Horst Seehofer bewertet Maaßens Doktorarbeit, fordert eine Vermögenssteuer und bekennt sich zum Feminismus – Vermischtes 27.07.2019

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.1) The rise of eco-anxiety and how to come to terms with climate change

“Lots of people are saying they won’t have children. Other people say they don’t want to feel guilty about having a child and bringing it into a world where they know there’ll be lots of problems. One woman told me she fantasised about killing her child. “In fact I’ve had eight women who have said that to me. These are women desperately thinking about how to protect their children. They’re talking about despair, impotence and powerlessness. […] Almost 70 per cent of British people want urgent political action, but there is a growing gap between announcements on climate change and the implementation of policies. The UK has promised to cut greenhouse gases to zero by 2050, yet we are currently set to miss targets for both 2025 and 2030. […] Academics who have been at the coal face of climate research for decades are exhausted. Professor Camille Parmesan, from the School of Biological and Marine Sciences at the University of Plymouth, spent years producing scientific papers on the impacts of climate change but saw little to no action being taken by governments. She became “professionally depressed” and considered abandoning her climate research entirely. This is despite her being one of the most influential scientists of our time and a named official contributor to IPCC receiving the Nobel Peace Prize in 2007 with Al Gore. “Saying you’re going to do something is only a small way towards actually doing something,” she says. “I’d say it causes me more anger than anxiety. I don’t like lying, and many politicians – Trump is the champ on this – are simply lying about what the facts are. That really makes me angry. I’m doing all I can to counter that, but the public still wants to believe what they are told by their leaders… strange to now begin to think of that as a bad thing.” Very few countries are currently doing much to stop climate breakdown. Even if nations were to fully implement their Paris Agreement pledges, temperatures would probably still rise by 3C by the end of the century. The future looks bleak from any angle. “Eco-anxiety is only going to increase. I don’t see how it can’t,” says Ms Hickman. (Phoebe Weston, The Independent)

Es gibt eine ordentliche Wahrscheinlichkeit, dass „eco-anxiety“ („Öko-Furcht“ oder „Öko-Angst“ scheinen mir keine sonderlich treffenden Übersetzungen zu sein, jemand eine Idee?) tatsächlich um sich greift. Die Frage ist nur, welche Konsequenzen das haben wird. Ich will einen Vergleich anbieten. In den 1990er Jahren rührten diverse Wirtschaftsverbände und mit ihnen freundlich verbundene Politiker und Medienleute die Werbetrommel für große Reformen, deren Kulminationspunkte die Agenda2010 bzw. das Leipziger Programm der CDU werden würde.

Diese, nennen wir es „reform-anxiety„, erfasste damals die gesamte Gesellschaft. Bis auf einige wenige „Reformleugner“ waren sich alle einig, dass der demographische Faktor riesigen Handlungsdruck erzeuge, dass die Lohnnebenkosten zu hoch waren, und so weiter und so fort. Es wurde zu einem geradezu religiösen Lehrsatz; der Verstoß dagegen schloss einen aus feiner Gesellschaft geradezu aus (erkennt jemand Parallelen zu den Klagen der Konservativen für heute, darf er sie behalten). Die Konsequenz war die Öffnung des politischen Spielraums für eine, genau eine, Jahrhundertreform, eben die Agenda2010. Danach war die Luft raus.

Es ist nicht so, als würde man heute sonderlich viele Leute finden, die der Überzeugung sind, dass der demographische Faktor als Problem gelöst wäre, oder dass wir die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gesichert haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass das hier ähnlich läuft, ist groß. Nehmen wir an, wir kriegen auf einer Welle der eco-anxiety diese oder nächste Wahl Bundeskanzler Robert Habeck. Inlandsflüge werden verboten. Plastikverpackungen stark reduziert. Der ganze Albtraum des FAZ-Feuilletons wird wahr. Danach wird die Luft raus sein. Aber das Problem nicht gelöst. Ich finde das ein veritables politisches Problem weit über den Anstoß des ersten Handelns hinaus, um den es bisher ging, und bin gespannt, was eure Meinung zum Thema ist.

2) Fehltritte des obersten Verfassungsschützers

Die Amerikaner waren nach wenigen Monaten von Kurnaz‘ Unschuld überzeugt und wollten den Bremer in seine Heimat abschieben, doch die deutsche Seite lehnte ab – auch wegen Maaßen. Kurnaz, der nur eine türkische Staatsbürgerschaft hatte, durfte Maaßens Rechtsgutachten zufolge nicht mehr einreisen. Kurnaz‘ Aufenthaltsgenehmigung sei „kraft Gesetz erloschen“, denn er habe sich „länger als sechs Monate im Ausland“ aufgehalten. Dass Kurnaz in der Zeit in Folterlagern gefangen war, änderte für Maaßen nichts. Der Bremer musste vier weitere Jahre in Guantánamo bleiben, bevor er 2006 zurückkehren konnte, nachdem sich Angela Merkel für ihn eingesetzt hatte. […] 2015 erstattete Maaßen Strafanzeigen beim Landeskriminalamt Berlin, die zu Ermittlungen gegen das Blog netzpolitik.org führten. Damit wurde zum ersten Mal seit Jahrzehnten und mehr als fünfzig Jahre nach der Spiegel-Affäre wieder Journalisten Landesverrat vorgeworfen. Zwei Netzpolitik-Redakteure hatten aus vertraulichen Unterlagen des Verfassungsschutzes zitiert. […] Als Präsident des Verfassungsschutzes pflegte Maaßen bis in die jüngste Vergangenheit in Art und Umfang recht ungewöhnliche Kontakte zu hohen Funktionären der Alternative für Deutschland (AfD). Bereits bevor die Rechtspopulisten in den Bundestag einzogen, kam es zu mehreren Treffen mit der damaligen Parteichefin Frauke Petry – auf Initiative von Maaßen, betont die Abgeordnete. Einer AfD-Aussteigerin und früheren Petry-Vertrauten zufolge soll Maaßen Ratschläge gegeben haben, wie die immer weiter ins Rechtsradikale driftende AfD der Beobachtung durch den Verfassungsschutz entgehen könne. […] Im Januar 2017 beschäftigte sich der Bundestag mit dem Attentat am Berliner Breitscheidplatz, bei dem der Terrorist Anis Amri wenige Wochen zuvor zwölf Menschen tötete. Maaßen ließ schriftlich erklären, dass sein Geheimdienst „keine V-Leute“ im Umfeld Amris gehabt habe. Bei einer späteren Befragung des Innenausschusses erneuerte er die Aussage. Nach Recherchen mehrerer Medien war das jedoch gelogen. (Benedikt Peters/Oliver das Gupta, Süddeutsche Zeitung)

Die lange Liste, die in dem Artikel minutiös aufgelistet wird, lässt einen nur fragend zurück. Wie konnte der Mann überhaupt so lange im Amt bleiben? Maaßen hat sein Amt von Beginn an als politische Behörde gesehen, eine Tradition, die deutsche Geheimdienste leider seit ihrer Einrichtung als Überbleibsel der „Operation Gehlen“ in den 1950er Jahren begleitet. Die schiere Masse an Zwischenfällen, in denen das Amt auf dem rechten Auge blind ist wäre dabei ja nur eine Sache, aber wir haben einen Geheimdienstchef, der seine Behörde in den Dienst von Rechtsradikalen stellt. Zusätzlich zu den ganzen Verfehlungen des Geheimdiensts selbst ist das eine dicke Nummer.

3) „Wir brauchen wieder einen aktiveren Staat“ (Interview mit Horst Seehofer)

Wie konnte es dazu kommen?

Es gab sicher Versäumnisse. Der Staat hat in den vergangenen 30 Jahren zu wenig investiert. Wir haben versucht, Schwächen auszugleichen, etwa mit dem Soli. Aber man muss selbstkritisch sagen: Mit dem Stopfen von Lücken gelingt kein Strukturwandel. Und erst recht kein Aufbruch.

Welche Gefahren drohen, wenn diese Kluft nicht überwunden wird?

Wir spüren: Viele Bürger fühlen sich abgehängt. Das fördert radikale Kräfte, die den Menschen das Blaue vom Himmel herunter versprechen. Gleichzeitig führen die Verhältnisse dort, wo sich alles bündelt, zu einer Überhitzung der Metropolen mit steigenden Mieten und wachsenden Verkehrsproblemen – und dort, wo zu wenig ist, zu einer Entleerung und Überalterung der ländlichen Räume. All das hat enorme Konsequenzen. Letztlich droht es, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu zerstören.

Wie sieht der aus?

Wir brauchen wieder einen aktiveren Staat, der die Mängel der sozialen Marktwirtschaft ausgleicht und uns vom Irrglauben befreit, die Marktwirtschaft löse alles. Wir brauchen eine Wirtschaftsstrukturpolitik, die Schwächen bewusst und entschlossen ausgleicht.

Welche Mängel sehen Sie?

Beispiel schnelles Internet: Für 15 Prozent des Landes ist es für Telekommunikationsunternehmen nicht rentabel, dies den Bürgern anzubieten. Also passiert nichts. Aber wir können einen so großen Teil des Landes ja nicht abhängen. Ärzte, Betriebe, aber auch die Bürger sind darauf angewiesen. Wir brauchen deshalb eine staatliche Infrastrukturgesellschaft, die genau dort Masten errichtet und Netze verlegt, wo es Unternehmen nicht tun. Hier muss sich der Staat künftig mit Steuermitteln engagieren. Ähnliches gilt für Bahntrassen. (Markus Balser/Stefan Braun, Süddeutsche Zeitung)

Ich hatte kein Ahnung, über was für visionäre Typen die CSU verfügt. Man fragt sich richtig, warum Seehofer innerhalb der Partei nie eine größere Rolle spielen durfte, innerhalb derer er solche großen Ideen hätte umsetzen können. In die Politik mit dem Mann!

