Schuld sind immer die anderen

Als Donald Trump die Wahl in den USA gewann, wurden viele Schuldige ausgemacht. Da war Hillary Clinton, die Wahlkampffehler begangen haben sollte. Da waren die Medien, die Trump zu viel unkritischen Raum einräumten. Da waren die Democrats, deren Programm angeblich zu abgehoben sei, die zu weit weg sind von den „echten“ Amerikanern draußen in den ländlichen Gebieten (da hab ich schon ein paar Takte dazu gesagt).

Als Großbritannien in einer Volksabstimmung den Brexit beschloss, wurde darüber gejammert, wie schlecht der Remain-Wahlkampf war. Dass Jeremy Corbyn nicht wirklich in der EU bleiben wollte. Dass die Brexit-Befürworter gelogen hatten, dass sich die Balken biegen. Dass die Presse das noch anheizte.

Als in Frankreich Marie Le Pen nur einen Fußbreit vom Elysse-Palast entfernt schien, wurde bejammert wie abgehoben die Parteien seien. Dass sie die Sorgen und Nöte der Menschen nicht ernst nähmen. Dass Le Pen lügt und Falschaussagen verbreitet. Das Spiel lässt sich für jede Wahl wiederholen, wo Rechtspopulisten gegen den Rest der Welt standen. Fällt jemandem auf, wer in dieser Liste grundsätzlich niemals beschuldigt wird?

Es ist der Wähler. 70.000 Menschen in drei Staaten des Mittleren Westens reichten, um Trump zum Präsidenten zu machen. 52% stimmten für den Brexit. 34% haben im zweiten Wahlgang für Le Pen gestimmt. Alle Analysen nehmen diese Menschen beständig in Schutz.

Wie kann man es wagen, Leuten mit Südstaatenflaggen im Pickup und großzügigem Gebrauch des N-Worts als Rassisten zu verunglimpfen? Da muss man rausfinden, was die umtreibt, und muss ihnen Angebote machen und auf gar keinen Fall im Wahlkampf sagen, dass Rassismus nicht ok ist, denn damit würde man sie beleidigen.

Wie hätten 52% der Briten sich auch „richtig“ entscheiden sollen, wenn Boris Johnson, Nigel Farage und die Yellow Press ihnen die Hucke volllügen? Sie haben den Brexit auf falschen Annahmen beschlossen. Auf keinen Fall waren uninformierte Ressentiments gegen Ausländer beteiligt.

Auf keinen Fall darf man die Franzosen, die eine Proto-Faschistin zur Präsidentin machen würden, für diese Überzeugung verantwortlich machen. Stattdessen muss man Verständnis zeigen. Den Leuten geht’s nicht gut, da ist es ganz normal, wenn sie Ausländer hassen und die Demokratie abschaffen wollen.

Ich kann diese Scheiße nicht mehr hören. Schuld sind immer die anderen, aber nie die Wähler. Der Souverän einer Demokratie ist im öffentlichen Diskurs immer merkwürdig nebulös, hat keine Autonomie und keine, nun ja, Souveränität. Stets wird so getan, als ob Wähler für die Folgen ihrer Entscheidungen nicht verantwortlich seien. Das sind dann immer die Medien, die Politiker, die Lobbyisten. Aber nie, nie, nie diejenigen, die ihr Kreuz gesetzt haben.

Das ist eine Infantilisierung der Wähler. Eine Demokratie ohne Wähler kann es nicht geben, und wer glaubt, die Gründe für die Wahlentscheidung grundsätzlich immer bei irgendwelcher Beeinflussung von außen suchen zu müssen, ist schief gewickelt. Der Wähler in der Demokratie hat nicht nur Rechte, er hat auch Pflichten. Der Wahlakt ist kein institutionalisiertes Ablassen von Ressentiments, kein Kanal für undefinierten Protest, kein bloßes Mittel der Kommunikation mit den Repräsentanten.

Die Wahl dient dazu, die Regierung und das Parlament, das die Gesamtheit der Deutschen in den nächsten vier Jahren in der Welt und zuhause repräsentieren soll, zu bestimmen. Die Wahl über den Austritt aus der Europäischen Union ist keine Gelegenheit zu zeigen, dass man keine Ausländer mag, sondern eine tiefgreifende, monumentale Entscheidung in der Geschichte des Landes. Als Präsidenten der USA den ungeeignetsten und gefährlichsten Clown aller Zeiten zu wählen, nur weil man gerne Frauen Schlampen und Schwarze Nigger nennen möchte, ist kein Zeichen eines irgendwie übersehenen versteckten Volkswillens, sondern von demokratischer Unreife.

Irgendwo ist der Unterschied zwischen Meinungsäußerung – auf Demonstrationen, in Blogposts, Einträgen in sozialen Netzwerken, wütenden Leserbriefen, Redenschwingend auf der Straße oder im Schreiben von Petitionen und Abgeordnetenpost – und der Wahl der Richtung, in die das komplette Land in den nächsten Jahren gehen soll, völlig verloren gegangen. Das ist ein weltweites Phänomen, und es ist problematisch.

Wir müssen damit beginnen, den Wähler auch wieder zur Verantwortung zu ziehen – und die Politik dazu zu zwingen, die andere Seite dieser Verantwortung zu stellen, indem sie Alternativen im demokratischen Rahmen benennt, statt dieses Feld dem Abschaum von Rechts zu überlassen. Wähler müssen sich darüber klar werden, dass sie mit einer Stimme bei der Wahl einen Repräsentanten wählen, der für die nächsten vier oder fünf Jahre für sie Entscheidungen trifft, und dass es da vielleicht nicht schlecht wäre, wenn derjenige auch rudimentäre Qualifikation dafür vorweisen kann. Und Politiker müssen in diesem System dazu gebracht werden, ihre Entscheidung deutlicher und verständlich zu erklären, so dass es Verantwortliche gibt – für das Gute wie für das Schlechte. Der Gesundheit der Demokratie würde das nur guttun.

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  • Malte 29. Juni 2017, 09:18

    Wähler sind Menschen. Ausnahmslos. Und Menschen sind sind nun mal so wie Menschen sind, da kann man nicht viel dran ändern. Einige von ihnen als Abschaum zu bezeichen hat noch nie irgendetwas positives bewegt. Noch nie!

    Was man ändern kann, sind die Bedingungen unter denen Menschen leben. Ihre Gesellschaftssysteme. Darüber lohnt es sich zu streiten. Aber nicht darüber wer jetzt woran Schuld trägt.

    • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 09:54

      Das ist ja mein Punkt. Ich wehre mich gegen diesen Trend, die Wähler auf der einen Seite als Säulenheilige darzustellen, deren Votum unantastbar und per Definition richtig ist, und sie auf der anderen Seite so zu infantilisieren, dass sie von den Konsequenzen ihrer Entscheidungen völlig freizusprechen sind.

      • Rauschi 29. Juni 2017, 12:08

        Wähler müssen sich darüber klar werden, dass sie mit einer Stimme bei der Wahl einen Repräsentanten wählen, der für die nächsten vier oder fünf Jahre für sie Entscheidungen trifft, und dass es da vielleicht nicht schlecht wäre, wenn derjenige auch rudimentäre Qualifikation dafür vorweisen kann.
        Woraus kann geschlossen werden, das den Wählern ihre Verantwortung nicht bewusst ist? Das mit der Qualifikation ist dann doch eher abwegig im jetztigen System, oder habe ich als Wähler irgendeinen Einfluss darauf, wer an welcher Stelle auf einer Liste steht? Hier in BW kann ich kummulieren und panaschieren, das geht in diese Richtung, aber bei der Bundestagswahl?

        Wir müssen damit beginnen, den Wähler auch wieder zur Verantwortung zu ziehen

        Was soll ich darunter verstehen, die sollten die Konsequenzen tragen, tun die das etwa nicht? Wenn ich einen Depp wähle, bekomme ich depperte Politik, damit muss ich dann leben, dazu gibt es keine Alternative. Was schwebt Ihnen vor? Zur Verantwortung ziehen? Und zwar wie und wodurch? Falsch gewählt, nächstes Mal aussetzen?

        Gruss Rauschi

        • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 13:26

          In Deutschland ist das aktuell auch kein Problem, weil die Parteien eigentlich nur grundsätzlich kompetente Leute für ihre Posten aufstellen (einige Ausnahmen sind in einem 631-Sitze-Bundestag egal, Minister oder gar Kanzler wird keiner). Aktuell, noch, ist das ein Problem in anderen Ländern.

          Ich rede überhaupt nicht von rechtlichen, handfesten Konsequenzen. Mir geht es um eine andere Geisteshaltung, sowohl bei den Wählern als auch, und vor allem, bei den Rezipienten und Schaffern von politischen Nachrichten.

          • Rauschi 29. Juni 2017, 13:43

            Na ja, das mit der Kompetenz kann ja jeder sehen, wie er will, ich habe da eine andere Meinung, aber egal.
            Aber wie bitte soll eine andere Geisteshaltung erreicht werden? Wer gibt die denn im Zweifel vor? Kann die befohlen werden? So nach dem Motto: Es muss ein Ruck durch Deutschland gehen? Also doch Moralappelle, die nachweislich so überhaupt nichts bringen?
            Fragen über Fragen.

            Gruss Rasuchi

            • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 14:33

              Naja, die Ruck-Appelle haben dazu geführt, dass der Großteil der Bevölkerung die ganzen Agenda-Maßnahmen geschluckt hat. Wirkungslos würde ich das nicht nennen. Mit einer Sonntagsrede ist es natürlich nicht getan. Mir geht es um einen subtileren Wandel in der Rezeption.

              • Rauschi 29. Juni 2017, 14:51

                Naja, die Ruck-Appelle haben dazu geführt, dass der Großteil der Bevölkerung die ganzen Agenda-Maßnahmen geschluckt hat.
                Steile These, zumal die Jahre (April 1997) vorher statt fand und die Besucher des Adlon nicht den Grossteil der Bevölkerung ausmachen. Die Agenda wurde 2003 verkündet und es lag eine Bundestagswahl dazwischen, in welcher eine konservative Regierung abgewählt wurde.

                Mir geht es um einen subtileren Wandel in der Rezeption.
                Wer stellt das denn zusammen, das passende Rezept, vor allem, für wen? Die Politiker oder die Wähler, wer soll das schlucken?
                Da kommt dann wieder meine Meinung, wir sollten es mit Welt- oder Menschenbildern versuchen, da ist bei der Wahl des bevorzugten Bildes die Entscheidung über die Sachthemen fast zwangsläufig mit drin.
                Ist das vielleicht eine Überlegung wert?
                Oder einfach wieder Alternativen anbieten, die nicht in die gleiche Richtung laufen, nur mit unterschiedlich schnellem Tempo.
                Oder im Kleinen mit der Beteilung anfangen, damit die Wähler für das grosse lernen können, wie Entscheidungen entstehen. Nicht mal unsere Gemeinderatssitzungen sind öffentlich, jedenfalls der wichtige Teil.
                Ideen gibt es genug, welche haben Sie?

                Gruss Rauschi

                • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 17:22

                  Hallo? Die Zeit Ende der 90er/Anfang 2000er war die Hochzeit der Reformen-Propaganda. Schau dir mal die SPIEGEL-Titel von damals an…

                  • Rauschi 29. Juni 2017, 18:22

                    Wie jetzt, das sind die Medien Schuld? Die können doch trommeln, solange sie wollen, wenn die Politik dem nicht folgt, was soll dann passieren? Die Agendapolitik wurde damals abgelehnt, können Sie Sich noch an die Demos erinnern? Auch heute spricht sich eine Mehrheit für Verbesserungen aus, wenn die Abschaffung schon nicht zur Debatte steht.

                    Dann die zweite Frage.
                    Wer stellt das denn zusammen, das passende Rezept, vor allem, für wen? Die Politiker oder die Wähler, wer soll das schlucken?

                    Gruss Rauschi

                    • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 19:39

                      Ich zeige dir nur auf dass diese Rufe mitnichten auf eine einzige Rede zurückzuführen waren.

                      Davon abgesehen: klar gab’s Demos. Aber schau dir mal die Umfragewerte von damals an. Du hast nie eine stabile Mehrheit gegen die Agenda.

              • Erwin Gabriel 29. Juni 2017, 18:45

                >>Naja, die Ruck-Appelle haben dazu geführt, dass der Großteil der Bevölkerung die ganzen Agenda-Maßnahmen geschluckt hat. >>

                Genauso schluckt die Bevölkerung auch die weitgehend unkontrollierte Zuwanderung und die damit verbunden zahlreichen Gesetzesbrüche. Ob nun unterm Strich die Agenda 2010 für die Bevölkerung schlimmer ist oder die durch Merkels Europa-, Euro- und Flüchtlingspolitik betriebene Auflösung des National- und damit auch des Sozialstaats, ist aus meiner Sicht keinesfalls fraglich.

                • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 19:43

                  Kannst halt nicht behaupten, dass Meinungsbeeinflussung gar nichts nützt.

                  • Erwin Gabriel 29. Juni 2017, 21:23

                    🙂

                    Treffer

                • bevanite 29. Juni 2017, 21:01

                  Welche Gesetze wurden in dem Zusammenhang nochmal genau gebrochen? Hat Deutschland die UN-Flüchtlingskonvention unterzeichnet oder nicht? Auch wurden meines Erachtens seit 2015 weder der National- noch der Sozialstaat abgeschafft. Klingt halt immer schön reißerisch-apokalyptisch-effekthascherisch, bleibt aber weiterhin falsch.

                  • Erwin Gabriel 29. Juni 2017, 21:41

                    @bevanite

                    „Welche Gesetze wurden in dem Zusammenhang nochmal genau gebrochen?

                    • (Teilweise) Duldung von Einreisen ohne Feststellung der Person

                    • Rechtsbeugung (wenn Richter milde Urteile etwa bei Gewaltverbrechen gegen Frauen, Homosexuelle etc sprechen, weil der Täter aus einem islamisch geprägten Kulturkreis kommt)
                    • mangelhafte Abschiebung trotz fehlenden Asyl-Anspruchs (Asyl-Anspruch hat nur, wer aus einem unsicheren Land kommt; mithin ist jeder, der zu Fuß nach Deutschland kommt, ohne Anspruch auf Asyl)
                    • Abschiebung in Kriegsregionen
                    • Ungleichbehandlung, etwa bei der Vergabe kommunaler Sozialwohnungen etc.

