Warum Obama alles andere als eine Enttäuschung ist

Von Jan Falk und Stefan Sasse

Ein “lustloser Präsident”, der seine Präsidentschaft “retten” müsse – so beschrieb jüngst Markus Feldenkirchen bei Spielgel Online Obamas Status im Weißen Haus zwei Jahre vor Ende seiner Amtszeit. Auch in Kommentarspalten deutscher Online-Medien liest man immer wieder von einem Präsidenten, der zwar schöne Reden halten könne, aber nicht handle, nicht besser sei als Bush, der insgesamt gescheitert sei. Wir glauben: Nichts könnte weiter von der Realität entfernt sein.

Als der damalige Präsidentschaftskandidat im Sommer 2008 an der Berliner Siegessäule vor Hunderttausenden sprach, von einem besseren Amerika und mehr Kooperation in der Welt, waren die Hoffnungen in Deutschland auf diesen anderen, neuen Politiker riesig, woran sein überbordendes rhetorisches Talent nicht ganz unschuldig gewesen sein dürfte. Schon damals gab es hier und da kluge Kommentare, die vor den immensen Erwartungen, aber auch Aufgaben des neuen Präsidenten warnten, aber sie wurden kaum gehört. Dieses immer noch großartige JibJab-Video von 2009 zeigt – leicht zugespitzt – die damalige Stimmung:

Heute, rund sechs Jahre später, hat sich das Bild in Deutschland komplett gewandelt. Von einer riesigen Enttäuschung ist routinemäßig zu lesen, er habe nichts erreicht, sei genauso schlimm wie sein Vorgänger Bush. Doch woher kommt diese Wahrnehmung?

Richtig ist natürlich: Wie jeder frischgewählte Reformer mit langer Wahlvorhaben-Liste und großen Herausforderungen ist ihm nicht alles gelungen, was er im Wahlkampf 2008 angekündigt hatte, anzupacken – ob dies nun die versprochene Schließung von Guantanmo Bay, das schnelle Beenden menschenrechtswidriger Verhörpraktiken oder eine Verschärfung der US-Waffengesetze war.

Dann ist da das Thema NSA. Es hat beinahe alle anderen Themen überlagert. Richtig ist: Obama hat hier weitgehenden den Status Quo von seinem Vorgänger belassen. Reformen wurden erst widerwillig angestoßen, nachdem Edward Snowden seinen Geheimnisverrat begangen hatte. Und es ist legitim, diesem Thema eine große Bedeutung beizumessen und Obama aufgrund seiner Politik allein in diesem Bereich zu bewerten.

Doch weitet man den Blick, wird klar, dass Obama viel mehr gelungen ist als ihm hierzulande zugestanden wird und viel mehr, als den meisten seiner Vorgänger. Bereits jetzt, zwei Jahre vor dem Ende seiner Amtsperiode zeichnet sich eine historische Präsidentschaft ab – zumindest aus einer reformorientierten, melioristischen mitte-links/grünen Perspektive. (Wer hingegen denkt, nur die Revolution bringe uns weiter oder wer immer noch am neoliberalen Trickle-Down-Wirtschaftsmodell festhält, wird sicher zu einer anderen Einschätzung kommen.)

Obama war natürlich nie der Heilsbringer mit übermenschlichen Fähigkeiten, den viele in ihm sehen wollten, sondern stets ein rhetorisch zwar unglaublich begabter, aber doch immer durch die Limitationen seines Amtes beschränkter Präsident, über weite Strecken seiner Amtszeit zurückgehalten durch eine unerbittliche Blockade beinahe aller legislativen Bemühungen durch die Republikaner im Kongress und der konservativen Mehrheit im Supreme Court.

Dennoch: Es sind viele Reformen angestoßen und umgesetzt worden, die für die USA und ihre Bewohner nicht bedeutender sein könnten. Es sind echte Erfolge, mit echten Konsequenzen. Und weil das in der deutschen Presse und Bloggosphäre weitgehend ignoriert wird, haben wir mal einige der wichtigsten Erfolge aufgelistet:

1. Endlich eine Krankenversicherung für immer mehr US-Bürger

Wir müssen unsere Vorstellungen einer allgemeinen, gesetzlichen Krankenversicherung, wie sie etwa in Deutschland oder Großbritannien besteht, für die USA komplett vergessen. Aus unserer Perspektive wäre ein solches System zwar wünschenswert. Politisch durchsetzbar aber war es zu keiner Minute. Wer das bezweifelt und glaubt, mit entsprechender präsidialer Willenskraft hätte Obama die Widerstände überkommen können, ist ein Träumer. Der Präsident ist der Chef der Exekutive, nicht Green Lantern. Obama hatte begründete Hoffnungen, für seine Vorstellung einer Krankenversicherung Unterstützer bei den Republikanern zu finden – Obamacare basiert auf deren Idee. Die krasse Polarisierung, von der seine Wahl begleitet war, ließ dies aber nicht zu und liegt auch außerhalb seiner Kontrolle.

Egal, wie inädaquat das Obamacare-System auch sein mag – in den USA sind jetzt nur noch halb so viele Menschen ohne Versicherung wie vor seiner Einführung, und diese Zahl wird weiter schrumpfen, wenn erst die Betonköpfe sehen, welche Vorteile ihnen vorenthalten werden. Obamacare ist die größte sozialstaatliche Errungenschaft der USA seit Medicare in den 1960er Jahren, und es darf als sicher gelten, dass jemand anderes sie nicht durchgesetzt hätte. Erfolge Obamacares zeigen sich aber nicht nur in der reinen Rate der Versicherten: auch die exporbitanten Kosten des US-Gesundheitssystems steigen nicht mehr so schnell an wie in der Vergangenheit. Das heißt nicht, dass dies bereits einen Endzustand darstellen sollte. Das US-Gesundheitssystem ist noch immer deutlich teurer als europäische gesetzliche Versicherungssysteme, ohne dieselben guten Ergebnisse zu erzielen. Wenn Obamacare sich vollends durchsetzt könnte sich dieses Verhältnis verbessern.

2. Dodd-Frank Financial Reform

Die wohl unbekannteste Erfolgsstory aus Obamas beiden Amtszeiten datiert noch auf die Frühzeit seiner Präsidentschaft: die Wall-Street-Reformen nach der großen Finanzkrise. Während die europäischen Regierungen als große Lektion der Krise gezogen haben, dass man dringend die Staatsverschuldung in den Griff bekommen müsse, haben die Amerikaner die Hauptschuldigen an der Wall Street und der “too big to fail”-Problematik ausgemacht. Während die resultierenden Reformen keinesfalls die Träume der Kritiker befriedigen dürften, so sind sie doch deutlich besser, als man ihnen gemeinhin zugesteht. Dafür gibt es übrigens einen relativ einfachen Benchmark: die Reaktionen der Wall Street selbst. Im Wahlkampf 2008 hatte sie noch überwiegend Obama mit ihren Wahlkampfspenden bedacht; 2012 bekam er von dort deutlich weniger. Stattdessen pumpte die Wall Street ihre Spendengelder in Mitt Romney, der ein Zurückdrehen der so genannten “Dodd-Frank-Reforms” (benannt nach ihren beiden Hauptunterstützern im Kongress) versprach.

In den aktuellen Verhandlungen um TTIP, das Freihandelsabkommen zwischen USA und Europa, setzt die Wall Street große Hoffnungen darin, dass die amerikanischen Standards an die wesentlich laxeren und günstigeren europäischen angeglichen werden. Obama hat die Tage, in denen die USA der Hort des ungezügelten Finanzkapitalismus waren, beendet. Seither verortet der seine Hauptquartiere in London und Frankfurt. Vor allem zwei Ergebnisse haben Obamas Reformen gebracht: Einerseits Maßnahmen gegen das “too big to fail”-Problem, die es zwar nicht beseitigen, aber doch zumindest eindämmen (davon ist in Deutschland keine Spur zu sehen), und andererseits Maßnahmen zum Kundenschutz. Hier haben die USA gegenüber Europa allerdings auch massiven Nachholbedarf, der mit Dodd-Frank noch lange nicht ausgeräumt ist. Immerhin werden aber große Schritte unternommen, die zumindest das offensichtliche Belügen der Kunden inzwischen unter Strafe stellen und entsprechende Verträge nichtig machen.

3. Obama – der Klimapräsident

Wohl jeder einflussreiche Politiker unserer Zeit dürfte in ferner oder auch nicht so ferner Zukunft an seinen Fortschritten in der Klimapoltik gemessen und beurteilt werden. Schon jetzt ist deutlich: Obama ist der erste Präsident, der das Thema wirklich ernst genommen hat. In den letzten sechs Jahren fanden zwei wesentliche Entwicklungen statt, die interessanterweise zunächst gar nichts miteinander zu tun haben: Die Obama-Administration hat eine Reihe großer klimapolitischer Weichenstellungen vollzogen und der CO2-Ausstoß in den USA fällt deutlich:

Warum sinken die Emissionen bereits jetzt? Das hat mehr mit der Rezession in den letzten Jahren und dem Erdgasboom im Land zu tun als mit neuen Gesetzen. Die Verbrennung von Gas erzeugt deutlich weniger CO2 als Kohle. Ebenfalls dürften die rund 90 Milliarden Dollar für erneuerbare Energien und Forschung bereits anfangen Wirkung zu zeigen, die im Stimulus Paket zur Rettung der Wirtschaft nach dem Crash Anfang 2009 enthalten waren.

Doch die wirklich großen Entscheidungen werden erst in den kommenden 20 Jahren wirklich wirksam: Bis 2025 müssen amerikanische Autobauer die Reichweite ihrer Wagen bei gleichem Spritverbrauch  fast verdoppeln. Bis 2030 sollen zudem die Kohlekraftwerke des Landes rund 30 Prozent weniger CO2 ausstoßen.

Reicht das, um den Planeten vor dem Klimakollaps zu retten? Alleine sicher nicht, aber die USA befinden sich nun auf gutem Wege, ein Vorreiter in der Klimapolitik zu werden – wenn nicht der nächste Präsident die beschlossenen Gesetzt wieder zurückdreht. Das wäre recht leicht möglich, beruhen sie doch auf rein exekutiven Erlassen. Denn die Republikaner im Kongress sind mittlerweile mehrheitlich Klimawandelleugner und haben keine der Initiativen mitgetragen.

