Warum Hillary verlor, Teil 1: Einführung

logo_general_fin_webIch habe lange gezögert, ob ich diesen Artikel schreiben soll. War nicht irgendwie eh alles zum Wahlkampf 2016 gesagt? War der Trump-Sieg nicht als ziemliche Blamage gekommen, angesichts der intensiven und Analysetätigkeit, die ich im Wahlkampf hier im Blog an den Tag gelegt habe? Das ist natürlich korrekt, und HRCs Niederlage hat mich und mein Selbstvertrauen auch nachhaltig erschüttert. Aber dann stolpert man über Tweets wie diesen:

Und ich sehe, dass in der Aufarbeitung von 2016 offensichtlich noch viel zu tun ist. Denn solcher Unfug gilt inzwischen leider weithin als „common sense“. Ein falsches Narrativ (die Unausweichlichkeit eines Clinton-Siegs) durch ein anderes falsches Narrativ (die magische Kraft der Rechten, Umfragewerte überzuperformen und die generelle Unzuverlässigkeit von Umfragen) zu ersetzen sorgt nicht für bessere Analysen oder, davon abgesehen, Politik- und Wahlkampfansätze.

Ich möchte daher im Folgenden meinen persönlichen Abschluss des Wahlkampfs 2016 schreiben. In diesem Rahmen möchte ich zuerst mein eigenes Verhältnis zu HRC und dem Wahlkampf klären. Danach möchte ich auf die Aspekte des Wahlkampfs eingehen, die unberührt von der Bewertung des eigentlichen Wahlkampfs und der jeweiligen Performance Clintons und Trumps sind – die fundamentals, quasi. In diesem Rahmen möchte ich auch die Frage nach der Zuverlässigkeit von Umfragen angehen. Mit dieser Basis springen wir dann direkt in den eigentlichen Wahlkampf: Zuerst sehen wir uns an, warum Clinton nicht verloren hat, also populäre Erklärungsmuster, die einer Überprüfung nicht standhalten. Dann gehen wir zu den Gründen, aus denen sie die Wahl tatsächlich verlor und die ich in zwei Kategorien einteilen will: Faktoren innerhalb von Clintons Kontrolle – also Fehler, die sie und ihr Wahlkampfteam gemacht haben – und Faktoren außerhalb ihrer Kontrolle, also externe Faktoren, auf die sie reagieren musste, die aber keinen Ursprung in ihrem eigenen Handeln hatten. Zum Abschluss werde ich versuchen, den Bogen zu den Midterms 2018 zu schlagen und einige allgemeine und vorläufige Schlüsse für die zukünftige Ausrichtung der beiden Parteien zu ziehen.

Damit genug der Vorrede, auf geht’s! Hillary Rodham Clinton ist ein Produkt ihrer Zeit. In den 1970er Jahren war sie eine der Vorkämpferinnen dessen, was ich den „angewandten Feminismus“ nennen würde: Sie war die erste Frau in diversen Positionen an ihrer Uni und erkämpft einen Platz an der Spitze. Bereits damals hatte sie recht zentristische Positionen in einigen Bereichen (sie hielt etwa sich und ihre Uni bewusst aus den Studentenunruhen der Zeit heraus), setzte sich aber für eine deutlich liberale Gesellschaftspolitik ein. Dieses Muster setzte sie später fort und zeigte ihre Unabhängigkeit und ihren Stolz auf das Erarbeite durch das Behalten ihres eigenen Nachnamens „Rodham“ auch nach ihrer Heirat mit Bill Clinton. Während dessen Gouverneurszeit in Arkansas war sie weiterhin gut sichtbar beruflich aktiv, zur Irritation vieler konservativer Beobachter.

Das änderte sich mit dem Präsidentschaftswahlkampf. Um Bill Clinton weithin akzeptabel zu machen, identifizierte sie sich immer mehr als „Hillary Clinton“ oder „Hillary Rodham Clinton“ (die Abkürzung HRC entstammt dieser Zeit) überkompensierte ihre vorhergehende (und genuinere) Ablehnung einer klassichen Hausfrauenexistenz durch eine dezidiert klassische First-Lady-Persona. Gleichzeitig versuchte sie immer noch, eine eigene Rolle zu spielen. Dies endete im Desaster: die von ihr hauptsächlich mitverantwortete Gesundheitsreform 1993 scheiterte und bereitete der Gingrich-Revolution von 1994 mit den Boden. Clinton unterstützte ihren Mann und zog sich von da an völlig auf die Rolle der klassichen Ehefrau zurück, was im Lewinsky-Skandal dann dazu führte, dass sie ihm öffentlich den Rücken stärkte und sich nicht von ihm trennte – etwas, was die radikalen Feministinnen der 1990er Jahre ihr nie verziehen.

2000 zog sie dann auf einem sicheren Platz, unterstützt von den mächtigen Netzwerken ihres Mannes, in den Senat ein. Ihr beachtlicher Wahlerfolg war auch auf die Sympathie zurückzuführen, die sie damals als Opfer des Lewinsky-Skandals von weiten Teilen der Bevölkerung empfing, ein Bonus, der acht Jahre später vollkommen abgebaut war. Generell fiel sie als Senatorin wenig auf. Sie war eine Unterstützerin von Bushs Irakkrieg, wie so viele „liberal hawks“ der damaligen Zeit, und war für ihren ungeheuren Arbeitseifer und ihr großes Fachwissen bekannt. Als Renderin oder Charismatikerin war sie auch damals nicht aufgefallen, aber Freund wie Feind erkannten stets ihre große Kompetenz. Deswegen und wegen ihrer guten Vernetzung war sie ein natürlicher Kandidat 2008.

Die primaries verlor sie bekanntlich ungeheur knapp gegen Barrack Obama, dessen überlegene Wahlkampforganisation ihre Vorteile auszugleichen vermochte. In den primaries zeigten sich bereits eklatante Nachteile Clintons, die 2016 erneut eine Rolle spielen sollten: Ein zu großes und schwerfälliges Wahlkampfteam, ihre mangelnde Begeisterungsfähigkeit und ihre interventionistische außenpolitische Einstellung. Gerne vergessen wird, dass HRC innenpolitisch mit einem liberaleren Programm antrat als Barrack Obama, der sich als zentristische Stimme der Vernunft von ihr abgrenzte. Das ist wichtig für das Verständnis von 2016, wo Clinton oftmals als Karikatur gezeichnet wurde, die quasi von Mitt Romney nicht zu unterscheiden war. Unter Obama war sie dann vier Jahre lang kompetent Außenministerin. Die Republicans versuchten zwar, ihr mit dem Terrorangriff auf Benghazi einen Skandal anzudichten, hatten damit aber keinen Erfolg. Ab 2012 konzentrierte sich Clinton dann auf ihre zweite Präsidentschaftskandidatur.

Ich selbst war nie ein Clinton-Fan. In den primaries 2008 hatte ich überhaupt keinen Favoriten und verfolgte sie auch nicht weiter; US-Politik gehörte damals nicht zu meinen Interessengebieten (Von 426 Artikeln, die ich 2008 für den Oeffinger Freidenker geschrieben habe, beschäftigt sich kein einziger mit den USA oder Obama. Kein. Einziger.) Als sich das Bewerberfeld für 2016 herauskristallisierte, war sie für mich wie wohl für viele andere die beste Wahl aus einem nicht sonderlich spannenden Menü. Mit Bernie Sanders konnte ich wegen dessen wenig praxistauglichen Ideen wenig anfangen (mein Artikel legte seinerzeit die Gründe dar). O’Malley war blass und chancenlos, und der Rest des Feldes lief mehr unter „Spaßkandidatur“. Dass Clinton die primaries gewinnen würde, stand für mich von Anfang an fest, und trotz der überraschend starken Performance Sanders‘ zeigten die Zahlen offenkundig, dass ohne eine größere Katastrophe Clinton die Wahlen gewinnen würde – was die Umfragen auch konsistent vorhersagten.

In dieser Zeit im Frühjahr 2016 gab es viele Anhänger Sanders, die allerlei Erklärungen dafür fanden, warum der Prozess wahlweise gefälscht war oder die Umfragen falsch oder beides. Ich glaubte den Experten von 538, Crystall Ball und The Upshot, die alle deutlich zeigten, dass dies Unfug war. Bernie mobilisierte einen überraschend großen Teil der Wählerschaft, ja – aber nie auch nur annähernd eine Mehrheit. Clinton tat dies spielend, und sie besaß offensichtlich genügend echte Anhänger, um die Wahl zu gewinnen. Auch das ist eines der falschen Narrative, die HRC umgeben. Ja, sie profitiert massiv von den teilweise geerbten Unterstützungsnetzwerken in der Partei, aber HRC hatte immer auch Anhänger – loyale und begeisterte Anhänger – die an sie glaubten und für sie kämpften. Keine Mehrheit, sicherlich, aber das hat kein Politiker. All diese Dinge zeigten sich bis Mai 2016 deutlich. Die Experten hatten Recht behalten. Ich hatte Recht behalten. Das gab mir wie vielen anderen wohl deutlich mehr Vertrauen, als angesichts der volatilen Situation angebracht gewesen wäre.

Aber wir werden dazu im zweiten Teil zurückkommen, wenn wir genauer ansehen, was 2016 konkret geschah. Ich möchte vorher noch etwas mehr auf mein Verhältnis zu Clinton eingehen. Mir wurde oft von Gegnern von HRC, ob aus dem rechten oder linken Lager, vorgeworfen, ein Fan zu sein und deswegen nicht klar zu denken. Ich war aber nie ein Fan von HRC, nicht in dem Maß, wie ich ein bekennender Fan Barrack Obamas bin. Für mich erfüllte Clinton eine Funktion, die Trump für viele Republicans einnahm: Sie war mein Champion, nicht mein Held. Ein Champion ist jemand, den man mit der Verteidigung der eigenen Sache beauftragt, ein stellvertretender Kämpfer. Ich sag in Clinton den best geeigneten Kandidaten, meine Präferenzen in diesem Zyklus zu verteidigen und umzusetzen, nicht mehr und nicht weniger.

Wenn man sich die (merklich verfrühten) Spekulationen über ihre Amtszeit ansieht, die ich damals mit anderen angestellt habe, sieht man, dass meine Hoffnung eine kompetente Regierungsführung zur Absicherung der Erfolge Obamas war. Man kann nicht gerade sagen, dass ich – oder irgendjemand – mit überbordenden Erwartungen an Clinton in diesen Wahlkampf gegangen wäre, was ja nun etwa für Bernie Sanders nicht eben zutraf. Diese unterwältigende Erwartungshaltung ist sicherlich einer der Faktoren, der für Clinton zu einem bleibenden Problem wurde (und auf das wir zurückkommen werden), denn allein war ich mit dieser Erwartungshaltung nicht gerade, übrigens auch nicht unter HRCs Gegnern.

Man sollte allerdings vorsichtig sein, Clinton deswegen zu schnell rechts von Obama einzuordnen. Auf dem Feld, das ihr bei den eigenen Anhängern konsistent die meisten Probleme machte – der Außenpolitik – trifft dies zweifellos zu. Clinton war unter den Democrats ein Falke, überhaupt keine Frage, aber sie war in diversen Bereichen tatsächlich progressiver als Obama. So waren ihre Zeugnisse in den Bereichen der Emanzipationspolitik konsistent besser als seine (paid family leave etwa fristete als Thema bei Obama ein Schattendasein und stand bei ihr ganz oben auf der Agenda), und sie hatte viel daran gearbeitet, sich das Vertrauen der Minderheiten zu erarbeiten – was ja auch einer der zentralen Gründe für Sanders‘ Chancenlosigkeit in den primaries war.

Wir werden noch darauf zurückkommen, warum Clinton nicht in der Lage war, diese Positionierungen auch im Wahlkampf hervorzuheben oder als Asset zu benutzen. Man sollte aber nicht so tun, als würden sie nicht existieren. Clinton hat ein legitimes Talent dafür, Wähler im persönlichen Kontakt für sich einzunehmen und zu begeistern, woher ja auch ihr Kern absolut loyaler Unterstützer und Mitarbeiter kommt. Nach allem was man hört ist sie eine exzellente Chefin und eine warme, empathische Kandidatin im direkten Kontakt gewesen. In einer Nation mit 300 Millionen Einwohnern ist das nur nicht sonderlich hilfreich.

Trotz alledem geht es mir wie vielen anderen vermutlich auch: Clinton wäre nicht meine erste Wahl als Kandidatin. Ich denke, dass sie eine gute Administratorin gewesen wäre. Aber eine inspirierende Wahlkämpferin war sie nie und würde sie auch nie sein. Die beste Parallele ist in meinen Augen Angela Merkel; nicht wegen der politischen Positionen (Clinton ist wie gesagt deutlich liberaler), sondern wegen des Politikstils. Die Konzentration auf Sacharbeit, die gute Vorbereitung, die ernsthafte, unaufgeregte Art, an das Geschäft heranzugehen und ihre Probleme auf der öffentlichen Bühne, die Hölzernheit, die beide Frauen da umgibt, haben sie definitiv gemeinsam.

Nur ist Angela Merkel in einem parlamentarischen System mit Verhältniswahlrecht aktiv, und Clinton in einem präsidialen mit Mehrheitswahlrecht. Und das macht eben den entscheidenden Unterschied. Hätten die Democrats einen anderen Kandidaten aufstellen sollen? Vermutlich. Aber hinterher ist man immer schlauer, und ich bleibe bei meiner Skepsis gegenüber Sanders‘ Chancen.

Die Attraktivität Clintons bestand in ihrer Regierungszeit; sie war der mit Abstand beste Kandidat der Democrats für eine dritte Amtszeit Obamas bei einem republikanischen Kongress. Hierbei bleibe ich auch: Sie wäre die beste Präsidentin gewesen, um in einer feindlichen Umgebung die Erfolge Obamas durch kleinteilige Regierungsarbeit ordentlich abzusichern. Dazu kam es nie. Und sicherlich trug dieses wenig inspirierende Bild auch zu ihren Problemen bei. Man sollte aber ehrlich dabei sein, was die Partei, die Unterstützer und Sympathisanten in ihr sahen – und was nicht.

Im nächsten Teil der Serie befassen wir uns mit der Frage, was 2016 eigentlich geschah – der Faktenlage, die von allen Beteiligten als solche anerkannt wird. Auf dieser Grundlage werden wir dann den Wahlkampf Clintons analysieren, wo es eine von allen Beteiligten anerkannte Faktenlage effektiv nicht gibt.

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  • Erwin Gabriel 1. Januar 2019, 11:47

    @ Stefan Sasse

    Deine Erklärung, Hillary als beste Verwalterin von Obamas „Erbe“ betrachtet zu haben, erklärt mir viele Deiner damaligen Beiträge besser als Deine damaligen Kommentare. So gesehen kann ich Deine damaligen Standpunkte gut nachvollziehen.

    Wo ich nicht Deiner Meinung bin, ist, dass sie den Wettstreit zwischen sich und Sanders nicht manipuliert haben soll – das ist inzwischen erwiesen.

    Nach einigen älteren Artikeln, die ich nach all den Jahren nicht mehr herkriege, war ihr Mann als Präsident beim regulären Personal recht beliebt, während sie als First Lady den Ruf hatte äußerst zickig und aggressiv zu sein. Auch 2016 war nicht jeder Mitarbeiter voll des Lobes.

    Die gewinnende Art (nur) im persönlichen Umgang mit Wählern und die über die Medien gezeigte Sprödigkeit respektive den Vergleich zu Angela Merkel kann ich zumindest für das Inland nachvollziehen. Im Umgang mit Nicht-Freund-Staaten fand ich sie, soweit ich das überhaupt beurteilen kann, stets hart und aggressiv auf eine Art, derer sich Frau Merkel nie befleißigen würde.

    PS: Gutes Neues Jahr!

    • Stefan Sasse 1. Januar 2019, 13:16

      Vorsicht. Clinton hat die Wahlen nicht manipuliert. Wenn, dann war der DNC. Und „manipuliert“ ist mir zu stark. Die haben ihre institutionellen Vorteile genutzt.

      Bill war immer beliebter als sie, ja. Ich generalisiere da natürlich. Du findest sicher auch Bill-Mitarbeiter, die ihn hassten.

      Ebenso!

      • Erwin Gabriel 2. Januar 2019, 18:45

        Stefan Sasse 1. Januar 2019, 13:16

        Vorsicht. Clinton hat die Wahlen nicht manipuliert. Wenn, dann war der DNC. Und „manipuliert“ ist mir zu stark. Die haben ihre institutionellen Vorteile genutzt.

        Es gibt bei den Demokraten die Gepflogenheit, dass das Team des Gewinners der Primaries die Parteizentrale im folgenden Wahlkampf steuert. Da die Demokratische Partei verschuldet war, gab es im Fall Hillary Clinton eine Ausnahme: gegen Übernahme bzw. der Begleichung der Parteischulden konnte das Hillary-Team schon vor dem Ergebnis der Vorwahlen die „Führung“ der Partei „übernehmen“ – zu einem Zeitpunkt, als Bernie Sanders zumindest noch theoretische Chancen hatte. Die entsprechenden Untersuchungen und Aussagen von Elizabeth Warren dürften Dir auch noch in Erinnerung sein.

        https://www.huffingtonpost.de/2017/11/03/wahl-manipulation-eine-fu_n_18454724.html

        https://www.theguardian.com/commentisfree/2018/jun/11/democrat-primary-elections-need-reform

        https://edition.cnn.com/2017/11/04/politics/bernie-sanders-2016-election-donna-brazile/index.html

        Selbst die Washington Post, die mit der Überschrift titelte, dass die Vorwahlen nicht manipuliert wurden, schrieb das Folgende:

        As several Democratic Party leaders — including former DNC chair Howard Dean — have noted, this is relatively standard. Indeed, the Sanders campaign was offered a similar joint fundraising agreement.