                    Ist natürlich eine unvollständige Liste. Da ich nur auf Gesetzesverstöße der Regierung und der öffentlichen Hand (und nicht die der Zugereisten) abzielte, hebe ich jetzt mal nur darauf ab.

                  • Erwin Gabriel 30. Juni 2017, 07:12

                    @ bevanite:
                    Nachtrag: Der Mensch hat sich schon immer solidarisch organisiert – in Stämmen, in Familien, in Genossenschaften. Wer dazu gehörte, unterstütze die Bedürftigen, und wurde als Bedürftiger unterstützt, ernährt, gepflegt. Dieses füreinander Einstehen war überlebenswichtig. Und durch die Überschaubarkeit der jeweiligen Gruppen waren die Bindungen auch eng (den eigenen Kindern und Geschwistern oder dem Nachbarn direkt nebenan hilft man eher als dem Neffen vierten Grades oder der Familie am Ende der Straße).

                    Durch die Industrialisierung, die ja nicht nur eine hohe Mobilität von Waren, sondern auch von Arbeitskräften erforderte, wurden diese Strukturen aufgebrochen. Der Staat sprang ein und organisierte Sozial-, Kranken- und Rentenversicherung im Rahmen des Staates bzw. der Nation. Hier lassen jedoch Zahlungsbereitschaft und das Verständnis für die Nöte des – durch die schiere Größe der Gruppe – anonymen Anderen schon deutlich nach. Auch geht ein wenig das Verständnis für die Natur dieser Versicherungen (bei der Rente etwa Umlageverfahren statt Ansparen) verloren.

                    Durch diese Entkoppelung zwischen Empfangen und Erbringen von Leistungen geht Solidarität verloren. Ein jeder versucht, ohne Rücksicht auf die Gemeinschaft und oft ohne wirkliche Not nur das wenigste beizutragen und das meiste für sich herauszuholen – mit entsprechenden Folgen wie steigende Bürokratie, steigende Beiträge, sinkende Leistungen. Bei der Versorgung oder Pflege durch eine solidarische Familie oder Genossenschaft wäre solch ein Egoismus ausgeschlossen.

                    Diese Entwicklung lässt den Schluss zu, dass ein Sozialstaat unbegrenzter Größe nicht finanzierbar ist. Er kollabiert, wenn der solidarische Charakter nicht mehr für alle – Leistungsgeber und Leistungsempfänger – erkennbar ist. Zwischen deutschen (französischen, englischen etc.) Bürgern mag es noch eine gewisse Verbindung geben: Gleiches Land, gleiche Sprache, gleiche Fußball-Nationalmannschaft, gleiche Regeln und Gesetze. Aber wer akzeptiert, dass seine Leistungen sinken, weil durch Zuwanderung Menschen in unser Land kommen, mit denen wir eine relativ schmale gemeinsame Basis haben, die wir nicht kennen, die selbst nie solidarisch mit uns waren? Oder wie viel sind wir bereit zu zahlen, damit ein spanischer oder griechischer Landwirt versorgt ist?

                    In „richtigen“ Einwanderungsländern (Länder, die für ihre Entwicklung Einwanderung brauchten oder brauchen, etwa den USA, Kanada, Australien) gibt es etwas Vergleichbares wie einen Sozialstaat nicht. Dafür „schützen“ oder „stärken“ strikte Regeln für und Ansprüchen an den, der hinein will, die Leistungsfähigkeit der Gemeinschaft. Ein Sozialstaat wie Schweden, der zum Einwanderungsland wurde, sah sich schnell genötigt, die Grenzen zu schließen.

                    Die Auflösung der Nationalstaaten etwa in ein zukünftiges Europa und / oder die unkontrollierte Zuwanderung ohne Erfüllung von Mindeststandards wird unseren Sozialstaat zerstören. Das wird zurzeit noch dadurch vertuscht, dass die Parteien ihren Wählern weiterhin Versprechungen machen und oft auch umsetzen. Das erhöht auf Dauer aber nur die Fallhöhe.

                    PS, zur Klarstellung: Ich spreche hier von Zuwanderung in unsere Gesellschaft, die in erster Linie in die Sozialsysteme und nicht in den Arbeitsmarkt erfolgt, jedoch nicht von Asyl (bzw. nur insofern, als viele, die Asyl bei uns suchen, Zuwanderung wollen).

  • Stefan Pietsch 29. Juni 2017, 09:28

    Hm, ich schwanke, so wie ich Deinen Artikel schwankend finde. Nicht in Deiner Tendenz, die ist sehr klar. Aber es ist ja nicht so, dass der Wähler häufig nicht als Verantwortlicher benannt würde. Am vergangenen Montag wurde in Hart aber fair nochmal darauf hingewiesen, dass die Trump-Wähler weiterhin von ihrem Idol überzeugt sind. Die bisherigen Nachwahlen in den USA zeigen dies ebenfalls.

    In Großbritannien ist weiterhin eine Mehrheit für den BREXIT, einem weichen zwar, aber einem BREXIT. Gleichzeitig befürwortet man eine strikte Zuzugsbegrenzung. Beides zusammen geht nicht. Und das ist das Kernproblem. Wahlentscheidungen dem Wähler überlassen sind widersprüchlich. So stimmten vor einigen Jahren die Bürger Kaliforniens für Haushaltssanierung und Steuersenkung (bitte korrigiere mich, wenn ich das nicht mehr richtig zusammenbringe, ich bin Google-faul). Beides ging nicht zusammen, was folglich in einem Shut-down endete.

    2005 hatten wir einen sehr konfrontativen Wahlkampf. Das linke Lager befürwortete eine Bürgerversicherung, Konservative und Liberale gingen für eine Kopfpauschale in die Bütt. In der Wahlentscheidung hatten wir pari. In Umfragen trat der Bürger für die Leistungen der Privatversicherung, finanziert nach dem Modell der Gesetzlichen ein. Klar, wenn man die Menschen fragt, treten sie für jeden Stuss ein, die Adresse vom Schlaraffenland wurde leider bisher nicht veröffentlicht. Beides geht nicht zusammen, steht diametral entgegengesetzt.

    Die Politik musste diesen Widerspruch auflösen und tat es durch ein Bürokratiemonster, den Gesundheitsfonds. In dem wird nun so getan, als gäbe es einen einheitlichen Betrag für jeden, während die Beitragszahler weiter brav gemäß ihrem Einkommen entrichten.

    Es gibt viele solcher Beispiele. Die meisten Wähler sind sich ihrer „Unvernunft“ häufig auch bewusst und segnen später Entscheidungen der Politik durch Zustimmung ab. Bekanntlich wurde die Bundeskanzlerin nie für den Murks beim Fonds in Wahlen abgestraft und die Bürgerversicherung erfreut sich nicht so großer Beliebtheit, dass sie Wahlen rocken würde. Inzwischen gibt es ja bei der Sozialdemokratie Überlegungen, ob man wirklich ein viertes Mal mit dem Konzept antreten sollte.

    Meist werfen Wähler von Rechts- und Linkspopulisten ihre Stimme weg, weil ihre radikalen Vorstellungen keine Chance auf Verwirklichung haben. So lange die Vernunftsbegabten überwiegen, ist die Demokratie nicht in Gefahr. Beim BREXIT haben die Anhänger halt zu sehr darauf gesetzt, dass genügend Vernunftsbegabte ihre Wutwahl auffangen würden. Geht halt auch mal daneben. Jetzt zahlen diese Leute halt die Zeche und zwar ein Leben lang. Das ist gerecht. Andere wurden durch die offensichtliche falsche Entscheidung der Briten abgeschreckt, in Frankreich wurde sogar ein EU- und Euro-Enthusiast zum Präsidenten gewählt.

    • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 09:56

      Ich stimme dir zu 100% zu. Meine Kritik richtet sich an die, die sich auf die Vernünftigen verlassen um ihren Stuss aufzufangen, nur damit sie ihrem Bauchgefühl nachgehen können. Ich möchte, dass Wählen auch als Verantwortung begriffen wird.

      • Malte 29. Juni 2017, 11:00

        Ihr unterstellt hier beide, dass eine erhebliche Zahl von Menschen für etwas wählt, wovon sie hoffen dass es keine Mehrheit findet. Gibt es dafür Belege? Mir erscheint das nicht sehr plausibel. Und setzt nicht gerade diese Behauptung eine Infantilisierung der Wähler voraus?

        Wahlen sind dann demokratisch, wenn man tatsächlich eine Wahl zwischen verschiedenen Alternativen hat. Nach meiner Wahrnehmung, und offenbar der vieler anderer, unterscheiden sich insbesondere CDU, SPD, FDP und Grüne nicht mehr in wesentlichen Punkten. Obwohl es in der Bevölkerung weiterhin ein breites Spektrum politischer Ansichten gibt. Und dieses Problem gibt es in fast allen westlichen Ländern. Als Konsequenz lässt man entweder das Wählen sein, wählt aus Pflichtbewusstsein doch eine dieser Parteien oder wendet sich einer tatsächlich oder vermeintlich radikalen Alternative zu. Wenn man das nicht gut findet, muss man versuchen zu verstehen warum das so ist. Zu sagen dass die alle nicht vernunftbegabt sind halte ich nicht für zielführend. Wenn so viele Menschen ihre Unzufriedenheit äußern, darf man auch mal fragen woher das kommt.

        • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 11:06

          Null Problem mit Alternativen. Bartsch, Wagenknecht, Ramelow – kannste alle wählen. Kein Thema. Lucke, Adam hättest auch wählen können. Mir geht es um Figuren, die zwar super drin sind Ressentiments auszudrücken, aber bei denen offensichtlich ist, dass sie in tatsächlicher Verantwortung ein Desaster wären.

        • Stefan Pietsch 29. Juni 2017, 11:45

          Ein sehr ausgelutschtes und pauschales Argument. Wenn Sie meinen, das wäre alles gleich, dann sollten Sie das an ein paar wenigen, aber wesentlichen Punkten festmachen. Steuern? Gesundheit? Rente? EU-Recht? Nach meinem Empfinden sind da sehr wesentliche Unterschiede auszumachen.

          Zu sagen, die sind alle für den Euro, für den EU-Verbleib, für einen ausgeglichenen Haushalt, für private Vorsorge bei der Rente ist mir viel zu pauschal. Genauso kann ich die These „wir sollten alle gute Menschen sein“ als zu allgemein abtun.

          • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 11:55

            Danke.

            Die Unterschiede sind allerdings deutlich geringer als in der Vergangenheit, das ist unbenommen.

        • Malte 29. Juni 2017, 12:15

          @ S.P.

          Nehmen wir ruhig die Punkte Gesundheit, Steuern und Rente. Meinetwegen noch Auslandseinsätze der Bundeswehr. Woran erkenne ich, bezogen auf die letzten 20 Jahre, welche Partei da ihre Ideen umgesetzt hat? Die SPD und die Grünen haben den Spitzensteuersatz gesenkt. Wollten FDP und CDU was anderes? Welche Regierungspartei hat sich gegen Privatisierungen oder PPP gestellt? Gegen Deregulierungen? Gegen Hartz4? Gegen Steuerhinterziehung? Welche ist gegen die Privatisierung der Rente eingetreten? Welche gegen Auslandseinsätze (Ausnahme Irak)?

          Gab es Alleinstellungsmerkmale der Regierungsparteien? Ich habe keine wesentlichen gesehen.

          • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 13:29

            Klar folgten die alle dem gleichen Trend. Aber wenn du glaubst, in der Umsetzung dieser Politik gäbe es keine Unterschiede zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb, dann belügst du dich selbst. Und zwar wesentliche Unterschiede. Stell dir mal eine schwarz-gelbe Koalition 2005 vor, mit einem Finanzminister Kirchhoff. Und dann sag mir nochmal da gäb’s keinen Unterschied.

          • Stefan Pietsch 29. Juni 2017, 15:01

            Sie machen 2 Fehler:

            (1) Sie gehen eine Analyse von Parteiprogrammatik mit einer handfesten parteipolitischen Bewertung an. Ersteres setzt ein Mindestmaß von Objektivität voraus, letzteres Subjektivität.

            (2) Sie ignorieren die verfassungsrechtliche Gegebenheit.
            Aufgrund des hier geltenden Mehrheitswahlrechts sind absolute Mehrheiten einer Partei im gesetzgebenden Parlament nahezu ausgeschlossen. Dies macht Koalitionen und damit Kompromisslösungen zwingend erforderlich. Schon gar nicht kann der kleinere Regierungspartner die Mehrheit seiner Vorstellungen umsetzen, schon weil diese i.d.R. Lobbygruppen eines kleinen Teils der Gesellschaft sind. Darüber hinaus unterliegt der Großteil der Gesetze der Zustimmungspflicht der Länderkammer (Bundesrat), der aufgrund von regionalen Wahlentscheidungen meist konträr zum Bundestag besetzt ist. Dies erfordert weitere Kompromisssuche. Die breite Konsenssuche ist verfassungsrechtlich gewollt und schließt die einseitige Durchsetzung eines Parteiprogramms praktisch aus. Dazu treten internationale Vereinbarungen und Regelungen.

            Weiter finde ich Sie unfair in der Argumentation: wenn der Vorwurf fehl geht, dass sich Parteien nicht in der Programmatik unterscheiden, dann machen Sie Ihnen Regierungshandeln zum Vorwurf. Irgendwie erwischt es einen immer. 1994 begann die Bundespolitik, Regierung, Parlament und Länder, mit den Beratungen und Konsultationen zu einer umfangreichen Reform des Einkommensteuergesetzes. Auch SPD und Grüne zogen vier Jahre später mit eigenen Vorstellungen zur steuerlichen Entlastung in den Bundestagswahlkampf. Von 2001-2005 wurden die lange diskutierten Grundsätze im Rahmen des politischen Kompromisses in Gesetzesform gegossen. Dies sah eine prinzipielle Senkung der Steuersätze sowie die Beseitigung von Ausnahmetatbeständen (Verbreiterung der Bemessungsgrundlage) vor. Ja, ein Spitzensteuersatz von 42% stand nicht im Wahlprogramm der Sozialdemokratie (beabsichtigt waren 45%). Das war der politische Preis an die in Rheinland-Pfalz mitregierende FDP. Ansonsten kann die Steuerreform zu Beginn der Nullerjahre nicht wirklich überrascht haben. Es sei denn, man heißt Robinson Crusoe.