Aber allen Ernstes, so sehr ich in der Substanz bei Seehofer bin, so lächerlich ist es, dass er diese Ideen gerade jetzt entdeckt, wo er seine Ämter los ist, und großspurig die Versäumnisse anprangert, an deren fortdauerndem Bestehen er, was, 40 Jahre lang aktiv mitgearbeitet hat?

In einer etwas großzügigeren Lesart können wir hier das Anzeichen eines Umschwenkens der öffentlichen Meinung sehen. Wenn Seehofer glaubt, er könne als „elder statesman“ mit einem Ruf nach massiven staatlichen Investitionen punkten statt in Hans-Eichel-Gedächtnispose die Einhaltung der Schwarzen Null zu fordern, dann ist da was im Fluss.

4) Recht, selektiv

Seit 2015 hat sich Maaßen gegenüber Journalisten immer wieder kritisch zur Flüchtlingspolitik der Kanzlerin geäußert. Von seinen Fans wird ihm das als Ausdruck einer höheren Loyalität gutgeschrieben. Aus der Dissertation erschließen sich die sachlichen Grundlagen seiner Einschätzungen. Ziel der Arbeit ist laut Lübbe-Wolff der „Nachweis, dass für eine restriktivere Flüchtlingspolitik erhebliche noch unausgeschöpfte Spielräume bestehen“. Das überaus kritische Urteil der Rezensentin hat nichts mit der politischen Bewertung dieses Ziels zu tun. Vielmehr moniert Lübbe-Wolff, dass Maaßen auch in der Methodik restriktiv ist: „Argumentative Gründlichkeit und Sorgfalt in der Präsentation und Auswertung von Quellen und Literatur investiert der Verfasser des Öfteren recht selektiv.“ Zu „gründlicher eigener Analyse“ der Rechtsprechung sehe er sich „nur herausgefordert“, wo sie „nicht auf seiner Linie liegt“. Rechtspolitische Einseitigkeit und methodische Verstiegenheit kommen gemäß Lübbe-Wolffs Referat zusammen, wo der Autor sich „auch abgelegenste Bedrohungsszenarien“ einfallen lässt, „wenn es um den effektiven Schutz der Staaten vor unerwünschter Zuwanderung geht“: etwa „die Besorgnis, dass Asylrechtsgewährleistungen von Verfolgerstaaten gezielt zur Destabilisierung eines Aufnahmestaates durch massenhafte Flüchtlingsproduktion genutzt werden könnten“. Was 1997, als Maaßens Arbeit im Druck erschien, ein extrem hypothetisches juristisches Gedankenspiel war, ist heute eine in der Bevölkerung grassierende Befürchtung, nicht zuletzt dank jener Zeitung, die der Verfassungsschutzpräsident sich als Kanal für die Verbreitung seiner Vermutung aussuchte, in Chemnitz hätten Nachrichtenfälscher von einem von Asylsuchenden begangenen Verbrechen abgelenkt. (Patrick Bahners, FAZ)

Und noch einmal Maaßen. Es ist nicht sonderlich überraschend, dass der Mann beim Erklimmen der Karriereleiter vor allem auf rechtsgerichtete Karrierenetzwerke baute und weniger auf die Qualität seiner Leistungen, aber das ist in dem Milieu ja Gang und Gäbe. Da wird das Studium zwar durchgezogen, aber Papas Kontakte, Geldbeutel und der von Haus aus mitgebrachte Habitus zählen mehr als jede Eigenleistung. War ja bei Guttenberg auch schon so, wo der Doktorvater sich nicht entblödete völlig erschüttert davon zu sein, dass ein Adeliger betrügen könnte. White privilege in Reinkultur. Und das sind dann die Leute, die sich an allen Ecken und Enden benachteiligt und verfolgt sind. Das ist so ein unglaublich armseliger Haufen.

5) There’s Value in Trying a Wealth Tax

There is a real possibility, therefore, that wealth taxes could fail to rake in the large amounts of revenue that Warren, Saez and Zucman anticipate. Disappointing revenues, combined with large and unwieldy bureaucracies required to collect the tax, are why most European countries eventually abandoned wealth taxes. But although these dangers are very real, they don’t mean that the U.S. shouldn’t try a wealth tax. If revenues are lower than expected because the wealthy simply aren’t as wealthy as advertised — or because they accumulate fewer assets in response to the tax — it means lower inequality and less need for redistribution. Meanwhile, if the rich turn out to be as good at dodging wealth taxes as they are at avoiding the estate tax, it only magnifies the need for multiple kinds of taxation. Income taxes, capital-gains taxes, wealth taxes and estate taxes will form a sort of defense in depth — if money doesn’t get caught at one stage of the process, it may be caught and taxed at another. This sort of multilayered taxation may be the only way that modern governments can counter the armies of accountants and lawyers that extremely wealthy people have at their disposal. (Noah Smith, Bloomberg)

Die Vermögenssteuer ist eines von diesen Themen, zu denen ich keinerlei sonderlich gefestigte Meinung habe. Sie scheint grundsätzlich ein Instrument für Gerechtigkeit zu sein und bei der Reduzierung der Ungleichheit, besonders bei unproduktiven Vermögen, zu helfen. Gleichzeitig sind die Argumente der Kritiker, wie sie etwa Stefan Pietsch hier ja schon öfter prominent vertreten hat, auch nicht gerade von der Hand zu weisen. Die praktischen Probleme bei der Umsetzung einer solchen Steuer sind Legion.

Deswegen finde ich Smiths Schlussfolgerung, dass die Reichen jeder Steuer ausweichen werden, egal wie kleinteilig oder großmaschig sie aufgebaut ist, und dass es einfach nur verschiedene Abflüsse braucht, ganz interessant. Von der Warte habe ich das noch nicht gesehen. Die Vermögenssteuer quasi nicht einführen, damit sie explizit die an sie geknüpften Erwartungen erfüllt, sondern als Hebel, damit andere Systeme besser funktionieren. Klingt spannend. Haben wir Steuerexperten die dazu was sagen können?

6) Liberals‘ astonishingly radical shift on gender

Others have noted the religious connotations of the term. This has even been reflected in the prevalence of the formulation „Great Awokening“ among sympathetic journalists seeking to explain the trend. It gets at something important. A kind of spiritual-moral madness periodically wells up and sweeps across vast swaths of the United States. In the 18th and 19th centuries, these Great Awakenings were decidedly „low church“ affairs and invariably emerged from America’s plethora of Protestant sects. Today, for perhaps the first time in American history, it is a nominally secular, progressive elite that finds itself swept up into a moral fervor and eager to overturn (linguistic and other) conventions in a surge of self-certainty and self-righteousness. Yet the focus on religious antecedents can obscure as much as it clarifies about what’s going on around us. […] This is how a progressive in 2014 can consider it an unacceptable limitation on individual freedom for gay couples to be denied the right to marry — and base that argument on the claim that a gay man’s love and natural desire for another man, like a lesbian’s love and natural desire for another woman, is irreducible and ineradicable — and then insist just five years later that it is an unacceptable limitation on individual freedom for anyone to be presumed a man or a woman at all. As Andrew Sullivan has powerfully argued, the two positions are fundamentally incompatible. The first, which morally justifies same-sex marriage, presumes that biological sex and binary gender differences are real, that they matter, and that they can’t just be erased at will. The second, which Manjoo and many transgender activists embrace and espouse, presumes the opposite — that those differences can and should be immediately dissolved. To affirm the truth of both positions is to embrace incoherence. But that assumes that we’re treating them as arguments. If, instead, we view them as expressions of what it can feel like at two different moments in a society devoted to the principle of individualism, they can be brought into a kind of alignment. Each is simply an expression of rebellion against a different but equally intolerable constraint on the individual. All that’s changed is the object of rebellion. (Damon Linker, The Week)

Die Religionsmetapher ist ja auch eine, die mit der Regelmäßigkeit des abgedroschenen Klischees bemüht wird, wenn es um die Grünen geht. Da ist die Parallele ziemlich deutlich. Ebenfalls offenkundig sollte die Parallele vom Wert des Bekennens der entsprechenden Position sein, der von der Basis der jeweiligen Bewegung in es hineingesetzt wird. Aber: das ist wahrlich kein Alleinstellungsmerkmal der Progressiven.

Affirmationen der Zugehörigkeit zu einer politischen Gruppierung gibt es in jeder solchen Gruppierung. Ohne diese Bekenntnisse könnten sie nicht existieren und ihre Gruppenidentität aufbauen. Und diese Bekenntnisse sind immer widersprüchlich, bei jeder Bewegung. Die FDP hat ja auch kein Problem damit, im einen Satz die Regulierungswut des Staates zu geißeln und im anderen die schützende Hand über die Freien Berufe zu halten. Klar widerspricht sich das, aber wir Menschen sind halt komplizierte Wesen und lassen uns nicht so einfach in Kategorien packen, wie das der Wahl-O-Mat manchmal suggeriert.

7) Weißes Haus sagt 1.000.000.000.000 Dollar Defizit voraus

Trotz der robusten Wirtschaftsentwicklung und niedrigen Arbeitslosigkeit gibt der amerikanische Staat deutlich mehr Geld aus, als er einnimmt. Das Haushaltsdefizit werde im laufenden Fiskaljahr eine Billion Dollar betragen, sagen die dafür zuständigen Fachleute des Weißen Hauses voraus, ausgeschrieben als Zahl sind das 1.000.000.000.000 Dollar. Dass die Ausgaben des amerikanischen Staates die Einnahmen übertreffen, liegt an zwei Gründen: Die Regierung des Präsidenten Donald Trump brachte umfangreiche Steuersenkungen auf den Weg. Zudem erhöhte sie die Ausgaben für das Militär deutlich – aber auch für andere Bereiche. Ökonomen sehen das Haushaltsdefizit eher skeptisch. Sie sorgen sich zwar (meist) nicht darum, dass die Vereinigten Staaten sich überschulden könnten. Allerdings raten sie zu höheren öffentlichen Defiziten vor allem in Zeiten, in denen sich die Wirtschaft schwach entwickelt und die Arbeitslosigkeit hoch ist – um solche Perioden schneller zu überwinden. (FAZ)

Warum irgendjemand irgendeinen Konservativen dieseits wie jenseits des Atlantiks ernst nimmt, wenn dieser oder diese irgendwas von fiskalischer Zurückhaltung oder zu viel Schulden erzählt, ist mir völlig schleierhaft. Es ist jedes einzelne Mal gelogen. Konservative entdecken ihre Liebe zu ausgeglichenen Haushalten immer dann, wenn sie Ausgabewünsche ihrer politischen Gegner abblocken wollen, und es ist ihnen immer dann völlig Hupe, wenn sie ihre eigenen finanzieren wollen. That’s it. Ich bin sicher, meine Kritiker hier werden sich leicht damit tun, ähnliche Heucheleien seitens der Progressiven zu finden. Sie gehören zum politischen Prozess und sind Teil der in Fundstück 6) angesprochenen Affirmationen. Warum aber ausgerechnet dieser Defizit-Blödsinn ein solch permanentes Wohlwollen in der Publizistik genießt, obwohl die Beweislage das glatte Gegenteil zeigt, ist unerklärlich.