4. Historische Fortschritte bei der LBGT-Gleichberechtigung

“The culture war is over – and we won” proklamierte Anfang des Jahres der linke Showmaster und Komiker Bill Maher und beschrieb damit nur leicht zugespitzt eine absolut erstaunliche Entwicklung in der US-Gesellschaft innerhalb nur weniger Jahre: Versprachen Gay-Marriage (und auch andere gesellschaftliche Themen wie Mariuhana-Legalisierung) während der Bush-Ära noch klare Vorteile für die Republikaner an den Wahlurnen, hat sich das Meinungsbild völlig gedreht. Waren Anfang der Nullerjahre noch 60 Prozent gegen die Homoehe, sind nun fast 60 Prozent damit einverstanden, unter den Jüngeren noch viel mehr. Erstaunlich für ein Land, das lange überwiegend als christlich-konservativ galt.

Obama hat diese Entwicklung nicht angestoßen, sie aber nachhaltig begleitet und ihr den letzten Schwung gegeben. Zunächst mit der Beendigung von Clintons unsäglicher “Don’t ask, don’t tell”-Politik, die Angehörigen des Militärs vorbot, offen mit ihrer Homosexualität umzugehen. Es folgte das Ende der Verteidigung des Defense of Marriage Act (DOMA) vor Gericht und schließlich die erste öffentliche Aussprache eines US-Präsidenten für die Homoehe. Dahinter wird keiner mehr zurückfallen können. Und immer mehr Staaten erlauben die gleichgeschlechtliche Ehe nun. Sie wird schlicht zu einer Selbstverständlichkeit.

5. Dezimierung von Al-Qaida und das Ende von Bin Laden

Als George W. Bush 2001 den “War on Terror” ausrief, zerrte er die USA in zwei Landkriege gegen Gegner, die allenfalls als Proxys dieses Krieges gelten konnten: die Taliban und Saddam Hussein. Die Taliban hatten direkt mit 9/11 zu tun, da sie Osama bin Laden versteckt und unterstützt hatten, aber spätestens im Falle des Irak war dies schlicht nicht mehr gegeben. Offensiven wie Fallduja in 2005 oder die “Surge” der Truppenstärke 2006 bis 2008 im Irak haben daran nichts geändert, ebensowenig Bombenangriffe und Offensiven gegen Talibanhauptquartiere in Afghanistan. Obama dagegen hat den Krieg gegen den Terror leise geführt und gewonnen. Die permanenten Angriffe auf Al-Qaida Spitzenpersonal, hauptsächlich über Drohnen, haben die Organisation praktisch wirkungslos gemacht, und 2011 wurde mit Osama bin Laden auch der Kopf der Schlange abgeschlagen.

Wie sein Vorgänger auch hat Obama damit bestenfalls im Schatten des Völkerrechts operiert, aber anders als sein Vorgänger hat er nicht mehr riesige Bomberoffensiven oder Einmärsche in andere Länder gebraucht, um das Ziel zu erreichen. Und man kann sagen, was man will: die zynische Strategie, den Terror auf seinen Ursprungsländer zu lokalisieren, ist aufgegangen. Die Toten des Terrors finden sich heute auf der arabischen Halbinsel, in Pakistan oder in Afrika, aber nicht mehr in Europa oder Amerika. Das beste, was die gegen den Westen gerichteten terroristischen Bemühungen in den letzten Jahren zustande gebracht haben, war der Angriff auf die amerikanische Botschaft in Bengazi – auch hier ein Ziel weit entfernt von der eigentlichen Nation. Und das ganz ohne “Patriot Act”.

6. Good Government

Obamas Regierungsphilosophie ist gewissermaßen die Verkörperung dessen, was man “Good Government” nennen kann. Abgesehen von einem lokalen Skandal in der Steuerbehörde IRS, der nach allen Informationen auf Einzeltäter zurückgeführt werden kann, gibt es keine Anzeichen von Korruption oder Vernachlässigung in den Bundesbehörden. Sie tun ihre Arbeit, wie sie sie tun sollen. Ein katastrophales Versagen wie das der FEMA im Jahr 2005, als der Hurrikan Katrina in Louisiana wütete, gab es bisher nicht. Stattdessen waren die Reaktionen auf den Hurrikan Sandy im Jahr 2012 an der Ostküste schnell und kompetent. Doch auch abgesehen von den großen Katastrophen zeigt die Obama-Administration vernünftige Prioritätensetzung und ein Auge für Details, für das sich andere Präsidenten vielfach einfach zu schade wären.

Cass Sunstein, der Direktor von OIRA, der amerikanischen Regulierungsbehörde, hat diese Grundsätze in seinem Buch “Simpler: The Future of Government”, über das wir auch hier im Blog geschrieben haben, niedergelegt. Die Idee ist, dass die Berührungspunkte zwischen Regierung und Bevölkerung für letztere so einfach und zugänglich wie möglich gestaltet sein sollen. Überflüssige Regulierungen sollen fallen, solche, die der Bevölkerung helfen, sollen kommen. Ein Beispiel hierfür ist der Credit Card Act, der die vollkommen überzogenen Überziehungszinsen von teils deutlich über 1000% im Jahr begrenzt. Gleichzeitig versucht die Obama-Administration, möglichst umfassend und transparent über ihre Arbeit zu informieren (sofern es nicht gerade um die Aktivitäten ihrer Geheimdienste geht, versteht sich). Auch Infrastrukturinvestitonen werden getätigt, vor allem im Breitbandausbau, wo Obama erst kürzlich 8 Milliarden für den Ausbau von armen, ländlichen Gegenden bereitgestellt hat. Von alledem können sich Regierungsbehörden in vielen europäischen Ländern, auch in Deutschland, eine Scheibe abschneiden.

7. Umverteilung von oben nach unten

“Inequality” – wohl kein Problem hat die US-Gesellschaft so beschäftigt wie die wachsende Ungleichheit zwischen den Ärmsten und den Reichsten und die schwindende Mittelschicht. Seit Occupy Wallstreet und der “1 Percent”-Debatte, spätestens aber seit Piketty steht es auf der Tagesordnung. Kein Wunder: Hat doch die Finanzkrise von 2008 nocheinmal einen ohnehin schon lang anhaltenden Trend stagnierender Löhne und wachsender Gewinne an den Finanzmärkten verschärft. Auch die Vermögensverteilung läuft immer weiter aus dem Ruder. Konnte Obama diesen Trend aufhalten oder sogar umkehren? Bislang wohl eher nicht – die Finanzkrise war stärker als die Regierung. Aber ohne einige Weichenstellungen Obamas, die hart gegen die Republikaner errungen werden mussten, sähe es wohl noch deutlich schlechter aus.

Da war einmal die moderate Steuererhöhung für die höchsten Einkommen ab 400.000 Dollar. Und auch die Gesundheitsreform Obamacare bedeutet eine erhebliche Umverteilung von oben nach unten – denn Einkommensschwache erhalten Subventionen für ihre Krankenversicherungen, Reiche zahlen höhere Steuern auf ihre. Sogar Obamas notorischer Kritiker von links, Paul Krugman, zeigte sich beeindruckt: “Putting this together, we have a roughly 6 percent hit to the 1 percent, around 9 to the superelite. That’s only a partial rollback of these groups’ huge gains since 1980, but it’s not trivial.”

Zudem hat die Obama-Regierung einen viel stärkeren Akzent auf Sozialpolitik in den Budgets gesetzt, als allgemein bekannt ist: “Obama Cares. Look at the Numbers” forderte jüngst die New York Times – Kritik an fehlender Unterstützung armer und überwiegend schwarzer Communies wie Ferguson sei nicht gerechtfertigt. Kein Präsident der vergangenen Jahrzehnte habe anteilig so viel Geld für die Ärmsten in seinem Budget ausweisen können.

8. Stimulus und der Aufschwung nach der Krise

Heute sind sich die Volkswirtschaftler weitgehend einig: Das Stimulus-Paket, beinahe Obamas erste Amtshandlung Anfang 2009, war alternativlos. 2,5 Millionen Jobs hat es geschaffen oder gerettet und einen Boden gezogen unter den dramatischen Jobverlust nach dem Finanzkollaps. Doch als die Entscheidung im Kongress anstandt, stimmten die Demokraten mal wieder alleine für diese Maßnahme. Die Republikaner polemisierten gegen die rund 800 Miliarden Dollar Neuverschuldung, die dafür nötig waren. Mindestensgenauso umstritten war es, die Auto- und Finanzindustrie mit Steuergeldern zu retten und damit Zehntausende Jobs.

Das waren im Nachhinein wichtige und richtige Entscheidungen. Dem US-Arbeitsmarkt geht es trotzdem noch nicht so richtig gut. Zu viele neue Jobs sind Billigjobs, während die alten gutbezahlten Mittelklassestellen nicht mehr wiederkommen. Die Beschäftigungsquote hat sich von 2008 noch nicht wieder erholt. Das ist in den USA noch etwas schwieriger als hier in Europa – denn durch Einwanderung und höhere Geburtenrate gibt es dort noch soetwas wie einen Bevölkerungszuwachs.

Dennoch, im Vergleich zum Desaster in der Euro-Zone hat Obama die US-Wirtschaft mit unpopulären Maßnahmen vor dem Totalabsturz bewahrt und auf einen (wenn auch durch die Blockaden der Republikaner langsameren als möglichen) Erholungskurs gebracht:

9. Obama, unser Zynismus und wir

Vielleicht noch ein letzter Punkt. Obamas 2008er Wahlkampfslogans von “Hope” und “Change” werden heute oft als mindestens naiv, wenn nicht gar irreführend angesehen. Doch auch dies ist ein Missverständnis. Wie wohl kein anderer Politiker unserer Zeit hält Obama uns den ideologischen Spiegel vor, der zeigt: Zynismus durch und durch, ein tiefes Misstrauen, geradezu eine Verachtung für unsere demokratischen politischen Systeme. Oft bemerken wir diesen Zynismus selbst nicht mehr, so tief hat er sich eingenistet in unserer kollektiven Weltsicht.

Das Problem damit: Selbst wenn wir diese Haltung angesichts der von uns als minderwertig oder korrupt wahrgenommenen Personals, Prozesse oder Outcomes als legitim und gerechtfertigt ansehen, hilft sie niemandem weiter, ist sie sogar die Wurzel für einen weiteren Niedergang unserer demokratischen Systeme. Wenn immer weniger Bürger überhaupt noch daran glauben, etwas verändern und verbessern zu können, wird auch tatsächlich nicht mehr viel passieren.

Obama ist anzurechnen, dass er, trotz allen Schwierigkeiten, trotz allem Hass der Opposition, trotz des blockierten Washingtons diesem Zynismus nicht verfallen ist, oder ihn zumindest nicht zeigen würde. Vor einigen Wochen hat er am Ende einer Rede in Minneapolis darüber gesprochen, wie wohl nur er es kann:

“I know sometimes things get kind of discouraging.  And I know that our politics looks profoundly broken, and Washington looks like it’s never going to deliver for you.  It seems like they’re focused on everything but your concerns.  And I know that when I was elected in 2008 and then reelected in 2012, so many of you were hoping that we could get Washington to work differently, and sometimes when I get stymied you’d think, oh, maybe not; maybe it’s just too tough, maybe things won’t change.  And I get that frustration.  And the critics and the cynics in Washington, they’ve written me off more times than I can count.