          • Stefan Pietsch 29. Juni 2017, 15:12

            1998 wollten Union und FDP einen Spitzensteuersatz um die 40%.

            Deutschland hat im internationalen Vergleich verhältnismäßig wenig PPP. I.d.R. wird dies aus faktischen Zwängen gemacht: entweder fehlen dem jeweiligen Haushalt die Finanzmittel oder die fachliche Kompetenz.

            Seit 2008 haben wir ein breites Maß an Regulierung, sowohl auf EU-, Eurozonen- und Bundesebene. Dies wird von einem breiten Parteienbündnis getragen. Sie müssten also in diesem Punkt umgekehrt argumentieren.

            Im Rahmen der OECD ist es zu vielfältigen Maßnahmen der Bekämpfung von Steuerflucht und Steuervermeidung gekommen. Auf EU-Ebene wurden die Maßnahmen zum Datenabgleich verstärkt. Der Bund hat die Abgabenordnung bezüglich der Lockerung des Bankgeheimnisses (das es de facto nicht mehr gibt) sehr verschärft. Dies alles geschah im breiten politischen Konsens. Auch hier argumentieren Sie an den Tatsachen vorbei. Sie können oppositionell argumentieren, dass sei bei weitem nicht ausreichend. Aber Sie können nicht die Richtung bestreiten – was Sie aber tun.

            Rente: auch hier folgen alle deutschen Parteien widerwillig dem internationalen Trend, der immerhin den Pensionären der OECD höhere Altersbezüge beschert. Der linke Flügel der SPD, die Mehrheit der Grünen sowie die LINKE in Gänze treten für eine deutliche Erhöhung der Betragssätze ein, da anders ein höheres Rentenniveau nicht zu finanzieren ist. Wir werden sehen, wie das im Herbst ausgeht.

            • Malte 29. Juni 2017, 16:05

              Das führt jetzt ein bisschen vom Ausgangsthema weg. Meine These war, dass fehlende Unterscheidbarkeit der großen Parteien zu einem Politikverdruss und infolgedessen vermeintlich irrationalen Wahlergebnissen geführt hat. Für die Wahrnehmung der Wähler spielt natürlich primär die Auswirkung der tatsächlich umgesetzten Politik eine Rolle. Niemanden interessiert ein Wahlprogramm von vor 10 Jahren. Oder welche Kompromisse warum geschlossen wurden.

              Die Notwendigkeit von Kompromissen ist auch keine Erklärung für eine gleichförmige Politik wie wir sie zuletzt erlebt haben. Die von Ihnen angeführten Erklärungen und Umdeutungen der Stoßrichtung überzeugen mich nicht, sind hier aber auch nicht entscheidend.

              • Stefan Pietsch 29. Juni 2017, 16:20

                Die meisten Bürger fühlen sich zumindest in Deutschland gut regiert. Das Spitzenpersonal genießt darüber hinaus sowohl im Vergleich zur Opposition als auch im internationalen Kontext gute Zustimmungswerte. Das Problem, das Sie beschreiben, gibt es in dieser Form nicht. Einige Schichten und einige Anhänger bestimmter Parteien sehen es so, aber es ist ein Minderheitenthema.

                Gute Führung zeichnet sich durch einen hohen Grad an Konstanz aus. Das Vertrauen in soziale Sicherungssysteme beruht auf Konstanz und Zuverlässigkeit. Die Bürger in Westeuropa wählen mehrheitlich keine Parteien, die völlige Veränderung versprechen. Daran scheiterten schon viele, in Deutschland die CDU mit ihrem Bierdeckelsystem und Paul Kirchhof, die FDP, noch früher die Nationalkonservativen.

                Die Sozialdemokraten hoben nicht die Westbindung und die Wehrpflicht auf, die Unionisten hielten an der Entspannungspolitik von Brandt und Schmidt fest, die SPD dafür an der Gemeinschaftswährung Euro und dem lange erarbeiteten Steuerreformkonzept.

                • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 17:24

                  Stimmt.

                • Logos 29. Juni 2017, 19:56

                  Die meisten Bürger fühlen sich zumindest in Deutschland gut regiert.
                  Woher haben sie das? Aus den Fingern gesogen? Quellen? Belege?
                  Allein die Tatsache der Parteiverdrossenheit, die sich in entsprechendrm Wahlabstinenz niederschlägt, steht ihrer mehr als zweifelhaften Behauptung entgegen. Werden dann noch die Wähler der Linkspartei oder der Protestanteil der AfD miteinbezogen, so ist ihre krude These de facto widerlegt.
                  Und noch etwas zum „fühlen gut regiert“: Man kann sich auch gesund fühlen und dennoch so sterbenskrank sein, dass man nur wenig später das Zeitliche segnet.
                  Diese Gefühle sind in Bezug auf faktischen Zustände irrelevant.
                  Mit anderen Worten: Kombination von Pseudoargumentation mit glatter Falschbehauptung.

                  Das Spitzenpersonal genießt darüber hinaus sowohl im Vergleich zur Opposition als auch im internationalen Kontext gute Zustimmungswerte.
                  Bei wem? Wie wird „gut“ definiert? Belege? Das ist doch nur substanzloses Wischi-Waschi, welches in der Sache kein Stück weiter bringt. Das sog. „Spitzenpersonal“ sind imo samt und sonders Hochverräter, die hinter Gitter gehören.

                  Das Problem, das Sie beschreiben, gibt es in dieser Form nicht.
                  Leere Behauptung. Substanzlos. Falsch.
                  Einige Schichten und einige Anhänger bestimmter Parteien sehen es so, aber es ist ein Minderheitenthema.
                  S.o. & gerade ins Knie geschossen.

                  Gute Führung zeichnet sich durch einen hohen Grad an Konstanz aus.
                  Das ist so plump und platt schlicht weg falsch. Gut ist nicht Konstanz. Zu kurz gesprungen. Viel zu kurz. Wäre die Linke an der Regierung und würde kompromisslos aber mit einen hohen Maß an Konstanz von reich nach arm umverteilen, dann wären sie der Letzte, der das als „gute Führung“ auszeichnen würde.

                  Das Vertrauen in soziale Sicherungssysteme beruht auf Konstanz und Zuverlässigkeit.
                  Wie weit ist es denn mit diesem [angeblichen] „Vertrauen“ in soziale Sicherungssysteme bei Verhältnissen wie diesen
                  http://www.kritisches-netzwerk.de/forum/bussgeldverfahren-gegen-hartz-iv-bezieher bestellt?

                • Malte 30. Juni 2017, 09:40

                  @S.P.

                  Also, nach Ihrer Vorstellung sind Demokratie und Wirtschaftssystem in Deutschland im Großen und Ganzen völlig intakt. Für Großbritanien und die Vereinigten Staaten gilt wahrscheinlich ähnliches. Dann ist es natürlich absolut folgerichtig, dass es bei auffälligen Wahlergebnissen hauptsächlich die betreffenden Wählergruppen sind, die etwas falsch gemacht haben können. Oder Verantwortung dafür tragen, wie auch immer man das jetzt bezeichnen will. Ist insoweit alles folgerichtig und entspricht genau der Herangehensweise des von Jon beschriebenen liberal-idealistischen Individualismus.

                  Ich sehe das völlig anders. Aber immerhin kann ich Ihren Standpunkt jetzt einordnen.

                  • Stefan Pietsch 30. Juni 2017, 10:07

                    Das demokratische System in Deutschland erweist sich als außerordentlich stabil. Auf Krisen der letzten Jahre wurde schnell reagiert, extreme Gruppierungen haben selbst in wirtschaftlich schlechten Zeiten keine Chancen auf Regierungsbeteiligungen, Personen, die Regierungsämter anstreben, müssen sich zuvor bewährt haben.

                    3 von 4 Deutschen bezeichnen ihre eigene wirtschaftliche Lage als gut oder sehr gut. Damit erfüllt das Wirtschaftssystem, was es soll. Bessere Werte lassen sich kaum erzielen. Es steht mir nicht zu, den Leuten anderes einzureden.

                    Ich bin zwar der Ansicht, dass Deutschland auf die Veränderungen der nächsten Jahre und Jahrzehnte noch nicht gut vorbereitet ist, aber das war nicht Ihre Frage und Ihr Ansatz.

                    Andere Länder haben andere Probleme und müssen andere Lösungen suchen. Als Bürger dieses Landes habe ich ein legitimes Recht, mich an politischen Debatten zu beteiligen. Dieses Recht lässt sich aber kaum auf andere Staaten ausrollen.

                    Die Mehrheit der Briten hat für den BREXIT gestimmt und steht weiterhin hinter dieser Entscheidung. Man wird sehen, ob dies im historischen Rückblick richtig ist. Ich bezweifle das sehr stark, aber ich bin kein Engländer. Nur ist es nicht angemessen, „dunkle Mächte“ für daraus resultierende negative Entwicklungen wie Jobabbau, Zölle oder Verteuerung von Importen verantwortlich zu machen. Das sind schon die Wähler selber.

                    • Malte 30. Juni 2017, 12:05

                      Warum eigentlich? Niemand hat für Jobabbau gestimmt. Niemand weiß ob es in Folge des Brexits dazu kommt. Und wenn, weiß niemand ob es nicht auch anders gegangen wäre. Es ist ja noch nichtmal sicher wie der Brexit überhaupt gestaltet wird. Warum ist es demokratisch über eine einzelne abstrakt gestellte Frage abstimmen zu lassen, deren Konsequenzen überhaupt nicht klar sind?

                      Die Wahl war ein machtpolitisches Manöver, dass nach hinten losgegangen ist. Wähler haben nicht viel zu entscheiden. Alleine deshalb erübrigt sich schon die Schuldfrage.

                    • Stefan Pietsch 30. Juni 2017, 14:57

                      Wenn Finanzinstitute und internationale Konzerne Jobs abziehen und diese nicht durch den Aufbau in Start-ups und den Sektoren der Wirtschaft ausgeglichen werden können, ist die Antwort klar.

                      Da es seit Jahrzehnten nicht gelungen ist, eine autonome Wirtschaft in nur einem entwickelten Land aufzubauen, wäre die Verantwortung ebenso eindeutig zuzuweisen.

                    • Logos 9. Juli 2017, 17:00

                      3 von 4 Deutschen bezeichnen ihre eigene wirtschaftliche Lage als gut oder sehr gut
                      Bitte liefern sie dafür mal einen Beleg. Danke.

      • Erwin Gabriel 3. Juli 2017, 04:01

        „Meine Kritik richtet sich an die, die sich auf die Vernünftigen verlassen um ihren Stuss aufzufangen, nur damit sie ihrem Bauchgefühl nachgehen können. Ich möchte, dass Wählen auch als Verantwortung begriffen wird.“

        Ich habe in der Tat vor einigen Jahr(zehnt)en „grün“ gewählt in der Hoffnung, dass die nicht an die Regierung kommen. Ich empfand das Thema „Umwelt“ als sehr wichtig und wollte, etwa gegen AKW, meine Stimme abgeben. Aber mit den damaligen tonangebenden Kommunisten und Randalierern (von Ditfurth, Trittin, Trampert, Fischer u.v.m.) konnte ich so gar nichts anfangen.

        Was mache ich in solch einer Situation? Köpfe wählen, zu denen ich (ob begründet oder nicht) Vertrauen habe, die aber mir wichtige Themen nicht oder aus meiner Sicht falsch behandeln? Oder wähle ich die Leute, die mir wichtige Themen in die „richtige“ Richtung treiben wollen, aber denen ich nicht vertraue (auch in der Hoffnung, dass die etablierten Parteien den Schuss hören)?

        Wo liegt meine Verantwortung?

    • Logos 1. Juli 2017, 10:26

      In Großbritannien ist weiterhin eine Mehrheit für den BREXIT, einem weichen zwar, aber einem BREXIT. Gleichzeitig befürwortet man eine strikte Zuzugsbegrenzung. Beides zusammen geht nicht.
      Warum angeblich? Wo soll da der behauptete Widerspruch liegen? Solange GB in der EU bleibt, also den Brexit ablehnt, solange ist eine strikte Zuzugsbegrenzung unmöglich. Erst der Brexit ermöglicht diese. Also das glatte Gegenteil von Pietschs Fakteninversion.

      So lange die Vernunftsbegabten überwiegen, ist die Demokratie nicht in Gefahr.
      1) Vernunft allein reicht bei weitem nicht, wenn es an Wissen und Moral fehlt
      2) Es gibt sehr gute Sachargumente, die dafür sprechen, dass wir in einer Scheindemokratie leben. Mit anderen Worten: die Demokratie ist schon lange gestorben – aber öffentlich wird alles versucht, um den Schein zu wahren.
      3) Corporatocracy, Herr Pietsch! Schon mal gehört? Nein?!

      Jetzt zahlen diese Leute halt die Zeche und zwar ein Leben lang.
      Auch das ist alles andere als ausgemacht, auch wenn Pietsch sich wieder einmal nicht zu schade ist, seine zutiefst subjektive und befangene Sichtweise durch Formulierung per Tatsachenfeststellung als Fakt zu verbrämen. Herr Pietsch mag von Hybris vereinnahmt sein, in die Zukunft sehen kann er dennoch nicht. Erst die Zukunft wird erweisen, wer richtig gehandelt hat. Wenn unsere neoliberal durchseuchte [deutsche] Politik weiter macht wie bisher ist jedoch eines sicher: die Krisen werden größer, noch mehr Länder werden in den Staatsbankrott getrieben und der deutsche Steuerzahler muss noch mehr für deren Schulden aufkommen. Sich diesem absehbaren Wahnsinn und stur fortgesetzten Weg in den Abgrund zu entziehen, ist eine sinnvolle Handlung. GB ist ja schon in weiser Voraussicht nicht in den Euro eingestiegen, weil kluge Männer, die jedoch alle vom Mainstream ignoriert wurden, schon damals zu dem Ergebnis gekommen sind, dass der Euro auf Dauer keinen Bestand haben kann. Die verlachten Warner sollten Recht behalten. Heute werden wieder Skeptiker diffamiert (Wutwähler oder einfach dumm).