        [However, the second document shows that the DNC and Clinton campaign had an additional agreement which provided the campaign with influence over the DNC well before Clinton won the nomination.]

        https://www.washingtonpost.com/news/monkey-cage/wp/2017/11/04/no-the-dnc-didnt-rig-the-democratic-primary-for-hillary-clinton/?noredirect=on&utm_term=.924e3f8ca1f6

        Sorry – das hat nichts mehr mit „nutzen institutioneller Vorteile“ zu tun, sondern mit Bevorteilung. Und es kann nicht ohne Mitwisserschaft von Frau Clinton gelaufen sein.

        • Stefan Sasse 2. Januar 2019, 19:00

          Um ehrlich zu sein habe ich mich daran nicht erinnert, das muss mir raus sein. Hat von daher schon mehr Gewicht. – Ich glaube allerdings trotzdem nicht, dass Bernie gewonnen hätte.

        • Floor Acita 4. Januar 2019, 16:13

          Das war der Kern der Donna Brazile Enthüllungen. Sie sagte damals, Sie hätte keine Pressemitteilung als DNC Vorsitzende verfassen können ohne das mit der Clinton Kampagne abzustimmen – was sie zunächst gar nicht gewusst hat.

          Der Kern der Probleme liegt m.E. aber tiefer. Nach etlichen verlorenen Wahlen und der Gesamtheit an Beratungsverträgen ist es schon erstaunkich wer „hired“ und wer „fired“ wird. Sprich bei Beziehungen der Partei zu Beratungsfirmen wie Perkin Coie oder Mothership Strategies frafe ich mich manchmal wer hier eigentlich Auftraggeber und wer -nehmer ist. Der scheinbare Vermittler macht hier zT Milliardenbeträge unabhängig von Gewinn oder Verlust – ziehe ich noch die Verträge neuer Kandidaten und gegenseitige Abhängigkeiten in Betracht, frage ich mich nach den „incentives“/Anreizen. Ein Verlust der Wahl gegen Trump könnte für Teile der Democrats (ja, selbst die ach so guten/“moralischen“) „attraktiver“ wirken als ein Sieg unter Bernie – wie gesagt wir reden von Milliarden, wenn nicht sogar Billionen Verträgen die da munter hin und her verschoben werden.

          Ich würde die Seite auch eher in Zukunft stärker betonen / zum Lackmus Test machen als die Spenderseite. „Seit ihr als Kandidat in irgendeiner Weise mit consulting Firmen verbandelt die in der Vergangenheit in X% Niederlagen beraten haben? Warum sollten wir Euch dann unterstützen?“

  • Stefan Pietsch 1. Januar 2019, 15:36

    Es gibt, ich wiederhole mich, zwei öffentlich verbriefte Beispiele, wo Hillary sich als beratungsresistent erwiesen hat. Eigentlich drei. Das erste hattest Du genannt, sie wurde von ihrem Mann mit der Entwicklung einer Gesundheitsreform beauftragt und setzte das Projekt aufgrund ihrer Kompromisslosigkeit so in den Sand, dass Bill Clinton hernach um seine Wiederwahl fürchten musste. Die E-Mail-Affäre konnte nur deswegen geschehen, weil HRC geheimniskrämerisch ist. Und in der heißen Phase des Wahlkampfes 2016 vernachlässigte sie sehr zum Ärger ihres Mannes die Bundesstaaten im Rostgürtel. Arrogant dachte sie, die Wählerstimmen schon im Sack zu haben. Überhaupt: 2016 wollte sie allen beweisen, dass sie ebenfalls Wahlkampf kann und verzichtete auf Bill in ihrem Beraterteam – den besten Wahlkämpfer der letzten 30 Jahre.

    Hillary hat stets bewiesen, dass sie keine Politikerin, sondern messerscharfe Anwältin ist. Damit hat sie schließlich ihr Geld verdient. Es bedeutet nicht, dass Anwälte gute Politiker sind. Zudem belegt ihre Vita, dass sie eine vom Ehrgeiz zerfressene Frau ist. Und ja, solche Vorwürfe sind nicht speziell auf Frauen gemünzt. Wenn jemand etwas um jeden Preis will, wo er auf günstige Sterne mitangewiesen ist, ist zuviel Ehrgeiz oft schädlich.

    Ihr Rückzug 1996 erfolgte keineswegs freiwillig und während der Lewinsky-Affäre soll zwischen ihr und ihm die Vereinbarung getroffen worden sein, dass sie ihn schützt und er im Gegenzug ihre politische Karriere unterstützen wird. So kam es schließlich. Und nein, dass ist nicht nachträglich zusammengedichtet, das schrieben die Medien bereits 1998. Zeitweise schien damals das öffentliche Bild zerrüttet, es gibt Aufnahmen, wo Hillary das öffentliche Händchenhalten abwies. Und ab einem gewissen Zeitpunkt schien das Verhältnis professioneller, aber nicht mehr liebevoll geprägt.

    Das war zu Beginn von Bills Karriere anders und sie soll es auch gewesen sein, die maßgeblich an der Strategie mitarbeitete, wie der Gouverneur 1992 aus der Defensive kam, als ebenfalls Vorwürfe über außereheliche Beziehungen seine Präsidentschaftskandidatur gefährdeten. Übrigens erschien auch Bill in seiner ersten Amtszeit als Gouverneur von Arkansas als abgehoben, was zu seiner Abwahl führte.

    Hillary verlor vor allem, da sie, entgegen dem von Dir vermittelten Eindruck, ihre Wählergruppen – die Schwarzen, die demokratisch Gesinnten im Rust Belt – nicht ausreichend zu mobilisieren wusste. Sie ist im klassischen Sinne keine Politikerin, die besonders zieht.

    • Stefan Sasse 1. Januar 2019, 17:22

      Ich gehe auf den Rostgürtel im nächsten Teil detailliert ein, keine Bange. Lass uns das so lange hintenanstellen. Warum HRC von Ehrgeiz zerfressen ist, wenn sie Präsidentin werden will, Bill, Bob, Al, George, John, Barrack, Mitt und Donald aber nicht, erschließt sich mir nicht ganz. Sie ignorierte Bills Wahlkämpfer auch deswegen, weil die seit 10 Jahren aus dem Business raus waren und ihr schon 2008 nicht zum Sieg verholfen hatten. Das ist ziemlich vernünftig von ihr. Stattdessen kaufte sie einen guten Teil von Obamas Team ein, das immerhin in jüngster Vergangenheit zwei erfolgreiche Wahlkämpfe gemeistert hat. Auch das ist ziemlich vernünftig. Ob Bill und sie sich noch lieben oder nicht ist mir ehrlich gesagt egal. Wieso spielt das hier eine Rolle? Gleiches gilt für Bills außereheliche Beziehungen.
      Dass Clinton keine besonders charismatische Politikerin ist habe ich gesagt und werde ich im kommenden auch noch oft genug wiederholen. Das ist glaube ich unstrittig.

      • Stefan Pietsch 2. Januar 2019, 10:10

        Hillary war eine außerordentlich erfolgreiche Anwältin. Ihre ersten Schritte in der Politik endeten im Desaster, auch später zeigte sie kein besonderes Talent. Eine Präsidentschaftskandidatur, die sie absolut sicher in der Tasche hatte, setzte sie unbeholfen in den Sand. An der Stelle hätte ein einsichtiger Mensch mit hohem Ehrgeiz gesagt, okay, ist nicht mein Ding.

        Doch die Dame wollte mit dem Kopf durch die Wand. Acht Jahre später gelang ihr das gleiche Kunststück und sie verlor gegen einen republikanischen Konkurrenten, der nach allen Maßstäben der Wahrscheinlichkeitsrechnung und der politischen Arithmetik niemals hätte Präsident werden dürfen. Wenn Du regelmäßig die Republikaner anklagst, sie hätten Trump verhindern müssen – zur Wahrheit gehört auch, dass es Hillary mit ihrem überbordenden Ehrgeiz mit verbockt hat. Politisch talentlos, aber ohne die geringste Einsicht in die eigene Chancenlosigkeit. Das passiert auch nicht jedem Politiker, erfolgreichen schon gar nicht.

        Sie ignorierte Bills Wahlkämpfer auch deswegen, weil die seit 10 Jahren aus dem Business raus waren und ihr schon 2008 nicht zum Sieg verholfen hatten.

        Talent gehört auch dazu. Ansonsten ist das kein Argument, die besten Wahlkampfstrategen machen das Geschäft jahrzehntelang. Darüber hinaus hat die New Yorkerin den Ruf, alles besser zu wissen. Wahlkampfstrategen können vieles, den Sieg garantieren können sie nicht.

        Stattdessen kaufte sie einen guten Teil von Obamas Team ein, das immerhin in jüngster Vergangenheit zwei erfolgreiche Wahlkämpfe gemeistert hat.

        Mäßig, jedenfalls nicht so triumphal wie das Bill Clinton-Team. Tatsächlich funktionierte der Erfolg Obamas über die außerordentliche Mobilisierung der demokratischen Kernwählerschaft und hier der Schwarzen und der Hispanics. Hillary Clinton hätte ihre geringere Zugkraft durch Gewinne bei der weißen Mehrheitsbevölkerung kompensieren müssen. Was sie nicht konnte und ihr Team möglicherweise keine Strategie dafür hatte. Ein Pfeil im Köcher ist dann doch meist zu wenig.

        Du hast – zurecht – den Punkt gebracht, dass die Feministinnen ihr übel genommen haben, dass sie bei ihrem Mann geblieben ist. Dann gehört dazu die von mir ergänzte Schilderung, dass beide möglicherweise in den damaligen dunklen Tagen der Präsidentschaft einen Deal eingegangen sind. Und die außerehelichen Beziehungen von Bill waren ein Politikum, die eine führte immerhin zu einem Amtsenthebungsverfahren. Natürlich spielt das eine Rolle.

        • Stefan Sasse 2. Januar 2019, 10:58

          Ich stimme der Idee, dass sie was sicheres vermasselt hätte, überhaupt nicht zu – aber dazu mehr im zweiten Teil.

          Du glorifizierst Bill Clinton. Das ist schon okay, nur hat es mit der Realität wenig gemein.

          • Stefan Pietsch 2. Januar 2019, 11:30

            Ich bewerte post-ante. In beiden Fällen galt Hillary als haushohe Favoritin, praktisch unschlagbar. Die meisten solcher Prognosen passen auch am Ende, bei ihre zweimal nicht. Weiteres hebe ich mir dann für den zweiten Teil auf.

            Ich glorifiziere Bill Clinton nicht, allerdings habe ich ihn näher als Zeitzeugen erlebt. In seiner ersten Amtszeit kam er – nicht nur wegen seiner Frau – nichts so recht auf Touren, zumindest in den ersten beiden Jahren nicht. Am Ende steht eine unter ökonomischen Aspekten extrem erfolgreiche Regierungsperiode und die USA auf dem Höhepunkt ihres weltweiten Ansehens. Bill Clinton schied mit rekordhohen Zustimmungswerten aus dem Amt. Angesichts der Widrigkeiten, mit denen seine Kandidatur begonnen hatte, dem wirtschaftlichen Umfeld, das er angetroffen hatte, war das nicht zu erwarten gewesen. Die Ära Bill Clinton verkörpert das Beste an den USA. Deswegen war er nicht nur für mich ein großartiger Präsident gewesen. Im Gegensatz zu Barack Obama, der vor allem anführen kann, warum ihm Dinge nicht gelungen sind.

          • Ralf 2. Januar 2019, 12:48

            Ich stimme der Idee, dass sie was sicheres vermasselt hätte, überhaupt nicht zu

            Diese Aussage lässt sich eigentlich kaum halten. Donald Trump war der Traumgegner der Demokraten. Ein misogyner Rassist. Ein Anti-Intellektueller mit dem Vokabular eines Fünfjährigen. Beliebtheitswerte bei unter 35%. Selbst unter republikanischen Wählern, davon viele gebildet und gutverdienend, überwiegend belächelt und abgelehnt. Wie kann man gegen so jemanden verlieren? Zu einem Zeitpunkt, an dem die Wirtschaft endlich wieder brummt, eine lange Periode der Massenarbeitslosigkeit endlich überwunden ist, als endlich gerade auch die Gehälter wieder auf Vorkrisenniveau steigen.

            Und das auch noch als Frau. Das wird ja immer so als Nachteil hingestellt, dass man als Frau ja quasi keine Wahlen gewinnen kann in den schrecklich sexistischen USA. Wie eine Nikki Haley selbst im tief konservativen South Carolina Gouverneurin werden konnte, erklärt das natürlich nicht. Oder wie eine Lisa Murkowski im knallroten Alaska mit einem für Amerikaner kaum aussprechbaren Namen eine Kampagne gewinnen konnte, bei der ihr Name eingeschrieben werden musste. Von den weiblichen Ikonen der Demokraten fange ich garnicht erst an. Welche Power, welche politische Macht Frauen haben können, sah man nach Trumps Inauguration, als es zu den möglicherweise größten Protestmärschen in der Geschichte der Vereinigten Staaten kam. Oder bei den Rekordgewinnen weiblicher Politiker bei den Midtermwahlen 2018. Wie Hillary Clinton zwei Jahre zuvor noch nicht einmal eine Mehrheit unter Frauen gewinnen konnte, gegen einen Kandidaten, der sich offen brüstete dem anderen Geschlecht gerne auch mal ungefragt zwischen die Beine zu greifen und gegen den verschiedene Verfahren wegen sexueller Belästigung, ich glaube sogar bis hin zu Vergewaltigung liefen, ist mir schleierhaft. Wie zum Teufel kann bitte die erste Frau, die sich ernsthaft um das Amt im Weißen Haus bemüht, eine Mehrheit unter weiblichen Wählern verfehlen?

            Einen solchen Wahlelfmeter in den Sand zu setzen, dafür bedarf es schon Talent. Hätten die Demokraten statt Clinton einen Sack Reis für die Präsidentschaftswahl nominiert, hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Sack Reis die Wahl gegen Donald Trump gewonnen. Das sollte nachdenklich stimmen …

            • Stefan Pietsch 2. Januar 2019, 13:12

              Trump als „Traumgegner“ zu bezeichnen, soweit würde ich nicht gehen. Immerhin haben andere seriöse Republikaner erfahren, wie schwer der intellektuell schwerfällige Tycoon zu nehmen ist. Es war klar, dass eine Strategie gegen Trump nicht einfach zu finden sein würde.

              Die Frage ist jedoch – und sie offenbart den möglicherweise entscheidenden Fehler der Hillary-Kampagne: wäre das notwendig gewesen? Kandidaten für Trump erreichen nur sehr abgegrenzte Milieus, die in jeder Demokratie für 30, bestenfalls 35 der Wählerschaft stehen. Außerhalb dessen stoßen sie alle anderen Wähler ab, das zeigte sich zuletzt bei Marine LePen. In der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen 2017 konnte sie 21,3% der Wähler begeistern, doch für die Stichwahl konnte sie kaum noch Zugewinne erzielen und landete abgeschlagen bei 34%.

              Dass es dazu nicht auch in den USA kam, kann man knackig mit dem „Hillary-Faktor“ umschreiben. Ihr vorletzter Satz gefällt mir:

              Hätten die Demokraten statt Clinton einen Sack Reis für die Präsidentschaftswahl nominiert, hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Sack Reis die Wahl gegen Donald Trump gewonnen.

              • Ralf 2. Januar 2019, 13:24

                Es war klar, dass eine Strategie gegen Trump nicht einfach zu finden sein würde.

                Die Strategie gegen Donald Trump zu finden, wäre kinderleicht gewesen. Die republikanischen Kandidaten hätten einfach nur die eigene Selbstsucht ein Stück weit herunterschrauben müssen und sich hinter EINEM Kandidaten des GOP-Establishments vereinen müssen. Egal ob das dann Jeb Bush, Marco Rubio, John Kasich oder meinetwegen Scott Walker gewesen wäre. Trump hat gewonnen, weil sich die republikanische Partei zersplittert hat und weil er in den Medien mit seiner donnernden, aufsehenerregenden und quotenproduzierenden Hetze die sich gegenseitig verdünnenden Stimmen der sechzehn Konkurrenten übertönte. Als sich das Bewerberfeld dann schließlich konsolidierte, war es zu spät und Trump nicht mehr aufzuhalten.

                • Stefan Sasse 2. Januar 2019, 14:31

                  „Kinderleicht“, musst nur Leute mit gesundem Ego zum Verzicht bewegen.

                • Stefan Pietsch 2. Januar 2019, 14:52

                  Donald Trump war ein Kandidat unter 16. Das schreiben Sie selber. Warum bedurfte es da einer konzertierten Aktion? Und wäre nicht genau das dem demokratischen Wettbewerb wenig zuträglich gewesen? Die Frage ist doch eher, warum die anderen Kandidaten so wenig Überzeugungskraft besaßen, dass sich kein Front Runner herausbilden konnte – neben Donald, dem Deal Maker. Auch Bill Clinton hatte 1992 gegen ein breites Bewerberfeld anzutreten.