But I’m here to tell you, don’t get cynical.  Despite all of the frustrations, America is making progress.  Despite the unyielding opposition, there are families who have health insurance now who didn’t have it before.  And there are students in college who couldn’t afford it before.  And there are workers on the job who didn’t have jobs before.  And there are troops home with their families after serving tour after tour.  Don’t think that we’re not making progress.

So, yes, it’s easy to be cynical; in fact, these days it’s kind of trendy.  Cynicism passes off for wisdom.  But cynicism doesn’t liberate a continent.  Cynicism doesn’t build a transcontinental railroad.  Cynicism doesn’t send a man to the moon.  Cynicism doesn’t invent the Internet.  Cynicism doesn’t give women the right to vote.  Cynicism doesn’t make sure that people are treated equally regardless of race.

Cynicism is a choice, and hope is a better choice.”


Fazit: You Don’t Know What You’ve Got ‚Til He’s Gone

Vielleicht ist selbst diese Auflistung der Accomplishments wenig überzeugend für den geneigten deutschen politikinteressierten Beobachter. Doch man stelle sich einfach mal die Frage: Wann hat etwa die SPD bei uns so viel Fortschritt in einer vergleichbaren Zeitspanne geschafft? Am ehesten noch unter Willy Brandt, und das ist jetzt auch bald 50 Jahre her. So viel zu erreichen ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eher eine historische Ausnahme. Wer viel mehr wollte und erwartet hat, überschätzt vielleicht die Macht des Weißen Hauses oder die Kapazitäten von politischen Systemen, in diesem Fall sogar eines in weiten teilen dysfunktionalen politischen Systems.

Vielleicht wird die Qualität von Obamas Regierungsarbeit aber auch erst deutlich, wenn ein neuer Präsident bzw. eine neue Präsidentin im Januar 2017 auf der Terrasse des Kapitols vereidigt wird. Eine Hillary Clinton, bislang wohl aussichtsreichste Kandidatin, dürfte in Fragen wie NSA oder Militäreinsätze einen wesentlich härteren Ton anschlagen – von den republikanischen Perspektiven mal ganz zu schweigen.

(Fotos: White House/flickr, Nancy Pelosi/flickr)

{ 45 comments… add one }
  • In Dubio 8. September 2014, 09:43

    Erstmal danke für diese doch ziemlich gute Rundumsicht der Präsidentschaft Obamas. Natürlich bleiben die linksliberalen Färbungen nicht aus: Einstellungen zur Homo-Ehe habe sich verändert dank des Präsidenten. Jeder Politiker müsse sich zukünftig an den Fortschritten der Klimapolitik messen lassen. Na ja. Umverteilung von Oben nach Unten eingeleitet. Schnappatmung. Tolles Konjunkturpaket. Und noch eins.

    Um bei dem letzten Punkt einzuhaken: trotz des gigantischen Investments von über 700 Mrd. US-$ stürzte Amerika in die heftigste Rezession seit der Weltwirtschaftskrise 1929. Konjunkturpakete haben genau das Ziel, solche Ausschläge zu verhindern. Das Ziel wurde verfehlt, das lässt sich nicht als Erfolg verkaufen.

    Obamas wichtigstes Ziel war ein Mentalitäts- und Imagewandel. Er hat die konfrontative, beratungsresistente Politik Bushs kritisiert – und ist selbst beratungsresistent und der polarisierenste Präsident der jüngeren Geschichte. Seine geringe politische Flexibilität (z.B. in den Verhandlungen zur Gesundheitsreform) und der Name Valerie Jarrett sind Ausdruck dessen. Auch hier gilt: Ziel verfehlt.

    Obama Care geriet gerade wegen dem Regelungsbedürfnis des Präsidenten zu einem Bürokratiemonster sondergleichen, das sich mit ähnlichen Systemen Europas, die allerdings einen allumfassenderen Schutz gewähren, durchaus aufnehmen kann. Verschwendung von Steuergeld und öffentlichen Ressourcen ist genau das, was für die Amerikaner Big Gouvernement so verhasst macht. Und erklärt die Unbeliebtheit des Demokraten.

    Nein, diese Präsidentschaft ist kein Segen. Und mit Hillary Clinton steht eine weitere Regelungsfanatikerin in den Startlöchern, bereit, die Amerikaner – so sie wollen oder nicht – zu beglücken. Da kann man nur hoffen, dass sich die Republikaner auf den dritten Bush als Kandidaten einigen.

    • Stefan Sasse 8. September 2014, 13:09

      Die Einstellungen zur Homo-Ehe ändern sich nicht wegen des Präsidenten. Obamas Achievement hier ist es, sich dem nicht entgegenzustellen und der Entwicklung zu helfen. Er hat sie nicht geschaffen.
      Und Klimapolitik ist wichtig und wird wichtiger werden.
      Dass ein 700-Milliarden-Paket nicht einfach eine komplette Wirtschaftskrise behebt oder nullifziert sollte selbstverständlich sein. Aber der Stimulus hat verhindert, dass Amerika in ein Loch gezogen wird, wie es eben 1929 oder hier in Europa in Griechenland der Fall ist.
      Ich verstehe nicht genau, wo im Fall der Gesundheitsreform mangelnde Flexibilität zu sehen ist.
      Wo liegt das Problem mit Jarret? Weiß ehrlich gesagt nichts über sie.
      Die Unbeliebtheit Obamas mit der Bürokratie von Obamacare zu erklären halte ich für Unsinn. Das Problem ist die bereits von dir angesprochene Polarisierung.

      • In Dubio 8. September 2014, 14:58

        Wer sagt, dass Klimapolitik wichtig sei? Wer, der maßgebend sein könnte? Das IPCC, das mehr als politischer Akteur agiert denn als wissenschaftliche Denkschmiede? Und in welcher Form soll Klimapolitik wichtig sein?

        Dass ein 700-Milliarden-Paket nicht einfach eine komplette Wirtschaftskrise behebt oder nullifziert sollte selbstverständlich sein. Aber der Stimulus hat verhindert, dass Amerika in ein Loch gezogen wird, wie es eben 1929 oder hier in Europa in Griechenland der Fall ist.

        Hast Du das falsifiziert? Der Sinn von Konjunkturpaketen ist, den Konjunkturverlauf zu glätten. Gelingt die Glättung nicht, hat die Maßnahme versagt. Das Argument, ohne wäre alles schlimmer, wird doch gerade von Linken in Bezug auf die Austeritätspolitik der Troika nicht akzeptiert. Warum sollte ich es umgekehrt akzeptieren? Gerade in den relevanten Jahren 2008 bis 2011 lag die Entwicklung des GDP der USA deutlich unter dem OECD-Mittel, also von Staaten, die deutlich weniger zur Konjunktursteuerung getan haben. Es ist dann schon eine heroische Annahme zu behaupten, ohne den Einsatz von fast 1 Billion US-$ Stimulus wäre alles viel schlimmer gekommen.

        Es stimmt, 1929 – 1933 waren die Ausschläge nach unten viel heftiger – allerdings auch die Wachstumsraten 1934 folgende. Die Antwort liegt darin, dass allein die heute viel umfangreichere Staatstätigkeit den Konjunkturzyklus glättet. Nur hat das wenig mit Konjunkturpaketen zu tun. Es ist einfaches, ineffektives Deficit Spending.

        Die Dame Jarret ist seit Chicagoer Zeiten Beraterin des Demokraten und hat exklusiven Zugang zu den Obamas. Darüber hinaus gibt es wenig bis keine Berater, die nennenswerten Einfluss auf das Weiße Haus hätten. Das ist eine alte Geschichte und war schon zu Beginn der Präsidentschaft Obamas Thema. Auf Jarret angesprochen sagte der Chicagoer Rechtsanwalt, er vertraue ihr restlos. Entsprechend ist bis heute ihr Einfluss.

        Die Unbeliebtheit Obamas mit der Bürokratie von Obamacare zu erklären halte ich für Unsinn. Das Problem ist die bereits von dir angesprochene Polarisierung.

        Der Anspruch war ein anderer und Obama hat nichts bis wenig dafür getan, eben nicht polarisierend zu sein. Wenn eine einschneidende Reform, die sehr viel öffentliches Geld kostet und einen wesentlichen Teil der Wähler begünstigen soll, nach Jahren immer noch reichlich unpopulär ist, so spricht das nicht unbedingt für das Vorhaben.

        Fakt ist: Obama ist ein Minderheitenpräsident und so hat er meist agiert. Und das erklärt seine Unbeliebtheit und weiten Kreisen der meinungsbildenden Schichten.

        • Stefan Sasse 9. September 2014, 15:59

          Ich fürchte, da kommen wir nicht auf einen gemeinsamen Nenner 🙂

    • Jan Falk 8. September 2014, 13:15

      @Dubio. Klar, wenn man einfach politisch von einem anderen Standpunkt her kommt, dann kommt man auch zu anderen Ergebnissen. In der deutschen (Netz-)Öffentlichkeit wird Obama jedoch eher von links als von rechts kritisiert, darum haben wir auch eher für dieses Publikum geschrieben.

      • In Dubio 8. September 2014, 14:30

        Ich bewerte jemanden nicht von meinem politischen Standpunkt, noch meine Mitarbeiter danach, was ich machen würde. Ich bewerte nach Zielen. Hat jemand das erreicht, was er sich vorgenommen hat? Hat eine Maßnahme das bewirkt, was bezweckt werden sollte? Klar, in solchen Fragen sind Linke „pragmatischer“, solange die Ideologie passt.

        Doch ich habe aufgezeigt, wo Obama seine eigenen Ziele gerissen hat. Ich war 2008 genauso Obama-Fan wie die meisten. Umso schlimmer, dass die Präsidentschaft des Demokraten eher den Republikaner Bush bestätigt hat. Zeit, Abbitte zu leisten.

        • Stefan Sasse 8. September 2014, 14:57

          Niemand schafft alles, was er sich vornimmt. Diese Annahme als Benchmark ist lächerlich nutzlos. Unser Ansatz ist zu fragen ob er viel geschafft hat, und ob es taugt. Und da ist sein record echt gut. Besonders wenn man es mit dem vergleicht, was sich deutsche Regierungen so vornehmen.

          • In Dubio 8. September 2014, 15:07

            Gut, dass Du nicht mit Kunden arbeitest. Das ist altes Denken. Kunden erwarten, dass ein Vertragspartner exakt liefert wie verabredet. Darauf gründen Vertrauen und Zufriedenheit. Unternehmen, die weniger versprechen, aber das Zugesagte auch einhalten, fahren am Ende bei der Kundenzufriedenheit besser.