      Andere wurden durch die offensichtliche falsche Entscheidung der Briten abgeschreckt
      Da ist de facto, jenseits einer heuchlerischen und wahrheitsfernen Propaganda, gar nichts „offensichtlich falsch“: s.o.

      • Erwin Gabriel 3. Juli 2017, 04:06

        @ Logos:

        Ihr Ton macht es mir schwer, Ihren Argumenten zu lauschen. Ich empfinde das als sehr anstrengend.

        Es grüßt
        E.G.

  • Jon 29. Juni 2017, 10:48

    Ich habe den Eindruck, dass hier zwei verschiedene Aspekte vermischt werden. (1) Einerseits die Frage von Verantwortung und Schuld(zuweisung). (2) Andererseits die politische Kausalanalyse (also: was sind die Ursachen dafür, dass Teile der Gesellschaft wählen, nicht wählen, ihre politische Zugehörigkeit wechseln etc). Dabei scheint es mir aber pragmatisch/realistisch, das getrennt zu denken.
    Der Grund für diese Vermischung scheint mir im liberal-idealistischen Individualismus zu bestehen. Demzufolge wird davon ausgegangen, dass „der Wähler“ ein atomisierter Einzelner ist, der sich irgendwie seine Meinung bildet und dann eine bewusste Wahlentscheidung trifft (= volle Zustimmung zu einem bestimmten Programm). Wenn die Entscheidung „schlecht“ ist, hat er eben „schlecht“ entschieden. Er ist dann wahlweise dumm oder böse oder beides, je nachdem ob es eher um Gesundheitsversorgung oder Xenophobie geht. Aber ich denke, dass das eine verkehrte Vorstellung davon ist, wie politische „Willensbildung“ funktioniert. In Wirklichkeit sind „die Menschen“ viel passiver.
    Was die politische Soziologie gezeigt hat, ist, dass Menschen keine sozialen Atome sind. Sie denken eben nicht für sich allein nach und treffen dann Entscheidungen. Sondern sie sind in irgendeiner Form Gruppenwesen, ob sie das wissen oder nicht und ob ihnen diese Gruppierungen bewusst sind oder nicht. Und diese Gruppen mobilisieren sich nicht selbst, sondern sie werden mobilisiert. D.h. es gibt irgendeine „Eliten“ (funktional, nicht wertend gemeint), die Ideen verbreitet und Gruppen mobilisiert. Beispiele dafür sind Nationalbewegungen aber auch die internationalistische Arbeiterbewegung, der Abolitionismus genau so wie der weiße Nativismus. Nichts davon ist spontan „passiert“ und basiert einfach auf guten/schlechten Ideen, die Leute halt irgendwie plötzlich hatten. Menschen „an sich“ haben immer viele diffuse und widersprüchliche Gefühle, die so gut wie nie ein kohärentes Weltbild ergeben. Ein Weltbild muss erst mal artikuliert, fixiert, vereinheitlicht, politisch nutzbar gemacht werden. Insofern lassen sich Menschen auch unterschiedlich ansprechen, denn sie sind ja immer Teil von verschiedenen Gruppen (Klasse, Ethnizität, whatever). Das muss halt jemand machen. Politische Mobilisierung, Organisationsarbeit.
    Was daraus folgt ist: In Wahlen und politischen Diskursen gibt es nicht „den/die Wähler“. Es gibt eher zwei Gruppen, „Mobilisatoren“ und Mobilisierte. Aristoteles schreibt in der „Politik“ sinngemäß, dass selbst radikale Demokratie wie ein Theaterschauspiel ist. Auf der Bühne spielen die Redner (Etablierte und Demagogen) ihre Rollen und werben um die Sympathien des Publikums. Dieses schließt sich dann seinen Lieblingsfiguren an und macht sich deren Ansichten zu eigen. Die Frage ist, was beim Publikum ankommt und wie man es bei seinen emotionalen Dispositionen „packen“ kann – das kann konkret ganz unterschiedlich aussehen. So geht Politisierung. Das ist eine zeitlose Einsicht. Der „mündige Bürger“ hingegen bleibt historisch-empirisch blass und ist eher eine Abstraktion des Liberalismus, die nur für einen Teil bestimmter Gesellschaften in bestimmten Epochen Lebenswirklichkeit haben konnte (und selbst da oft Selbsttäuschung war – selbst die „postmateriellen“ liberalen Grünen lassen sich soziologisch klar verorten).
    Man kann das so anerkennen und nach Niederlagen Kausalanalyse machen und überlegen, wie man seine Strategie anpassen könnte. Das passiert gerade teilweise. Oder man kann das als „Infantilisierung“ und „Scheiße“ abtun, am liberalen Individualismus festhalten und darauf warten, dass sich die Welt der eigenen Ideologie anpasst. Wenn man sich eher auf der moralischen Ebene bewegt, ist das vielleicht folgerichtig. Insofern ist das kein innerer Widerspruch.
    Aber politisch-pragmatisch ist es halt nicht unbedingt. Die Botschaft „weiter so“ wird immer nur für die Gewinner des status quo funktionieren. Und mit Schuldzuweisungen, oben in negativer (alles (!) südstaatenflaggenschwingenden Rassisten) oder in positiver Sprache verpackt („zur Verantwortung ziehen“ etc) werden wenige Leute überzeugen können. Wenn das angesichts einer Katastrophe wie Trump nicht funktioniert hat, wird das auch in Zukunft nichts. Das ist eben Moral und nicht Politik. Warum sollte sich davon jemand umstimmen lassen? Wer hat was davon? Wer überhaupt soll sich davon angesprochen fühlen? Es ist kein Zufall, dass der obige Text am Ende so vage ist („der Wähler“, „die Politik“, „wir“). Das ist sicher alles normativ richtig, aber politisch-praktisch folgt daraus nichts.
    PS. Not/Wut „ernst nehmen“ kann ja vieles heißen. Hier wird das so interpretiert, als könne damit nur gemeint sein, Trump/LePen-Wählern in ihrer Xenophobie entgegen zu kommen. Das stünde dann in direktem Gegensatz zu der moralischen Frage. Aber das ist ja gar nicht die einzige Möglichkeit. Weiße proletarisierte Kleinbürger sind ja nicht nur Angehörige der Gruppe „Weiße“, sondern auch „proletarisierte Kleinbürger“. Warum sie nicht damit ansprechen, was soll daran verkehrt sein? Ist es nicht genau so, wie man Koalitionen baut? Das scheint mir jedenfalls pragmatischer, als den Leuten mit abstrakter Staatsbürgerkunde zu kommen.

    • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 11:08

      Sorry, aber du liest in meine Argumentation was rein was da nicht drin ist. Was du beschreibst ist völlig richtig – gerade daher plädiere ich ja dafür, die Leute weder als eine amorphe Masse, quasi ein sakraler Ausdruck der gesammelten Volkssouveränität, zu sehen, und natürlich auch nicht als kleine homo oeconomicusse, die bewusste Entscheidungen auf policy-Basis treffen. Beides hab ich hier im Blog schon oft genug angegriffen. Mir geht es darum, ein pauschales Freisprechen ALLER Wähler von ihren Entscheidungen, nur weil sie Wähler sind, abzulehnen.

      • Jon 29. Juni 2017, 11:18

        Ok wenn das nicht passt, ziehe ich meine Kritik zurück. Mir kam das Argument hier (wie auch bei dem verlinkten vorherigen Text) einseitiger vor, als du das jetzt darstellst.

      • Malte 29. Juni 2017, 11:19

        Ich bin nicht Jon, aber ich antworte trotzdem mal an dieser Stelle, weil ich ebenfalls diese Moralproblematik sehe. Du sprichst vom „Freisprechen der Wähler für ihre Entscheidungen“. Das verstehe ich als moralische Wertung, in dem Sinne dass z.B. die Wahl von Trump eine ethisch verwerfliche Handlung ist, wofür diese Leute Verantwortung zu tragen haben. Das hat entweder Jon in Deinen Text hereingelesen, dann geht es mir genauso. Oder es steht tatsächlich drin, bzw wird leicht so verstanden.

        • Stefan Pietsch 29. Juni 2017, 11:41

          Gefällt „Verantwortungsethik“ besser? Erwachsene sind verantwortlich für das, was sie tun. Wenn junge Briten sagen, sie seien nicht wählen gegangen, weil die Leave-Kampagne ohnehin nicht gewinnen konnte, dann ist das trotzdem Verantwortung. Hinterher trotzig wie ein Kind zu verlangen, dann sollte halt nochmal gewählt werden, ist wie Stefan durchaus richtig schrieb, infantil. Wenn Wähler sagen, sie hätten für Leave gestimmt, weil sie einfach ihrem Protest Ausdruck verleihen wollten, nicht weil UK wirklich aus der EU soll, dann gilt das Gleiche.

          Ich kann mir nirgends im Leben wie auf einer Menü-Karte die angenehmen Punkte rauspicken und sagen, mit dem Negativen haben ich nichts zu tun. Das ist, ich muss es so hart sagen, kindisch.

          • CitizenK 1. Juli 2017, 08:56

            „Das ist, ich muss es so hart sagen, kindisch.“

            Warum? Fehler kann man korrigieren. Die haben das nicht bedacht, jedenfalls nicht durchdacht. Eine neue Abstimmung mit dem neuen Wissen um die Konsequenzen wäre jedenfalls besser als das Augen-zu-und-durch. Für mich ist eher das kindisch.

            Es müssen ja nicht nur die Befürworter mit den Folgen leben, sondern auch die anderen. Und das ist in allen angesprochenen Ländern fast die Hälfte.

            • Stefan Pietsch 1. Juli 2017, 20:45

              Welchen Fehler? Mindestens die Hälfte der Briten steht weiterhin hinter der Entscheidung. Und was ist das für ein Demokratieverständnis? Alle Argumente lagen vor einem Jahr auf dem Tisch. Und wenn viele Engländer sich von einem Polit-Clown mit unmöglicher Frisur unbedingt veralbern lassen will, obwohl die Erkenntnis nur einen Google-Begriff entfernt liegt – denen kann man nicht helfen.

              Wähler sind keine Kinder, sonst müssen wir sie entmündigen. Wer eine Entscheidung trifft, tut dies in Kenntnis der ihm bekannten Informationen und unter Abwägung der Vor- und Nachteile. Es hilft nicht weiter, von dieser Fiktion abzuweichen, denn das bedeutet die Abschaffung der Demokratie.

              Darüber hinaus entwertet es jene, die ernst und wahrhaftig ihr Mandat wahrgenommen haben. Wir können nicht so lange wählen lassen, bis wir meinen, das Ergebnis sei vernünftig. Wer soll darüber befinden? Bei der Unterhauswahl im Juni hatte das Insel-Volk Gelegenheit, die eigene Entscheidung zu korrigieren. Sie taten das nur in Nuancen. Die einzige Partei, die sich klar zum EU-Verbleib bekennt, die Liberal-Demokraten, konnten nicht nennenswert gewinnen, obwohl der Economist zu ihrer Wahl aufgerufen hatte.

        • Malte 29. Juni 2017, 11:54

          Kann sein. Wie gesagt, ich weiß nicht ob dass wirklich eine nennenswerte Zahl von Wählern bzw. Nichtwählern betrifft. Aber es genau die Art von moralischer Wertung die Jon sehr schön beschrieben hat. Darfst Du auch gerne Verantwortungsethik nennen.

          Da sind also einige Wahlberechtigte ihrer Verantwortung nicht nachgekommen, wofür auch immer. Was folgt denn daraus? Müssen sie bestraft werden? Oder belehrt? Und rettet das dann die Demokratie? Verhindert das den nächsten Brexit oder den nächsten Trump?

          • Stefan Pietsch 29. Juni 2017, 11:58

            Wie ich schrieb: die Verantwortung für ihre Entscheidung annehmen und tragen. Die jungen Briten, die für Remain waren und nicht wählen gegangen sind oder aus Trotz für Leave stimmten, sollen sich nicht über das Ergebnis beklagen.

            • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 12:02

              Exakt. Ich hasse diese Argumente die dann immer kommen, ob von Democrats bei Trump oder Remainern in UK: „Oh, die Leute wissen es nicht besser.“ „Oh, die andere Seite hat die plakativeren Sprüche gehabt.“ „Oh, die sind durch ihre wirtschaftlichen Umstände verzweifelt.“ Ist ja alles richtig, aber es entschuldigt halt nicht. Es erklärt nur.

        • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 12:00

          Das ist eine andere Diskussion. Ich sehe eine Wahl für Trump tatsächlich als verwerflich an, aus dem schlichten Grund, dass der Mann völlig inkompetent ist. Eine solche Gestalt in eine Position zu wählen, die leicht den Dritten Weltkrieg auslösen kann, ist völlig unverantwortlich. Für die aktuelle Politik der USA hättest du auch Rubio, Kasich, Bush oder Cruz wählen können. Ich hätte deren jeweilige Politik auch furchtbar gefunden, aber wenigstens wären sie grundsätzlich fähig, den Job zu machen.

          Gleiches gilt für Leute, die unter völlig falschen Prämissen für den Brexit stimmten (das betrifft dezidiert nicht Leute, die wussten was sie tun). Damit meine ich die, die glaubten, danach gäbe es tonnenweise Geld für den NHS, oder die der Überzeugung waren, es gäbe eine Brexit à la Carte, wo sämtliche Vorteile behalten werden und nur die Nachteile wegfallen. Jeder der sich ein bisschen informiert konnte sehen dass das Quatsch war. Aber das haben die Leute nicht gemacht. Und sie dafür komplett freizusprechen finde ich falsch. Sie dürfen das natürlich so machen, das ist ihr Grundrecht in der Demokratie, aber nirgendwo in irgendeiner demokratischen Verfassung steht geschrieben, dass man sie dafür dann nicht harsch kritisieren darf. Und dieser letzte Teil wird mir gerade zu sehr abgesprochen.