                  Die Vereinigung des Establishments ist ja gerade das, was einen Trump erst möglich gemacht hat.

                  • Stefan Sasse 2. Januar 2019, 15:56

                    Clinton trat 1992 gegen vier andere Bewerber an. Fun fact: das ist genau die gleiche Zahl wie Hillary Clinton 2015. Das restliche Bewerberfeld war dermaßen schwach, dass es bereits vorher praktisch nicht mehr existierte. Von Clintons vier anderen Gegnern waren immerhin zwei halbwegs ernstzunehmen. Setz mal deine rosarote Brille ab.

                    • Stefan Pietsch 2. Januar 2019, 16:35

                      Es waren neun Bewerber, Stefan. Neun. Frag‘ mal Deinen Mathe-Kollegen, wie man auf 9 addiert.

                      Bill Clinton war 1992 ziemlich unbekannt und galt nicht als der aussichtsreichste Kandidat. Schon gar nicht für das Duell mit dem Golfkrieg-Gewinner Bush. Die ersten 4 Vorwahlen verlor er allesamt. Erst in der Mitte der Vorwahlen, so in den Iden des Märzes, schälte er sich langsam als Front Runner heraus. Bill Clinton gewann, anders als seine Frau, aus einer Underdog-Position heraus. Hillary startete von der klaren Favoritenposition, was sich auch bei den Spenden wesentlich bemerkbar machte.

                      Manchmal ist es nützlich, Geschichte selbst erlebt zu haben. Auch wenn einem das den Ruf der rosaroten Brille einbringt.

                    • Stefan Sasse 2. Januar 2019, 16:44

                      Jetzt schaust nochmal was ich geschrieben habe. ^^

                    • Stefan Pietsch 2. Januar 2019, 16:57

                      Du musst Dich schon entscheiden: dann trat Hillary gegen 2 Mitbewerber an, 4 andere zählen praktisch nicht, sie gewannen keine Stimmen.

                  • Ralf 2. Januar 2019, 16:44

                    Donald Trump war ein Kandidat unter 16. Das schreiben Sie selber. Warum bedurfte es da einer konzertierten Aktion? Und wäre nicht genau das dem demokratischen Wettbewerb wenig zuträglich gewesen?

                    Demokratie ist, wenn sich ein Problem stellt, zu dem es mehrere Lösungen gibt, sagen wir A, B und C, und die Bürger in einer Mehrheitsabstimmung entscheiden, welcher dieser Lösungswege zum Einsatz kommen soll. Jetzt ein Rechenbeispiel:

                    Nehmen wir an, es gibt nur drei Programme, aber 16 Kandidaten. Das kommt ziemlich genau hin bei den Republikanern, die sich in einen Establishment-Flügel (Romney, Bush etc.), einen Social Conservatives-Flügel (Cruz, Santorum etc.) und einen White Nationalist-Flügel (Trump) aufgliedern. Nennen wir die jeweiligen Programme A, B und C. Von den 16 Kandidaten, die um zu vereinfachen per Definition alle gleich beliebt sind, vertreten 12 das Programm A, drei das Programm B und nur einer das Programm C. Nehmen wir weiterhin an, im Wahlvolk hat das Programm A eine übergroße Mehrheit. Sagen wir 70%. Programm B findet nur 20% Prozent Anhänger. Mit Abstand am wenigsten Unterstützung hat im Wahlvolk das Programm C, das nur 10% unterstützen.

                    Jetzt kommt der Wahltag. Programm A hat zwar bei Weitem die meisten Anhänger und sollte sich in einer Demokratie folglich durchsetzen. Aber die 70% Wähleranteil verteilen sich auf 12 Kandidaten, die sich damit alle gegenseitig die Stimmen wegnehmen und – wohlgemerkt nicht wegen des Wesens der Demokratie an sich, sondern wegen eines Artefakts der technischen Realität des Wahlvorgangs – jeweils gerade mal auf 5.8% der Stimmen kommen. Programm B hat zwar deutlich weniger als ein Drittel der Anhänger, aber die entsprechenden 20% Stimmenanteil verteilen sich lediglich auf drei Kandidaten, die somit mit 6,7% trotzdem die Nase vorn haben. Absurderweise gewinnt am Ende jedoch der mit Abstand unpopulärste Ansatz, nämlich das Programm C. Im Falle des Programms C vereinen sich nämlich die kompletten 10% Stimmenanteil auf den einzigen Kandidaten, der für dieses Programm steht. Dieser Kandidat zieht mit 10% Gesamtstimmen und einer winzigen Minderheitenposition an allen anderen vorbei.

                    Das ist so ziemlich genau das, was bei den GOP-Primaries 2016 passiert ist. Mit Demokratie hat das auch im Ansatz nichts mehr zu tun. Und in diesem vereinfachenden Modell ist noch garnicht berücksichtigt, dass die Medien aus Quotengeilheit fast ausschließlich über den Kandidaten C berichteten, weil der ständig aufsehenerregende Skandale produzierte, die sich hervorragend verkauften, und dass den übrigen 15 Kandidaten damit die Luft völlig abgeschnitten wurde, weil sie gar keine Gelegenheit bekamen sich dem Wahlvolk vorzustellen.

                    • Stefan Pietsch 2. Januar 2019, 17:15

                      Sie entwerfen immer schöne theoretische Beispiele, kümmern sich aber nicht um die Prämissen. Denn stimmen Ihre Grundannahmen überhaupt? Die erste Ihrer Thesen: Menschen wählen nach Programmen. Die Demoskopie weist dies weitgehend zurück. Zweitens: Programm obsiegt über Bewerber. Auch das lässt sich nicht empirisch belegen, eher widerlegen. Drittens: Programme einer Facon unterscheiden sich nicht, denn nur dann kann sich keine Dominanz innerhalb einer Richtung (z.B. welche Form von Wirtschaftsliberalismus?) herausbilden. Viertens folgen Sie dem Grundsatz „Any News are good News.“ Es gibt aber unzählige Beispiele, dass eine negative Berichterstattung sich auch auf die Chancen eines Kandidaten abfärben. Bill Clinton war 1992 einem solchen Negative Campaigning ausgesetzt. Nach Ansicht mancher Kommentatoren gerieten Peer Steinbrück und Martin Schulz erst durch eine negativ öffentlich gezeichnetes Bild in die Defensive. Friedrich Merz unterlag möglicherweise nicht zuletzt, weil die Medienkampagne über sein Einkommen ihn beschädigte.

                      Im Ergebnis bleibt, Sie zeichnen zwar eine mathematische Logik, keineswegs aber eine politische Empirie. Trump lag von Anbeginn vorne und bei den amerikanischen Primaries ist das meist entscheidend. Ich kann mich nur an wenige Fälle erinnern, wo der Front Runner der ersten 2 Monate am Ende nicht den Sieg davontrug. Der Sog, unbedingt zu dem Sieger gehören zu wollen, ist gewaltig. Und das war möglicherweise das zentrale Problem aller übrigen Kandidaten: sie hatten kein Siegerimage.

                    • Erwin Gabriel 2. Januar 2019, 18:58

                      @ Ralf 2. Januar 2019, 16:44

                      Wenn Menschen Programme statt anderer Menschen wählen wollten, hätte Frau merkel keine zweite Amtszeit bekommen, da sie praktisch jeden im Wahlkampf versprochenen relevanten Programmpunkt auf den Kopf gestellt hat.

                      Frau Merkel wurde immer wieder gewählt, weil sie stets uneitel, unerschütterlich ruhig und gefasst wirkte, und sich die typischen Balz- und Konkurenzrituale der männlichen gegner ersparte.

                    • Ralf 2. Januar 2019, 19:46

                      @ Erwin Gabriel

                      Frau Merkel wurde immer wieder gewählt, weil sie stets uneitel, unerschütterlich ruhig und gefasst wirkte, und sich die typischen Balz- und Konkurenzrituale der männlichen gegner ersparte.

                      Das ist nicht ganz richtig und nicht ganz falsch. Natürlich kommt es irgendwo auch auf die Persönlichkeit an. Aber am Ende geht es eben doch auch sehr stark um das Programm. Ansonsten wäre zu erklären, weshalb Sahra Wagenknecht, die ebenfalls ruhig, uneitel, sachorientiert und ohne aufbrausendes, männliches Balzverhalten auftritt nicht seit Jahren Bundeskanzlerin ist. Und diese Art zu argumentieren, läuft gerade beim Beispiel Donald Trump völlig ins Leere, nicht nur weil die Parteienpolarisierung in den USA immens viel stärker ist als bei uns zuhause, sondern weil Donald Trump auch noch während der laufenden Primaries relativ spät im Prozess immer noch unterirdische Favorability-Ratings hatte. Siehe z.B. hier aus dem April 2016:

                      https://media3.s-nbcnews.com/j/newscms/2016_15/1498886/2016_candidates_net_favorability_rating_chartbuilder_1_4da4d8bca4e77948f51683f9aeb68fed.fit-560w.png

                      Wenn man sich die entsprechenden Zahlen anschaut, muss man sich doch fragen, warum am Ende nicht Sanders gegen Kasich antrat, sondern Clinton gegen Trump. Wenn doch die Persönlichkeit so wichtig ist …

                      @ In Dubio

                      Im Ergebnis bleibt, Sie zeichnen zwar eine mathematische Logik, keineswegs aber eine politische Empirie. Trump lag von Anbeginn vorne und bei den amerikanischen Primaries ist das meist entscheidend. Ich kann mich nur an wenige Fälle erinnern, wo der Front Runner der ersten 2 Monate am Ende nicht den Sieg davontrug. Der Sog, unbedingt zu dem Sieger gehören zu wollen, ist gewaltig.

                      Der Sog ist in der Tat oft gewaltig. Nur passt das leider nicht bei Trump, denn bei Trump ging auch nach 2 Monaten kaum jemand davon aus, dass der Immobilienmogul am Ende gewinnen würde. „Ihr Sog“ saugte in praktisch alle anderen Richtungen. Das Problem war, dass es viel zu viele Richtungen gab und dass sich keiner fand, der diesen Sog stabil für sich nutzen konnte.

                      Es galt ja als ausgemacht, dass Jeb Bush gewinnen würde. Fragen Sie mal den Herrn Sasse. Die Medien würden einen Kandidaten wie Donald Trump kurz hypen und dann wie eine heiße Kartoffel fallen lassen. Die anderen Kandidaten, insbesondere die radikaleren, würden nacheinander kurz aufebben und dann wieder ausbrennen und am Ende würde Bush in der Establishment-Lane die Nominierung bekommen. Also genauso wie vier Jahre zuvor bei Romney.

                      Diese Rechnung ging nicht auf, weil die Medien Donald Trump eben nicht fallen ließen, sondern genüsslich zuschauten, wie Bush demontiert wurde, was ihnen dann gleich die nächste quotenträchtige Geschichte bescherte. Trotzdem wäre Trump normalerweise bald Toast gewesen. Jeb Bush in obigem Szenario wäre einfach durch Marco Rubio ersetzt worden und alles andere wäre gleich geblieben. Die GOP-Donoren wanderten ja bereits in Massen zu Rubio, die Umfragewerte von Rubio wurden immer vielversprechender, da geschah ein blöder Unfall. Rubio verhaspelte sich in einer im TV übertragenen Debatte, versuchte den Blackout durch das Wiederholen des immer gleichen, auswendig gelernten Satzes zu überspielen (eigentlich eine völlig normale Nummer bei Menschen, die oft vor dem Mikrofon stehen) und wurde brutal von Chris Christie demontiert. Natürlich haben solche kleineren Lapsus in der Regel keine weitreichenden Folgen. Aber hier war das Timing für Rubio katastrophal. Anstatt mit der New Hampshire-Wahl souverän der mit Abstand stärkste Kandidat des Establishments zu werden und diese „Lane“ hinter sich zu konsolidieren, landete er mit 10,5% noch hinter dem im Gesamtbild völlig chancenlosen John Kasich (15,7%) und dem bereits politisch toten Jeb Bush (11%) auf Platz 5. Das nahm völlig das Momentum aus seinem Wahlkampf. So ging Rubio geschwächt in die Primary von South Carolina, ein Must-Win für ihn und verlor. Und er verlor eben auch, weil sowohl Bush als auch Kasich in völliger Verkennung der Lage nach der New Hampshire-Wahl nicht das Feld räumten, sondern sich einbildeten doch noch der „Establishment-Kandidat“ der Republikaner werden zu können. Die Zersplitterung der Establishment-Lane brachte Trump den dritten Sieg. Und den ersten Sieg, der wirklich zählte. Anschließend verließ zwar Bush das Feld, aber Kasich blockierte weiterhin Rubio, obwohl der Gouverneur von Ohio zu keinem Zeitpunkt auch nur den Hauch einer realen Chance auf die Nominierung hatte. So brach die Establishment-Lane auseinander. Aber nicht bevor sie der „Social Conservatives“-Lane gerade im Süden so viele Stimmen weggefangen hatte, dass auch die Wahlkampfstrategie der Cruz-Anhänger nicht mehr aufgehen konnte. Donald Trump war bei alledem lediglich der Parasit, der von den Fehlern der anderen profitierte. Seine Favorability-Ratings blieben unterirdisch. Zu keinem Zeitpunkt setzte er sich durch, weil er in den Augen der Wähler der überzeugendste Kandidat war. Und auch nach den Primaries in der eigentlichen Wahl, war Trumps einzige Chance, dass die Demokraten die unglaubliche Dummheit begehen würden, die einzige Kandidatin zu nominieren, die in nationalen Umfragen ähnlich verhasst war wie er. Die nicht nur beim politischen Gegner, sondern bei der eigenen Basis verhasst war. Aber so blöd würden die Demokraten schon nicht sein. Oh wait …

                    • Stefan Pietsch 3. Januar 2019, 10:13

                      Ansonsten wäre zu erklären, weshalb Sahra Wagenknecht, die ebenfalls ruhig, uneitel, sachorientiert und ohne aufbrausendes, männliches Balzverhalten auftritt nicht seit Jahren Bundeskanzlerin ist.

                      Hier geht wieder Ihre Parteilichkeit mit Ihnen durch. Sahra Wagenknecht hat sehr schlechte Persönlichkeitswerte, sie gilt den meisten als nicht glaubwürdig. Kompetent ja, glaubwürdig nicht. Ihr öffentliches Gebaren ist von der Populisten eigenen Aggressivität geprägt. Einen Spot wie den von Wagenknecht vor dem Kanzleramt mit gelber Warnweste kann es von jemanden nicht geben, der Wert auf Seriosität legt. Zumal die gelben Westen eine Erinnerung an die Aggressionen und Gewaltausbrüche in Frankreich sind, was dem deutschen Wesen in der Form fremd ist. Schließlich mögen wir auch keine US-republikanischen Präsidentschaftskandidaten.

                      Seit einigen Monaten schafft es Wagenknecht nicht einmal mehr in das Politikerranking des ZDF oder landet mit sehr schlechten Werten abgeschlagen am Ende. Gerade hier kann man auch ablesen, wie Politiker selbst ihr Image verändern. Kurz vor der Bundestagswahl lag die LINKE-Fraktionsvorsitzende dort noch auf Platz 6, nicht weit entfernt von Christian Lindner. Während sich der FDP-Chef nach einer Abwärtsspirale inzwischen wieder in den Persönlichkeitswerten erholt, trudelt Wagenknecht weiter. Der Streit mit ihrer Partei und ihr weiterhin aggressives Auftreten bei der Gründung ihrer Bewegung – was im linken Lager umstritten ist und von vielen Parteigängern abgelehnt wird – sowie die erwähnte Sympathie mit den französischen Gelbwesten sind nicht die Aktionen, mit denen sich Popularitätspunkte gewinnen lassen. Und das ist rein Imagesache, keine der politischen Positionierung.

                      Schon die Umfragen im Sommer 2015 signalisierten für Trump eine gesicherte Wählerbasis, die sich bei den ersten Primaries bestätigte. Das war für viele Beobachter die eigentliche Überraschung. Jeb Bush kam für das Forum außerordentlich tröge daher, weshalb er nie begeistern konnte. Er war eine echte Enttäuschung.

                      Ich finde Ihre Schilderung der Monate danach gut, ich habe sie zeitweise auf einer Südamerika-Kreuzfahrt lange im Fernsehen verfolgt. Aber der Punkt ist doch: in anderen Primaries der vergangenen Jahrzehnte hat sich immer einer vom Feld abgesondert, das war bei Clinton 1992 nicht anders als bei Bush 2000. Normalerweise strömen die Wähler auch in den Vorwahlen zu jenen Kandidaten, die sich klar als kommende Sieger heraus kristallisieren. Daran gemessen war das Feld der republikanischen Bewerber außerordentlich schwach.

                      Es geht mir jedoch nicht um den Punkt, dass die Parteiführung der GOP selbst so ein Desaster hätte verhindern müssen. Da gibt es hierzulande kaum zwei Meinungen. Die Frage ist, welche Mitschuld die Democrats daran tragen, dass Trump nun Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist. Da stehen wir (auch) auf der gleichen Seite, Stefan auf der anderen.

                    • Ralf 3. Januar 2019, 13:00

                      Hier geht wieder Ihre Parteilichkeit mit Ihnen durch. Sahra Wagenknecht hat sehr schlechte Persönlichkeitswerte, sie gilt den meisten als nicht glaubwürdig. Kompetent ja, glaubwürdig nicht.