            Wähler sind die Kunden der Politik. Oft erwarten sie Unmögliches. Aber das hat seine Ursache oft darin, dass ihnen Unmögliches versprochen wurde. Obama ist mit einem Erlöserduktus angetreten. Ist es falsch, ihn genau an diesem Anspruch zu messen? Hat nicht ein Präsident Bush die USA besser geführt als der „Change-Prophet“? Auch der Republikaner hatte mit dem Crash der New Economy eine veritable Wirtschaftskrise zu bewältigen. Und das gelang mit Bravour. Und mit 9/11 hatte der 43. Präsident ein Argument, anders zu agieren. Schließlich hatte den Terrorangriff niemand vorhergesehen. Die Wähler und später auch sein Nachfolger haben seine Politik bestätigt. Einen besseren Beweis gibt es nicht.

          • Jan Falk 9. September 2014, 07:31

            @Stefan: Wobei natürlich der Reformdruck in den USA derzeit, und noch viel mehr vor sechs Jahren auch viel höher war/ist als bei uns. Das heißt: Der Problemberg ist riesig und es es erstmal richtig, dass sich eine Reformregierung möglichst viel vornimmt. Dann die Hälfte zu schaffen ist immer noch besser als erst gar nichts anpacken zu wollen, was auch mal unpopulär sein könnte – wie bei uns Merkel. Da darf die journalistische Kritik nicht die die Falle tappen, die falschen Anreize für das System Politik zu schaffen, indem sie mangelnden Ehrgeiz belohnt.

          • Stefan Sasse 9. September 2014, 16:44

            Sorry, aber Politik ist kein Kundenverhältnis und Wahlen sind kein Kaufvertrag.

          • In Dubio 10. September 2014, 09:01

            Wähler funktionieren genauso wie Kunden. Ein Produkt muss ihnen verkauft werden, das bedeutet, die Vorteile müssen durch Politiker vermittelt werden. Und wie überall im Zwischenmenschlichen funktioniert nichts ohne Vertrauen. Genießt ein Politiker kein Vertrauen, wird er keine Akzeptanz seiner Politik finden. Genauso wie ein Unternehmen, das Vertrauen bei seinen Kunden verloren hat.

          • Stefan Sasse 10. September 2014, 09:06

            Es entsteht aber mitnichten ein Kaufvertrag, auf den man sich berufen kann. Wir wählen Repräsentanten, also Leute, von denen wir wollen, dass sie in unserem Namen Entscheidungen treffen. Was wir nicht wählen ist ein Paket von Entscheidungen, dass diese unter allen Umständen einhalten. Deine Ansicht ist nicht gerade kompatibel mit demokratisch-parlamentarischen Formen.

          • Stefan Sasse 10. September 2014, 09:08

            Davon abgesehen arbeite ich mit Kunden, vielen Dank.

        • Stefan Sasse 9. September 2014, 16:45

          @Jan: Verstehe nicht ganz worauf du rauswillst.

  • Kning 8. September 2014, 14:10

    Ich war selber am Wahlabend in jenem November 2008 in New York und habe live erleben dürfen, was die Wahl von Obama in den Menschen ausgelöst hat. Ein Gefühl der Zuversicht war zu spüren. Jedoch kann ich mit Eurer Feststellung „dass Obama alles andere als eine Enttäuschung ist“ nicht ganz d’accrod gehen.

    Sicherlich ist die Obama Administration besser als das Bild, dass die Opposition von Ihr zeichnet. Die Fundamentalopposition der TEa Party im Kongress hat Amerika in Gänze gelähmt und es ist eigentlich verwunderlich, dass doch noch so viel auf die BEine gebracht wurde. In einigen Bereichen, hätte aus meiner Sicht der Präsident aber noch deutlichere Akzente setzen können: Ich hätte mir gewünscht, Obama hätte (noch bevor irgendjemand den kleinen Ort Ferguson überhaupt kannte) noch mehr für die Afroamerikaner getan. Noch immer sind die überwiegenden Insassen in amerikanischen Gefängnissen Nicht-Weiße und ein Umdenken in der Gesellschaft ist nicht zu erkennen. Natürlich gibt es jetzt eine Krankenversicherung, und Ansätze die Beschäftigung zu erhöhen. Im Bildungsbereich hat das Land stagniert.

    Hinzu kommt, dass trotzt verbal angekündigter Initiativen, noch immer keine Schritte gegen den weitreichenden Waffenbesitz ergriffen wurden. Das die NRA eine mächtige Lobby Organisation ist, sei unbestritten. Jedoch fielen in die Amtszeit einige schreckliche Amokläufe, die durch zum Anlass hätten genommen werden können, das Waffenrecht deutlich zu verschärfen.

    Außenpolitisch wird von Obama ebenfalls nicht viel in Erinnerung bleiben. In meinen Augen ist am Ende doch ein wenig eine Präsidentschaft, die nicht alle Möglichkeiten genutzt hat, die sich Ihr bot. Zumal im Geiste von Change am Anfang noch ein deutlich größerer Rückenwind vorhanden war, das Land in wichtigen Teilen zu reformieren…

    • Stefan Sasse 8. September 2014, 15:00

      Genau das bezweifle ich. Der „Geist von change“ beseitigt nicht auf magische Art und Weise die Barrieren des politischen Systems. Obama hat Beeindruckendes in seiner ersten Amtszeit geleistet: Die Finanzkrise in den Griff kriegen (2009), Obamacare durchsetzen (2010) sind nur zwei der Riesenachivements (und solche, die sich vernünftig datieren lassen). Nach 2010 war die Zeit für Change bereits vorbei (Verlust des House of Representatives).

  • Ralf 8. September 2014, 18:53

    Hmmm … also ich sehe das aehnlich wie Kning. Was wird von Obama bleiben? Sicherlich dass er der erste schwarze Praesident der USA war. Das ist historisch. Aber seine Hautfarbe zaehlt wohl eher nicht als persoenliche Leistung. Und die Krankenversicherung. Hier kann man sicher argumentieren, sie sei inadequat, aber sie ist ein historischer Fortschritt und wird helfen Millionen Menschen abzusichern. Dass allerdings niemand anderes diese Reform umgesetzt haette, wie ihr schreibt, ist aus meiner Sicht Unsinn. Die Krankenversicherung stand etwa ganz oben auf Hillary Clintons Agenda.

    Ansonsten relativ wenig Zustimmung zu den anderen Punkten. So kenne ich etwa kaum Experten, die glauben, die Dodd-Frank-Reform wuerde eine erneute globale Bankenapokalypse wie 2008 verhindern koennen. Fuer wirkliche Reformen fehlte der Mut und sicherlich auch der Rueckhalt im Kongress. Dass Obama der „Klimapraesident“ sei, ist nun auch ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Die LGBT-Gleichberechtigung war kein persoenliches Anliegen von Obama und er wurde eigentlich auch nur von seinem Vize-Praesidenten Joe Biden getreten bis ihm kaum noch eine Alternative blieb. Ausserdem ist das Thema nun wirklich nicht uebermaessig bedeutend; nichts woran man sich in 50 Jahren noch erinnern wird.

    Was euren fuenften Punkt angeht, bin ich ebenfalls skeptisch. Die Toetung Bin Ladens fand nicht „bestenfalls im Schatten des Voelkerrechts“ statt, sondern widersprach diesem diametral. Sie war auch nicht gerade ein Sieg des Rechtsstaats, der eine Verurteilung vor einem Gericht und nicht eine verhandlungslose Toetung vorsieht. Und ob der Drohnenkrieg als Erfolg gelten kann, darf ebenfalls extrem bezweifelt werden. Ihr schreibt Obama haette den Krieg gegen den Terror gewonnen. Nichts koennte weiter von der Realitaet entfernt sein. Im Irak und in Syrien gewinnt eine Terrormiliz gegenwaertig massiv an Boden, in Libyen sind islamistische Milizen im Aufwind, in Afghanistan zweifelt kaum noch jemand daran, dass die Taliban kurz vor der erneuten Uebernahme der Macht stehen. Es ist auch nicht richtig, dass der Krieg gegen den Terror wenigstens in andere Laender „ausgelagert“ werden konnte. Das zeigt etwa der Anschlag auf den Boston Marathon mit 3 Toten und 264 zum Teil schwer Verletzten. Das ist gerade mal ein Jahr her und beileibe nicht der einzige Anschlagsversuch in den USA.

    Der „Good Government“-Punkt ist ebenfalls einigermassen fragwuerdig. Keine andere Regierung hat etwa Whistleblower so aggressiv verfolgt, wie die Obama-Administration. Und kein Hurricane-Katrina-Chaos verursacht zu haben, ist nun wirklich keine grossartige Leistung, sondern das was von einem Praesidenten zurecht erwartet wird. Nach eurer Definition waere ansonsten jeder Politiker der nicht „katastrophal versagt“ erfolgreich. Auch hat keine andere Regierung soviele illegalen Einwanderer deportiert wie Obamas. Ob das ein Erfolg ist, ist in den USA extrem umstritten. Und auch was die Ungleichheit angeht, hat sich kaum etwas getan im Lande. Die Schere zwischen Arm und Reich weitet sich nach wie vor aus. Schlendert einfach mal durch San Francisco und schaut euch die Heerscharen verwahrloster, bettelarmer Obdachloser an. Auch faellt die teils erheblich brutale Niederschlagung der Occupy Wallstreet-Proteste in Obamas Regierungszeit. Er haette Zeit und Gelegenheit gehabt dazu klar Stellung zu nehmen. Stattdessen hat er sich recht still verhalten. Wahrscheinlich wollte er es sich mit seinen Kontakten an der Wall Street nicht verderben, die zumindest seinen ersten Wahlkampf mit massiven Geldgeschenken unterstuetzt hatten.

    Der Stimulus, den ihr ansprecht, war auch eher nicht-existent. Dazu etwa hier:

    http://krugman.blogs.nytimes.com/2011/02/14/the-great-abdication/

    Und die wirtschaftliche Lage in den USA ist nach wie vor katastrophal. Es hat nur sehr schleppend Erholung auf dem Arbeitsmarkt gegeben. Auch deshalb sinkt die Popularitaet von Obama in den USA stetig.

    Im Fazit: Obama hat mit Sicherheit versucht mehr umzusetzen als ihm gelungen ist. Er ist von rechts komplett blockiert worden und ihm fehlt die Unterstuetzung des Repraesentantenhauses, weshalb sein weitestgehendes Versagen sicherlich nicht nur seine eigene Schuld ist. Und mit der Krankenversicherung ist ihm trotzdem ein Projekt gelungen, das auch in den kommenden Jahrzehnten sicher mit seinem Namen verbunden werden wird.

