Keine Entwicklung ohne Krise

Ein Gastbeitrag von Ralf

„Wenn Sie weiter rauchen, sind Sie Ende des Jahres tot“. Das war die Botschaft, die der Arzt Anfang der Fünfziger Jahre für meinen Großvater hatte. Dabei war meinem Großvater natürlich seit vielen Jahren bekannt gewesen, wie schädlich sich seine selbstgedrehten Zigaretten auf seine Gesundheit auswirkten. Wie seine Fitness einbrach. Wie er keine Luft mehr bekam. Wie sein Magen schmerzte. Unzählige Male hatte meine Großmutter argumentiert, gebeten, gebettelt. Er solle doch aufhören. Diesen körperlichen Verfall kann das bisschen Genuss doch nicht wert sein. Aber am Ende war es der Genuss eben doch wert. Noch eine Zigarette. Danach vielleicht aufhören. Oder morgen. Lieber jetzt noch einmal dem Dämon der Entzugserscheinungen entgehen. Und genießen. Ist das nicht menschlich? Bis der Arzt sagte: „Wenn Sie weiter rauchen, sind Sie Ende des Jahres tot“. An diesem Nachmittag warf mein Großvater das bereits angebrochene Paket Tabak in den Müll. Den Rest seines Lebens fasste er keine einzige Zigarette mehr an. Er wurde über 80 Jahre alt.

Dies ist keine persönliche Geschichte. Unzählige Ex-Raucher in aller Welt haben dasselbe erlebt. Aber in den Geschehnissen steckt eine grundsätzlichere Lehre, die jenseits der Nikotinsucht bedeutend ist: Eine fundamentale Veränderung braucht fast immer eine schwere Krise.

Warum ist das so?

Fundamentale Veränderungen produzieren immer Gewinner und Verlierer. Und anders als bei geringfügigeren Veränderungen sind die Verluste – und nur manchmal auch die Gewinne – in der Regel beträchtlich. Wichtigerweise sind die Verluste dabei oft bereits deutlich absehbar, während sich das Ausmaß der Gewinne in der Zukunft erst noch klären muss. Das führt zu einer Situation, in der die Verlierer bereits sehr genau wissen, was sie verlieren werden, wenn es zur Veränderung kommt, während die Gewinner noch nicht genau wissen, ob sie überhaupt zu den Gewinnern gehören werden und, wenn ja, wieviel sie denn gewinnen werden. Wird die Veränderung von Politikern und Parteien propagiert, ist folglich die Energie auf der Seite der Opposition erheblich, während der Enthusiasmus auf der Seite der potentiellen Gewinner eher mau ist. In Umfragen wird das Projekt deshalb schnell unpopulär. Statt Wahlkampfschlager ist es plötzlich ein Klotz am Bein. Einstmalige Befürworter beginnen ihren Standpunkt zu relativieren. Andere versuchen aus dem Gegenwind Kapital zu schlagen und laufen zur Opposition über. Am Ende fehlt die Kraft das Projekt über die Ziellinie zu bringen.

Dabei profitiert die Opposition von einem entscheidenden Faktor. Gerade jetzt im Augenblick drängt das Problem, das die Veränderung lösen soll, meist noch nicht so sehr. Und der Ist-Zustand hat seinen Reiz. Als mein Großvater sich seine letzte Zigarette anzündete, kurz bevor er Minuten später die Arztpraxis betreten würde, schmeckte die doch noch richtig gut. Und bisher schienen Leben und Rauchen ja doch irgendwie kompatibel zu sein. Trotz Atem- und Magenbeschwerden war die Existenz doch trotzdem meist lebenswert. Der Schub, der eine Veränderung letztlich gegen heftige Widerstände bewirkt, muss eben auch den Verlierer – oder wenn wir über die Gesellschaft reden – zumindest einen großen Teil der Verlierer überzeugen. Die Gefahr, die droht, muss so konkret, so unmittelbar werden, dass die Angst vor dem Verlust der Vorteile der Gegenwart kleiner wird als die Angst vor einer tiefschwarzen Zukunft. Nur dann akzeptieren manchmal auch Verlierer Reformen. Mit anderen Worten: Was es fast immer braucht, ist eine dramatische Krise.

In der politischen Realität erleben wir diese Entwicklungen wieder und wieder. Hat wirklich irgendein Banker, Politiker oder Wirtschaftsfachmann damit gerechnet, dass die riesige Kreditblase von 2008 nicht zwangsläufig irgendwann platzen würde? Eine rhetorische Frage, ich weiß. Aus internen Kommunikationen wissen wir heute, dass die Beteiligten sehr wohl wussten, welch dramatisches, gar apokalyptisches Szenario der Welt drohte. Dass das globale Wirtschaftssystem kollabieren und uns alle mit in den Abgrund reißen könnte. Wieso hat nicht irgendwer diesen Irrsinn gestoppt, mag man sich fragen. Die Antwort ist so einfach, wie sie offensichtlich ist. Viele, viele, viele profitierten vom Ist-Zustand. Banken scheffelten Gewinne bei der Kreditvergabe. Einkommensschwache Familien bekamen Häuser, die sie sich eigentlich nicht leisten konnten. Politiker profitierten vom Schein der glänzenden Wirtschaft. Und die Rentenportfolios des kleinen Mannes gewannen mit steigenden Börsenkursen immer mehr an Wert. Wer möchte da der Spielverderber sein, der die Regulierung von Banken fordert, die Wirtschaft damit abwürgt und – zumindest kurzfristig – alle zu Verlierern macht? Dann doch lieber profitieren bis zur allerletzten Sekunde. Bis zum Crash. Bis das Kartenhaus zusammenbricht. Erst wenn das gesamte System in Schutt und Asche in sich zusammenstürzt, ist einer Mehrheit klar, dass es so nicht weitergeht. Im Trümmerfeld der Krise ist dann für ganz kurze Zeit Veränderung möglich. Auch einschneidende, schmerzhafte Opfer scheinen dann gerechtfertigt und finden die Zustimmung breiter Teile der Öffentlichkeit. Mit den Medien im Rücken können dann mutige Reformen geschehen.

Wird das kurze Zeitfenster überschritten, ist die Gelegenheit hingegen verloren. Die Opposition gruppiert sich neu und gewinnt Schlagkraft zurück, Bedenkenträger melden sich aller Orten zu Wort und die Medien fallen zurück in die Defaultposition der Äquidistanz zu allen politischen Playern. Die Zustände verbessern sich leicht, was den Anschein erweckt, es ginge auch ohne schmerzhafte strukturelle Veränderungen. Dadurch sinkt in der Bevölkerung die Bereitschaft Reformen mitzutragen. Um eine erneute Chance zur Veränderung zu bekommen, muss das komplette System ein weiteres Mal kollabieren und uns alle diesmal noch tiefer stürzen lassen. In der Bankenregulation sind wir an genau dem Punkt. Es geht uns scheinbar wieder gut, obwohl es kaum wirklich wirksame Reformen gegeben hat. Und die, die es gegeben hat, sind schon wieder aufgeweicht und verwässert worden. Die wirtschaftliche Gesamtsituation hat sich dramatisch verschlechtert. Staaten sind diesmal schon vor dem Crash bis zum Hals verschuldet. Zentralbanken haben keinerlei Spielraum mehr. Wenn die nächste Blase platzt, wird eine Katastrophe die Folge sein. Aber eben auch endlich die Chance das System tatsächlich wirksam zu reformieren.

Ähnlich sieht es mit dem Klimawandel aus. Dass der kommt, wissen wir seit den Achtziger Jahren. Geschehen ist trotzdem nichts. Flughäfen wurden erweitert, neue Startbahnen gebaut, Kohle subventioniert, Fleischkonsum gefördert. Wieso stoppt nicht irgendwer diesen Irrsinn, mag man sich fragen. Die Antwort ist so einfach, wie sie offensichtlich ist. Viele, viele, viele profitieren vom Ist-Zustand. Fliegen wir nicht alle gerne in den Urlaub? Genießen wir nicht alle die Fahrt zum Arbeitsplatz im eigenen Auto? Essen wir nicht alle gerne ein saftiges Steak? Haben wir nicht alle gerne billigen Strom? Klimaschutz ist ohne schmerzhafte Opfer nicht zu haben. Jeder der behauptet, man könne den Klimawandel abwenden und den Prozess dabei sozial und wirtschaftlich so abfedern, dass wir unseren Verzicht garnicht merken, lügt wider besseres Wissen in die Mikrophone. Und im Grunde unseres Herzens ist uns das auch allen klar. Also zögert man das Unvermeidbare so lange heraus, wie es nur geht. So wie mein Großvater noch bis zur letzten Minute vor der Krise gierig an seiner Zigarette zog. So wie die Banker noch bis zur letzten Sekunde vor dem Crash mit toxischen Krediten handelten. So werden auch wir mit Volldampf weiter unsere Atmosphäre mit Kohlendioxid vergiften, bis der Schaden für uns so immens, so unbegreifbar groß wird, dass auch der Letzte ein Einsehen haben wird, dass ein „Weiter so“ nicht mehr möglich ist.

Diesem Zustand nähren wir uns nun langsam an. Die Rekordhitze in Deutschland hat im letzten Sommer alleine in Berlin um die 500 Tote gefordert. Bauern sehen ihre Ernte und damit ihre Existenz zerstört. Ganze Flächen sind verdorrt, tot, vertrocknet. Als ich im letzten September meine alte Joggingstrecke abging, normalerweise gesäumt von einer saftig grünen Wiese, auf der im Sommer von vielen Besuchern gerne gegrillt und gesonnt wird, bot sich der erschreckende Anblick eines dunkelbraunen, knochentrockenen, toten Feldes. Es ließ einen erschaudern. Und es scheint genauso weiterzugehen. Vorgestern wurde im Emsland mit 42,5 °C die höchste jemals in Deutschland gemessene Temperatur beobachtet. Rekordhitze folgt Rekordhitze. Dazu nimmt die Zahl und Heftigkeit von Stürmen zu. Langsam wächst das Bewusstsein, dass wir nicht mehr über eine Krise am Horizont sprechen, sondern dass wir bereits mitten in der Krise stehen und es nur noch darum geht, um wieviel schlimmer es werden wird. Abzuwarten bleibt, wie groß die Krise wird werden müssen, um ein Umdenken zu bewirken und Reformen zu ermöglichen. Fest steht hingegen bereits, dass die Krise bei uns ankommen musste, um eine Chance auf Handeln zu bewirken. Und das, obwohl die Problemlage seit Jahrzehnten bekannt ist.

Und so geht es in jedem Sektor. Reformen in unserem Bildungssystem wären nie geschehen ohne die Krise, ausgelöst durch die Pisa-Studie. Rauchverbote hätte es niemals gegeben ohne die Krise, ausgelöst durch dramatisch steigende Lungenkrebsraten. Ein Überdenken des Dublin-Abkommens hätte niemals stattgefunden ohne die Krise, ausgelöst von einer Million Flüchtlingen unmittelbar vor unserer Haustür. Die enge wirtschaftliche Kooperation der EU-Staaten hätte es niemals gegeben ohne die Krise, ausgelöst durch den Beinahebankrott der PIIGS-Staaten. Rentenreformen und -anpassungen hätte es nie gegeben ohne die Krise, ausgelöst durch die Demographieverschiebungen. Der Übergang in die Demokratie der Weimarer Republik wäre niemals geschehen ohne die Krise, ausgelöst durch einen verlorenen Weltkrieg. Dasselbe lässt sich über die zweite Demokratie nach 1945 sagen. Und wenn man ein Beispiel aus dem Ausland sucht, auch der berühmte New Deal hätte in den USA niemals stattgefunden ohne die Krise, ausgelöst durch die Great Depression.

Gemeinsam ist all diesen Beispielen übrigens, dass die Unzulänglichkeiten des jeweiligen Systems in der Vorreformzeit durchaus in der Breite bekannt waren. Aber die historische Erfahrung lehrt uns, dass es fast undenkbar ist, dass fundamentale Veränderungen jemals ohne den Druck einer Katastrophe im Nacken zustandekommen. Offensichtliche Netto-Vorteile einer Reform für die übergroße Mehrheit der Bürger, sind eben praktisch nie ausreichend als Argument für tatsächliche politische Bewegung. Deshalb scheiterte Bill Clinton mit seiner Gesundheitsreform. Deshalb gibt es in der EU nach wie vor ein dramatisches Demokratiedefizit und keinen EU-Außenminister. Und deshalb konnten wir 1996 noch nicht einmal Berlin und Brandenburg vereinigen.

Was daraus folgt – das soll nicht verschwiegen werden – ist bitter. Was daraus folgt ist, dass der, der die Welt fundamental verändern will, fast zwingend eine Krise braucht. Und damit Leid und Elend für die Menschen. Es ist nur fair einzuwenden, dass es doch auch anders gehen müsse. Allerdings beantwortet dieser Einwand mehr die Frage danach, wie wir die Welt gerne hätten, nicht die Frage danach, wie die Welt tatsächlich in der Realität funktioniert.

Und ja, Politik und Wirtschaft und wer sonst noch so Machtfaktor ist, könnte versucht sein, Spannungen aktiv zu generieren, um unter dem Eindruck dieser Krisen genehme Reformprogramme durchzupeitschen. Kann man die Rationalisierungsexzesse in Deutschland vor der Agenda 2010 unter diesem Gesichtspunkt sehen? Kann man das Einschleusen von Randalierern in Demonstrationszüge, deren Gewalt dann Anlass zum Einschreiten durch die Polizei gibt, unter diesem Gesichtspunkt sehen? Die vielen Kriegslügen, die uns unter anderem von der US-Regierung aufgetischt wurden, um die Bevölkerung kriegsenthusiastisch zu machen – etwa die irakischen Soldaten, die im besetzten Kuweit angeblich Babys aus Brutkästen gerissen haben sollen – muss man wohl unter diesem Gesichtspunkt sehen. Ebenso wie die zahlreichen künstlichen Krisen, die die Regierung Trump an der Grenze zu Mexiko inszeniert. Oder die frei erfundene Krise der Brexit-Bewegung Großbritanniens, die einer knappen Mehrheit der dortigen Bürger weismachte, die EU-Mitgliedschaft des Landes sei wirtschaftlich ein Verlustgeschäft. Oder die Flüchtlingskrise, die Matteo Salvini an der Mittelmeerküste aufbauscht und die ihn und seine Lega in die Nähe einer absoluten Mehrheit in Umfragen geführt hat. Und das, obwohl die Flüchtlingszahlen in der Realität tatsächlich deutlich rückläufig sind und sich die Situation weitestgehend normalisiert hat. Weicht man die Definition des Begriffs „Krise“ ein bisschen auf, kann man sogar noch die Verfassungskrise miteinbeziehen, die die Republikaner 2016 im US-Senat konstruierten, indem sie sich weigerten einen Kandidaten für den Supreme Court des amtierenden Präsidenten auch nur anzuhören und sich anschließend noch des Diebstahls der Richterposition schuldig machten.

Was bei dieser Aufzählung auffällt, ist zweierlei. Erstens, das willentliche Produzieren von unnötigen Krisen, um sie anschließend mit ideologisch geprägten Reformen zu lösen, ist fast ausschließlich eine Taktik der politischen Rechten. Zweitens, die Strategie ist enorm erfolgreich. Sie ist enorm erfolgreich, weil nur fundamentale Krisen – erfunden, inszeniert oder real – erlauben starke gesellschaftliche Widerstände zu brechen und echte, fundamentale Reformen durchzudrücken. Die Strategie hat Donald Trump erlaubt mit dem Bau seiner Mauer zu beginnen. Die Strategie hat Boris Johnson ins Amt des Premierministers und auf den Weg zu einem No Deal-Brexit befördert. Die Strategie hat Matteo Salvini zum beliebtesten Politiker Italiens gemacht. Die Strategie hat es George Bush erlaubt einen sinnlosen Krieg zu beginnen. Die Strategie hat es der GOP erlaubt, den Rechtsrahmen der Vereinigten Staaten für eine komplette Generation festzulegen und das, obwohl die Partei ohne Mehrheit in der Bevölkerung dasteht.

Man mag alle diese „Erfolge“ ideologisch ablehnen. Man mag die Akteure verdammen. Man mag ihre Politik verächtlich machen. Aber wo, frage ich, sind die Erfolge der Gemäßigten? Wo sind die Erfolge der Rationalen? Deutschland ist in gewisser Weise ein Sonderfall. Wir sind wirtschaftlich stark, kommen gerade noch aus der Phase eines nicht enden wollenden Booms, unsere Verschuldung ist relativ moderat. Unser System steht noch nicht wirklich unter Spannung. Trotzdem ist die AfD bereits stärkste Kraft in mehreren Umfragen östlicher Bundesländer und hat auch in Westdeutschland merklich Fuß gefasst. Was wenn die nächste Rezession so schlimm wird, wie manche schon prophezeien. Wenn durch Donald Trumps Handelskriege unser Absatzmarkt in den USA wegbricht. Wenn durch die Instabilität im Zuge eines unkontrollierten Brexits unsere Wirtschaft einbricht. Wenn die mächtige deutsche Autoindustrie die Transformation weg vom Verbrennungsmotor hin zu moderner Mobilität nicht schafft und der erfolgreichen Konkurrenz aus Asien nicht standhalten kann. Die drängenden Themen unserer Gesellschaft – Klima, soziale Gerechtigkeit, Demographie – werden keine Rücksicht auf uns nehmen. Wird dann in Deutschland noch Ruhe und Rationalität regieren? Wir könnten uns im Auge des Sturms gleich mehrerer gleichzeitiger Krisen wiederfinden. Auch ein Preis dafür Probleme nicht rechtzeitig angegangen zu haben.

Und so brauchen wir vielleicht jemanden, der uns rechtzeitig die Augen öffnet. Und es ist ja nicht so, als wenn es keine Vorbilder gäbe. Greta Thunberg etwa. Das tapfere Mädchen, dass sich mutig vor Staatenlenker stellt und stoisch an unser aller Gewissen appelliert. Zahllosen Gewalt-, Vergewaltigungs- und Morddrohungen im Netz zum Trotz. Oder Alexandria Ocasio-Cortez, die mit ihrer leidenschaftlichen Vision für ein buntes, liberales, freundliches Amerika einen lang eingesessenen Establishment-Kollegen der „Bloß keine Veränderung“-Fraktion hinwegfegte. Kürzlich wurde bekannt, dass Polizisten in öffentlichen Netzwerken ihre Erschießung forderten. Aber mit Drohungen dieser Art muss heutzutage jeder Progressive leben, der in der Öffentlichkeit steht. Dazu haben wir einen Al Gore. Einen Arnold Schwarzenegger. Eine Elizabeth Warren. Vielleicht hilft uns ja einer von denen zum Einsehen und sagt uns, was wir dringend hören müssen:

„Wenn Sie weiter rauchen, sind Sie Ende des Jahres tot“.

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  • alpe 29. Juli 2019, 09:28

    Ich stimme der Grundaussage zu, dass tiefgreifende Änderungen beinahe immer als Reaktion auf eine vorherige fundamentale Krise geschehen.

    Nur dass „das willentliche Produzieren von unnötigen Krisen, um sie anschließend mit ideologisch geprägten Reformen zu lösen, […] fast ausschließlich eine Taktik der politischen Rechten“ sei, unterschreibe ich so nicht.