8) Schade, dass er ein Mann ist

Am Montag hat Ursula von der Leyen per Tagesbefehl an die Bundeswehr verkündet, dass sie als Verteidigungsministerin zurücktritt. Dürften die SoldatInnen selbst darüber abstimmen, wer auf die CDU-Politikerin folgt, wäre das Ergebnis wohl eindeutig: Peter Tauber, als Staatssekretär ohnehin schon im Ministerium, ist in der Armee extrem beliebt. Viele in der Bundeswehr wünschen sich den Hessen als neuen Chef – vor allem deshalb, weil er einer von ihnen ist. Tauber hat selbst gedient, ist Hauptmann der Reserve und gelegentlich in Uniform unterwegs: Unter SoldatInnen gilt das als Qualitätsmerkmal. Und damit liegen sie falsch. Die schlechteste Wahl wäre Tauber zwar wirklich nicht. Das liegt aber nicht daran, dass er mal gelernt hat, ordentlich zu marschieren und zu schießen. Hinter dem Wunsch verstecken sich zwei falsche Annahmen. Die erste: Wer das Verteidigungsministerium führe, müsse die Interessen der SoldatInnen vertreten. Er dürfe Verfehlungen der Armee nicht zu harsch kritisieren – auf keinen Fall so, wie es von der Leyen tat, als sie der Bundeswehr wegen des laschen Umgangs mit Rechtsextremen ein Haltungsproblem vorwarf. Tatsächlich ist der Verteidigungsminister aber Verteidigungsminister der Bundesrepublik und nicht Verteidigungsminister der Bundeswehr. Er sollte die Interessen der SoldatInnen zwar berücksichtigen, aber nicht über andere stellen. Das Verteidigungsministerium ist nicht der Bundeswehrverband. Die zweite falsche Annahme: Nur wer selbst gedient hat, kann die Bundeswehr verstehen und politisch führen. Wenn dem tatsächlich so wäre, hätten wir ein Problem. In der Demokratie darf das Militär keinen Staat im Staat bilden. Es ist der Politik unterstellt – und muss deshalb so verfasst ein, dass ein ziviler Politiker es durchdringen kann. Fachkenntnisse sind natürlich von Vorteil, wie in allen Ressorts. Aber man muss nicht im Schützengraben gelegen haben, um Ahnung von Sicherheitspolitik zu bekommen. (Tobias Schulze, taz)

Die Fehlwahrnehmung, die Schulze hier anspricht, ist weit verbreitet. Es ist der Irrglaube, dass Quereinsteiger mit einschlägigen Kenntnissen aus dem jeweiligen Berufsfeld den Profis aus dem eigentlichen Feld überlegen wären. Ein ähnlicher Irrglaube herrscht auch im Bildungssystem, wo immer wieder angenommen wird, versierte Quereinsteiger seien ausgebildeten Lehrkräften überlegen.

Das Politikersein ist niemandem in die Wiege gelegt. Es erfordert Übung und Praxis. Deswegen werden üblicherweise auch solche Leute für höhere Positionen ausgewählt, die bereits vorher irgendwo Erfahrung gesammelt haben. Wo das nicht passiert, kommt üblicherweise auch wenig Gutes raus, und zwar sowohl wenn man Quereinsteiger hernimmt als auch wenn man getreue Parteisoldaten befördert.

Oder auch, auf gut Deutsch gesagt, es ist wie in jedem anderen Job auch. Oder wie oft hat es schon funktioniert, irgendwelche Experten für einen bestimmten technischen Bereich zum CEO zu machen? Die Anforderungsprofile sind einfach grundsätzlich andere. Klar, man kann mal Glück haben und ein Ausnahmetalent erwischen, einen echten Tausendsassa. Aber das ist extrem selten, und verlassen kann man sich keinesfalls drauf.

9) Die Unschuld vom Rande

Neulich im bayerischen Landtag. Präsidentin Ilse Aigner rief zu einer Gedenkminute für den mutmaßlich von einem Rechtsextremen ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke auf und bat die Anwesenden, sich dafür zu erheben. Alle taten es – nur der AfD-Abgeordnete Ralph Müller blieb sitzen. Nach heftiger öffentlicher Kritik behauptete Müller später, er sei doch lediglich mit „ein paar Sekunden“ Verzögerung aufgestanden. Das ist falsch. Wie Fernsehbilder belegen, blieb er die gesamten zweieinhalb Minuten der Gedenkansprache sitzen, erhob sich erst, als Aigner eines anderen Verstorbenen gedachte. Weiterhin behauptete Müller, sein Verhalten sei nicht böswillig gewesen, sondern einer Unaufmerksamkeit geschuldet. Er habe eine bevorstehende Rede neu zusammensetzen müssen und sei dadurch „sehr stark abgelenkt“ gewesen. Schlüssige Begründung oder Ausrede? Ralph Müllers Argumentation reiht sich ein in eine lange Liste abenteuerlicher Erklärungen, mit denen sich führende AfD-Politiker nach Tabubrüchen und anderen Skandalen verteidigen. Der eine will nichts gewusst haben, dem zweiten wurde der E-Mail-Account gehackt, der dritte kann sich angeblich nicht erinnern. Wie passt das zusammen mit einer Partei, die sich ausgerechnet den Slogan „Mut zur Wahrheit“ verschrieben hat? Eine kleine Auswahl. (Sebastiyn Leber, Tagesspiegel)

Passend zu der langen Liste der SZ über die Maaßen’schen Verfehlungen hat hier der Tagesspiegel eine Liste für die AfD zusammengeklaubt, die deren vorrangige Kommunikationsstrategie aufzeigt: leugnen und sich dumm stellen. Vor allem das freche direkte Lügen ist beachtlich. Wie bei Trump und den Brexit-Leuten auch hat das Lügen und beim Lügen erwischt werden für die AfD keine negativen Konsequenzen.

Dies liegt, denke ich, an der Abkapselung ihrer Anhänger. Die bilden einen eigenen Mikrokosmos, in dem jede unabhängige Berichterstattung als „Lügenpresse“ verunglimpft wird und in der massiv am Aufbau einer professionellen Blase gearbeitet wird; die andauernden Bestrebungen der AfD, ein „AfD-Fernsehen“ aus dem Bundestag heraus aufzubauen, sind für diese Strategie ein deutliches Beispiel.

10) An Interview With ‘A Thousand Small Sanities’ Author Adam Gopnik

So that’s the question I was coming back around to. The argument I get from the more pragmatic leftists is, “You need us. You may not agree with us, but you need us. Without us, you simply get crushed by the right.” Maybe liberalism isn’t simply centrism, but what they’re saying is it has more effectiveness when it’s in the center. 

Let’s imagine that we suddenly in 2020, we emerge with an international coalition — you know, Legion of Justice, right? — that we entrust with power, that was headed by Naomi Klein and seconded by AOC and strung out like the Avengers and all of justice, right? The moment they actually started trying to make the kinds of changes, the scale they wanted, they would provoke resistance. Not because the evil big corporations on the other side were evilly conspiring to do it, but because in a pluralistic society many people have many different interests.

And the question is always, how do you deal with the resistance to your ideas? That’s the crucial question. And it’s a question that liberals have a good answer for. They say you’re patient, you placate, you persuade. And over time, the boat, in Obama’s beautiful phrase, begins to move. The great big boat begins to move. And if you look at any one moment, it looks like it hasn’t moved at all, and you look back over a lifetime, and you say, Oh my God. We’re on a totally different life course than we were 50 years ago. And we live with that reality every day. There’s never been, in my mind, a satisfactory radical, certainly never a satisfactory Marxist answer, to that predicament. And every radical and Marxist government that’s ever been in power has floundered, catastrophically, on the inability to answer that question, what do you do with dissent?

Because it doesn’t recognize pluralism as a normal characteristic of society. 

Yes, exactly. Because it believes that one part of society — and this is deeply in the DNA of Marxism — is in possession of historical destiny, and the moral truth, and the rest of society is not. You have that picture, then Leninism flows very naturally. You could certainly have a socialist society with liberal institutions.

You’re talking about economic socialism and political liberalism. 

Yeah. And Hayek said, in 1945, “No, you can’t, that’s impossible.” And the Atlee government [controlled by the British Labour Party] said “Yes, you can,” and they did! I hope one of the minor originalities of this book, Jon, and maybe it’s not minor, is that I think that you have to see European social democracy and Canadian social democracy as part of the genealogy of the liberal tradition.

Anyway, my point is this, that I think you can only understand European and Canadian social democracy, social-democratic movements, as within the context of liberalism. Let us never forget that John Stuart Mill sat in the Parliament as a socialist. That his identity was as a liberal and a socialist and there was no conflict between believing passionately in liberal institutions and believing in economic reform, including nationalization and important sectors of the economy like health care. (Jonathan Chait, New York Magazine)

Dieses Interview ist in seiner Gänze lesenswert, aber die obigen Ausschnitte destillieren sehr deutlich meine eigenen Gedanken zu dem Thema. Die vier Themen dieses Ausschnitts in Reihenfolge.