    Aber abgesehen davon hat er eigentlich fast nichts erreicht. Als „Riesenerfolg“ sehe ich ihn nicht in die Geschichte eingehen.

    • Stefan Sasse 9. September 2014, 17:14

      1) Obamacare sieht nur mit hindsight wie ein sicheres Ding aus. 2010 waren die Stimmen in der Überzahl, die – wie In Dubio – gesagt haben, dass es nicht geht und viel zu sehr polarisiert und so weiter. Clinton selbst kritisierte Obama dafür, sie durchgedrückt zu haben.

      2) Dass Dodd-Frank nicht gerade ein Allheilmittel ist, ist klar, und wir haben nichts anderes behauptet. Unsere Behauptung (die von Krugman gestützt wird) ist, dass der US-Finanzsektor inzwischen besser reguliert ist wie der europäische. Die TTIP-Verhandlungen beweisen das übrigens auch.

      3) LBGT ist bedeutend, und ich denke sehr wohl, dass man sich daran erinnern wird.

      4) Unser Argument für den Sieg im War on Terror ist, dass der Terrorismus lokalisiert wurde. Zudem wurde die Terrororganisation Al-Qaida praktisch völlig zerschlagen. Der Rechtsstaat spielt da übrigens gar nicht rein, sondern das Völkerrecht.

      5) Whistleblower – Kein Glanzblatt. Deportationen genausowenig. Brauchen wir nicht diskutieren, ist und war scheiße.

  • Phil 9. September 2014, 02:47

    Hast Du das falsifiziert? Der Sinn von Konjunkturpaketen ist, den Konjunkturverlauf zu glätten. Gelingt die Glättung nicht, hat die Maßnahme versagt.

    Die Subprimekrise fing bereits 2007 an, Obama ist erst seit 2009 Präsident.

    Das Argument, ohne wäre alles schlimmer, wird doch gerade von Linken in Bezug auf die Austeritätspolitik der Troika nicht akzeptiert. Warum sollte ich es umgekehrt akzeptieren?

    Nun, wo steht denn Europa jetzt? Ein „Wachstum“ von 0,2% im ersten Quatal 2014 zum Vorquatal?

    Wenn eine einschneidende Reform, die sehr viel öffentliches Geld kostet und einen wesentlichen Teil der Wähler begünstigen soll, nach Jahren immer noch reichlich unpopulär ist, so spricht das nicht unbedingt für das Vorhaben

    Obamacare ist nur in den republikanischen Staaten verhasst und wird dort mehr oder minder boykottiert, während in den demokratischen Staaten dieses recht zügig umgesetzt wird.

    • In Dubio 9. September 2014, 09:54

      Immer haarscharf am eigentlichen Argument vorbei:

      Die Subprimekrise fing bereits 2007 an, Obama ist erst seit 2009 Präsident.

      Konjunkturpolitik richtet sich nicht nach sektoralen Krisen, sondern nach dem Konjunkturverlauf. Deswegen Konjunkturpolitik. In 2007 wuchs in jedem Quartal noch die Wirtschaft, das wäre der falsche Zeitpunkt, den Konjunkturverlauf zu glätten. Seit seiner Wahl im November 2008 war Obama in die Entscheidungen seines Vorgängers eng eingebunden und Teil der Administration. So wird das in den USA gehandhabt.

      Nun, wo steht denn Europa jetzt? Ein “Wachstum” von 0,2% im ersten Quartal 2014 zum Vorquartal?

      Wir sprechen hier nicht über Europa. Es ging um das Argumentationsmuster. Wenn ich es an einer Stelle völlig verwerfe, kann ich es nicht an anderer Stelle akzeptieren. Nebenbei: Europa performt nicht, weil Frankreich und Italien seit Jahren Konjunkturbelebung ausprobieren und sich von der Austeritätspolitik ausnehmen.

      Obamacare ist nur in den republikanischen Staaten verhasst und wird dort mehr oder minder boykottiert, während in den demokratischen Staaten dieses recht zügig umgesetzt wird.

      Auch hier wieder an meinem Argument vorbeigeschlingert. Obama hatte den Anspruch, Amerika wieder ein Stück zu einen und die USA eben nicht weiter in zwei Teile zerfallen zu lassen. Nun bestätigen Sie sein Scheitern. Mein Argument bestätigt ohne mir Recht zu geben.

      • schejtan 9. September 2014, 14:08

        „Nebenbei: Europa performt nicht, weil Frankreich und Italien seit Jahren Konjunkturbelebung ausprobieren und sich von der Austeritätspolitik ausnehmen.“

        Wohingegen die Laender, in denen Austeritaetspolitik ausgeuebt wird, geradezu boomen…

        „Obama hatte den Anspruch, Amerika wieder ein Stück zu einen und die USA eben nicht weiter in zwei Teile zerfallen zu lassen. Nun bestätigen Sie sein Scheitern. Mein Argument bestätigt ohne mir Recht zu geben.“

        Man kann es auch so sehen, dass das mehr an der absoluten Blockadehaltung der Republikaner liegt. Schliesslich haben die es sich, bis auf wenige Ausnahmen, als erklaertes Ziel gesetzt, Obama scheitern zu lassen und mit ihm keine Kompromisse einzugehen, unabhaengig von den eigentlichen Inhalten seiner Politik.

      • Ralf 11. September 2014, 17:49

        Europa performt nicht, weil Frankreich und Italien seit Jahren Konjunkturbelebung ausprobieren und sich von der Austeritätspolitik ausnehmen

        Nicht jeder sieht die Situation in Frankreich so kritisch:

        http://krugman.blogs.nytimes.com/2014/08/27/whats-the-matter-with-france/

  • In Dubio 9. September 2014, 14:16

    Wohingegen die Laender, in denen Austeritaetspolitik ausgeuebt wird, geradezu boomen…

    … zumindest verzeichnen Spanien, Irland und auch Griechenland einen Aufwärtstrend. Die Medizin scheint zu wirken. Bei Frankreich und Italien wirkt auch das Nichtstun. Allerdings nicht positiv.

    Man kann es auch so sehen, dass das mehr an der absoluten Blockadehaltung der Republikaner liegt.

    Klar. Es war Obama bei Amtsantritt kaum unbekannt, dass das politische Verhältnis zwischen Demokraten und Republikanern nicht das Beste war und ist. Ich kann mich jedoch an keine Initiative, kein politisches Verfahren, keine Regelung erinnern, wo Obama in Vorleistung auf die Opposition zugegangen und schmerzhafte Kompromisse akzeptiert hätte. Übrigens: Linke sind, gerade wenn Artgenossen etwas verbockt haben oder ideologisch passt (Krim-, Ukrainekrise) immer der Ansicht, dass an einer Misere beide Parteien schuld hätten. Geht es gegen Konservative und Liberale, bleibt von solchen Ansichten – wie Sie zeigen – nichts mehr übrig.

    Obama ist Präsident. Er hat das Initiativrecht. Es ist nicht die Aufgabe der Opposition, auf den Regierungschef zuzugehen, sondern umgekehrt.

    • Stefan Sasse 9. September 2014, 17:15

      Obama hat sehr wohl schmerzhafte Kompromisse akzeptiert. Er ist bis an die Grenze der Selbstverleugnung gegangen. Und dann haben die Republicans im letzten Moment doch keinen Kompromiss eingegangen. Und zwar gar keinen, weder schmerzhaft noch weich. Diesen toten Hund kannst du nicht ernsthaft Obama vor die Tür legen.

      • schejtan 9. September 2014, 21:34

        „Und dann haben die Republicans im letzten Moment doch keinen Kompromiss eingegangen. Und zwar gar keinen, weder schmerzhaft noch weich. Diesen toten Hund kannst du nicht ernsthaft Obama vor die Tür legen.“

        Übrigens: Konservative und Liberale sind, gerade wenn Artgenossen etwas verbockt haben oder ideologisch passt, immer der Ansicht, dass an einer Misere beide Parteien schuld hätten. Geht es gegen Linke, bleibt von solchen Ansichten – wie In Dubio zeigt – nichts mehr übrig. .

        • Stefan Sasse 10. September 2014, 09:09

          Sorry, aber im Fall der republikanischen Blockadepolitik gibt es da eigentlich echt wenig zu deuteln – die haben das selbst ausgesprochen. Mehrfach. Ich versuch das im Normalfall schon zu trennen (nur als Beispiel: Lafontaines Totalblockade 1995-1998).

    • schejtan 9. September 2014, 21:41

      „Ich kann mich jedoch an keine Initiative, kein politisches Verfahren, keine Regelung erinnern, wo Obama in Vorleistung auf die Opposition zugegangen und schmerzhafte Kompromisse akzeptiert hätte.“

      Die urspruenglichen Plaene zur Gesundheitsreform wurden stark verwaessert, ebenso wie Frank-Dodd. Und letztendlich ist auch die Schliessung Guantanamos am Widerstand des Kongresses gescheitert. Und dann gibt es noch viele weitere Beispiele, in denen die Republikaner allein, weil sie Obama blockieren wollen, ziemlichen Unsinn gemacht haben. Zum Beispiel die Weigerung, die Renten fuer 9/11 First Responders auszuzahlen.

      „Es ist nicht die Aufgabe der Opposition, auf den Regierungschef zuzugehen, sondern umgekehrt.“

      Und ich dachte immer, in einer Demokratie geht es darum einen Kompromiss zu finden. Was nun mal bedeutet, dass beide Parteien aufeinanderzugehen.

      • In Dubio 10. September 2014, 08:57

        Die ursprünglichen Pläne zur Gesundheitsreform wurden stark verwässert

        Ach, und das ist Ausdruck, auf den Gegner zuzugehen? Obama hat das doch nicht getan, weil er Respekt vor den Ansichten der anderen Hälfte Amerikas hatte, sondern weil sein Paket sonst keine Chance gehabt hätte, durch den Kongress zu kommen. Selbst eigene Parteigänger hätten ihm die Gefolgschaft verweigert.

        Und ich dachte immer, in einer Demokratie geht es darum einen Kompromiss zu finden. Was nun mal bedeutet, dass beide Parteien aufeinander zugehen.

        Präsident = Exekutive
        Kongress = Legislative

        In diesem Konstrukt der Gewaltenteilung ist die Exekutive von der Legislativen abhängig. Will sie ihre Gesetzesvorschläge verabschiedet bekommen, muss sie den Vorstellungen der Legislative etwas entgegenbringen. Bekanntlich ist der Kongress Republikanisch dominiert. Warum sollte die Mehrheit des Kongresses auf den Präsidenten zugehen?