                      Hier missinterpretieren Sie mich. Ich wollte nicht die Behauptung aufstellen, Frau Wagenknecht solle Bundeskanzlerin werden. Das wäre bei den Umfragewerten und Wahlergebnissen ihrer Partei völlig absurd. Aber ich wollte an ihrem Beispiel aufzeigen, dass einzig ein ruhiges, bescheidenes Auftreten, also die „Persönlichkeit“, eines Politikers nicht ausreichen, Wahlerfolge zu erklären. Auch Merkels Wahlerfolge lassen sich so nicht erklären. Damit hatte die Debatte (bzw. dieser Unterstrang der Debatte) ja begonnen. Merkel ist nicht nur wegen ihrer ruhigen, sachlichen Art immer wieder gewählt worden, sondern auch weil sie eine moderate Modernisierung ihrer Partei verkörperte und ihre Regierungsperiode mit einer Zeit wirtschaftlichen Erfolges für ihre Wähler einherging. Wie viele von diesen Erfolgen tatsächlich von ihr verursacht sind und wo sie möglicherweise nur aufgrund gesamtwirtschaftlicher Trends abstauben konnte, darüber mag man diskutieren können. Und der Erfolg der Wirtschaft ist auch nicht bei allen angekommen, insbesondere bei den Geringverdienern nicht. Aber die gehören ja auch nicht zur klassischen Klientel der Merkel-Wählerschaft.

                      Völlig daneben liegen Sie aus meiner Sicht aber mit der Behauptung Frau Wagenknecht würde nicht gewählt, weil sie als nicht glaubwürdig eingestuft würde. Ich glaube exakt das Gegenteil ist der Fall. Frau Wagenknecht wird als extrem glaubwürdig wahrgenommen. Während man sich bei der SPD gewiss sein kann, dass die nach jeder Wahl ihre Wahlversprechen zu mehr sozialer Gerechtigkeit schnell wieder über Bord werfen wird und sich bei den Reichen und Mächtigen anbiedern wird, ist bei Frau Wagenknecht sehr erwartbar, dass sie ihr Programm durchziehen würde, wenn sie die Chance dazu bekäme. Dann würde unter anderem über massive Steuererhöhungen ganz oben nicht mehr nur geredet, sondern dann würde mit hoher Wahrscheinlichkeit wirklich etwas passieren. Ob das eine intelligente Politik wäre, möchte ich hier gar nicht zur Debatte stellen. Aber dass Frau Wagenknecht bei ihrem Kernthema keine faulen Kompromisse eingehen würde, ist sehr stark anzunehmen. Und es ist gerade diese Glaubwürdigkeit, die dafür sorgt, dass die LINKE nicht stärker wird. Es ist gerade diese Glaubwürdigkeit, die dafür sorgt, dass die Parteiikone von den Mainstreammedien laufend mit Schmutz beworfen wird. Sie ist eben eine reale Gefahr für die Interessen der Wohlhabenden in einer Weise, wie es die SPD garnicht und auch die Grünen nur sehr begrenzt sind.

                      Ihr öffentliches Gebaren ist von der Populisten eigenen Aggressivität geprägt. Einen Spot wie den von Wagenknecht vor dem Kanzleramt mit gelber Warnweste kann es von jemanden nicht geben, der Wert auf Seriosität legt. Zumal die gelben Westen eine Erinnerung an die Aggressionen und Gewaltausbrüche in Frankreich sind, was dem deutschen Wesen in der Form fremd ist.

                      Ich kann in dem Auftritt keinen Fehl entdecken. Vor allem keinen Verlust an Seriösität. Frau Wagenknecht und andere Unterstützer der LINKEn haben sich kristallklar und deutlich von der Gewalt bei den Protesten in Frankreich distanziert. Ihr Aufruf sich die Gelbwesten zum Vorbild zu nehmen, war nicht ein Aufruf zu Gewalt auf deutschen Straßen, sondern ein Aufruf demonstrieren zu gehen, Präsenz zu zeigen und damit den Druck auf die Politik zu erhöhen. Dass die Mainstreammedien Frau Wagenknecht gerne in die Nähe von Krawallmachern und Verbrechern rücken, ist nicht neu. Nur bildet es halt die Realität nicht ab und wird dem Anspruch an eine faire, ausgewogene Berichterstattung nicht gerecht.

                    • Stefan Pietsch 3. Januar 2019, 13:57

                      Wie gehabt, Sie liefern ein Statement Pro-Wagenknecht aus der Perspektive eines Anhängers. Das ist keine Analyse.

                      Ich habe keine Studie zu Angela Merkel gesehen, die Ihre Behauptung auch nur im Entferntesten stützt. So wird die CDU zwar vermehrt von Frauen gewählt, aber vor allem wegen der geschlechtlichen Identifikation. In den Großstädten konnte die CDU keinen Boden gutmachen, im Gegenteil. Unter Merkel verlor sie unter anderem die Ballungszentren Köln und Frankfurt. Wenn aber die Menschen zunehmend in die Städte ziehen, muss eine Volkspartei diese erreichen. Das ist unter Angela Merkel trotz ihres angeblichen Modernisierungsprozesses nicht gelungen.

                      Zurück zu Wagenknecht: ihr Auftreten in Talksendungen ist höflich, aber wenn sie das Wort ergreift laut und angreifend. Also das Gegenteil von der Bundeskanzlerin.

                      Frau Wagenknecht wird als extrem glaubwürdig wahrgenommen.

                      Beweisen Sie es und behaupten es nicht nur. Völlig nachvollziehbar, dass Sie die LINKEN-Ikone für glaubwürdig halten. Doch das ist völlig belanglos, entscheidend ist, wie es die Mehrheit empfindet.

                      Das größte Charisma bescheinigt Merkel Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht. Er sagte, Wagenknecht sei im Moment, „die einzige aktive Spitzenpolitikerin, die so etwas wie eine charismatische Aura ausstrahlt“. Sie sei „ein brillanter Kopf, redet und argumentiert klug und bleibt dabei immer cool“. Mehrheitsfähig sei sie aber nicht, da ihre Ideologie für weite Teile der Gesellschaft nicht infrage komme und sie zudem in der eigenen Partei umstritten sei.
                      https://www.welt.de/politik/deutschland/article181795122/Spitzenpolitiker-haben-laut-Politologen-ein-Glaubwuerdigkeitsproblem.html

                      Sahra Wagenknecht ist eine Einzelkämpferin, über die die Bürger gespalten sind. Das sind nicht die Voraussetzungen für große Popularität.
                      https://www.focus.de/politik/deutschland/bundestagswahl_2017/sahra-wagenknecht-linke-spitzenkandidatin-spaltet-ihre-partei_id_7623152.html

                      Darüber hinaus werden ihr, nicht zuletzt von mir, im Umgang mit Menschen autistische Anwandlungen nachgesagt. Sie kann weder neutrale Säle begeistern, noch geht sie auf Menschen zu und überzeugt im Persönlichen. Auch das hat sie nicht gemein mit Merkel.

                      Aber dass Frau Wagenknecht bei ihrem Kernthema keine faulen Kompromisse eingehen würde, ist sehr stark anzunehmen.

                      Lassen Sie das „faul“ weg und Sie sind beim Kernproblem der Sahra W. Demokratie lebt vom Kompromiss und genau das kann Wagenknecht nicht. Und weil sie keine Kompromisse macht, ist sie in ihrer eigenen Partei und Fraktion (das als Vorsitzende!) hoch umstritten und hat keine sicheren Truppen. Wer nicht einmal die eigene Parteibasis (zu 80-90 Prozent) einer kleinen Organisation begeistern kann, wie soll der ein ganzes Land überzeugen?

                      Frau Wagenknecht und andere Unterstützer der LINKEn haben sich kristallklar und deutlich von der Gewalt bei den Protesten in Frankreich distanziert.

                      Wo?
                      http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gelbwesten-die-linke-streitet-ueber-haltung-zu-frankreichs-protest-a-1242009.html

                      Mir hat der Satz gefallen:
                      „Die Autokonzerne machen weiter Profite und die Dieselfahrer, vor allem die ärmeren, die ältere Wagen haben, müssen die Zeche bezahlen.“

                      Mit „Profite“ meint Frau Wagenknecht wohl „Gewinne“. Scheinbar sieht sie es als vorteilhaft an, wenn Unternehmen keine Gewinne machen und aus den Verlusten Ansprüche bedienen. Der Verursacher des Dieselskandals wird vom Staat beherrscht. Irgendwie taucht das in der Dialektik der Dame nicht auf.

                      Und anscheinend möchte Frau Wagenknecht keinen Rechtsstaat, sondern Willkür. Wie anders ist der Ärger darüber zu verstehen, ältere Dieselfahrer würden die Zeche bezahlen? Die Produkthaftung gilt in Deutschland 2 Jahre, in dieser Zeit wurden die Neuwagen nach der Abgasnorm E6 zugelassen. Diese dürfen weiterhin überall hinfahren. Nach 2 Jahren endet die Produkthaftung, das ist nicht nur bei Autos so. Ein VW Golf, der vor 6 Jahren zugelassen wurde, erfüllte die damals vom Gesetzgeber vorgegebene Abgasnorm. Und vor 8 Jahren ließ sich weder absehen, welche Norm im Jahr 2019 gilt, noch wie diese technisch umzusetzen sein könnte noch dass es 8 Jahre später Dieselfahrverbote geben könnte. Ich habe Wagenknechts Reden durchforstet, ich fand im Jahr 2010 keinen Hinweis darauf, dass Wagenknecht eine Pflicht zur späteren Nachrüstung von Diesel gefordert hätte, weil 2018 Fahrverbote drohen würden.

                      Also im Grunde erzählt sie völligen Bullshit. Was die Wiedergängerin von Rosa Luxemburg natürlich weiß, aber ihrem Publikum verschweigt. So ungefähr muss man sich wahrscheinlich Glaubwürdigkeit vorstellen…

                    • Ralf 3. Januar 2019, 18:46

                      Ich habe keine Studie zu Angela Merkel gesehen, die Ihre Behauptung auch nur im Entferntesten stützt.

                      Wie erklären Sie sich, dass die CDU seit Merkel schwächelt massiv Wähler in Richtung der Grünen verliert? Sieht doch so aus, als wäre da ein progressives Unterstützerpotential, das angewidert vom zunehmenden Rechtskurs, betrieben von Leuten wie Seehofer, Spahn oder Merz, Stück für Stück von der Stange geht. Dass die CDU eine Partei für Progressive wäre, war unter Kohl und Schäuble noch nicht bekannt. Oder können Sie mich da aufklären?

                      Ein zweites Argument ist die Frage, wo eigentlich die ganzen SPD-Wähler hin sind? Immerhin brachten es die Sozialdemokraten früher mal auf um die 40%. Wo sind die denn jetzt alle? Die AfD hat erst vor etwas mehr als einem Jahr bei der letzten Bundestagswahl zum ersten Mal die 5%-Hürde überwunden. Der Niedergang der SPD begann aber vor etwa zwei Jahrzehnten. Die AfD kann also nicht Schuld sein. Die FDP hat auch nicht die Stimmen der Sozialdemokraten aufgesogen. Vielmehr haben die Wahlergebnisse der Liberalen wild nach oben und nach unten fluktuiert. Die LINKE hat moderat Stimmen von der SPD abgezogen, aber eher so im Bereich von fünf Prozent, nicht im Bereich von zwanzig Prozent. Ähnlich sieht es bei den Grünen aus, die bei den meisten Bundestagswahlen unter oder um die zehn Prozent erreichten. Der kontinuierliche Niedergang der SPD ist unerklärbar, ohne einen schleichenden Transfer von Unterstützern der Sozialdemokraten hin zur Merkel-CDU. Und das erklärt auch die relative Stabilität der Union. Die Union ist die einzige Partei in Deutschland, die noch Volkspartei geblieben ist (im Schnitt 35,9% der Stimmen in Bundestagswahlen seit 2005). Die Union ist die einzige Partei in Deutschland, ohne die nicht regiert werden kann. Und das in einem Umfeld einer sich zersplitternden Parteienlandschaft, die per Definition zu Lasten der Platzhirsche gehen muss. In einem Umfeld, in dem Stammwählerschaft immer seltener wird, was ebenfalls zu Lasten der Platzhirsche geht. Dazu kommt, dass die CDU auch noch völlig überaltert ist und in höherem Maße als bei anderen Parteien Mitglieder wegsterben. Trotzdem hat Merkel die CDU relativ stabil gehalten, nicht zuletzt dank eines zunehmenden Abwanderns von SPD-Wählern zur CDU. Anders sind ihre Wahlergebnisse im Kontext des Zusammenbruchs der Sozialdemokraten wie gesagt garnicht zu erklären. Aber wieso ist die CDU eigentlich für das eher progressive Publikum, das noch Lafontaine, Scharping und Schroeder (damals 1998 noch mit wesentlich linkerer Polemik) unterstützt hatte, attraktiv? Unter Kohl und Schäuble hatte diese Klientel mit den Konservativen überhaupt nix am Hut. Auch hier ist der Merkel-Effekt der entscheidende Faktor. Sie hat die Partei modernisiert und für moderat Progressive geöffnet.

                      So wird die CDU zwar vermehrt von Frauen gewählt, aber vor allem wegen der geschlechtlichen Identifikation.

                      Woher wissen Sie das?

                      In den Großstädten konnte die CDU keinen Boden gutmachen, im Gegenteil. Unter Merkel verlor sie unter anderem die Ballungszentren Köln und Frankfurt.

                      Also in Köln regiert derzeit die von einem CDU-geführten Bündnis unterstützte Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die sich mit Hilfe des Supports der Konservativen gegen den SPD-Kandidaten Ott durchsetzen konnte. Die Wahl war 2015, während Angela Merkel Bundeskanzlerin war und zwar auf der Höhe der Flüchtlingskrise. Und das wohlgemerkt in einer Stadt, in der die CDU nie besonders wettbewerbsfähig war. Von 1956 bis 1999 regierten dreiundvierzig Jahre lang die Sozialdemokraten.

                      In Frankfurt errang Petra Roth mit 60,5% der Stimmen unter Angela Merkels Bundeskanzlerschaft den höchsten Sieg ihrer Karriere. Anschliessend trat sie nach drei Legislaturperioden freiwillig zurück. In einer Stadt, in der die SPD übrigens immer kompetitiv gewesen war. Im ersten Wahldurchgang 2012 lag übrigens noch der CDU-Kandidat vorn. Weshalb das Angela Merkels Schuld sein soll, dass in Frankfurt jetzt ein SPD-Bürgermeister regiert, ist mir schleierhaft.

                      Zurück zu Wagenknecht: ihr Auftreten in Talksendungen ist höflich, aber wenn sie das Wort ergreift laut und angreifend.

                      Dass kann ich so nicht stehen lassen. Ich habe nun wirkliche viele Polittalk-Sendungen angeschaut und Frau Wagenknecht sitzt in jeder zweiten. Ich könnte auch nicht einen einzigen Fall nennen, in dem die Fraktionsvorsitzende der LINKEn laut oder angreifend geworden wäre. Es sei denn, Sie bezeichnen bereits die Frechheit eine andere Meinung zu haben und diese auch noch auszusprechen pauschal als „laut und angreifend“. Verglichen mit gewöhnlich auf Krawall gebürsteten Politikern wie meinetwegen Wolfgang Kubicki oder Ralf Stegner (ich meine das im übrigen nicht negativ. Deren Diskussionsstil kann ja durchaus unterhaltsam sein) ist Frau Wagenknecht ein Musterbeispiel an Sachlichkeit. Sie formuliert stets Inhalte und greift nicht Personen ad hominem an. Sie wartet in der Runde fast immer bis sie das Wort zugeteilt bekommt und unterbricht andere Redner eher selten. Ihre Sprache ist ruhig und klar.

                      Beweisen Sie es und behaupten es nicht nur. Völlig nachvollziehbar, dass Sie die LINKEN-Ikone für glaubwürdig halten. Doch das ist völlig belanglos, entscheidend ist, wie es die Mehrheit empfindet.

                      Das läßt sich nicht beweisen. Am allerwenigsten mit Umfragen vom Typ: „Finden Sie diesen Politiker X glaubwürdig?“. Dann antworten die, die die Politik von Politiker X ideologisch befürworten „ja“ und die, die sie ablehnen „nein“. Über die Glaubwürdigkeit erfahren Sie so gar nichts. Nur über die politische Präferenz der Befragten.

                      Sie zitieren den folgenden Beitrag:

                      [Das größte Charisma bescheinigt Merkel Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht. Er sagte, Wagenknecht sei im Moment, „die einzige aktive Spitzenpolitikerin, die so etwas wie eine charismatische Aura ausstrahlt“. Sie sei „ein brillanter Kopf, redet und argumentiert klug und bleibt dabei immer cool“. Mehrheitsfähig sei sie aber nicht, da ihre Ideologie für weite Teile der Gesellschaft nicht infrage komme]

                      Tipp von mir: Bevor Sie öffentlich zitieren, ist es gewöhnlich nützlich zu überprüfen, ob das Zitat eigentlich den eigenen Standpunkt oder den Standpunkt des Gegners unterstützt. In unserer Debatte ging es ja darum, dass ich sagte, dass Frau Wagenknecht nicht wegen ihrer Persönlichkeit, sondern wegen ihres Programms nur von einer Minderheit gewählt wird und dass die linke Parteiikone, wenn es nur um Persönlichkeit ginge, deutlich besser abschneiden müsste. Sie argumentierten mit großer Verve dagegen. Und jetzt zitieren Sie als Beleg für Ihren Standpunkt das obige Statement? 😀

                      Sie sind beim Kernproblem der Sahra W. Demokratie lebt vom Kompromiss und genau das kann Wagenknecht nicht.

