Ist die US-Polizei eine verrottete Institution?, Fortsetzung

John Oliver hat in seiner aktuellen Ausgabe von „Last Week tonight“ Licht auf eine Praxis der US-Polizei geworfen, die perfekt zu den Vorgängen in Ferguson ins Bild passt. Wie ich im ersten Artikel beschrieben habe, finanziert die Gemeinde Ferguson sich und ihre Polizei zu rund 40% aus Strafen, die mit alarmierender Willkür und großzügiger Verwendung von Catch-22 ausgeteilt werden. Die von Oliver nun beschriebene Praxis der „civil forfeiture“ treibt das Ganze noch einen Schritt weiter. Die US-Polizei hat die Befugnis, privaten Besitz einfach zu beschlagnahmen und praktisch ohne Beschränkungen für ihre eigenen Zwecke zu verwenden (dazu gehörten eine Margherita-Maschine und ein Eislaster). Dazu muss der jeweilige Besitzer nicht einmal eines Verbrechens beschuldigt werden. Die Frage nach „cash in the vehicle“ gehört bei Verkehrskontrollen in Teilen der USA scheinbar schon zum Alltag, woraufhin die Kohle dann gleich konfisziert wird. Im absurden US-Justizsystem ist dann nicht der Besitzer eines Verbrechens angeklagt, sondern der Besitz selbst – der natürlich nicht unter den Schutz der Bill of Rights fällt. Natürlich kann man jetzt Widerspruch einlegen und klagen, um sein Zeug wiederzubekommen. Das wird dann in einem Gerichtssaal ohne Richter vor einem Staatsanwalt verhandelt, und wie in Ferguson auch ist dadurch, dass die Opfer dieser Maßnahmen im Allgemeinen nicht wohlhabend sind, praktisch garantiert, dass die Polizei damit durchkommt – wer holt sich schließlich für ein paar tausend Dollar einen Anwalt, den ganzen Ärger und die Chance, die Chose auch noch vor einem Staatsanwalt zu verlieren, wenn es um konfiszierte drei Riesen geht?

Video von John Oliver nach dem Break.

{ 10 comments… add one }
  • techniknoergler 6. Oktober 2014, 20:39

    Hättest du dich ab und zu auf reason.com umgeaschaut wüstest du bereits davon und hättest nicht erst auf John Oliver wachten müssen.

    Ich wollte immer mal einen Artikel zu dem Thema schreiben. Einen Titel hatte ich mir auch schon ausgedacht: „Coruptis in Extremis“.

    Ich hätte zwar auch harte Worte verwendet, es aber weniger Impulsiv beschrieben.

    Übrigend:
    Auf reason.com erfährt man auch, dass es eher linke Richter sind, welche die entsprechenden Gesetze für Verfassungskonform halten. Ein Beispiel dafür, dass gerade auch Linke mit rhetorischen Kniffen verstehen Grundrechte zu umgehen. Konservative Richter sahen das viel skeptischer.

    Dort wäre man auch etwas weniger polemisch, dafür genauer informiert wurden: Natürlich kann das Verfahren vor einen Richter gebracht werden. Allerdings gilt nicht die Unschuldsvermutung, sondern ein deutlich niedriger Beweisstandard, nämlich der auch für Hausdurchsuchungen angewandte. Wenn die Beweislevel für eine Hausdurchsuchung ausreichen würde, dann auch zum Beschlagnahmen und Einziehen eine Gegenstandes.

    Seinen Hintergrund hatte das ganze natürlich im Kampf gegen Drogen. Die Gesetze seien nötig, um kriminelle Organisationen erfolgreich das Geld abzudrehen. „Progressive“ Richter erhofften sich wohl, solche Gesetze mögen sich auch mal gegen white colar Kriminalität richten (das ist natürlich bis heute nicht der Fall, würde die Sache aber auch nicht besser machen: Es könnte immer noch jeden treffen). Verstärkt wird das ganze dadurch, dass auch im Falle eines erfolgreichen Einspruches vor Gericht die Kosten des Rechtsstreites nicht übernommen werden (wie in den USA üblich) _und_ auch keine „Strafzahlung“ (punitive damages), die sonst als ein de-facto Ausgleich für die angemessenen Anwaltskosten in Zivilprozessen fungieren (*), zugesprochen werden.