          Worum es mir in meiner obigen Replik ging ist den Eindruck zurückzuweisen, ich würde Wähler als pur rational handelnde Wesen sehen, denn das tue ich nicht. Die beschriebenen Mechanismen behalten Gültigkeit.

          • Malte 29. Juni 2017, 12:37

            Du darfst gerne Wählerbeschimpfungen betreiben. Ich sehe auch wenig Sinn darin irgendwas zu entschuldigen, schon gar nicht die Wahl von Trump. Aber was bringt es Dir Wählern die Schuld für irgendwas zuzuschieben? Ich finde Jon hat sehr gut argumentiert warum diese moralische Herangehensweise wenig zielführend ist.

            • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 13:30

              Erneut: ich will ihnen nicht die Schuld zuschieben, sondern den Mythos weghaben, sie wären völlig schuldlos. Das ist alles.

              • Jon 29. Juni 2017, 13:55

                Hm, nach Durchsicht der Kommentare muss ich doch an einem Punkt meiner Kritik festhalten (so wie von Malte reformuliert). Du (@ Stefan Sasse) sagst zwar, dass du Moral und Erklärung nicht einseitig gegeneinander ausspielen willst. Trotzdem ziehst du wiederholt Teilerklärungen heran (schlechte PR, wirtschaftliche Verzweiflung etc), interpretierst sie als moralische Entlastungsargumente und weist sie dann empört zurück.

                Ich denke, dass diese Herangehensweise im besten Fall wirkungslos ist (siehe mein Argument zum liberalen Staatsbürgerdenken – es gibt keine „Geisteshaltung“ jenseits organisierter Interessen) und im schlimmsten Fall die Suche nach Erklärungen verhindert. Mir ist immer noch nicht klar, was du dir davon versprichst.

                Außerdem habe ich den Eindruck, dass deine Position sehr viel weniger marginalisiert ist, als es dir vielleicht vorkommt, und eigentlich keiner so grundsätzlichen Verteidigung bedarf. Mir kommt es eher so vor, als sei das pragmatisch-politische Denken die Minderheitenposition (in meiner US-liberalen Uni-Facebook bubble dominieren eindeutig die selbstgerechten memes, da wird wenig darüber gesprochen was man anders machen könnte). Aber wie wir das sehen und unsere Prioritäten setzen wollen, ist wohl sehr subjektiv – daher müssen wir an dem Punkt nicht unbedingt weiter diskutieren.

  • Kning 29. Juni 2017, 11:31

    Ich würde es verkürzen auf:
    Die Gesellschaft hat die Demokratie, die sie verdient. Und ich stimme dir voll zu: Schuld ist der (Nicht)Wähler

    Das Hauptproblem aus meiner Sicht, sind nicht diejenigen, die sich von irgendwelchen Populisten anstecken lassen und aus Protest irgendeine Kaspar-Partei oder -kandidaten wählen. Nein, die weitaus größere Gefahr geht von denjenigen aus, die sich komplett verabschiedet haben und nicht wählen gehen.
    Obgleich wir medial heute Menschen viel besser erreichen können, ist die Wahlbeteiligung in Deutschland auf einem historischen Tief: 71,5 % der Wahlberechtigten gingen 2013 zur Wahlurne. Bis 2005 waren Beteiligungen jenseits der 80 % die Regel.

    Der Brexit war, wie Du richtig schreibst, wahrscheinlich die wichtigste Wahl in Großbritannien seit dem zweiten Weltkrieg. Dennoch gingen gerade mal etwas mehr als 70 % zur Wahl. In einer solch fundamentalen Frage, müssten es doch eigentlich viel Mehr Leute sein, aber beinahe jedem Dritten war es dann doch egal. Ich frage mich, wie kann das sein?

    Ich habe adhoc keine statistische Erhebung, aber es ist ein Irrglaube, dass nur die Abgehängten und Unterpriviligierten nicht an Wahlen teilnehmen. Wahlverweigerung und Politikerverachtung ist ein Problem aller Schichten und in meinen Augen viel zu wenig thematisiert – ganz im Gegenteil: Man könnte sogar meinen, manch einem in der politischen Klasse ist das eigentlich das recht, sichert das doch den eigenen Machterhalt.

    • Stefan Pietsch 29. Juni 2017, 11:52

      Bei den letzten 7 Wahlen wurde die Wahlbeteiligung durch die AfD deutlich nach oben gezogen. Davon profitierten auch und gerade die großen Parteien. Ist Wahlbeteiligung nur genehm, wenn die „Richtigen“ gewinnen?

    • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 12:05

      Decisions are made by those who show up.

      Ich finde die Wahlbeteiligungs-Diskussion fehlgeleitet. Wenn Leute kein Interesse haben und völlig uninformiert sind, sollen sie halt daheim bleiben. Es gibt keine Pflicht am demokratischen Prozess teilzunehmen, nur ein Recht, und mir es ist lieber die halten sich dann raus statt in der Wahlkabine eine Bauchentscheidung zu treffen. Wie Stefan Pietsch so richtig sagt: du kannst dich halt dann danach nicht beschweren. Sind zwei Seiten einer Medaille. Und die von mir beklage Infantilisierung des Wählers sorgt halt dafür, dass eine solche uninformiert-spontane Wahl zur Krönung des demokratischen Moments hochgejubelt wird, statt als das gesehen zu werden, was es ist: demokratische Faulheit.

  • Jens 29. Juni 2017, 15:10

    Ja klar schuld ist der Wähler. So what?

    Ob der Brexit wirklich so schlecht für die UK ist muss sich noch zeigen. Ob Macron besser für die Arbeitslosen ist als LePen muss sich auch noch zeigen.

    Auch der Wähler hat das Recht auf eine falsche Entscheidung, zumal er meist nur zwischen zwei Übeln wählen kann.

    Was mich am Text stört ist, dass er suggeriert es gäbe ein objektiv richtig und falsch. Das gibt es genau nicht.

    Das die Radikalen Zulauf kriegen wundert mich nicht. Ich prophezeie, dass wird noch schlimmer. Die Euro Krise ist in keiner Weise gelöst. Es gibt immer größere Assetblasen etc. Die Handelsungleichgleichgewichte und die damit verbunden Auslandsschulden sind gigantisch. Die nächste Krise wird den Rechten noch mehr Wähler bescheren und man kann es ihnen nicht verdenken. Wenn die angeblich „guten“ Politiker den Karren immer weiter in den Dreck fahren, erscheint irgendwann jeder andere besser geeignet als die bisherigen Karrenführer.

    Wir haben ein Versagen der Eliten in Europa und den USA, deswegen ist es nur logisch, dass der Wähler diese irgendwann komplett abwählt. In den USA ist das bereits passiert. Was nach Trump kommt kann besser sein, muss es aber nicht. Ich glaube nicht, dass wir schon das untere Ende erlebt haben.

    Gruß Jens

    • Rauschi 29. Juni 2017, 16:30

      Was mich am Text stört ist, dass er suggeriert es gäbe ein objektiv richtig und falsch. Das gibt es genau nicht.

      Volle Zustimmung, es gibt auch die eine Wahrnehmung nicht, die richtig ist. Immer daran denken: alles Sehen ist perspektivisch.
      Es gibt schwarz und weiss und mindestens 255 Graustufen.

      Gruss Rauschi

    • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 17:28

      Ich wiederhole es gerne noch mal: der Wähler kann sich entscheiden wie er will. Er kann den dümmsten Mist wählen. Dass das sein Recht ist, zweifelt glaube ich niemand an. Wofür ich plädiere ist, eine schlechte Entscheidung eine schlechte Entscheidung nennen zu dürfen, ohne dass da gleich einer die Sauce des Wählerwillens drüber gießt.

      • Erwin Gabriel 29. Juni 2017, 18:11

        >> GENAU DAS IST DER PUNKT MEINES ARTIKELS. Nein, einfach nein! Die Haupttschuld dass Trump regiert tragen seine Wähler, Punkt aus Ende. Das ist genau das was ich mit Infantilisierung meine.

        Das ist mal wieder der Herr Sasse.

        Wenn Sie sagen, dass die Wähler, die Trump gewählt haben, Schuld sind, urteilen Sie als Trump-Nicht- bzw. Clinton-Wähler (ja ich weiß, Sie haben nicht, hätten aber, wenn Sie gekonnt hätten …)

        Die Trump-Wähler wiederum denken wohl weitgehend, dass sie alles richtig gemacht haben; wurde ja schon ausgeführt, dass seit Trumps Regierungsantritt auch in Nachwahlen der eine oder andere Republikaner gewonnen hat.

        Wer „Recht“ und wer „Schuld“ auf sich geladen hat, entscheidet die Blase, in der man schwebt.

        • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 19:53

          So langsam nervt es. Klar sehen Trump-Wähler ihre Wahl als richtig an. Sei ihnen unbenommen. Aber ich kann nicht auf der einen Seite sagen, dass die Wahl ein desaströser Fehler war, und auf der anderen Seite, dass die Wähler daran keinen Verantwortungs-Anteil haben. Das ist Bullshit.

          • Logos 29. Juni 2017, 20:08

            So langsam nervt es. Klar sehen Trump-Ablehner dessen Wahl als falsch an. Sei ihnen unbenommen. Aber in diesem Fall gab es kein „richtig“: http://www.deliberationdaily.de/2017/06/schuld-sind-immer-die-anderen/#comment-54758

            Aber ich kann nicht auf der einen Seite sagen, dass die Wahl ein desaströser Fehler war, und auf der anderen Seite, dass die Wähler daran keinen Verantwortungs-Anteil haben.
            Wer genau macht das? Ich stelle ganz konkret aber Folgendes fest: Ich gebe den Wählern eine MITSchuld – also einen Verantwortungs-ANTEIL. DENNOCH widersprechen sie mir mit totaler Absolutheit und geben die Hauptschuld – trotz meiner besseren und unwiderlegten Sachargumente, den Wählern. Stringenz ist was anders.

          • Erwin Gabriel 29. Juni 2017, 21:53

            „So langsam nervt es.

            Was genau?

            „Klar sehen Trump-Wähler ihre Wahl als richtig an. Sei ihnen unbenommen. Aber ich kann nicht auf der einen Seite sagen, dass die Wahl ein desaströser Fehler war, und auf der anderen Seite, dass die Wähler daran keinen Verantwortungs-Anteil haben. Das ist Bullshit.

            Da stimme ich zu. Ist ja auch eine Bestätigung meiner These:
            Wenn SIE der Meinung sind, dass die Wahl Trumps ein Desaster ist, können SIE selbstverständlich die Wähler dafür verantwortlich machen. Natürlich hängt beides zusammen, und der verbindende Begriff ist „SIE“.

            QED

            es grüßt
            E.G.

      • Jens 30. Juni 2017, 06:40

        Da stimme ich voll zu.

        Und ich denke, besser hoffe, dass es auch beim Wähler Lerneffekte gibt. Wenn man sich zum Beispiel Günter Grass und einige seiner Generation anschaut. Die waren in der Jugend teils begeistert vom Faschismus und später ihre schärfsten Gegner.

        Ich denke auch in den USA dürfte es so manchem dämmern, dass Trump keine so tolle Entscheidung war.

        Es ist wohl leider so, dass diese Lerneffekte nie generationenübergreifend funktionieren. In sofern gebe ich das Sting recht.

        „History teaches us nothing!“

        und wenn ich schon bei Popsongs gelandet bin.

        „Every Generation got it’s own disease“ (Fury in the Slaughterhouse)

        Demokratie ist nie fertig. Sie muss sich stets neu beweisen, sie lebt nur von den Bürgern durch die Bürger. Durch Gewaltenteilung und eine Verfassung ist ein Gitter in das Fundament der Demokratie gezogen, aber wenn der Beton darum wegbröselt hilft das irgendwann auch nicht mehr. In Polen und Ungarn bröselt es schon ganz gewaltig. In der Türkei haben die Bürger gerade, das ganze Fundament weggesprengt.

        Wenn ich dann sehe, dass die Groko eine große Grundgesetzänderung an einem Tag durchs Parlament peitscht und am nächsten Tag durch den Bundesrat und eine Woche später der Staatstrojaner fürs Handy als Anhang an eine anderes Gesetz durchmogelt, grummelt es bei mir.

        Wenn Politik sich nicht mehr erklärt, durch z.B. Diskussion im Parlament und den Medien, wenn jede Entscheidung von Relevanz plötzlich alternativlos ist und unsere Medien lieber über Merkels Garderobe als ihre Politik berichten, mache ich mir Sorgen auch für Deutschland.

        Beim Brexit haben wir erlebt, was passiert wenn die Bürger plötzlich ihren Politikern glauben, die jahrzehntelang alle Schuld der EU gegeben haben.

        Wenn unsere Bürger plötzlich auch glauben Politik ist alternativlos, kann man auch AFD oder NPD wählen, ist ja eh egal!

  • Logos 29. Juni 2017, 16:23

    Da war Hillary Clinton, die Wahlkampffehler begangen haben sollte.
    Wow, DAS ist doch mal ein Euphemismus! Wahlkampffehler? Als ob Clinton Missgeschicke unterlaufen wären und sie nicht mit voller Absicht und Vorsatz gehandelt hätte. Und dann auch noch im Konjunktiv.
    Hillary Clinton HAT auf perfideste Weise ihren Parteikollegen desavouiert. Ansonsten ist die Frau eine abstoßende, von Machtgier zerfressene Kriegstreiberin.
    Ebenso wurde Sanders von seiner eigenen Partei untergraben: es war völlig klar und auch den Demokraten bekannt, dass Sanders wesentlich bessere Chancen gegen Trump gehabt hätte, als Clinton.
    Aber Sanders war seiner eigenen Partei viel zu progressiv und zu sozial eingestellt. Dass geht im Mutterland der asozialsten Variante des Neoliberalismus, der chicagoer Schule (Milton Friedman), gar nicht.
    Nicht viel anders sieht es mit Corbyn in GB aus, der ebenfalls von seiner eigenen Partei unterminiert wird – aus ähnlichen oder gar gleichen Gründen.

