Warum Juncker trotz seiner Schwächen genau der Richtige ist

Am 27.Juni fiel die Entscheidung auf dem EU-Gipfel und die europäischen Staats- und Regierungschefs entschieden sich mehrheitlich dafür, Jean-Claude Juncker für das Amt des europäischen Kommissionspräsidenten vorzuschlagen. Nur der Brite David Cameron und der Ungar Viktor Orbán stimmten dagegen. Damit ist es sicher, dass Jean-Claude Juncker am 16. Juli als Kommissionspräsident gewählt wird.

Juncker war nicht mein Kandidat, ich hätte lieber Martin Schulz gehabt und meine Erwartungen an Juncker sind sehr überschaubar. Trotzdem glaube ich, dass Juncker in dieser Situation genau der Richtige sein könnte.

Denn zuallererst ist dies ein klarer Sieg des Europaparlaments und der europäischen WählerInnen und damit ein wichtiger Schritt für die weitere Demokratisierung der EU. Das frischgewählte Parlament hat sich dem Institutionen-Machtkampf gestellt und ihn gewonnen. Obwohl Martin Schulz mein Favorit war, bin ich nicht sicher, ob er sich im Falle eines Wahlsieges hätte durchsetzen können.
Die ganze Idee der Spitzenkandidaten und Mitbestimmung des Kommissionspräsidenten wurde von den Sozialdemokraten ersonnen, während sich die konservative EVP erst spät und zögerlich anschloss und sich für Juncker entschied. Nach seinem Wahlsieg stellte sich das Parlament schnell und großteils geschlossen hinter Juncker als Kommissionspräsidenten und die Konservativen saßen in der Glaubwürdigkeits-Falle, schließlich ging es ja um ihren eigenen Kandidaten. Gerade der öffentliche Druck in Deutschland gegenüber Kanzlerin Merkel hat gezeigt, dass jeder andere Kandidat nicht nur als Verrat am Wählerwillen, sondern auch als Verrat am eigenen Kandidaten interpretiert worden wäre. So bildeten schlussendlich wirklich nur Cameron und Orbán die Opposition und wurden überstimmt, was ebenfalls eine Premiere ist. Der sozialdemokratische Schulz hätte es vermutlich wesentlich schwerer gehabt.

Und so wird ab dem 16. Juli Jean-Claude Juncker der neue EU-Kommissionspräsident werden. Er folgt damit José Manuel Barroso, ein typischer profilloser Politiker, der irgendwann mal von der Kommission ausbaldowert wurde und seitdem nicht weiter auffiel und den Staats- und Regierungschefs die Bühne überlassen hat. Bei Juncker ist dies jetzt schon völlig anders. Die Mehrheit aller europäischen WählerInnen hat für ihn gestimmt, das Parlament inklusive der Sozialdemokraten und der Liberalen steht hinter ihm. Auch die Kommission unterstützt ihn mit 26 zu 2 Stimmen, mehr politische Legitimität kann niemand sonst vorweisen. Eine gewaltige Veränderung, vielleicht wirklich sogar revolutionär.
Und revolutionäre Veränderungen können ja oftmals durchaus beängstigend sein und viel Widerstand hervorrufen. Genau hier glaube ich, dass Juncker der richtige sein könnte, um zunächst alle Seiten mit dieser neuen Situation zu versöhnen, denn beängstigend wirkt der Luxemburger nun wahrlich nicht. Ich rechne auch eher mit einer proeuropäischen, langweilig-biederen Amtszeit und viel Kompromissbereitschaft, gerade auch mit den widerspenstigen Briten und Ungarn. Das könnte für den Moment sehr viel wertvoller sein als eine schnelle Generalüberholung der ganzen EU und in fünf Jahren steht vielleicht ein Spitzenkandidat zur Wahl, der das Rad noch weiter dreht.

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