    Die Rechten mögen das im Mittel intensiver und mit mehr böswilliger Verachtung tun, aber die Strategie, erst mehr oder weniger fiktive Strohmänner aufzubauen, die anschließend natürlich nur mit den eigenen Mitteln sinnvoll bekämpft werden können, ist ein gängiges Mittel politischer Aktion, auch in der Linken.

    „Was wenn die nächste Rezession so schlimm wird, wie manche schon prophezeien. Wenn durch Donald Trumps Handelskriege unser Absatzmarkt in den USA wegbricht. Wenn durch die Instabilität im Zuge eines unkontrollierten Brexits unsere Wirtschaft einbricht. Wenn die mächtige deutsche Autoindustrie die Transformation weg vom Verbrennungsmotor hin zu moderner Mobilität nicht schafft und der erfolgreichen Konkurrenz aus Asien nicht standhalten kann.“

    q.e.d.

    • Ralf 29. Juli 2019, 13:57

      Ich weiß nicht, ob das als “Strohmann” gut beschrieben ist.

      Donald Trumps Drohungen in die Richtung von Deutschland waren, was einen Handelskrieg angeht, ja doch sehr konkret und aktuell. Ist ja nicht so, als wenn ich das erfunden hätte.

      Und was die Folgen eines Brexits für die deutsche Wirtschaft angeht, herrscht unter Experten meines Wissens nach Konsens: Je harscher der Brexit, desto heftiger die Folgen. Darüber hinaus dürfte es Einigkeit darüber geben, dass mit der Wahl von Boris Johnson die Gefahr eines No-Deal-Brexits, also des harschest möglichen Brexits, dramatisch gestiegen ist. Dazu kann man sogar Boris Johnson selbst zitieren.

      Bleibt nur noch der dritte Punkt mit der Autoindustrie. Der war zugegebenermaßen weiter hergeholt, aber auch nicht völlig unrealistisch. Dass die deutsche Automobilindustrie die moderne Mobilität verschlafen hat, ist ein offenes Geheimnis. Dass der Verbrennungsmotor keine Zukunft hat, ist seit Jahren bekannt. Der Einstieg in die Elektromobilität ist viel zu spät angegangen worden. Da hinken wir den Asiaten deutlich hinterher. Und Wasserstoff ist meines Wissens noch nicht weit genug entwickelt. Vielleicht gelingt es den hiesigen Unternehmen ja noch in letzter Sekunde die Kurve zu kriegen. Aber dass wir von der erfolgreichen Konkurrenz überrollt werden könnten, ist in meinen Augen durchaus ein realistisches Szenario.

      • alpe 30. Juli 2019, 08:40

        Ralf, vielen Dank für Deine Antwort!

        Ich möchte deine Beispiele keineswegs als Hirngespinste oder als vollkommen an den Haaren herbeigezogen darstellen. Die haben schon alle ihre Berechtigung. (Ich sprach ja auch von „mehr oder weniger fiktiven Strohmännern“.)

        Mein Punkt ist nur, dass es keine ausschließliche Taktik der Rechten ist, bestimmte Tatsachen, Entwicklungen oder Probleme zu ausgemachten Krisen hochzustilisieren, die dann selbstverständlich alleinig durch ihr beherztes Eingreifen gelöst werden können. Die Linke macht das genauso.

        Für die rechte Seite reicht es schon, wenn innerhalb kurzer Zeit ein paar hunderttausend Flüchtlinge nach Deutschland kommen um gleich den nationalen Überfremdungsnotstand oder gar eine Umvolkung des deutschen Volkes dräuen zu sehen, dem natürlich nur sie mit ihrer rigorosen Abschottungs- und Ausweisungspolitik effektiv begegnen können.

        Für die Linke reichen ein Herr Trump, Johnson, Bolsonaro und ~15% für die AfD bei einer Landtagswahl, um gleich eine globale Verrohung des zwischenmenschlichen Umgangs und die schwerstmöglich vorstellbaren Folgen für die grundsätzliche Qualität des menschlichen Zusammenlebens zu beschwören, dem natürlich nur sie mit mehr political correctness, gay pride und Genderpolitik (ich überspitze böse) sowie einer globalen Dauermahnschleife vor den existenziellen Bedrohungen rechter Politik begegnen können. Ebenso reicht ein heißer Sommer mit ein paar Tagen 40°C, um natürlich erstens die Austrocknung Deutschlands und in der weiteren Folge den baldigen Klimatod der Menschheit im grundsätzlichen zu diagnostizieren, wenn nicht SOFORT und DRINGEND etwas passiert. Auch reicht ein schläfriger Automobilkonzern, um das Ende der deutschen Automobilwirtschaft zu erkennen und mittelbar wahrscheinlich sogar den Untergang der deutschen Volkswirtschaft überhaupt.

        All das ist m.M.n. vollkommen übertrieben. Weder wird Deutschland untergehen, nur weil die Kanzlerin im Jahr 2015 „die Grenzen geöffnet“ hat, noch wird die jahrtausendealte menschliche Zivilisationsgeschichte an acht Jahren Trump, einem Herrn Johnson, einer AfD oder der Unfähigkeit eines deutschen Automobilkonzerns, auf die relevanten Herausforderungen der Welt zu reagieren, scheitern. Auch droht Deutschland keine saharagleiche Austrocknung und die Menschheit wird auch nicht den Klimatod sterben.

        Die soziale, ökonomische und technologische Entwicklung der Menschheit ist viel langfristiger, komplexer und überpersönlicher und die Innovations- und Adaptionsfähigkeit des Menschen viel größer, als sich von solchen relativen Kleinigkeiten (oder Großigkeiten wie dem Klima) substantiell beeinflussen oder beeindrucken zu lassen.

        Ja, der Klimawandel ist ein Problem. Ja, Trump tut gerade sein Möglichstes, um das Feuer an alle möglichen geschriebenen und ungeschriebenen weltweiten Vereinbarungen zu legen. Ja, Johnson und der Wie-auch-immer-deal-Brexit werden die EU vor Herausforderungen stellen. Und ja, 15% oder 20% für die AfD und ein Herr Höcke, an dem inhaltlich und stilistisch ein echter Goebbels verloren gegangen ist, sind nicht schön.

        Aber sind das gleich Krisen, an denen wir absehbar zugrunde gehen?

        Ist die Frage, ob 14,5% oder 16% der Deutschen über X Jahre von Altersarmut betroffen sind – um die wie sinnbildlich für meinen Punkt stehende Diskussion von euch aufzugreifen – eine Krise, die die Existenz Deutschlands gefährdet?

        Ralf, bitte versteh mich nicht falsch. Jeder Einzelfall ist für sich in seiner Situation mitunter existenziell schwerwiegend und ein bedauerliches Schicksal. Dein Großvater steht exemplarisch dafür. Und wenn sogar ganze Bevölkerungsgruppen oder Konzere betroffen sind und nicht nur Einzelpersonen, gilt dies gleich doppelt – aber weder glaube ich, dass die EU am Brexit zusammenbrechen wird, noch dass die Menschheit wegen des Klimawandels aussterben wird, noch dass unser Welthandel an Herrn Trump zugrundegehen wird, noch – um eure zwischenzeitlich entstandene Diskussionen noch einmal aufzugreifen – dass eine breitflächige Verarmung der deutschen Rentner droht.

        • Ralf 31. Juli 2019, 00:56

          Vielleicht habe ich mich an manchen Stellen unklar ausgedrückt. Ich habe kein Problem damit, dass Rechte wie Linke ihre spezifischen Felder haben, auf denen sie Handlungsbedarf sehen und in denen sie möglicherweise einen „Missstand“ in das Vokabular der „Krise“ kleiden, um dann ihre ideologisch geprägte Lösung anzubieten. Das ist das ganz normale Spiel der Politik.

          Was ich hingegen kritisiere, ist das freie Erfinden von Problemen, die schlicht nicht existent sind. Was ich kritisiere ist die vollumfassende Krisen-Inszenierung, die keinerlei Berührungspunkte mit der Realität mehr hat. Und das ist ein Phänomen, das es gegenwärtig praktisch ausschließlich auf der politischen Rechten gibt.

          Ob es eine Krise ist, wenn ein Fünftel der Alten unter der Armutsschwelle lebt, mag Ansichtssache sein. Aber ob es in Deutschland eine „Umvolkung“ gibt, ist keine Ansichtssache. Das ist eine freie Erfindung. Und das selbe lässt sich über viele andere Märchen der modernen Rechten sagen. So gibt es z.B. gegenwärtig keine Flüchtlingskrise, also einen Massenandrang von Migranten, im Mittelmeer. Die Zahlen sind dramatisch rückläufig seit dem Peak in 2015/2016. Matteo Salvinis inszenierte Krise dient lediglich seinen eigenen politischen Zwecken und hat keine Entsprechung in der wirklichen Welt. Das selbe gilt für Boris Johnsons Märchen über die EU und die angebliche Benachteiligung der Briten, die unter vorherigen Regierungen neben ihrem Rabatt so ziemlich jedes Zugeständnis bekamen, das sie haben wollten.

          Und das ist eben der Unterschied. Die Linke benennt echte, reale Missstände und interpretiert einige davon als so beeinträchtigend, dass sie dafür den Begriff der Krise als treffend erachtet. Die Rechte hingegen erfindet völlig losgelöst von der Wirklichkeit Märchen aus heißer Luft. Und das ist dann schon ein bedeutender qualitativer Unterschied.

          • Stefan Sasse 31. Juli 2019, 09:41

            Völlige Zustimmung.

          • alpe 31. Juli 2019, 10:27

            Ich glaube, wir sind uns bei der Einschätzung dessen, dass dieses Vorgehensmodell von ‚Thema finden -> (über-)dramatsieren -> Heilung versprechen‘ auf beiden Seiten des politischen Spektrums Anwendung findet, im Grunde einig.

            Wo wir uns nicht einig sind ist, ob es dabei zwischen der rechten und der linken einen qualitativen Unterschied bei der Themenfindung bzw. -setzung gibt.

            Du sagst, der Unterschied zwischen beiden sei der, dass die Rechte Themen geradezu ohne jegliche reale Grundlage erfindet, wohingegen die Linke auf ein tatsächlich existierendes Thema, wie klein auch immer es sei, zurückgreift.

            Da widerspreche ich dir.

            Selbst die dramatischsten rhetorischen Übertreibungen der Rechten und ihre daraus abgeleiteten absurdesten Schlussfolgerungen basieren immer auf Umständen, die zumindest auf einem absolut grundsätzlichen Niveau tatsächlichen der Fall sind (den berühmten Körnchen Wahrheit).

            Der Einfachheit halber greife ich zwei deiner Beispiele auf.

            Bei der Migration nach Deutschland von Umvolkung zu sprechen, ist natürlich hanebüchener Unsinn und gleich auf mehreren Ebenen unfassbar … unintellektuell, aber dass es beispielsweise in Deutschland jetzt schon mit geschätzt einem Drittel der Schülerschaft einen sehr hohen Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund gibt, der nach Einschätzung von Bildungsexperten in den kommenden Jahren auf bundesweit(!) über alle Schulformen hinweg(!) durchschnittlich(!) 50% (in Worten: fünfzig Prozent) steigen dürfte – was natürlich bedeutet, dass es in Brennpunkten im Ruhrgebiet, in Berlin oder sonstwo durchaus Schuhen mit 80 bis 90% Migrationshintergrund bei den Schülern geben wird -, ist Realität. 2011 lag dieser Anteil noch bei ca. 25%. (Vgl. u.a.: https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2018-03/statistisches-bundesamt-schueler-deutschland-migrationshintergrund-zahlen; https://www.welt.de/regionales/nrw/article173568630/Migration-Zuwandererkinder-an-vielen-NRW-Schulen-in-der-Mehrheit.html).

            Dass wir also in verschiedenen Lebenszusammenhängen in Deutschland jetzt bereits einen in den letzten Jahren teilweise deutlich gestiegenen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund beobachten können (die Schule ist ja nur ein Beispiel) und dass aufgrund der Tatsache, dass aus Schülern irgendwann Erwachsene werden, auch der durchschnittliche Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund in der Gesamtbevölkerung in den kommenden Jahren bis Jahrzehnten deutlich steigen wird, ist nicht von der Hand zu weisen.

            Das dann zu einer „Umvolkung“ umzuinterpretieren oder von „Flüchtlingsimport“ zu sprechen, ist nicht _qualitativ_ falsch (also ‚qualitativ‘ verstanden im eigentlichen Sinne, als kategorialer oder wesensmäßiger Unterschied), sondern einfach nur _quantitativ_ sehr übertrieben und vor allen Dingen in Bezug auf die begrifflichen Konnotationen intellektuell brandstifterisch und gefährlich.

            Und dass – nur in aller Kürze – ein Land, das der EU beitritt, sich deren Regeln und Vorschriften unterwerfen muss, was natürlich im Einzelfall mit Beschränkungen der eigenen Freiheitsspielräume einhergeht, ist im Kern ebenso der Fall und damit nicht per se falsch.

            Ob man dann gleich, wie Herr Johnson es tut und es andere vor ihm getan haben, die gesamten positiven Effekte der EU ausblenden und die negativen dramatisch überspitzen muss, ist eine andere Frage.

            Aber wieder gilt: Auch hier handelt es sich um keinen qualitativen, sondern ’nur‘ einen quantitativen Unterschied.

            Fazit: Wir können gerne lange und hart (und hoffentlich sachlich) darüber diskutieren, wer wann wo wie auf welcher politischen Seite welches Thema wie sehr überspitzt, aufgeblasen und überdramatisiert hat um welche wie auch immer finsteren Ziele zu erreichen – aber dass es bei diesem Vorgehen einen qualitativen Unterschied zwischen der Rechten und der Linken gäbe, davon wirst du mich nicht überzeugen können.

            • Ralf 31. Juli 2019, 10:43

              Ich glaube, Du misinterpretierst in Deinem Argument den Begriff „Umvolkung“ und kommst deshalb zu einem falschen Schluss.

              „Umvolkung“, so wie der Terminus gebraucht und verstanden wird, meint einen aktiven, zielgetriebenen Eingriff der Politik, der willentlich dazu dient die gegenwärtige Bevölkerung gegen eine andere auszutauschen. Nicht einfach nur eine Beschreibung gestiegener Einwanderungszahlen.

              • alpe 31. Juli 2019, 15:08

                Das ist mir schon klar.

                Aber der Popanz der Umvolkung kann überhaupt nur dann in der Bevölkerung irgendwie verfangen, wenn nicht an seinem tiefsten Grunde zumindest die nüchterne, reale Tatsache einer gestiegenen Immigration stünde.

                Wenn in einer hypothetischen Parallelwelt zur unsrigen seit hunderten von Jahren niemals auch nur ein einziger fremder Mensch (wie auch immer du „fremd“ dann definieren möchtest) seinen Fuß auf deutschen Staatsboden gesetzt hätte und ganz Deutschland zu 100, nein 120% % aus Biodeutschen bestünde, dann könnte selbst mit tausenden von Höckes in ihren Reihen die AfD kein einziges Prozent Stimmen gewinnen.

                Also: Selbst die absurdesten demagogischen Übertreibungen der Rechten basieren in ihrem Grunde immer auf realen Begebenheiten.

                Nur das wollte ich sagen.

                Aber ich glaube, unser Ast der Diskussion läuft gerade ganz deutlich Gefahr zu theoretisch zu werden.

              • R.A. 20. August 2019, 10:14

                „„Umvolkung“, so wie der Terminus gebraucht und verstanden wird, meint einen aktiven, zielgetriebenen Eingriff der Politik, der willentlich dazu dient die gegenwärtige Bevölkerung gegen eine andere auszutauschen.“
                Es ist jetzt aber nicht so, daß diese These so fernab der Realität wäre.
                Wir haben seit vielen Jahren Einwanderung, mit stark steigender Tendenz. Die Einwanderer haben deutlich höhere Kinderzahlen als die „Biodeutschen“. Und wir haben umgekehrt eine beständige Auswanderung von „Biodeutschen“.
                Als Ergebnis dieser Trends steigt der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland stetig an – es gibt auch diverse seriöse Berechnungen, daß die in absehbarer Zeit in der Mehrheit sein werden.

                Man kann das jetzt gut oder schlecht finden, aber der mit „Umvolkung“ beschriebene Bevölkerungswandel findet real statt.

                • Ralf 20. August 2019, 10:21

                  Si tacuisses, philosophus mansisses.

                  • R.A. 20. August 2019, 10:28

                    „Si tacuisses …“
                    Das klingt nach völligem Fehlen von Argumenten.

                    • Ralf 20. August 2019, 10:39

                      Sie können die Bedeutung googeln.

                • Stefan Sasse 20. August 2019, 13:47

                  Das ist kompletter Bullshit. Ein bisschen Migration ist keine Umvolkung. Ich finde es sehr befremdlich, wie du hier rechtsextremistische Narrative bedienst.

                  • R.A. 20. August 2019, 14:46

                    > Ein bisschen Migration ist keine Umvolkung.
                    Derzeit hat etwa ein Viertel der Bevölkerung Migrationshintergrund, Tendenz steigend. Noch zu unseren Lebzeiten wird das die Mehrheit sein – das ist nicht „ein bisschen“.

                    „Ich finde es sehr befremdlich, wie du hier rechtsextremistische Narrative bedienst.“
                    Ich habe erst einmal nur die Realität geschildert. Die ist nicht „rechtsextremistisch“, sondern einfach da.

                    Ein Narrativ entsteht erst, wenn man diese Veränderungen bewertet. Da muß man ansetzen, nicht einfach die Augen zu machen und glauben, durch Verleugnen von Tatsachen könne man Rechtsextremismus widerlegen.

                    • Stefan Sasse 20. August 2019, 16:01

                      In dem Moment, in dem du eine rechtsextrimistische Verschwörungstheorie legitimierst, bedienst du deren Narrative.

                    • R.A. 22. August 2019, 13:02

                      „In dem Moment, in dem du eine rechtsextrimistische Verschwörungstheorie legitimierst, bedienst du deren Narrative.“
                      In dem Moment, in dem Du die argumentative Widerlegung einer rechtsextremistischen Verschwörungstheorie verweigerst, hilfst Du ihr.

                      Die Verschwörungstheorie besteht doch aus drei Teilen:
                      1.) Die Zusammensetzung der deutschen Bevölkerung ändert sich („Austausch“).
                      2.) Dadurch verschwindet Deutschland in ein/zwei Generationen.
                      3.) Das wird von Merkel und Co. geplant betrieben, weil sie Deutschland hassen.

                      Im Prinzip versuchst Du diese Theorie zu bekämpfen, indem Du 1.) schlicht abstreitest. Und genau das ist nun der Punkt, der nicht zu bestreiten ist – die Zahlen sind da und kommen auch regelmäßig in seriösen Medien.

                      3.) kann man nicht wirklich diskutieren, weil man nicht in den Hinterkopf von Merkel etc. schauen kann und sie selber ja grundsätzlich nicht in der Lage ist, ihre Motive glaubwürdig darzustellen und ihre Politik zu begründen.
                      Ich persönlich habe ja eher den Eindruck, daß sie ohnehin nicht zu geplanter Politik neigt und es ist auch ziemlich egal ist, wer in der Bevölkerung rumläuft – solange sie im Kanzleramt bleiben darf, würde sie auch geclonte Wookies als Untertanen akzeptieren.
                      Aber es gibt natürlich genug Spinner die sich wie Bolle freuen daß die doofen Deutschen durch Zuwanderung aufgewertet werden und alles endlich bunt und lebenswert wird. Das kann man dann auch als Motiv des Regierungshandelns unterstellen – weil eben kein echter Nachweis möglich ist.