        • Stefan Sasse 10. September 2014, 09:13

          Der Kongress ist nicht republikanisch dominiert, sondern das Repräsentantenhaus. Zumindest bis November ist der Senat noch demokratisch. 😉

          Davon abgesehen ist das nicht der Punkt. Obama ist auf die Republicans zugegangen, mehr als einmal, und jedesmal haben sie sich nach einigen Anfängen (hauptsächlich auf Druck der radikalen Basis) wieder auf die Totalopposition zurückgezogen. Professionelle Beobachter sind sich eigentlich ziemlich einig, dass das ohne Präzedenzfall ist in der jüngeren Geschichte und über normales Oppositionsverhalten weit hinausgeht. Ich möchte auch daran erinnern, dass die Forderung der republikanischen Basis immer noch der repeal von Obamacare ist, mit der sie auch in den Wahlkampf 2012 gezogen sind – eine Forderung, die noch unpopulärer ist als Obamacare. Die Republicans haben immer noch keinen Gegenentwurf, vier Jahre später nicht – wo soll denn da ein Kompromiss stattfinden? Die einen wollen es ums Verrecken nicht, da kann ich nicht mehr kompromissieren (ist das ein Verb?).

          • In Dubio 10. September 2014, 10:25

            Opposition darf auch destruktiv sein. Da gibt es im Handbuch der Demokratie keine detaillierten Ausführungen. Es ist allein Sache des Souveräns, die Karten neu zu verteilen.

            Die USA sind ein sehr konservatives Land. Die Abstinenz eben auch von kontinentaleuropäischen sozialen „Errungenschaften“ gehört mit zum Gencode der Vereinigten Staaten. Obama dagegen pflegt im Sozialen sehr europäische Vorstellungen. Das ist der Grundvorwurf. Doch auch in New York und Boston wird nicht europäisch gedacht.

            Der Vorwurf ist nicht von der Hand zu weisen: ObamaCare ist sehr bürokratisch geraten. Und das können Amerikaner nicht leiden. Sie stehen Big Gouvernement weit kritischer gegenüber und sind freiheits- und unternehmerfreundlicher als auf dem alten Kontinent.

            Die Republikaner wollen keine staatliche Krankenversicherung. Die Mehrheit der Amerikaner stimmt mit dieser Haltung überein. Ein Politiker, der die Strömungen in der Gesellschaft ernst nimmt, berücksichtigt das in Form einer sehr vorsichtigen Anpassung. Doch wie gesagt: Obama ist ein Minderheitenpräsident und so regiert er.

        • schejtan 10. September 2014, 09:53

          „Ach, und das ist Ausdruck, auf den Gegner zuzugehen? Obama hat das doch nicht getan, weil er Respekt vor den Ansichten der anderen Hälfte Amerikas hatte, sondern weil sein Paket sonst keine Chance gehabt hätte, durch den Kongress zu kommen. Selbst eigene Parteigänger hätten ihm die Gefolgschaft verweigert.“

          Aehm ja, das ist Ausdruck, auf den Gegner zuzugehen. Ob das aus Respekt oder Notwendigkeit passiert, ist da eher zweitrangig. Ansonsten haette er versucht, seine Vorstellungen a la Schroeder gnadenlos durchzupeitschen. Der Unterschied zu den Republikanern ist ja nun mal, dass er (und demokratische Kongressmitglieder) bereit waren, aus Notwendigkeit Kompromisse einzugehen, waehrend die Republikaner, alleine um Obama schlecht aussehenzulassen, alles abgelehnt haben, egal, welche Konsequenzen das fuer das Land hat. Und wie Stefan ja schon geschrieben hat, gibt es daran gar nichts zu diskutieren, da die Republikaner dies selbst zugegeben haben.

          „Will sie ihre Gesetzesvorschläge verabschiedet bekommen, muss sie den Vorstellungen der Legislative etwas entgegenbringen.“

          Richtig. Das heisst jedoch noch lange nicht, das der Prasident ueberhaupt nicht versuchen sollte, seine Vorstellungen durchzusetzen. Zumal ein Grossteil der Kritik an Obama aus Europa und von der amerikanischen Linken darin besteht, dass er gegen den Widerstand des Kongresses nicht genug gekaempft hat. Und der Artikel beschaeftigt sich ja nun mal nicht damit, ob Obama ein „guter“ Praesident ist, sondern warum seine Bilanz aus dieser Sicht nicht so enttaeuschend ausfaellt, wie es auf den ersten Blick aussieht.

          • In Dubio 10. September 2014, 10:31

            Ansonsten haette er versucht, seine Vorstellungen a la Schroeder gnadenlos durchzupeitschen.

            Genau das hätte er nicht gekonnt. Kein verantwortlicher Politiker ist so dumm, sehenden Auges eine Abstimmungsniederlage über „sein“ Projekt in Kauf zu nehmen.

            Während die Republikaner, alleine um Obama schlecht aussehen zulassen, alles abgelehnt haben

            Das ist das gute Recht der Opposition. Gibt es praktisch in jeder Demokratie. Selbst die SPD war von 2009 – 2013 nicht daran interessiert, Merkel gut aussehen zu lassen. So haben die oppositionellen Sozialdemokraten eine verfassungsrechtlich gebotene Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrages ursprünglich verweigert, um einen politischen Deal auszuhandeln. Das halte ich für weit verwerflicher als ein Projekt abzulehnen, was nunmal den eigenen Vorstellungen diametral entgegen läuft.

            Zumal ein Großteil der Kritik an Obama aus Europa und von der amerikanischen Linken darin besteht, dass er gegen den Widerstand des Kongresses nicht genug gekämpft hat.

            Europa ist Obama ziemlich egal und die amerikanischen Linken sind für Wahlen so unbedeutend, dass es sich kein mehrheitsfähiger Politiker erlauben könnte, auf deren Befindlichkeiten ausgeprägte Rücksicht zu nehmen.

          • Stefan Sasse 10. September 2014, 15:30

            Obama ist ein Präsident der Mitte. Seine Krankenversicherung ist ein ur-republikanischer Entwurf. Viel von dem Bürokratiewahnsinn kommt von der Weigerung der republikanischen Staaten zu kooperieren, und dem Blödsinn, dass jeder depperte Bundesstaat seine eigenen Exchanges organisiert. Ich will hier nicht behaupten, die Reform sei irgendwie grandios und ohne Probleme; ich sage nur, dass viel von der Schuld eben auch bei den Republicans liegt. Wenn sie ein Interesse an der policy gehabt hätten, hätten sie daran mitarbeiten können – und Obamacare wurde in einer Zeit verabschiedet, als Obama die Mehrheit in BEIDEN Häusern hatte. Er ist kein Minderheitenpräsident, denn er wurde in zwei Wahlen gewählt. Und bei den Midterms gewannen die Democrats sogar den popular vote – die Republicans halten das House nur wegen exzessiven Gerrymanderings.

  • Phil 10. September 2014, 06:09

    Konjunkturpolitik richtet sich nicht nach sektoralen Krisen, sondern nach dem Konjunkturverlauf. Deswegen Konjunkturpolitik. In 2007 wuchs in jedem Quartal noch die Wirtschaft, das wäre der falsche Zeitpunkt, den Konjunkturverlauf zu glätten.

    Habe ich auch nicht behauptet. Ich schrieb davon, dass 2007 die Krise ausbrauch. Oder um es für dich deutlich zu machen: Das Konjunkturpaket hätte bereits 2008 verabschiedet werden sollen, damit weniger Betriebe pleite gegangen wären bzw. es weniger Entlassungen gegeben hätte, denn ein Arbeitsplatz, der erst einmal abgebaut ist, wird so schnell nicht wieder aufgebaut. Und da hat Deutschland bspw. das Kurzarbeitergeld, welches unter anderem auch in der letzten Bankenkrise eingesetzt wurde, um Kapazitäten zügig aufbauen zu können.

    Wir sprechen hier nicht über Europa. Es ging um das Argumentationsmuster. Wenn ich es an einer Stelle völlig verwerfe, kann ich es nicht an anderer Stelle akzeptieren.

    Nur wenn man die Zusammenhänge nicht versteht, kommt man auf dieses Argumentationsmuster. Insofern ein wertloser Einwurf.

    Nebenbei: Europa performt nicht, weil Frankreich und Italien seit Jahren Konjunkturbelebung ausprobieren und sich von der Austeritätspolitik ausnehmen.

    Europa performt deshalb nicht, weil die Lohnkürzungen als auch die verminderten Staatsausgaben den Konsum vermindern und deswegen die Firmen auch keinen Anreiz haben, zu investieren. Mit anderen Worten: alle 3 Akteure sparen.

    … zumindest verzeichnen Spanien, Irland und auch Griechenland einen Aufwärtstrend. Die Medizin scheint zu wirken.

    Wirklich? Griechenland bspw. wird Jahrzehnte brauchen, um die verlorengegangenen Arbeitsplätze zu kompensieren. Insofern ist diese Taktik nichts anderes als eine ökologische Verwüstung und kein Erfolg.

    Bei Frankreich und Italien wirkt auch das Nichtstun. Allerdings nicht positiv.

    Und hier kommt Deutschland mit den zu niedrigen Lohnstückkosten ins Spiel.

    Übrigens: Linke sind, gerade wenn Artgenossen etwas verbockt haben oder ideologisch passt (Krim-, Ukrainekrise) immer der Ansicht, dass an einer Misere beide Parteien schuld hätten. Geht es gegen Konservative und Liberale, bleibt von solchen Ansichten – wie Sie zeigen – nichts mehr übrig.

    Und Rechte sind offenbar nicht in der Lage, Zusammenhänge zu verstehen.

    • In Dubio 10. September 2014, 08:49

      Das Konjunkturpaket hätte bereits 2008 verabschiedet werden sollen, damit weniger Betriebe pleite gegangen wären bzw. es weniger Entlassungen gegeben hätte, denn ein Arbeitsplatz, der erst einmal abgebaut ist, wird so schnell nicht wieder aufgebaut.

      Das ist das konservative Denken von Linken. Die Arbeitsplätze, die 2009 bei Microsoft abgebaut wurden, wurden nicht mehr wieder aufgebaut. Allerdings nicht wegen der Finanzkrise und nicht, weil es den USA an Konsum mangele, sondern weil der Redmonder Konzern seine marktbeherrschende Stellung verloren hat. Um’s auf Deutsch zu sagen: einige Microsoft-Jungs müssen sich heute Posten bei Google suchen.

      Selbst wenn Sie recht haben: ein Konjunkturpaket kann man nicht „nachholen“, Konjunktur ist ein dynamischer Prozess. Und in Deutschland wurden doch nicht vor allem wegen dem Kurzarbeitergeld wenig Leute entlassen, sondern weil die Arbeitszeitkonten drastisch nach unten gefahren wurden. Dem Mittelstand steckte noch die Erfahrung aus 2006 (war ja gerade 2 Jahre her) in den Knochen, wo die Unternehmen nach langer Durststrecke nicht mehr so viel Know-how auf dem freien Arbeitsmarkt fanden, wie sie im Boom benötigten.

