein, dass niemand der Angestellte sein möchte, der für die selbe Arbeit und die selbe Leistung, am wenigsten von allen bezahlt bekommt. Unser Gerechtigkeitsempfinden sagt uns, dass Einkommen leistungsgerecht sein sollte, dass also der, der viel leistet, mehr bekommen sollte, als der, der wenig leistet. Aber dass eben zwei, die das selbe leisten, auch das selbe Gehalt haben sollten.

    Was die Bezahlung nach Leistung angeht, ist dagegen also nichts einzuwenden. Und auch das kann man mit Transparenz machen. Wenn ein Kollege einen neuen gewinnträchtigen Kunden oder ein besonders großes Geschäft an Land gezogen hat, versteht jeder wenn ein großzügiger Bonus ausbezahlt wird. Und umgekehrt: Wenn sich nicht begründen lässt, warum jemand einen Bonus bekommen sollte, dann sollte er den vermutlich auch nicht bekommen.

    Etwas abstrus wird Ihr Text, wenn Sie sich zu Gehaltserhöhungen äußern. Wenn das Gehalt lediglich mit der Inflation ansteigt, ist das keine „Erhöhung“, sondern es wird lediglich die Kaufkraft des Einkommens erhalten. Es ist also Stillstand. Keine Gehaltserhöhung zu bekommen, wenn die Inflation ansteigt, ist hingegen eine reale Kürzung. Wer durchschnittliche Arbeit leistet, dessen Gehalt sollte sich ganz normal mit der Inflation bewegen. Weder verdient der Durchschnittsleister mehr als einen Inflationsausgleich, noch sollte er reale Einbußen hinnehmen.

    Dass sich niemand selbst als Minderleister sieht, da haben Sie sicher recht. Und das ist mit Sicherheit ein Problem. Aber dafür gibt es ja Vorgesetzte, die eine objektive Leistungsbewertung vornehmen können und deren Aufgabe es ist, diese dann auch zu vermitteln. Aus dieser Pflicht, den Arbeitnehmer notfalls auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, sollten wir die Vorgesetzten auch nicht entlassen.

    • Erwin Gabriel 7. Oktober 2019, 12:54

      @ Ralf 6. Oktober 2019, 21:14

      Unser Gerechtigkeitsempfinden sagt uns, dass Einkommen leistungsgerecht sein sollte, dass also der, der viel leistet, mehr bekommen sollte, als der, der wenig leistet.

      Der Umkehrschluss lautet: Der, der weniger leistet, soll auch weniger bekommen als derjenige, der mehr leistet.

      Dieses „Gerechtigkeitsempfinden“ ist sicherlich bei den meisten Menschen vorhanden. Aber in der Regel bedeutet es: Wenn ich mehr leiste als der andere, sollte ich auch mehr Geld bekommen. Es bedeutet nicht: Wenn ich weniger arbeite, akzeptiere ich ein geringeres Gehalt. Nebenbei versteht sich, dass man selbst viel besser als der Chef beurteilen kann, wie wichtig man für das Unternehmen ist.

      Keine Gehaltserhöhung zu bekommen, wenn die Inflation ansteigt, ist hingegen eine reale Kürzung.

      Ja. Sollte nicht sein.

      Dass sich niemand selbst als Minderleister sieht, da haben Sie sicher recht. Und das ist mit Sicherheit ein Problem.

      (Nur mal so, um auch mal blöd herumzulabern:)
      Endlich einsichtig – wie schön, dass Du jetzt auf unserer Seite mitkämpfst. freut mich echt. Deine früheren Postings haben Deine liberale Einstellung ja nicht so gezeigt, aber vielleicht habe ich da auch etwas verwechselt.

      Aber dafür gibt es ja Vorgesetzte, die eine objektive Leistungsbewertung vornehmen können und deren Aufgabe es ist, diese dann auch zu vermitteln. Aus dieser Pflicht, den Arbeitnehmer notfalls auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, sollten wir die Vorgesetzten auch nicht entlassen.

      Da gehören zwei zu. Der, der erklärt, und der, der akzeptiert. Meiner Erfahrung nach scheitert es öfter an der zweiten Funktion.

      • Ralf 7. Oktober 2019, 21:22

        Der Umkehrschluss lautet: Der, der weniger leistet, soll auch weniger bekommen als derjenige, der mehr leistet.

        Stimmt. Ich bin für ein gleiches Grundgehalt bei allen Angestellten der selben Stufe und dazu leistungsabhängige Zulagen, die offen und transparent für alle im Betrieb verkündet und begründet werden.

        Aber in der Regel bedeutet es: […] Es bedeutet nicht: Wenn ich weniger arbeite, akzeptiere ich ein geringeres Gehalt.

        Siehe oben. Eine aktive Gehaltskürzung dürfte den Frieden in einer Gruppe erheblich stören. Die Nichtgewährung einer ausdrücklich leistungsabhängigen Zulage hingegen dürfte wesentlich besser zu verkaufen sein. Alldieweil es bei einem Minderleister ja per Definition keine außerordentlichen Leistungen gibt, die es zu würdigen gälte. Und beide Modelle laufen auf’s selbe hinaus. Der Unterschied ist in der Semantik.

        Endlich einsichtig – wie schön, dass Du jetzt auf unserer Seite mitkämpfst.

        😀

        Da gehören zwei zu. Der, der erklärt, und der, der akzeptiert. Meiner Erfahrung nach scheitert es öfter an der zweiten Funktion.

        Das ist schon in der Schule so. Trotzdem muss der Lehrer Schülern, die die gleiche Leistung erbringen, auch die gleiche Note geben. Und darf nicht dem einem Schüler eine bessere Note geben, nur weil der vehementer verhandelt oder weil die Diskussion zur Begründung der Note möglicherweise einen unerfreulichen Verlauf nimmt oder unbequem ist.

        • Erwin Gabriel 8. Oktober 2019, 14:08

          @ Ralf 7. Oktober 2019, 21:22

          Ich bin für ein gleiches Grundgehalt bei allen Angestellten der selben Stufe und dazu leistungsabhängige Zulagen, die offen und transparent für alle im Betrieb verkündet und begründet werden.

          Schön in der Theorie, unmöglich in der Praxis. Da werden Vorgesetzte, Personaler und Betriebsräte viel Arbeit kriegen. Wer eine hohe Zulage erhält, wird automatisch Feindbild und Mobbing-Opfer No. 1 bei den Kollegen sein.

          • Stefan Pietsch 8. Oktober 2019, 15:01

            So ist es! Und vor allem wird das zum Master gemacht, so viel müssten jetzt auch alle anderen bekommen und sollte in die Tarifstruktur eingearbeitet werden.

            • Floor Acita 8. Oktober 2019, 17:54

              „So ist es!“?

              Bin verwirrt… Ich dachte Ihre Position war, dass ungleiche Entlohnung NICHT zur Störung des Betriebsfriedens führt..?

              • Stefan Pietsch 8. Oktober 2019, 18:16

                Erwin Gabriel argumentiert dagegen, die komplexen Gehaltsstrukturen inklusive Zulagen transparent oder gar öffentlich zu machen. Das bringt niemanden etwas und sorgt für Scheingerechtigkeiten. Die sehen nämlich heute schon so aus, dass Unternehmen eher auf Zulagen verzichten. Ich bin damit zuletzt auf Granit gestoßen, als ich einer guten Mitarbeiterin eine Zulage geben wollte und von Personal die Aussage bekam: So etwas machen wir nicht! Warum wohl nicht? Weil es nur zu endlosen Debatten und Rechtfertigungen mit dem Betriebsrat und im Rahmen der neuen Gehaltstransparenzverordnung mit Mitarbeitern führt. Warum die, warum ich nicht? Wenn Sie meinen, das führe zu mehr Gerechtigkeit, erklären Sie mal, warum sich jemand noch besonders reinhängen soll, wenn es sich für ihn ohnehin nicht auszahlt.

                • Stefan Sasse 8. Oktober 2019, 19:27

                  Ein Anfang wäre, echte Arbeitszeit zu bezahlen. Leute, die sich richtig reinhängen, arbeiten nämlich meistens mehr und länger. Und das zu honorieren hat keiner ein Problem. Bei Zulagen sieht die Sache tatsächlich anders aus, vor allem wenn die Kriterien intransparent sind. Und das sind sie leider allzuhäufig.

                  • Stefan Pietsch 8. Oktober 2019, 21:52

                    Welche Arbeitszeit? Die im Smalltalk? Die im Internet? Fakt ist, wir verbringen immer mehr Zeit völlig unproduktiv, weil wir uns von allem Möglichen ablenken lassen. So schaffen wir weniger Arbeitspensum und hängen hinten an. Anschließend arbeiten wir abends. Ich verstehe Deinen Punkt, aber das Problem wird wie gehabt nur von einer Seite betrachtet.

                    Bei Tarifgebundenheit benötigt der Vorgesetzte die Möglichkeit der Zulage. Die Tarifstufen bieten keine ausreichende Möglichkeit zur Differenzierung der Löhne. In der Praxis stehen die Transparenzanforderungen genau dem entgegen.

                    • Stefan Sasse 8. Oktober 2019, 23:12

                      Wir reden gerade explizit von Hochleistungsangestellten, nicht den Hobby-Moorhuhnjägern.

                    • Stefan Pietsch 8. Oktober 2019, 23:33

                      Das Problem existiert durchaus auch für Manager.

                    • Stefan Sasse 9. Oktober 2019, 10:02

                      Meine ich ja. Die werden ihre Arbeitszeit ja wohl hoffentlich auch nicht mit Smalltalk und surfen verwenden.

                    • Stefan Pietsch 9. Oktober 2019, 10:04

                      Auch. Mit E-Mail-Schreiben, ineffektiven Debatten etc. Es gibt heute so viele Zerstreuungsmöglichkeiten, das ist nicht schichtenspezifisch. Wir arbeiten unter anderem deswegen so lang, weil wir uns nicht mehr konzentrieren können.

                    • Erwin Gabriel 9. Oktober 2019, 19:32

                      @ Stefan P

                      Dicke, fette Zustimmung

          • Ralf 8. Oktober 2019, 21:35

            Schön in der Theorie, unmöglich in der Praxis. Da werden Vorgesetzte, Personaler und Betriebsräte viel Arbeit kriegen. Wer eine hohe Zulage erhält, wird automatisch Feindbild und Mobbing-Opfer No. 1 bei den Kollegen sein.

            In der Schule funktioniert das auch. Da liest der Lehrer laut am Ende des Schuljahres vor, wer welche Note bekommt. Und begründet meist auch öffentlich weshalb (z.B. schriftliche Leistung, mündliche Leistung, Referat gehalten etc.). Schon weil man als Lehrer heutzutage leicht verklagt wird, hat man ein großes Interesse daran schriftlich Buch zu führen, wer wann wie im Unterricht mitgearbeitet oder Hausaufgaben gemacht bzw. nicht gemacht hat. Aus all dem Material kann man zum Schluss eine nachvollziehbare Leistungsbewertung machen. Ja, Streit wird es möglicherweise geben über kleinere Bewertungsunterschiede (zwei minus oder drei plus), aber es wird keinen Konflikt darüber geben, ob jemand eine zwei oder eine fünf bekommt. Und wenn man von einem Lehrer erwarten kann, dass er ein ordentliches Leistungsmonitoring bei seinen Schülern macht, dann kann man das selbe auch von einem Chef bezüglich seiner Untergebenen erwarten. Im übrigen gibt es auch regelmäßige Mitarbeitergespräche, bei denen sich bereits frühzeitig ausloten lässt, ob die Eigenbewertung und Außenbewertung nahe beieinander liegen, ob Erwartungen eher erfüllt oder nicht erfüllt wurden und ob jemand noch einen Zahn zulegen muss, wenn er auf eine Zulage hofft.

            Und solange es gute Begründungen für diese Zulagen gibt (z.B. neuen Kunden angeworben, neues Produkt marktreif gemacht, erhebliche Überstunden geleistet, erfolgreicher Vertragsabschluss etc.), die man auch erklären kann, werden die auch von der Mehrheit verstanden werden.

            • Stefan Pietsch 8. Oktober 2019, 22:09

              In der Schule funktioniert das auch. Da liest der Lehrer laut am Ende des Schuljahres vor, wer welche Note bekommt. Und begründet meist auch öffentlich weshalb

              Bekanntermaßen funktioniert das nicht mehr so. Lehrer trauen sich nicht mehr, Schülern schlechte Noten zu geben oder sie sogar durchfallen zu lassen. Das hat eine Inflationierung der Schulabschlüsse und der guten Noten gebracht.

              Als ich eine junge Mitarbeiterin in der Bewertung deutlich heruntergestuft habe, wurde die gesamte Maschinerie in Gang gesetzt: Zweitbewertung und Besprechung im Beisein des Betriebsrates, schriftliche Stellungnahme, Vortrag vor der Einigungsstelle. Dieser Weg steht jedem Mitarbeiter offen, der zurückgestuft wird – was in der Natur der Sache liegt. Wie oft, meinen Sie, tut sich das ein Vorgesetzter an, der vor allem sein Team führen, einen guten Job machen will und ansonsten genügend andere Aufgaben hat? In solchen Terminen können sie nicht frei reden, denn wir sind im Rechtsbereich, wo ein falsches Wort einen angreifbar macht. So hatte ich beispielsweise die Rückstufung unter anderem mit ihren hohen Fehlzeiten begründet. Diese selbst dürfen nicht in die Bewertung einfließen. Da jedoch Rückkehrer immer wieder eingearbeitet werden müssen, sind sie auch in der verbleibenden Zeit weniger produktiv. Das handhaben Sie mal mündlich. Ich bin sicher da sehr versiert, juristisch geschult und sprachlich gewandt. Aber das trifft nicht auf jeden zu. Nein, eine kurze Begründung muss reichen und Vorgesetzte benötigen auch ein Stück Freiraum die Dinge nach eigenen Maßstäben zu beurteilen. Sonst brauchen wir keine Leitung.

              Weil Sie es ständig wiederholen: wer Kunden akquiriert, erhält dafür üblicherweise Provisionen, keine tariflichen Zulagen. Und es ist Quatsch – und wird in der Praxis auch wenig gemacht – Anwesenheitszeiten zu belohnen. Auf der anderen Seite sollten Einmalleistungen wie die von Ihnen aufgeführten auch durch Einmalzahlungen entlohnt werden und nicht durch dauerhafte Lohnerhöhungen. Also, Sie werden noch einiges lernen müssen, wollten Sie mal Teams führen. 😉

              • Stefan Sasse 8. Oktober 2019, 23:12

                Ich traue mich problemlos, Schülern schlechte Noten zu geben. Und ich arbeite an einer Privatschule…

        • Erwin Gabriel 8. Oktober 2019, 19:16

          @ Ralf 7. Oktober 2019, 21:22

          Endlich einsichtig – wie schön, dass Du jetzt auf unserer Seite mitkämpfst.

          Nur für Dein Verständnis: Ich habe meine Meinungen, wie Du und jeder andere auch, und sie unterliegen einem stetigen Wandel, wie bei Dir und bei jedem anderen auch.

          Wenn Du nun an irgendeiner Stelle – bei allen unterschiedlichen Ansätzen, Vorstellungen, Konditionierungen und Sozialisierungen – irgendwo eine deckungsgleiche Meinung zwischen uns findest, dann kämpfe ich nicht auf Deiner Seite, dann habe ich nicht Deine Meinung übernommen. Das anzunehmen ist für mich beleidigend.