                      Bleibt also die einzige seriöse Argumentation, und die geht gegen 2.)
                      Deutschland hatte auch in der Vergangenheit Einwanderung und blieb trotzdem Deutschland. Nur über diese Schiene kann man gegen die Verschwörungstheorie vorgehen, alles andere wird Rohrkrepierer und hilft den Rechtsextremen.

                    • Stefan Sasse 22. August 2019, 14:01

                      Ich streite 1) überhaupt nicht ab, der Austausch spricht davon eine mehrheitlich oder gar ausschließlich muslimische Bevölkerung zu haben, und das ist kompletter Bullshit. Wir können gerne diskutieren ob wir die Veränderung der Zusammensetzung der Bevölkerung gut finden oder nicht, aber „Umvolkung“ und „Bevölkerungsaustausch“ sind rechtsextremistische Verschwörungstheorien.

                    • Ralf 22. August 2019, 14:52

                      Ganz nebenbei: Auch die tatsächlichen Zahlen an Einwanderern, die hier in der Diskussion immer wieder fallen, sind absurd überschätzt. Da werden Definitionen von “Migrationshintergrund” verwendet, die absichtlich das Phänomen groß reden sollen.

                      Z.B. sind nach gängigen “Definitionen” oft auch solche Individuen “Migranten”, die selber nie migriert sind, sondern bei denen lediglich die Eltern einen nicht-deutschen Pass haben. Selbst dann, wenn die Eltern bereits in Deutschland geboren wurden. Nehmen die Eltern dann die deutsche Staatsbürgerschaft an, sind ihre vor dem Akt geborenen Kinder Migranten, während die nach dem Akt geborenen Kinder keinen Migrationshintergrund haben. Bescheuerter geht es eigentlich kaum.

                      Tatsächlich ist selbstverständlich nur der Migrant, der mal von woanders gekommen ist und vor allem, der außerhalb der deutschen Kultur sozialisiert wurde. Das bedeutet viele Aussiedler kann man schon mal von der Liste streichen. Zumindest die, die kulturell als Deutsche aufgewachsen sind. Anschließend kann man alle von der Liste streichen, die vor ihrem, sagen wir 12. Geburtstag, nach Deutschland gekommen sind und alle die, die in Deutschland geboren sind sowieso. Denn die sind alle in Deutschland sozialisiert worden.

                      Die tatsächliche Migration, die dann noch übrig bleibt, ist weit weniger dramatisch als immer behauptet …

                    • R.A. 22. August 2019, 18:03

                      „Da werden Definitionen von “Migrationshintergrund” verwendet, die absichtlich das Phänomen groß reden sollen.“
                      Jein. Ich stimmt völlig zu, daß diese Definition das Phänomen eher überzeichnet. Aber m. W. ist der Begriff von den Sozial-Lobbies geprägt worden um auszudrücken, daß Migranten auch in der zweiten oder dritten Generation noch Betreuungsbedarf haben. Ist also definitiv nicht rechtsrextrem.

                      „Anschließend kann man alle von der Liste streichen, die vor ihrem, sagen wir 12. Geburtstag, nach Deutschland gekommen sind und alle die, die in Deutschland geboren sind sowieso. Denn die sind alle in Deutschland sozialisiert worden.“
                      So einfach ist es halt auch wieder nicht. Weil die Integration halt bei einigen Gruppen nicht wirklich funktioniert. In manchen Vierteln gibt es selbst in der zweiten oder dritten Generation noch erschreckende Mängel bei den Deutschkenntnissen, die Sozialisierung in einem arabischen Clan macht einen nicht zum Deutschen, egal wo der Geburtsort war.

                      „Die tatsächliche Migration, die dann noch übrig bleibt, ist weit weniger dramatisch als immer behauptet …“
                      Richtig. Aber umgekehrt kann ein extrem schlecht integrierter Einwanderer deutlich mehr Probleme machen, als zehn gut integrierte an Positivem beitragen können.

                      Die nackten Zahlen zeigen eigentlich nur, daß es nicht um marginale Grüppchen geht, sondern daß die Gesellschaft vor einer großen Herausforderung steht.
                      Um das dann genauer zu beurteilen helfen die Brutto-Zahlen dann fast nichts mehr, dann muß man in die Details der Integrationsprozesse schauen. Da wird dann die Diskussion kompliziert – aber sie ist wichtig.

                  • R.A. 22. August 2019, 17:46

                    „der Austausch spricht davon eine mehrheitlich oder gar ausschließlich muslimische Bevölkerung zu haben“
                    Von „haben“ spricht m. w. niemand, das wäre ja auch offenkundiger Unfug.
                    Es geht um „haben werden“, was nicht zu erwarten ist, aber auch nicht auszuschließen ist – wir reden hier ja über Prognosen.

                    Vor 2015 hätte sich ja auch keiner vorstellen können, daß sich die Einwanderungssituation so disruptiv ändert. Und nachdem das passiert ist, kann man der Regierung natürlich auch weitere Überraschungsmanöver zutrauen. Die Diskussion muß man über 2.) führen, die Migration selber kleinzureden überzeugt nicht.

                    • Stefan Sasse 23. August 2019, 20:07

                      Aber das war doch ein Einmal-Ereignis! Die Einwanderungszahlen sind doch längst wieder unten!

                    • R.A. 24. August 2019, 10:19

                      „Aber das war doch ein Einmal-Ereignis!“
                      Sagt wer? Kann sich jederzeit wiederholen, wenn jemand Leute zu uns durchläßt. Die unbegrenzte deutsche Aufnahmebereitschaft ist noch dieselbe wie 2015.

                      „Die Einwanderungszahlen sind doch längst wieder unten!“
                      Bei einigen hunderttausend pro Jahr – bedeutet immer noch eine andauernde Veränderung der Bevölkerungsstruktur.

                    • Stefan Sasse 24. August 2019, 13:42

                      Hör auf die Torpfosten zu verschieben. Du hast behauptet, es sei ein Dauerzustand. Und das ist schlichtweg kompletter Unsinn. Deine Fieberfantasien rechtfertigen wohl kaum drastische policy-Maßnahmen.

            • Erwin Gabriel 31. Juli 2019, 16:43

              @ alpe 31. Juli 2019, 10:27

              Erst einmal danke für einen wirklich durchdachten, sachlichen Kommentar!

              Wo wir uns nicht einig sind ist, ob es dabei zwischen der rechten und der linken einen qualitativen Unterschied bei der Themenfindung bzw. -setzung gibt.

              Du sagst, der Unterschied zwischen beiden sei der, dass die Rechte Themen geradezu ohne jegliche reale Grundlage erfindet, wohingegen die Linke auf ein tatsächlich existierendes Thema, wie klein auch immer es sei, zurückgreift.

              Da widerspreche ich dir.

              Da schließe ich mich an.

  • Stefan Sasse 29. Juli 2019, 10:38

    Ich stimme zu, dass Krisen Handlungsspielräume eröffnen. Ich stimme auch zu, dass künstlich herbeigeführte Krisen eine Masche der Rechten sind, die die Linke (bislang) nicht kopiert hat. Ich sehe das aber ambivalenter. Die künstlich herbeigeführten Krisen erlauben der Rechten zwar Handlungsspielräume, aber sie überzeugen deshalb nicht zwingend die Bevölkerung. Einige der Punkte, die du genannt hast – etwa der New Deal – haben jahrzehnte bestehende neue Konsense hervorgebracht. Die künstlichen Krisen polarisieren bislang vor allem und schaffen ungeuere Wut auf beiden Seiten.

    Das ist das eine. Der andere Punkt, den ich noch anbringen möchte, ist folgender: Ich glaube, die Linke ist (derzeit) einfach auch sehr schlecht darin, bestehende Handlungsspielräume zu nutzen. Es ist ja nicht so, als ob die SPD mit dem Finanzministerium und ihrer generellen Verhandlungsmacht nicht hätte auf bestimmte Änderungen dringen können. Sie tut es nur nicht.

    • Stefan Pietsch 29. Juli 2019, 12:21

      Linke führen keine Krisen herbei? Das halte ich für ein Gerücht. Wie sieht es mit der angeblichen Altersarmut aus? Weit und breit nichts zu sehen, aber es empfiehlt sich, ein paar Frauen in ein Fernsehstudio zu zerren, die in ihrem ganzen Leben nichts anderes getan haben als zu putzen, oft sogar halbtags und sich darüber wundern, dass keine Durchschnittsrente dabei herumkommt.

      Linke konzipieren Krisen im Sozialen und Humanitären, wo es oft keine echten Krisen gibt.

      • Ralf 29. Juli 2019, 13:27

        Altersarmut ist durchaus real und nicht nur für Putzfrauen (, obwohl es selbst bei denen nicht fair ist, denn auch die haben ja ihr Leben lang gearbeitet). Aber mittlerweile gibt es unheimlich viele gebrochene Biographien. Wer z.B. hat heute noch 40 Jahre durchgehend Arbeit bei ein und demselben Unternehmen? Stattdessen arbeitet man hier zwei Jahre, dort fünf Jahre und dazwischen liegen immer mal wieder längere Arbeitslosenzeiten. Der Preis der Instabilität der Arbeitsverhältnisse eben. Dazu kommt der riesige Niedriglohnsektor, der ebenfalls für minimale Rentenbeitragszahlungen sorgt. Plus die Rationalisierungsexzesse in den Neunzigern, die Millionen ältere Arbeitslose auf den Jobmarkt spülten. Fünfzigjährige, die im damaligen Umfeld keinerlei Chance mehr auf einen Arbeitsplatz hatten, die heute 75 Jahre alt sind und denen die Beitragsjahre zu einer lebenswerten Rente fehlen.

        • R.A. 29. Juli 2019, 14:22

          > Altersarmut ist durchaus real …
          Das kommt jetzt auf die Armutsdefinition an. Wer da in relativen Definitionen denkt, der wird selbstverständlich immer „Armut“ vorfinden.

          Ansonsten ist es derzeit sehr deutlich so, daß die als arm definierten Bevölkerungsgruppen im wesentlichen im erwerbsfähigen Alter ist. Bei den Leuten oberhalb der Rentengrenze ist die Bezugsquote für staatliche Unterstützung um Größenordnungen geringer.

          Wenn man also meint gegen „Armut“ vorgehen zu müssen, der muß sich Jüngere kümmern. „Altersarmut“ als spzielles Problem gibt es nicht.

          „Wer z.B. hat heute noch 40 Jahre durchgehend Arbeit bei ein und demselben Unternehmen?“
          Für die Alterseinkünfte ist es völlig nebensächlich, bei wievielen Unternehmen man gearbeitet hat. Und längere Zeiten von Arbeitslosigkeit sind die Ausnahme – die meisten wechseln ihren Job nur dann, wenn sie eine neue, bessere Stelle gefunden haben.

          „Dazu kommt der riesige Niedriglohnsektor, der ebenfalls für minimale Rentenbeitragszahlungen sorgt.“
          10-12% des Gesamtarbeitsmarkts sind nicht „riesig“. Und bedeuten insbesondere nicht, daß Altersarmut droht.
          Im Gegenteil sind die meisten Beschäftigten in diesem Sektor Frauen, die über ihren Ehemann eine ordentliche Alterssicherung haben.

        • Stefan Pietsch 29. Juli 2019, 15:12

          Keine Alterskohorte hat ein so niedriges Armutsrisiko wie über 55jährige. Das bezieht sich sowohl auf die anderen Gruppen der Gesellschaft, als auch im internationalen Vergleich. Mit der gleichen Begründung könnte man behaupten, Akademiker hätten ein ernsthaftes Risiko, erwerbslos zu werden, da (ebenso wie bei der Altersarmut) 3% davon betroffen sind.

          • Ralf 29. Juli 2019, 19:00

            Keine Alterskohorte hat ein so niedriges Armutsrisiko wie über 55jährige.

            Hier ein Beitrag des Ersten Deutschen Fernsehens:

            https://www.daserste.de/unterhaltung/film/themenabend-armut-und-verschuldung/altersarmut-ursache-tipps-100.html

            Zitat: Viele Rentner leben in Deutschland an der Armutsgrenze, das zeigen aktuelle Zahlen […] Laut Statistischem Bundesamt waren im vergangenen Jahr 14,4 Prozent der über 65-Jährigen arm. Bei den Rentnern sind es sogar 15,6 Prozent. […] Ein weiteres Problem bei den armen Alten: Sie werden immer mehr. 2006 waren 10,3 Prozent der Rentner von Armut betroffen, heute sind es schon 15,6 Prozent. Das ist eine Steigerung von 51 Prozent. „Die Quote der altersarmen Rentnerinnen und Rentner hat so stark zugelegt wie in keiner anderen Bevölkerungsgruppe”, sagt Schneider. Die Gründe dafür sind komplex: Die große Arbeitslosigkeit nach der Wende und die Entwicklung der Renten in den letzten Jahren sind dabei sicher nur zwei Beispiele.

            Oder aus dem Focus, ein Magazin, das wahrlich nicht für linke Tendenzen bekannt ist:

            https://www.focus.de/finanzen/altersvorsorge/rente/altersarmut-viele-rentner-kommen-mit-ihrem-geld-kaum-klar_id_9992375.html

            Zitat: Bezieher niedriger Renten können Grundsicherung beantragen. Im Dezember 2017 bekamen in Deutschland 544.090 Rentner diese staatliche Hilfe, wie das Statistische Bundesamt ausweist. Die Leistung erhalten „hilfebedürftige Personen, die die Altersgrenze erreicht haben (und) auf Dauer ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Erwerbstätigkeit bestreiten können“, wie das Bundesarbeitsministerium definiert.

            Oder aus der Sueddeutschen Zeitung:

            https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/rentner-altersarmut-pensionaere-1.4338169

            Zitat: Rentner stärker von Altersarmut betroffen als gedacht […] So galten im Jahr 2017 besagte 16 Prozent aller Personen aus Rentner- und Pensionärshaushalten als armutsgefährdet. Aus den neu ausgewiesenen reinen Rentnerhaushalten dagegen waren es mit 19,5 Prozent deutlich mehr – fast jeder Fünfte.

            R.A. machte, glaube ich, noch das lustige Argument, es könne keine Rede von Altersarmut sein, denn den Jungen ginge es ja noch schlechter. Das ist natürlich ein sehr überzeugendes Argument und spricht ungemein für die neoliberale Umverteilungspolitik von unten nach oben der letzten zwei Jahrzehnte …

            • Stefan Pietsch 29. Juli 2019, 20:11

              Die Analyse findet sich doch schon in Ihren Zitaten. Okay, stehen nicht direkt da, aber völlig unwissend sind Sie ja nicht. Also: zu Beginn wird abgeschwenkt zur „Armutsgefährdungsquote“. Das ist aber bereits etwas anderes als die „Armutsquote“. Damit wird der Kreis größer gezogen. Das ist so, wie wenn die Grenzwerte für einen Schadstoff nach unten gezogen werden. Was einen Tag vorher noch zulässig war, gilt nun als unzulässig. Das ist eine statistische Methode, aber sie relativiert noch mehr eine ohnehin relative Zahl.

              Damit sind wir beim nächsten. Wo ist ihr Vergleich mit anderen gesellschaftlichen Gruppen? Nirgends. Sie vergleichen nicht, Sie nehmen eine relative Zahl und sagen „Boah!“. Würden Sie bei anderen Themen (Ich sage nur Ausländerkriminalität) auch nicht machen. Dann führen Sie einen Grund an, nämlich die gebrochenen Erwerbsbiographien im Osten. Jetzt sind wir aber schon bei einem regionalen Problem, nicht bei einem generellen. Würden wir statistisch wieder die Mauer hochziehen (die es ja für Rentner de facto noch gibt), so gäbe es plötzlich deutlich weniger arme Rentner in beiden Teilen Deutschlands. Es ist ja nicht gerade seriös, einen Rentner in Rostock, der 2/3 seines Erwerbslebens ein sicheres Einkommen in der DDR bezog und den Rest häufig arbeitslos, aber eben an der Küste war, mit einem Rentner in München zu vergleichen, der 40 Jahre bei Siemens gearbeitet hat. Bisher ist das Leben in Ostdeutschland immer noch viel, viel günstiger als in vielen westlichen Regionen. Beides ungefiltert miteinander in eine Zahl zu packen, sollte man nicht unkommentiert.

        • Erwin Gabriel 31. Juli 2019, 17:11

          @ Ralf 29. Juli 2019, 13:27

          Altersarmut ist durchaus real und nicht nur für Putzfrauen (obwohl es selbst bei denen nicht fair ist, denn auch die haben ja ihr Leben lang gearbeitet).

          Wenn eine Putzfrau „ihr Leben lang“ für einen Hungerlohn gearbeitet hat, sind ihre geleisteten Sozialbeiträge nachvollziehbar ebenfalls sehr gering. Da kann keine Rente bei rüberkommen, mit der sie glücklich, zufrieden und wohlversorgt in ihren Lebensabend segeln kann. Da greift dann aber auch der Staat bzw. die Gemeinschaft helfend ein.

          Stattdessen arbeitet man hier zwei Jahre, dort fünf Jahre und dazwischen liegen immer mal wieder längere Arbeitslosenzeiten.

          Du immer mit Deinen wenig zielführenden Verallgemeinerungen …

          Plus die Rationalisierungsexzesse in den Neunzigern, die Millionen ältere Arbeitslose auf den Jobmarkt spülten.

          … Exzesse …
          So manches unternehmen, dass diese Rationalisierungen nicht mitmachte, verschwand ganz vom Markt; da betrug die Arbeitslosenquote unter den betroffenen Mitarbeitern 100 %.

          Fünfzigjährige, die im damaligen Umfeld keinerlei Chance mehr auf einen Arbeitsplatz hatten, die heute 75 Jahre alt sind und denen die Beitragsjahre zu einer lebenswerten Rente fehlen.

          Die gibt es, die sind aber nicht der Standard. Und obwohl ich seit über 40 Jahren ununterbrochen einzahle (davon 30 Jahre den Höchstsatz), werde ich keine „lebenswerte“ Rente erhalten (soll heißen, ich werde mich einschränken müssen).

          Und, im Ernst gefragt, wie soll das auch anders gehen?

          • Ralf 31. Juli 2019, 17:55

            Wenn eine Putzfrau „ihr Leben lang“ für einen Hungerlohn gearbeitet hat, sind ihre geleisteten Sozialbeiträge nachvollziehbar ebenfalls sehr gering. Da kann keine Rente bei rüberkommen, mit der sie glücklich, zufrieden und wohlversorgt in ihren Lebensabend segeln kann.

            Woran sich dann die Frage anschließt, wie es sein kann, dass in einem der reichsten Länder der Erde, jemand sein Leben lang für einen Hungerlohn arbeiten muss, obwohl dieser jemand einen sinnvollen Job verrichtet, der in der Gesellschaft dringend gebraucht wird.