      Nur wenn man die Zusammenhänge nicht versteht, kommt man auf dieses Argumentationsmuster.

      Tja, das ist jetzt sehr plastisch.

      Europa performt deshalb nicht, weil die Lohnkürzungen als auch die verminderten Staatsausgaben den Konsum vermindern und deswegen die Firmen auch keinen Anreiz haben, zu investieren.

      Wo spart der Staat? Könnten Sie das mal an den Staatsausgaben Deutschlands, Italiens und Frankreichs aufzeigen? Die Zahlen, bitte. Und wo wurden in den letzten – sagen wir 7 Jahren – die Löhne in Summe gesenkt? Auch hier: bitte keine relativen, sondern absolute Zahlen.

      Zumindest deutsche Unternehmen leiden seit meiner Studienzeit unter Investitionsschwäche. Das war Ende der 80er / Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts. Ich sehe nicht, wo das etwas mit dem Konsum zu tun hätte. Nach meiner langjährigen Erfahrung investieren Unternehmen außerhalb des B2C-Business nicht:

      a) Sie sehen keine langfristige Marktentwicklung. Wo kein Markt, da kein Investment.
      b) Die Liquidität des Unternehmen lässt größere Investitionen nicht zu.
      c) Der regionale / nationale Markt bietet entweder kein Volumen oder keine Ertragskraft. Oder beides.
      d) Echte Innovationen sind rar. Reine Erhaltungsinvestitionen sind wirtschaftlich nicht attraktiv.

      Diesen Gründen kann der Staat nicht durch Konjunkturpolitik, sondern Standortverbesserungen, Steuerpolitik und stabile Rahmenbedingungen entgegen wirken.

      Frankreich hat mit den höchsten Konsumanteil in der EU bezogen auf das BIP. Dennoch befindet sich das Land seit Jahren in einer Stagnation. Bitte erklären Sie dies mit dem geringen Konsum!

      Griechenland bspw. wird Jahrzehnte brauchen, um die verlorengegangenen Arbeitsplätze zu kompensieren.

      Ich lobe Ihre prophetische Gabe. Normalerweise ist es im Wirtschaftsleben schon schwer genug, 5 Jahre vorauszuschauen. Sie schaffen das auf Jahrzehnte. In Griechenland sind kaum industrielle Arbeitsplätze weggefallen, denn die gibt es kaum. Jobs im Handel und der Logistik dagegen bauen sich sehr schnell auf, da für diese Tätigkeiten keine großen Investitionen und Planungshorizonte erforderlich sind.

      Und hier kommt Deutschland mit den zu niedrigen Lohnstückkosten ins Spiel.

      Die Lohnstückkosten Frankreichs liegen auf deutschem Niveau, die italienischen 30 Prozent darunter. Das ist keine Erklärung für die langjährige Stagnation dieser beiden Länder. Zur Erinnerung: Lohnstückkosten sind der Quotient aus Lohn / Produkt. Hohe Lohnstückkosten besagen, ein Unternehmen bekommt relativ wenig für sein Geld und der Arbeiter bekommt relativ viel für wenig Leistung. Warum sollte ich Leute einstellen, wenn ich wenig für mein Geld bekomme?

  • Phil 11. September 2014, 04:55

    Das ist das konservative Denken von Linken.

    Die Arbeitsplätze, die 2009 bei Microsoft abgebaut wurden, wurden nicht mehr wieder aufgebaut. Allerdings nicht wegen der Finanzkrise und nicht, weil es den USA an Konsum mangele, sondern weil der Redmonder Konzern seine marktbeherrschende Stellung verloren hat. Um’s auf Deutsch zu sagen: einige Microsoft-Jungs müssen sich heute Posten bei Google suchen.

    Und wieder eine Spezialität Rechter: Nicht richtig recherchieren können.
    Mitarbeiter 2009: über 92000
    2014: über 127.000
    Und auch weiterhin hat Microsoft eine marktbeherschende Stellung.

    Und in Deutschland wurden doch nicht vor allem wegen dem Kurzarbeitergeld wenig Leute entlassen, sondern weil die Arbeitszeitkonten drastisch nach unten gefahren wurden.

    In vielen Fällen waren die Arbeitszeitkonten geleert und viele Unternehmen auf Kurzarbeit.

    Wo spart der Staat?

    Ach, schon die Schuldenbremse vergessen, die in Deutschland „erfunden“ und die dann auf die Union ausgeweitet wurde?

    Und wo wurden in den letzten – sagen wir 7 Jahren – die Löhne in Summe gesenkt?

    Die Reallöhne in Deutschland sind in den letzten 25 Jahren um bis zu 50% gesunken.
    Und schon Griechenland vergessen? Dito Spanien?

    Ich sehe nicht, wo das etwas mit dem Konsum zu tun hätte.
    Sie sehen keine langfristige Marktentwicklung. Wo kein Markt, da kein Investment.

    Und was ist ein Markt? Der Verkauf von Produkten an den Konsumenten? Und was macht jemand, der bspw. weniger Geld zur Verfügung hat? Seinen Konsum einschränken?

    Die Liquidität des Unternehmen lässt größere Investitionen nicht zu.

    Nunja, mitlerweile sind die Unternehmen auf der Suche nach neuen Anlagemöglichkeiten. Vielleicht sollten sie diesmal in Löhne investieren.

    Der regionale / nationale Markt bietet entweder kein Volumen oder keine Ertragskraft. Oder beides.

    Und auch das hängt mit den Löhnen zusammen.

    Diesen Gründen kann der Staat nicht durch Konjunkturpolitik

    Doch

    sondern Standortverbesserungen

    zum Beispiel mit Sanierungen der Infrastruktur, Aufbau des Binnenmarkts, bessere Schulen, etc.

    Steuerpolitik

    Die Unternehmen wissen doch eh nicht mehr, wohin mit dem vielen Geld.

    stabile Rahmenbedingungen

    Die erhält man, indem u.a. die Löhne entsprechend des Wachstums gesteigert und sonstige notwendige Investitionen getätigt werden anstatt alles verkommen zu lassen.

    Dennoch befindet sich das Land seit Jahren in einer Stagnation. Bitte erklären Sie dies mit dem geringen Konsum!

    Schon die ganzen Lohnsenkungen der letzten Jahrzehnte in Deutschland vergessen?

    Griechenland bspw. wird Jahrzehnte brauchen, um die verlorengegangenen Arbeitsplätze zu kompensieren.

    Ich lobe Ihre prophetische Gabe. Normalerweise ist es im Wirtschaftsleben schon schwer genug, 5 Jahre vorauszuschauen. Sie schaffen das auf Jahrzehnte.

    Und wieviele Jobs sind aufgrund der wahnwitzigen Politik bisher verloren gegangen und wieviele wurden neu geschaffen?

    Jobs im Handel und der Logistik dagegen bauen sich sehr schnell auf, da für diese Tätigkeiten keine großen Investitionen und Planungshorizonte erforderlich sind.

    Es braucht auch Produkte, die gehandelt werden. Aber das vergessen gerne Rechte.

    Die Lohnstückkosten Frankreichs liegen auf deutschem Niveau

    Nein, denn die Löhne in Frankreich sind in den letzten Jahren entsprechend den Vorgaben der EZB gestiegen, während Deutschlands Lohnerhöhungen diese kontinuierlich unterschreiten.

    die italienischen 30 Prozent darunter.

    Und hier kommt Preis/Leistung ins Spiel. Aber das vergessen Rechte gerne, wenn sie Wirtschaft erklären wollen.

    Hohe Lohnstückkosten besagen, ein Unternehmen bekommt relativ wenig für sein Geld und der Arbeiter bekommt relativ viel für wenig Leistung. Warum sollte ich Leute einstellen, wenn ich wenig für mein Geld bekomme?

    Autos kaufen keine Autos. Aber auch das vergessen Rechte gerne, wenn sie auf den längst widerlegten Merkantilismus setzen wollen.

  • In Dubio 11. September 2014, 11:20

    Nicht übertreiben: 2007 hatte Microsoft 48.000 Beschäftigte (auf Vollzeitbasis gerechnet; 10-K) in den USA, 2013 waren es 58.000. Dazwischen lag jedoch eine heftige Entlassungswelle. Microsoft ist zwar immer noch Quasi-Monopolist bei Betriebssystemen für PCs und Notebooks sowie für Office-Software – nur hat dies im Softwaremarkt eine stark geschrumpfte Bedeutung. Aus dem Kopf ist der Notebook-Markt in den letzten 3 Jahren um rund 50% zusammengebrochen.

    Wo spart der Staat? Ach, schon die Schuldenbremse vergessen, die in Deutschland “erfunden” und die dann auf die Union ausgeweitet wurde?

    Was hat das insbesondere mit Frankreich und Italien zu tun, denn in dem Bezug haben wir darüber gesprochen? Okay, da Sie die Mitarbeit verweigern, hier die Zahlen:

    Frankreich
    Staatsausgaben 2010: 1,1 Billionen EUR
    Anteil am BIP: 56,6%

    Staatsausgaben 2013: 1,2 Billionen EUR
    Anteil am BIP: 57,1 %

    Italien>
    Staatsausgaben 2010: 783 Mrd. EUR
    Anteil am BIP: 50,5%

    Staatsausgaben 2013: 789 Mrd. EUR
    Anteil am BIP: 50,6%

    Deutschland
    Staatsausgaben 2010: 1.194 Mrd. EUR
    Anteil am BIP: 47,9%

    Staatsausgaben 2013: 1.223 Mrd. EUR
    Anteil am BIP: 44,7%

    Darf ich kurz zusammenfassen: Für Sie bedeutet sparen, immer etwas mehr auszugeben, sowohl absolut als auch relativ. Das ist nicht unbedingt mehrheitsfähig.

    Die Reallöhne in Deutschland sind in den letzten 25 Jahren um bis zu 50% gesunken. Und schon Griechenland vergessen? Dito Spanien?

    Auch hier war der Bezug auf Frankreich und Italien. Bleiben Sie eigentlich mal bei der Sache? Nettoverdienste:

    Deutschland
    2008: 14.097 EUR
    2013: 15.605 EUR
    Anstieg: +11%
    BIP Zuwachs: +10%

    Frankreich
    2008: 13.672 EUR
    2013: 14.651 EUR
    Anstieg: +7%
    BIP Zuwachs: +7%

    Italien
    2008: 11.052 EUR
    2013: 11.447 EUR
    Anstieg: +4%
    BIP Zuwachs: -1%
    * Zahlen alle Eurostat

    Sie sind schon ein seltsamer Zeitgenosse: Sie behaupten, die Löhne würden sinken, wenn sie steigen. Sie behaupten, die Nettolöhne gingen relativ zurück, wenn sie schneller als das BIP steigen. Können Sie diese Widersprüche auflösen?