    Der eigentlich Knackpunkt, der das ganze von einer Rechtsschutz mindernden „law and order“-Maßnahm zu einem modernen Raubrittertum mutieren lässt, ist aber, an wen das eingezogene Geld fließt: Nämlich die Polizeibehörden und – zum Teil – den Staatsanwaltschaftsbüros, die sodann autonom über das Geld verfügen können. Würde es grundsätzlich in den sogenannte general fund des Bundes, eines Staates oder einer lokalen Verwaltung fließen, also dem Haushalt, in den auch alle Steuern fließen und über den ein direkt gewähltes Legislativgremium entscheidet, dann sähen die Auswirkungen nicht so mittelalterlich aus. Was natürlich auch seinen Nachteil hätte: Solange die problematische Rechtsschutzaushebelung in ihren schädlichen Auswirkungen quantitativ beschränkt bleibt, weil es nicht so viele trifft, entsteht häufig erst gar nicht erfoglreich das breite Bewusstsein, dass hier etwas grundsätzlich Schief läuft.

    So aber haben die USA sich jetzt als eigeninteressen verfolgende Unternehmen verselbstständigende Polizeibehörden, die autonom über ihren Haushalt verfügen können, mit legalen Geldquellen, die nicht der Haushaltsgewalt der direkt gewählten Legislativeorgane unterliegen.

    Das ganze Dilemma zeigt eines auf: Das sich linke Richter Supreme Court eben nicht nur neue Grundrechte nach belieben ausdenken, sondern auch nach belieben Rechte wegreden können. Auch wenn man davon durch eine Unterdrücker-Unterdrückte-Logik ablenkt: Es geht um die Missachtung von Indidivdualrechten, die jeden betreffen. Aber es war ja nur der Schutz des Eigentums… Wie reaktionär, konservativ und rückständig.

    Aber ich wette, es wird jetzt wieder eine konservative Mentalität zum Schuldigen an der ganten Sache erklärt.

    * So absurd ist das Gesamtsystem in der Regel also nicht, es muss halt alles in seinem Kontext betrachtet werden. Aber es gibt halt Außnahmen, die in der Regel auf einer Umgehung der Bill of Rights mit Hilfe von Rhetorik beruht. Doch selbst dann ist es (formal) nicht sooo abstruß, wie hier von die dargestellt, lieber Stefan. Leider bringen Übertreibungen halt auch nichts, um einen Missstand zu bekämpfen, denn das Gesetz ist eing roße Missstand.

    • Stefan Sasse 6. Oktober 2014, 21:30

      Ich kenne die spezifischen Hintergründe nicht, kann also gut sein, dass da linke Gesetzesmacher beteiligt waren. Auf jeden Fall ist das eine Travestie.

  • techniknoergler 6. Oktober 2014, 21:01

    Hier ein Reformvorschlag, dessen wichtigste Aspekte wohl die verschärften Beweisanforderungen und die Zuweisung der Einnahmen aus Konfiszierungen an den „general fund“ sind.

  • techniknoergler 7. Oktober 2014, 18:25

    Der Linke wurde irgendwie verschluckt…

    Kein Problem: Es handelt sich um einen Gesetzesvorschlag von Rand Paul, der die Beweisanforderungen stark erhöht (wenn auch nicht auf“ proven beyond resonable doubt“) und – das ist das wichtigste – die Einnahmen in den allgemeinen Haushalt fliesen lässt, über den (nur) durch die jährlich zu beschliesenden Haushaltsgesetze der Legislative verfügt werden kann.

  • techniknoergler 7. Oktober 2014, 18:26

    „Ich kenne die spezifischen Hintergründe nicht, kann also gut sein, dass da linke Gesetzesmacher beteiligt waren. Auf jeden Fall ist das eine Travestie.“

    Gesetzesmacher weiß ich nicht. Auf jeden Fall sind es linke Richter, welche es am Supreme Court immer wieder für Verfassungskonform hielten.

    • Stefan Sasse 7. Oktober 2014, 19:23

      Ich denke auch, dass es verfassungskonform ist. Es ist nur unsäglich dumm. Aber Dummheit wird von Verfassungen ja nicht geregelt.

  • techniknoergler 7. Oktober 2014, 18:27

    „Der Linke wurde irgendwie verschluckt…“

    Es wurde natürlich kein Linker verschluckt, sondern ein Link…

  • techniknoergler 8. Oktober 2014, 20:25

    „Wenn die Beweislevel für eine Hausdurchsuchung ausreichen würde, dann auch zum Beschlagnahmen und Einziehen eine Gegenstandes.“

    Ich verstehe nicht, wie mir beim Tippen solche Fehler unterlaufen. Es klingt, als beherrsche ich die Grammatik nicht.

    Ich meines natürlich „das Beweislevel“ und eines Gegenstandes. Lag vermutlich daran, dass der Satz erst eine ganz andere Struktur hatte…

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