            Im übrigen gibt es Grundrentenmodelle, bei denen sich die Putzfrau nach 40 Berufsjahren durchaus nicht in der Armutsfalle wiederfinden würde.

            Du immer mit Deinen wenig zielführenden Verallgemeinerungen

            Ich behaupte ja nicht, dass 100% der Menschen betroffen sind. Aber es ist nicht so, als ob Befristungswahn und Leiharbeitsexzesse keine deutlichen Spuren in den Erwerbsbiographien der Menschen hinterlassen würden.

            So manches unternehmen, dass diese Rationalisierungen nicht mitmachte, verschwand ganz vom Markt

            Das macht giergetriebene Rationalisierungen nicht zu einem positiven Instrument.

            Und obwohl ich seit über 40 Jahren ununterbrochen einzahle (davon 30 Jahre den Höchstsatz), werde ich keine „lebenswerte“ Rente erhalten (soll heißen, ich werde mich einschränken müssen).

            Na, da hast Du Dir aber eine schöne Definition von „lebenswert“ ausgedacht …

            • Stefan Sasse 1. August 2019, 09:14

              Es redet sich auch immer leicht vom einschränken, wenn man selbst nicht betroffen ist.

            • Erwin Gabriel 4. August 2019, 15:52

              @ Ralf 31. Juli 2019, 17:55

              Woran sich dann die Frage anschließt, wie es sein kann, dass in einem der reichsten Länder der Erde, jemand sein Leben lang für einen Hungerlohn arbeiten muss, obwohl dieser jemand einen sinnvollen Job verrichtet, der in der Gesellschaft dringend gebraucht wird.

              Wenn Du einen Dienstleister bestellst oder ein Produkt kaufst, informierst Du Dich vorher über Preise, und kaufst vielleicht nicht jedes Mal das teuerste Produkt? Oder fragst Du den Dienstleister / Verkäufer, was er als „fair“ erachten würde, und bezahlst anstandslos die geforderte Summe?

              <i<Ich behaupte ja nicht, dass 100% der Menschen betroffen sind.

              Das unterstelle ich auch gar nicht. Aber Du tust so, als beziehen sich Deine Vorstellungen auf das gros der Menschen. Das ist nicht so.

              [So manches Unternehmen, dass diese Rationalisierungen nicht mitmachte, verschwand ganz vom Markt.]
              Das macht giergetriebene Rationalisierungen nicht zu einem positiven Instrument.

              In der Tat. Aber es ist eben auch nicht so, dass jede Rationalisierung „giergetrieben“ ist. Und was Du heute als giergetrieben erachtest, wird morgen schon überlebensnotwendig sein.

              Ein Zulieferer von VW aus dem Norden bekam aus Wolfsburg neue Preise diktiert. Als er sagte, dass er die nicht realisieren kann, schickte Wolfsburg ihm Unternehmensberater, die ihm erklärten, wie es geht. Er musste modernisieren, restrukturieren und Leute entlassen. Ein paar Jahre später das gleiche Spiel, die gleiche Ansage. Wieder kamen Unternehmensberater, stellten diesmal aber fest, dass für weitere Preissenkungen kein Spielraum war. Man legte ihm nahe, die Produktion ist osteuropäische Ausland zu verlegen, da die Lohnkosten dort günstiger seien. Er zog um, und alle deutschen Mitarbeiter verloren ihren Job. Wäre er nicht umgezogen, hätten sie ebenfalls ihren Job verloren. Scheißspiel. Aber niemand will 50.000 Euro für einen Standard-Golf zahlen.

              Na, da hast Du Dir aber eine schöne Definition von „lebenswert“ ausgedacht

              … ausgedacht …

              Unter einer „lebenswerten“ Rente verstehe ich, dass ich vom gewohnten Lebensstandard nicht allzu viele Abstriche machen muss. Das halte ich für eine faire Ausgangsbasis – und ich nehme an, dass das jeder von seinem Lebensabend erwartet.

              Es wäre übrigends ein leichtes gewesen, mir meinen Lebensstandard auch über die Rente zu sichern, wenn ich nicht an die gesetzliche, „solidarische“ Rente gebunden gewesen wäre, sondern nur für mich selbst hätte sorgen müssen.

              • Ralf 4. August 2019, 16:17

                Wenn Du einen Dienstleister bestellst oder ein Produkt kaufst, informierst Du Dich vorher über Preise, und kaufst vielleicht nicht jedes Mal das teuerste Produkt?

                Wenn der reale Marktpreis den Wert der erbrachten Leistung nicht abdeckt, dann steht zu überlegen, ob der Staat nicht einschreiten muss und die Anpassung des Marktpreises erzwingen muss.

                Jetzt kann man natürlich streiten, wo da die Grenzen liegen. Aber wenn jemand in Vollzeit arbeitet und dann nur einen Hungerlohn bekommt, mit dem er kaum leben kann und mit dem er nicht anständig für das Alter vorsorgen kann, dann ist aus meiner Sicht eine solche Grenze überschritten.

                Aber Du tust so, als beziehen sich Deine Vorstellungen auf das gros der Menschen.

                Es bezieht sich auf viele Menschen. Reicht das nicht?

                Aber es ist eben auch nicht so, dass jede Rationalisierung „giergetrieben“ ist. […]

                Ein Zulieferer von VW aus dem Norden bekam aus Wolfsburg neue Preise diktiert […]

                Dein Beispiel ist eigentlich ein hervorragendes Beispiel dafür, wie jemand seine Marktmacht zum Schaden unserer Gesellschaft missbraucht. Und zwar nicht der Zulieferer, sondern in Deinem Beispiel VW. Volkswagen will in Deutschland Autos verkaufen. Also muss der Konzern in meinen Augen auch unter Standards produzieren, die hier üblich sind. Wenn das dazu führt, dass ein Standard-Wagen dann 50.000 Euro kostet, dann ist das eben so. Die Arbeiter verdienen dann ja auch ordentlich Geld und können sich ein teureres Auto leisten.

                Was hingegen in hohem Grad schändlich ist, ist die anständigen deutschen Gehälter zu umgehen und zu dem Zweck mit der Produktion ins Ausland auszuweichen. Dann aber die Autos nicht im Ausland verkaufen zu wollen, sondern nach Deutschland zurückexportierten zu wollen. Wo immer wir können, sollten wir dem einen Riegel vorschieben. Wer billig in China produzieren will, soll meinetwegen gehen. Aber dann soll er seine Ware eben auch in China verkaufen. Und wir sollten unsere Zollmauern so hoch ziehen, dass wir die eingesparten Arbeitskosten voll auf den Preis draufschlagen, so dass diese Produkte eben keinen Vorsprung mehr auf dem deutschen Markt haben.

                Unter einer „lebenswerten“ Rente verstehe ich, dass ich vom gewohnten Lebensstandard nicht allzu viele Abstriche machen muss.

                Wenn Du als Arbeitnehmer sehr solide verdient hast und durchgehend in Lohn und Brot standst und wenn Du bis zur Rente Dein Eigenheim abbezahlt hast und Deine Kinder alle erwachsen sind, so dass Du keine Ausbildungskosten mehr zu tragen hast, dann gibt es überhaupt keinen Grund zu sagen, dass Du keine ausreichend lebenswerte Rente hättest.

                • Erwin Gabriel 5. August 2019, 16:36

                  @ Ralf 4. August 2019, 16:17

                  Es bezieht sich auf viele Menschen. Reicht das nicht?

                  Dein Beispiel mit wechselnden Jobs bei gleichzeitig dazwischen geschobener, jahrelanger Arbeitslosigkeit ist für das deutliche Gros der Leute unrealistisch. Du pickst Dir immer wieder Beispiele heraus, die Du als Anlass nimmst, das System verändern zu wollen. Und stets tust Du so, als wäre der Rest des Systems von den Änderungen nicht betroffen. Meiner Erfahrung nach funktioniert das nicht.

                  Dein Beispiel ist eigentlich ein hervorragendes Beispiel dafür, wie jemand seine Marktmacht zum Schaden unserer Gesellschaft missbraucht …

                  Spielen wir das mal durch: VW bezahlt alle Zulieferer zu den Kosten, die diese für eine Produktion in Deutschland benötigen. Der Preis eines durchschnittlichen VW Polo steigt auf 35.000 Euro, der des Golf auf 50.000 Euro, der des Passat auf 60.000 Euro etc.

                  Deiner Theorie nach bezahlen (fast) alle anstandslos die höheren Preise, weil sie ja gut verdienen. Meiner Theorie nach brechen die Verkäufe von VW drastisch ein, und die Leute kaufen sich Autos von Citroen, Dacia, Fiat, Honda, Hyundai, Kia, Mazda, Peugeot, Suzuki oder Toyota, denn die haben ihre Preise nicht erhöht. VW muss in der Folge viele Mitarbeiter entlassen.

                  Wie willst Du verhindern, dass mein Szenario wahr wird? Mit Planwirtschaft bis in den vorgeschriebenen Konsum hinein?

                  Was hingegen in hohem Grad schändlich ist, ist die anständigen deutschen Gehälter zu umgehen und zu dem Zweck mit der Produktion ins Ausland auszuweichen.

                  Oh, die Wagen werden weiterhin hier entworfen und zusammengebaut. Nur ein paar Teile mehr kommen nun aus anderen Ländern.

                  Und wir sollten unsere Zollmauern so hoch ziehen, dass wir die eingesparten Arbeitskosten voll auf den Preis draufschlagen, so dass diese Produkte eben keinen Vorsprung mehr auf dem deutschen Markt haben.

                  Verstehe – Du bist Trump-Fan. Denn der amerikanische Präsident probiert das gerade aus – auch gegen uns. Mal sehen, was dabei herauskommt.

                  Wenn Du als Arbeitnehmer sehr solide verdient hast und durchgehend in Lohn und Brot standst und wenn Du bis zur Rente Dein Eigenheim abbezahlt hast und Deine Kinder alle erwachsen sind, so dass Du keine Ausbildungskosten mehr zu tragen hast, dann gibt es überhaupt keinen Grund zu sagen, dass Du keine ausreichend lebenswerte Rente hättest.

                  Ich vergesse immer wieder, zu welcher Selbstgefälligkeit und zu welchem Sendungsbewußtsein Leute neigen, die ‚links‘ sind: Wenn ich also alles so gemacht habe, wie Du es gemacht hättest, kann ich einen Lebensabend verbringen, den Du für lebenswert hältst? Ja, nee, is‘ klar.

                  Du lebst offenbar nicht in einem Eigenheim, nicht wahr? Sonst wüsstest Du beispielsweise, dass Versicherungen und Steuern auch abbezahlte Eigenheime belasten, und zwar nicht zu knapp – um nur mal einen Punkt zu benennen. Aber solange Du weißt, was ich mir alles leisten kann, brauche ich wohl keine Sorge zu haben.

                  Mir ist klar, dass es vielen Leuten schlechter gehen wird als mir. Das kann aber nicht mein Maßstab sein. Den begründe ich relativ, also in meinem bisherigen Leben, und in meinen erbrachten Leistungen, Einzahlungen in die gesetzliche Rentenkasse etc. Und da schneide ich schlecht ab.

                  PS: Es wird auch genug Leute geben, denen es besser gehen wird als mir – etwa dort, wo statt der Rente Pensionen (die nicht durch entsprechende Beitragszahlungen hinterlegt wurden) ausbezahlt werden. Auch das ist nicht mein Maßstab.

      • Stefan Sasse 29. Juli 2019, 13:58

        Vor drei Posts hast du Ralf noch angeprangert, dass die Definition, die du hier verwendest, keine Krise ist, weil es kein Punkt ist, sondern eine lange Entwicklung. Entscheide dich mal bitte.

        • Stefan Pietsch 29. Juli 2019, 15:13

          Wo habe ich von Krisen geredet? Stefan, bitte etwas präziser! Deine Kürze ist manchmal ohne Würze.

      • popper 29. Juli 2019, 14:24

        Wie sieht es mit der angeblichen Altersarmut aus? Weit und breit nichts zu sehen, aber es empfiehlt sich, ein paar Frauen in ein Fernsehstudio zu zerren, die in ihrem ganzen Leben nichts anderes getan haben als zu putzen, oft sogar halbtags und sich darüber wundern, dass keine Durchschnittsrente dabei herumkommt.

        Für den Porsche-Fahrer, Cohiba-Raucher und notorischen Weggucker, trieft der Zynismus mal wieder aus allen Poren. Und das angesichts der Tatsache, dass 51% der Rentner unter 900.- € Rente beziehen, Hartz IV-Bezieher und prekär Beschäftigte am Hungertuch nagen und Alleinerziehende Mütter nicht mehr wissen, wie sie ihren Nachwuchs am Leben erhalten. Sogar die Tagesschau ist da weiter als Herr Pietsch (s. https://www.tagesschau.de/inland/rente-283.html), die auf eine Auskunft der Bundesregierung hinweist. Dabei darf natürlich nicht der Hinweis fehlen: die Rente allein sage nichts über die Vermögensverhältnisse der Betroffenen, da seien ja im Hintergrund oft gut situierte Lebenspartner und angesparte Reichtümer. Was den Eindruck erwecken sollen, die zunehmende Verarmung in Deutschland durch die Zerstörung des Sozialstaates und im Zuge dessen immer mehr zu erwartenden Hungerrenten seien kein Problem. Denk ich an Deutschland in der Nacht….

        • R.A. 29. Juli 2019, 14:39

          „Und das angesichts der Tatsache, dass 51% der Rentner unter 900.- € Rente beziehen …“
          Das sagt in der Tat überhaupt nichts, ist eigentlich ein völlig sinnloses statistisches Artefakt.
          Aussagekräftig wäre nur eine Statistik, welches Gesamteinkommen (incl. Vermögensnutzung) ein Rentnerhaushalt jeweils zur Verfügung hat.
          Nur mal als Tip: Über die Hälfte der deutschen Rentner wohnt in den eigenen vier Wänden (die häufigste Form von Vermögensnutzung).

          „Hartz IV-Bezieher und prekär Beschäftigte am Hungertuch nagen und Alleinerziehende Mütter nicht mehr wissen, wie sie ihren Nachwuchs am Leben erhalten.“
          Das ist ziemlich an der Realität vorbei. Die staatlichen Hilfen sind mehr als ausreichend um sich gut und gesund zu ernähren.

          „die Rente allein sage nichts über die Vermögensverhältnisse der Betroffenen, da seien ja im Hintergrund oft gut situierte Lebenspartner und angesparte Reichtümer.“
          Eben. So ist das. Der größte Teil der niedrigen staatlichen Renten geht an Ehefrauen, die wg. Familie nur eilzeit oder im Minijob gearbeitet haben und deren Alterversorgung nie über ihren eigenen Rentenanspruch geplant war.

          „die Zerstörung des Sozialstaates“
          Auch so völlig jenseits der Realität. Im Gegenteil wächst der Sozialstaat beständig und es wird immer mehr Geld darüber verteilt. „Zerstörung“ sähe anders aus.

        • Stefan Pietsch 29. Juli 2019, 15:16

          Im Schnitt wird mehr als eine Rente für einen Rentner bezahlt, das Verhältnis ist ungefähr 21 zu 17 Millionen. Dazu leben mehr alte Menschen in Mehr-Personen-Haushalten als der Durchschnitt. Das spart Lebenshaltungskosten und erhöht das verfügbare Einkommen. Womit wir wieder bei der Tatsache sind, dass allein leben eine ziemlich dumme Sache ist. 🙂

          • popper 29. Juli 2019, 19:22

            …das Verhältnis ist ungefähr 21 zu 17 Millionen…

            Von was reden Sie hier?

            • Stefan Pietsch 29. Juli 2019, 20:37

              Es werden 25,7 Millionen Renten an 21 Millionen Rentner gezahlt. Rechnerisch bekommt also ein Rentner fast ein Viertel mehr Rente. Das bildet sich aber in Ihren Zahlen nicht ab.
              https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Experten/Zahlen-und-Fakten/Statistiken-und-Berichte/statistiken-und-berichte_node.html

              • popper 30. Juli 2019, 13:53

                Ein Viertel höher von was? Wie hoch ist denn die Rente des einzelnen Renters als Referenzpunkt. Sie fischen, wie die Bundesregierung im Trüben und hantieren mit Vermutungen über die Höhe von tatsächlichen Einkommen, die unvollständig statistisch erfasst sind, um sich um die Einsicht herum zu winden, dass die gesetzliche Rente in Deutschland Armut en masse erzeugt. Und dann immer diesen irreführende Bezug auf die Menge der beantragten Grundsicherung. Diese sagt nämlich gar nichts über die tatsächliche Rentnerarmut und die Armutsrenten der kommenden Jahre aus.

                • Stefan Pietsch 30. Juli 2019, 21:10

                  Das steht doch geschrieben. Die Summe der gesamten Renten muss durch die Zahl der Rentner geteilt werden, um einen korrekten Durchschnittswert zu erhalten. Die Summe der Renten durch die Anzahl der Renten zu teilen, ist irreführend.

                  Da Sie die Neigung haben, sich immer etwas dumm zu stellen, wenn eine Erkenntnis Ihnen unangenehm ist: Sie haben vor einigen Tagen von mir Beweis verlangt, dass Karlsruhe das Ankaufprogramm der EZB kritisch sieht und an dem Urteil des EuGH Zweifel hat. Diesen Beweis lieferte die heutige Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht, wo die Richter in der Anhörung den Klägern gute Argumente zuerkannten.
                  https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts-32517.html

                  • popper 31. Juli 2019, 10:28

                    Was bringt eine Division der Rentensumme durch die Summe der Rentner an Erkenntnis, dass der ein mit einer Rente von 2000€ und ein anderer mit 900€ beide im Schnitt 1450€ Rente bezieht. Toll, nur kann sich der mit den 900€ für die gemittelten 550€ nichts kaufen kann. Wenn die Bundesregierung mitteilt, dass ca. 9 Mio. Rentner eine Rente unter 900€ beziehen, dann weiß jeder, dass das verdammt wenig zum Leben ist. Da bedarf es ihrer irreführenden Relativierungen nicht.

                    Das BVerfG hat noch nicht entschieden. An dem EuGH wird das Gericht nichts ändern. Im Übrigen halte ich das Urteil des EuGH einerseits für einen Sieg der Vernunft, andererseits eine Bankrotterklärung für den Verstand, da es der Aufrechterhaltung eines insgesamt dysfunktionalen und demokratietheoretisch äußerst fragwürdigen Währungssystems dient. Noch im ESM Urteil wurde vom BVerfG klargestellt, dass der Haushaltsgesetzgeber über Einnahmen und Ausgaben frei von Fremdbestimmung seitens der Organe und anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union entscheidet und dauerhaft „Herr seiner Entschlüsse“ bleibt. In Griechenland haben wir gesehen, dass die EZB dem zum ersten Mal nicht Rechnung trug, obwohl sie nicht das Recht hat, die Bedienungen zu bestimmen, nach denen sie den Finanzierungsbedarf der Staaten decken will. Mit dem letzten EuGH Urteil wurde das der EZB aber genau zugestanden. Der Vertrag von Maastricht war nach Auffassung des BVerfG verfassungswidrig da der Bundestag sein „Budgetrecht nicht mehr in eigener Verantwortung ausüben kann“.