    Die Hauptschuld für den Umstand, dass nun ein Trump regiert, tragen in der Tat die sog „Demokraten“ und Clinton.

    Als in Frankreich Marie Le Pen nur einen Fußbreit vom Elysse-Palast entfernt schien, wurde bejammert wie abgehoben die Parteien seien.
    … wo die etablierten Parteien (die Linke in Teilen ausgenommen) und fast alle Politiker (Ausnahmen i.d.R. in der Linken) doch abgehoben SIND! Darüber darf man doch nicht jammern!

    Fällt jemandem auf, wer in dieser Liste grundsätzlich niemals beschuldigt wird?
    Ja, nämlich das System. Damit meine ich nicht den Kapitalismus, sondern dieses verdammte, menschenverachtende und asoziale System des Neoliberalismus!
    Auch bei Herrn Sasse, der selbst fragt, wer niemals beschuldigt wird, kommt diese wichtigste aller Fragen nicht vor.
    Herr Sasse, haben sie sich nie gefragt, wie übel die Verhältnisse sein müssen, damit ein eigentlich Unwählbarer wie Trump gewinnen kann?
    Dass Massen an Wählern auf einmal rechts wählen hat doch einen Grund – das fällt doch nicht vom Himmel. Insbesondere, wenn der Rechtstrend der Gesellschaft in sehr vielen Ländern (Ungarn, Polen, Niederlande, Frankreich, Deutschland) erkennbar ist, muss man sich doch fragen, wenn man auch nur ein Minimum analytischen Verstandes zu recht für sich in Anspruch nehmen will, welchen Ursachen das geschuldet ist.
    Klar könnte man jetzt plump auf die Flüchtlinge verweisen. Aber abgesehen, dass ja auch das Ursachen hat – die fliehen aus ihrer Heimat ja nicht aus jux und Dollerei – käme das einer Bankrotterklärung gleich. Denn dass z.B rund die Hälfte der AfD-Wähler mit rechtsextremen/rassisitschen Gesinnungen nichts am Hut haben, sondern aus Protest wählen, sollte auch zum einfältigsten Systemling durchgedrungen sein.
    Wogegen protestieren diese Wähler denn? Wovon haben sehr viele Menschen einfach die Nase voll? Könnte das an einem von Gier zerfressenen Establishment liegen, welches nicht davor zurück schreckt, noch mehr Menschen in die Armut zu treiben, um den vielen eigenen Milliarden noch welche hinzufügen? Könnte es an einem politischen Handlangertum liegen, dass sich willfährig diesen Machtinteressen beugt? Könnte es an einer Ideologie liegen, welche Gesellschaften verarmt, damit sich immer weniger Hyperreiche noch mehr bereichern, welche unter den Namen Neoliberalismus, Marktradikalismus, Marktfundamentalismus oder Neoklassik bekannt sind? Könnte es an üblen Umständen liegen, an denen gerade auch die SPD mitgearbeitet oder gar verursacht hat?
    http://www.kritisches-netzwerk.de/forum/die-renaissance-der-klassengesellschaft-beduerfnis-nach-mehr-sozialer-sicherheit
    Herr Sasse, könnte es evtl auch daran liegen? Was meinen Sie?

    Und ja, es gibt sicher auch jede Menge uninformierte und/oder rassistische Wähler. Aber lässt sich damit dieser allgemeine Trend in vielen Ländern wirklich erklären? Greift das nicht zu kurz? Ist denn der Rassismus und die Uninformierheit vom Himmel gefallen? Oder war beides von seit Jahren oder gar einigen Legislaturperioden vorhanden? Woher dann aber diese neue Wählersituation, wenn Rassismus und die Uninformierheit schon vorher vorhanden waren?

    Ohne Zweifel kann man Wählern auch zu recht die Schuld geben, dass sie uninformiert sind. In diesem Kontext sollten dann aber auch in jedem Fall auch die Desinformation, fake news und Einseitigkeit der Mainstreammedien genannt werden, die vorgenannter Desinformiertheit Vorschub leistet bzw. diese geradezu zum Ziel hat, wenn man glaubwürdig sein will.
    Warum kommt das nicht vor, wenn sie schon auf der Suche nach Schuldigen sind und gerade die nennen wollen, die kaum genannt werden? Why?

    Ich kann diese Scheiße nicht mehr hören, dass alle möglichen Schuld sind – und wenns gar nicht anders geht auch diese blöden Wähler – nur die tieferliegenden Ursachen bleiben unerwähnt:
    Auf keinen Fall darf man ein verkommenes Establishment, einen durch und durch verantwortungslosen Politikbetrieb, welcher seinen Auftrag der Interessenvertretung der Gesellschaft mit Füßen tritt und schon auf gar keinen Fall die neoliberale Ideologie mitverantwortlich machen. Das sei ferne! Sowas würde einem betonharten SPD-Anhänger niemals in den Sinn kommen.

    Stets wird so getan, als ob Wähler für die Folgen ihrer Entscheidungen nicht verantwortlich seien.
    Stets? Nennen sie doch mal drei relevante Quellen, wo das so dargestellt wird.
    Ist es nicht allzu oft eine verantwortungslose Bande von Regierungspolitikern, die so tun, als ob sie für die Folgen ihrer Entscheidungen nicht verantwortlich seien? SPD und Union spielen sich doch beide als Retter vor der braunen Gefahr auf, obwohl sie selbst dieser den Weg bereitet haben – egal ob die Ursachen in den Folgen dieses verfluchten Neoliberalismus oder der Masse der Flüchtlinge zu finden sind.

    Findet sich die Einseitigkeit, die sie selbst kritisieren, sich nicht bei ihnen wieder, nur dass ihre Einseitigkeit um einen Faktor, den Wähler, verringert ist?

    Wählerschelte, so berechtigt sie z.T. auch sein mag (was meinen sie, wie sehr ich mich darüber ärgere, dass die Mehrheit der Wähler immer noch so dumm ist, ihre Stimmen an CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne und AfD zu verschwenden?!), hat den „enormen Vorteil“, dass sie so schön bequem ist. Echte Ursachenforschung, die diesen Namen auch verdient, ist dann nämlich obsolet: es ist ja der blöde, uninformierte und/oder ggf. rassistische Wähler Schuld!

    Wir müssen damit beginnen, den Wähler auch wieder zur Verantwortung zu ziehen
    Ein Ansatz, der mir sehr gefällt. Würde mir wünschen, dass jeder genau das auszubaden hat, was er gewählt hat. Lässt das System nur nicht zu. Daher die Frage: Wie? Muss die Gesamtheit nicht schon ausbaden, was eine fehlgeleitete „Mehrheit“ der Wähler verbockt hat?

    – und die Politik dazu zu zwingen, die andere Seite dieser Verantwortung zu stellen, indem sie Alternativen im demokratischen Rahmen benennt,
    Ein schöner Gedanke, gegen den in der Theorie überhaupt nichts einzuwenden ist. Wenn sie allerdings glauben, dies sei bei dem neoliberalen Abschaum (wer sich über den Begriff echauffiert: er ist dem Artikel entnommen!), der schon die Erwähnung alternativer Sichtweisen und Modelle mit dem Anspruch der Beachtung, als Häresie ansieht, eine realistische Möglichkeit, dann sind sie in diesem Punkt ein weltfremder Träumer. Wenn sie ihrem an sich berechtigten Ziel näher kommen wollen, müssen sie schon den Kampf gegen den neoliberalen Abschaum aufnehmen.

    Und Politiker müssen in diesem System dazu gebracht werden, ihre Entscheidung deutlicher und verständlich zu erklären, so dass es Verantwortliche gibt – für das Gute wie für das Schlechte.
    Politiker verantwortlich machen: gefällt mir sehr gut! Wie wäre es, wenn Politiker tatsächlich für grobe Fehler und Fehlentscheidungen zur Verantwortung gezogen werden können? Z.B. Durch
    – Diätenkürzung
    – Möglichkeit der vorzeitigen Abwahl durch ein Votum des Souveräns?
    – Ausschluss als Abgeordneter (und Verlust aller Privilegien) bei der Zustimmung zu 3 verfassungswidrigen Gesetzen?

    Der Gesundheit der Demokratie würde das nur guttun.
    Was die sog. „Demokratie“ anbetrifft, so halte ich es mit Rudi Dutschke und Prof. Rainer Mausfeld: die parlamentarische Demokratie ist eine Farce, welche als Scheindemokratie gegenüber der Gesellschaft den täuschenden Eindruck vermitteln soll, sie wäre echt.
    Wie wärs mit neuen Pfaden, um „der Demokratie“ gut zu tun? Direkte Demokratie? Volksentscheide? Bürgerbegehren? Oder ist das dann doch zuviel Demokratie?

    • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 17:29

      „Die Hauptschuld für den Umstand, dass nun ein Trump regiert, tragen in der Tat die sog „Demokraten“ und Clinton.“

      GENAU DAS IST DER PUNKT MEINES ARTIKELS. Nein, einfach nein! Die Haupttschuld dass Trump regiert tragen seine Wähler, Punkt aus Ende. Das ist genau das was ich mit Infantilisierung meine.

      • Logos 29. Juni 2017, 17:59

        GENAU DAS IST DER PUNKT MEINES ARTIKELS. Nein, einfach nein! Die Haupttschuld dass Trump regiert tragen seine Wähler, Punkt aus Ende. Das ist genau das was ich mit Infantilisierung meine.
        Ursachenforschung? Im Orkus!
        Verkürzung und Verzerrung der Wirklichkeit.

        Ich hatte Argumente für meine Sichtweise vorgetragen. Argumente, die ihrerseits nicht widerlegt wurden – mutmaßlich, weil die Fakten das nicht hergeben. Ob mich da ihre Großschreibung vom Gegenteil überzeugt? Never ever! Solange Sie weder meine Argumente stichhaltig widerlegen noch selbst bessere Argumente vorbringen, werden Sie mich niemals überzeugen!

        Ihr Kommentar erschöpft sich in [Glaubens-]Statements und durch nichts substanziierten Gegenteilsbehauptungen. Echt jetzt?

        Womöglich bestätigt ihre „Erwiderung“ exakt meine Analyse: gewisse Ursachen dürfen nicht angesprochen werden und können daher gar keine Hauptschuld tragen. Ist aber nur ne Vermutung.

        Auf Metaebene: ich habe denen von Ihnen benannten „Schuldigen“ ja gar keine Mitschuld abgesprochen: im Gegenteil, wenn Sie nochmals hinreichend aufmerksam lesen, dann finden Sie sogar meine Zustimmung. Nur geht mehr Analyse eben weiter als Ihre: Ich benenne noch weitere „Schuldige“. Es mag ja durchaus sein, dass das vielleicht mehr war, als vom Autor intendiert. Sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich um der Wahrheit Willen keine Rücksicht darauf nehmen kann.

      • Rauschi 30. Juni 2017, 06:32

        Die Haupttschuld dass Trump regiert tragen seine Wähler, Punkt aus Ende. Das ist genau das was ich mit Infantilisierung meine.

        Da werden zahlreiche Gründe genannt, warum das für diese Wähler rational war und welche tieferen Ursachen dahinter stehen könnten. Der Kommentar ist lang, aber sehr sachlich, am Umgangston kann es also nicht liegen. Auf keine davon gehen Sie ein. Wie soll ich das nennen, Analyse geht für mich anders.
        Ich habe auch schon mehrfach die Systemfrage aufgeworfen, das In Dubio nicht darauf eingeht, geschenkt, aber von Ihnen habe ich mehr erwartet. Ist das nicht das Zeil dieses Blogs, unter die Oberfläche zu gehen?
        Es ist ja nicht so, das es keine Alternativen gibt, nur diskutiert werden die nicht, leider.

        Gruss Rauschi

    • Stefan Sasse 29. Juni 2017, 17:35

      Dazu sollte inzwischen hinreichend bekannt sein, dass ich absolut kein Fan von direkter Demokratie bin, aus vielerlei Gründen.

      Davon abgesehen: ich bin der letzte der bezweifelt, dass das aktuelle System für ziemlich viele Leute ziemlich mittelprächtig ist. Aber ich sag’s noch mal: das alles erklärt zwar, aber es entschuldigt nicht.

      • Logos 29. Juni 2017, 18:29

        Dazu sollte inzwischen hinreichend bekannt sein, dass ich absolut kein Fan von direkter Demokratie bin, aus vielerlei Gründen.
        1) Ich lese hier nicht lange genug, dass mir das bekannt ist.
        2) Selbst wenn es mir bekannt wäre: soll ich deswegen meine Überzeugung über Bord werfen oder diese nicht mehr äußern? Nein? Was soll dann diese Bemerkung?
        3) Anstatt von „vielerlei Gründen“ zu schreiben, was für mich NULL Überzeugungskraft besitzt, wäre ein oder mehrere Links auf Artikel, wo Sie Argumente vorgelegt haben, wesentlich zielführender. Dann wäre wenigstens eine Diskussionsbasis da. Auf Grundlage von Statements hingegen wird das nichts.
        4) Möglicherweise bestätigen Sie auch mit diesem Kommentar meine Vermutung: „Oder ist das dann doch zuviel Demokratie?“
        5) Nochmals: ich spreche die Wähler nicht von einer Mitschuld frei. Vielleicht bequemen Sie sich doch mal dazu, meine Ausführungen hinreichend aufmerksam zu lesen. Mit allergrößter Wahrscheinlichkeit aber, wenn die Demokraten nicht ihren eigenen Kandidaten bekämpft, sondern zum Anwärter nominiert hätten, dann hätten dieselben Wähler, denen sie die Hauptschuld in die Schuhe schieben wollen, Sanders zum Präsidenten gewählt. DAS ist ein Argument, Herr Sasse.