Zum Einen sprechen Globnik und Chait über den Wert von Änderungen im Kleinen, die sich dann zu Änderungen im Großen summieren. Das ist eine theory of change, der ich anhänge. Die Metapher, auf die sie sich beziehen, stammt von Obama, quasi dem Säulenheiligen dieser Theorie: Ein Staat ist ein Tanker, dessen Kurs sich nicht abrupt um 90° ändern lässt. Aber wenn ich den Kurs um 2° ändere, wird er nach einigen Jahren bereits einen deutlich anderen Bestimmungspunkt anlaufen.

Und das führt zu Punkt 2, der theory of change der radikaleren Linken. Diese geht immer – und in meinen Augen fälschlich – davon aus, dass radikale Änderungen nicht nur möglich, sondern die einzig möglichen sind. Ich halte das für einen Irttum, nicht nur wegen der realpolitischen Hindernisse von Machbarkeit, sondern auch wegen:

Punkt 3. Jede Änderung führt zu Widerstand. Auf diesen Widerstand kann ich auf vier Arten reagieren. Ich kann einknicken, ich kann hoffen dass er sich einfach von selbst legt, ich kann versuchen zu überzeugen oder ich kann versuchen ihn zu brechen. Die letzte Variante ist die autokratischer Systeme, und sie verbietet sich von selbst. Trump und seine Anhänger reden viel davon, aber ich habe schon oft betont, dass die – nennen wir sie links-revolutionäre – Systeme dieses Thema einfach aussparen. Bei Sanders, Corbyn und Konsorten erkennen 90% der Bevölkerung immer die Brillanz der eigenen Pläne. Das passiert nie. Und was kommt danach? Der Rückfall auf eine der anderen Optionen. Vertraue ich diesen Leuten, nicht auch auf „brechen“ zu setzen? Kein Stück.

Und Punkt 4: Die Sozialdemokratie als Teil der liberalen Tradition ist definitiv etwas, dem ich anhänge. Ich glaube es ist keine Überraschung für Leser dieses Blogs dass ich die Zähmung des Kapitalismus durch den Staat für essenziell halte, aber gleichzeitig keinesfalls mehr als eine Zähmung will. Ich denke, dieser Zusammenhang zwischen Sozialstaat auf der einen und Demokratie auf der anderen Seite wird viel zu wenig betont.

11) What economists have gotten wrong for decades

Pegging the “natural rate” too high, ignoring the harm from exposure to international competition, austere budget policy, low and stagnant minimum wages — all of these misunderstood economic relationships have one thing in common. In every case, the costs fall on the vulnerable: people who depend on full employment to get ahead; blue-collar production workers and communities built around factories; families who suffer from austerity-induced weak recoveries and under-funded safety nets, and who depend on a living wage to make ends meet. These groups are the casualties of faulty economics. In contrast, the benefits in every case accrue to the wealthy: highly educated workers largely insulated from slack labor markets, executives of outsourcing corporations, the beneficiaries of revenue-losing tax cuts that allegedly require austere budgets, and employers of low-wage workers. In this regard, there is a clear connection between each one of these mistakes and the rise of economic inequality. I cannot overemphasize the importance of recognizing who benefits and who loses from these economic mistakes, because that difference is why these mistakes persist. Every one of the wrong assumptions described here benefits conservative causes, from reducing the bargaining clout of wage earners, to strengthening the hand of outsourcers and offshorers, to lowering the labor costs of low-wage employers. These economic assumptions are thus complementary to the conservative agenda and that, in and of themselves, makes them far more enduring than they should be based on the facts. It is no coincidence that the assumptions are being so rigorously questioned by a new group of highly progressive politicians, like Rep. Ocasio-Cortez. They are making the critical connections in our political economy to challenge old assumptions that have hurt working people for too long. The vast majority of us will be better off for their work. (Jared Bernstein, vox.com)

Ein langer und in seiner Gänze lesenswerter Artikel. Spannend finde ich aber in jedem Fall die Schlussfolgerung. Wenn die Irrtümer der Wirtschaftspolitik grundsätzlich den Reichen helfen, ist das schon auffällig. Zu starke Lohnzurückhaltung? Hilft den Reichen. Zu niedrige Inflation? Hilft den Reichen. Nutzlose Steuerkürzungen? Helfen den Reichen. Ausgabenkürzungen bei den Sozialprogrammen? Helfen den Reichen. Und so weiter. Da werden einfach Annahmen hergenommen von einem Status Quo, der der jeweils herrschenden Elite dient. Das ist natürlich sehr bequem.

Bei sozialen Themen ist es interessanterweise dasselbe. Der Erhalt des jeweiligen Status Quo dient auch rein zufällig der aktuell privilegierten Schicht. Wenn nämlich der gegenwärtige Zustand quasi „natürlich“ ist oder die Obergrenze darstellt – ob das jetzt das Ausgabenniveau des Staats oder Frauenförderungspolitik ist -, dann profitiert davon, wer aktuell die Privilegien innehat.

Diese Schieflage ist jedem System inhärent, vom Kegelverein bis hin zum Nationalstaat. Es ist eine der grundlegenden Mechaniken, die Änderungen im Vergleich zum Stauts-Quo-Erhalt auch so schwierig machen, und, wie ich an dieser Stelle schon öfter angemerkt habe, einer der entscheidenden Gründe dafür, dass Konservative insgesamt so viel erfolgreicher im Gewinnen der Macht und im Regieren sowie Erhalten derselben sind.

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  • Ralf 27. Juli 2019, 10:35

    zu 10)

    der theory of change der radikaleren Linken. Diese geht immer – und in meinen Augen fälschlich – davon aus, dass radikale Änderungen nicht nur möglich, sondern die einzig möglichen sind.

    Wäre interessant mal gegenüberzustellen, wie viele fundamentale gesellschaftliche Veränderungen erfolgreich durch stetigen Wandel, basierend auf hunderten kleinen Kompromissen, zustande kamen und wie viele Veränderungen stattdessen bruchhaft durch radikale, konsequente Entscheidungen herbeigeführt wurden. Meine Vermutung ist, die „radikalere Linke„, wie Du sie nennst, liegt mit ihrem Ansatz historisch in der Mehrzahl der Fälle goldrichtig. Wobei der Begriff „radikalere Linke“ daneben liegt, denn z.B. die Schüler bei den Fridays For Future-Demonstrationen, die endlich mutige und bedeutende Schritte zur Bekämpfung des Klimawandels fordern, sind ja sicher keine „Linksradikalen“.

    Wenn wir mal in ein Geschichtsbuch schauen, ist kaum eine wirklich bedeutende Entwicklung je stetig in kleinen Schritten erfolgt. Die Transformation Deutschlands in eine demokratische Gesellschaft? Erzwungen durch einen Weltkrieg, im Anschluss an den die Alliierten den Besiegten von heute auf morgen ein neues Rechtssystem aufstülpten. Die Liberalisierung der Gesellschaft durch die 68er Bewegung? Erfolgt im Hauruckverfahren innerhalb weniger Jahre und begleitet von Massendemonstrationen, Radikalisierung und Terrorismus. Die Wiedervereinigung? Geschehen über Nacht, ohne eine wesentliche Phase der Annäherung. Auch in anderen Ländern sind wirklich bedeutende Veränderungen fast nie auf Basis vielzähliger Kleinkompromisse zustandegekommen. Man denke an den New Deal in den USA. Oder an die Reagan/Thatcher-Revolutionen. Oder weniger mondän bei uns zuhause die eher kleineren Felder des Atomausstiegs, der Aufnahme von 1 Million Flüchtlinge in 2015 oder die Transformation der SPD von einer sozialen in eine neoliberale Partei und damit die Zerstörung des Parteiensystems, das die Bundesrepublik mehr als 50 Jahre lang getragen hatte. All das kam schockartig. Von einem Moment auf den anderen. Und veränderte die Gesellschaft so schnell, so heftig, dass sich der politische Gegner nach einer Phase der Lähmung wiedererstarkt, nicht in der Lage sah die Entwicklungen zurückzudrehen.

    Was hingegen beim Versuch langsamer Veränderungen in Trippelschritten bei einem möglichen, angepeilten Erfolg Jahrzehnte später passiert, ist immer das gleiche. Gaaaanz laaaaangsaaaamer Atomaustieg bei Rot-Grün? Rückgängig gemacht durch den politischen Gegner, sobald der die Macht übernahm. Kompromisslösung Obamacare? Weitestgehend ausgehölt und unwirksam gemacht durch den politischen Gegner, sobald der die Macht übernahm. Klimaschutz im Schneckentempo? Auf das Verfehlen von Zwischenzielen wird stets mit dem Postulieren von noch ambitionierteren Zielen, aber zwei Jahrzehnte später zu erreichen, geantwortet. Bis die AfD irgendwann ans Ruder kommt und den in den Startlöchern steckengebliebenen Prozess vollständig abwürgt.

    • CitizenK 27. Juli 2019, 11:45

      Gegenbeispiel: Die Entwicklung vom autoritär-kapitalistischen Kaiserrreich zum Sozialstaat.

      Trippelschritte: Bismarcks Sozialgesetzgebung, Ausdehnung des Wahlrechts von Nur-Steuerzahlern zum allgemeinen Wahlrecht und schließlich sogar (!) für Frauen. Sozialhilfe statt kirchlicher oder kommunaler „Wohlfahrt“. Abschaffung des Schuldgeldes nach und nach in den 60er Jahren. Studienförderung erst rudimentär („Honnefer Modell“), dann Bafög. Keine „Aussteuerung“ bei der Krankenkasse nach 90 Tagen mehr, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Nur so als Beispiele.

      Gewiss: Zu wenig und zu langsam/zu spät. Die Mutlosigkeit und Zaghaftigkeit der Sozialdemokratie ist beklagenswert. Aber so ganz falsch ist die These doch nicht.

      • CitizenK 27. Juli 2019, 11:47

        „Schul“geld, natürlich.