          Es sind immer noch meine Standpunkte und Meinungen gegebenenfalls auch meine Fehler, basierend auf meinen Erfahrungen. Deine (typisch ‚linke‘) Attitüde, in solch einem Fall so zu tun, als sei ich endlich geläutert oder von der flaschen auf die ‚gute‘ Seite hinübergerutscht, solltest Du Dir wirklich sparen.

    • Stefan Pietsch 7. Oktober 2019, 19:27

      Viele gerade junge Mitarbeiter haben keine Ahnung, was sie auf dem Markt verlangen können und das Wissen ist in vielen Fällen auch nicht einfach zu erlangen.

      Abgesehen davon, dass sich diese These mit vielen Fragezeichen versehen lässt, ist sie völlig irrelevant. Ein junger Absolvent in einem bisschen gefragten Bereich sollte mehr als ein Jobangebot bekommen. Da erhält er einen ersten Einblick in seinen Marktwert. Üblicherweise wechselt man in den ersten 2-4 Jahren Job und Arbeitgeber, nächste Möglichkeit, Erwartungen und Wert in Einklang zu bringen. Und generell gilt die Faustformel von Headhuntern: innerhalb der ersten 10 Arbeitsjahre sollte ein Akademiker sein Gehalt verdoppeln können. Genügend Zeit also, sich mit Gegebenheiten vertraut zu machen und sein Einkommen zu korrigieren.

      Unser Gerechtigkeitsempfinden sagt uns, dass Einkommen leistungsgerecht sein sollte, dass also der, der viel leistet, mehr bekommen sollte, als der, der wenig leistet.

      Ich habe den Eindruck, dass mein Beispiel nicht bei Ihnen angekommen ist. Der Maschinenbauer, für den ich vor einigen Jahren gearbeitet hatte, legte Anfang des Jahrzehnts eine veritable Insolvenz hin. Der Investor, der die Insolvenzmasse übernahm, garantierte der verbliebenen halbierten Belegschaft Bestandsschutz auf historisch hohem Niveau. So erhielt ein Techniker im Schnitt ein Fixum von über 4.000€. Dieses liegt über Tarif. Später stellten wir während der Insolvenz entlassene Techniker neu wieder ein, die zwischenzeitlich das reduzierte Marktniveau kennengelernt hatten. Preisfrage: zu welchem Preis hätte der Techniker wieder beschäftigt werden sollen? Zu dem Gehalt, welches das Unternehmen zuvor in die Insolvenz getrieben hat? Oder zu jenem, was der Markt anzeigte?

      Die Gehälter blieben garantiert, aber die Zulagen gegen die Tariferhöhungen abgeschmolzen. Gerecht? Das sind so schwere Fragen, dass sie sich nicht politisch beantworten lassen. Unter diesem Aspekt sind Ihre Positionen eher populistisch geprägt. Ich habe darüber hinaus im Artikel zwei Beispiele genannt, woran Sie Ihre Gerechtigkeitsvorstellungen abarbeiten könnten. Leider haben Sie die Gelegenheit nicht genutzt.

      Wenn das Gehalt lediglich mit der Inflation ansteigt, ist das keine „Erhöhung“, sondern es wird lediglich die Kaufkraft des Einkommens erhalten.

      Wieso sollte Einkommen nicht auch sinken dürfen? Was für AT-ler und erst recht Top-Verdiener Normalität ist, kann doch für jemanden mit 5.000€ Tarifentgelt nicht ausgeschlossen sein.

      Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass Vorgesetzte mutiger sind als der Durchschnitt der Bevölkerung oder Politiker? Besagter Maschinenbauer unterliegt den Regeln des Tarifvertrages für die Metall- und Elektroindustrie. Dieser beinhaltet einen variablen Anteil, der in Abhängigkeit von der Mitarbeiterbeurteilung gewährt wird. Nur die Gesamtsumme über alle Beschäftigten ist fix. Die meisten Abteilungen beurteilten ihre Mitarbeiter jährlich gleich und immer weit überdurchschnittlich. Mit meiner realistischen Bewertung geriet ich in gefährliches Fahrwasser, denn ich lief Gefahr, dass ein vergleichbarer Mitarbeiter weniger Gehalt bekam, weil sein Chef ihm weniger Punkte gab. Die meisten Vorgesetzten hätten nämlich die Neigung, mit ihrer Bewertung Konflikten aus dem Weg zu gehen, denn eine schlechtere Beurteilung bedeutet nunmal weniger Gehalt. Das nehmen die meisten ihrem Chef übel.

      • Ralf 7. Oktober 2019, 21:06

        Ein junger Absolvent in einem bisschen gefragten Bereich sollte mehr als ein Jobangebot bekommen. Da erhält er einen ersten Einblick in seinen Marktwert. Üblicherweise wechselt man in den ersten 2-4 Jahren Job und Arbeitgeber, nächste Möglichkeit, Erwartungen und Wert in Einklang zu bringen.

        Ein Angestellter, der sich zu einem zu niedrigen Gehalt hat einstellen lassen, holt seinen Verlust in dem Job in der Regel nicht mehr auf. Ein besseres Einkommen kriegt man dann nur mit einem Jobwechsel. Davor schrecken die meisten zurück. Bin in Gedanken gerade mal meinen Freundeskreis durchgegangen. Ich kenne fast niemanden, der innerhalb der ersten 2-4 Jahre den Arbeitgeber gewechselt hat. Im Gegenteil. Die meisten sind froh endlich etwas gefunden zu haben und wollen Stabilität und Planbarkeit in ihrem Leben und nicht den ständigen Neuanfang und womöglich einen Umzug.

        Preisfrage: zu welchem Preis hätte der Techniker wieder beschäftigt werden sollen?

        Zu dem Preis, der seinem Erfahrungsgrad und seiner Stufe in der Firma entspricht. Oder meinetwegen in diesem speziellen Fall auch zunächst temporär leicht darunter, weil er ja die Firma verlassen hat und wieder als Neueinsteiger reinkommt.

        Ansonsten sollte das Ziel sein, dass gleicher Lohn für gleiche Leistung gezahlt wird.

        Die Gehälter blieben garantiert, aber die Zulagen gegen die Tariferhöhungen abgeschmolzen. Gerecht?

        Innerhalb eines Betriebes sollte es ein konsistentes und transparentes System der Gehaltskalkulation geben. Sofern alle Gehälter gleich behandelt werden, denke ich, dass ein Abschmelzen von Zulagen nicht per se ungerecht ist, wenn die Betriebssituation das erfordert.

        Wieso sollte Einkommen nicht auch sinken dürfen?

        Ihre These war, dass das Einkommen von Durchschnittsleistern real sinken sollte und damit kann ich nichts anfangen.

        Mit der Gehaltsminderung bei Minderleistern habe ich kein grundsätzliches Problem, gebe allerdings zu bedenken, dass das in der Praxis erheblich störend für den Betriebsfrieden wäre. Minderleistung ist nämlich fast nie belegbar, wenn wir die Minderleistung als selbstverschuldet definieren (im Gegensatz zu meinetwegen etwa einem Außendienstler, der das Pech hatte, dass ein wichtiger Kunde eine Abteilung geschlossen hat, was zu weniger Umsatz führte und ähnlichem). Bei den Minderleistern ist es ja so, dass die meisten ganz genau wissen, wer das im Betrieb ist, aber sobald man das belegbar beweisen will, steht man vor einem Problem. Feiert jemand zum Beispiel des öfteren krank? Oder ist die Person wirklich krank? Die meisten Kollegen haben ein intensives Bauchgefühl. Aber eben keinen Beweis. Und an Problemen wie diesen scheitert die offizielle Einordnung in die Kategorie „selbstverschuldeter Minderleister“ in der Regel.

        Um es kurz zu machen: Der Arbeitgeber spart sich in der Praxis eine Menge Konflikte, wenn er von der Annahme ausgeht, dass jeder Angestellte zumindest durchschnittliche Leistung erbringt. Und auch die Minderleister sind ja mit der Leistung, die sie erbringen in der Regel sehr deutlich näher am Durchschnitt als bei Null. Und so viele wirkliche Nulpen gibt es auch garnicht in einem vernünftig geführten Betrieb, mit einem Vorgesetzten, der sich kümmert und motiviert und der klare, nachvollziehbare Anweisungen gibt.

        Die meisten Vorgesetzten hätten nämlich die Neigung, mit ihrer Bewertung Konflikten aus dem Weg zu gehen

        Die Vorgesetzten verdienen mehr Geld als andere unter anderem auch darum, weil sie schwierige Probleme und Herausforderungen angehen müssen. Wer Personal auf Leitungspositionen befördert, das dann ängstlich Konflikten aus dem Weg geht anstatt Baustellen anzusprechen, sollte sich darüber im Klaren sein, dass man selber „Minderleister“ ist.

        • Stefan Pietsch 8. Oktober 2019, 11:14

          Es ist wirklich erstaunlich, wie wenig anspruchsvoll Sie gegen die gebildetsten Schichten sind, wenn diese nur die Flagge hissen: Arbeitnehmer und ahnungslos. Die gleiche Person, die nach dem Studium ein Unternehmen gründet und Interessierte zu günstigen Konditionen einstellt, würden Sie als Ausbeuter bezeichnen (okay, ein bisschen maßvoller, aber im Prinzip). Vielleicht liegt es auch daran, dass die meisten jungen Leute, so gebildet sie auch daherkommen mögen, einfach wirklich doof sind.

          Also, nur dass wir das nochmal schriftlich haben: jemand schließt nach entbehrungsreichen Jahren, wo er natürlich keinen Kontakt zur Arbeitswelt hatte (Praktika sind ja so unmodern), er um Xing und LinkedIn einen großen Bogen machte und nur eine Bewerbung schrieb und eine Einladung erhielt, einen Arbeitsvertrag bei einem Unternehmen, dass seine Naivität total ausnutzt, einen Vertrag weit unter Marktkonditionen. Als er das nach einer kurzen Zeit von 8-10 Jahren erfährt, droht er aber nicht mit Weggang, sondern fügt sich in sein Schicksal.

          Interessantes Bild, das Sie da abliefern, was meine Achtung von der heutigen jungen Generation nicht gerade hebt. Als ich meinen ersten Arbeitsvertrag in der Wirtschaftsprüfung unterschrieb, wusste ich, was die anderen Gleichaltrigen mit gleicher Ausbildung erhielten. Mit zitternden Knien, aber frech forderte ich 100 DM mehr und bekam sie. Vier Jahre später wechselte ich und erfuhr bei jedem Wechsel, wie mein Marktwert rasant stieg. Begehrtheit hat auch damit zu tun, dass man ab und zu den Partner wechselt. Die besten Sahneschnitte sind selten dauerhaft in einer Hand. 🙂

          Okay, ich muss wohl bei dem Beispiel noch deutlicher werden, da Sie sich betrieblichen Realitäten beharrlich verweigern oder sie wirklich nicht kennen. 93% der insolventen Unternehmen überleben die Insolvenz nicht, so betrachtet hatten die verbliebenen Mitarbeiter des Maschinenbauers außerordentliches Glück. Dieser hat übrigens eine sehr geringe Fluktuation, weil die Gehälter längst deutlich über Markt liegen. Ist es nun wirklich die Pflicht des Käufers, ein hohes Gehaltsniveau in alle Ewigkeit zu sichern? Das ist eine sterbende Branche, der Marktführer lässt seit Jahren nur noch zu reduzierten Arbeitszeiten arbeiten, wodurch die Mitarbeiter einen dauerhaften Vermögensverlust erleiden, weil das Geld für einen Sozialplan fehlt.

          Es war ein außerordentlich großes Entgegenkommen und soziales Engagement, dass der Investor die Gehälter garantiert hat. Doch heißt das, dass dies im Prinzip auch für jeden neuen garantiert werden muss? Beispiel: ein Sachbearbeiter bekommt 70.000€ p.a., die Übernahme junger Leute oder die Anwerbung eines neuen Mitarbeiters würde auf vergleichbarem Niveau (nehmen wir den Azubi raus, um es verständlich zu halten) nur zu einem Jahresentgelt von 45.000€ führen. Zum langfristigen Überleben ist es ohnehin notwendig, das Gehaltsniveau runterzubringen (in einem Mix aus Kurzarbeit und Entlassungen). Wären Sie auch unter diesen Bedingungen der Ansicht, dass die Neuen auf das höhere Niveau herangeführt werden müssten?

          Oder meinetwegen in diesem speziellen Fall auch zunächst temporär leicht darunter, weil er ja die Firma verlassen hat und wieder als Neueinsteiger reinkommt.

          Er hat ja die Firma nicht freiwillig verlassen, sondern er war ein Kündigungsopfer. Die Leute sind relativ als wer zur Zeit der Insolvenz 48 Jahre alt war, ist nun 56 Jahre. Es ist absehbar, wann er in Rente geht. Darf sein Gehalt wirklich noch als Maßstab gelten? Der Rückkehrer hat erfahren, welchen (niedrigeren) Marktwert er besitzt und war außerordentlich dankbar, sein Einkommen mit der Rückkehr verbessern zu können. Ist es da aus Ihrer Sicht aus Fairnessgründen erforderlich, ihn anzupassen? Nur der Vollständigkeit halber: der Rückkehrer war froh, dankbar und hoch motiviert, wieder in der Familie zu sein, wenn dies auch einen etwas niedrigeren Lohn als seine Kollegen bedeutete.

          Solche Fragen sind nicht so leicht zu beantworten, wie Sie es tun. Tatsächlich muss eine Lohnpolitik im Unternehmen immer eine Balance suchen zwischen betrieblichen Zwängen, den Bedürfnissen der Guten, Motivierten und dem Gehaltsrahmen, der sich durchaus ändern kann.

          Innerhalb eines Betriebes sollte es ein konsistentes und transparentes System der Gehaltskalkulation geben.

          Was soll das sein? Das habe ich noch nie gehört. Im Zweifel muss ein Unternehmen die Gehälter zahlen, die der Markt fordert. Ich bekomme keinen SAP-Experten für unter 100.000€. Entweder ich stelle keinen ein oder ich zahle den auch für einen ITler hohen Preis. Umgekehrt wäre es verrückt, für einen Buchhalter 50.000€ zu zahlen, wenn Branche und Qualifikation 40.000€ ausreichend erscheinen lassen.

          Sofern alle Gehälter gleich behandelt werden, denke ich, dass ein Abschmelzen von Zulagen nicht per se ungerecht ist, wenn die Betriebssituation das erfordert.

          Da haben Sie mal flux eine große Ungerechtigkeit formuliert ohne es zu wissen. Tarifverträge schreiben detailliert vor, wie ein Mitarbeiter bei welcher Qualifikation und Arbeitserfordernis einzustufen ist. Nur gibt es da eben auch wieder Unterschiede, da ein Tarifvertrag nur die Tätigkeit beschreibt, nicht jedoch weitere Qualitäten wir Arbeitsgüte, Schnelligkeit, Anpassungsbereitschaft und Innovationsfähigkeit. Das haben viele Jahre Unternehmen durch Zulagen ausgeglichen. Jemand wird nicht auf die höhere Tarifstufe angehoben, weil dies nicht der Arbeitsbeschreibung entspricht und nur weitere Ungerechtigkeiten verursacht, sondern durch Zulage von dem Kollegen unterschieden, er die gleiche Aufgabe erledigt, aber schlechter.

          Das bedeutet, Zulagen signalisieren, welche Mitarbeiter wie geschätzt werden. In Krisenzeiten werden jedoch diese als erstes abgeschmolzen, da Tariferhöhungen nicht anrechenbar sind. Mit anderen Worten: in der Krise werden jene Kollegen am heftigsten getroffen, die doch eigentlich die Leistung tragen. Das schädigt erheblich die Motivation.