                      Die LINKE, im übrigen genau wie Ihre Lieblingspartei, die FDP, vertritt die Positionen und Anliegen einer Minderheit. Diese Parteien treten forscher, kämpferischer, pointierter auf, weil sie eben nicht die Bevölkerung in der Breite überzeugen müssen, wo sie eh keine Chance haben, sondern lediglich ein kleines Segment am Rand. Bei der LINKEn sind das etwa die wenigen Hartz IV-Empfänger, die wählen gehen. Bei der FDP sind es Apotheker und Rechtsanwälte. Anders als die Volksparteien (CDU/CSU, die SPD geriert sich immer noch irgendwie so und die Grünen steigen möglicherweise gerade auf), die allen irgendwie gefallen müssen, um breiten Appeal zu erzeugen und wirkliche Mehrheiten zu gewinnen, sind LINKE und FDP Zünglein an der Waage. Immer ein Stück weit radikal, populistisch, kompromisslos, spaltend. Kommen sie in die Regierung werden beide Parteien erfahrungsgemäß deutlich leiser und sind dann auch für die Kompromisse offen, die sie im Wahlkampf noch zurückgewiesen haben. Also meistens. Kürzlich gab es einen Fall, in dem eine der beiden Parteien aus Angst vor der Verantwortung dann doch lieber davongelaufen ist … *gönnen Sie mir die Freude* …

                      Mit „Profite“ meint Frau Wagenknecht wohl „Gewinne“. Scheinbar sieht sie es als vorteilhaft an, wenn Unternehmen keine Gewinne machen und aus den Verlusten Ansprüche bedienen.

                      Woher Sie diesen „Schein“ ableiten, ist mir schleierhaft. Ich lese aus Frau Wagenknechts Äusserung lediglich die Aussage heraus, dass Betrüger für den Schaden, den sie ihren Kunden in vollem Bewusstsein zugefügt haben, voll aufkommen sollten. Und dass es ein Skandal ist einfach zuzuschauen, wie die Betrüger weiter Milliardengewinne erwirtschaften, während die Opfer des Verbrechens auf den Kosten des Betrugs sitzen bleiben.

                      Die Produkthaftung gilt in Deutschland 2 Jahre, in dieser Zeit wurden die Neuwagen nach der Abgasnorm E6 zugelassen. Diese dürfen weiterhin überall hinfahren. Nach 2 Jahren endet die Produkthaftung,

                      Ich bin kein Rechtsexperte und kann hier keinen hilfreichen Beitrag zur Debatte leisten. Dennoch möchte ich zu Bedenken geben, dass es für die Produkthaftung möglicherweise einen Unterschied macht, ob ein Produkt einfach aufgrund von Materialermüdung irgendwann kaputt gegangen ist oder ob das Produkt von vornherein in betrügerischer Absicht und unter bewusstem Rechtsbruch manipuliert worden ist.

                    • R.A. 4. Januar 2019, 09:40

                      „Ich lese aus Frau Wagenknechts Äusserung lediglich die Aussage heraus, dass Betrüger für den Schaden, den sie ihren Kunden in vollem Bewusstsein zugefügt haben, voll aufkommen sollten. Und dass es ein Skandal ist einfach zuzuschauen, wie die Betrüger weiter Milliardengewinne erwirtschaften, während die Opfer des Verbrechens auf den Kosten des Betrugs sitzen bleiben.“
                      Diesen Eindruck will Wagenknecht suggerieren, und das zeigt ihre Unseriösität.

                      Es geht hier nämlich um zwei ziemlich verschiedene Diesel-Themen, die zusammengemischt werden.

                      Da ist einmal der „Betrug“ bei den Emissionsangaben. Den ich in Anführungszeichen setze, weil er strafrechtlich noch nicht aufgearbeitet und entschieden ist. Denn die Vorgaben für die Testläufe wurden ja schon eingehalten, und es ist strittig, wie der Auslegungsspielraum bei der Übertragung auf den realen Straßenverkehr zu bewerten ist.
                      Auf jeden Fall: Hier geht es maximal um einen einzigen Betrüger, nämlich den VW-Konzern. Und wenn die juristische Klärung ergibt, daß wirklich betrogen wurde, dann wird es auch Schadenersatz geben. Da muß man nichts politisch fordern, das ist normaler Gang der Justiz.

                      Und zum Anderen gibt es die Sache mit den Fahrverboten. Weil in manchen Innenstädten nicht die NOx-Werte erreicht werden, die sich die Politik am grünen Tisch ausgedacht hat. Und um die zu verhindern hat die Bundesregierung zum „Diesel-Gipfel“ geladen und ist zur genialen Lösung gekommen, daß doch bitte die Autohersteller ihre vor Jahren verkauften und völlig legalen Produkte auf neueste Technik umrüsten sollen. Auf Kosten der Hersteller, die sich nichts zuschulde kommen ließen und keinerlei rechtliche Verpflichtung dazu haben.
                      Das ist so die deutsche Variante von Trumps „Wir bauen eine Mauer, und die Mexikaner werden es bezahlen“.

                      Verständlicherweise haben die Hersteller diese dreiste und unbegründete Forderung abgelehnt. Und Wagenknecht macht daraus eine sinistre Story mit pösen Kapitalisten und armen Opfern. Sie ist nicht die Einzige, die diese Lügen verbreitet, aber es bleiben eben doch Lügen.

              • Erwin Gabriel 3. Januar 2019, 17:48

                @ Stefan Pietsch 2. Januar 2019, 13:12

                Trump als „Traumgegner“ zu bezeichnen, soweit würde ich nicht gehen.

                Ich denke, dass Ralf hier Recht hat. Trump war zumindest Wunschgegner von Hillary Clinton.

                Es gab Absprachen zwischen den Demokraten und den liberalen Medien, dass ein Gegner wie Donald Trump oder Ted Cruz zu bevorzugen sei. Entsprechend lief die Berichterstattung zu den Vorwahlen.

        • derwaechter 3. Januar 2019, 12:02

          „Chancenlosigkeit“?

          Sie hat eine starke Position verspielt und sehr knapp verloren. Das war keine gute Leistung aber chancenlos war sie beim besten Willen nicht.

          • Stefan Pietsch 3. Januar 2019, 14:10

            Bei genauerer Betrachtung war sie chancenlos. Es war immer klar, dass Clinton die Arbeiterhochburgen Michigan und Pennsylvania, Ohio und Indiana wird holen müssen, vom Swing State Florida ganz abgesehen, um eine Chance auf die Präsidentschaft zu haben. Sie verlor sämtlich und das war schon deklassierend. Klar, die Bevölkerungsmehrheiten an der Ost- wie Westküste standen geschlossen in ihrer Ablehnung zu Trump. Aber es war von vornherein klar, dass das nicht kriegsentscheidend sein würde. So lässt sich daran laben, dass die Mehrheit der Wähler Trump nicht gewählt hat, nur interessiert es nicht. Auch die Menschen in Utah und Arizona gehören zu den Vereinigten Staaten.

            • derwaechter 3. Januar 2019, 21:39

              Hindsight is 20/20.

              Ich kopiere unten die entsprechenden Zahlen aus einem Washington Post.
              Ihre Niederlage war knapp. Etwa 100 000 stimmen verteilt auf drei Staaten mehr und sie hätte gewonnen.

              Was ist daran chancenlos?

              Deshalb bin ich auch der Meinung, dass die Russen durchaus Trump entscheidend geholfen haben könnten. Das der E-Mail skandal und die Social Media Kampagne gegen sie ein paar hunderttausend Stimmen bewegt haben könnten ist nämlich nicht abwegig.

              All that matters is that Trump got more electoral college votes, thanks to having won more states. In many cases, those wins were much more narrow than Clinton’s, which also helps power the gap between the electoral vote and the popular one. Trump won 18 states by fewer than 250,000 votes; Clinton, 13.

              The most important states, though, were Michigan, Pennsylvania and Wisconsin. Trump won those states by 0.2, 0.7 and 0.8 percentage points, respectively — and by 10,704, 46,765 and 22,177 votes. Those three wins gave him 46 electoral votes; if Clinton had done one point better in each state, she’d have won the electoral vote, too.

              • Stefan Sasse 3. Januar 2019, 22:34

                Behaltet die Diskussion für morgen über, wenn Teil 2 kommt!

                • derwaechter 4. Januar 2019, 08:44

                  Ok 🙂

            • Stefan Sasse 3. Januar 2019, 22:31

              Was für eine Grütze, sorry.

      • Erwin Gabriel 2. Januar 2019, 18:50

        @ Stefan Sasse 1. Januar 2019, 17:22

        Warum HRC von Ehrgeiz zerfressen ist, wenn sie Präsidentin werden will, Bill, Bob, Al, George, John, Barrack, Mitt und Donald aber nicht, erschließt sich mir nicht ganz.

        🙂 Netter Versuch. Sie war natürlich nicht nur deshlab von „Ehrgeiz zerfressen“, WEIL sie Präsidentin werden wollte. Da gab es schon Unterschiede zu Al Gore, Barrack Obama, oder gar Mitt Romney.

        • Stefan Sasse 2. Januar 2019, 19:00

          Wo also ist der zentrale Unterschied, außer beim Geschlecht?

          • Stefan Pietsch 3. Januar 2019, 10:20

            Al Gore erkannte 2000 den Sieg Bushs an, als noch Stimmen ausgezählt wurden, zum Schutz der amerikanischen Demokratie und seiner Institutionen. In einer weit einfacheren Lage (nicht persönlich gemeint) tat sich Hillary außerordentlich schwer, Trumps Sieg anzuerkennen. Sie äußerte sich, anders als üblich, erst nach knapp einem Tag öffentlich. Das war geradezu peinlich. Schon damit fällt sie hinter alle von Dir aufgezählten Politiker zurück. Sie sah ja noch monatelang danach ihre Niederlage als Irrtum der Geschichte.

            Mag sein, dass das eine Frage des Geschlechts ist. Frauen müssen halt auch die Regeln des Kampfes – ob im Sport, in der Wirtschaft oder Politik – eben erst lernen. 🙂 Alles eine Frage des Geschlechts….

            • Stefan Sasse 3. Januar 2019, 10:48

              Al Gore klagte 2000 gegen Bush…

              • Stefan Pietsch 3. Januar 2019, 11:01

                Al Gore klagte gegen die Auszählung in Florida aufgrund bekannt gewordener Unregelmäßigkeiten. Er war rein juristisch betrachtet einer der wenigen, die eine solche Überprüfung so schnell anstoßen konnten. Und natürlich geht es bei einer Wahl um Korrektheit, das A und O. Aber, als sich herausstellte, dass sich dies nicht in angemessener Zeit juristisch sauber klären ließ, zog er den Stecker. Das war honorig, eine Eigenschaft, die Hillary nicht besitzt. Darum ging es. Es war peinlich, wie lange die Demokratin benötigte, den Sieg Trumps bei weit eindeutigerer Lage anzuerkennen. Womit wir wieder bei dem überbordenden Ehrgeiz und der Uneinsichtigkeit sind, die ja Deiner Ansicht nach nur wegen ihrer vermeintlichen Weiblichkeit erhoben wird.

                • Stefan Sasse 3. Januar 2019, 22:29

                  Sie hat innerhalb von 12 Stunden nach Bekanntgabe des Ergebnis konzidiert.

                  • Stefan Pietsch 4. Januar 2019, 08:33

                    … was erstmal nur schriftlich war und dennoch sehr spät. Ist Dir ein vergleichbarer Fall der letzten 30 Jahre in den USA bekannt? Dabei diente es nur mit als Beleg für den übersteigerten Ehrgeiz der Hillary C. Du verteidigst Sie, obwohl es mindestens an dieser Stelle schon ein Stück absurd ist. Warum?

                    • Stefan Sasse 4. Januar 2019, 09:31

                      ICh verteidige ihr Verhalten nicht, ich hab das in der Wahlnacht auch kritisiert. Ich sage nur dass es nicht krass aus dem Rahmen fällt, aber dein pathologische Hillary-Hass lässt dich das glaube ich nicht sehen.

                    • Stefan Pietsch 4. Januar 2019, 10:10

                      Zur Klarstellung: ich habe keinen Clinton-Hass, aus dem weit entfernten Deutschland hielt ich sie für eine gute und nebenbei sympathische Kandidatin. Ich habe auch nichts gegen Menschen mit Ehrgeiz, schon gar nicht mit großem. Eher habe ich ein Problem mit Menschen, die völlig ohne Ehrgeiz und eigenen Anspruch durchs Leben gehen.

                      Aber als Analytiker muss ich mich von all dem frei machen. Hillary Clinton wollte mutmaßlich Präsidentin werden, um Geschichte zu schreiben, nicht, weil sie von einem bestimmten Gedanken beseelt war. Mit um die 70 steht niemand zudem mehr an dem Punkt, dass er noch etwas unbedingt in seinem Leben erledigen muss, ein Ziel erreichen muss. Auch zur Klarstellung: das halte ich als Charaktermerkmal im Gegensatz zu einer Mehrheit für nicht verwerflich.

                      Aber zur analytischen Bewertung gehört, dies zu beschreiben und zwar so, wie wahrscheinlich die meisten es empfinden. Dies zu nivellieren, macht einen zum Anwalt der zu analysierenden Person.

                    • Stefan Sasse 4. Januar 2019, 10:35

                      Ich weiß nicht, warum sie Präsidentin werden wollte. Das vom Küchentisch aus zu beurteilen scheint mir sehr gewagt. Trump ist übrigens auch 70, aber deiner Meinung nach nicht von Ehrgeiz zerfressen.

                    • Stefan Pietsch 4. Januar 2019, 10:52

                      Zu meinem Job gehört, Lebensläufe von Menschen zu bewerten. Diese sagen viel über die Werte und Ziele eines Menschen aus. Wer mit 40 Sachbearbeiter bei einem 20-Mann-Unternehmen ist, hatte mit Sicherheit nie das ernsthafte Ziel, Vorstandsvorsitzender zu werden noch ist er von besonderem beruflichen Ehrgeiz beseelt. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Clinton aus sozialen oder dem Wunsch, der Gemeinschaft etwas zurückzugeben, ein Amt anstrebt, für das sie bereits einmal für zu leicht befunden wurde.

                      Ich habe über Trump weit mehr und vor allem Negatives zu sagen als dass er von einer Mission in eigener Sache getrieben sei. Das wäre zu harmlos. Aber wenn Du’s willst: er hat in Punkto Ehrgeiz die gleichen bedenklichen Charaktermerkmale wie Clinton. Ich weiß nur nicht ob das ein Kompliment ist oder nicht eher Hillary noch schlechter dastehen lässt.

  • Kning4711 1. Januar 2019, 20:37

    Vielen Dank für die ausführliche Darstellung. Clinton ist in meinen Augen nicht von Ehrgeiz zerfressen, Sie hat eben ein enormes Selbstbewusstsein (was man, wenn man Präsident der USA werden möchte, auch haben sollte) und ggf. hat die Aussicht die erste Frau an der Spitze von „God‘s own country“ zu sein, Sie zusätzlich motiviert. Dabei ist irgendwie das Menscheln auf der Strecke geblieben und am Ende wählen die Amerikaner auch eben jenen Kandidaten, mit dem Sie liebsten ein Bier trinken würden.

    Ich bin sehr gespannt auf den zweiten Teil der Reihe und nur noch eine kleine redaktionelle Anmerkung: Frau Clinton war Secretary of State im ersten Kabinett Obama.

    • Stefan Sasse 2. Januar 2019, 08:38

      Hab’s korrigiert, danke!

    • Erwin Gabriel 2. Januar 2019, 18:53

      @ Kning4711 1. Januar 2019, 20:37

      … und am Ende wählen die Amerikaner auch eben jenen Kandidaten, mit dem Sie liebsten ein Bier trinken würden.

      Da ist sicherlich viel Wahres dran, selbst es bei der Wahl zwischen Hillary Clinton und Donald Trump eher nur bei einem kleinen Alkoholfreien bleiben würde. Bei mir zumindest.

      • Stefan Sasse 2. Januar 2019, 19:00

        Die Amerikaner mochten Clinton bis zuletzt mehr als Trump!!

  • R.A. 3. Januar 2019, 10:02

    Schöner Einstieg in diese Kommentarserie. In der Beurteilung von HRC gehe ich ziemlich komplett mit – mit ihren Stärken und Schwächen.
    Ich hätte mir gewünscht, daß sie 2008 Kandidatin und dann wahrscheinlich Präsidentin geworden wäre.

    2016 war eigentlich zu spät, da war sie schon viel zu lange gefühlt an der Spitze und als Person und mit ihrem Politikansatz war sie irgendwie veraltet. Wahrscheinlich hätte es 2016 auch bessere Kandidaten geben können. Ich kenne mich mit dem Personaltableau der Dems nicht so gut aus, aber eigentlich müßte es da schon einige Senatoren/Gouverneure geben, die besser als Sanders sind. Nur lief in den Jahren vor 2016 schon alles so auf HRC hinaus, daß Leute mit ernsthaften Ambitionen es wohl gar nicht erst versucht haben.