    • Stefan Sasse 27. Juli 2019, 11:46

      Ich sehe was du meinst, aber: die erfolgreichen dieser ruckartigen Veränderungen waren halt auch durch lange Vorbereitung durch kleine Schritte überhaupt möglich. Die Demokratie in Deutschland etwa kam nach vielen Jahren kleiner Verbesserungen und Eingewöhnung. Es gibt praktisch kein erfolgreiches Beispiel, wo von null auf voll Demokratie kam. Und das gilt an vielen Stellen. Wenn jetzt Medicare for All kommt, dann gründet das auf den Erfahrungen mit Obamacare. Und so weiter. Wenn man genau hinschaut, sind diese Revolutionen häufig Endpunkte langer Entwicklungen und nicht plötzliche Umbrüche aus dem Nichts.

      • CitizenK 27. Juli 2019, 11:49

        Das gilt selbst für die Französische Revolution, Stichwort „Politische Theorien der Aufklärung“.

  • Ralf 27. Juli 2019, 14:05

    @ CitizenK @ Stefan Sasse

    Erfolgreiche gesellschaftliche Transformationen mögen manchmal in kleineren Schritten daherkommen, aber in der Regel ist unter den vielen kleineren Schritten ein Schritt, der ein Riesensprung ist und der absichert, dass die Entwicklung irreversibel ist. Gibt es diesen einen Riesensprung nicht, dann erwächst in der Regel recht schnell Opposition zu den Prozessen, weil jede Wandlung und/oder Anpassung eben immer auch Verlierer produziert. Diese Opposition mündet dann meist in einer Rückabwicklung des Fortschritts.

    Ein Beispiel wäre die Deutsche Einheit. Hätte man die, so wie Oskar Lafontaine das ja damals meines Wissens nach favorisiert hatte, ganz langsam in einem auf Jahrzehnte ausgelegten schrittweisen Anpassungsprozess angepeilt, wäre es sehr wahrscheinlich nie zu einem gemeinsamen deutschen Staat gekommen. Eine noch lose Allianz wäre schnell auseinandergebrochen, sobald dem Westen tatsächlich klar geworden wäre, welch enorme Summen da nach Osten transferiert werden und wieviel Wohlstand wir dadurch verlieren und sobald dem Osten tatsächlich klar geworden wäre, welch enorme Arbeitslosigkeit, Armut, Entvölkerung und Zusammenbruch ganzer Regionen ein Zusammengehen mit der wirtschaftlich soviel entwickelteren BRD bedeutet.

    Die einzige Chance, die Deutsche Einheit zu bewerkstelligen, war demnach der radikalst mögliche Schritt einer Wiedervereinigung über Nacht, solange den Bürgern die Konsequenzen noch unklar waren. Durch den überhasteten Zusammenschluss wurden politisch Fakten geschaffen. Die Union wurde irreversibel. Konflikte zwischen Ost und West konnten danach nur noch innerhalb des Paradigmas des vereinigten Deutschlands angegangen werden, nicht mehr außerhalb. (Das selbe wird im übrigen für den Zusammenschluss der EU zu einem Bundesstaat gelten).

    Und meiner Meinung nach kann nur so wirklich fundamentaler Fortschritt geschehen.

    Und ja, die deutsche Einheit kann man natürlich auch als ein Sammelsurium von kleinen Schritten und vielen Kompromissen betrachten. So ist etwa die Rentenangleichung zwischen Ost und West immer noch nicht abgeschlossen, obwohl sie seit Jahren in Trippelschritten vorankommt. Aber die Nacht der Wiedervereinigung war eben der eine, einzig wirklich bedeutende Riesenschritt, der den permanenten Erfolg der Einheit absicherte. Nachdem die Entwicklung durch diesen mutigen Schritt voran irreversibel gemacht worden war, konnten die vielen kleineren Problembaustellen in Deutschland nach und nach mit Kompromissen angegangen und gelöst werden.

    • Stefan Sasse 27. Juli 2019, 16:26

      Die deutsche Einheit funktioniert für mich als Analogie nur bedingt. Lafontaine hat sich damals in die Tasche gelogen. Seine Alternative war nur bewerkstelligbar, wenn die Mauer stehenbleibt. Das Szenario war nicht „zwei deutsche Staaten oder deutsche Einheit“, sondern „deutsche Einheit oder Zusammenbruch der DDR und Flüchtlingswelle“. Letzteres war der Albtraum, unter dem Kohl operierte und den er zu verhindern suchte. Die Einheit war ein konservatives Projekt, sie versuchte mindestens so viel zu verhindern wie herzustellen. Ich denke, dass Kohl die Spielräume damals absolut korrekt eingeschätzt hat und Lafontaine sehr, sehr falsch. Aber dieser Riesenschritt konnte nur unter den Bedingungen einer gigantischen Krise vollzogen werden, und auf so was hoffst du ja sicher für deine Lieblingsprojekte nicht.

      Nimm mal die Agenda2010: die war unzweifelhaft ein großer Schritt, aber sie wäre niemals möglich gewesen ohne die Trippelschritte der sechzehn Jahre Kohl zuvor und das permanente kleinteilige Bohren des Bretts der öffentlichen Meinung. Ebenso kam die Reformpolitik der 1970er Jahre nicht aus dem Nichts.

      • Ralf 27. Juli 2019, 17:07

        Aber dieser Riesenschritt konnte nur unter den Bedingungen einer gigantischen Krise vollzogen werden, und auf so was hoffst du ja sicher für deine Lieblingsprojekte nicht.

        „Hoffen“ ist der falsche Ausdruck. Aber ja, ohne eine gigantische Krise wird keines meiner Lieblingsprojekte vorangehen. Es gibt z.B. nicht den Hauch eines Grundes anzunehmen, dass in Sachen Klimapolitik jenseits von großen Reden und wolkigen Zielvorgaben jemals irgendetwas Signifikantes passieren wird, ohne eine konkrete Krise, die sich zur globalen Katastrophe auszuweiten droht. Auch mit der EU wird es nur vorangehen, wenn die Handlungsfähigkeit der Nationalstaaten für alle sichtbar ein ums andere Mal versagt und wir von den Amerikanern und Chinesen soweit an die Wand regiert werden, dass unsere Freiheit und unser Wohlstand wegbrechen. Auch eine wirklich signifikant höhere Belastung für Wohlhabende wird es nur geben, wenn immer mehr hart arbeitende Menschen merken, wie sehr sie von einer winzigen Elite Superreicher ausgepresst und ausgelacht werden und die Angst vor dem eigenen Abrutschen bis hin zur Panik wächst.

        Kurzum. Nur in fundamentalen Krisen ändert sich jemals die Gesellschaft in fundamentaler Art und Weise. Eine schrittweise, nicht erzwungene Anpassung selbst an klar definierte und Jahre im voraus bekannte Probleme findet praktisch nie statt. Oder weshalb sind wir nicht bereits viel weiter bei der Bekämpfung des Klimawandels? Oder beim Breitbandausbau? Oder in der Elektromobilität?

        Immer muss man bis zur Katastrophe warten, bis irgendwas passiert. Der Bildungssektor brauchte Pisa. Der Atomausstieg brauchte Fukushima. Die Einwanderungspolitik den Ansturm von Millionen Flüchtlingen. Der Klimawandel einen (jetzt wiederholten) Rekorddürresommer. Die Wirtschaft die Bankenkrise. Die EU den Fastbankrott der PIIGS-Staaten. Brauchst Du noch mehr Beispiele?

        Nimm mal die Agenda2010: die war unzweifelhaft ein großer Schritt, aber sie wäre niemals möglich gewesen ohne die Trippelschritte der sechzehn Jahre Kohl zuvor und das permanente kleinteilige Bohren des Bretts der öffentlichen Meinung.

        Das ist eine unbewiesene Behauptung. Die öffentliche Meinung kann sich ohne Probleme innerhalb weniger Tage ändern. Denk an Fukushima. Denk an den schlagartigen Meinungsumschwung während der Flüchtlingskrise. Denk an den armen Guido Westerwelle, der von den selben Medien, die seine Verbalausfälle jahrelang beklatscht und befördert hatten, urplötzlich für seine Bemerkung zur „spätrömischen Dekadenz“ vernichtet wurde und überhaupt nicht wusste, wie ihm geschah. Denk an das Klimathema, das dieses Jahr über Nacht mit Greta Thunberg zu uns kam.

        Wichtig ist, dass wenn sich etwas ändern soll, ein Thema, das aus dem Nichts kommt, plötzlich zentral in Wahlen wird. Um das zu erreichen, muss es zu einem perfekten Sturm kommen. Dann gibt es anschließend ein winziges Zeitfenster, innerhalb dessen radikaler Wandel möglich ist. Und wenn sich dieses Fenster geschlossen hat, ist jede Hoffnung darauf, das Thema wieder zu beleben, verloren. Denn dann wird in den Medien schon die nächste Sau durch’s Dorf getrieben. Die Aufmerksamkeit schwindet. Und man landet wieder beim Business As Usual.

        Und insofern: Für die Agenda2010 brauchte es keinen Kohl und permanentes kleinteiliges Bohren und 16 Jahre Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Was es brauchte, war der stählerne Wille seine eigene politische Zukunft und die Zukunft seiner Partei zu opfern für einen Einschnitt so radikal, wie ihn die Republik zuvor noch nie erlebt hatte. Was es brauchte war Schnelligkeit, um den politischen Gegner zu überrumpeln und im Sturm zu vernichten, bevor der sich gruppieren und eine schlagkräftige Opposition bilden konnte. Politische Fakten zu schaffen, hinter die, die eigene Partei nicht mehr zurück konnte und alle Brücken hinter sich abzubrechen.

        So und nur so geschieht fundamentaler Wandel. Zum Guten wie zum Bösen.