                    Das vom EuGH vorrangige Ziel der EZB soll die Preisstabilität sein und es untersagt ihr „Mitgliedstaaten Kreditfazilitäten zu gewähren“. Die Krux aus meiner Sicht ist, sowohl das Urteil des BVerfG als auch das des EuGH beruht auf der Prämisse, eine Zentralbank verfüge über Instrumente, um die Inflation zu steuern. Diese wiederum beruht auf der sogenannten Quantitätstheorie des Geldes, für die nichts, aber auch gar nichts spricht. Da Inflation nicht auf Geldmengen beruht, sondern von der Entwicklung der Lohnstückkosten abhängt, wurde der EZB ein Mandat erteilt, dem sie unmöglich nachkommen kann. Insoweit kritisiere ich beide Urteile als unsinnig. Denn nach einem Mandat, das man nicht wahrnehmen kann, kann man auch nicht handeln. Insoweit geht ihr Hinweis ins Leere, weil Sie den Zusammenhang nicht erkennen wollen und Diskussionen darüber ablehnen.

                    • Erwin Gabriel 31. Juli 2019, 17:14

                      @ Popper

                      Selbst wenn das jetzt ein wenig vom Thema wegführt…

                      Im Übrigen halte ich das Urteil des EuGH einerseits für einen Sieg der Vernunft, andererseits eine Bankrotterklärung für den Verstand …

                      Das ist mal eine Definition, der ich mich anschließen kann. 🙂

          • popper 29. Juli 2019, 19:31

            Das, Herr Pietsch ändert nichts daran, dass 19,5 Prozent aller Renterhaushalte armutsgefährdet sind, um eine andere Zahl zu nennen.

            • Stefan Pietsch 29. Juli 2019, 20:43

              Nur 0,9% aller Pensionäre sind von Armut betroffen. Vielleicht bietet sich da eine Umverteilung an?

              • popper 30. Juli 2019, 00:34

                Wie schon gesagt, unappetitlicher Zynismus eines ethischen Wirrkopfs. Der mit den den Nöten seiner Mitmenschen Witze reißt.

    • Ralf 29. Juli 2019, 13:08

      Einige der Punkte, die du genannt hast – etwa der New Deal – haben jahrzehnte bestehende neue Konsense hervorgebracht. Die künstlichen Krisen polarisieren bislang vor allem und schaffen ungeuere Wut auf beiden Seiten.

      Naja, die künstlichen Krisen der Rechten haben teilweise schon sehr langfristige Konsequenzen. In den USA wird, alleine wegen des gegenwärtigen Supreme Courts schon, für eine komplette Generation keine progressive Politik mehr möglich sein. Gesellschaftlicher Konsens hin oder her. Und auch der Brexit wird, wenn es dazu kommt, irreversibel sein. Kaum vorstellbar, dass irgendwer in der EU noch Lust auf eine zweite Integration der Briten haben wird. Abgesehen davon, dass das Vereinigte Königreich aufgrund des Brexits auseinanderfallen könnte. Auch das wäre irreversibel. Ebenfalls unumkehrbar sind die Tausenden Kriegstoten, die ihr Leben in sinnlos provozierten Kriegen verloren. Und so weiter, und so weiter …

      • Stefan Sasse 29. Juli 2019, 14:00

        Vorsicht, das meine ich nicht. Dass da krasse ungewollte Konsequenzen rauskommen können: klar. Aber die Brexit-Krise hat die Mehrheitsverhältnisse null verändert. Seit 2016 stehen sie stabil. Wie Trumps Zustimmungsraten. Es tut sich nichts, außer dass ständig mit dem Feuer gespielt wird. Und das ist bei echten Krisen, auf welche der New Deal etwa reagiert hat, entschieden anders.

        • Ralf 29. Juli 2019, 19:30

          Du bist ja der Historiker und weißt da möglicherweise mehr. Aber Du vergleichst hier Zeiträume, die sehr unterschiedlich groß sind. Donald Trumps Zustimmungsraten haben tatsächlich ziemlich deutlich geschwankt und sind erst seit der Steuerreform stabil geworden, als die Konservativen ihren Frieden mit ihm machten, weil er den Staat zum Goldesel für Reiche machte. Beim New Deal reden wir hingegen über Zustimmungsraten Jahrzehnte nach dem Verabschieden der Gesetze. Und auch da, weiß ich nicht, wie die Situation ganz am Anfang war. Bei Obamacare war es ja auch so, dass die Reform jahrelang extrem unpopulär war. Bis die Republikaner den Menschen die Gesundheitsreform 2017 wieder wegnehmen wollten. Ist das beim New Deal nicht ähnlich gewesen?

  • Stefan Pietsch 29. Juli 2019, 11:27

    Vorab vielen Dank für Ihre Darstellung und den Artikel.

    Ein bisschen mehr auf Fragen zu verzichten und Sachverhalte etwas objektiver darstellen, würde allerdings mehr Fundament für eine Debatte liefern. Beispiel: Sie behaupten, der BREXIT-Beschluss sei zustande gekommen, weil einige den Bürgern weismachten, Großbritannien würde in der EU draufzahlen. Das ist nicht mal ein kleiner Teil der Wahrheit. Tatsächlich glaubten die Engländer schon zu Thatchers Zeiten, sie würden vom Festland über den Tisch gezogen. Und tatsächlich war die Zustimmung zur EU nie bemerkenswert groß und ausgeprägt auf der Insel, zumindest nicht so, dass man jederzeit unter allen Umständen davon ausgehen konnte, dass ein Volksentscheid eine klare Mehrheit bekommen würde. Und tatsächlich kam es zu dem auch für die Protagonisten der Leave-Kampagne überraschenden Ergebnis, weil überproportional viele junge Briten keine Lust auf Wahl hatten oder kindergartengleich meinten, einfach mal für das Gegenteil von dem zu stimmen, für das sie eigentlich seien. Und am Ende hat nach Ansicht vieler Beobachter Merkels Politik der offenen Grenzen weit mehr zum BREXIT-Votum beigetragen als jede Lüge von Boris Johnson. Bei dem heutigen Premierminister weiß jeder, dass er lügt, das ist praktisch eingepreist. Aber Merkels Politik war real. Nur, das lassen Sie dann doch lieber unter den Tisch fallen, es stört die Storyline von den guten Linken und den bösen Rechten.

    Etwas von diesem Gehabe der jungen Briten findet sich auch bei Ihnen. Sie glauben an die großen Krisen, die erstmal etwas von dem zerstören, was Ihnen wichtig ist, um am Ende das zu bekommen, was Sie eigentlich wollen. Sicher ist es nicht völlig falsch, dass Krisen Veränderungen vorantreiben können. Aber oft nur in dem Maße, wie bereits Kenntnisse und Bereitschaften zu Reformen vorhanden sind. Für uns stellt sich jedoch selten die Frage nach Leben und Tod.

    Wir haben keine Klimakrise. Eine Krise bezeichnet nach dem Altgriechischen einen Punkt. Doch unser Horizont für die drohenden klimatischen Veränderungen betreffen unser gesamtes bekanntes Leben. Kein Mensch kann dauerhaft sein Leben im Krisenmodus verbringen, auch wenn eine Greta Thurnberg das wünscht. Womit ich bei Ihrer Faszination für einen bestimmten Typus Mensch bin. Erstaunlicherweise begeistern Sie sich als jemand mitten im Leben Stehender für zwei Altersklassen. Auf der einen Seite die sehr Jungen wie genannte Schwedin, aber auch Alexandria Ocasio-Cortez, auf der anderen Seite für sehr alte Politiker vom Schlage eines Bernie Sanders und Jeremy Corbyn. Die einen sind so jung, dass sie ihre Vorstellungen von der Welt völlig losgelöst von den Zwängen und Wendungen des Lebens vortragen können. Die anderen befinden sich auf den letzten Metern ihre aktiven Lebens, wo sie diese Zwänge längst hinter sich gelassen haben und frei sind, idealistische Ideen zu formulieren. Doch Politik, Gesellschaft und unser Leben wird nicht von den beiden Enden her gestaltet.

    Helmut Schmidt hat in seinem Leben nicht aufgehört zu qualmen. Wahrscheinlich wurde ihm auch von seinen Ärzten prophezeit, dass Rauchen in umbringen werde. Aber offensichtlich traf die Ikone der Realpolitik für sich die Entscheidung, an irgendetwas sterben zu müssen und sah nicht ein, deswegen auf Lebensgenuss zu verzichten. Mein Vater stand vor exakt der gleichen Frage wie Ihr Großvater und beantwortete sie mit der gleichen Radikalität.

    Wenn Menschen in Krisen leben, gibt es zwei typische Verhaltensmuster. Die einen handeln gemäß unseres biologischen Codes, Reserven zu sparen, den Gürtel noch enger zu schnallen, weitere Entbehrungen in Kauf zu nehmen. Die anderen richten den Blick nach vorne, wohlwissend, dass niemand dauerhaft im Krisenmodus verbringen kann, soll es ihn nicht umbringen. Wer knapp mit Ressourcen ist, muss diese erweitern, nicht sie sparen. So überlegen sich die einen bei Lebensmittelknappheit, wie sie die wenigen Körner gerecht verteilen, während die anderen sich auf die Suche nach neuen Jagdfelder und neuen Technologien der effizienteren Bewirtschaftung machen.

    Sie gehören eindeutig zur ersten Kategorie, wenn Sie vor allem darauf verweisen, eine Politik gegen den Klimawandel müsse schmerzen. Befremdlich ist dabei, wenn eine solche einschneidende Maßnahme, die jeden Menschen betreffen soll, vor allem den Reichsten und Begüterten weh tun soll. Sie fragen, warum die Menschheit immer noch Flughäfen baut, wo die Apokalypse doch vor der Tür steht. Doch schon Luther wusste: Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen. Okay, einem Linken sind solche Anwandlungen fremd.

    Der Bau neuer Mega-Flughäfen ist, anders als das Deutsche Klein-Klein der Regionalflughäfen keine Phantasterei größenwahnsinniger Politiker, sondern dem Glauben geschuldet, dass das Bedürfnis der Menschen nach Überwinden von Grenzen und Distanzen eher weiter wachsen wird. Die Vorstellung, in 20, 30 Jahren würden Menschen nicht mehr fliegen, mutet absurd an. Eher nehmen wir 3° Temperaturanstieg hin.

    Die sogenannte Klimakrise ist im öffentlichen Bewusstsein dann doch noch nicht so angekommen. In den USA regiert ein erklärter Klimawandelleugner mit guten Aussichten auf Wiederwahl. Und bei der Europawahl konnten die grünen Parteien allein im krisenverliebten Deutschland merkliche Zugewinne verzeichnen. Irgendwie muss die Weltenrettung noch warten.

    Die Fortführung von Kyoto scheiterte 2009 in Kopenhagen. Die Europäer hatten sich im Konzert mit den Amerikanern, den Chinesen, Indern und den übrigen Schwellenländern selbst so auseinanderdividiert, weil sie zu viel wollten und am Ende nicht ernst genommen wurden. Das passiert Idealisten. Greta Thunberg mag sich als 16jährige von der Schule freistellen lassen und wochenlang zu einer Klimakonferenz nach Santiago de Chile tuckern können. Kaum jemand kann sich einen solchen Luxus an Geld und Zeit leisten. So jemand taugt nicht zum Vorbild, für viele eher zur Abschreckung.

    Am Ende fehlt mir die Konsequenz bei Ihnen. Auf der einen Seite wünschen Sie sich Krisen regelrecht herbei, um die Dinge in Ihrem Sinne zu regeln. Auf der anderen Seite verachten Sie die Populisten – Korrektur: die rechten Populisten -, welche als Brandbeschleuniger fungieren. Ein Donald Trump hat die Krise des demokratischen Systems in den USA nicht erfunden, er ist nur dessen Nutznießer. Salvini wurde Innenminister, Jahre nachdem Deutschland beschlossen hatte, zu jedem Migranten, so unehrenhaft deren Motive auch sein mögen, ein freundliches Gesicht zu machen. Und Boris Johnson hat weder den Briten die Europaskepsis in die Wiege gelegt noch seinem Intimfeind Cameron zu einem Volksentscheid geraten.

    • Ralf 29. Juli 2019, 19:17

      Und tatsächlich war die Zustimmung zur EU nie bemerkenswert groß

      Das gilt in erster Linie für England außerhalb von London. In Schottland z.B. sah das ganz anders aus. Aber ja, die Briten hatten insgesamt immer mehr Distanz zur EU als meinetwegen Deutschland oder Frankreich. Ist ja auch in Ordnung. Die Lügenkampagne von Farage, Gove und Johnson war allerdings ein völlig anderes Kaliber. Und es stimmt auch nicht, was Sie schreiben …

      Bei dem heutigen Premierminister weiß jeder, dass er lügt, das ist praktisch eingepreist.

      … Dass Sie das vielleicht einpreisen, mag ja so sein. Aber dass das für die Wähler der Tories und der Brexit-Party gilt, darf gerne bezweifelt werden.

      So überlegen sich die einen bei Lebensmittelknappheit, wie sie die wenigen Körner gerecht verteilen, während die anderen sich auf die Suche nach neuen Jagdfelder und neuen Technologien der effizienteren Bewirtschaftung machen.

      Sie gehören eindeutig zur ersten Kategorie, wenn Sie vor allem darauf verweisen, eine Politik gegen den Klimawandel müsse schmerzen.

      Nein, ich bin absolut offen dafür, dass irgendjemand eine Wundertechnologie erfindet. Ein Flugzeug ohne Abgase. Oder funktionierende Fusionsreaktoren, die unsere Energieprobleme für alle Zeiten lösen.

      Aber solange diese Wundertechnologie nicht existiert, ist es nicht redlich unter der Annahme zu operieren, dass da schon noch irgendwie, wahrscheinlich, möglicherweise irgendetwas erfunden werden wird von irgendwem. Solange die Wundertechnologie nicht präsentiert, evaluiert und für wirksam befunden worden ist, müssen wir davon ausgehen, dass wir den Klimawandel ohne Wunder überwinden werden müssen. So ist das nunmal in der Realität. Und das geht nur mit heftigen Einschnitten. Die Alternative ist ja bekannt.

      Befremdlich ist dabei, wenn eine solche einschneidende Maßnahme, die jeden Menschen betreffen soll, vor allem den Reichsten und Begüterten weh tun soll.

      Ich bin ja für dramatisch höhere Steuern bei den Wohlhabendsten, aber ich erinnere mich nicht, das jemals mit dem Klimawandel begründet zu haben.

      Der Bau neuer Mega-Flughäfen ist, anders als das Deutsche Klein-Klein der Regionalflughäfen keine Phantasterei größenwahnsinniger Politiker, sondern dem Glauben geschuldet, dass das Bedürfnis der Menschen nach Überwinden von Grenzen und Distanzen eher weiter wachsen wird. Die Vorstellung, in 20, 30 Jahren würden Menschen nicht mehr fliegen, mutet absurd an. Eher nehmen wir 3° Temperaturanstieg hin.

      Ich weiß. Deshalb habe ich ja geschrieben (Zitat): [So wie mein Großvater noch bis zur letzten Minute vor der Krise gierig an seiner Zigarette zog. So wie die Banker noch bis zur letzten Sekunde vor dem Crash mit toxischen Krediten handelten. So werden auch wir mit Volldampf weiter unsere Atmosphäre mit Kohlendioxid vergiften, bis der Schaden für uns so immens, so unbegreifbar groß wird, dass auch der Letzte ein Einsehen haben wird, dass ein „Weiter so“ nicht mehr möglich ist.]

      Die sogenannte Klimakrise ist im öffentlichen Bewusstsein dann doch noch nicht so angekommen. […] Irgendwie muss die Weltenrettung noch warten.

      Siehe oben.

      • Stefan Pietsch 29. Juli 2019, 20:29

        Mein Argument war, dass das Votum nicht ein dramatisch anderes Bild ergeben hat als wie es schon sehr lange in Großbritannien existierte. Schon vor der Lügenkampagne prognostizierten die Meinungsforscher zwar einen leichten Vorsprung von Remain, aber eben nicht überragend. Und man muss ja auch sagen, die Lügen sind das Eine, aber eine wenn die Protagonisten von Remain sehr schwach und defensiv argumentieren, lässt sich daraus eben auch eine Begründung für den Meinungsumschwung stricken.

        Kurz nach dem Beschluss, eigentlich 9 Monate später, traf ich im fernen Chile ein britisches Rentnerpärchen. Sie stammten aus der Nähe von Birmingham, waren ganz glücklich mit der Entscheidung, wollten sie aber nicht diskutieren. Im Grunde waren sie so, wie ich mir den typischen BREXIT-Befürworter vorgestellt hatte. Ich glaube, selbst wenn es Boris Johnson nicht gegeben hätte, hätten diese Leute für Leave gestimmt.

        em>Aber solange diese Wundertechnologie nicht existiert, ist es nicht redlich unter der Annahme zu operieren, dass da schon noch irgendwie, wahrscheinlich, möglicherweise irgendetwas erfunden werden wird von irgendwem.

        Sie können so argumentieren, weil Sie keinerlei Verantwortung tragen. Menschen mit Verantwortungsgefühl für andere gehen meist anders vor. Stellen Sie sich vor, Sie besäßen ein Unternehmen. Eines der wichtigsten Produkte ist in der langlebigen Studieneinschätzung bedenklich – sei es aus Gründen von Schadstoffen, Technologie, Einflüsse auf Kunden, völlig egal. Sie wissen das. Doch Sie tragen Verantwortung für Ihr Eigentum, für Ihre Mitarbeiter und deren Familien, für Kunden. Oben argumentieren Sie, dieses Produkt sofort einzustellen. Als verantwortlich Handelnder würden Sie das jedoch kaum tun. Sie würden das Produkt weiterführen, kurzfristig eine Strategie der Verbesserungen an den wesentlichen Schwachstellen durchführen und ansonsten die Forschung an Alternativen intensivieren. Irgendwann kommt der Punkt, wo Ihr bedenkliches Produkt ablösebereit ist. Die Frage ist dann immer, wer gewinnt den Wettlauf: sind Sie so innovativ, ein bedenkliches Produkt ersetzen zu können in einer Zeit, wo dies noch als großer Fortschritt gilt oder hängen Sie der Konkurrenz und der öffentlichen Meinung hinterher.

        Ich argumentiere als verantwortlicher Unternehmer, Sie als Idealist ohne Verantwortung. Dann wäre noch die Frage, wie Sie die Chinesen und Araber, also jene Länder, die Mega-Airports bauen, von ihrem Tun abbringen wollen. In Deutschland jedenfalls sind wir schon sehr fortschrittlich bei der Verhinderung der Fertigstellung von neuen Flughäfen.

      • Stefan Pietsch 29. Juli 2019, 20:46

        Bemerkenswert ist, dass Sie meinen zentralen Vorwurf, für Zusammenarbeit zu argumentieren, aber nationalen Lösungen den Vorzug zu geben, mehrmals unkommentiert stehen gelassen haben.

        • Ralf 29. Juli 2019, 22:02

          Oben argumentieren Sie, dieses Produkt sofort einzustellen. […] Ich argumentiere als verantwortlicher Unternehmer, Sie als Idealist ohne Verantwortung. […] Bemerkenswert ist, dass Sie meinen zentralen Vorwurf, für Zusammenarbeit zu argumentieren, aber nationalen Lösungen den Vorzug zu geben, mehrmals unkommentiert stehen gelassen haben.