    Wo ich nicht mitgehe sind „Erfolge“ Obamas, die zur Verteidigung anstanden. Ich halte ihn für einen der schlechtesten US-Präsidenten überhaupt. Ein hohler Schwätzer, der außenpolitisch katastrophalen Schaden angerichtet hat und dessen innenpolitische Projekte eigentlich komplett entsorgt werden sollten. Ohne Obama vorher wäre auch ein Verzweiflungsprojekt wie Trump nicht möglich gewesen.

  • Stefan Pietsch 4. Januar 2019, 12:14

    @Ralf

    Wie erklären Sie sich, dass die CDU seit Merkel schwächelt massiv Wähler in Richtung der Grünen verliert? Sieht doch so aus, als wäre da ein progressives Unterstützerpotential, das angewidert vom zunehmenden Rechtskurs, betrieben von Leuten wie Seehofer, Spahn oder Merz, Stück für Stück von der Stange geht.

    Angela Merkel war 18 Jahre Parteivorsitzende der CDU. Auf diesen Zeitraum erstreckt sich folglich die Bewertung. Merkel schaffte es dabei nur einmal, das Abwahlergebnis von Kohl 1998 zu toppen. Wurde die Union tatsächlich für neue Wählerschichten geöffnet? Ich streite nicht mit Ihnen, dass die CDU mehr Laufkundschaft bekommen hat, aber das sind keine Stammwähler, nicht einmal „assoziierte“ Parteigänger. Das heißt, sie hat den Schwund nicht aufhalten können. Das soll aber doch die Idee von Modernisierung sein, für wegsterbende Kunden gewinnt und bindet man neue. Das scheint ganz offensichtlich nicht zu funktionieren.

    Fakt jedoch ist, dass unter Merkel auch die Zerfaserung des bürgerlichen, meinetwegen rechten, Spektrums kräftig vorangeschritten ist. Noch weniger als Kohl wusste sie die Wirtschaftsliberalen einzubinden oder gar zu halten, die FDP ist stimmenmäßig unter Merkels Zeit als CDU-Chefin so fett geworden wie selten in ihrer Historie. Daneben hat sich mit der AfD erstmals in 70 Jahren Nachkriegsgeschichte, welche sowohl die Nationalkonservativen als auch die Arbeitermilieus aufsammelt, die früher ebenfalls zur Union standen. Das hat das rechte Spektrum rein rechnerisch vergrößert, die Möglichkeit stabile Regierungen zu bilden, jedoch deutlich verringert.

    Ich sage nicht, dass dies alles das Werk von Merkel war, das ist nicht die Aussage. Aber, sie hat die allgemeinen Trends der Demokratie nicht aufhalten können, wenn sie nicht gar einzelne noch verstärkt hat. Mit „Modernisierung“ der CDU hat das nichts zu tun, die hat der Partei selbst mittelfristig nichts Zählbares gebracht.

    Ein zweites Argument ist die Frage, wo eigentlich die ganzen SPD-Wähler hin sind? Immerhin brachten es die Sozialdemokraten früher mal auf um die 40%.

    Ja ich weiß, Ihr großes Sorgenkind. Die SPD hat einmal (!) in den vergangenen 40 Jahren 40% erreicht, das ist ein absolut singuläres Ereignis. Das hatte sie selbst davor und danach in Umfragen nicht erreicht. Der Schnitt von 1990 – 2005 lag bei 33-34 Prozent, zuletzt waren es 20%.

    Richtig ist, dass von 2005 auf 2009 viele Anhänger der Partei in das Lager der Nichtwähler gegangen sind. In den Wahlen 2013 und 2017 erhielt die AfD einen wesentlichen Teil ihrer Stimmen aus diesem Segment. Das heißt nicht, dass die heutigen AfD-Wähler alles vergrätzte SPD-Wähler seien. Aber Ihre Gleichung funktioniert nicht wie Sie das aufbauen.

    Zwischen 1998 und 2018 liegen 20 Jahre. Wenn wir von einem durchschnittlichen Erstwahlalter von 20 Jahren und einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 80 Jahren ausgehen (in dem viele bereits dement oder sonst wenig gut mobil sind), dann sind binnen dieser Zeit rund ein Drittel der typischen Parteigänger der Neunzigerjahre schlicht gestorben – eher mehr, siehe Klammer. Berücksichtigen Sie das, so ist der Wählerschwund der Partei von ihrem Mittel der Neunzigerjahre durch den Tod der Anhänger erklärbar.

    Allerdings heißt das, die Partei habe keine Neu-Bürger überzeugen können. Und da ist in der Tat etwas dran, so zumindest Politologen. Die SPD spricht keine Milieus mehr an, weshalb ihre Wähleranteile über alle gleich sind – Arbeiter, Angestellte, Frauen, Ökos whatever. Die SPD macht kein Angebot, das attraktiv für Neue erscheint. Und so hat sie Laufkundschaft, aber längst keine Stammkunden mehr.

    So wird die CDU zwar vermehrt von Frauen gewählt, aber vor allem wegen der geschlechtlichen Identifikation.
    Woher wissen Sie das?

    Wählerbefragungen und persönliche Umfragen. Ich kenne eine Reihe von Frauen, die CDU nur wegen „der Merkel“ gewählt haben – und zwar weil sie eine Frau ist. Sie selbst, das zugestanden, hat nie damit kokettiert.

    Die Wahl war 2015, während Angela Merkel Bundeskanzlerin war und zwar auf der Höhe der Flüchtlingskrise.

    Richtig, genau zu dem Zeitpunkt, wo die Auswirkungen der Flüchtlingskrise nur unter einer rosa Lampe wahrgenommen wurde („Refugees Welcome!). Die negativen Trends setzten im Spätherbst / Winter 2015 / 2016 ein.

    Weshalb das Angela Merkels Schuld sein soll, dass in Frankfurt jetzt ein SPD-Bürgermeister regiert, ist mir schleierhaft.

    Sie haben an der Argumentation etwas missverstanden. Sie haben angeführt, Merkel habe die CDU für neue Wählerschichten geöffnet. Ich möchte das in Wahlerfolgen sehen und als CDU-Anhänger (der ich nicht bin) vor allem generell und nicht nur in singulären Wahlen, wo es um die Bundeskanzlerin geht. Hat Merkel der Union tatsächlich Profit gebracht, das ist die Frage. Außer, dass sie selbst 14 Jahre regiert hat, ist da nichts.

    Ich könnte auch nicht einen einzigen Fall nennen, in dem die Fraktionsvorsitzende der LINKEn laut oder angreifend geworden wäre.

    Ihr Ton, ihre Wortwahl und ihre Argumentation ist exakt so wie in Bundestagsreden oder wahlweise vor dem Bundeskanzleramt. Sie ist definitiv nicht bedächtig und die Lautstärke signifikant höher als von Angela Merkel. Das war Ihr Vergleich. Nicht der mit irgendeinem anderen Politiker.

    Sie formuliert stets Inhalte

    Em, nein. Sie sagt exakt das, was jeder aufmerksame Zuschauer seit Jahren von ihr kennt. Im Bundestag, bei Parteitagen, im Wahlkampf, in Talksendungen. Da ist wenig Variation. Was nicht an ihrer Intelligenz liegt, aber das sind die Stilmittel der Populisten. Den Leuten so lange etwas reinhämmern, bis sie es glauben.

    Das läßt sich nicht beweisen.

    Sie haben behauptet, Wagenknecht sei glaubwürdig. Die Daten der Forschungsinstitute zeigen das nicht. Und es ist auch nicht richtig, dass Politiker von konkurrierenden Parteigängern schlecht bewertet würden. Sonst wären schon Zustimmungswerte von 60, 70 Prozent nicht erklärbar, sonst wäre nicht erklärbar, dass ein Christian Lindner 50 Prozent erreicht und eine Sahra Wagenknecht zeitweise 35 Prozent. Sonst wäre nicht erklärbar, dass ein CSU-Chef bei 20% liegt. Die meisten Bürger sind in Deutschland nicht so parteigebunden, wie Sie das darstellen.

    Tipp von mir: Bevor Sie öffentlich zitieren, ist es gewöhnlich nützlich zu überprüfen, ob das Zitat eigentlich den eigenen Standpunkt oder den Standpunkt des Gegners unterstützt.

    Ich bemühe mich um objektive Darstellungen. Warum sollte ich Wagenknecht Charisma absprechen, wenn sie es eindeutig besitzt? Nur, die größte Gefahr ist Triumpfgefühl, denken Sie nur an Troja. Die Bewohner der Stadt merkten im Siegesrausch auch nicht, wie ihnen ein hohles Pferd untergeschoben wurde. Tatsächlich geht eine Ihrer Standardbehauptungen, die LINKE im Allgemeinen und Wagenknecht im Besonderen würden wegen „der Stasi und so“ nicht gewählt. Nun akzeptieren Sie schwarz auf weis, dass das nicht stimmt. Sie akzeptieren gleichfalls, dass die Programmatik der LINKEN eben nicht den Werten der Mehrheit entspricht. Und Sie haben den nicht unwesentlichen Schlusshalbsatz überlesen, der das von mir Gesagte auf den Punkt bringt:

    sie zudem in der eigenen Partei umstritten sei.

    Den haben Sie weggenommen. Wagenknecht ist bis hin zur eigenen Basis dermaßen umstritten und streitbar, dass sie für Mehrheiten nicht in Frage kommt. So jemand integriert nicht, er grenzt dramatisch aus. „Seid ihr nicht für mich, seid ihr gegen mich.“ Ich sehe die LINKE-Spitzenfrau als eine tragische Figur. Irgendwann in den letzten Jahren wird ihr gedämmert sein, dass sie ihr Leben damit verbringen wird, Opposition zu machen, aber niemals gestalten zu können. Wir erinnern uns aber an die Gestalter, nicht die Opponenten. Die Idee von #aufstehen ist daher vor allem ein Karriereprogramm für Wagenknecht, ihre letzte Chance, in der Geschichte Deutschlands noch eine Rolle zu spielen, die ihrem Talent, ihrer Begabung und ihrer Intelligenz angemessen ist.

    Ich lese aus Frau Wagenknechts Äußerung lediglich die Aussage heraus, dass Betrüger für den Schaden, den sie ihren Kunden in vollem Bewusstsein zugefügt haben, voll aufkommen sollten.

    R.A. hat dazu schon einiges gesagt. Darum geht es doch gar nicht. Wagenknecht verlangt, was in einem Rechtsstaat nicht geht. Das nachträglich etwas Legales zu etwas Illegalem erklärt wird und eine Gruppe dafür ohne Rechtsgrundlage zahlen soll. Wenn es Zweifel gegeben hätte, das Wagenknecht eine in der Wolle gefärbte hingebungsvolle Populistin ist, da wurde der Beweis geliefert. Sie empört sich, dass 10 Jahre alte Diesel nicht mehr in die Innenstädte dürfen, weil Politik und Rechtsprechung heute die Anforderungen deutlich verschärft haben, um andere Ziele zu verfolgen.

    Und dass es ein Skandal ist einfach zuzuschauen, wie die Betrüger weiter Milliardengewinne erwirtschaften, während die Opfer des Verbrechens auf den Kosten des Betrugs sitzen bleiben.

    Es gibt nur einen überführten Betrüger und das ist der vom Staat dominierte VW-Konzern. Dieser hat rekordhohe zweistelllige Milliardensummen aufgewendet zur Schadensbeseitigung. Es steht dem Land Niedersachsen und den Gewerkschaftsvertretern im Aufsichtsrat frei, das Management zu einer äußerst kulanten Haltung gegenüber den deutschen Kunden aufzufordern. Der Haken dabei: beide fürchten sowohl Jobabbau in dessen Folge und den Entfall der jährlichen hohen Boni für einfache Arbeiter und Angestellte bei VW, Audi, Porsche.

    Wagenknecht ist nicht so dumm, das nicht zu wissen, weshalb sie solche Forderungen nicht erhebt, die ihr #aufstehen-Projekt vollständig über die Wupper gehen ließen.

    Dennoch möchte ich zu Bedenken geben, dass es für die Produkthaftung möglicherweise einen Unterschied macht, ob ein Produkt einfach aufgrund von Materialermüdung irgendwann kaputt gegangen ist oder ob das Produkt von vornherein in betrügerischer Absicht und unter bewusstem Rechtsbruch manipuliert worden ist.

    Ein Diesel, der im Jahr 2014 ordnungsgemäß die Euronorm 4 erfüllte, ist auch ordnungsgemäß zugelassen. Wir reißen heute auch nicht die Häuser von 1990 ab, weil sie die neuen Dämmvorschriften nicht erfüllen, sondern legen den Eigentümern Pflichten zur Nachrüstung auf. Doch so lange Autos gekauft und nicht auf Zeit gemietet werden, bleiben solche Auflagen an den Besitzern der fahrbaren Untersätze hängen. Bei Häusern stört uns das nicht. Warum also bei Autos?

    • Ralf 4. Januar 2019, 20:13

      Und es ist auch nicht richtig, dass Politiker von konkurrierenden Parteigängern schlecht bewertet würden. Sonst wären schon Zustimmungswerte von 60, 70 Prozent nicht erklärbar, sonst wäre nicht erklärbar, dass ein Christian Lindner 50 Prozent erreicht und eine Sahra Wagenknecht zeitweise 35 Prozent.

      Zustimmungswerte von 60-70% sind ganz einfach zu erklären, da sich ideologische Spektren nicht auf Parteien begrenzen. Wer etwa wie Sie mit Wirtschaftsliberalen sympathisiert, kann sich z.B. meist nicht nur mit Politikern der FDP, sondern auch mit vielen Politikern der CDU und sogar mit dem rechten Rand der SPD identifizieren. Auch wenn Sie bei der Bundestagswahl nur FDP wählen würden. Würden Sie z.B. zur Glaubwürdigkeit von Christian Lindner oder Jens Spahn befragt, würden Sie den Herrn auch dann Glaubwürdigkeit bescheinigen, wenn die beiden am Vortag die Flachheit der Erde verkündet hätten.

      Das ideologische Spektrum, das Sahra Wagenknecht unterstützen könnte, ist wesentlich kleiner. Sie repräsentiert nur eine Teilströmung in der LINKEN. Mit der anderen Hälfte steht sie auf Kriegsfuß. Die immer bürgerlicher werdenden Grünen und ihre Sympathisanten haben auch eher weniger mit Frau Wagenknecht am Hut. Und die SPD hat die LINKE zum Feind Nr. 1 erklärt. In der Folge ist es sehr wenig überraschend, dass nicht viele Bürger Sahra Wagenknecht „glaubwürdig“ finden.

      Ein Diesel, der im Jahr 2014 ordnungsgemäß die Euronorm 4 erfüllte, ist auch ordnungsgemäß zugelassen. Wir reißen heute auch nicht die Häuser von 1990 ab, weil sie die neuen Dämmvorschriften nicht erfüllen, sondern legen den Eigentümern Pflichten zur Nachrüstung auf. Doch so lange Autos gekauft und nicht auf Zeit gemietet werden, bleiben solche Auflagen an den Besitzern der fahrbaren Untersätze hängen. Bei Häusern stört uns das nicht. Warum also bei Autos?

      Ich bin wie gesagt kein Experte zur Dieselaffaire. Wenn die Autobauer 2014 noch nicht betrogen haben, wenn also keine Manipulationssoftware eingebaut war in ihre Wagen, dann haben sie völlig Recht. Wenn der Staat zu einem späteren Zeitpunkt die Grenzwerte erhöht, haben die Dieselbesitzer eben Pech gehabt. Ganz anders sieht das aus, wenn bereits 2014 betrogen wurde und die Autokäufer über die realen Abgasemissionen bereits damals bewusst getäuscht wurden, auch dann wenn die Autos die damalige Abgasnorm noch voll erfüllten. Denn dann kann ein Käufer zurecht argumentieren, dass er sein Auto in der berechtigten Erwartung erworben hat, dass es auch in Zukunft noch die (strengeren) Abgasnormen erfüllen würde, falls das laut Herstellerangaben so suggeriert war. Wenn wir also einen Fall haben, in dem ein Auto mit den in den Herstellerangaben 2014 behaupteten Emissionen auch heute noch fahren dürfte, es jetzt aber nicht mehr fahren darf, weil wegen des Betrugs der Autobauer, die behaupteten Werte nicht erreicht werden, dann sehe ich die Autohersteller durchaus in der Schadenersatz- und Nachrüstungspflicht. Aber wie gesagt, ich bin kein Jurist und ich kenne die Einzelheiten des Dieselskandals auch nicht ausreichend gut, um mir ein klares Urteil zu bilden.

      • Stefan Pietsch 4. Januar 2019, 22:20

        Man merkt, dass Sie deutsches Fernsehen nur selten anschauen. Es gibt hier durchaus immer wieder lockere Straßenbefragungen von Magazinen. Der typische Deutsche auf der Straße besitzt eine lockere Parteiaffinität und des Öfteren wird ein Gesicht auch nicht mit einer Partei verbunden. Das 10er Ranking des ZDF entsteht in zwei Stufen. Im ersten Schritt werden die Leute befragt, wen sie für wichtig halten und im zweiten werden dazu Popularitätswerte ermittelt. So passiert es, dass ein Cem Özdemir noch Monate nach der Wahl und seinem Ausscheiden aus der ersten Reihe auf Platz 4 gesetzt wurde. Inzwischen ist er allerdings aus dem Ranking verschwunden.