          Ihre These war, dass das Einkommen von Durchschnittsleistern real sinken sollte und damit kann ich nichts anfangen.

          Das habe ich nicht gemeint. Das allgemeine Gehaltsniveau sollte sich schon mindestens im Bereich der allgemeinen Branchenentwicklung bewegen. Da können wir uns treffen. Mir geht es allein darum, dass sich Schlechtleister auch verschlechtern können, wenn der Weg über die verhaltensbedingte Kündigung weitgehend versperrt ist.

          Minderleistung ist nämlich fast nie belegbar, wenn wir die Minderleistung als selbstverschuldet definieren

          Es geht nicht um Belegbarkeit, da sollte man dem Urteil des Umfeldes durchaus vertrauen. Ich habe es eigentlich nie erlebt, dass Leitung und Leistungsträgern im Team ein Dissens darüber bestand, wer in der Mannschaft entbehrlich sei. Ich habe auch nie eine Restrukturierung gemacht, ohne die Schlüsselleute hinzuzuziehen. Es ist jedoch nicht so selten, dass die Arbeitsleistung eines Mitarbeiters über die Jahre deutlich schwanken kann. Dafür gibt es viele Gründe, von persönlichen emotionalen Belastungen wie Schicksalsschlägen im Umfeld, Motivationsproblemen, Gleichgültigkeit, Bequemlichkeit usw. Es ist nicht einfach, da immer die angemessene Reaktion und Lösung zu finden.

          Der Arbeitgeber spart sich in der Praxis eine Menge Konflikte, wenn er von der Annahme ausgeht, dass jeder Angestellte zumindest durchschnittliche Leistung erbringt.

          Sie treffen damit die Topleute. Denn wer sich besonders einsetzt, will, dass sich das auch im Einkommen und Gehaltsunterschied zum Kollegen widerspiegelt. Denn ansonsten fahren Sie genau die Leute sauer, auf die Sie besonders angewiesen sind, siehe oben (Parabel).

          Die Vorgesetzten verdienen mehr Geld als andere unter anderem auch darum, weil sie schwierige Probleme und Herausforderungen angehen müssen.

          Nicht immer. Ich habe selten so viel Neid und Missgunst erfahren als in Bereichen, wo T-Arbeitnehmer und Leitungsleute sich nur um 10 oder 20 Prozent im Gehalt unterschieden. Und umgekehrt muss ich fragen, wo das noch gerechtfertigt sein soll, da (echte) Führungspersonen weit größere Lasten tragen. Und gerade im öffentlichen Bereich kann es passieren, dass ein älterer Mitarbeiter ein höheres oder zumindest gleiches Gehalt kassiert wie die Führungskraft. Was meinen Sie denn, warum Schulbehörden heute so Probleme haben, die Leitung von Schulen zu besetzen?

          • Ralf 8. Oktober 2019, 22:13

            Die gleiche Person, die nach dem Studium ein Unternehmen gründet und Interessierte zu günstigen Konditionen einstellt, würden Sie als Ausbeuter bezeichnen (okay, ein bisschen maßvoller, aber im Prinzip).

            Ich würde jemanden, der nach dem Studium ein Unternehmen gründet einen Ausbeuter nennen??? Wie kommen Sie denn darauf? Ich freue mich für jeden, der es schafft seinen eigenen Betrieb aufzumachen. Ich habe gute Freunde, die Unternehmer sind. Ich weiß, wie hart diese Leute arbeiten. Kein Mensch hat etwas dagegen, dass die dann auch überdurchschnittlich verdienen.

            Also, nur dass wir das nochmal schriftlich haben: jemand schließt nach entbehrungsreichen Jahren, wo er natürlich keinen Kontakt zur Arbeitswelt hatte (Praktika sind ja so unmodern), er um Xing und LinkedIn einen großen Bogen machte und nur eine Bewerbung schrieb und eine Einladung erhielt, einen Arbeitsvertrag bei einem Unternehmen, dass seine Naivität total ausnutzt, einen Vertrag weit unter Marktkonditionen. Als er das nach einer kurzen Zeit von 8-10 Jahren erfährt, droht er aber nicht mit Weggang, sondern fügt sich in sein Schicksal.

            Was Sie da wiedergeben ist ein Zerrbild dessen, was ich gesagt habe. Für die meisten Menschen gilt der Spruch, dass man arbeitet, um zu leben, nicht dass man lebt, um zu arbeiten. Eine junge Frau z.B. kommt aus dem Studium und unterschätzt ihren Wert auf dem Arbeitsmarkt. Sie wird für wesentlich weniger, als sie verlangen könnte eingestellt und realisiert das erst ein paar Jahre später. Inzwischen ist sie aber schwanger oder hat eine Wohnung gekauft. Oder vielleicht hatte sie bereits ein Kind und das ist jetzt in der Schule. Vermutlich hat sie eine Beziehung oder einen Ehemann. Da kann man nicht mehr einfach quer durch Deutschland ziehen, um irgendwo einen besser bezahlten Job zu finden. Menschen müssen irgendwann Wurzeln schlagen. Und darum sucht nicht jeder ständig nach etwas Neuem. Und ja, man findet sich dann auch eher mit einer Ungerechtigkeit ab. Fair ist das trotzdem nicht und der Arbeitgeber hat aus meiner Sicht eine moralische Verantwortung seine Angestellten nach konsistenten Kriterien so zu entlohnen, dass das Gehalt in einem vernünftigen Verhältnis zur erbrachten Leistung steht.

            Wären Sie auch unter diesen Bedingungen der Ansicht, dass die Neuen auf das höhere Niveau herangeführt werden müssten?

            Grundsätzlich ja. Ich gestehe gerne zu, dass man besondere Lösungen finden kann für Übergangsphasen oder Phasen, in denen es dem Unternehmen sehr schlecht geht. Aber mittel- bis langfristig sollte eine Anpassung ins Auge gefasst werden. Die Alternative wäre einen permanent ungerechten Zustand quasi für die Mitarbeiter zu zementieren. Das kann ja nun auch nicht Sinn der Sache sein.

            Im Zweifel muss ein Unternehmen die Gehälter zahlen, die der Markt fordert. Ich bekomme keinen SAP-Experten für unter 100.000€. Entweder ich stelle keinen ein oder ich zahle den auch für einen ITler hohen Preis. Umgekehrt wäre es verrückt, für einen Buchhalter 50.000€ zu zahlen, wenn Branche und Qualifikation 40.000€ ausreichend erscheinen lassen.

            Wenn Sie keinen SAP-Experten für unter 100.000€ bekommen, dann sollten Sie Ihren bereits eingearbeiteten SAP-Experten doch wohl auch 100.000€ zahlen. Und niemand verlangt, dass Sie einem Buchhalter 10.000€ mehr als seinen Marktwert bezahlen sollen. Aber wenn bei Ihnen drei Buchhalter arbeiten und alle in etwa den gleichen Job ungefähr gleich gut machen, dann sollten die auch alle die gleichen 40.000€ bekommen und nicht einer mehr als die anderen.

            In Krisenzeiten werden jedoch diese als erstes abgeschmolzen, da Tariferhöhungen nicht anrechenbar sind. Mit anderen Worten: in der Krise werden jene Kollegen am heftigsten getroffen, die doch eigentlich die Leistung tragen. Das schädigt erheblich die Motivation.

            Ich finde es in Ordnung, wenn in Krisenzeiten, falls es wirklich kritisch ist für das Unternehmen, alle den Gürtel enger schnallen. Dass alle einen Beitrag leisten. Dass dann die stärkeren Schultern allerdings mehr von der Bürde tragen als die schwächeren ist aus meiner Sicht völlig richtig. Ich sehe auch nicht, dass das die Motivation schädigt. Wenn das Unternehmen, in dem man arbeitet, am Abgrund steht, sollten alle ein Interesse haben, den Laden wieder ans Laufen zu kriegen. Und dann auch wieder am Erfolg beteiligt werden, wenn es gelingt die Kurve zu kriegen.

            Mir geht es allein darum, dass sich Schlechtleister auch verschlechtern können

            Da bin ich moralisch ganz bei Ihnen. Praktisch ist das aber sehr schwer zu vermitteln. Die Sache lässt sich aus meiner Sicht wesentlich besser so verkaufen, dass alle (, die auf der selben Erfahrungsstufe in der selben Position stehen,) das selbe Grundgehalt und dazu eine leistungsabhängige Zulage bekommen. Und die Minderleister bekommen dann halt keine Zulage. Auch so etwas muss sich allerdings begründen lassen und der Arbeitgeber wäre hier in der Pflicht.

            Sie treffen damit die Topleute. Denn wer sich besonders einsetzt, will, dass sich das auch im Einkommen und Gehaltsunterschied zum Kollegen widerspiegelt.

            Wenn die Top-Leute eine deutlich höhere Zulage bekommen, dann kriegen sie doch das Mehr an Einkommen, das sie haben wollen, um sich von den Kollegen zu differenzieren.

            Ich habe selten so viel Neid und Missgunst erfahren als in Bereichen, wo T-Arbeitnehmer und Leitungsleute sich nur um 10 oder 20 Prozent im Gehalt unterschieden.

            Ich kriege langsam das Gefühl, Sie interpretieren mich dahin gehend, dass ich meine, dass alle Angestellten das selbe Grundgehalt bekommen sollten, egal in welcher Position sie arbeiten. Das war nie mein Punkt. Ich fordere gleiches Gehalt für Arbeitnehmer, die die selbe Arbeit in der selben Qualität und mit der selben Erfahrung machen. Grob. Ich fordere nicht, dass die Putzfrau, der Buchhalter und der CEO mit dem selben Gehalt nach Hause gehen.

            • Stefan Pietsch 8. Oktober 2019, 23:16

              Was Sie da wiedergeben ist ein Zerrbild dessen, was ich gesagt habe.

              Ja, das ist pointiert, aber das ist in solchen Situationen eine meiner Methoden. Ich denke, Sie können damit leben und wissen an der Stelle, dass es nicht böse gemeint ist oder Sie lächerlich machen soll. 🙂

              Eine junge Frau z.B. kommt aus dem Studium und unterschätzt ihren Wert auf dem Arbeitsmarkt. Sie wird für wesentlich weniger, als sie verlangen könnte eingestellt und realisiert das erst ein paar Jahre später.

              An Ihrer Eingangsprämisse ist so ziemlich alles absurd, was nur absurd sein kann. Die Frau ist bei der Einstellung Mitte 20, darf seit einigen Jahren wählen, hat sich schon auf Straßen zur Klimademonstration gelegt und so weiter. Sie hat Vorträge an ihrer Uni gehalten. Das ist kein Kind wie eine 16jährige. So, die schreibt gegen Ende ihres Studiums nur eine einzige Bewerbung, wird nur zu diesem Gespräch eingeladen und bekommt zum Ende gesagt: wir sind begeistert von Ihnen. Sie schaut nicht auf Xing oder LinkedIn, hat keinen Kontakt zur nur einem einzigen Headhunter, irgendjemanden Neutralen, der ihr einige Ahnung vermitteln könnte. Mit anderen Worten: eine Lebens-Analphabetin. Schade um das Studiengeld, kann ich an der Stelle schon sagen.

              Anschließend arbeitet sie, jahrelang, führt ein Eremitendasein, denn sie unterhält sich nicht mit ihren Kollegen. Dabei ist das vertragliche Verbot, Stillschweigen über Vertragsklauseln zu wahren, das am meisten gebrochene Vertragsdetail. Mit über 30 merkt sie dann, dass sie durch einen frühen Wechsel oder ein Gespräch ihr Gehalt längst hätte deutlich steigern können.

              Sorry, Ralf, nehmen Sie es mir nicht übel: wenn so unsere Bildungselite zu beschreiben ist, muss ich sagen: jeden Cent, den die Dame mehr bekommen hätte, wäre verschwendet. Ich wiederhole mich: wer sich nicht für seine Interessen einzusetzen weiß, wird sich ganz sicher nicht für die Interessen anderer einsetzen. Sie beschreiben eine Mitarbeiterin, die man besser nicht haben sollte. Meine jungen Ausgelernten bei dem Maschinenbauer waren weit pfiffiger und forscher als die von Ihnen beschriebene Akademikerin mit mehr Lebensjahren.

              Wenn Sie die Dinge so sehen, dann sage ich Ihnen noch etwas: in der Branche des Maschinenbauers wurden noch in den Nullerjahren so hohe Gewinne gemacht, dass der Vorstand die Kunden zuteilen konnte, wer überhaupt eine Maschine bekommt. Heute ist die Situation ganz anders. Die Regel ist einfach: hohe Gewinne in einer Branche (Pharma, Automotive, Chemie, Software) führen zu hohen Gehältern. Das Ganze gilt allerdings auch umgekehrt. Das Gehaltsniveau in den Unternehmen der Branche muss deutlich fallen, damit sie überhaupt eine Überlebenschance in einer Nische haben. Das sozial Verträgliche dabei ist, die Leute nicht rauszuschmeißen, an der allgemeinen Gehaltsentwicklung kann man aber nur noch bedingt teilnehmen. Neue Mitarbeiter werden zu neuen Konditionen eingestellt. Die Alternative wäre härter: Der Investor hätte beispielsweise das Unternehmen kaputtgehen lassen können und nur die Hardware gekauft. Die besten Mitarbeiter sind bei einer Insolvenz ohnehin weg, die warten nicht. Dann hätte man den Ex-Mitarbeitern des untergegangenen Unternehmens neue Verträge zu den reduzierten MarktKonditionen angeboten. Doch der britische Milliardär hat sich für das Soziale entschieden, verlangt keine besondere Rendite, sondern nur, dass das Unternehmen sein eigenes Geld verdient.

              Das Problem ist: Sie können sich nicht in die Position eines Managers reinversetzen, Sie sind interessengeleitet auf der Bank der (benachteiligten) Arbeitnehmer. Daraus kann aber keine objektiv passende Position resultieren.

              Wenn Sie keinen SAP-Experten für unter 100.000€ bekommen, dann sollten Sie Ihren bereits eingearbeiteten SAP-Experten doch wohl auch 100.000€ zahlen.

              Der Unterschied zu Ihrem oben beschriebenen Dödelchen ist: kein SAP-Experte wartet in einer solchen Situation. Es ist praktisch unmöglich, einen guten SAP-Mann für unter 100.000€ in Angestelltenfunktion zu finden. Diejenigen, die darunter liegen, sind angelernt und haben bei weitem nicht das Niveau.

              Aber wenn bei Ihnen drei Buchhalter arbeiten und alle in etwa den gleichen Job ungefähr gleich gut machen

              Und auch wenn es nicht ankommt: das gibt es nicht. Wir Menschen unterscheiden uns zu stark als so etwas zu erwarten. Der deutliche Unterscheidung ist immer die Konstante, die mich bei einer neuen Aufgabe erwartet. Und wenn Sie Menschen im Alter zwischen 20-40 haben, dann sind da noch deutliche Entwicklungen zu sehen, die zu weiteren Differenzierungen führen.