        • Stefan Sasse 28. Juli 2019, 09:12

          Was mir Bauchschmerzen an dieser Argumentation bereitet ist, dass auf Krisen zu warten, zu hoffen oder sie ultimativ vielleicht sogar herbeizuführen (wie es die GOP in den USA tut) um die gewünschten Änderungen zu kriegen ein Spiel mit dem Feuer ist. Und viel nachhaltiger ist das auch nicht zwingend. Aber ich wäre sehr daran interessiert, diese Diskussion in einem eigenen Rahmen zu führen. Hättest du Lust das als Artikel aufzuschreiben, oder ein Schreibgespräch dazu zu führen?

          • Ralf 28. Juli 2019, 21:11

            @ Stefan Sasse

            Aber ich wäre sehr daran interessiert, diese Diskussion in einem eigenen Rahmen zu führen. Hättest du Lust das als Artikel aufzuschreiben, oder ein Schreibgespräch dazu zu führen?

            Schon geschehen und sollte in Deinem Email-Postfach sein … 😉

        • Stefan Pietsch 28. Juli 2019, 19:10

          Der Punkt, warum Ihre Lieblingsprojekte nicht vorangehen, ist, dass es dafür keine Mehrheiten gibt. Sie behaupten, es ginge nur um Einsichten, dabei schauen Sie sich Ihre Beispiele gar nicht genau an.

          Sie minderachten die Einigungsbestrebungen, weil Sie Ihre große Revolution nicht sehen. Beim Klimaschutz gibt es sowohl starke Bestrebungen zur Einigung als auch Erfolge. Die USA, nach China der größte Verursacher von Treibhausgasen, das Land der Trucks und Klimaanlagen, hat die größten Schritte zur Reduzierung gemacht. China stellt auf Elektromobilität um und führt einen Zertifikatehandel ein. Ja, das reicht alles bei weitem nicht, aber nur so geht es. Sie dagegen wollen angeblich die Zusammenarbeit und fordern bei jeder Gelegenheit nationale Alleingänge. Das besitzt keine Logik.

          Zu Ihren Beispielen: Für die Wiedervereinigung gab es immer große Mehrheiten auf beiden Seiten der innerdeutschen Grenze. Nur stand dagegen ein diktatorisches Regime, dass es zu überwinden galt. Das passierte, doch es passierte überall im Ostblock, so wie zwei Jahrzehnte später in den arabischen Staaten am Mittelmeer. Hier musste niemand „überzeugt“ werden.

          Fukushima war vor allem ein Tsunami. Er änderte keine Mehrheiten, nicht einmal in Deutschland. Nur die politischen Entscheidungsträger bekamen es mit der Angst. Aber: es blieb singulär, kein anderes Land schloss sich der deutschen Radikalität an. Und gleichzeitig schadete der Ausstieg dem größeren Ziel, dem Klimaschutz. Die Emissionen nahmen seit dem wieder zu, während das Land unsinnige Milliarden in die Förderung erneuerbarer Technologien pumpte. Man kann sagen: wir Deutschen wissen vor allem, wie viele Dinge nicht gehen.

          Auch für die Arbeitsmarktreformen gab es Mehrheiten. Das Land war mürbe, seit Jahrzehnten stieg die Sockelarbeitslosigkeit, während Kleingewerbetreibende und Handwerker verzweifelt Arbeitskräfte suchten. Auch hier war kein Land so erfolglos und die meisten wussten, so konnte es nicht weitergehen. So diskutierten wir 15 – 20 Jahre Maßnahmen und als die nächste Wirtschaftskrise kam, gab es den politischen Willen und die Kraft, Maßnahmen tatsächlich umzusetzen. Nur, den gleichen Impuls gibt es immer wieder in Politikfeldern. 1994 / 1995 gab die Bareis-Kommission den Impuls, das Einkommensteuersystem anzugehen und umzubauen. Es scheiterte 1997 vorerst durch politische Blockade eines Mannes, der in der Nachkriegsgeschichte ohnehin meist nur „Nein“ sagen konnte: Oskar Lafontaine.

          Sie können auch die Familienpolitik nehmen oder viel früher die Legalisierung von Abtreibungen etc. In einer Demokratie geschehen Veränderungen meist evolutionär. Das mag Ihrem revolutionären Geist nicht passen, aber das ist der zivilisierte Umgang. Diktaturen benötigen Revolutionen. Möchten Sie lieber in einer leben, um Revolution machen zu können?

          Sowohl die USA als auch China gründen ihre Macht auf ihrer ökonomischen Potenz. Deren System fördert die Bildung von Einkommens- und Vermögenseliten, während sozial Benachteiligte oft unter die Räder kommen. Doch diese Härte im Ausleseprozess macht diese Länder so stark. Dazu kommt ihre militärische Macht, die Bereitschaft, kontinuierlich Teile des Erwirtschafteten für Verteidigung auszugeben. Nichts von alledem schwebt Ihnen vor, Sie treten für das genaue Gegenteil ein. Ihre Vorstellungen sind von humanitären und sozialen Motiven getrieben. Aber das macht Nationen nicht stark. Sie sind da nicht ehrlich.

          Polen, Tschechien, Irland, auch Österreich wollen keinen weltpolitischen Einfluss. Sie waren immer klein und – mit Ausnahme von Felix Austria – immer Spielball von Großmächten. Die heutige EU ist das beste, was ihnen passieren konnte. Das erste mal sind sie weitgehend geschützt, man achtet ihren Minderheitenstatus, überstimmt sie nicht einfach und ihre Interessen. Für Deutschland, Frankreich, Italien, mit Abstrichen auch Spanien ist es wichtig, über die EU weltpolitische Geltung zu erringen und zu erhalten. Deren Repräsentanten waren und sind regelmäßig auf internationalen Konferenzen und Gremien wie der G7, sogar im UN-Sicherheitsrat. Aber warum sollte das für die Menschen im Baltikum oder in Finnland wichtig sein, dass die EU gleichberechtigter Partner mit den USA und China sein sollte? Selbst in Brüssel zählt ihre Meinung nur, wenn sie sich an einen der großen Lager hängen.

          Also, wenn Sie schon aus der Perspektive anderer argumentieren, dann ziehen Sie sich deren Schuhe an und bleiben nicht in den deutschen Bombeln, mit denen Sie schon hier eher Außenseiterstatus haben. 😉

          • CitizenK 28. Juli 2019, 20:30

            „unsinnige Milliarden in die Förderung erneuerbarer Technologien pumpte. Man kann sagen: wir Deutschen wissen vor allem, wie viele Dinge nicht gehen.“

            Ihr ständiges Argument: Solarenergie in Deutschland ist unsinnig, weil hier die Sonne nicht genug scheint. In den Niederlanden scheint so noch seltener. Trotzdem bauen unsere Nachbarn mit Hochdruck nicht nur Straßen und Radwege mit Solarzellen, sondern auch das erste Solarzellen-Auto.

            Die Niederländer gelten als nüchterne Geschäftsleute. Warum tun die dann das?

            • Stefan Pietsch 28. Juli 2019, 21:31

              Schön, Sie demonstrieren, was denn Unterschied zwischen einem in der Wolle gefärbten Linken und einem liberalen Rechten ausmacht. Für den Linken zählt die gute Absicht, das Ergebnis ist zwar miserabel bis grottenschlecht, aber der Wille zählt. Ich bin eher an Ergebnissen interessiert.

              Deutschland hat die höchsten Strompreise in Europa trotz vorbildlicher EEG-Förderung, Atomausstieg und vielen Solarzellen auf den Dächern Wohlhabender. Auf der Habenseite für den Klimaschutz steht, warten Sie mal – nichts. Was die Energiewirtschaft an Einsparungen erzielt hat (17%) hat sich wahrscheinlich allein mit Cap & Trade erreichen lassen – ohne teure Preissubventionen.

              Dass Sie das als gut beurteilen, kann ich halt nur darauf zurückführen, dass Sie eben ein Linker sind. 🙂

              • CitizenK 28. Juli 2019, 21:48

                Könnten Sie, bitte, ausnahmsweise mal auf den Punkt antworten? Konkret: Halten Sie die Niederländer, weil sie noch mehr auf Solarenergie setzen, für noch dümmer als die Deutschen?

                Da Sie doch „an Ergebnissen interessiert“ sind: Die wirtschaftlichen Ergebnisse in NL sprechen eher nicht dafür.

                • Stefan Pietsch 28. Juli 2019, 22:01

                  Der Punkt ist, dass Sie den Punkt offensichtlich nicht erkennen: Der Staat ist denkbar ungeeignet, die notwendigen Mittel für ein zu erreichendes Ziel zu bestimmen. Das ist nicht seine Aufgabe.

                  Fakt ist, höhere zweistellige Milliardenförderungen von Solar und Wind haben uns nicht das Geringste gebracht. Zu dieser Einsicht müssten Sie eigentlich längst gekommen sein, als darauf zu beharren, das müsse doch irgendwie vernünftig sein, schließlich wird das am Ort X ja auch praktiziert und Herr Prof. Dr. Linx hat das auch gesagt.

                  Fakt ist, Deutschland befindet sich mit der Energiepolitik, welche Rot-Grün maßgeblich konzipiert hat, in einer sehr tiefen Sackgasse. Kein anderes Land, unsere netten Niederländer eingeschlossen, hat sich so tief in den Mist reinmanövriert.

                  Erfolg beginnt mit ehrlicher Manöverkritik. Und solche Fragen, halten Sie jene für – was auch immer -gehört definitiv nicht dazu. Manöverkritik bedeutet, sich ehrlich zu machen: wo stehen wir, was ist uns bisher gelungen, was misslungen, wie ist der Abgleich mit unserem Plan. Schließlich hilft es der Deutschen Bank auch nicht, auf die Kollegen von Goldman Sachs zu verweisen, die wären schließlich mit Investmentbanking höchst erfolgreich. Das wäre dann Ihre Methode.

                  • CitizenK 29. Juli 2019, 12:08

                    Sorry, der Punkt war: Ist die Entwicklung der Solartechnik in einem Land mit der Sonneneinstrahlung von D sinnvoll oder nicht. Sie sagen immer wieder: NEIN, das sei Unsinn.