    Was würden Sie als Unternehmer tun, der einen regionalen Markt mit viel Kaufkraft sieht, aber die Produktivlöhne sind außerordentlich hoch? Wie wäre es, Sie richten dort einfach nur eine Vertriebsdependance mit wenigen Beschäftigten ein, während Sie in Ländern, wo die Bedingungen besser sind, produzieren? Wäre eine Idee, oder?

    zum Beispiel mit Sanierungen der Infrastruktur, Aufbau des Binnenmarkts, bessere Schulen, etc.

    Die Frage ist, warum der Staat das nicht tut wenn er 1,1 Billionen im Jahr oder über 50% der Einkommen einsammelt. Würde er es tun, wenn er 1,2 Billionen EUR und 60% der Einkommen für sich beanspruchen würde? Was Sie aufzählen, gehört zu den Kernaufgaben. Wie kann ein Staat glaubwürdig behaupten, er könne seine Kernaufgaben nicht erfüllen, wenn er mehr als 50% des Erwirtschafteten beansprucht?

    Ihr Modell – Löhne rauf gleich Wachstum rauf – scheint in Bezug auf Italien und Frankreich nicht zu funktionieren (siehe oben). Zeit, es zu überdenken?

    Es braucht auch Produkte, die gehandelt werden. Aber das vergessen gerne Rechte.

    Hatte ich nicht geschrieben, dass das genau das Problem Griechenlands ist? Und nicht erst seit 2009? Gehen Sie so liederlich über meine Texte drüber?

    Ich glaube, Sie haben immer noch nicht verstanden, was Lohnstückkosten sind. Es kann jemand gerne 1 Mio. EUR Lohn kassieren, wenn er dafür 1 Mio. EUR Leistung produziert (Lohnstückkosten = 1). Das ist genauso gut, wie wenn jemand nur 500 EUR verdient, aber eben nur für 500 EUR Waren / Leistung produziert (Lohnstückkosten = 1). Warum es mit dem Argument „Steigerung Lohnstückkosten“ sinnvoll sein soll, dass letzterer 1.000 EUR verdient (Lohnstückkosten = 2) haben Sie definitiv nicht erklärt.

  • schejtan 11. September 2014, 16:50

    Da hinter In Dubios letztem Beitrag kein Antworten Button erscheint, muss ich den Diskussionsstrang hier weiterfuehren.

    Natuerlich ist es Aufgabe der Opposition, die Regierung zu hinterfragen und ggf. auch scharf anzugreifen. Und das jemand Gesetzen zustimmt, die sich mit seiner Ueberzeugung ueberhaupt nicht vereinbaren lassen, erwartet ja auch niemand. Dieses trifft in Bezug auf Obamas gesamte jedoch nur fuer die Tea Party Republikaner zu, die ja auch erst durch die Anti-Obama Stimmung in den Kongress eingezogen sind. Und das sich jede Partei solcher Taktiken bedient, steht auch ausser Frage. In dem Ausmasse und in dieser Form ist die, jedenfalls in juengerer Geschichte noch nie vorkommen. Den Republikanern geht es ja eben nicht darum, politische Deals auszuhandeln oder Alternativen zu prasentieren. Ihr Credo ist eher „Wir blockieren alles, was von Obama kommt, allein, weil es von ihm kommt, unabhaengig vom konkreten Inhalt und ungeachtet aller Konsequenzen.“ Dies wird dann noch mit kaum verborgenen Hetzaufrufen und Luegen kombiniert. Das hat nichts mehr mit vernuenftiger und verantwortungsvoller Oppositionspolitik zu tun.

    Und um nochmal auf den Ursprung dieses Diskussionsstranges zurueckzukommen: Dieser fing ja damit an, dass Obama sich vorgenommen hat, die USA nach den polarisierenden Bush – Jahren wieder zu einen. Das ist ihm absolut nicht gelungen. Wenn man jedoch die absolute Blockade der Republikaner in Betracht, waere seine einzige Moeglichkeit dazu gewesen, allen Forderungen der Republikaner nachzukommen. Und das kann man nun wirklich nicht erwarten. Zumal es auch nicht auszuschliessen ist, dass die Republikaner in diesem Falle nicht wieder andere Forderungen gestellt haetten.

    P.S.: Obamacare ist keine gesetzliche Krankenversicherung.

  • schejtan 11. September 2014, 21:33

    Noch ein kleiner Nachtrag zum Thema destruktive Oppositionsarbeit: Die Republikaner haben seit Obamas Amtsantritt solche betrieben. Er wurde trotzdem wiedergewaehlt. Deiner Argumentation nach, muessten sie also eigentlich einsehen, dass diese vom Waehler nicht gewollt ist. Das tun sie aber nicht.

    • Stefan Sasse 12. September 2014, 09:27

      Nein, musst du nicht. Klick einfach auf „antworten“ am entsprechenden Beitrag weiter oben. Dann erscheinst du direkt unter dem letzten Beitrag. Ein bisschen unpraktisch, funktioniert aber.

      • schejtan 12. September 2014, 13:26

        alles klar, danke.

  • Phil 12. September 2014, 12:11

    Nicht übertreiben:

    http://winfuture.de/news,48739.html
    http://www.heise.de/newsticker/meldung/Microsoft-streicht-fast-18-000-Jobs-2262030.html

    2007 hatte Microsoft 48.000 Beschäftigte (auf Vollzeitbasis gerechnet; 10-K) in den USA, 2013 waren es 58.000.

    Aber danke, dass du dich auch gleich noch selbst widerlegt hast.

    Darf ich kurz zusammenfassen: Für Sie bedeutet sparen, immer etwas mehr auszugeben, sowohl absolut als auch relativ. Das ist nicht unbedingt mehrheitsfähig.

    Das ist ja die Crux. Wenn der Staat sparen will, dann brechen seine Einnahmen schneller weg, weswegen es zu keinem Sparen kommen kann.

    Deutschland
    2008: 14.097 EUR
    2013: 15.605 EUR

    Sie sind schon ein seltsamer Zeitgenosse: Sie behaupten, die Löhne würden sinken, wenn sie steigen.

    Warum betrachtest du nur den Zeitraum nach der massiven Lohnsenkung in Deutschland? Was ist mit dem Zeitraum ab 1990, wo die Löhne schrittweise, und mit der Hartz IV-Einführung massiv gesenkt wurden?
    Desweiteren vergisst du die massive Ausweitung prekärer Jobs in Deutschland.

    Im übrigen hat mitlerweile auch Prof. Sinn bemerkt, dass die Löhne in Deutschland die nächsten Jahre überdurchschnittlich wachsen müssen.

    Frankreich
    2008: 13.672 EUR
    2013: 14.651 EUR
    Anstieg: +7%
    BIP Zuwachs: +7%

    Schön, wie du aufzeigst, dass Frankreich sich an die Vorgaben von der EZB gehalten hat, im übrigen auch schon vor 2008.

    Aber auch das ist eine Spezialität Rechter, sich nur Rosinen rauspicken zu wollen, während die faulen Äpfel unter den Tisch gekehrt werden.

    Was würden Sie als Unternehmer tun, der einen regionalen Markt mit viel Kaufkraft sieht, aber die Produktivlöhne sind außerordentlich hoch?

    Viel Kaufkraft in Deutschland? Nein, mitnichten. Allein 2007 fehlten rund 135 Mia Euro auf den Lohnzetteln im Vergleich zu 2000. Und im Vergleich zu Anfang der 1990er noch einmal mehr.

    Und desweiteren vergisst du, dass in Frankreich und Italien gerade die Arbeitslosenzahlen hoch gehen.

    Die Frage ist, warum der Staat das nicht tut wenn er 1,1 Billionen im Jahr

    Ohje, jetzt werden wieder wild Zahlen durcheinander gewürfelt, wohlwissend dass die Einnahmen der Sozialversicherungen eben keine Einnahmen für den Staatshaushalt sind, sondern Versicherungsleistung, die eben nicht für anderes herangezogen werden dürfen.

    Was Sie aufzählen, gehört zu den Kernaufgaben. Wie kann ein Staat glaubwürdig behaupten, er könne seine Kernaufgaben nicht erfüllen, wenn er mehr als 50% des Erwirtschafteten beansprucht?

    1. Deinen logische Fehler habe ich dir eben schon aufgezeigt.
    2. Hast du vielleicht auch mal daran gedacht, dass die Steuersenkungen der letzten Jahrzehnte Steuermindereinnahmen darstellen, die weniger Geld für öffentliche Ausgaben bedeuten? Dito gibt es durch die Lohnsenkungen in den letzten Jahrzehnten auch weniger Lohnsteuereinnahmen.

    Ihr Modell – Löhne rauf gleich Wachstum rauf – scheint in Bezug auf Italien und Frankreich nicht zu funktionieren (siehe oben). Zeit, es zu überdenken?

    Deinen logischen Fehler habe ich dir oben bereits aufgezeigt.

    Es braucht auch Produkte, die gehandelt werden. Aber das vergessen gerne Rechte.

    Hatte ich nicht geschrieben, dass das genau das Problem Griechenlands ist? Und nicht erst seit 2009? Gehen Sie so liederlich über meine Texte drüber?

    Ach, schon die ökonomische Verwüstung der letzten Jahre in Griechenland vergessen? Dito auch der massive Exportüberschuss Deutschlands?
    Aber ist schon scheiße, wenn man Zusammenhänge nicht sehen will.

    Ich glaube, Sie haben immer noch nicht verstanden, was Lohnstückkosten sind.

    Ich sehe, dass Deutschland auf Kosten anderer Länder diese gedrückt hat.

    Deutschland hat auf dem Rücken anderer Euroländer seine Wettbewerbsfähigkeit wiederhergestellt, was Schumacher in der Studie einräumt. Irgendwo ist aber der Punkt erreicht, wo wir mit der Abwertungsstrategie aufhören müssen, um nicht einen veritablen Abwertungswettlauf in Euroland, in Osteuropa, in China auszulösen, der nur Verlierer kennt, nämlich Destabilisation Eurolands, Rezessoin und Massenarbeitslosigkeit.

    http://blog.zeit.de/herdentrieb/2005/12/11/noch-einer-gegen-hans-werner-sinn%E2%80%99s-eindimensionalitat_30

    Okay, da Sie die Mitarbeit verweigern,

    Schreibt ausgerechnet der, der sich weigert, bspw. die Lohnentwicklung der letzten 25 Jahre in Deutschland zur Kenntnis zu nehmen sowie simple Zusammenhänge ignoriert und lieber auf Nebenkriegsschauplätze ausweichen will.

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