              Noch eine echte Geschichte (alle Beispiele sind echt): für eine ausgeschriebene Position hatten wir ein internes Budget von 60.000€ festgesetzt. Eine Kollegin hatten wir bereits an Bord, sie bekam 56.000€. Die Bewerber nannten im Anschreiben ihre Gehaltserwartung. Normalerweise werden jene rausgeschmissen, die zumindest deutlich über dem Budget liegen. Welche die weit darunter sind, kommen allerdings auch fast nie in Frage, weil irgendwo Qualifikation und Gehaltsanspruch korrelieren. Frauen bewarben sich tendenziell mit geringeren Erwartungen, einige Männer waren mit 65.000 – 72.000 Euro ein Stück darüber. Ist die Auswahl gering, lädt man auch diese ein. Jetzt hätte der Fall sein können, dass wir vor zwei Alternativen gestanden hätten: der beste Kandidat hätte sich von seiner Hausnummer auf 62.000 Euro drücken lassen. Alles okay und alle wären happy gewesen. Er hat sich gut verkauft, wir hätten den Eindruck gehabt, den perfekten Kandidaten wenn auch leicht über Budget bekommen. Alternative 2: Eine Kandidatin, die sich mit 54.000 Euro angeboten hat, aber noch offerierte, ggf. auch weniger zu akzeptieren, wäre die 1a-Lösung geworden. Es wäre doch unsinnig gewesen, ihr 60.000 oder gar 62.000 Euro anzubieten, wenn ihr Marktwert (den sie ja kennen muss, nicht ich als Unternehmen!) höchstens 54.000€ ist.

              Tatsächlich wurde es ein junger Mann, der etwas über 60.000€ wollte, ich aber intern vereinbart hatte, ihn nicht höher als die Kollegin einzustufen. Das hätte ich nicht vertreten können.

              Die Zulage signalisiert, dass jemand besser, motivierter, leistungsbereiter und weniger fehleranfällig ist. Schmelze ich diese ab, signalisiere ich gerade dem Leistungsträger eine Geringschätzung, weil er prozentual weit mehr leidet. Die Formulierung von den starken Schultern ist hier Quatsch, wir reden im Zulagenspektrum typischerweise von monatlichen Beträgen von 200-500 Euro bei einem Gesamtentgelt von 2.500 – 5.000 Euro. Wenn der eine also 4.500€ bekommt, zahle ich dem anderen auf der gleichen Tarifstufe vielleicht 4.900€. Der mit dem höheren Gehalt und der spürbar höheren Leistungsfähigkeit nimmt da die relative Verschlechterung richtig übel.

              Bei dem Maschinenbauer wurde oft auf Kurzarbeit umgestellt. Auch so etwas bietet Anschauungsmaterial, wie weit weg Ihre politischen Ansichten von Realitäten sind. Bei Kurzarbeit sinkt die Produktivität der Belegschaft deutlich stärker als das Entgelt der Leute. Ein solches Mittel kann daher immer nur die Ultima Ratio sein. Es zeigt aber, wie sich relative Gehaltskürzungen auf die Leistungsbereitschaft auswirken.

              Ich kriege langsam das Gefühl, Sie interpretieren mich dahin gehend, dass ich meine, dass alle Angestellten das selbe Grundgehalt bekommen sollten, egal in welcher Position sie arbeiten.

              Nein, da haben wir schon ein gemeinsames Verständnis. Das unterstelle ich Ihnen nicht, das karikiere ich deswegen auch nicht. Aber Sie haben deutlich gemacht, dass Sie nur eine begrenzte (wie auch immer) Einkommensdifferenzierung akzeptieren. In dem Spektrum diskutieren wir.

        • Erwin Gabriel 8. Oktober 2019, 14:17

          @ Ralf 7. Oktober 2019, 21:06

          Ein besseres Einkommen kriegt man dann nur mit einem Jobwechsel. Davor schrecken die meisten zurück.

          Die meisten sind froh endlich etwas gefunden zu haben und wollen Stabilität und Planbarkeit in ihrem Leben und nicht den ständigen Neuanfang und womöglich einen Umzug.

          Bequemlichkeit, Stabilität und Planbarkeit haben genauso ihren Preis wie Flexibilität und Mobilität.

          • Ralf 8. Oktober 2019, 22:17

            Da bin ich ganz bei Dir.

            Nur entschuldigt das nicht Arbeitgeber, die ihre Angestellten über’s Ohr hauen. Und genau das machen sie, wenn sie die Unwissenheit und Naivität von jungen Menschen ausnutzen, um sie anschließend für die selbe Tätigkeit, die auch andere Mitarbeiter in der Firma machen, deutlich schlechter zu entlohnen. Das ist schlicht und ergreifend nicht anständig.

            • Stefan Pietsch 8. Oktober 2019, 22:29

              Was ist mit naiven Unternehmern, die auf einen Blender hereingefallen sind und ein viel zu hohes Gehalt vereinbart haben? Sollten die auch nachträglich den Vertrag nach unten korrigieren dürfen?

              • Ralf 9. Oktober 2019, 09:24

                Ja.

                Wäre in dem Modell, für das ich werbe, auch kein großes Problem. Da würde der Blender nämlich das selbe Grundgehalt bekommen wie alle anderen in ähnlicher Stufe. Und was der Mann verhandelt hätte, wäre lediglich eine sehr hohe Zulage gleich zu Anfang. Diese Zulage könnten Sie im nächsten Jahr reduzieren oder ganz streichen. Damit wäre das Thema erledigt.

                • Stefan Pietsch 9. Oktober 2019, 09:33

                  Geht nicht. Das wäre eine Änderungskündigung. Dagegen kann der Arbeitnehmer klagen und würde in dem Fall mit Sicherheit Recht erhalten. Gehaltskürzungen sind im deutschen Recht praktisch ausgeschlossen. Die Zulage lässt sich nur über Jahre – bei 500€ sind das je nach Gehalt und Tarifvereinbarungen 5-8 Jahre – abschmelzen.

                  • pooper 28. Oktober 2019, 15:39

                    Jesus Christus hat immer wieder Beispiele für Belohnung gegeben. Dabei orientiert sich der Lohn oft an dem, was man selbst erwartet

                    Haben Sie Matth. 20: 11-16 gelesen, wo Arbeiter, die erst am Abend anfingen im Weinberg zu arbeiten, den gleichen Lohn bekamen, wie diejenigen, die bereits den ganzen Tag gearbeitet hatten. Was sagt ihnen das? Bezahlung nach Leistung? Sicher nicht.

                • Erwin Gabriel 9. Oktober 2019, 19:48

                  @ Ralf 9. Oktober 2019, 09:24

                  Und was der Mann verhandelt hätte, wäre lediglich eine sehr hohe Zulage gleich zu Anfang. Diese Zulage könnten Sie im nächsten Jahr reduzieren oder ganz streichen. Damit wäre das Thema erledigt.

                  Sorry für die Frage – hast Du schon mal als Führungskraft gearbeitet?

                  • Ralf 9. Oktober 2019, 23:28

                    Ja.

                    • Erwin Gabriel 10. Oktober 2019, 11:33

                      @ Ralf 9. Oktober 2019, 23:28

                      [Sorry für die Frage – hast Du schon mal als Führungskraft gearbeitet?]
                      Ja.

                      Und Du hast trotzdem die Einschätzung gewonnen, dass Deine Mitarbeiter bei Offenlegung bzw. Transparenz der Gehälter (und – damit zwangsweise verbunden – der gleichzeitigen Offenlegung von Arbeitsleistungsbeurteilungen bzw. Einschätzung von Unternehmenensnutzen seitens der Chefs, die ja auch subjektive Elemente enthalten müssen) besser dran wären?

                      Sehr erstaunlich.

                    • Floor Acita 10. Oktober 2019, 15:53

                      Ich habe ehrlich gesagt auch eher positive Erfahrungen mit Transparenz gemacht.

                      Aber ist das nicht letztendlich der Kern all unserer Differenzen, unterschiedliche Erfahrungen im Leben? Ich lese hier manchmal Beiträge da denke ich, ich lebe auf einem anderen Planeten. Aber umgekehrt wird mir (als „Linkem“) oftmals Unehrlichkeit unterstellt oder Stefan mangelnde Lebenserfahrung – als ob Leute „später im Leben“ zwangsweise die gleichen Erfahrungen machen als man selbst, nur weil man in früheren Jahren ähnlich gedacht hat oder ähnliche Erfahrungen gemacht hat als sein gegenüber. Deshalb weise ich auch oft darauf hin, dass bspw sowohl Bernie als auch Warren Mehrheiten in allen Kohorten unter 50 haben (Amerika ist im Gegensatz zu Deutschland keine alternde Gesellschaft), nicht nur bei den unter 30 jährigen. Unabhängig davon ob das unter welchen Bedingungen zu irgendwelchen Wahlsiegen reicht ist die Aussage „junge Wähler“ doch sehr schwammig, verwirrend, wenn nicht gar fehlleitend.

                      Nein, der Vorwurf ist in und gegenüber „beiden Lagern“ falsch und wenig zielführend. Wir leben zwar doch alle auf dem gleichen Planeten doch unterschätzen wir alle immer wieder wie(!) unterschiedlich wir doch alle sind, wie(!) unterschiedlich unsere Erfahrungen.

                      Das ist das ganze Dilemma gesellschaftlicher Polarisierung…

                    • Stefan Pietsch 10. Oktober 2019, 16:07

                      Na ja, sowohl Herr Gabriel als auch ich akzeptieren, dass andere andere Erfahrungen gemacht haben.

                      Dennoch bleibt meine zentrale Frage aus dem Artikel wie den Kommentaren unbeantwortet: warum wird jemand ungerecht behandelt, wenn er das bekommt, was er fordert? Warum sollte jemand ihm anlasslos mehr geben, als er überhaupt haben will? Das ist nicht mal im christlichen Sinne moralisch.

                    • Erwin Gabriel 11. Oktober 2019, 10:35

                      @ Floor Acita 10. Oktober 2019, 15:53

                      Ich habe ehrlich gesagt auch eher positive Erfahrungen mit Transparenz gemacht.

                      Ich versuche, Entwicklungen und Entscheidungen im Unternehmen in meiner Abteilung zu erläutern, und gebe fast alle relevanten, oft auch vertraulichen Informationen weiter.

                      Manchmal ist der eine oder andere überfordert, versteht vielleicht noch meine Entscheidungskriterien, aber nicht die des Geschäftsführers – es bewegt sich halt ein jeder in seiner eigenen Welt. Es halten auch alle dicht (und ich habe ein Mitglied des Betriebsrats in meiner Gruppe, die bei entsprechendem Hinweis auch in diese Richtung nichts weitergibt – lieber Klappe halten, als informationstechnisch aussen vor zu sein). Funktioniert also grundsätzlich gut.

                      Ich habe aber NOCH NIE den Eindruck gewonnen, dass es geholfen hätte, würde es Gehaltstransparenz geben. Im Gegenteil: Die ein, zwei Mal, wo sich jemand verplappert hat, kam gestiegene Unruhe auf.

                      Zum einen wird ein höheres Gehalt sofort als auch für sich in Frage kommende ganz natürliche Option angesehen, während die dahinter stehenden Gründe einer subjektiven Bewertung unterliegen; was für mich ein Grund ist, ein höheres Gehalt zu zahlen, wird nicht automatisch akzeptiert, sondern durch eigene „Stärken“ zu kompensieren versucht. Akzeptiere ich diese anderen Stärken nicht, bin ich der ungerechte Buhmann, der seine Schätzchen pflegt.

                      Desweiteren scheint niemandem klar, zu sein, dass 200 Euro brutto mehr nur gut 60-80 Euro netto mehr Gehalt bringen. Über 60 Euro gäbe es kaum keinen Streit, über 200 Euro schon.

                      Die zwei, drei Gespräche, die ich bislang zu solchen Themen führen musste, waren sehr, sehr unangenehm für alle Beteiligten.

                      Aber ist das nicht letztendlich der Kern all unserer Differenzen, unterschiedliche Erfahrungen im Leben?

                      Weise Worte.

                      Ich habe natürlich einen anderen Erfahrungsschatz als beispielsweise meine Töchter. Aber das (vergleichsweise Wenige), was meine Töchter wissen, stellt 100 % ihrer Erfahrung da. Ich war da vor 40 Jahren (und genauso naiv), und bin inzwischen einfach weiter (nicht, dass das jemanden interessiert).

                      Als die Große mit 18 Jahren aus dem Haus ging, half kein Zureden, und sie musste vieles auf die harte Tour lernen, was eine Befolgung unserer Ratschläge weitgehend verhindert hätte.

                      Die jüngeren Töchter sind etwas klüger. Sie hören zwar immer noch nicht auf die Eltern, aber inzwischen auf ihre große Schwester. 🙂

                    • Stefan Pietsch 11. Oktober 2019, 14:06

                      Wir haben doch die Erfahrung mit der Transparenz mit Managergehältern. Die Publizitätspflicht der Kapitalgesellschaften hat nicht dazu geführt, dass hohe Gehälter als Ausdruck von Leistung anerkannt werden. Im Gegenteil: als Folge wurde eine Debatte losgetreten, gesetzgeberisch diese Gehälter zu beschneiden. Es gibt offensichtlich einen Dissens zwischen jenen, die unmittelbar mit der Materie betraut sind (Aufsichtsräte bzw. deren Ausschüsse), unmittelbar Betroffenen wie die eigene Belegschaften, die selbst über Boni profitieren und jenen, die dem etwas entfernter stehen. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass Menschen, die nicht unmittelbar über Gehälter befinden, eher zu Neidreflexen neigen und damit das Betriebsklima vergiften.

                    • Floor Acita 12. Oktober 2019, 14:56

                      @Stefan Pietsch
                      „Dennoch bleibt meine zentrale Frage aus dem Artikel wie den Kommentaren unbeantwortet: warum wird jemand ungerecht behandelt, wenn er das bekommt, was er fordert? Warum sollte jemand ihm anlasslos mehr geben, als er überhaupt haben will? Das ist nicht mal im christlichen Sinne moralisch.“

                      Ich stimme Ihnen in dem Punkt zu, ist nicht ungerecht! Auch wenn ich ihn losgelöst nie und nimmer als zentralen Punkt Ihres Artikels wahrgenommen hätte…

                      Ich habe ein anderes Problem. Sie teilen in Leistungsträger, Mitte und Rest ein und sagen eine Mehrheit würde sich zu hoch einschätzen. Dann wäre ein Verhandeln aber ja unnötig, weil man eh schon zu hoch eingestuft ist. Ebenfalls weisen Sie sber darauf hin, was alles zu verhandeln ist und wie viele ihren Marktwert nicht kennen und sich Vorteile entgehen lassen.

                      Für mich ist das ein Widerspruch. Nun legen allerdings Ihre Antwort(en) an Ralf sowie verschiedene Ihrer Aussagen in der Vergangenheit eine andere Interprätation nahe…

                      Deshalb muss ich mal fragen um sicher zu sein. Für mich ist jemand ein Leistungsträger jemand der Mehrwert für das Unternehmen schafft? Sehen Sie das anders? Ist für Sie bereits das Verhandeln eines überdurchschnittlichen de-facto Gehaltes unabhängig der Form (Grundgehalt, Zulagen etc.) „Leistung“? Oder auch umgekehrt, kann jemand der sich „unter seinem Marktwert“ verkauft Ihres Erachtens per Definition kein Leistungsträger sein..?

                      „Nicht mal [sic!] im christlichen Sinne moralisch“??????
                      Das empfindet ja selbst meine links-liberale Seele aufgrund meiner katholischen Sozialisation problematisch, wenn nich borderline beleidigend. Dass ich das von jemandem lesen muss, der sich sein Christentum gerne öffentlichkeitswirksam ans Rever heftet? Mir fehlen die Worte… 🙂

                    • Stefan Pietsch 12. Oktober 2019, 19:31

                      Ich habe ein anderes Problem. Sie teilen in Leistungsträger, Mitte und Rest ein und sagen eine Mehrheit würde sich zu hoch einschätzen.