                    Wenn man das anders sieht (und damit bin ich nicht allein), weil die Kosten je Kilowattstunde drastisch sinken und die Anwendungsmöglichkeiten durch neue Materialien vielfältiger werden, kommt man zu einem anderen Ergebnis.

                    In NL ist es ja nicht nur der Staat, sondern es sind vor allem UNTERNEHMER (!), die darauf setzen. Die mit Risikokapial Tesla herausfordern. Das müsste doch nach Ihrem Geschmack sein. Und ich bat Sie um eine Einschätzung, warum die das wohl tun. Das war der Punkt.

                    Ob die Energiewende in D gut oder nicht gut gemanaged wurde und wird, ist eine andere Frage. Sie wissen so viel und schreiben so gut: Warum weichen Sie hier aus?

                    • Stefan Pietsch 29. Juli 2019, 12:29

                      Wissen Sie einiges über die politischen und ökonomischen Verhältnisse in unserem Nachbarland? Ich nicht. Vor 10 Jahren war es auch außerordentlich lukrativ, einen getarnten Panzer als Automobil auf der Straße zuzulassen. Das Ding nannte sich Hummer. War zwar in jeder Hinsicht unwirtschaftlich, aber dennoch ein höchst erfolgreiches Produkt.

                      Ich weiß nicht, warum Menschen bestimmte Dinge tun. Ich glaube jedoch nicht, dass die Niederländer vorhaben, mit Solar einen wesentlichen Teil ihres Energiebedarfs zu decken. Falls Sie andere Informationen haben, würde mich das interessieren. Und da ich es nicht weiß und keine sinnvolle Antwort auf Ihre Frage geben kann und da ich eigentlich vermute, dass Sie das auch geahnt haben – stellt sich die Frage: worauf wollen Sie eigentlich hinaus? Denn eigentlich kann ein diskutabler Sachverhalt doch nur so aussehen: In den Niederlanden verbreiten sich Solarpanele derart rasant, dass dieser kleine Küstenstreifen in 10 Jahren fähig ist, seinen Energiebedarf zu 40% (wahlweise 50% oder 60%) aus Sonnenenergie zu decken. Warum machen wir so etwas nicht in Deutschland?

                      Das Problem dabei: das ist wahrscheinlich eine absurde Prämisse.

                    • Stefan Sasse 29. Juli 2019, 13:59

                      Komisch, wenn es in deine Argumentationsmuster passt, weißt du immer sehr genau, warum Menschen bestimmte Dinge tun.

              • Stefan Sasse 29. Juli 2019, 10:34

                Wehe du beklagst dich noch ein einziges Mal über „links“ und „rechts“ Label. Echt ey…

                • Stefan Pietsch 29. Juli 2019, 10:37

                  Tue ich doch gar nicht, Stefan. Ich finde solche Etiketten manchmal sehr hilfreich. Schließlich spielen wir auch Fußball und andere Teamsportarten mit klarer Trikotzuordnung und nicht alle in leichtem Grau.

                  Nur sollte man die Trikotfarbe schon erkennen können…

  • Glaukon 28. Juli 2019, 08:52

    2), 4)
    Meiner Meinung nach müsste in der Causa Maaßen noch viel stärker die Rolle von Hans-Peter „Supergrundrecht“ Friedrich beleuchtet werden, der Maaßen überhaupt erst ins Amt des Verfassungsschutzpräsidenten gebracht hat, und zwar ausgerechnet als Reaktion auf das große NSU-Aktenshreddern.

  • Dennis 29. Juli 2019, 11:38

    zu 3):

    Hmmm, der Anwalt Seehofers bzw. der CSU hat das Wort. Wenn ich das wäre, würd ich etwa so argumentieren:

    Im Freistaat ist seit gefühlt ewigen Zeiten, d.h. natürlich insbesondere auch weiland unter Franz-Josef, die Landespolitik keynesianisch-korporatistisch mit reichlich Sozialpolitik geprägt – insoweit das auf Landesebene so geht, d.h. natürlich begrenzt. Laisser-faire is keineswegs beliebt, nicht nur gesellschaftspolitisch nicht, mit FDP-Vorstellungen auch die „Wirtschaft“ betreffend hat man traditionell nicht viel am Gamsbart-Hut. Für Franz-Josef war die FDP im Übrigen stets der Feind Nr. 1, noch vor den Sozis.

    Namentlich der Sozialpolitik wegen beißt sich die SPD seit immerhin 65 Jahren an den Verhältnissen die Zähne aus. Seitdem erneuern die sich in der Opposition, diverse Erneuerer liegen längst auf dem Friedhof, woran man sieht, dass diese Art von Erneuerung nicht zwingend zu guten Ergebnissen führen muss, aber das ist ja ein anderes Thema.

    Zitat Stefan Sasse:
    „und großspurig die Versäumnisse anprangert, an deren fortdauerndem Bestehen er, was, 40 Jahre lang aktiv mitgearbeitet hat?“

    Die CSU is nu mal nur in Bayern wirklich zuständig und die sozio-ökonomischen Daten im Freistaat sind nicht die schlechtesten; in vielfacher Hinsicht eher die besten^. Auch die Flüchtlinge anno 2015 konnten ganz froh sein, (Polemik Anfang) dass sie der geografischen Gegebenheiten wegen nicht primär im inkompetenten Sauhaufen Berlin anlanden mussten (Polemik Ende).

    Seehofer seinerseits weist noch heute darauf hin, dass alle CDU-Beschlüsse des berüchtigten Leipziger Parteitages abgebogen und letztlich versenkt wurden. Ganz anders als Merkel hat er diese Art von Ideen nachweislich zu keinem Zeitpunkt bejubelt. Am Versenken hat er durchaus mitgewirkt, dabei den Begriff „neoliberal“ gerne als Schimpfwort benutzend.

    Da wir schon mal bei Interviews sind: Zitat Seehofer in einem Interview mit der WELT:

    „Kopfpauschale und gleicher Krankenversicherungsbeitrag für den Vorstandsvorsitzenden und seinen Fahrer, Bierdeckel-Steuerreform und einheitliche Steuersätze für die Krankenschwester und für den Chefarzt. Die CDU hat all dies auf einem Parteitag in Leipzig beschlossen. Nichts von all diesen Vorhaben sei in der Praxis umgesetzt worden. Und das ist ein großer Erfolg für die Menschen in Deutschland, auch mein Erfolg. “

    So schaut’s aus. Natürlich identifiziert sich ein Anwalt nicht mit seinem Mandanten.

    zu 5)

    Der eigentliche Bösewicht in dieser Sache ist nu mal die durch Schuldenpolitik initiierte Asset-Inflation. Man kann insoweit entwarnen: Wenn die Schuldenkartenhäuser zusammenbrechen fällt auch das weg und alles wird wieder gut.

    Zu 7 )
    Alles richtig. In Sachen Schulden ist offizielle Ideologie genauso uninteressant wie in Sachen Sex.

    • Stefan Sasse 29. Juli 2019, 13:56

      3) Ich bezog mich auf die Bundespolitik. Für Bayern magst du recht haben, da kenne ich mich wenig aus.

    • Erwin Gabriel 31. Juli 2019, 10:44

      @ Dennis 29. Juli 2019, 11:38

      zu 3

      Danke!

      Habe ich hier auch schon des öfteren geschrieben, dass die CSU eine Zuhör- und Kümmerer-Partei und durchaus auch eine Partei der kleinen Leute ist, und dass das abweichende „S“ im Namenskürzel seine Berechtigung hat.

  • R.A. 29. Juli 2019, 15:30

    „Eco-anxiety“ ist so eine religiöse Modewelle, die kommt immer wieder mal. So eine Art geistige Wohlstandsverwahrlosung – weil sie letztlich nur auf gefühlter Realität fundiert und die jeweilige Basis (aktuell: Klima) nicht wirklich reflektiert wird.
    Schon die „fin-de-siècle“-Stimmung vor dem ersten Weltkrieg paßt da rein, in den letzten Jahrzehnten hatten wir schon mehrere Wellen dieser Art.

    Und der wesentliche Unterschied zu echter Sorge wegen echter Probleme sind groteske Übertreibungen à la „in diese Welt kann man keine Kinder setzen“. War immer falsch.

    Wie gesagt: Ein Wohlstandsphänomen. Wenn es denn Leuten dagegen wirklich dreckig geht und die Zukunft absolut schlecht aussieht (z. B. 1945-1948) – da philosophiert niemand darüber, ob man in diese Welt Kinder setzen dürfe.

    3.) Was doch auffällig ist: Wir haben einen extrem starken Staat, der über 50% des Volkseinkommens verwendet und sich massiv in alle Lebensbereiche einmischt. In den meisten europäischen Staaten ist der Staat deutlich schwächer.
    Und trotzdem gibt es diese heftigen Defizite.
    Ob da „more of the same“ wirklich das richtige Rezept sein kann?
    Irgendwie fehlt mir der Glaube, daß die nächsten 10 Milliarden Steuermehreinnahmen dann plötzlich in Infrastruktur und Internet gesteckt werden würden – nachdem das mit den 100 Milliarden Mehreinnahmen der letzten 10 Jahre nicht passiert ist.

    5.) Es gibt kaum eine Steuer die so ungerecht und illegitim ist wie die Vermögenssteuer. Man kann 100% Erbschaftssteuer fordern oder sehr hohe Einkommenssteuern – dafür kann es noch Argumente geben, die irgendwie gerecht sind.
    Aber wenn jemand alle diese Steuern bezahlt hat und nun den verbliebenen Rest seines Einkommens nach eigenen Wünschen verwenden will – dann ist es zynisch und fies wenn der Staat ein Jahr später wiederkommt und sagt: „Wie, Du hast Dein Geld angespart anstatt es zu versaufen – dann nehme ich Dir noch zusätzlich etwas davon weg“. Und nächstes Jahr dann wieder.