        Es ist völlig unerheblich, ob Wagenknecht nun aus demoskopischen Gründen, Vorurteilen oder der Wetterlage eine geringe Glaubwürdigkeit besitzt. Relevant ist allein, dass dies so ist. Das können Sie ja anders sehen, als einer von 64 Millionen Wahlberechtigten. Damit sehen Sie bereits Ihr Gewicht. Das ist kein Urteil, ob Wagenknecht nun objektiv glaubwürdig ist. Für einen demokratischen Politiker zählt allein, wie Mehrheiten dies sehen. Und damit ist alles über die Frau von Oskar Lafontaine gesagt.

        Und die SPD hat die LINKE zum Feind Nr. 1 erklärt.

        Es ist Wagenknecht, die Bündnisse mit der SPD ausschließt. Sie steht damit in Opposition zu ihren Kollegen in Fraktion und Partei. Und ja, auch für die führenden Köpfe der SPD ist eine Koalition mit einer Wagenknecht-LINKEN kaum vorstellbar. Aber es sind ansonsten SPD-Politiker, die in den letzten Jahren immer wieder Gesprächskreise mit der LINKEN initiiert haben, selbst unter dem Parteichef Sigmar Gabriel.

        Laut Gesetz mussten die Werte in einem Testlauf unter regulierten Testbedingungen erfüllt werden, so wie auch der Verbrauch gemessen wird. Es ist ein wesentlicher Grund, warum hierzulande nur der VW-Konzern am Pranger steht, denn er hat gezielt und verbreitet Manipulationssoftware genutzt. Das war der eine Schritt zu weit. Aber, auch das ist nicht der Punkt, sondern dass Wagenknecht gezielt Bullshit erzählt hat. Eben eine waschechte Populistin.

  • Ralf 4. Januar 2019, 19:21

    Ich streite nicht mit Ihnen, dass die CDU mehr Laufkundschaft bekommen hat, aber das sind keine Stammwähler, nicht einmal „assoziierte“ Parteigänger. Das heißt, sie hat den Schwund nicht aufhalten können. Das soll aber doch die Idee von Modernisierung sein, für wegsterbende Kunden gewinnt und bindet man neue. Das scheint ganz offensichtlich nicht zu funktionieren.

    Sie sind ja Fussballfan, also erfreue ich Sie mit einer Analogie aus der Fussballwelt. Nehmen wir an, Arminia Bielefeld sucht einen neuen Trainer und entscheidet sich aufgrund Ihres Fachwissens und Ihrer jahrelangen Erfahrung im Bereich Fussball für Sie. Im ersten Freundschaftsspiel haben Sie die tolle Möglichkeit gegen das brasilianische Nationalteam zu spielen. Sie verlieren das Spiel 3:1. Ist das ein Erfolg oder ein Misserfolg?

    Nun, man kann argumentieren wie Sie und einen Misserfolg in dem Ergebnis sehen. Schließlich haben Sie verloren. Also schlecht gelaufen. Der Verein sollte Sie nach dieser Interpretation schleunigst vor die Tür setzen und sich nach einem neuen Coach umsehen. Nach Ende Ihrer sehr kurzen Trainerkarriere müssten Sie sich also ein neues Arbeitsfeld suchen, ein Feld, von dem Sie vielleicht noch nicht so viel verstehen, aber in das Sie sich eventuell langfristig einarbeiten könnten. Z.B. die Politik.

    Aber ist dieses Urteil, dass der Verein da über Sie gefällt hat eigentlich gerecht? War das 3:1 gegen das brasilianische Nationalteam eigentlich wirklich ein Misserfolg? Welches Ergebnis hätte denn der optimale Trainer an einem optimalen Tag mit der optimalen Mannschaft von Arminia Bielefeld erwarten dürfen? Meine Erwartungshaltung wäre so, dass ich extrem erstaunt wäre, wenn Sie mit Ihrem Zweite-Liga-Team gegen Neymar & Co nicht mindestens 10 Tore kassieren würden. Weiterhin würde ich vorhersagen, dass Ihr Team es auch nicht ein einziges Mal gefährlich vor das gegnerische Tor schaffen wird. In diesem Lichte sieht Ihr 3:1-Ergebnis eigentlich wie ein Wahnsinnserfolg aus. Sie haben weit mehr aus Ihrer Mannschaft herausgeholt, als man erwarten durfte. Der Verein täte gut daran Ihren Vertrag zu verlängern. Auch der Politik würde so einiges erspart.

    Und in diesem Lichte muss man auch auf die Regierungszeit von Angela Merkel blicken. Merkel übernahm die Partei in einem absolut widrigen Umfeld. Die CDU war überaltert. Gerade die treuesten Anhänger würden bald nach und nach wegsterben. Große Organisationen wie die Kirche oder die Gewerkschaften hatten ihre Bindungskraft verloren und bluteten ihre Mitglieder weg. Da diese Organisationen ihre Mitglieder stets zielgerecht an die Volksparteien gebunden hatten, erodierte so das Phänomen der Stammwählerschaft. Niemand litt darunter so sehr wie die CDU und die SPD. Die Medienlandschaft änderte sich radikal. Benötigte eine neue kleine Partei früher die positive Berichterstattung in den zwei einzigen öffentlich-rechtlichen TV-Sendern, die selbstverständlich indirekt unter Kontrolle der Volksparteien standen und die diese positive Berichterstattung stets verwehrten, gab es jetzt das Internet. In den Social Media konnte man plötzlich Kampagnen führen, ohne das Einverständnis von CDU und SPD. In der Folge sprossen neue kleine Parteien aus dem Boden, jeweils wenn ein neues Themenfeld am politischen Horizont auftauchte. WASG. Piraten. AfD. Diverse andere rechte Parteien. In der sich dadurch zersplitternden Parteienlandschaft konnte man praktisch nur noch Stimmen verlieren als große Volkspartei. Und je weniger jung und technikaffin ihre Unterstützerschaft war, desto stärker verlor die Partei. Keine guten Neuigkeiten für die CDU, die bei Antritt Merkels zudem aufgrund des umfangreichsten politischen Parteispendenskandals in der Bundesrepublik Deutschland gerade ihre gesamte Führungsmannschaft verloren hatte. Eine Parteielite, die nach endlosen Kohljahren ebenso überaltert war wie die regulären Parteimitglieder. Wie würde bei so miserablen Startbedingungen und in einem so widrigen Umfeld eigentlich ein Erfolg der Parteivorsitzenden Merkel aussehen?

    Merkel hat vier Wahlen hintereinander gewonnen. Sie hat die Werte für die CDU im wesentlichen stabil gehalten. Sie schreiben „Angela Merkel war 18 Jahre Parteivorsitzende der CDU. Auf diesen Zeitraum erstreckt sich folglich die Bewertung. Merkel schaffte es dabei nur einmal, das Abwahlergebnis von Kohl 1998 zu toppen.„. Das ist gleich mehrfach falsch. Kohls Abwahlergebnis (35,1%) wurde 2002 (38,5%), 2005 (35,2%) und 2013 (41,5%) getoppt. Während die Sozialdemokraten im selben Zeitraum total kollabierten, erhielt sie die CDU als die einzige Volkspartei. Als einzige Volkspartei, ohne die keine Regierung möglich ist. In welchem politischen Universum ist das kein Erfolg?

    Und ja, Sie mögen einwenden, dass die gegenwärtigen Umfragewerte für die Union gerade noch um die 30% pendeln. Aber Regierungen werden nicht bei Sonntagsfragen gewählt. Warten wir doch besser den echten Wahltag in 2021 ab. Außerdem ist zu erwarten, dass nach einer langen Regierungsperiode Ermüdungserscheinungen beim Wähler auftreten. Moderate Verluste (z.B. 5% von 35% auf 30%) bei den Konservativen wären also alles andere als eine Riesenüberraschung. Egal ob Angela Merkel tolle Politik macht oder nicht. Und größtenteils dürfte die Schwäche bei der CDU auch hausgemacht sein. Seehofers konstante und aus persönlichen Rachemotiven getriebenen Attacken auf die eigene Partei haben Merkels Autorität untergraben. Kein immenses Wunder also, dass die Konservativen schwächeln. Dass dies kein Merkel-spezifisches Phänomen ist, konnte man übrigens bei der Bayernwahl letztes Jahr beobachten, als die CSU in den Abgrund fiel, obwohl Merkels heftigste parteiinternen Kritiker dort zur Wahl standen, nicht die angeblich so unbeliebte Bundeskanzlerin selbst. Auch die Maaßen-Affaire, die Merkel weiter beschädigte, gab es übrigens nur dank Herrn Seehofer. Und ja, auch die geplatzte Jamaika-Koalition hat Merkels Autorität geschwächt. Aber wir sollten doch nicht so tun, als ob ein Bundeskanzler in spe Jens Spahn besser ausgesehen hätte, wenn ihm die Grünen die Tür vor der Nase zugeschlagen hätten und er anschließend nach wochenlangen gescheiterten Verhandlungen genauso wie Merkel in eine ungeliebte große Koalition hätte eintreten müssen.

    Angela Merkels Zeit läuft langsam ab. Das bestreitet keiner. Aber dass ihre Regierungszeit kein Riesenerfolg für ihre Partei gewesen sei, zu dem Schluss kann man eigentlich nur kommen, wenn man völlig unrealistische Ziele formuliert, die niemand – auch kein anderer CDU-Parteivorsitzender – hätte plausiblerweise erreichen können. So als wenn Arminia Bielefeld mit der Zielvorgabe 5:0 gegen die Brasilianer zu gewinnen, ins Match geschickt worden wäre. Wer sich solche Ziele steckt, kann nur enttäuscht werden.

    • Stefan Pietsch 4. Januar 2019, 22:03

      Wer ist Arminia Bielefeld?

      Ich kann mich an ein Spiel erinnern, da gewann der BVB Anfang der Achtzigerjahre gegen die DSC mit 11:1. Das war wohl besagtes Bielefeld.

      Sie entwickeln eigentlich ein gutes und anschauliches Beispiel, nur dann vermasseln Sie jede Analogie, weil Sie Ihre Argumentation durchdrücken wollen und nicht mehr an der Parabel bleiben. Wie definiert sich Erfolg? Die klassische Variante bestimmt sich aus vorgegebenen Zielen und deren Erreichung. Neuere Versionen ziehen daneben eine laufende Zielfortschreibung mit in die Berücksichtigung. Sie vermixen beide Vorgehensweisen fleißig und meinen zu dem erstellten Murks: voila, Erfolg ist immer, was ich daraus mache.

      Das ist natürlich Quatsch. Niemand würde Arminia Bielefeld, einen Zweitligisten ohne größere Ambitionen und Kapital, übernehmen, wenn der sportliche Erfolg allein an einem einzigen, sportlich unbedeutenden Duell mit einer der führenden Nationalmannschaften aufgehängt würde und die Erwartung ein Sieg wäre.

      Als die CDU 1998 mit 35,1% abgewählt wurde, galt dies als absoluter Tiefpunkt. Am Wahlabend wurde zwischen Schäuble und Rühe verabredet, die Partei nach diesem Desaster zusammenzuhalten. Auch in den Jahren danach während den ersten Regierungsjahren des Kanzlers Schröder wurde der Anspruch nicht aufgegeben, wieder stärkste Partei im Bundestag zu werden und dafür Ergebnisse von über 40% plus anzusteuern. Das war die offizielle Zielvorgabe, die auch trotz Spendenskandal nicht aufgegeben wurde. Klar war im Adenauer-Haus allerdings auch, dass die Wahl 2002 dafür nur ein Etappenziel darstellte. Hätte Angela Merkel bei ihrem Antritt das Ziel ausgegeben, in den kommenden 15 Jahren die Partei langsam gegen 30% zu führen, hätte es selbst in der betuchlichen CDU einen Aufstand gegeben.

      Als Merkel antrat (bzw. in ihren Anfangsjahren), hatte die Partei einige ambitionierte, bundesweit präsente Ministerpräsidenten. Roland Koch, Günther Oettinger, Christian Wulff, Jürgen Rüttgers, Müller, Dieter Althaus. Die heutige Riege der CDU-Ministerpräsidenten, so die Partei überhaupt noch Staatskanzleien besetzt, kann da nicht mehr mithalten. Neben dem NRW-Chef Laschet lässt sich das in größeren Abstrichen nur über Schleswig-Holsteins Landeschef sagen. Die Union hat zwar neben den Grünen die meisten politischen Talente, sich finden sich aber vor allem im Berliner Parteiapparat und oft ohne Ämter. Ein Armutszeugnis für die führende Partei Deutschlands, die seit anderthalb Jahrzehnten das Land regiert.

      Unternehmen wissen, dass pauschal formulierte Ziele sehr schnell von der Realität überholt sind. Deswegen wurden sogenannte Forecast-Betrachtungen entwickelt. So kann Bayern München es in dieser Saison durchaus als Erfolg verbuchen, wenn in der Bundesliga der zweite Platz gehalten und in der Champions League das Viertelfinale erreicht wird. 5 Monate vor dem Finale wird sich daran der Erfolg eines Jahres messen.

      Konnte die Union noch Ergebnisse von 40% plus erwarten? Bei der Beantwortung dieser Frage sind ausgerechnet Sie Ihr größter Gegner. Noch vor wenigen Wochen haben Sie hervorgekehrt, dass Merkel für so ein Ergebnis 2013 gut war. Ich habe das immer als Sonderfaktor und singuläres Ereignis abgetan. Das wäre so, als würde Leicester City FC nach dem grandiosen, aber unerwarteten Erfolg 2016 die Meisterschaft oder nur die Champions League als Dauerziel ausgeben. Das Potential der Union insgesamt war längst geschrumpft.

      Vor einigen Jahren erbrachte eine Studie der Allensbach Stiftung im Auftrag des Konrad-Adenauer-Hauses, dass die Union nur noch über eine Stammwählerschaft von 28,5% verfügt. Rechnet man die Laufkundschaft drauf, so sind Ergebnisse von Mitte 30 Prozent möglich, darüber hinaus aber zunehmend unwahrscheinlich. Der Vergleich mit der linken Konkurrenz von der SPD hinkt gewaltig, deren Stammwählerschaft ist aufgrund der wirtschaftlichen Veränderungen so stark geschrumpft, dass sie kaum noch vorhanden ist. Wie bei Unternehmen auch, fällt es Parteien extrem schwer, eine schrumpfende, wegfallende Stammkundschaft durch neue Jagdgebiete zu ersetzen. Doch auch unter Berücksichtigung dieser Informationen sind Werte von um die 30% kein Erfolg für die Partei, so hart muss das Urteil ausfallen. Das kann in 10 Jahren anders aussehen, aber wir versuchen faire Kriterien für die Erfolgsmessung der Parteiarbeit Merkels zu finden.

      Ergänzend, das hatte ich ja bereits, hat die Politik Merkels dafür gesorgt, sich schneller von tradierten Milieus zu lösen. Anders als bei der SPD mit den einfachen Arbeitern im Ruhrgebiet und den Werftbeschäftigten in Bremen und Hamburg, sind diese jedoch nicht verschwunden, sondern politisch heimatlos geworden. Sie werden zwar derzeit von der AfD bedient, sind aber dort nicht angekommen. Im Austausch hat die CDU grün angehauchte Laufkundschaft bekommen, die ihr Kreuz mal hier und mal dort machen. 1994 habe ich einmalig die Grünen gewählt, doch es wäre vermessen, würde man der Partei vorwerfen, dass sie mich nicht gehalten hat. Diese Wählermilieus, um die sich Merkel bemüht hat, sind äußerst volatil in ihrem Verhalten. Sobald ihnen eine andere die reizvolleren Strapse zeigt, sind sie weg, durch schwere Zeiten gehen sie nicht mit einer Partei. Leute wie ich wählen ihre Partei auch dann, wenn die Zeiten nicht so gut sind.

      Die AfD ist eine Geburt der Politik Angela Merkels: gegründet aus Protest gegen die Eurorettungspolitik, die in der Union zu keiner Zeit großen Rückhalt hatte, und gemästet durch die an grüne Milieus adressierte Flüchtlings- und Migrationspolitik sind die Rechtspopulisten zu einem dauerhaften Machtfaktor der nationalen Politik geworden. Das vermindert gleichzeitig dauerhaft die Chancen der Union, über längere Zeit die einzig mögliche Kanzlerpartei zu sein. So hat die CDU in diesem Jahr weder in Sachsen noch Thüringen, zwei ihrer Stammländer, gute Aussichten auf eine sichere Regierungsbildung. In Thüringen konkurriert man zusammen mit LINKE und AfD um den ersten Platz auf niedrigem Niveau.

      Kohls Abwahlergebnis (35,1%) wurde 2002 (38,5%), 2005 (35,2%) und 2013 (41,5%) getoppt.

      Nicht wirklich, oder? 35,2% toppt (!) 35,1%? Das streichen wir mal. 2002 kann kaum als Merkel-Erfolg verbucht werden. Der Wahlkampf war einer von zwei in der gesamten bundesrepublikanischen Geschichte, in dem die CDU der wesentlich kleineren Schwester aus Bayern den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur lassen musste. Und Edmund Stoiber war mit Sicherheit als Antipode zu Merkel zu sehen. Drei Jahre später unterbot Merkel mit ihrer Kanzlerkandidatur dieses Ergebnis deutlich, obwohl sie es mit einer abgehalfterten Regierung zu tun hatte, nicht von einer Oder-Flut überrascht wurde und das Klima für Unionsthemen wie wirtschaftliche Reformen außerordentlich günstig war. Niemand, wirklich niemand in der Union sah 2005 als Erfolg an, jeder hatte erwartet, das 2002 überboten würde.