                      Ich sehe keinen Widerspruch. Jack Welshs 20-70-10-Regel teilt die Belegschaft in 20% Overperformer, 70% Mittelbau und 10% Underperformer ein. Das ist aber nicht Berufsgruppen abhängig, es ist z.B. auch im Erzieherbereich feststellbar. Wenn Unternehmen im Bewerbungsprozess stehen, versuchen sie natürlich, potentielle Overperformer anzuziehen, was denn sonst? Dazu wurden unzählige Bewertungssysteme entworfen. Bewerber wiederum versuchen zu täuschen, ihre vielleicht nur durchschnittliche Leistung so hoch wie möglich zu verkaufen. Dabei genießen Kandidaten einen Informationsvorsprung, zumindest wenn sie kritisch zu sich selbst sind. Sie wissen, warum sie in der Vergangenheit gescheitert sind und versuchen, das in eine Erfolgsformel zu drehen. Kritisch wird es für die Neuakquise, wenn er das Gehalt für einen A-Kandidaten erstreiten konnte, tatsächlich sich jedoch nur als C-Mitarbeiter erweist. Dann steht meist nach ein paar Monaten die Trennung an.

                      Für mich ist jemand ein Leistungsträger jemand der Mehrwert für das Unternehmen schafft? Sehen Sie das anders?

                      Ja, sehe ich anders. Wie der Begriff sagt: die Leistung eines Overperfomers ist weit überdurchschnittlich. Der Mehrwert ist schwer zu bewerten, die Leistung im Vergleich weniger. Leistungsträger sind da, wenn es andere nicht sind. Letztes Jahr passierte es mir bei der Jahresinventur, dass am Freitag Nachmittag fast alle Mitarbeiter planmäßig den Griffel fallen ließen. Inventur? Kann man doch auch irgendwann fertig machen! Am Ende hatte ich noch eine junge Kollegin. Sie ist Leistungsträgerin, gar keine Frage. Leistungsträger springen ein, wenn andere versagen, auf die Qualität ihrer Leistung kann man sich immer verlassen. Jeder Vorgesetzte und jedes Unternehmen kennt seine Leistungsträger oder sollte sie unbedingt kennen.

                      Ist für Sie bereits das Verhandeln eines überdurchschnittlichen de-facto Gehaltes unabhängig der Form (Grundgehalt, Zulagen etc.) „Leistung“?

                      Nein.

                      Oder auch umgekehrt, kann jemand der sich „unter seinem Marktwert“ verkauft Ihres Erachtens per Definition kein Leistungsträger sein..?

                      Nein. Der Preis der Arbeit sagt ja nur bedingt etwas über die Qualität der Leistung aus. Allerdings gibt es schon Korrelationen, schließlich sind die wenigsten Leute so doof, ihren Wert nicht einschätzen zu können (siehe oben). Wenn man regelmäßig derjenige ist, der die Sache rausreißt, spüren die meisten, dass sie doch im Leistungsranking ziemlich weit oben stehen. Allerdings attestieren sich das (zu) viele, die es nicht sind.

                      Jesus Christus hat immer wieder Beispiele für Belohnung gegeben. Dabei orientiert sich der Lohn oft an dem, was man selbst erwartet, z.B. Matthäus 6:
                      Wenn du einem Armen etwas gibst, dann posaune es nicht hinaus wie die Heuchler. Sie reden davon in den Synagogen und an jeder Straßenecke, um von allen gelobt zu werden. Das sage ich euch: Diese Leute haben sich ihren Lohn schon selber ausbezahlt.

            • Erwin Gabriel 9. Oktober 2019, 19:46

              @ Ralf 8. Oktober 2019, 22:17

              Da bin ich ganz bei Dir.

              Nur entschuldigt das nicht Arbeitgeber, die ihre Angestellten über’s Ohr hauen.

              Stimmt. Das ist genauso wenig entschuldbar wie das Übertreiben von Fähigkeiten im Einstellungsgespräch.
              🙂

              Und genau das machen sie, wenn sie die Unwissenheit und Naivität von jungen Menschen ausnutzen, um sie anschließend für die selbe Tätigkeit, die auch andere Mitarbeiter in der Firma machen, deutlich schlechter zu entlohnen.

              Es geht bei Gehaltsfestlegungen in der Regel nicht um Arbeitszeiten oder Tätigkeiten (selbst wenn im Arbeitsvertrag festgelegt sind). Es geht um den Nutzen für die Firma. Den kriegst Du nicht vergleichbar dargestellt.

              Das ist schlicht und ergreifend nicht anständig.

              Ein freund von mir besitzt ein kleines Software-Unternehmen (Maschinensteuerungen) mit einem guten Dutzend Mitarbeitern. Bei einem wichtigen Projekt, dessen pünktliche Fertigstellung weitere Aufträge, dessen Scheitern aber eine Vertragsstrafe und einen lädierten Ruf nach sich gezogen hätte, stellte der verantwortliche Mitarbeiter seinen Chef vor die Alternative „3000 Euro mehr Gehalt“ oder „Kündigung“. So etwas ist nicht anständig.

              Du tust immer so, als seien nur die Arbeitgeber die Bösen. Ich bin seit Jahrzehnten sowohl Führungskraft als auch Angestellter und Geführter. Glaub mir: Die beiden Seiten schenken sich nichts.

  • Stefan Sasse 6. Oktober 2019, 21:24

    Die Gründe für das Gender Pay Gap ist selten Diskriminierung, die ohnehin verboten ist.

    Ich musste so hart lachen. Beim Klimaschutz helfen Verbote gar nichts, nie, aber beim strukturellsten aller strukturellen Probleme schlägt Stefan kokett die Augenbrauen auf. „Diskriminierung kann nicht sein, ist ja verboten.“ Und derselbe überzeugte konservativ-liberale Markwirtschaftler, der im vorherigen Thread noch auf die Brust schlagend erklärte, dass er sich durch ein Verbot erst recht herausgefordert fühle, selbiges zu umgehen, legt treudoof die Hände in den Schoß. Jetzt ist es nicht mehr seine Verantwortung. Der Staat hat’s verboten. Und Verbote, das wissen wir, helfen zu 100%, immer, sofort. Oh Mann, Stefan, manchmal…

    • Stefan Pietsch 7. Oktober 2019, 08:59

      Leider verstehst Du manchmal meinen Humor nicht. Das ist doch die Welt von Verbotsfetischisten: wir verbieten etwas, dann kommt es nicht vor. Das ist effektiv. Tatsächlich ist Diskriminierung in Gehaltsfragen heute nicht leicht, warum sollte jemand das tun?

      • Stefan Sasse 7. Oktober 2019, 13:13

        Die Tatsache, dass du Personalverantwortung hast und nicht auch nur die geringste Ahnung von struktureller Diskriminierung jagt mir echt einen Schauer über den Rücken.

        • popper 7. Oktober 2019, 14:30

          Das ist dieser völlig unverständlichen Lust am Labern geschuldet, die nur ungenügend die Sache in den Blick nimmt, aber aus jeder Binse eine perspektivische Verzerrung macht. Deshalb sind Streitgespräche pietscher Prägung kommunikationstechnisch ein permanentes Versagen vor der Aufgabe, einen Artikel logisch aufzubauen und thematisch abzuhandeln. Da kreist ein Berg und bringt eine Maus hervor. Darüber sollte seine sprachliche Eloquenz nicht hinwegtäuschen, die manche fälschlicherweise schon für eine inhaltliche Aussage halten.

          • Erwin Gabriel 9. Oktober 2019, 19:50

            @ popper 7. Oktober 2019, 14:30

            Darüber sollte seine sprachliche Eloquenz nicht hinwegtäuschen, die manche fälschlicherweise schon für eine inhaltliche Aussage halten.

            Hast Du Dich nicht mal als Stefan-P-Fanboy geoutet? 🙂

        • Stefan Pietsch 7. Oktober 2019, 18:51

          Lieber Stefan, ich sehe seit 30 (!) Jahren kontinuierlich Gehälter und Gehaltslisten von Groß- bis Kleinunternehmen. Ich habe in dieser ganzen Zeit keine strukturelle Diskriminierung gesehen. Was ich aber gesehen habe sind einzelne Fälle von Frauen, die ihr eigenes Können und Bedeutung deutlich überschätzten und sich deswegen diskriminiert fühlten. Und das ist keine Frauenverachtung. Unter vier Augen könnten wir solche Listen mal durchgehen, vielleicht habe ich ja noch ein paar auf dem Rechner. 🙂

          • Erwin Gabriel 8. Oktober 2019, 14:25

            @ Stefan Pietsch 7. Oktober 2019, 18:51

            Ich habe in dieser ganzen Zeit keine strukturelle Diskriminierung gesehen.

            Ich glaube, Sie reden aneinander vorbei.

            Es geht nicht um die indiviuelle Benachteiligung von Frauen, weil sie Frauen sind, sondern um die Struktur, mit der unsere Berufswelt organisiert ist. Und da sterben viele Karrierechancen von Frauen in Bergen von Windeln und Hipp-Gläschen.

            In den wenigen Fällen, wo sich die Partner ausschließlich über das Gehalt einigen, wer den Nachwuchs aufzieht und wer weiter ins Büro ‚darf‘, verdient meist der Mann mehr.

            • Stefan Pietsch 8. Oktober 2019, 14:57

              Ich glaube, Sie reden aneinander vorbei.

              Nein. Es ging darum, dass es bei Gehältern angeblich schon Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts gäbe. Im Beruf der Erzieherin gibt es schon statistisch betrachtet kaum Mitarbeiterinnen, die über 40 Jahre alt sind. Was meinen Sie warum? Werden die alle diskriminiert, ausgerechnet in dem Beruf? Genau das glauben Gender Streamer. Wenn irgendein Beruf aufzeigt, dass Lebenspläne und -Interessen von Männern und Frauen noch immer nicht deckungsgleich sind, dann in dem Bereich. Die Frage ist, ist es wünschenswert, dass diese zur Deckung gebracht werden? Oder erfreuen wir uns an der Vielfalt. Gender Streamer wie Stefan haben da eine andere Entscheidung für sich getroffen als Menschen wie ich.

              • Stefan Sasse 8. Oktober 2019, 17:04

                Ne, da redest du vielleicht von. Ich nicht. Das ist dein Strohmann.

            • Stefan Sasse 8. Oktober 2019, 17:01

              Exakt das meine ich.

              • Erwin Gabriel 24. Oktober 2019, 14:54

                @ Stefan Sasse

                Ergänzend, vor kurzem im Fernsehen (Deutsche Welle, in Singapur empfangen) gesehen:

                Start-up-Gründerinnen kriegen im Normalfall deutlich weniger Geld als ihre männlichen Kollegen. Während Männer von Geldgebern nach Chancen, Erfolgsausichten und Potentialen gefragt werden, müssen Frauen eher zu Riskien, zu Durchhaltewillen oder Vermeidung des Scheiterns Rede und Antwort stehen.

                Bemerkenswert und irritierend an der Untersuchung war, dass auch geldgebende Frauen männliche Kandidaten deutlich im Vergleich zu ihresgleichen bevorzugten.

                Ich muss zugeben, dass diese Form der Diskriminierung wohl doch stärker ausgeprägt ist, als ich dachte. Also Danke für den Denkanstoss.

                Danke für den Impuls

                • Stefan Sasse 24. Oktober 2019, 19:24

                  Danke dir für’s Annehmen!

                • Floor Acita 25. Oktober 2019, 05:25

                  „Bemerkenswert und irritierend an der Untersuchung war, dass auch geldgebende Frauen männliche Kandidaten deutlich im Vergleich zu ihresgleichen bevorzugten.“

                  Das ist übrigens bei in linken Kreisen als „gesellschaftliche Diskriminierungen“ bezeichneten Phänomenen oft so. Es ist nicht Mann vs Frau oder schwarz gegen weiss, sondern alle gegen Frau, alle gegen schwarz, ja sogar alle gegen Migranten, Muslime etc. Im konkreten Kontext, dem spezifischen Fall, natürlich, das soll keine pauschale Aussage sein. Mir geht es mehr um das Phänomen, dass Angehörige der diskriminierten Gruppe selbst diskriminieren. Das ist auch der Grund warum ich den Vorwurf die relativ dwzu priviligierten Gruppen stigmatisieren zu wollen oft nicht nachvollziehen kann. „Gleich / das Gleiche“ ist es natürlich trotzdem nicht, weil ja die diskriminierende Vorgesetzte ebenfalls fürchten muss von ihrem, oder eben ihrer, Vorgesetzten selbst ähnlich diskriminiert zu werden, was auf ihren männlichen Kollegen nicht zutrifft… Spannendes Thema jedenfalls! Dank Euch beiden!

    • Erwin Gabriel 7. Oktober 2019, 13:08

      @ Stefan Sasse 6. Oktober 2019, 21:24

      Und derselbe überzeugte konservativ-liberale Markwirtschaftler, der im vorherigen Thread noch auf die Brust schlagend erklärte, dass er sich durch ein Verbot erst recht herausgefordert fühle, selbiges zu umgehen, legt treudoof die Hände in den Schoß. Jetzt ist es nicht mehr seine Verantwortung. Der Staat hat’s verboten. Und Verbote, das wissen wir, helfen zu 100%, immer, sofort.

      Treffer, versenkt 🙂

      Zugegeben, in diesem Kontext sind Stefan P.’s Äußerungen echt harter Tobak, aber …

      … in dem Unternehmen, in dem ich arbeite, sind zur Hälfte Frauen angestellt. Es gibt zwei- bis dreimal so viele männliche wie weibliche Führungskräfte. Zum einen mag das daran liegen, dass es doch sehr um Technik geht. Zum anderen sind ein Großteil der Frauen aus familiären Gründen immer wieder ausgefallen, kommen irgendwann wieder, gehen von 40 auf 20 Wochenstunden, gehen auf 25, wenn das Kind in die Schule kommt, gehen auf 30 Stunden, wenn der kleinste Nachwuchs 14 oder 15 Jahre alt wird, wollen auf 40 zurück Stunden, wenn die Kinder groß sind, etc.

      Jede Frau erwartet, dass der Chef das mitträgt. Er versucht das soweit wie möglich, aber das bedeutet, dass man dann die betreffenden Personen hin- und herschiebt, wo gerade eine zur gewünschten Arbeitszeit eine passende Arbeitsplatz-Lücke ist. Ein Aufstieg für diese Frauen, auch ein entsprechendes Nachrutschen im Gehalt, ist aufgrund von Unberechenbarkeiten nicht bzw nur sehr schwer möglich.

      Ich weiß, dass das nicht alles erklärt, zumal selbst Stefan P. erläutert, dass es im Mittelbau noch Ungerechtigkeiten gibt. Aber einen gewissen Teil schon.

      • Stefan Sasse 7. Oktober 2019, 13:15

        Deswegen rede ich von struktureller Diskriminierung. Denn die von dir beschriebenen Gründe sind es ja, die diese hervorbringen. Nur wird das halt hingenommen, statt dass man was dagegen unternimmt.

        • Erwin Gabriel 7. Oktober 2019, 18:05

          @ Stefan Sasse 7. Oktober 2019, 13:15

          Deswegen rede ich von struktureller Diskriminierung.

          Strukturell – ja, definitiv. Diskriminierung? Schon schwieriger (zumindest bei meinem Verständnis des Wortes Diskriminierung, dass ich mit einer gewissen Benachteiligungsabsicht verbinde).

          Denn die von dir beschriebenen Gründe sind es ja, die diese hervorbringen. Nur wird das halt hingenommen, statt dass man was dagegen unternimmt.