    8.) Völlig richtig, ein Verteidigungsminister muß nicht gedient haben und er ist Vorgesetzter der Armee und nicht Betriebsratsvorsitzender.
    Trotzdem wünscht man sich (nicht nur in diesem Ministerium) ein Minimum an Fachkunde und Respekt. Es muß nicht Tauber sein (den ich aus anderen Gründen nicht für geeignet halte), aber vdL und AKK sind schon krasse Fehlbesetzungen.

    • Stefan Sasse 29. Juli 2019, 19:20

      Ich glaube da liegst du sehr falsch. Aber das werden wir in den kommenden Jahren ja sehen.

    • Erwin Gabriel 31. Juli 2019, 10:32

      @ R.A. 29. Juli 2019, 15:30

      Ich glaube, da liegen Sie sehr richtig.

  • Cimourdain 29. Juli 2019, 18:29

    2/4) Die Misere sollte man nicht allein auf die Personalie Maaßen reduzieren. Ich sehe ihn als Symptom für drei andere Probleme: Die Einseitigkeit der Geheimdienste nach ‚links‘ ( wie von dir beschrieben), den Zwischenstatus der Verfassungsschutzämter zwischen (rechenschaftspflichtiger) Behörde und (klandestin arbeitendem) Geheimdienst ( Gesehen beim ersten NPD-Verbotsverfahren) und den problematischen Trend, Spitzenbeamte zu Personen des öffentlichen Lebens zu machen, wie die politische Positionierung Sommers als ‚Hardliner‘ beim BAMF oder auch die aktuellen Intrigen bei der Arbeitsagentur.

    5) Bei aller Offenheit für Substanzsteuern: Diese Argumentation ist in mehrfacher Hinsicht verhängnisvoll: Sie befriedigt den (populistischen) Wunsch nach einer ‚Strafsteuer‘, weil ‚die Reichen sowieso Steuern vermeiden‘ und wirft damit die ehrlichen Steuerzahler mit den halb- und unehrlichen in einen Topf. Ja schlimmer noch, sie verkennt völlig, dass genau diejenigen, die die Einkommensteuer mit ‚grauen‘ oder ‚schwarzen‘ Methoden vermeiden, mit derselben Energie auch die Vermögenssteuer vermeiden werden. Zum anderen blockiert sie durch das defätistische „Dann kriegen wir sie eben bei der Vermögenssteuer“ eine bessere Erhebung der Einkommensteuer im oberen Bereich.

    8) Gerade bei Technologieunternehmen sind häufig genug Vorstandspositionen mit Ingenieuren besetzt. In der Politik wird immer wieder Kritik an den reinen ‚Machtexperten‘ laut. Und jetzt möchtest du diese ‚Parteikader‘ als Ideal hinstellen?

    11) Diese Schlussfolgerung „Reiche setzen ‚Ihre‘ Politik gegen Arme durch“ war genau eine der vom Kabinett gestrichenen Passagen des fünften Armuts- und Reichtumsberichtes. Auch im OXFAM-Bericht wird dieser Punkt regelmäßig kritisiert.

    • Stefan Sasse 29. Juli 2019, 19:22

      2/4: Kein Widersprich.
      5) Ich dachte genau darum ging es?
      8) Ne, ich warne nur vor der Glorifizierung von Seiteneinsteigern.
      11) Ja.

    • Erwin Gabriel 31. Juli 2019, 10:39

      @ Cimourdain 29. Juli 2019, 18:29

      Die Misere sollte man nicht allein auf die Personalie Maaßen reduzieren. Ich sehe ihn als Symptom für drei andere Probleme: Die Einseitigkeit der Geheimdienste nach ‚links‘ ( wie von dir beschrieben), den Zwischenstatus der Verfassungsschutzämter zwischen (rechenschaftspflichtiger) Behörde und (klandestin arbeitendem) Geheimdienst ( Gesehen beim ersten NPD-Verbotsverfahren) und den problematischen Trend, Spitzenbeamte zu Personen des öffentlichen Lebens zu machen, wie die politische Positionierung Sommers als ‚Hardliner‘ beim BAMF oder auch die aktuellen Intrigen bei der Arbeitsagentur.

      Es scheint mir grundsätzlich so zu sein, dass sich potentielle Mitarbeiter mit politisch ‚linker‘ oder ‚grüner‘ Vorspannung von Themenbereichen wie Bundeswehr, Polizei, Geheimdienste nicht gerade angezogen fühlen. Das führt automatisch dazu, dass diese Bereiche eine recht konservative, teils stramm rechts wirkende Ausrichtung haben. Das liegt in der Natur der Sache, und ist deshalb nichts, was man diesen Institutionen explizit vorwerfen kann.

  • Erwin Gabriel 31. Juli 2019, 10:29

    @ Stefan Sasse on 27. Juli 2019

    Zu 3)

    Ich hatte kein Ahnung, über was für visionäre Typen die CSU verfügt.

    Hast Du immer noch nicht.

    … so lächerlich ist es, dass er diese Ideen gerade jetzt entdeckt, wo er seine Ämter los ist, und großspurig die Versäumnisse anprangert, an deren fortdauerndem Bestehen er, was, 40 Jahre lang aktiv mitgearbeitet hat?

    Dir sollte klar sein, dass man von außen anders auf die Dinge schaut als von innen. Es ist eine Sache, zu erkennen und frei von der Leber weg zu sagen, was getan werden muss (das können wir ja alle hier ganz gut). Eine andere Sache ist es, diese Dinge im Politikbetrieb mit seinem Zwang zum Kompromiss, mit den Beschränkungen durch Budget, Koalitionspartner etc. umzusetzen.

    Ansonsten schau dir Heiner Geißler oder Norbert Blüm an: Geißler war früher der schlimmste, menschenverachtendste Hetzer in der CDU, und ist nun deren größter „Gutmensch“, der nun mit mild-grünem Lächeln jeder denkbaren Öko-Idee frönt. Der treuherzige Norbert Blüm hat für ein gutes Wahlergebnis wider besseren Wissens Stein und Bein geschworen, dass „die Rente sicher“ sei. Jetzt sorgt er sich, was das Zeug hält, und wirft allen und jedem, die es so gemacht haben wie er, Versäumnisse vor.

    … statt in Hans-Eichel-Gedächtnispose die Einhaltung der Schwarzen Null zu fordern …

    So sehr ich bei einigen Ländern verstehen kann, dass sie Schulden machen, so wenig verstehe ich das hier in Deutschland. Es wird bereits so irre viel Geld ausgegeben, und Jahr für Jahr kommt mehr ins Säckel, dass das reichen MUSS. Arbeitsfähige Bundeswehr, funktionierende Infrastruktur, Bildung etc. wären alle problemlos mit den aktuellen Einnahmen machbar, wenn nicht JEDE Regierungspartei die Gelegenheit nutzen würde, ihre Wähler-Klientel zu schmieren.

    Zu 4)

    Es ist nicht sonderlich überraschend, dass der Mann beim Erklimmen der Karriereleiter vor allem auf rechtsgerichtete Karrierenetzwerke baute und weniger auf die Qualität seiner Leistungen, aber das ist in dem Milieu ja Gang und Gäbe.

    In welchem „Milieu“ denn nicht?

    Da wird das Studium zwar durchgezogen, aber Papas Kontakte, Geldbeutel und der von Haus aus mitgebrachte Habitus zählen mehr als jede Eigenleistung. …

    Ist Dir klar, dass Du hier mal wieder nur populistische Stammtischparolen raushaust?

    Zu 8)
    Hinter dem Wunsch verstecken sich zwei falsche Annahmen. Die erste: Wer das Verteidigungsministerium führe, müsse die Interessen der SoldatInnen vertreten.

    Das ist nicht die einzige Aufgabe, aber doch wohl eine sehr wichtige.

    Er dürfe Verfehlungen der Armee nicht zu harsch kritisieren – auf keinen Fall so, wie es von der Leyen tat, als sie der Bundeswehr wegen des laschen Umgangs mit Rechtsextremen ein Haltungsproblem vorwarf.
    Er/Sie sollten aber auch nicht aktiv gegen die SoldatInnen vorgehen.
    Für den Aufwand, den Frau von der Leyen betrieb, um einen relevanten Rechtsextremismus in der Bundeswehr nachzuweisen, waren die Ergebnisse überaus dürftig. Dass sie das gegen besseres Wissen anders kommunizierte, und dass sie alle Angriffe auf ihre Untergebenen mit aller Öffentlichkeit und mit maximaler Publikumswirksamkeit vollzog, während sie selbst äußerst empfindlich auf Kritik aus der Bundeswehr reagierte, zeigt, dass sie das Haltungsproblem hatte.

    Tatsächlich ist der Verteidigungsminister aber Verteidigungsminister der Bundesrepublik und nicht Verteidigungsminister der Bundeswehr.
    Wenn eine Verteidigungsministerin aktiv und nachhaltig die Moral der eigenen Truppe schädigt, sie öffentlich bloßstellt, alle SoldatInnen unter pauschalen Verdacht stellt, ist vielleicht dem Geltungsbedürfnis und der Kunst der Selbstdarstellung Genüge getan, nicht aber der Verteidigungsbereitschaft des Landes.

    Die zweite falsche Annahme: Nur wer selbst gedient hat, kann die Bundeswehr verstehen …

    Das ist höchstwahrscheinlich richtig.

    … und politisch führen.

    Das ist höchstwahrscheinlich falsch.

    Zu 9)

    Dies liegt, denke ich, an der Abkapselung ihrer Anhänger.

    Da stimme ich grundsätzlich zu. Ich habe schon 2015 befürchtet, dass diese Entwicklung eintreten wird, wenn man auf die Sorgen der Leute nicht eingeht, sie stattdessen als rechtsextrem abstempelt und ausgrenzt. Das ist jetzt so gekommen. Viele von denen sind ‚verloren‘.

    Zu 10)
    … dass ich die Zähmung des Kapitalismus durch den Staat für essenziell halte, aber gleichzeitig keinesfalls mehr als eine Zähmung will. Ich denke, dieser Zusammenhang zwischen Sozialstaat auf der einen und Demokratie auf der anderen Seite wird viel zu wenig betont.

    Zustimmung.

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