        Und noch eines: Die Wahl zwischen Clinton und Trump war imo die zwischen Pest und Cholera – siehe auch:
        http://www.kritisches-netzwerk.de/comment/2075#comment-2075
        Es mag ja sein und sei Ihnen unbenommen, dass Sie eines davon dem anderen vorziehen. Aber bitte besitzen sie die Toleranz, die Sichtweise Anderer anzuerkennen, dass die Wahl zwischen Scheiße in verschiedenen Geschmacksrichtungen in Wirklichkeit keine ist und die Wähler bei dieser Wahl immer in die Schweiße greifen mussten. Sie mögen Trump als den eindeutig Schlimmeren ansehen. Ich nicht. Viele Andere auch nicht. Dass bei der Wahl zwischen Scheiße in verschiedenen Geschmacksrichtungen am Ende Scheiße rauskommt, dafür können sie auf gar keinen Fall den Wählern zu Recht die Schuld zuweisen, denn die Kandidaten werden immer noch von den Parteien und nicht den Wählern aufgestellt!. Es lag in der Macht der „demokratischen“ Partei, keine irre, machtbesessene Kriegstreiberin und Hure des Establishments zu nominieren, sondern mit Sanders erhebliche bessere Chancen auf die Präsidentschaft zu gewinnen. Die „demokratische“ Partei jedoch zog es vor, diese Chance zu vergeben. Die Demokraten, NICHT die Wähler!
        DAS war noch ein Argument. Mutmaßlich können sie nicht eines davon stichhaltig widerlegen.

    • Erwin Gabriel 29. Juni 2017, 18:23

      „Dass Massen an Wählern auf einmal rechts wählen hat doch einen Grund – das fällt doch nicht vom Himmel“

      Das mit „rechts“ und „links“ ist so eine Sache. So, wie Sie es formulieren, ist „rechts“ schlecht. Das ist es natürlich nicht; ohne „rechts“ als Gegenpart zu „links“ gäbe es auch kein „links“, und rein demokratie-mäßig wären wir dann ganz schön – entschuldigen Sie den Ausdruck – am Arsch.

      Dann macht es beispielsweise durchaus Sinn, sich das Programm der genannten Politiker anzuschauen, statt nur auf das aufgeklebte Etikett zu starren. Trump ist kein erzkonservativer Republikaner, wie etwa Ted Cruz. Und wenn hier die Linke monatelang Sturm gegen TTIP läuft, und der amerikanische Präsident selbst haut das Programm in die Tonne, ist ja wohl bewiesen, dass Trump kein „böser Neoliberaler“ ist. Er verleiht vielen Arbeitern eine Stimme, was nur geht, weil die Democraten eine korrupte, tief mit dem militärisch-industriellen Komplex und der Finanzwelt verstrickte Klüngel-Partei sind (nicht besser als die Republikaner, aber nicht die haben die Wahl gewonnen, sondern Trump). Auch wenn Sie das Programm von Marine Le Pen denen anderer Parteien vergleichen, ist das Konservativste die Bindung an die Kirche.

      In beiden Fällen geht es (nach meiner subjektiven Wahrnehmung) nicht um „links“ gegen „rechts“, sondern eher um oben gegen unten.

      • Logos 29. Juni 2017, 18:46

        Ja, ich geben ihnen Recht: rechts allein ist nicht per se schlimm. Im Kontext des Artikels und der AfD war selbstredend „rechtsextrem“ gemeint. Ersetzen Sie bitte gedanklich „rechts“ gegen „rechtsextrem“.
        Trump hatte ich nicht einmal unter „rechtsextrem“ subsumiert. Ich hatte stattdessen konkrete europäische Länder genannt, wo entsprechende Trends erkennbar sind.

        In Wahrheit ist es insbesondere in den USA nur ein Schaukampf – Theater. Ich bin zu 100% bei Ihrer imo absolut korrekten Feststellung, dass es gar nicht um „links“ gegen „rechts“ geht, sondern den Kampf zwischen arm und reich. Oben gegen unten. Herrschende gegen Beherrschte. In diesem Sinne müsste Ihnen mein Kommentar
        http://www.kritisches-netzwerk.de/comment/2075#comment-2075
        aus der Seele sprechen. Zur Lektüre anempfohlen. Feedback gern gesehen!

      • bevanite 29. Juni 2017, 21:17

        In beiden Fällen geht es (nach meiner subjektiven Wahrnehmung) nicht um „links“ gegen „rechts“, sondern eher um oben gegen unten.

        Und ausgerechnet Trump steht dabei für „unten“? Also derjenige, der Schwergewichte aus der Industrie und Militär direkt in sein Kabinett holte, als erste Amtshandlung die Banken deregulierte, dann mit einem Steuerkonzept kam, das die Reichen begünstigt und nun Obamacare (eine Regelung, die vor allem den ärmeren Schichten zugute kam) schleifen will? Haha, der war gut.

        Sie können Trump nicht einfach von den Republikanern abtrennen, denn er hat in traditionellen GOP-Wählerschichten – z.B. den Gläubigeren und den Wohlhabenderen – ebenso stark gepunktet wie Romney, McCain oder Bush. Beim Gezanke um Obamacare gibt es auch keine prinzipiellen Widersprüche zwischen ihm und den House-Republicans, bei der Außenpolitik neigt er langsam auch in Richtung Bush-Doktrin.

        Wenn man sich mal genau anhört, was AfD, Republikaner, SVP oder UKIP wollen, werden Sie schnell merken, dass die alten Konfliktlinien doch noch anhand der Achsen autoritär/progressiv und wirtschaftsliberal/interventionistisch verlaufen. Hat man auch bei der Wahl in Großbritannien, wo es seit langer Zeit wieder einen klaren Richtungskampf der Volksparteien gab, gut gesehen. Der Front National mag da eine Ausnahme sein, aber bei den Parlamentswahlen schnitt der FN auch deutlich schlechter ab als Le Pen beim Rennen um den Elysée-Palast.

        • Erwin Gabriel 29. Juni 2017, 22:10

          @ bevanite 29. Juni 2017, 21:17

          >> Und ausgerechnet Trump steht dabei für „unten“? …

          Ich denke, ja. Nicht im Sinne von „reich“ gegen „arm“, sondern von „machtlos“ gegen „Establishment“.

          Man hat sich einen mächtigen, rücksichtslosen Kerl gegriffen, der nicht zum Establishment gehört, um selbiges zu entmachten.

          Aus meiner Sicht richtet sich auch Trumps Credo „America First“ in erster Linie nach innen als nach außen. Mit „America First“ können sich viele identifizieren, die sich für aufrechte, ehrliche Amerikaner halten (im Gegensatz zur multinationalen Großindustrie, zu den Banken etc.

          Meiner Wahrnehmung lässt sich Donald Trump extrem stark durch Innenpolitik beeinflussen. Ich glaube nicht, dass ihn (als Präsident, nicht als Geschäftsmann) die Welt da draußen wirklich interessiert. Ich denke, ihm ist klar, auf welch dünnem Eis er steht. Solange er ausreichend viele Wähler hinter sich versammelt, ist er sicher. Das ist sein Maßstab, auch international.

  • Ralf 29. Juni 2017, 22:46

    Hmmm … Wenn ich Deinen Artikel richtig verstehe, beruht er leider auf einer voellig falschen Annahme. Und zwar scheinst Du zu meinen, dass die Brexit-Waehler bzw. die Trump-Waehler aus welchem Grund auch immer „inkorrekt“ gewaehlt haetten und jetzt ihren Irrtum eingesehen haetten und nach Schuldigen fuer ihre Fehlentscheidung suchen („die Medien“, „die Parteien“, „die Politiker“ etc.).

    Diese Annahme geht aber an der Realitaet vorbei. Wie In Dubio oben richtig schrieb, hat Trump nach wie vor die Unterstuetzung von soliden 80% der Republikaner und auch in Grossbritannien gibt es nach wie vor eine Mehrheit fuer den Brexit. Die Waehler bereuen ueberhaupt nichts und sind in ihrer grossen Mehrheit der Meinung richtig abgestimmt zu haben. Das Problem ist also eher nicht dass – salopp gesagt – die Waehler die „richtigen politischen Meinungen“ hatten, aber dann falsch (entgegen ihrer Interessen) abgestimmt haben. Das Problem ist vielmehr, dass die Waehler die „falschen politischen Meinungen“ hatten, aber entlang dieser falschen politischen Meinungen absolut richtig abgestimmt haben.

    Grosse Teile der Waehlerschaft in Grossbritannien glaubt z.B. irrtuemlich aber felsenfest, dass ihre Mitgliedschaft in der EU vor allem Nachteile bringt. Und dass die das glauben, ist kein grosses Wunder. Schliesslich haben ihnen die Parteien das jahrelang erzaehlt. Auch die Medien haben ihnen das jahrelang erzaehlt. Jetzt glauben es die Menschen eben.

    Das selbe gilt fuer die USA. Da glauben viele Menschen, dass Washington so dysfunktional ist, dass es einen „grossen Fuehrer von aussen“ braucht, der das Establishment in die Schranken verweist. Dass die Menschen das glauben ist nur menschlich. Die Deutschen haben gegen Ende der Weimarer Republik ja mal ganz aehnlich gedacht. Und die immer polarisierender werdenden Politiker und die Medien haben mit Nachdruck an diesem Image des Kongresses gearbeitet. Jetzt darf man sagen: „Mission accomplished“! Eine Umfrage kuerzlich fand heraus dass Herpesinfektionen in der amerikanischen Bevoelkerung beliebter sind als der US-Kongress (kein Scherz! Das war eine reale Umfrage).

    Wie laesst sich das Problem also loesen? Wohl zu allererst mit Moderation. Alle Beteiligten muessten mal einen Gang runter schalten. Politiker koennten es mal mit Kooperation versuchen. Parteien mit Diskussion. Medien mit Information. Aber so verkauft man keine Zeitungen in Rekordauflagen und so kriegt man keine hohen Einschaltquoten. Und so macht man nicht den politischen Gegner platt. So bringt man sich wahrscheinlich um einen kleinen kurzfristigen Vorteil.

    Und deshalb koennen wir uns getrost darauf verlassen, dass sich rein garnichts aendern wird. Die Menschen werden dann eben auf andere Art und Weise lernen muessen. Naemlich dadurch dass sie mit den Konsequenzen ihrer Entscheidungen leben werden muessen. In den USA werden z.B. bald wahrscheinlich Millionen Menschen ihre Krankenversicherung verlieren. Tausende, vielleicht Zehntausende Menschenleben wird das kosten. Und in Grossbritannien werden massiv Arbeitsplaetze abwandern. Die Finanzindustrie ist ja schon mitten im Umzug nach Dublin, Paris und Frankfurt. Andere Unternehmen werden folgen. Dann wird es noch mehr Menschen ohne Job geben. Noch mehr Armut wird um sich greifen.

    Und dann wird hoffentlich irgendwann die Einsicht kommen.

    Oder die Katastrophe.

    • Rauschi 30. Juni 2017, 05:41

      Die Menschen werden dann eben auf andere Art und Weise lernen muessen. Naemlich dadurch dass sie mit den Konsequenzen ihrer Entscheidungen leben werden muessen.
      Man eine naive Frage dazu, müssen das die Wähler nicht immer, mit den Konsequenzen leben?
      War es denn nicht gerade dieser Lerneffekt, der zur Wahl von Trump geführt hat? Endlich jemand, der sich anti Elite und fürs Volk gibt, der muss er jetzt richten, weil keiner der Vorgänger für diese Wähler eine spürbare Verbesserung gebracht hat?

      Ich denke, man muss sich fast wünschen, das Trump irgendwas verbessert, denn was passiert, wenn nicht? Elite bringt es nicht, Anti Elite auch nicht, wer bleibt dann noch über?

      Gruss Rauschi

      • Ralf 30. Juni 2017, 06:01

        Wer bleibt uebrig? Gute Frage. Aber es gibt eben nicht nur Establishment und anti-Establishment. Zumindest bei einem Verhaeltniswahlrecht wie in Deutschland koennen sich immer wieder neue kleine Parteien etablieren, die die Probleme der Zeit aufgreifen und angehen koennen ohne dem Vorwurf zu unterliegen „Establishment“ zu sein. Und „Establishment“ war auch nicht immer ein rein negativer Begriff. „Establishment“ muss nicht zwingend fuer Korruption und Verkrustung stehen. Der Begriff kann auch Erfahrung und politische Umsetzungskraft bedeuten. Letztlich kommt es auf die individuellen Politiker an. Jeremy Corbyn und Bernie Sanders gehoeren z.B. auch dem Establishment an. Sie sind seit Jahrzehnten in Politik und Parlament. Am Ende ist jeder Politiker durch sein Handeln fuer seinen eigenen Ruf verantwortlich …

        • Rauschi 30. Juni 2017, 06:08

          Zumindest bei einem Verhaeltniswahlrecht wie in Deutschland koennen sich immer wieder neue kleine Parteien etablieren, die die Probleme der Zeit aufgreifen und angehen koennen ohne dem Vorwurf zu unterliegen „Establishment“ zu sein.
          Das gilt für Deutschland, ich meine aber in Amerika, wer bleibt denn noch, wenn keine der beiden Grossen das richten kann, was in den Augen der Wähler, die jetzt für Trump gestimmt haben, schief läuft?
          Die Grüne JIll Stein war wohl auch eine gute Kandidatin, soweit ich das von hier beurteilen kann, aber das die Wähler jetzt scharenweise zu den Grünen überlaufen, halte ich für abwegig. Wer kann noch kommen, in den USA nach Trump? Wieder das Alte, Vertraute, das aber eben nur bekannt, nicht besser erscheint?

          Gruss Rauschi

          • Ralf 30. Juni 2017, 06:15

            In Laendern mit Mehrheitswahlrecht muessen Veraenderungen innerhalb der grossen Parteien geschehen. Das ist schwieriger, aber nicht unmoeglich. Siehe zum Beispiel Bernie Sanders und was er bei den Demokraten ausgeloest hat. Oder die Tea Party oder Donald Trumps Bewegung innerhalb der Republikaner (auch wenn deren Einfluss natuerlich nicht positiv war, haben sie doch die Partei in relativ kurzer Zeit dramatisch veraendert).