          Wie soll man dagegen etwas unternehmen? Man kann eine Frau, die zwei Jahre aussteigt, die dann gelegentlich wegen Krankheit des kindes (Kindergarten, Schule) ausfällt, nicht gegenüber einem Mann bevorzugen, der die ganze Zeit durchgängig in seinem Job Erfahrungen sammelt und Kontakte pflegt.

          Alternative wäre, der Mann bleibt daheim. Aber das müssten die beiden unter sich ausmachen, da hilft eine strukturelle Änderung auch nicht (zumindest nicht, soweit ich das mit meinen Erkenntnissen beurteilen kann)

          • Stefan Sasse 7. Oktober 2019, 21:18

            Letzteres ist entscheidend. Das Arbeitsumfeld müsste wesentlich freundlicher und fordernder gegenüber männlichem Engagement in der Care-Arbeit sein.

            • Stefan Pietsch 8. Oktober 2019, 09:01

              Wieso? Ist das nicht die Entscheidung von exakt zwei Personen?

              • CitizenK 8. Oktober 2019, 10:09

                Auf gesellschaftlich-politischer Ebene eine Entscheidung zwischen zwei Werten.

                • Stefan Pietsch 8. Oktober 2019, 10:16

                  Es gibt da keine gesellschaftlich-politische Ebene.

                  • CitizenK 9. Oktober 2019, 16:02

                    Vergleiche die Akzeptanz, wenn ein Mann/eine Frau im Meeting aufsteht, um das Kind in der Kita abzuholen.

                    • Stefan Pietsch 9. Oktober 2019, 17:31

                      Wenn Sie wüssten, wer heute alles im Meeting aus welchen Gründen aufsteht. Ich kann mich lange nicht mehr an ein Meeting erinnern, dass bis nach 17 Uhr ging. Und ich bin in operativer Verantwortung. Das mag in DAX-Unternehmen noch anders sein, aber wieviele operativ verantwortliche Arbeitnehmer arbeiten im Management eines DAX-Unternehmens? Von 43 Millionen Erwerbstätigen vielleicht ein paar Tausend.

              • Stefan Sasse 8. Oktober 2019, 11:50

                Manchmal frage ich mich, ob deine Naivität gespielt ist. Und wenn, ob das einfach nur Trolling ist oder ein Propaganda-Schutzmechanismus.

                • Stefan Pietsch 8. Oktober 2019, 15:00

                  Du merkst gar nicht, dass Du in Deinem Gehabe gleich gegen zwei Grundrechte verstößt, das Recht auf Vertragsfreiheit und den Schutz von Ehe und Familie. Staat und Gesellschaft haben in der Aufgabenteilung von Mann und Frau nichts, nicht das Geringste zu suchen. Wir können Kinderbetreuungsplätze bereitstellen und Eltern bei der Auszeit helfen. Damit hat es sich aber.

                  Und an dem Tag, wo der Staat den Schutz von Ehe und Familie aufhebt, ist das nicht mehr mein Land und ich werde wo anders hingehen. Ich schätze die Freiheit in diesem Land. Was ich überhaupt nicht schätze sind Menschen, die meinen in den originären Lebensbereich anderer hineinregieren zu müssen.

  • Kning4711 6. Oktober 2019, 22:05

    Die Tarifbindung wird aber insbesondere bei den Konzernen begrüßt. VW, Siemens, Daimler und Co hätten keine Kapazitäten die Gehälter jedes Mitarbeiters einzeln zu verhandeln. So helfen die Tarifabschlüsse im Mittel für das Unternehmen überschaubar zu halten. Denn statt deutlichen Gehaltserhöhungen hat man geschickt die Mitarbeiter mit Einmalzahlungen bei Laune gehalten und durch die Ausbeut… , ach nein, geschickten Einsatz von Leiharbeitern die Werkbank verlängert.

    Das Modell Tarif- und Rangstufenmodelle geraten in Zeiten von immer größerem Fachkräftemangel an Ihre Grenzen. Der öffentliche Dienst muss ordentliche Klimmzüge machen um annähernd noch Gehälter zu zahlen, die jemanden mit Engpassqualifikation zu verführen in den die Dienste von stadt, Land oder Bund zu treten. Geht aber nur, solange man noch Beamter werden kann. Mit TVÖD kann man allenfalls völlige Idealisten locken. Da wird man sich anpassen müssen.

    • Stefan Pietsch 7. Oktober 2019, 08:57

      VW hat einen Haustarif, keine Tarifbindung. Und dieser ist noch teurer als der IG-Metall-Tarif. Damit ist auch das Problem mit Flächentarifverträgen beschrieben. Gewerkschaften bestreiken im Arbeitskampf (und auch davor) die bestens laufenden Unternehmen, die dann noch besonders groß sind. Dies führt zu einer hohen Einigungsbereitschaft bei den 1a-Unternehmen, die schnell in sehr großzügige Tarifregelungen einwilligen, da sie in den Verbänden den Ton angeben. Kleinere und mittlere Unternehmen mit nicht so hoher Profitabilität fallen hinten runter, weshalb sie sich aus der Tarifbindung zurückziehen, schließen diese doch häufig Verträge ab, die existenzgefährdend sind.

      Ich habe vor kurzem einen Haustarifvertrag in einer hoch profitablen Branche mitverhandelt. Selbst der Betriebsrat hat sofort gesehen, dass der eigentliche Flächentarif nicht 1:1 übernommen werden kann ohne Entlassungen zu provozieren. Rahmenregeln sind gut, Eintopf schmeckt nicht. Ein Ergebnis der Entwicklung der letzten Jahre ist, dass eine individuelle Einstufung von guten Mitarbeitern nicht mehr vorgenommen wird. Was meine ich? Lange war es guter Brauch, Zulagen zu verteilen, um eine Abstufung darzustellen. Das ist heute zu mühselig und läuft den Gleichmachereibestrebungen von Betriebsräten und Gewerkschaften entgegen. Ein Arbeitgeber, der heute so noch Mitarbeiter unterscheidbar macht, macht sich angreifbar. Jede Zulage muss ja im Rahmen Antidiskriminierungsregeln begründet werden. Da verzichtet man lieber gleich ganz.

      • popper 7. Oktober 2019, 21:10

        VW hat einen Haustarif, keine Tarifbindung.

        Bei solchen Sätzen kommen mir Zweifel, dass Sie über den Sachverstand verfügen, den Sie vorgeben zu besitzen. Herr Pietsch, extra für Sie: Haustarife unterliegen genau so der Tarifbindung, wie Branchentarifverträge. Sie gelten eben nur für das Haus. Haustarifverträge gelten zwingend und kraft Gesetzes nur für die gewerkschaftsangehörigen Arbeitnehmer. Der Unterschied zum Branchentarifvertrag besteht darin, dass die Gewerkschaft hier einen mit einem Unternehmen anwendbaren Tarifvertrag geschlossen hat. Ergo unterliegt dieser der Tarifbindung, wie jeder andere Tarifvertrag.

        • Stefan Pietsch 8. Oktober 2019, 10:20

          Die Tarifbindung wird aber insbesondere bei den Konzernen begrüßt.

          Haustarife gelten nur für einenBetrieb, nicht für eine Branche. Das ist wohl das, was Kning meinte und vor allem, was Politik und Gewerkschaften meinen (Stichwort: Häuserkampf).

          • popper 8. Oktober 2019, 15:42

            Haustarife gelten nur für einenBetrieb, nicht für eine Branche.

            Richtig! Diese unterliegen aber genau wie bei Branchentarifverträge der Tarifbindung, auch wenn nur ein einzelner Arbeitgeber/Betrieb einen Tarifvertrag mit der Gewerkschaft abgeschlossen hat. In diesem Falle sind, entgegen Ihrer Behauptung: VW hat einen Haustarif, keine Tarifbindung der abschließende Arbeitgeber/Betrieb und die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer tarifgebunden.

    • Erwin Gabriel 7. Oktober 2019, 13:16

      @ Kning4711 6. Oktober 2019, 22:05

      Die Tarifbindung wird aber insbesondere bei den Konzernen begrüßt. VW, Siemens, Daimler und Co hätten keine Kapazitäten die Gehälter jedes Mitarbeiters einzeln zu verhandeln. So helfen die Tarifabschlüsse im Mittel für das Unternehmen überschaubar zu halten.

      Ja, natürlich (unabhängig davon, ob es der gesamt- oder ein Haustarif ist).

      Das liegt aber auch an der Vergleichbarkeit der Arbeiten. Bei VW arbeiten viele Mitarbeiter am Band. Dort haben sie vergleichbare Jobs, können sich gegenseitig ersetzten, keiner arbeitet schneller oder langsamer, weil das Band den Takt vorgibt.

      Was macht man in einer Software-Firma, wo jeder an anderen Projekten arbeitet, andere Fähigkeiten mitbringt? Was macht man bei einem Hersteller mit der Verkaufsabteilung, wo jeder Außendienstler ein anderes Gebiet, eine andere Anzahl von Kunden betreut, wo es unterschiedliche Umsatzpotentieale gibt? Was macht man in einem Verlag, mit unterschiedlichen Redaktionen, mit unterschiedlich erforderlicher bzw. vorhandener Fachkunde, mit unterschiedlichen Schreibstilen?

      Da greifen solche Tarifverträge nicht, dafür gibt es dann AT – die außertarifliche Einigung. Und da ist jeder wieder für sich selbst verantwortlich.

      • Stefan Pietsch 7. Oktober 2019, 18:48

        Ich war vor 25 Jahren in den Fabrikhallen in Sindelfingen bei der Mercedes-Fertigung (S-Klasse). Da trieben sich wenige Arbeiter herum. Ich glaube nicht, dass sich die Zahlen deutlich erhöht haben, kein Arbeiter ist in der Lage, die extreme Genauigkeit im µ-Bereich einer Maschine zu erreichen. Da schraubt keiner mehr.

        Sie haben in der Verwaltung standardisierte Bedingungen – und höchst unterschiedliche Stärken.

  • Hanni Hartmann 7. Oktober 2019, 01:07

    Die wenigsten Amerikaner „prahlen“ mit ihren Gehältern. Das ganze Leben bei den Amerikaner ist einfach offener und laessiger und vor allem nicht so verbiestert wie bei uns in Deutschland. Bessere oder/und höhere Kompensationen werden ebenso akzeptiert, ohne das da ein Neid Faktor einschwingt

    • Erwin Gabriel 7. Oktober 2019, 13:17

      Ja

      • CitizenK 9. Oktober 2019, 10:43

        Eine OT-Frage an die USA-Kenner: Ist der Satz von Trump im Türkei-Tweet „my great and unmatched wisdom“ auch ein Ausdruck einer anderen Mentalität?

        In Europa fragt man sich, ob das bereits Krankheitswert hat. Sonst würde sich ein Politiker mit einem solchen Satz unrettbar lächerlich machen.

        • Stefan Sasse 9. Oktober 2019, 13:55

          Das ist ja auch völlig lächerlich. Genau das schützt Trump ja. Keiner nimmt den Müll, den er tagtäglich absondert, ernst. Aber vor 1932 haben auch alle Hitler als Witzfigur empfunden. Hoffen wir einfach mal, dass das US-System stärker ist als Weimar.

        • Erwin Gabriel 9. Oktober 2019, 19:57

          @ CitizenK 9. Oktober 2019, 10:43

          Eine OT-Frage an die USA-Kenner: Ist der Satz von Trump im Türkei-Tweet „my great and unmatched wisdom“ auch ein Ausdruck einer anderen Mentalität?

          Ich habe so am Boden gelegen vor Lachen, als ich das las. Irgendwie fand ich es passend, weil diese Nachricht mit Erdogan einen anderen Größenwahnsinnigen als Adressaten hatte. Schade, dass der Sultan nicht auch tweetet. Zusammen mit Kim Jong-un gäbe das eine sehr unterhaltsame TV-WG.

          Und nein, ich will und kann mir nicht vorstellen, dass dieser Satz ganz ohne jeden Funken Humor getippt wurde.

  • Erwin Gabriel 7. Oktober 2019, 12:39

    @ Stefan Pietsch on 6. Oktober 2019

    Bis auf nur wenige Kleinigkeiten kann ich dem Artikel zustimmen.

    Ich kenne kein Land so gut wie Deutschland, aber wer sich ein wenig im Ausland herumtreibt, wird schnell erkennen, dass es keine andere Gesellschaft gibt, in der der Neid so stark ausgeprägt ist wie in der deutschen.

    Auch die von Ihnen beschriebene Selbst-Fehleinschätzung läuft mir immer wieder über den Weg. Außer der natürlichen Neigung, seinem Nachfolger weniger Geld zu gönnen, damit man sich selbst als leistungsstärker oder wertvoller für das Unternehmen betrachten kann (interessanterweise funktioniert die Gleichstellung „mehr Geld = höhere Leistungsfähigkeit“ sehr gut, wenn man selbst mehr bekommt, andernfalls ist es „Ungerechtigkeit“), liegt diese Fehleinschätzung oft darin begründet, dass man ein paar Sachen durcheinander bringt: Man wird nicht für die eigene Arbeitsleistung bezahlt, sondern für den Nutzen, den die eigene Arbeitsleistung für das Unternehmen bringt.

    Denn wer selbst am Steuer seines Lebens sitzt, der hat auch Verantwortung für sein Scheitern und Nichtvorankommen.

    Da sind Sie aber fast schon bösartig ehrlich. Diese Verantwortung übernehmen nicht viele freiwillig.

    Ein Freund von mir, Inhaber einer kleinen Baufirma, musste mal aufs Amt, um sich die Erlaubnis zur Absperrung für eine städtische Baustelle zu holen. Der für ihn zuständige Beamte sah ihn in seinem Audi A6 Avant auf den Parkplatz fahren, und begrüßte ihn mit dem Spruch: „So einen tollen Wagen möchte ich auch mal fahren“.

    Die Antwort des Unternehmers: „Ist doch kein Problem. Zuerst musst Du Deinen jetzigen Job kündigen. Da verlierst Du Deinen Pensionsanspruch, aber was soll’s. Dann musst Du Mitarbeiter finden, die Dir genug vertrauen, um ihren jetzige Stelle zu kündigen und zu Dir zu wechseln. Die müssen ihren Job natürlich richtig gut beherrschen, dürfen nicht dumm oder faul sein, so dass sie auch dann ordentlich weiterarbeiten, wenn Du nicht mit auf der Baustelle stehst. Denen musst Du natürlich auch dann die Gehälter zahlen, wenn sie krank werden oder wenn es schlecht läuft. Dann musst Du eine Bank finden, die Dir genug vertraut, um Dir Kredite für Gehälter, Baumaschinen und Baumaterialien zu gewähren. Natürlich musst Du persönlich mit Deinem privaten Vermögen haften. Dann musst Du Kunden finden, die Dir nicht nur genug vertrauen, dass sie Dir Aufträge geben, sondern die dann nach Erledigung der Arbeit alles vollständig und pünktlich zahlen. Wenn das alles ein paar Jahre läuft, kannst Du auch so ein Auto fahren.“

    Auch ich habe ein paar Jahre als Selbstständiger gearbeitet; wie das Wort schon sagt: Man arbeitet selbst, man arbeitet ständig. Ich habe in einem Monat 9000 Euro verdient, im nächsten nur 50 Euro. Da braucht man eine robuste Persönlichkeit und einen Partner, der bereit ist, Stress und Risiko mitzutragen. Ich bin nach ein paar Jahren wieder in ein Angestelltenverhältnis gegangen – mit allen damit verbundenen Nachteilen, aber eben auch mit regelmäßigen Gehaltszahlungen, geregelter Arbeitszeit, vergleichsweise wenig Verantwortung. Immerhin: Ich weiß, warum ich mich wofür entschieden habe, und für das Schön-Wetter-Gemaule vieler Angestellter fehlt mir oft das Verständnis.