  • Ralf 5. Januar 2019, 00:11

    Aber, auch das ist nicht der Punkt, sondern dass Wagenknecht gezielt Bullshit erzählt hat.

    Nehmen wir an, ich verkaufe Ihnen in 2014 ein Bild für zwei Millionen Euro. Zum Kauf kam es, weil ich Ihnen gegenüber behauptete, das Bild sein von Rembrandt, dabei habe ich es selber gemalt. Vier Jahre später schöpfen Sie Verdacht und lassen das Bild bei einem Gutachter prüfen. Der stellt zweifelsfrei fest, dass Sie betrogen worden sind. Anschließend stellen Sie mich zur Rede. „Aber das Bild hat Ihnen doch vier Jahre lang gut gefallen und seinen Zweck Ihre Gäste im Wohnzimmer zu beeindrucken voll erfüllt“, entgegne ich. „Außerdem ist die Produkthaftung nach zwei Jahren abgelaufen“. Was antwortet mir der Jurist in Ihnen?

    Die Antwort, ob die Autohersteller 2014 bereits betrogen haben, sind Sie übrigens schuldig geblieben. Nur wenn wir diese Antwort kennen, können wir beurteilen, ob Frau Wagenknecht „Bullshit“ erzählt hat.

    Niemand würde Arminia Bielefeld, einen Zweitligisten ohne größere Ambitionen und Kapital, übernehmen […]

    Meine Güte, es würde Sie auch niemand als Trainer eines Profi-Fussballvereins einstellen. Es liegt in der Natur von Analogien, dass sie einige unnatürliche Annahmen machen. Im Sinne der Debatte wäre, wenn Sie sich auf das Beispiel einlassen könnten …

    Hätte Angela Merkel bei ihrem Antritt das Ziel ausgegeben, in den kommenden 15 Jahren die Partei langsam gegen 30% zu führen, hätte es selbst in der betuchlichen CDU einen Aufstand gegeben.

    Ein 60-Jähriger verliert seinen Arbeitsplatz, an dem er ein sehr gutes Gehalt gehabt hatte. Jetzt sucht er wieder Arbeit. Als Ziel wird er ausgeben, mindestens das gleiche zu verdienen, was er zuvor schon bei seinem ehemaligen Arbeitgeber bekommen hatte. Wenn nicht sogar mehr! Klar, jeder gibt immer ambitionierte Ziele aus. Wesentlich realistischer ist allerdings, dass jemand in seinem Alter nur noch zu deutlich niedrigeren Konditionen eingestellt werden wird. Will der Mann in der real existierenden Welt noch einen Arbeitsplatz bekommen, wird er seine Ansprüche der Wirklichkeit anpassen müssen. Hatten wir diese Diskussion nicht vor ein paar Wochen?

    Und so wird auch Merkel sicher nicht 30% als „ambitioniertes Ziel“ ausgegeben haben. 30% sind im gegenwärtigen politischen Umfeld mit immer mehr Kleinparteien und immer weniger Stammwählern aber wesentlich realistischer als 40%. Egal ob der CDU-Vorsitzende Merkel, Kramp-Karrenbauer, Merz oder Spahn heißt.

    Als Merkel antrat (bzw. in ihren Anfangsjahren), hatte die Partei einige ambitionierte, bundesweit präsente Ministerpräsidenten. Roland Koch, Günther Oettinger, Christian Wulff, Jürgen Rüttgers, Müller, Dieter Althaus.

    Schade dass der ehemalige saarländische Ministerpräsident keinen Vornamen hat.

    Aber ich bitte Sie! Oettinger, Müller und Althaus hatten zu keinem Zeitpunkt ein bedeutendes bundesweites Profil. Und Roland Koch war durch die Parteispendenaffaire schwer beschädigt. Bleiben gerade noch Wulff und Rüttgers. Heute gibt es da Laschet, Bouffier und Günther. Plus einige weitere, unbekanntere Ministerpräsidenten mit Oettinger/Müller/Althaus-Format.

    Konnte die Union noch Ergebnisse von 40% plus erwarten? Bei der Beantwortung dieser Frage sind ausgerechnet Sie Ihr größter Gegner. Noch vor wenigen Wochen haben Sie hervorgekehrt, dass Merkel für so ein Ergebnis 2013 gut war. Ich habe das immer als Sonderfaktor und singuläres Ereignis abgetan.

    Ich habe nie bestritten, dass 2013 ein singuläres Ereignis war. Eine Folge nämlich der Tatsache, dass CDU und FDP wie zwei kommunizierende Röhren funktionieren. Kollabiert die FDP, so wächst die CDU. Die FDP-Wähler, die 2013 zur Union geflüchtet waren, gingen 2017 wieder zurück zu den Liberalen und so landete Merkels Partei 2017 wieder ungefähr dort, von wo sie 2009 gestartet war.

    Doch auch unter Berücksichtigung dieser Informationen sind Werte von um die 30% kein Erfolg für die Partei, so hart muss das Urteil ausfallen. Das kann in 10 Jahren anders aussehen, aber wir versuchen faire Kriterien für die Erfolgsmessung der Parteiarbeit Merkels zu finden.

    Nein, ich versuche faire Kriterien für die Erfolgsmessung der Parteiarbeit Merkels aufzustellen. Sie erzählen mir lediglich, dass mein Ansatz Mist ist, ohne einen Gegenvorschlag zu machen. Ironischerweise zitieren Sie weiter oben dann auch noch eine Studie der Allensbach-Stiftung, die zum Schluss kommt, dass das realistisch erreichbare Potential der CDU in unserer heutigen Zeit bei Mitte 30% liegt. Dem würde auch ich zustimmen. Wenn die Union dieses Potential ausschöpft, dann wollen Sie das aber trotzdem nicht als Erfolg gelten lassen. 32,9%, Merkels Ergebnis von 2017, ist nicht so furchtbar weit entfernt von Mitte 30% …

    Im Austausch hat die CDU grün angehauchte Laufkundschaft bekommen, die ihr Kreuz mal hier und mal dort machen. […] Diese Wählermilieus, um die sich Merkel bemüht hat, sind äußerst volatil in ihrem Verhalten. Sobald ihnen eine andere die reizvolleren Strapse zeigt, sind sie weg

    Nun, zumindest hat Merkel mit den Strapsen, die sie hatte, vier Wahlen gewonnen. Dass sie ohne die neue „Laufkundschaft“ mit einem Rechtskurs, der bei Progressiven keinerlei Appeal findet, auch viermal gewonnen hätte, ist extrem unwahrscheinlich. Ob sich langfristig in Deutschland eine AfD hätte verhindern lassen, ist ebenfalls unwahrscheinlich. Schauen Sie mal in andere europäische Länder. Praktisch überall sind in den vergangenen Jahren Rechtspopulisten in die Parlamente eingezogen, obwohl nur wir eine Angela Merkel mit „Offene Grenzen-Flüchtlingspolitik“ haben.

    Nicht wirklich, oder? 35,2% toppt (!) 35,1%? Das streichen wir mal.

    ???

    „Toppen“ bedeutet „ist größer“. Tut mir ja leid, dass Ihr Statement hier mathematisch auseinanderfällt, aber 35,2% ist mehr als 35,1%. Nach Ihrer Logik endet auch ein Fussballmatch mit Endstand 6:5 unentschieden, weil „5“ und „6“ ja so nahe beieinander liegen …

    2002 kann kaum als Merkel-Erfolg verbucht werden.

    Sorry, aber Sie hatten den Zeitraum in Ihrem Statement ausdrücklich seit Antritt von Angela Merkel als Parteivorsitzende im Jahr 2000 gewählt und behauptet, seither hätte die Union Kohls Abwahlergebnis nur ein einziges Mal getoppt. Mein Verweis auf die Bundestagswahl 2002 ist insofern völlig korrekt. Und selbstverständlich hat Angela Merkel als Vorsitzende der CDU einen Anteil an dem Ergebnis damals.

    Und Edmund Stoiber war mit Sicherheit als Antipode zu Merkel zu sehen.

    Inhaltlich?

    • Stefan Pietsch 5. Januar 2019, 11:43

      „Außerdem ist die Produkthaftung nach zwei Jahren abgelaufen“. Was antwortet mir der Jurist in Ihnen?

      Nun, die Antwort ist aus juristischer Sicht sehr einfach. Mit der Aufdeckung des Betrugs, also der Erstellung des Gutachtens, beginnt die 3-jährige Verjährungsfrist für Betrug zu ticken. VW hat im September 2015 bekannt, bei der Software manipuliert zu haben, folglich lief die Verjährungsfrist am 31. Dezember 2018 ab. Die Verjährung einer Tat kann durch die Einleitung eines Gerichtsverfahrens gestoppt werden. Dazu reicht die Einreichung einer Klage.

      Produkthaftung und Betrug sind zwei völlig unterschiedliche Dinge und werden in unserer Debatte nicht ausreichend getrennt. So, wie Wagenknecht es munter mixt, wie es Populisten tun. VW-Kunden, die betrogen wurden, haben Anspruch auf Entschädigung. Darum geht es in den jetzt nach neuem Recht eingereichten Sammelklagen. VW hat Entschädigungen angeboten, nur sind die den Klägern nicht ausreichend. Was ausreichend ist, muss nun auf dem gerichtlichen Wege geklärt werden.

      Der einzige Weg, wo sich hier die Politik einlassen könnte, wäre über ihre Aufsicht über VW. Das tun sie nicht und das fordert auch Wagenknecht nicht. Haben Sie sich nicht gefragt, warum nicht?

      Das andere sind Fahrzeuge, die von Mercedes, BMW und Land Rover ganz legal und ganz ordentlich nach Euronorm 3-5 in Deutschland zugelassen wurden. Ohne manipulierte Software. Für diese Fahrzeuge gelten spätestens 2019 in einer Reihe von Großstädten zunehmend strengere Fahrverbote aufgrund von Gerichtsurteilen, welche die Emissionswerte nach den geltenden europäischen Richtlinien als nicht zulässig erachten. Der Gesetzgeber könnte nun auf zweierlei Wegen tätig werden: Er setzt im Rahmen des europäischen Gesetzgebungsverfahrens großzügigere Emissionswerte durch, die auch von Fahrzeugen der Euronormen 3-5 erfüllt werden. Oder er zahlt als Fiskus die Nachrüstungskosten. Keine dieser Forderungen wurde von Sahra Wagenknecht erhoben. Stattdessen simuliert sie Empörung wie sie eine kenntnislose Klofrau auch nicht besser spielen könnte.

      Die Antwort, ob die Autohersteller 2014 bereits betrogen haben, sind Sie übrigens schuldig geblieben.

      Auf die kommt es auch nicht an. Wird heute aufgedeckt, dass Daimler seit 2010 Manipulationssoftware verbaut, gilt wieder die 3-Jahresfrist. Alle Ansprüche könnten bis 2022 geltend gemacht werden.

      Nur wenn wir diese Antwort kennen, können wir beurteilen, ob Frau Wagenknecht „Bullshit“ erzählt hat.

      Nein. In Kenntnis all des von mir Gesagtem, das in Berlin wohlbekannt ist, wusste Wagenknecht ganz genau, was für einen Unsinn sie da wieder verzapft. Nur weiß sie auch, dass ihr Publikum das nicht merkt und an ihren Lippen hängt.

      Im Sinne der Debatte wäre, wenn Sie sich auf das Beispiel einlassen könnten …

      Das habe ich ja, nur darf eine Parabel nicht gleich an der ersten Ecke hängen bleiben. Ich weiß, was Sie meinen und fand das Beispiel im Grunde auch gut. Nur halt nicht von Ihnen aufgezogen.

      Wie Erfolg gemessen wird, das habe ich doch sehr ausführlich dargestellt. Es gibt die post-post-Betrachtung: wir definieren vorher ein Ziel und schauen, wie weit es später erreicht wird. Dieser Vergleich fällt für Merkel nicht gut aus. Und es gibt die post-ante-Betrachtung, die Fortschreibung von Zielen. Doch auch hier schneidet die Kanzlerin im Langfristvergleich keineswegs besonders gut ab. Dass z.B. ein vorheriges Ergebnis von knapp 42% auf 32,9% geschrumpft wird, hat noch in der Woche vor der Wahl niemand für ernsthaft möglich gehalten. Sie schreiben daraus, dass dies am Ende doch noch ein Erfolg war. Nehmen wir den Maßstab Stammwählerschaft zu freien Wählern. Auch hier kann die Union nicht wirklich überzeugen. Von 28,5% geschätzten Stammkunden sind nur noch 4,4% drauf gekommen, das sind in Relation weniger als bei den Liberalen mit geschätzten 5 Prozent Stammwählern und gar nichts im Vergleich zur Rechtsaußen-Fraktion. Wahrscheinlich hat sogar die SPD in diesem Vergleich besser abgeschnitten, nur habe ich für die Partei keine seriösen Schätzwerte.

      Ein 60-Jähriger verliert seinen Arbeitsplatz, an dem er ein sehr gutes Gehalt gehabt hatte. (..) Als Ziel wird er ausgeben, mindestens das gleiche zu verdienen, was er zuvor schon bei seinem ehemaligen Arbeitgeber bekommen hatte.

      Zum Zeitpunkt der Zielformulierung ist das Ziel statistisch kaum zu erreichen. Das weiß ich genauso wie dass die Wahrscheinlichkeit, mit Bielefeld Brasilien zu schlagen against all odds ist. Aber 1998 respektive 2000 war es für die Union keineswegs unwahrscheinlich, wieder auf 40% zu kommen. Das war eine allgemeine Erwartung selbst der politischen Konkurrenz. Und die eine Kleinpartei, die längst keine Kleinpartei mehr ist, wurde von Merkels Politik mitgeschaffen.

      Schade dass der ehemalige saarländische Ministerpräsident keinen Vornamen hat.

      Das ist so mit meinem Namensgedächtnis. Ich bin eher auf Zahlen und Ereignisse. Ich hätte den Vornamen auch googeln können, doch das kann jeder. Nicht wahr? Ich bin durchaus ein Stück stolz drauf, nicht alles sofort nachschlagen zu müssen, sondern abgespeichert zu haben. Peter hieß er glaube ich, oder?

      Aber ich bitte Sie! Oettinger, Müller und Althaus hatten zu keinem Zeitpunkt ein bedeutendes bundesweites Profil.

      Das ist nicht richtig. Allen drei wurde eine kurze Zeitlang zugetraut, in Berlin eine wichtige Rolle spielen zu können. Dass sie später teilweise für zu leicht befunden wurden, ist dafür unerheblich. Althaus verlor sein Amt nur aufgrund eines tragischen Unfalls. Jedenfalls haben die Nachfolger dieses Gewicht nicht mehr erreicht.

      Und Roland Koch war durch die Parteispendenaffäre schwer beschädigt.

      Aber ein politisches Schwergewicht, der eine frühere SPD-Hochburg mehrmals deutlich gewinnen konnte.

      Heute gibt es da Laschet, Bouffier und Günther.

      Echt? Jetzt liegen wir beide in der Ecke und lachen. Laschet ist nicht unbedeutend, hält sich mit bundesweiten Ambitionen aber wie seine Amtsvorgängerin sehr zurück. Als Schwergewicht kann man ihn nicht bezeichnen. Das gilt erst recht für die anderen beiden. Bouffier gilt selbst in der eigenen Partei als abgehalftert und amtsmüde, bundesweiten Einfluss besaß er nie.

      Wenn die Union dieses Potential ausschöpft, dann wollen Sie das aber trotzdem nicht als Erfolg gelten lassen. 32,9%, Merkels Ergebnis von 2017, ist nicht so furchtbar weit entfernt von Mitte 30% …

      Das ist so als wenn ich mir schon ein deutlich unter dem Vorjahr liegendes Ergebnisziel gebe, dies nochmals korrigiere, dennoch verfehle und anschließend den Erfolg darin sehe, lediglich 8% unter den Erwartungen gewesen zu sein. Kann man machen, überzeugt nur selten.

      Ob sich langfristig in Deutschland eine AfD hätte verhindern lassen, ist ebenfalls unwahrscheinlich. Schauen Sie mal in andere europäische Länder.

      Deutschland spielte aufgrund seiner Geschichte immer eine Sonderrolle und das hat auch fast jeder für gut befunden. In Österreich regierte die rechtsgerichtete FPÖ schon, da waren die Republikaner hier längst Geschichte. Das Gleiche mit dem Front National, der bereits in zwei Präsidentschaftsendrunden war. Oder die Lega in Italien, die schon sehr lange Regierungsteil war und ist. Das ist kein Argument. Deutschland konnte sich immer von diesen Trends abkoppeln. Bis Angela Merkel kam und erst beschloss, die europäischen Regeln zur Währung aufzuweichen, die einstmals auf deutsches Betreiben in die Verträge geschrieben wurden und anschließend entgegen internationaler Entwicklungen ein ultralockeres Grenzregime zu betreiben. Da war es auch den geduldigsten deutschen Nationalkonservativen deutlich zu bunt.

      „Toppen“ bedeutet „ist größer“.

      Mathematisch haben Sie absolut recht. Politisch überhaupt nicht. Und ich meinte den Satz keineswegs mathematisch, denn auch hier habe ich nicht erst die Ergebnisse gegoogelt.

      Und Edmund Stoiber war mit Sicherheit als Antipode zu Merkel zu sehen.
      Inhaltlich?

      In sehr vielem. Habitus, Herkunft, Ausrichtung der Partei, am Ende auch Fiskal- und Haushaltspolitik. Europäisch ohnehin.

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