          Ihr Vorwurf stimmt eben nicht und ich habe diesem Vorwurf bereits mehrfach in früheren Threads widersprochen. Ich bin absolut dafür, dass wir international verhandeln und versuchen eine gemeinsame Lösung mit China, Indien und den USA finden. Ich bin auch absolut dafür Forschung zu betreiben, um neue Technologien zu entwickeln, die in Zukunft vielleicht emissionsfreies Langstreckenreisen oder klimaneutrale Energie ermöglichen. Ich bin auch nicht nur dafür einfach alles zu verbieten, sondern ich bin dafür wo immer möglich Alternativen zu schaffen. Massive Investitionen in die Bahn zum Beispiel, um Reisen innerhalb von Deutschland oder zwischen benachbarten Ländern in der EU billig, schnell und komfortabel zu machen. Ich bin für kostenlose öffentliche Verkehrsmittel in den Städten, damit mehr Leute ihr eigenes Auto stehen lassen. Ich würde furchtbar gerne mal diese voll-synthetischen, von Hefen produzierten Hamburger probieren, von denen viele sagen, sie schmecken ununterscheidbar wie richtiges Fleisch. Ich bin für alle diese Dinge. Ich bin für alle diese Dinge, damit der Ausstieg aus einer klimaschädlichen Gesellschaft so sanft wie möglich geschieht.

          Aber die andere Seite der Geschichte ist eben, dass wir uns trotzdem auch werden drastisch einschränken müssen. Zumindest solange bis wir all diese neuen Wundertechnologien, die es hoffentlich irgendwann mal geben wird, entwickelt haben. Und auch hier geht es nicht um Absolutismus, sondern man kann schädliches Verhalten maßvoll und vernünftig abbauen. Ich kenne z.B. Menschen, die für’s Wochenende nach New York zum Shoppen fliegen. Ist das wirklich nötig? Geht nicht auch Mailand, London oder Paris? Und all diese vielen Business-Meetings. Sind die wirklich alle unbedingt notwendig? Niemand fordert den Flugverkehr insgesamt komplett zu verbieten. Niemand behauptet jede Reise sei per se unnötig. Manchmal ist es wirklich wichtig, dass Menschen zusammen in einem Raum sind und nicht nur unpersönlich vor einem Bildschirm mit Skype sitzen. Und wer sich einmal den großen Lebenstraum erfüllen will vier Wochen durch Australien zu reisen. Bitte sehr. Worum es mir zunächst einmal geht, ist ein maßvolles Zurückschneiden von überflüssigem Luxus jenseits dessen, wofür wohlmeinende Menschen Verständnis entwickeln könnten. Und manchmal geht das ganz einfach. Aus dem eigenen Bereich kenne ich zum Beispiel die Situation, wo ein Wissenschaftler aus den USA dreimal im Monat zu einem Vortrag nach Europa eingeladen wird und dann dreimal hin und her fliegt. Kann man diese drei Vorträge nicht verbinden? Kann man die nicht in die selbe eine Woche legen? Und 15 t Treibhausgase einsparen? Ist das wirklich zuviel verlangt?

          Und zum Abschluss biete auch ich Ihnen eine Analogie an. Stellen Sie sich vor, Sie haben das Sinken der Titanic überlebt. Sie treiben in einem Rettungsboot auf dem Meer, als Sie plötzlich feststellen, das Boot hat ein Leck. Schnell rechnen Sie sich aus, dass das Boot und seine Insassen gerettet werden können, wenn alle Passagiere nach Kräften mit anpacken, während Sie alleine den Untergang nur ein oder zwei Stunden herauszögern können. Allerdings ist keiner der anderen Passagiere sonderlich gewillt zu helfen. Zu lethargisch, zu passiv, zu zynisch sind Ihre Leidensgenossen. Was tun Sie also? Wie ich Sie kenne, werden Sie bis zur letzten Minute leidenschaftlich argumentieren. Sie werden verhandeln. Sie werden werben. Sie werden versuchen zu überreden. Und all das macht Sinn. Denn gemeinsam kann sich die Mannschaft im Boot aus eigener Kraft retten. Aber während Sie argumentieren und verhandeln und überreden, werden Sie gleichzeitig wie ein Wahnsinniger das eindringende Wasser aus dem Boot schöpfen. Erstens weil es so etwas wie einen Überlebenstrieb gibt. Kaum einer schmeißt die Chance weg, ein oder zwei Stunden länger zu leben, zu atmen, in Kontrolle zu sein. Und zweitens, weil ein oder zwei Stunden eben immer auch gerade den Unterschied ausmachen können zwischen Rettung und Tod. Wer sagt, dass Sie nicht vielleicht doch noch von einem vorbeifahrenden Schiff gesehen werden? Dass von irgendwoher doch noch Rettung kommt. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Und manchmal lohnt es sich unter Aufbietung aller Kräfte bis zur letzten Minute ausgehalten und gekämpft zu haben. Auch wenn die Lage durchgehend düster und hoffnungslos aussah.

          Und hier geht es zurück in die Realität. Wann werden Ihre Wundertechnologien, die uns z.B. wieder ermöglichen zu reisen, ohne den Planeten zu zerstören, kommen? In 10 Jahren? In 25 Jahren? In 50 Jahren? Wenn die Technologien in 50 Jahren kommen, dann werden wir bis dahin noch keinen irreversiblen Schaden angerichtet haben dürfen. Und deshalb ist es jetzt wichtig, dass wir anfangen unseren Beitrag zum Erhalt des Planeten zu leisten. Ein paar Jahre gewinnen, kann einen riesigen Unterschied machen. Komplexe Systeme wie das Klima reagieren nicht linear. Der Planet kann bei einer Erderwärmung von 3,0 ºC möglicherweise dramatisch anders aussehen als bei einer Erderwärmung von 3,1 ºC. Und kommen Ihre Wunderlösungen doch früher als erwartet, können wir wieder auf die Pauke hauen. Ich werde der erste sein, der dann feiernd in ein Ufo nach Australien einsteigt. Aber bis es soweit ist, müssen wir uns einschränken und mit unserer Treibhausgasbilanz haushalten. Und selbstverständlich trotzdem weiter verhandeln mit unseren Partnern. Und wenn die Verhandlungen zum Erfolg führen, können wir unsere Bemühungen gerne umschichten. Dann wird eine CO2-Steuer eben wieder abgeschafft und wir steigen in den internationalen Zertifikatehandel ein. Was immer hilft.

          Nur eines ist inakzeptabel: Erstmal garnichts tun.

          • Stefan Pietsch 29. Juli 2019, 22:42

            Ich bin absolut dafür (..).

            Sie sind dafür wie für Süßigkeiten, die keine Kalorien haben. Es ist leicht, für die Dinge zu sein, die Sie aufzählen. Nur es fehlt Ihnen jede Priorität in diese Richtung. Sie wissen, dass Sie das Weltklima nicht mit nationalen Alleingängen retten können, geben hier jedoch den Vorrang. Sie wissen, dass der Luftverkehr nur ein Teil des CO2-Problems ist, kaprizieren hier jedoch viel Diskussionskraft darauf. Der Punkt ist, den Sie nicht akzeptieren wollen, dass Sie sich sehr weit auf andere einlassen müssen, wenn Sie ein gemeinsames Projekt verwirklichen wollen. Diese Bereitschaft haben Sie nicht. Entweder geht es nach Ihrem Kopf oder eben national.

            Leisure-Flüge machen den Großteil des Luftverkehrs aus, woran wiederum Chinesen einen großen Anteil haben. Ich erkenne bei Ihnen nicht die geringste Idee, wie Sie sich diesen Fakten nähern. Sie haben kein Problembewusstsein. Und ich hatte es schon in früheren Debatten ausgeführt: es bringt Ihnen nichts, wenn Sie allein Wasser aus dem Boot schippen, es sei denn, Sie sind überzeugt, es notfalls allein schaffen zu können. Das ist beim Weltklima ausgeschlossen.

            Was haben Sie aus meiner Analogie mitgenommen? Nichts. Sie scheinen sich nicht einmal damit auseinandergesetzt zu haben. Was macht da für Sie Verantwortung aus?

            Religionen leben von der Philosophie, ihre Gläubigen zum Maßhalten zu bewegen, mehr noch, zum Verzicht und Askese. Und Religionen haben gleich einen ganzen Maßnahmenkatalog für die Gescheiterten. Wir haben mit der Flugscham begonnen. Wie wollen ausgerechnet Sie beurteilen können, welche Flüge notwendig sind? Unter dem Aspekt der Klimaneutralität darf das im Jahr 2050 unter den heutigen Bedingungen keiner. Auch das findet sich nirgends in Ihrem Denken, denn die Konsequenzen sind klar: dies werden Sie unmöglich erreichen können. Warum plädieren Sie für etwas Unerreichbares? Genau das nährt den Verdacht, dass es Ihnen nicht um das Ziel, sondern um den Weg dahin geht. In Unternehmen ist das Reisekostenbudget meist ein sehr sensibler Punkt. Die meisten haben seit sehr langem die Möglichkeiten ihrer Mitarbeiter sehr stark beschränkt, überhaupt zu reisen. Es ist das jeweils günstigste Verkehrsmittel zu nehmen, Business Class wird selbst auf Interkontinentalflügen selten genehmigt. Ehrlich gesagt, ich kenne wenige, die eine große Bereitschaft haben, sich 12 Stunden in eine Holzklasse zu zwängen, um 2 Tage mit Jetlag zu konferieren. Anders als bei Privatflügen wird bei Geschäftsreisen sehr genau abgewogen, ob ein Flug tatsächlich notwendig ist.

            Die EU, die USA und China haben einen Zertifikatehandel. Okay, die Amerikaner nicht für CO2. Andere Länder haben ebenfalls Erfahrungen. Mit Umweltsteuern ist das nicht so einfach. Dennoch plädieren Sie dafür, nicht die Priorität auf die Abstimmung zu legen, sondern den nationalen Alleingang. Dass Sie damit eventuell auch wertvolle Zeit verlieren, kommt Ihnen nicht in den Sinn. Denn was ist, wenn die Steuerlösung sich im Nachhinein als teurer und weniger effizient herausstellt? Dann haben Sie enormes Kapital verbrannt – sowohl bei den zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen als auch im Vertrauen. Nichts enttäuscht Menschen mehr, als in etwas gehetzt zu werden, dass sich hinterher als völlig wirkungslos herausstellt. Was meinen Sie denn, warum sich so ein Frust in der Gesellschaft ob der missratenen Energiewende ausbreitet?

            Ich habe noch eine Empfehlung für Sie, in meiner Kindheit einer meiner Lieblingsfilme: Der Flug des Phoenix Wenn Sie den Film kennen: nach einem Flugzeugabsturz gibt es für die Überlebenden nur eine Möglichkeit, am Leben zu bleiben. Sie müssen zusammenarbeiten, an einem Strang ziehen. Niemand wird überleben, wenn nur ein paar arbeiten und gegenteilige Konzepte verfolgen. So hart es ist, den eigenen Egoismus hintenanzustellen – für den Kapitän vorneweg – das Ziel eint.

            Sie wären der, der versucht, durch die Wüste zu laufen.

            • Ralf 30. Juli 2019, 08:11

              Nur es fehlt Ihnen jede Priorität in diese Richtung. Sie wissen, dass Sie das Weltklima nicht mit nationalen Alleingängen retten können, geben hier jedoch den Vorrang.

              Ich gebe keinerlei Vorrang. Gegenwärtig ist wichtig, dass wir internationale Lösungen für die Klimakrise finden. Und es ist wichtig, dass wir selbst so schnell wie möglich anfangen unseren eigenen Beitrag zu leisten. Das eine schließt das andere nicht aus. Während wir mit den Chinesen verhandeln, können und sollten wir unseren eigenen CO2-Ausstoß schon mal verringern. Ich begreife nicht, wieso das so schwer zu verstehen ist.

              Leisure-Flüge machen den Großteil des Luftverkehrs aus, woran wiederum Chinesen einen großen Anteil haben. Ich erkenne bei Ihnen nicht die geringste Idee, wie Sie sich diesen Fakten nähern.

              Dazu hatte ich in einem vorherigen Thread bereits einen Vorschlag gemacht. Die Starterlaubnis für eine Reise mit dem Flugzeug in der EU auf einen Roundtrip pro Person und pro Jahr begrenzen. Dann reduzieren sich unter anderem die Flugreisen der Chinesen nach Europa.

              Dennoch plädieren Sie dafür, nicht die Priorität auf die Abstimmung zu legen, sondern den nationalen Alleingang.

              Nochmal, ich habe oben das genaue Gegenteil dessen geschrieben, was Sie mir hier wie ein Roboter in den Mund legen wollen. Internationale Lösungen sind wichtig. Ein nationaler Kraftakt ist ebenfalls wichtig. Und keine der beiden Absichten behindern sich in irgendeiner Weise gegenseitig.

              Denn was ist, wenn die Steuerlösung sich im Nachhinein als teurer und weniger effizient herausstellt? Dann haben Sie enormes Kapital verbrannt

              Na, das ist ja mal ein brillantes Argument!

              Was wenn sich der Zertifikatehandel am Ende als nicht durchführbar erweist, weil sich die Big Player nicht verständigen können? Dann haben Sie enormes Kapital verbrannt …

              Im übrigen ist nicht davon auszugehen, dass eine signifikante CO2-Steuer den CO2-Ausstoß nicht verringern wird. Wenn ein Verhalten richtig teuer wird, dann führt das zur Vermeidung des Verhaltens. Aus dem Grund sehen Sie eher selten Autos mit 200 km/h durch die Tempo 30-Zone brausen.

              • Stefan Pietsch 30. Juli 2019, 09:50

                Nur es fehlt Ihnen jede Priorität in diese Richtung. (..)
                Ich gebe keinerlei Vorrang.

                Nun, das ist ein Problem. Sie selbst behaupten, wir befänden uns in einer Krise. Sowohl in der Biologie als auch Ökonomie gibt es dafür genau zwei Lösungsansätze: Kämpfen und Flucht. Sie entscheiden sich nicht, Sie möchten nicht einmal priorisieren, das Allerwichtigste in Stresssituationen, wo es heißt: First Things First! Die Orientierung zu verlieren bedeutet für Fluchttiere den sicheren Tod. Deswegen ist es in Krisensituationen so enorm wichtig, die eigenen Kräfte korrekt einzuschätzen und nach Möglichkeit zu schonen wie es halt irgend geht. Nicht zu priorisieren bedeutet nichts anderes als in angespannter Lage zu verschwenden.

                Die Energieerzeugung steht typischer Weise für 42-45 Prozent der Emissionen, also fast die Hälfte. Sie ist der Schlüssel zur Klimaneutralität. Deutschland hat in den letzten 20 Jahren auf diesem Feld sehr viel getan und manches Bürgern und Unternehmen abverlangt. Der Strompreis wurde für Verbraucher und noch mehr für die Industrie drastisch erhöht, er hat sich seit der Jahrtausendwende von 13,94 auf 29,42 Cent pro Kilowattstunde mehr als verdoppelt. Das sind die höchsten in ganz Europa. Dafür wurde ein Netz von erneuerbaren Energien aufgebaut, das nun aber anscheinend an Grenzen stößt. Zudem wurde der Ausstieg aus der CO2-armen Kernenergie bewerkstelligt, was enorme Umstellungs- und Transformationskosten verursachte.

                Und nun stehen Sie im Jahr 2019 da und erzählen den Leuten: Ihr habt zwar ein irre Geld gezahlt, aber wir haben kaum Fortschritte gemacht. Jetzt müssen wir halt noch viel mehr drauf packen. Auf einem Dampfschiff hätten die Heizer Sie nach den wenigen Worten bereits erschlagen. Aber wir sind ja eine zivilisierte Gesellschaft. Vom höchsten Punkt (der Preise) kann man oft nicht mehr wirklich etwas drauf satteln, da haben andere Länder weit mehr Reserven. Wir haben beim Strom gerade mal unsere gesamten Ressourcen verballert für fast nichts. Nun müssen andere Lösungen her als über Preis und Kosten die Emissionen bei der Energieerzeugung wesentlich zu senken. Da sind Sie völlig blank.

                Ich weiß, was Sie jetzt einwenden. Etwas mehr geht immer bei Preisen. Wie gesagt, wenn eine Verdopplung es nicht gebracht hat, wieso sollte es eine Verdreifachung bringen? Die Frage müssen Sie erst der Besatzung erklären. Sie sind wie der kleine Junge in Ihrem Rettungsboot, der mit seiner 900 ml Schippe eine Stunde lang versucht hat, das Wasser rauszuschippen gegen die 36 l Wasser und erschöpft feststellt, dass seine Schippe völlig morsch war.

                Dazu hatte ich in einem vorherigen Thread bereits einen Vorschlag gemacht. Die Starterlaubnis für eine Reise mit dem Flugzeug in der EU auf einen Roundtrip pro Person und pro Jahr begrenzen. Dann reduzieren sich unter anderem die Flugreisen der Chinesen nach Europa.

                Nur haben Sie fundamentale Einwände ignoriert, angefangen damit, dass eine Flugreise nunmal nicht in einem Reisepass eingetragen wird und es keine internationale Zentralstelle gibt und geben kann, die sämtliche Flugreisen pro Passagier und Destination auflistet. Allein mit einer solchen Totalüberwachung hätten Sie Chancen, von Peking einen Preis zu bekommen.

                Na, das ist ja mal ein brillantes Argument!

                Ich wiederhole mich an dieser Stelle: mir ist durchaus bewusst, dass Preise und Kosten für Sie keine Werte haben. Doch für die meisten Menschen schon. Wenn es für ein bestimmtes Ziel, sagen wir eine gute Altersvorsorge, reicht, jeden Monat 100€ von dem eigenen knappen Budget abzusparen, aber jemand mich zwingt 200€ für den gleichen Endbetrag zurückzulegen, dann wird das auch niemanden wirklich befriedigen. Außer Sie. Sie sind glücklich dass Sie das Ergebnis erreicht haben, what ever it takes.

                Im übrigen ist nicht davon auszugehen, dass eine signifikante CO2-Steuer den CO2-Ausstoß nicht verringern wird.

                In dem Satz ist alles falsch. Ich habe einen Artikel darauf verwandt, darzulegen, dass eine Steuer vor allem eins nicht kann: den Output einigermaßen genau bestimmen. Wenn etwas für die Menschen notwendig erscheint und Alternativen nicht vorhanden oder attraktiv, dann werden sie eher eine Steuer zahlen. Und was ist signifikant? Da gehen die Meinungen um einige 100% auseinander, auch das muss eigentlich nicht wiederholt werden. 25€, was meist als Startpunkt genannt wird, lässt sich als „signifikant“ bezeichnen und hätte doch wohl kaum Wirkung. 180€ hätten wohl eine Wirkung, können aber getrost als politisch nicht durchsetzbar betrachtet werden. Denn da kommt Ihnen die Demokratie in die Quere. Und man müsste sich ja an der Stelle ernsthaft die Frage stellen, warum man den Bürgern eine solch hohe Steuer auferlegen sollte, wenn es durch clevere Lösungen auch ein Bruchteil davon tut. Eine solche Askese verlangen nur Religiöse.