    Nicht ohne Grund sind die Gehälter in familiengeführten Konzernen maßvoll geblieben. An der Spitze stehen Vorstände von Publikumsgesellschaften wie SAP, Daimler, BASF, Siemens und VW, was mit Leistung nur unzureichend begründet ist.

    Sie haben die Banken vergessen. Ja, diese Entkoppelung von Leistung und Gehalt in diesen unternehmen ärgert mich auch; da müsste der Inhaber über die Gehälter der Vorstände entscheiden, also die Aktionäre – nicht andere Großkopferte.

    Das ist die Idee von Tarifverträgen, nach deren Formel das Einkommen auch dann steigen soll, wenn jemand nicht mehr leistet, sondern einfach Preisentwicklung und allgemeine Produktivitätssteigerung dies anzeigen.

    Wenn die Preise konjunkturell steigen, sollten auch die Einkommen konjunkturell steigen.

    Selbstredend, das Low Performer nicht mit Gehaltsverzicht bestraft werden sollen.

    10-18 Prozent zählen zu denjenigen, welche den Output eher belasten, sie halten andere von der Arbeit ab, haben eine hohe Fehlerquote und sind bei Kunden wie Kollegen nicht besonders geschätzt. Es ist das Ziel jeder vernünftigen Personalpolitik, diesen Kreis so niedrig wie möglich zu halten. Bei betriebsbedingten Kündigungen werden sie gerne auf die Abschussliste gesetzt, leider ist ausgerechnet diese Gruppe oft durch Schutzgesetze gut abgesichert.

    Dass sich der Betriebsrat für die Rechte der Älteren und Schwächeren einsetzt, kann ich in einem gewissen Umfang verstehen. Blöd, wenn ein Kollege sich gegen alles sperrt, andere hängen lässt oder gar reinreitet, link ist, schlechte Stimmung verbreitet, und dann kommt der Betriebsrat mit Sprüchen daher wie „Wir sind nur für die Rechte des Kollegen zuständig, Du für die Motivation.“

    Doch während der Ex-Vorstandsvorsitzende nun mit seinem Privatvermögen für die Rekordgewinne der Vergangenheit haftet, behält der Fließbandarbeiter ungeschmälert seine Zulagen, die er aufgrund eines Betrugs kassierte.

    Gerade Herr Winterkorn ist ein Fall für sich. Ganz schlechtes Beispiel, da die Rekordgewinne der Vergangenheit durch Betrug zustande kamen.

    Aber wie anfangs gesagt, den Tenor des Artikels unterschreibe ich (um so lieber, da er so moderat abgefasst ist 🙂 )

    • Sören Schmitz 7. Oktober 2019, 14:46

      Auch die von Ihnen beschriebene Selbst-Fehleinschätzung läuft mir immer wieder über den Weg.
      Der Dunning-Kruger Effekt lässt grüßen.

      Ich kenne kein Land so gut wie Deutschland, aber wer sich ein wenig im Ausland herumtreibt, wird schnell erkennen, dass es keine andere Gesellschaft gibt, in der der Neid so stark ausgeprägt ist wie in der deutschen.

      Empirisch nicht ganz belegbar. So wurde Anfang des Jahres eine Studie zum Thema Sozialneid publiziert, Ergebnis: Während in den USA und Großbritannien 48 bzw. 49 Prozent der Menschen nicht zum Sozialneid neigen, sind es in Deutschland nur 34 und in Frankreich sogar nur 27 Prozent. Ein auffälliges Ergebnis der Studie war jedoch dass junge Amerikaner Reichen sehr viel kritischer gegenüberstehen als ältere Amerikaner. Der Aussage, Reiche seien „gut im Geldverdienen, aber in der Regel keine anständigen Menschen“ stimmen nur 15 Prozent der Amerikaner über 60 Jahren zu, bei jungen Amerikanern unter 30 Jahren beträgt die Zustimmung dagegen 40 Prozent. Auch bei allen anderen Fragen zeigten sich junge Amerikaner deutlich stärker Reichen-kritisch als ältere Amerikaner. In Deutschland ist es umgekehrt – wenn die Unterschiede hier auch nicht so ausgeprägt sind: Junge Deutsche sehen Reiche positiver als ältere Deutsche. (vgl. https://www.wallstreet-online.de/special/11231710-internationale-studie-sozialneid-neidisch-deutschen)

      In meinen Augen resultiert der Neid in vielen Fällen aus Ignoranz: Vielen ist gar nicht bewusst, welche Verantwortung ein Unternehmer auf sich lädt. Das Thema lässt sich aber nicht beliebig skalieren. Während der Handwerksmeister mit seinem 10 Mann betrieb eine sehr hohe persönliche Haftung eingeht und bei Insolvenz vor dem Nicht steht, ist es sicherlich beim Dax-Vorstand eine ganz andere Kiste: Es wird hier eine hohe Verantwortung getragen, aber die meisten DAX Unternehmens-Manager fallen in der Regel sehr weich in den nächsten Job. Hier passt die Entlohnung nicht ganz mit den zu tragenden Risiken zusammen. In dem Bereich gedeiht auch eine erhebliche Ursache für den Sozialneid.

      • Stefan Pietsch 7. Oktober 2019, 18:39

        Empirisch nicht ganz belegbar.

        Ihr Link sagt doch eindeutig, dass die deutsche Gesellschaft besonders neidisch ist. Das deckt sich mit einer internationalen Vergleichsstudie, die ich vor 1-3 Wochen gelesen habe. Selbst Franzosen sind nur bedingt neidischer auf Reiche als hierzulande.

    • Stefan Pietsch 7. Oktober 2019, 18:58

      Sie haben die Banken vergessen.

      Da sieht man, das Markt funktioniert. Während Josef Ackermann noch 12 Millionen Euro kassierte, erhielt sein Nach-Nachfolger Cyran lediglich 4 Millionen. Insgesamt sind die Gehälter im Bankenbereich stark gefallen – entsprechend der Bedeutung der Branche in Deutschland.

      Dass sich der Betriebsrat für die Rechte der Älteren und Schwächeren einsetzt, kann ich in einem gewissen Umfang verstehen.

      Entspricht aber nicht der Jobbeschreibung.

      Gerade Herr Winterkorn ist ein Fall für sich. Ganz schlechtes Beispiel, da die Rekordgewinne der Vergangenheit durch Betrug zustande kamen.

      Während die Öffentlichkeit 2015 von den Vorständen – entgegen der Vertragsgestaltung – ganz selbstverständlich forderte, dass diese auf ihre Boni verzichten, war es genauso selbstverständlich, dass die Belegschaft ihren Bonus in voller (!) Höhe erhielt. Mitarbeiter, die ein sechsstelliges Jahressalär kassieren und zu blöd oder zu feige sind, ein klar strafrechtlich relevantes Verhalten nicht als solches zu erkennen, braucht eigentlich kein Unternehmen.

  • Erwin Gabriel 7. Oktober 2019, 18:17

    @ Sören Schmitz 7. Oktober 2019, 14:46

    Der Dunning-Kruger Effekt lässt grüßen.

    Der begriff war mir fremd, ich habe nachschlagen müssen – wieder was gelernt. Danke für den erhellenden Hinweis.

    […, dass es keine andere Gesellschaft gibt, in der der Neid so stark ausgeprägt ist wie in der deutschen.]

    Empirisch nicht ganz belegbar.

    In jedem anderen Land der Welt, dass ich ein kleines bisschen besser als durchs Überfliegen kenne (ein knappes Dutzend, also nicht ganz repräsentativ), ist man als Besitzender mit mehr Selbstverständnis unterwegs als hier. Mag sein, dass die junge Generation das inzwischen etwas cooler findet, Geldverdienen als Ziel zu haben. Aber soweit ich das sehe, werden pekuniäre Unterschiede (soll heißen, der andere hat mehr) in der Regel mit „Ungerechtigkeit“ erklärt (Ausbeutung, Glück, Eltern etc); eine höhere Arbeitsleistung oder ein höheres Risiko wird im Normalfall nicht angenommen.

    Das mag sich aktuell drehen, ist aber meine ganz persönliche Wahrnehmung.

    • popper 8. Oktober 2019, 15:22

      Der begriff war mir fremd, ich habe nachschlagen müssen – wieder was gelernt. Danke für den erhellenden Hinweis.

      Na ja, man sollte den DKE nicht ganz so hoch hängen. Dunning und Kruger haben nachweislich nur die Kompetenz der Versuchspersonen bei alltäglichen Aufgaben betrachtet, nicht mit deren Intelligenz. Vielleicht auch deshalb, weil es bis dato keine Definition von Intelligenz gibt, die wissenschaftlich zu nennen wäre. Es waren Untersuchungen mit College-Studenten in Bezug auf deren alltägliche Kompetenzen in Grammatik, Schachspielen, Auto fahren etc. Themen mit einem wissenschaftlichen Hintergrund wurden nicht untersucht.

      Insoweit ist es wieder nur eine Binse, dass eigene Fähigkeiten nie exakt richtig eingeschätzt werden können, egal ob man in einem Bereich kompetent ist oder nicht. Das zeigen andere Studien. Im Übrigen ist die Argumentation mit dem DKE im Grunde paradox. Denn die Urteilenden verhalten sich in ihrer Begründung genau wie die Kritisierten. Dadurch wird das Verfahren ziemlich zweifelhaft, wenn bei Kritikern regelmäßig psychologisches Fachwissen fehlt, diese sich aber in der Bewertung ihres Gegenübers und in ihrer Einschätzung sich völlig sicher sind.

      Es gab in der Vergangenheit viele psychologische Studien, die gut belegen, dass das, was wir sehen und was wir hören, von unseren Vorlieben, unseren Ängsten und Wünschen etc. geprägt ist. Wir sehen die Welt buchstäblich so, wie wir sie sehen wollen. Daraus folgt, dass es für uns Menschen so etwas wie „unbekannte Unbekannte“ gibt. Sozusagen Antworten auf Probleme, die ganz gut abhelfen, aber nicht die besten Lösungen sind, und wir finden diese nicht, weil wir sie nicht kennen, vielleicht gar nicht kennen können. Insofern ist das Denken und Handeln von Menschen immer von latenter Inkompetenz geprägt. Wie Karl R. Popper es in seinen Schriften nennt: Alles Wissen ist Vermutungswissen.

      • Erwin Gabriel 8. Oktober 2019, 19:23

        @ popper 8. Oktober 2019, 15:22

        Na ja, man sollte den DKE nicht ganz so hoch hängen.

        Etwas gelernt habe ich bei Sören trotzdem, und nun sogar von Ihnen
        🙂

  • CitizenK 8. Oktober 2019, 16:50

    Der Artikel ist im Grunde ein Plädoyer für den Sozialdarwinismus. Wer weniger Selbstbewusstsein oder Ellbogen hat – selber schuld, kein Mitleid. Auch kein Mitgefühl. Für die oberen Etagen im Business ist das okay, denn wer sich auf das Spiel einlässt, tut dies ja freiwillig.

    Unschön wird es, wenn das hässliche Wort „Neidkomplex“ extreme Einkommens- und Vermögensunterschiede (die weder im In- noch im Ausland allein auf Leistung beruhen) rechtfertigen soll.

    Neid hat ja zwei Bedeutungen. Auch gerne haben wollen, was der andere hat, ist nicht negativ. „Ich beneide euch“ als Antwort auf ein Urlaubspost vom Strand, während ich zuhause sitze, ist noch kein „Neidkomplex“.

    Negativ ist nur die andere Bedeutung: dem Anderen etwas nicht gönnen, also einfach wollen, dass der das auch nicht hat. Doch je gerechter es zugeht, desto weniger entsteht auch dieses Gefühl.

    • Stefan Pietsch 8. Oktober 2019, 17:19

      Bei genauerer Überlegung könnten Sie auch zu dem Schluss kommen, dass es doch absurd ist, jemanden mehr zu bezahlen als das, was er für seine Zufriedenheit benötigt. Umgekehrt sehen wir unser Gerechtigkeitsgefühl doch auch nicht unnötig durch Regelungen wie Senioritätsprinzip oder kundenspezifische Preisgestaltung verletzt. Warum kommen wir zwar auf die Idee, dass Unternehmen Einheitslöhne zahlen sollen (gleicher Lohn für gleiche Arbeit), nicht aber einheitliche Preise verlangen brauchen? Und wieso akzeptieren wir, dass jemand aufgrund von Alter und Firmenzugehörigkeit ein höheres Gehalt bekommt, möglicherweise aber weniger leistet? Warum verlangt es uns da nicht nach Lohnkürzung?

      Wer in einen Laden geht, zahlt möglicherweise einen höheren Preis, wenn er nicht verhandelt. Wer redet da von Unfairness gegenüber jenen, die keine Ellenbogen einsetzen?

      Bevor man Sozialdarwinismus das Wort redet, sollte man auf solche Fragen Antworten haben.

      • popper 8. Oktober 2019, 22:15

        Sie, Herr Pietsch haben offensichtlich nur Ausreden und falsche Vergleiche, aber keine Antworten. Die müssten Sie aber haben, bevor Sie derart sinnlose Fragen stellen. Wer Fragen stellt, ohne Antworten zu geben, will nur provozieren.

        Sie predigen doch ständig, dass nur der Tüchtige Erfolg verdient und beschimpfen die anderen als Minderleister. Selektion ist für Sie der Motor jeden Fortschritts. Sie bejahen in jedem zweiten Satz eine umfassende sozialer Auslese und legitimieren vorhandene gesellschaftlichen Ungleichheiten mit biologischen Gesetzmäßigkeiten. Und leiten daraus die Biologisierung sozialer Verhältnisse ab. Rational gelten darin für Sie zuvorderst Markt- Politiksysteme die den schon vorhandenen Selektionsdruck ungehindert walten lassen, bzw. noch verstärken. Hält Ihnen das jemand zurecht vor, strapazieren Sie seine Intelligenz mit Scheinargumenten und unsinnigen Verballhornungen.

      • CitizenK 9. Oktober 2019, 16:13

        Die Fragen sind nicht unberechtigt. Man sollte sie aber in der Debatte stellen, nicht vorher. Und dann abwägen.

        • Stefan Pietsch 9. Oktober 2019, 17:29

          Ich habe die Fragen anhand zweier prägnanter Beispiele im Artikel gestellt. Ich wollte also durchaus wissen, wie das Forum zu dem Beispiel Sky steht. Wurde nur von jedem ignoriert. Fragen nach Fairness und Gerechtigkeit können außerordentlich komplex sein.

      • CitizenK 9. Oktober 2019, 17:23

        @ Stefan Pietsch

        Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass Sie an einer wirklichen Debatte interessiert sind: Ihre Fragen sind nicht unberechtigt (habe ich schon mal geschrieben, wurde aber vom System verschluckt).

        In der Tat kann man fragen, ob es fair ist, wenn Reiche und Arme den gleichen Preis zahlen müssen. Die Antwort: Es ist einfach nicht praktikabel, an der Supermarktkasse oder am Bahnschalter die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kunden zu erfragen oder gar zu überprüfen.

        Bei einem zentralen Preis, der Wohnungsmiete, gibt es Ansätze, diesen nach Einkommen zu staffeln. Hier in Heidelberg auf dem Gelände ehemaliger US-Kasernen wurden solche Wohnprojekte in Selbstverwaltung gegründet. Die Mieten werden einen bestimmten Anteil am Einkommen betragen. Man darf gespannt sein, ob und wie das funktioniert.

        Für die mittleren oberen Etagen in der Unternehmenshierarchie ist Ihr Aufruf zum Einsatz der Ellenbogen auch nicht problematisch. Wer am Rattenrennen teilnehmen will, soll es tun. Wer das aber nicht kann (oder auch nur nicht will), soll vor den Auswüchsen des Egoismus der Starken geschützt werden. Dafür wurden die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie „erfunden“ – auch soziale Innovationen.

        Der Gedanke ist noch ungewohnt. Aber Sie sind doch sonst so für Erfindungsreichtung. Wir sollten nicht nur auf technischen Gebiet innovativ sein. Auch soziale Innovationen können das Leben der Menschen verbessern. Zum Beispiel die Genossenschafts- und die Bauspar-Idee aus dem 20. Jahrhundert.

        • Stefan Pietsch 9. Oktober 2019, 17:47

          Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass Sie an einer wirklichen Debatte interessiert sind:

          Davon können Sie (bis auf eine Person) grundsätzlich ausgehen. Ich schreibe, um zu debattieren und Argumente zu schärfen.

          In der Tat kann man fragen, ob es fair ist, wenn Reiche und Arme den gleichen Preis zahlen müssen.

          Die Sache ist ja die, dass unterschiedliche Preise gezahlt werden müssen, Internet macht’s möglich. Aber ich mag das Beispiel Sky. Wieso beschweren wir uns nicht, dass der eine diesen, der andere jenen Preis bezahlen muss. Das gilt ja überall anders auch. Jeder bekommt bei der Autobestellung einen anderen Preis. Oder Apple-Handy: das Unternehmen wirbt ja gerade mit einer ordentlichen Preisdifferenzierung, ohne dass dies bisher nur einen Gerechtigkeitsfanatiker auf den Plan gerufen hätte. Warum also regen wir uns auf, wenn der eine bei einer Neueinstellung 62.000 Euro fordert und sie bekommen würde (vorausgesetzt, er ist der Topkandidat) und die andere 56.000 Euro für die gleiche Tätigkeit fordert – und auch diese bekommen würde? Wir zahlen beim Kauf eines Produkts ja auch den Preis, der an der Ladenkasse gefordert wird – oder wir kaufen nicht. Wenn die Kandidatin mit den 56.000 Euro meint, ihre Arbeit sei 62.000 Euro wert, so soll sie sie fordern. Diese Selbsteinschätzung des eigenen Marktwertes kann ihr niemand abnehmen.

          Das Mietmoratorium in Berlin dürfte schon wegen der Sozialregelung verfassungswidrig sein. Denn es gibt keine mit dem Grundgesetz konform gehende Regelung, die einen Vertragspartner zwingen könnte, sein Angebot nach dem Einkommen des potentiellen Kunden zu differenzieren und danach Verzicht zu üben.

          Wer das aber nicht kann (oder auch nur nicht will), soll vor den Auswüchsen des Egoismus der Starken geschützt werden.

          Dagegen ist nichts zusagen. Dafür gibt es die Koalitionsfreiheit im Grundgesetz. Gewerkschaften verhandeln für eine Gruppe von Arbeitnehmern deren Arbeitsbedingungen. Nur gilt die Koalitionsfreiheit auch umgekehrt (negativ genannt): wer seine Bedingungen für sich selbst aushandeln will, ist darin frei. Wenn ein Bewerber meint, besser als die Stammbelegschaft zu sein und deswegen eine Zulage verhandelt, begründet dies für die übrigen keinen Anspruch, gleich entlohnt zu werden. Dafür haben sie schließlich die Gewerkschaft.

          Ich glaube, wir haben in Deutschland nicht einen Mangel an sozialen Regelungen. Auf die Idee ist außerhalb des Landes noch niemand gekommen. 🙂

          • CitizenK 10. Oktober 2019, 07:51

            „Auf die Idee ist außerhalb des Landes noch niemand gekommen“

            …das ultimative unwiderlegbare Argument gegen eine neue Idee: Ham wa noch nie so gemacht….

            • Stefan Pietsch 10. Oktober 2019, 11:42

              Es ist eine neue Idee, dass Deutschland sehr viele soziale Regelungen besitzt? Echt?

              Deutschland war mal das Volk der Dichter und Denker und ist heute das Land der Ideenlosen und Verbotsfetischisten, nur Spitze bei der Verteilung sozialer Leistungen. Times change.

              • popper 10. Oktober 2019, 23:24

                Glauben Sie wirklich, dass ihr Freiheitsfetischismus sich in seiner Dogmatik von dem, was Sie bekämpfen unterscheidet.

                Deutschland ist historisch immer noch das Volk der Dichter und Denker. Darunter waren aber wenig Freiheitsideologen und Kämpfer gegen den säkularen Staat. Der Liberalismus in seinem Ursprung war Befreiung von Feudalismus und ein Kampf für Menschenrechte. Die difuse Freiheitsideologie des Neoliberalismus dagegen ist zwanghaft und wider den Menschen als soziale Entität. Eine hirnverbrannte Restriktion des Geistes und irrationale konstruktivistische Allmachtsfantasie mit rapidem Verfallsdatum.

                • Erwin Gabriel 11. Oktober 2019, 10:45

                  @ popper 10. Oktober 2019, 23:24

                  Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt, mit einem der größten Staatsetats der Welt, und erfreut sich seit Jahren ständig erheblich wachsender, enormer Steuereinnahmen.

                  Wenn in solch einem Land, bei solch einem Etat, knapp über 40 % für Soziales ausgegeben werden (mit stark steigender Tendenz), dann sind die Wahrscheinlichkeiten schon sehr groß, dass auf der einen Seite etwas Grundsätzliches schiefläuft (können wir vielleicht unter „Schere zwischen arm und reich“ abkürzen – da bin ich so halbwegs bei Ihnen), und auf der anderen Seite die Maßstäbe doch arg verrutscht sind (da bin ich ganz! klar bei Herrn Pietsch).

              • CitizenK 12. Oktober 2019, 10:38

                „Deutschland war mal das Volk der Dichter und Denker“ …. und damals galt das Allgemeine Preußische Landrecht mit Vorschriften, die das Herz jedes rechten (!) Liberalen sogleich höher schlagen lassen:

                „Eheverbot wegen Ungleichheit des Standes.
                §. 30. Mannspersonen von Adel können mit Weibspersonen aus dem Bauer- oder geringerem Bürgerstande keine Ehe zur rechten Hand schließen.
                §. 31. Zum hohem Bürgerstande werden hier gerechnet, alle öffentliche Beamte, (die geringern Subalternen, deren Kinder in der Regel dem Canton unterworfen sind, ausgenommen;) Gelehrte, Künstler, Kaufleute, Unternehmer erheblicher Fabriken, und diejenigen, welche gleiche Achtung mit diesen in der bürgerlichen Gesellschaft genießen.“

                Geschichtsbewusstsein hilft (manchmal) bei verengtem Blick wegen ideologischer Scheuklappen.

                • Stefan Pietsch 12. Oktober 2019, 11:54

                  Erscheint mir wirr…

                  • CitizenK 12. Oktober 2019, 19:46

                    Zeigt: Als die Deutschen ein „Volk der Dichter & Denker“ waren, herrschten sehr viel mehr Verbote als heute. Wirr ist Ihr Vergleich der Zeit von Schiller & Goethe mit der heutigen politischen Situation. Wieder einmal blockierte das Ressentiment den Verstand.

                    • Stefan Pietsch 12. Oktober 2019, 20:14

                      Es ist kaum zu bestreiten, dass es früher mehr Verbote gab. Im Rahmen der Aufklärung begann die Gesellschaft, sich mit weniger Verboten abzufinden. Nur hat das alles einen Bezug zu der Darstellung, dass die Deutschen sich von einem Volk der Denker zu einem der Ideenlosen und Verbotsfetischisten entwickelt haben? Das ist das, was ich bei Ihrer Einlassung wirr fand – und weiter finde. Es hat für mich keinen Bezug zur Debatte, sondern wirkt zusammenhanglos.

                    • Stefan Sasse 12. Oktober 2019, 22:37

                      Vielleicht solltet ihr eure historischen Vergleiche beiseite lassen, da kommt nur falscher Unfug dabei raus.

                  • popper 13. Oktober 2019, 10:19

                    In einem haben Sie sicher recht, Fiskalpakt und Schuldenbremse sind signifikante Beweise für die Ideenlosigkeit und Verbotskultur unserer Zeit. Man könnte es auch Verblödung nennen. Ein anderer ist, wenn Menschen an die Stelle ihre Denkens und Handelns Marktgesetze einer unsichtbaren Hand setzen, wovon sie ernsthaft behaupten, diese seien dem Menschen überlegen.

                    Wenn Goethe schon behauptete: „Alle Gesetze sind Versuche, sich den Absichten der moralischen Weltordnung im Welt- und Lebenslaufe zu nähern“ und sehen, dass die Schwächung der Autorität des Rechts sich darin zeigt, dass sich unsere heutige Gesellschaft immer mehr über das Recht hinwegsetzt und sich an eigenen Wert- und Moralvorstellungen orientiert, dass wir darin offensichtlich nicht viel weiter gekommen sind. Ihr Vorwurf, Herr Pietsch, ist insoweit nichts anderes, als ihre ganz persönliche Sichtweise, ohne jede Relevanz und Einsicht in Ursachen und Wirkungen.

  • popper 11. Oktober 2019, 19:40

    Herr Gabriel, warum fallen Sie ständig auf die neoliberale Propaganda des Herrn Pietsch herein. Das Meiste, was Herr Pietsch so zum Besten gibt, ist purer Mainstream und intellektuelle Beliebigkeit.

    Ihre Feststellung, der deutsche Staat gebe 40% für Soziales aus, mit stark steigender Tendenz, klingt nach der gleichen Missgunst, die Herr Pietsch ständig Leuten vorwirft, die die Ungleichverteilung der Einkommen und Vermögen anprangern. Herr Pietsch entblödet sich nicht, mmer wieder die alte Kamelle, seit 2005 sei diese nicht mehr gestiegen, obwohl neueste Studien zeigen, dass die Ungleichheit seit 2011 wieder rapide zunimmt.

    Die Behauptung ist vor dem Hintergrund, dass die Sozialausgaben, gemessen an der Wirtschaftsleistung sogar gesunken sind, völlig irre. Der Sozialstaat wird ja nicht teurer, nur weil eine bestimmte Größe des Budgets erreicht wird. Aber aus dieser Tatsache der Umverteilung auch noch einen Vorwurf zu konstruieren, ist einfach nur infam. Zumal den Aufwendungen regelmäßig Leistungen von sozialen Diensten oder Einrichtungen gegenüberstehen, von denen gerade die Besserverdienenden profitieren, da sie umso höher ihr Einkommen, prozentuell weniger an der Finanzierung beteiligen.

    Im Übrigen, dass die Steuern jährlich zunehmen/steigen ist einem Automatismus geschuldet. Wenn mehr verdient wird, werden auch mehr Steuern fällig. Die Frage hierbei ist nur, wer die zunehmenden Steuern zahlt. Herr Pietsch reitet dann immer gerne auf der Einkommensteuer herum, obwohl die hohe Beteiligung der Besserverdienenden am Einkommensteueraufkomme klar darauf hinweist, wie ungleich die Einkommen verteilt sind. Den Löwenanteil am Steueraufkommen tragen eh die Anderen über die Verbrauchssteuern.

    • Erwin Gabriel 24. Oktober 2019, 15:06

      @ popper 11. Oktober 2019, 19:40

      Herr Gabriel, warum fallen Sie ständig auf die neoliberale Propaganda des Herrn Pietsch herein?

      Das macht mich jetzt ein bisschen traurig, dass Sie mir offenbar keine eigene Meinung zutrauen. Meine (wirklich ganz eigene, nicht von Herrn Pietsch kopierte) Meinung deckt sich in vielen Bereichen mit der von Herrn P., ohne dass wir uns absprechen oder ich ihn kopiere.

      Ihre Feststellung, der deutsche Staat gebe 40% für Soziales aus, mit stark steigender Tendenz, klingt nach der gleichen Missgunst, die Herr Pietsch ständig Leuten vorwirft, die die Ungleichverteilung der Einkommen und Vermögen anprangern.

      Sehen Sie, ich bin doppelt neidisch. Ich finde, dass die Sozialausgaben zu hoch sind, und dass die Schere zwischen arm und reich zu weit auseinander klafft.

      Im Übrigen, dass die Steuern jährlich zunehmen/steigen ist einem Automatismus geschuldet. Wenn mehr verdient wird, werden auch mehr Steuern fällig.

      Und wer nur Inflationsausgleich mehr verdient, zalt mehr als Inflaionsausgleich Steuern, nicht wahr?

  • popper 28. Oktober 2019, 10:00

    „…keine eigene Meinung zutrauen. Meine (wirklich ganz eigene, nicht von Herrn Pietsch kopierte) Meinung deckt sich in vielen Bereichen mit der von Herrn P., ohne dass wir uns absprechen oder ich ihn kopiere.“

    Sie haben immer eine eigene Meinung, auch wenn Sie der Meinung von Herrn XY zustimmen. Dennoch können Sie dabei auf die neoliberale Propaganda von Herrn P. hereinfallen, weil Sie es vielleicht nicht besser wissen oder wissen wollen. Wenn ihr Hinweis: „…Wenn in solch einem Land, bei solch einem Etat, knapp über 40 % für Soziales ausgegeben werden (mit stark steigender Tendenz) […] Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt, mit einem der größten Staatsetats der Welt, und erfreut sich seit Jahren ständig erheblich wachsender, enormer Steuereinnahmen.“ eine Antithese zu meinem Kommentar sein sollte, ist mir bei dem, was ich antworten, offenbar die Pointe entgangen. Denn schon ihre Behauptung, der Staat gebe 40% für Soziales aus, ist extrem falsch. Die Sozialleistungsquote lag 2018 bei 29,4%/BIP. Davon tragen 34,5% die AG, 30,9% AG und 33% der Staat. Z.B. 2009 lag sie bei 30,6%, 2003 und sank mal mehr oder weniger bis 2018 auf die besagten 29,4%. Hier, wie Sie, zu behaupten: „…mit stark steigender Tendenz…“ ist gelinde gesagt grob irreführend, liegt aber auf der tendenziösen Linie, die auch Herr P. verbreiten könnte.

    Und wer nur Inflationsausgleich mehr verdient, zalt mehr als Inflaionsausgleich Steuern, nicht wahr?

    Nein, nicht wahr, sondern ziemlich schief. Sie wissen ja nicht, was der Einzelne an steuermindernden Ausgaben hat. Steuern zahlt jeder nach Leistungsvermögen und dem Nettoprinzip. Sie rechnen das einfach linear hoch und meinen damit etwas zum Verständnis beizutragen. Ist aber nicht. Auch darin ist Herr P. ein Meister seines Fachs. Weil er oft Idee und Realität eines Gesetzes verwechselt. Außer bei Russland, da funkelt es nur so von Lichtblitzen. Da erkennt er immer sofort und haargenau den Unterschied.

    Den Nominalsatz auf seiner Einnahmen zahlt eh niemand. Wenn Sie in die Gemeinde Büsingen am Hochrhein ziehen, wird ihnen aus Billigkeitsgründen sogar ein zusätzlicher Freibetrag von 30% zur Abgeltung der höheren Schweizer Lebenshaltungskosten gewährt. Jedoch nicht mehr als 30 % von jährlich 15.338 € bei Ledigen und 30.675 € bei Verheirateten. Für jedes Kind erhöht sich diese Bemessungsgrundlage um 7.670 €.

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