                Ihre Idee, den ÖVPN kostenfrei zu stellen, fällt in die gleiche Kategorie. Kosten und Nutzen interessieren nicht. Eine solche Maßnahme würde geschätzte Kosten eines knapp zweistelligen Milliardenbetrags verursachen. Doch Verkehrsexperten sind überzeugt, was Studien belegen: der Preis ist eine nachrangige Komponente, warum Menschen aufs Auto statt den Bus zurückgreifen. Ich gehe davon aus, Sie kennen diese Studien. Dann stellt sich die Frage, warum Sie die Ergebnisse nicht in Ihre Überlegungen einfließen lassen. Hohe Kosten, kaum Ertrag – das schreit nach ökonomischer Unvernunft. Hier steht allein Ihr sozialpolitisches Ziel im Vordergrund, das Sie verkleiden als Klimapolitik.

    • Erwin Gabriel 31. Juli 2019, 18:16

      @ Stefan Pietsch 29. Juli 2019, 11:27

      Tatsächlich glaubten die Engländer schon zu Thatchers Zeiten, sie würden vom Festland über den Tisch gezogen.

      Was nicht ganz falsch ist. Margret Thatcher hat sich der EU angeschlossen, als es dort „nur“ um einen gemeinsamen Marktplatz ging. Nach einiger Zeit entwickelten sich Bestrebungen in Richtung ‚Vereinigten Staaten von Europa‘. Dagegen entwickelte sie eine erbitterte Abneigung.

      Was ich irgendwie nachvollziehen kann. Der Weg vom einst größten Reich der Welt in einen gemeinsamen europäischen Staat ist deutlich weiter als für uns Deutsche.

      • Stefan Sasse 1. August 2019, 09:16

        Blödsinn. Die ultimative Zielrichtung war von Beginn an mehr als nur ein gemeinsamer Markt. Schau dir mal die Geschichte von EWG und EG an. Das ist Geschichtsklitterei.

        • Erwin Gabriel 5. August 2019, 16:54

          @ Stefan Sasse 1. August 2019, 09:16

          Blödsinn.

          An dieser fein austarierten Bemerkung soll man wohl den Historiker in Dir erkennen.

          Die ultimative Zielrichtung war von Beginn an mehr als nur ein gemeinsamer Markt.

          Aber keinesfalls die Vereinigten Staaten von Europa; der gemeinsame Markt stand stets im Vordergrund. Es ging stets nach der Devise, dass national zu regeln sei, was sich national regeln ließe. Und Euopa hat sich mehr und mehr bereiche einverleibt, und ist in den meisten Fällen auf den Widerstand der Britten gestoßen.

          Das ist Geschichtsklitterei.

          Die Sicht, dass zu allen Verträgen und Entwicklungen nur ein Standpunkt, nur eine einzige Sicht zulässig ist, halte ich für naiv. Besonders bei einem ‚Historiker‘.

          • Stefan Sasse 6. August 2019, 08:42

            Nein, es offenbart schlicht eine Unkenntnis der Vorgänge. In den frühen 1950er Jahren wurden Einigungsszenarien diskutiert, die heute als krass radikal gelten würden. Es kam dann anders.

            Und heute kann man selbstverständlich unterschiedliche Interpretationen der Verträge haben, da bin ich stark dafür. Ich sage nur dass die Intention damals eben nicht eine Freihandelszone war. Das ist für mich auch nur historisch interessant. Was Adenauer und Schuman damals beabsichtigt haben, ist für das heutige Handeln der EU irrelevant.

            • Erwin Gabriel 7. August 2019, 16:11

              @ Stefan Sasse 6. August 2019, 08:42

              Nein, es offenbart schlicht eine Unkenntnis der Vorgänge. In den frühen 1950er Jahren wurden Einigungsszenarien diskutiert, die heute als krass radikal gelten würden.

              Zustimmung – aber was hat das damit zu tun?

              Es kam dann anders.

              Ja, und als es anders kam, kamen die Briten.

              • Stefan Sasse 8. August 2019, 11:32

                Die Briten wollten schon vorher rein, wurden aber durch das Veto Charles de Gaulles gehindert.

                Was es damit zu tun hat ist dein Ausgangskommentar:
                Was nicht ganz falsch ist. Margret Thatcher hat sich der EU angeschlossen, als es dort „nur“ um einen gemeinsamen Marktplatz ging. Nach einiger Zeit entwickelten sich Bestrebungen in Richtung ‚Vereinigten Staaten von Europa‘. Dagegen entwickelte sie eine erbitterte Abneigung.
                Das ist das Narrativ der Briten, aber das macht es nicht richtig. Die EU war nie „nur“ ein gemeinsamer Marktplatz. Um das festzustellen genügt ein Blick in die Verträge. Es ist eine legitime Position zu sagen, dass man das gerne hätte, aber zu keinem Zeitpunkt ihrer Existenz verlor sie je aus den Augen, dass es größere Ziele gab.

                • Erwin Gabriel 8. August 2019, 13:28

                  @ Stefan Sasse 8. August 2019, 11:32

                  Die EU war nie „nur“ ein gemeinsamer Marktplatz. Um das festzustellen genügt ein Blick in die Verträge.

                  Dass es nicht ausschließlich um eine Freihandelszone ging – geschenkt, habe ich ja selbst geschrieben. Aber die „Vereinigten Staaten von Europa“ als erklärtes Vertragsziel habe ich offenbar überlesen.

                  Es ist eine legitime Position zu sagen, dass man das gerne hätte, aber zu keinem Zeitpunkt ihrer Existenz verlor sie je aus den Augen, dass es größere Ziele gab.

                  • Stefan Sasse 8. August 2019, 14:17

                    Ich bin mir nicht sicher, was gerade eigentlich der Diskussionsgegenstand ist 😀

                    • Erwin Gabriel 12. August 2019, 00:07

                      Du scheinst davon auszugehen, dass es von Anfang an allen klar war, dass aus der EU die Vereinigten Staaten von Europa werden sollten, und das es dazu nur eine Meinung geben kann.

                      Ich bin der Meinung, dass die Engländer andere Vorstellungen hatten, sich für eine andere Entwicklung einsetzten, und Vereinigungs- bzw. zu weitgehenden Angleichungsentwicklungen widerporstig gegenüber standen.

                    • Stefan Sasse 12. August 2019, 11:36

                      Wenn ich in nem Fußballclub Mitglied werde, kann ich natürlich die ganze Zeit nölen dass ich es besser fände wenn es ein Handballclub ist. Aber für jemand, der kein Gründungsmitglied ist und später dazukommt, sollte es schon zumutbar sein ich klar zu machen in was man Mitglied wird.

  • R.A. 29. Juli 2019, 13:11

    Mit Krisen kann man Politik machen – das war schon immer so. Und wenn man keine echte Krise hat, dann bläst man halt eine auf.

    Linke benutzen echte oder aufgeblasene Krisen deutlich häufiger als Rechte. Was ja auch ganz logisch ist, denn linke Politik will ja in der Regel Veränderung, rechte Politik eher Beibehaltung. Und die politische Ausnutzung von Krisen geht fast immer in Richtung von Veränderung, zur Bewahrung des gewohnten Zustands sind Krisen überflüssig, eher kontraproduktiv.

    Ob uns in 50 Jahren eine Klimakrise drohen wird ist ziemlich umstritten.
    Wohlgemerkt: Es geht dabei nicht um „Klimaleugnung“ etc. – sondern um die Frage, ob eine mögliche Erwärmung um einige Grad in ihren Folgen eine „Katastrophe“ wäre oder nur eine harmlose Veränderung mit Vor- und Nachteilen.

    Bisher haben wir jedenfalls weder Krise noch gar Katastrophe.
    Die angeblichen 500 Toten der Hitzewelle haben nichts damit zu tun, daß es in den letzten 100 Jahren ein Grad wärmer geworden ist.
    Höhere Temperaturen führen nicht zu mehr Dürre, sondern im Gegenteil zu mehr Niederschlägen.
    Generell sind die aktuellen Wetterphänomene (außer dem Temperaturrekord selber) nichts Neues oder Besonderes.

    Wie sehr die „Klimakrise“ im wesentlichen eine politische Kiste ist sieht man daran, daß die propagierten Maßnahmen im wesentlichen die schon lange gehegten Gesellschaftskontrollphantasien gewisser linker Gruppen befriedigen – ob sie wirklich effektiv und effizient beim Thema „Klima“ helfen ist da völlig sekundär und wird in der Regel nicht einmal geprüft.

    Aktuelles Beispiel dafür derzeit die Frage der Inlandsflüge. Natürlich hilft es dem Klima überhaupt nicht, wenn der Flug nach Malle mehr kostet oder wenn die Fluggesellschaften verstaatlicht werden. Aber mit diesem marginalen Nebenthema kann man schön populistisch Punkte machen – und Langstreckenluisa oder Katharina Schulze können immer noch ihre Fernreisen machen.

    • Stefan Sasse 29. Juli 2019, 14:02

      Vorsicht. Linke nutzen aufgeblasene Krisen häufiger als KONSERVATIVE. Rechte wollen auch massive Veränderungen.
      Hast du nicht immer drauf bestanden, dass ich die zwei rhetorisch auseinanderhalte?

      • R.A. 29. Juli 2019, 14:14

        „Hast du nicht immer drauf bestanden, dass ich die zwei rhetorisch auseinanderhalte?“
        Ich kann mich jetzt nicht daran erinnern, daß ich darauf bestanden hätte.
        Für mich sind Konservative ein Teil der Rechten (nicht Rechtsextremen).

        Ich gebe Dir recht, daß es auch rechts Leute gibt, denen es um massive Veränderungen geht. Aber das ist eben nur ein Teil von „rechts“ (über die Größe des Teils lohnt sich nicht zu spekulieren) – viele (die meisten?) Rechten wollen schlicht, daß alles so bleibt wie gewohnt.

        Umgekehrt ist der Wunsch nach Veränderung m. E. wesentlicher Bestandteil jeder Politik, die man irgendwie als links einstufen kann. Im Einzelfall kann es natürlich mal vorkommen, daß Linke eine von rechts vorgeschlagene Änderung ablehnen.
        Aber ich kann mir schlicht keinen Linken vorstellen, dessen politisches Ziel das schlichte Bewahren des Bestehenden wäre.

        Und für den Schritt von „nur links denkend“ zu „politisch links handelnd“ ist m. E. auch ein „Leidensdruck“ erforderlich, d.h. man empfindet etwas als Krise und will dagegen etwas tun.

        • Stefan Sasse 29. Juli 2019, 19:17

          Ich denke da gibt’s echt einen großen Unterschied. Weil eben Konservative eher den Status Quo bewahren wollen, während die radikalere Rechte eher reaktionär ist, also zu einem (üblicherweise eingebildeten) früher zurück will. So wie Progressive eben eine langsame, graduelle Änderung wollen, während eher linksradikalere Teile für die revolutionäre, ruckartige Änderung sind.

      • Erwin Gabriel 31. Juli 2019, 18:18

        @ Stefan Sasse 29. Juli 2019, 14:02

        Hast du nicht immer drauf bestanden, dass ich die zwei rhetorisch auseinanderhalte?

        Das war ich …

  • Cimourdain 29. Juli 2019, 18:28

    Aus der jüngeren deutschen Geschichte gibt es ein interessantes Beispiel, wie unterschiedlich das Vorgehen verschiedener politischer Richtungen bei der gleichen Reform aussieht: Atomausstieg. 2000 konnte die rot-grüne Regierung Schröder ohne konkrete Krise als Verhandlungsergebnis mit den Stromerzeugern („Atomkonsens“) die Reststrommenge (und damit Laufzeit) der Kernkraftwerke begrenzen. Dies wurde 2010 von dem CDU-FDP Kabinett Merkel II wieder rückgängig gemacht. Nach der Reaktorkatastrophe 2011 in Fukushima ließ die gleiche Regierung krisenbedingt ein Gesetz zum Atomausstieg beschließen. Die Folge: Milliardenforderungen der Stromkonzerne an den Staat.

    • Ralf 29. Juli 2019, 19:23

      Ja. Der Weg der rot-grünen Regierung war der bessere, aber ohne Krise war der langfristig angelegte Plan kinderleicht wieder rückgängig machbar.

      Durch die Krise dann, unter der Regierung Merkel, geschah der irreversible Schritt. Weil sich auch die Konservativen dann auf die Betrachtungsweise verständigt hatten, dass die Atomenergie eine zutiefst gefährliche Technologie ist, deren Risiko Deutschland nicht weiter tragen sollte. Hinter diese Feststellung kann man kaum mehr zurücktreten.

  • popper 30. Juli 2019, 23:38

    Was besagt denn ihr Dufschnittssert gegen die Tatsache, dass knapp über 9 Mio. Rentner weniger als 900€ Rente beziehen.

    Und das BVerfG urteilt erst noch. Da sitzen aber Juristen die gar keine adäquate geldpolitische Entscheidung treffen können, weil es sich um Laien handelt, denen nichts anderes übrig bleibt, als Gesetze auszulegen. Dabei stützen sie sich auf Expertisen von ökonomischen Scharlatanen, wie Prof. Sinn, der bis heute nicht die Target Salden verstande hat.

    • Stefan Pietsch 30. Juli 2019, 23:51

      Der Punkt war, dass Sie geleugnet haben, von einem Konflikt zwischen EuGH und Bundesverfassungsgericht in der Frage des Anleihenkaufprogramms zu wissen. Das war, Herr popper, unredlich. So machen wir uns das Leben schwer und die Debatte unseriös.

      Juristen haben allein zu beurteilen, ob jemand sich im Rahmen der kodifizierten Normen bewegt. Ob diese Normen ökonomisch sinnvoll sind, haben sie nicht zu beurteilen. Und so sind wir nämlich überhaupt auf das Thema gekommen: wenn in Verträgen das Eine steht, sollten Richter auch im Sinne des Einen urteilen und nicht das Gegenteil für Recht sprechen. Genau das führt zu Rechtsunsicherheit. Und so kommen wir wieder zu dem Punkt, dass der EuGH nicht unbedingt zum Rechtsfrieden beiträgt, wenn er offensichtlich entgegen dem urteilt, was die Parteien ursprünglich gemeint haben.

      • popper 31. Juli 2019, 11:45

        Ich möchte Sie in ihren Phantastereien nicht stören, aber von leugnen kann keine Rede sein. Ich habe geschrieben, dass das BVerfG nicht anders urteilen wird. Also, warten wir das Urteil in ein paar Monaten ab. Sie entstellen hier mal wieder Worte und Inhalte, um ihre pseudomoralischen Empörungsarien los zu werden. Und warum lassen Sie den ersten Satz meines Kommentars außen vor?

        Außerdem muss ich Sie dieses Mal ermahnen, Sie überschätzen nämlich wieder einmal bei weitem ihre Zuständigkeiten. Ich allein bewerte, ob „Normen ökonomisch sinnvoll sind“. Sie haben das zu akzeptieren und nicht oberlehrerhaft hier die freie Meinungsäußerung zu konterkarieren und willkürlich Kompetenzen abzusprechen, die Sie in der Diskussion selbst nicht offenbaren. Ob Gerichte diese Bewertung teilen, ist eine andere Frage, dazu müssten die damit befassten Richter Sachverstand und Einsicht besitzen, dass Gesetze ökonomisch nicht wirken können, wenn sie gegen die ökonomischen und/oder geldpolitischen Realitäten verstoßen (s. mein Kommentar oben).

        Richter urteilen auf der Grundlage ihres normativen Verständnisses und Sachkompetenz. Bei ökonomischen Fragen sind Sie auf die Expertisen von Fachleuten angewiesen. Das ist bei den in Rede stehen Urteilen so gewesen. Sie erwarten …wenn in Verträgen das Eine steht, sollten Richter auch im Sinne des Einen urteilen und nicht das Gegenteil für Recht sprechen… Ist das nicht genau die Dreistigkeit, die Sie so gerne anderen unterstellen. Sie behaupten hier, Richter täten das latent nicht und das diene nicht dem Rechtsfrieden. Ich denke, das Gegenteil ist richtig. Jedes Urteil dient dem Rechtsfrieden, wenn, wie Sie selbst behaupten, geltendes Recht angewendet wird, ist der Rechtsfrieden hergestellt. Sie verdrehen das Ganze, indem Sie es in eine moralische Kategorie einordnen, weil ihnen das EuGH Urteil nicht zupass kommt. Von einem juristisch geschulten Menschen erwarte ich da mehr Zurückhaltung und nicht schnöde Parteilichkeit.

        • Stefan Pietsch 31. Juli 2019, 12:00

          Sie hatten am 23.07.2019 um 13:22 Uhr mit einem Zitat von mir begonnen:

          Manchmal stellen Sie sich besonders unwissend. Karlsruhe ist deutlich irritiert über die Rechtsprechung des EuGH – und das sind auch nicht völlig unqualifizierte Richter. Meine Antwort am 2. Juli 2019, 12:10 war: Ich denke in dieser Sache bedarf es nicht ihre Nachhilfe, dazu weiß ich wesentlich mehr als Sie und wo steht, dass das BVerfG in Karlsruhe über die Rechtsprechung des EuGH irritiert ist? Legen Sie mal offen, wo Sie das her haben. bisherige Beweise? Fehlanzeige.

          Haben Sie jetzt den Beweis? Es ging nie darum, dass Karlsruhe anders als der EuGH urteilt. Schließlich verweisen sie Verfahren des Öfteren nach Luxemburg, wenn es um die gesamte Eurozone geht. Doch die obersten Richter haben sehr wohl schon häufiger erkennen lassen, dass sie zunehmend Bedenken gegen die Politik der EZB haben. Auch bei der Bankenunion haben sie gestern den letzten Haltepunkt gesetzt: Die EZB bewege sich absolut im Grenzbereich ihres Mandats. Noch ein Schritt weiter, und es muss Schluss sein.

  • Cimourdain 31. Juli 2019, 21:05

    Diesen Gedanken fand ich in dem Zusammenhang gelesen richtig spannend:
    https://scilogs.spektrum.de/wild-dueck-blog/rasender-wandel-rund-um-den-tipping-point/
    Liefert zumindest eine andere Sichtweise auf das, was wir wertend als ‚Krise‘ oder umgekehrt wertend als ‚Gelegenheit‘ bezeichnen.

    • Stefan Sasse 1. August 2019, 09:18

      Darauf will ich raus mit meinen kleinen Schritten. Danke für die Verlinkung und das Vokabular.

  • Rauschi 1. August 2019, 10:46

    Danke für den Beitrag, wobei mir zwei Einwände einfallen:

    1) Nicht immer brauchen Menschen Krisen, um etwas grundlegend zu ändern. Ich habe das Rauchen nach 30 Jahren aufgehört, weil ich es wollte und die richtige Methode gefunden habe. Aber ich geben Dir Recht, die Krise wirkt sicherer, als auf Einsicht zu hoffen.

    2) Wenn wir beim Klima auf die Krise warten, ist es zu spät, das lässt sich dann mit allem Willen der Welt nicht mehr reparieren.

    Dabei gibt es auch heute schon ausreichend gute Gründe, die Energiewende richtig anzupacken (die aktuelle Politik hat da vollständig versagt), siehe:
    [Die Gesamtvorteile eines intelligenten Netzes aus vielen dezentralen, stromgeregelten und gasbetriebenen BHKW am Ort des Bedarfs in Kombination mit Power2Gas gegenüber zentralen trägen, unflexiblen und ineffizienten/verschwenderischen Kohle- und Atomkraftwerken sind geradezu erschlagend:
    Kosten:
    Energieträger-Kosten IST: Erneuerbare Energieträger sind kostenlos. Hingegen fielen von 1990 bis 2015 für den Import fossiler Energieträger alleine 1,17 Billionen = 1170 Milliarden € für Erdöl, Erdgas und Kohle an.[2]) an.
    Energieträger-Kosten Tendenz: Erneuerbare Energieträger bleiben kostenlos. Fossile (& nukleare) Energieträger hingegen werden, da es begrenzte Ressourcen sind, mittel- bis langfristig immer teurer werden.
    Transport Energieträger: Erneuerbare Energieträger werden frei Haus geliefert. Für fossile (& nukleare) Energieträger hingegen fallen Transportkosten an.
    Aufbereitung Energieträger: Eine Aufbereitung erneuerbarer Energieträger ist nicht erforderlich (Holz-Pellets wegen mangelnder Relevanz außen vor). Bei Kohle hingegen fallen für die Zerkleinerung der Kohlebrocken zu „Kohlestaub“ durch den Betrieb von Kohlemühlen allein 6-7% des produzierten Stroms an. Die Aufbereitung nuklearer Energieträger ist nochmals ungleich teurer.
    Anlagen-Planung: Konzipierung von EE-Anlagen (PV & WKA) ist Stand der Technik. Die Konzipierung von Kohlekraftwerken wird immer aufwändiger. Die von AKW sind die aufwändigsten – dort kommt die höchste Technikklausel zum Einsatz: „Stand von Wissenschaft und Technik“! Auch in der Planung sind AKW die Teuersten überhaupt.
    Anlagen-Baukosten IST: Der Bau von Solaranlagen oder Klein-WKA ist so günstig, dass sogar dezentrale private Anwendungen möglich sind. Neue Kohlekraftwerke liegen mittlerweile im Mrd. Bereich. Der Bau von AKWs ist der Teuerste unter allen Kraftwerken überhaupt (abgesehen von Megastaudämmen, die hier in Deutschland nicht zur Disposition stehen).
    Anlagen-Baukosten Tendenz: PV- und WK-Anlagen werden – bemessen an €/kWh – immer preiswerter. Hingegen steigen die Baukosten für Kohle- und Atomkraftwerke immer weiter. Lagen die AKW-Baukosten früher bei rund 4 Milliarden, so kostet der Bau neuer europäischer AKW (Finnland, Frankreich, GB) rund 10 Milliarden € oder mehr. Tendenz: weiter steigend. …] quelle und viele weitere Vorteile hier : https://pro-contra-kernkraft-ee.fandom.com/de/wiki/Energiewende_-_ein_Loesungsszenario#Vorteile

    Das heisst auch, der verantwortungsvolle Unternehmer muss gar nicht mehr auf das Wunder einer neuen Technik warten, zumindest bei der Enegieerzeugung, sondern könnte sich für diese Lösungen einsetzen.
    Bei den anderen Dingen gebe ich Dir vollkommen Recht, wir brauchen erst eine Aternative, auf die man umsteigen kann, bevor ein Preis für CO2 fest gelegt wird. Sonst wird es einfach nur teurer, aber eben nicht besser oder weingstens anders. Warum jemand verantwortungsvoll handelt, der in dieser Richtung auf ein Wunder wartet, erschliesst sich mir nicht.

    • Ralf 1. August 2019, 18:20

      Das ist ein sehr spannendes Thema. Über wirksame, klimaschonende Alternativen zur gegenwärtigen Industrie oder auch neue Technologien, die in greifbarer Nähe am Horizont stehen, würde ich gerne mehr erfahren. Vielleicht kann man hier ja sogar mal einen Artikel zu dem Thema schreiben …

      • Rauschi 3. August 2019, 10:28

        Vielleicht kann man hier ja sogar mal einen Artikel zu dem Thema schreiben …
        Der Artikel ist in Arbeit, der wird aber sicher nicht hier erscheinen, sondern auf telepolis, da ist auch mehr Publikum zu erwarten.
        Ich kann ihn aber nach Erscheinen gerne hier verlinken, wenn das jemanden wirklich interessiert.
        Ansonsten einfach den Link anklicken, da steht ja viel mehr als nur das zitierte. Dafür muss nichts neu erfunden werden, es gibt die Technik schon. Was fehlt ist der Willen und der Plan, das umzusetzen (igitt, Planwirtschaft, lieber soll ja jeder allein vor sich hin wursteln:-) )

        • Ralf 3. August 2019, 14:45

          Ich würde mich über einen Hinweis mit dem Link, wenn Dein Artikel fertig ist, freuen.

          • Rauschi 7. August 2019, 09:03

            Wird gemacht, dann hier in diesem Artikel.

            • Ralf 7. August 2019, 09:04

              Super!

              Vielen Dank!

              • Rauschi 19. August 2019, 19:54

                Hallo Ralf
                Zuerst ist noch ein anderer Artikel zum Thema erschienen, hier ein Paar Ausschnitte:
                [Klimawandel? Gab es schon immer!
                I. Die Hintergründe
                1.1 Standard-Pseudoargument

                Unter den vermeintlichen „Argumenten“ gegen die Dringlichkeit der Ergreifung hinreichend geeigneter Maßnahmen gegen die Folgen eines menschengemachten Klimawandels und damit mittelbar gegen eine forcierte Energiewende taucht in der Debatte früher oder später beinahe so sicher wie das Amen in der Kirche ein Pseudoargument auf: „Klimawandel gab es schon immer …“

                Im Grunde ist das ein Rückzugspseudoargument, welches indirekt eingesteht, was vor noch nicht allzu langer Zeit glattweg geleugnet wurde: Dass sich aktuell das Klima erwärmt. Dieser Standpunkt ist heutzutage angesichts der immer klareren Daten- und Faktenlage nur noch vereinzelt anzutreffen. Man will sich nicht mehr mit einer offenkundig kontrafaktischen Haltung lächerlich machen. Nur die Klimaerwärmung anzuerkennen, welche zuvor vehement abgestritten wurde, ohne das ehrliche Eingeständnis, sich früher fundamental geirrt zu haben, ist zumindest ein Indiz für Unglaubwürdigkeit und fehlende Seriosität und untermauert, dass es dieser Fraktion oftmals in Wahrheit gar nicht um den Klimawandel geht, sondern darum, die Energiewende zu torpedieren.
                1.2 Klimawandel als Scheindebatte gegen Energiewende

                Genau dieser Sachverhalt bedarf einer stärkeren Bewusstwerdung: Die Leugnung eines [menschengemachten] Klimawandels ist kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck: Der Leugnerfraktion geht es i.d.R. darum, eine Energiewende weg von konventionellen und nuklearen Energieträgern hin zu erneuerbaren zu bremsen, zu torpedieren, zu unterminieren oder gar zu verhindern.

                Eine hinreichend kompetent geregelte Energiewende konterkariert die Geschäftsmodelle von Konzernen und Branchen, die zu den einflussreichsten weltweit zählen: Ölkonzerne und die Kohle- sowie Automobilindustrie. Diese haben schon vor Jahrzehnten Lobbyorganisationen gesponsert (z.B eike), die wider besseren Wissens den menschengemachten Klimawandel leugnen….
                II. Klimawandel gab es schon immer

                2.1 Konsens in der Sache

                Diese Tatsache wird übrigens von keinem seriösen Wissenschaftler oder Klimaforscher in Abrede gestellt. Alle sind sich dessen bewusst. Was also soll diese triviale Feststellung, über die allgemeiner Konsens besteht?

                2.2 Falsche Schlussfolgerung

                Aus dem Umstand, dass frühere Klimawandel natürlich waren, wird mehr oder minder explizit insinuiert, dass damit auch der aktuelle natürlichen Ursprungs sein müsse. Das wäre in etwa so wie die Behauptung, dass aktuelle Waldbrände nicht durch Brandstifter gelegt sein könnten, weil es natürliche Waldbrände schon seit jeher gegeben habe. Ein klassischer Trugschluss unzulässiger Verallgemeinerung.

                2.3 Weltuntergang?

                Mitunter wird ein „und damals ist die Welt auch nicht untergegangen“ angefügt. Nur: Niemand hat das Gegenteil behauptet! Kein seriöser Klimatologe behauptet, die Klimaerwärmung würde „die Erde zerstören“. Wie auch? Jeder weiß, dass Klimaerwärmungen keinen Planeten zerstören können.

                Ergo: Es handelt sich um ein klassisches Scheinargument in Form eines Strohmanns. Dabei wird etwas widerlegt, was niemand behauptet hat. Oberflächlich behält man damit zwar Recht, hat aber in Wahrheit nichts zur Sache beigetragen, sondern nur Rezipiententäuschung betrieben.

                2.4 Kein Handlungsbedarf?

                In sehr seltenen Fällen wird dann noch etwas nachgeschoben im Sinne von „… und das hat der Mensch auch überlebt“. Die dahinter stehende Implikation lautet: „Was soll dann die ganze Hysterie? Ist doch nicht weiter schlimm – ein Handlungsbedarf ist ‚also‘ nicht gegeben“. Aber stimmt das tatsächlich?

                Während „Klimawandel gab es schon immer“ noch eine unbestrittene Tatsache ist (2.1), handelt es sich bei „dann ist doch auch der aktuelle unproblematisch“ um eine zutiefst fragwürdige „Schlussfolgerung“. Warum?

                2.5 Rahmenbedingungen

                Inwiefern unterscheiden sich die aktuellen Rahmenbedingungen von denen früherer Klimawandel?

                2.5.1 Zeiträume

                In keiner für Menschen relevanten Ära hat eine Klimaerwärmung dermaßen schnell stattgefunden.

                2.5.2 Temperaturen

                In keiner für die Menschheit relevanten Zeiten, d.h. nicht in den letzten 11000 Jahren, lag die klimatisch gemittelte Temperatur so hoch wie jetzt: Die vier letzten Jahre (2015-18) waren die wärmsten seit Messbeginn.

                Von den notorischen Klimawandelleugnern (mg) wird dies unter Verweis auf eine eike-Grafik bestritten. Was davon zu halten ist wird von Prof. Rahmstorf unter Frage 2 entlarvt.

                2.5.2.1 „above deadly threshold“

                Weite Teile Afrikas und Südamerikas werden wegen Temperaturen, wo das menschliche Eiweiß denaturiert und ein Leben verunmöglicht, unbewohnbar werden. Dort und in gewissen anderen Gebieten werden die Temperaturen jenseits einer tödlichen Schwelle liegen.

                2.5.3 Globaler Umfang

                Frühere Klimaschwankungen traten vor allem regional und zu unterschiedlichen Zeiten auf. Gemäß einer Studie von Schweizer Forschern würden im Gegensatz zu früher zurzeit die Temperaturen überall auf der Welt und gleichzeitig steigen.

                2.5.4 Weltbevölkerung

                Der mit Abstand wichtigste bedeutendste Sachverhalt ist jedoch, dass während keiner Klimaerwärmung zuvor die Erde auch nur ansatzweise so stark bevölkert war wie derzeit. Im Jahre 0 lag die Weltbevölkerung bei unter 200 Millionen, in weiter zurückliegenden Zeiten nochmals erheblich weniger. Aktuell leben jedoch über 7,7 Mrd. Menschen auf der Erde (rund Faktor 40 im Vergleich zum Jahre 0).

                2.5.4.1 Küstennahe Ballungszentren

                Schon jetzt ist der von Klimamodellen vorausgesagte Meeresanstieg zu verzeichnen. Dieser wird jedoch weitergehen, wenn nicht geeignete Gegenmaßnahmen getroffen werden. Große Küstenstädte wie Hamburg oder Bremen werden dauerhaft unter Wasser stehen. Die Niederlande wird großenteils geflutet sein. Gemäß einer aktuellen Studie des Earth Institute der US-amerikanischen Columbia University werden im Jahr 2025 der 2,75 Milliarden Menschen in der Nähe des Meeres leben.]
                Mehr davon hier:
                https://www.heise.de/tp/features/Klimawandel-Gab-es-schon-immer-4492900.html

                Da hat sich dann eine sehr kontroverse Diskussion ergeben, mit über 2000 Kommentaren.
                https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Klimawandel-Gab-es-schon-immer/forum-432026/comment/

                Wie Du sehen wirst, ist der nicht von mir, sondern von einem „alten Bekannten“ erkennt man ziemlich leicht am Stil 🙂

                Der angesprochene kommt aber noch, so in 2 Wochen etwa. Auch der ist nicht von mir, nur in Zusammenarbeit mit mir geschrieben.

                • Ralf 19. August 2019, 21:30

                  Vielen Dank schon mal für den ersten Artikel! Sind alles sehr wichtige Aspekte und schön das mal so kompakt zusammengefasst zu lesen!

                • Stefan Sasse 20. August 2019, 09:47

                  Was mir in solchen Betrachtungen noch unterbeleuchtet bleibt ist die Rolle der Klimawandelleugnung als identity politics; die wenigsten Klimawandelleugner machen das ja wegen wirtschaftlicher Interessen für die Industrie der fossilen Energieträger.

                  • Rauschi 20. August 2019, 16:01

                    Ich glaubem das sind reine Besitzstandwahrer, die sind sich der Rolle, die Sie für die Industrie spielen gar nicht bewusst.
                    Ich habe mal versucht, das sachlich nach deren wissenschaftlicher Basis zu fragen, dabei kam raus, die existiert nicht. Die nehmen mal das und mal das als glaubwürdig ohne ein nachvollziehbares Kriterium. Vor allem ist die Bandbreit der Leugner extrem, von welchen, die den Modellcharakter bezweifeln (warum der Zweifel nicht dazu führt, das etwas schlimmeres angenommen wird, bleibt im dunkeln)
                    bis zur Leugnung, das CO2 überhaupt ein Klimagas ist.

                    Schau Dir einfach die Kommentare an, dann wird der Hintergrund der meisten schnell klar.

                • R.A. 20. August 2019, 10:25

                  „Klimawandel gab es schon immer“.

                  Richtig ist, daß der natürliche Klimawandel überhaupt kein Argument gegen die These vom menschengemachten Klimawandel ist. Aber trotzdem lohnt sich die nähere Beschäftigung.

                  Denn erstens ist es eben nicht so, daß es da immer einen Konsens gab. Die ganz großen Veränderungen wie die Eiszeiten waren natürlich immer unbestritten. Aber die historischen Veränderungen wie die antiken und mittelalterlichen Klimaoptima sind von den IPCC-Anhängern lange Zeit bestritten bzw. vernachlässig worden (Hockeystick …). Erst die neuen Modelle wurden so modelliert, daß die historische Entwicklung nachgebildet werden konnte. Diese nachträglichen Korrekturen werfen aber die grundsätzliche Frage auf, ob da nicht etwas zu beliebig mit den Faktoren modelliert wird.

                  Insbesondere: Auch die aktuellen Prognosen gehen von der Grundannahme aus, daß es derzeit KEINEN natürlichen Klimawandel gibt.
                  Nur so lassen sich nämlich die Modelle kalibrieren: Es wird angenommen, daß die gemessenen Temperaturveränderungen NUR auf den Einfluß von CO2 bzw. Klimagasen zurückzuführen sind. Und darauf basieren die Hochrechnungen, was weitere CO2-Emissionen bewirken würden.

                  Wenn es aber in der Meßperiode auch noch eine natürliche Veränderung gab, dann verändern sich natürlich die Modellrechnungen dramatisch. Gab es parallel eine natürliche Erwärmung (die dann fälschlicherweise dem CO2 zugeschrieben würde), dann wären die aktuellen Prognosen deutlich überhöht.
                  Gäbe es umgekehrt einen natürliche Abkühlung, dann wären die CO2-Auswirkungen noch viel massiver als die aktuellen Modelle prognostizieren.

                  • Ralf 20. August 2019, 10:36

                    Die gegenwärtigen Klimamodelle basieren auf plausiblen Annahmen. Aber Modelle sind immer nur Modelle und haben damit immer eine Restunsicherheit. Trotzdem sind Modelle sehr nützlich, denn sie informieren uns darüber, worauf wir uns sehr wahrscheinlich für die Zukunft einstellen müssen. Und sie geben uns eine Handlungsanweisung an die Hand. Zumindest wenn wir die menschenfreundlichen Bedingungen auf unserem Planeten wenigstens einigermaßen erhalten wollen. An diesen Handlungsanweisungen ändern auch Ihre Überlegungen, dass es vielleicht genauso wie im Modell vorhergesagt kommen könnte oder aber etwas günstiger oder sogar noch schlimmer, nichts.

                  • Rauschi 20. August 2019, 16:06

                    Auch die aktuellen Prognosen gehen von der Grundannahme aus, daß es derzeit KEINEN natürlichen Klimawandel gibt.
                    Das ist so nicht richtig, Fakt ist, das die gegenwärtigen Modell, dei den menschlichen Einfluss miteinbeziehen, vergangene Entwicklungen viel besser abbilden können, als Modelle, die von einem rein natürlichen Wandel ausgehen.

                    Es ist immer eine Kombination aus beidem, was sinnvoller weise eingerechnet wird.
                    Bei Interesse einfach einen Threat dort schreiben, der Autor anwortet sicher.
                    https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Klimawandel-Gab-es-schon-immer/forum-432026/comment/

  • popper 1. August 2019, 13:16

    Nein, kein Beweis. Die Richter des BVerfG kuschen vor dem EuGH und treffen ihre Entscheidung im Rahmen dessen Entscheidungen. Ein Drohen konnte ich nicht erkennen. Selbst Holger Zschäpitz schreibt in DER WELT: Dass die Verfassungsrichter in Karlsruhe die pragmatische Brüssel-Politik so einfach durchgehen lassen, muss man daher kritisieren.

    Allerdings versteht der Chefökonom der WELT wenig von Geldpolitik und malt ein Haftungsszenario an die Wand, das nicht eintritt. Weder der ESM noch die Bankenunion sind dafür gedacht, Staaten im Ernstfall zu finanzieren. Sie können es gar nicht, dazu ist ihre Bilanzsumme zu gering. Im Fall der Fälle wird die EZB beide rekapitalisieren müssen. Ich versuche ihnen ja immer wieder zu erklären, dass die EWU solange funktioniert wie die EZB im Ernstfall die geldpolitischen Maßnahmen ergreift, die sie ergreifen muss, um das System EURO zu retten. Dafür ist Sie da, sonst könnte man sie sich sparen. Was ich im Übrigen für richtig hielte. Die nationalen Zentralbanken wären durchaus alleine in der Lage, das europäische Währungssystem zu managen und am Leben zu erhalten. Deutschland dachte, mit einer unabhängigen Zentralbank. die allein für die Preisstabilität sorgt, wäre alles gut. Da die Zentralbank weder die Geldmenge steuern kann, noch damit die Inflation beeinflussen kann, geht ihr Mandat ins Leere. Das Ergebnis ist, die EWU kommt seit der Finanzkrise nicht aus ihrem selbst angerichteten Schlamassel nicht heraus. Was nicht zuletzt wieder Deutschland zu verantworten hat, mit seinem unsäglichen Export-Überschuss-Wahn-Politik.

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