    • Stefan Sasse 30. Juni 2017, 17:50

      Hmmm … Wenn ich Deinen Artikel richtig verstehe, beruht er leider auf einer voellig falschen Annahme. Und zwar scheinst Du zu meinen, dass die Brexit-Waehler bzw. die Trump-Waehler aus welchem Grund auch immer „inkorrekt“ gewaehlt haetten und jetzt ihren Irrtum eingesehen haetten und nach Schuldigen fuer ihre Fehlentscheidung suchen („die Medien“, „die Parteien“, „die Politiker“ etc.). “

      Ne, das meine ich nicht. Dass die Leute weiterhin hinter ihren Entscheidungen stehen ist hinreichend bekannt. Mir geht es um die Reaktionen, die ich im im Artikel verlinkten Artikel zum Thema Blasen schon einmal kritisiert habe.

  • Ralf 30. Juni 2017, 05:50

    Und um das noch anzufuegen: Wir sind immer schnell zu kritisieren, dass die dummen Trump- und Brexitwaehler sich halt mal haetten informieren sollen, bevor sie zur Wahl schritten. Diese Waehler haben sich aber meist informiert. Nur halt nicht da, wo wir gewoehnlich nach Informationen suchen wuerden. Diese Menschen schauen z.B. Fox News oder lesen Breitbart. Woher sollen die wissen, dass sie da von vorne bis hinten belogen werden?

    Stell Dir mal vor jemand kommt ohne Hintergrundinformationen und Basiswissen zu diesem Blog, um sich politisch zu bilden. Zu fast jedem Thema gibt es mehrere Meinungen. Und jeder Kommentator glaubt die Wahrheit zu verkuenden. Aber welche Wahrheit stimmt nun? In Dubios Wahrheit? Meine Wahrheit? Stefans Wahrheit? Fuer jemanden ohne Grundwissen ist das kaum herauszufinden.

    Und die politischen Fragen unserer Zeit sind nicht einfach zu beantworten. Nehmen wir mal das Thema Freihandelsabkommen, das im US-Wahlkampf eine herausragende Rolle gespielt hat. Es ist kaum anzuzweifeln, dass viele dieser Abkommen zu dramatischen Arbeitsplatzverlusten in der westlichen Welt gefuehrt haben. Die Enttaeuschung ueber diese Entwicklungen ist gross. Aber was ist jetzt die richtige Lektion aus der Geschichte? Bestehende Abkommen kuendigen und auf nationalen Alleingang und Isolation setzen? Bestehende Abkommen nachverhandeln und verbessern? Keinerlei neue Abkommen mehr? Oder den beschwerlichen Weg, der bereits so viele Opfer gekostet hat, weitergehen um am Ende mit dem langen Atem doch erfolgreich zu sein? Unterschiedliche Experten wuerden hier ganz unterschiedliche Ratschlaege geben. Fuer den Normalbuerger ist die komplexe Materie absolut unueberschaubar. Wenn noch nicht einmal die Professoren einig sind, wie soll sich dann der LKW-Fahrer eine Meinung bilden?

    In der Folge waehlt der Buerger – gerade in einer repraesentativen Demokratie – die, denen er abnimmt, dass sie die Probleme loesen werden. In den USA war das fuer viele Donald Trump. Vielen leuchtete ein, dass jemand, der ein riesiges, weltumspannendes Unternehmen leitet, auch in der Lage sein wird einen Staat zu fuehren. Vielen leuchtete ein, dass jemand, der Probleme offen und ohne politische Korrektheit anspricht, auch wahrscheinlicher ist, diese Probleme anzugehen und zu loesen, anstatt sie weiter zu verbergen und zu verschweigen. Vielen leuchtete ein, dass jemand, der von aussen kommt, finanziell unabhaengig ist und nicht zum politischen Establishment gehoert, eher die Verkrustung und die Korruption in der Hauptstadt aufraeumen wird, als jemand der seit Jahrzehnten zum Zirkel der Parteieliten gehoert. Und viele Waehler fuehlten sich endlich mal verstanden, endlich mal gehoert. Wer in zerfallenden Ruinenstaedten wie Detroit oder Cleveland wohnt, oder in den verseuchten und vergifteten Ortschaften in Kentucky mit ihren erschreckenden Krebsstatistiken oder in den trostlosen, aufgegebenen ehemaligen Kohlezentren in West Virginia, der hatte mit Trump zum ersten Mal einen Kandidaten, der diese Menschen und ihre Probleme in den Mittelpunkt seines Wahlkampfs rueckte. Das alles waehrend Clinton einen Riesenbogen um gewoehnliche Menschen machte und sich lieber mit Stars und Sternchen und Bankenbossen und Grossmanagern traf. Kann man die Trump-Anhaenger, auch trotz ihrer vielen fatalen Fehleinschaetzungen, nicht ein bisschen verstehen?

    Nein, den Waehlern kann man hier keinen grossen Vorwurf machen. Die meisten sind wie gesagt sehr einfache Menschen. Nicht besonders gebildet. Aber sicher nicht alles Rassisten und Ku Klux Klan-Mitglieder. Und fuer diese Menschen ist es nicht moeglich sinnvoll abzuschaetzen wer sie beluegt und wer die Wahrheit sagt, wer konstruktive Plaene hat und wer nur dummes Zeug redet.

    Eine funktionierende Gesellschaft braucht gutwillige und vertrauensvolle Fuehrung. Parteien muessen glaubwuerdig und kooperationsfaehig sein, Debatten anstossen und sie muessen die Probleme des Landes angehen. Sie muessen, auch bei unterschiedlichen Meinungen, zivilisiert miteinander reden und Kompromisse schliessen koennen. Die Medien wiederum muessen informieren, ueberpruefen und Missstaende aber auch Fortschritt und Erfolge benennen. Die Medien muessen Leitplanken einziehen, die die Realitaet klar von Fake-News abgrenzen, die Meinungen klar von Fakten abgrenzen, die plausible Szenarien klar von Verschwoerungstheorien abgrenzen. Funktioniert das nicht, entgleist der Zug, zerfaellt die Gesellschaft. Parteien, die blind den politischen Gegner zu vernichten versuchen, gepaart mit Medien die hetzen, verzerren, beluegen, sind das Rezept fuer Entwicklungen die am Ende zu Praesidenten wie Trump oder Entscheidungen wie den Brexit fuehren. Die Verantwortung darf man dann auch gerne bei denen suchen, die es verbockt haben.

    Wenn mir mein Auto kaputt geht und meine Werkstatt einen miserablen Job bei der Reparatur macht, dann liegt die Schuld fuer das Debakel schliesslich bei eben dieser Werkstatt – den Experten, die dafuer bezahlt werden es besser zu wissen – nicht bei mir als Kunden, weil ich mein Vertrauen dem falschen Service-Betrieb gegeben habe.

    • Stefan Pietsch 30. Juni 2017, 08:08

      Sie werfen einige Thesen als Wahrheiten in den Raum, tun folglich das, was Sie Politikern vorwerfen:

      Es ist kaum anzuzweifeln, dass viele dieser Abkommen zu dramatischen Arbeitsplatzverlusten in der westlichen Welt geführt haben.

      Doch, genau das ist anzuzweifeln. Wenn es durch Handelsabkommen Jobverluste gab, dann eher auf Seiten des schwächeren Partners, den Entwicklungs- und Schwellenländern. Wobei das nicht ausgemacht ist. Wir erleben ja nun ein Großexperiment und die ersten Anzeichen sind sehr ernüchternd. Nicht nur drohen unzählige hoch bezahlte Jobs in der Londoner City wegzufallen, auch der relativ schwache gewerbliche Bereich in UK unterliegt einer Revision. Geradezu verzweifelt bitten die Briten, doch bitte Teil des europäischen Binnenmarktes bleiben zu dürfen.

      Ich versuche am Anfang der Artikel, wo es um ein Sachthema geht, die objektiven Fakten zusammenzutragen. Ich traue meinen Lesern zu, sich eine eigene Meinung bilden zu müssen und biete ihnen die Gelegenheit, sich an meiner heftig zu reiben.

      Nein, den Waehlern kann man hier keinen grossen Vorwurf machen. Die meisten sind wie gesagt sehr einfache Menschen.

      Sie erklären die breite Masse der Amerikaner zu Volldeppen und bestätigen damit ein hiesiges Vorurteil. Das sind sie nicht. Amerikaner haben im Schnitt einen hohen Bildungsgrad, eine höhere Akademikerquote und höhere Einkommen als in Westeuropa. Sie dominieren Kultur, Wissenschaft und Forschung. Das ist kein Volk von Volldeppen, das ein paar Eliten an der Spitze benötigt um die Geschicke des Landes zu lenken.

      Die Verantwortung darf man dann auch gerne bei denen suchen, die es verbockt haben.

      Und wer soll das sein? Der Bürgermeister, der ohne entsprechendes Steuergeld Leistungen versprochen hat? Bedienstete, die hohe Pensionsansprüche erworben haben, aber die Gegenleistung in Form engagierterer, hochqualifizierter Arbeit fehlt?

      Wenn mir mein Auto kaputt geht und meine Werkstatt einen miserablen Job bei der Reparatur macht, dann liegt die Schuld fuer das Debakel schliesslich bei eben dieser Werkstatt – den Experten, die dafuer bezahlt werden es besser zu wissen – nicht bei mir als Kunden, weil ich mein Vertrauen dem falschen Service-Betrieb gegeben habe.

      Wofür ist Angela Merkel eine Expertin? Wofür Martin Schulz, Dietmar Bartsch, Manuela Schwesig, Peter Altmaier, Karin Göring-Eckardt? Der Schnitt des Parlaments hat nicht mehr Sachverstand in ökonomischen oder juristischen Fragen als die Bevölkerung. Demokratie bedeutet die Regierung durch Laien. An Ihr Auto darf jemand in der Vertragswerkstatt nur nach umfangreicher Ausbildung, inzwischen häufig und bei bestimmten Problemen nur noch mit Ingenieursdiplom. Um in ein demokratisch zusammengesetztes Parlament gewählt zu werden, bedarf es keines fachlichen Qualifikationsnachweises. By the way, wir diskutieren gerade, ob jemand ohne Abitur Bundeskanzler werden sollte.

      • Rauschi 30. Juni 2017, 11:33

        Doch, genau das ist anzuzweifeln. Wenn es durch Handelsabkommen Jobverluste gab, dann eher auf Seiten des schwächeren Partners, den Entwicklungs- und Schwellenländern. Wobei das nicht ausgemacht ist.
        Es ist ausgemacht, der Vertrag NAFTA besteht seit mittlerweile 20 Jahren, die Folgen werden so beschrieben:
        [Die weltgrößte US-amerikanische Verbraucherschutzorganisation Public Citizen geht davon aus, dass durch Nafta rund eine Million Arbeitsplätze in den USA verloren gingen. Auch die Qualität der Arbeit habe sich verschlechtert: Aus gut bezahlten Industrie-Arbeitsplätzen sind schlecht bezahlte Dienstleistungsjobs geworden. Nafta-bedingt drängen mexikanische Wanderarbeiter als Billigstarbeitskräfte auf den US-amerikanischen Arbeitsmarkt. Während sich die Löhne im Durchschnitt auf dem Niveau von 1979 bewegen, ist die Einkommensungleichheit massiv gestiegen.]
        und weiter die Auswirkungen für Mexiko:
        [Die erste ist die des Dumpings. Sie umfasst die Jahre von 1994 bis 2000. Die USA überfluteten den mexikanischen Markt mit hoch subventionierten landwirtschaftlichen Produkten und übten so vor allem auf die drei Millionen kleinen einheimischen Mais-Produzenten enormen Druck aus. Héctor Carlos Salazar vom Dachverband der mexikanischen Maisproduzenten sagt: „Wir haben 27 Millionen Hektar Anbaufläche, die USA dagegen 179 Millionen. An Subventionen bekommt ein mexikanischer Bauer 700 Dollar, einer in den USA 21 000 Dollar pro Jahr.“]
        Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/wirtschaftsbeziehungen-20-jahre-nafta-das-netz-des-geldes/11082792.html

        Heute ist Mexiko Netto Importeur von Mais, ist das ein Grund zur Freude? Das es wohl nicht so schlimm ist, wenn es dem Schwachen noch ein wenig schlechter geht, den Grund dafür müssen Sie mir schon erklären.
        Wenn Freihandelsverträge geschlossen werden sollen, da eben nur zwischen gleich starken Partnern, da verbietet es sich von selbst, mit z.B. afrikanischen Stasten solche Verträge zu schliessen, als ob es da kein Machtgefälle gäbe. Schon das Wort Freihandel ist ja eine Täuschung, es geht doch längst nicht mehr um Zölle, den deren Abschaffung ist ja nicht das eigentliche Ziel. Deswegen verwundert es mich schon, das Frau Merkel sich so aufregt, das die USA Zöllen auf deutsche Autos erheben wollen, Haben Sie nicht geschrieben, unsere Exportgüter wären nicht „preissensibel“? Wenn das so wäre, sollte der Zoll ja nichts am Absatz ändern, oder?

      • Logos 30. Juni 2017, 12:12

        Wenn es durch Handelsabkommen Jobverluste gab, dann eher auf Seiten des schwächeren Partners, den Entwicklungs- und Schwellenländern.
        1) Wer auch nur halbwegs sachkompetent ist, weiß, dass ihre Behauptung schlicht weg falsch ist. Das Freihandelsabkommen der USA mit Mexiko hat nicht nur sehr viele Jobs in den USA gekostet (Nachweis hat Rauschi schon geliefert), sondern obendrein noch zu drastisch gesunkenen Löhnen in der Automobilindustrie geführt: lag der durchschnittliche Stundenlohn früher bei 27$ so ist er „dank“ NAFTA auf 12$ gesunken.

        2) Wenn nun mit TTIP ein Abkommen zwischen den USA und Europa geschlossen werden sollte, wer ist dann der schwächere Partner? Angesichts der Tatsache, dass es die USA waren, die auf einen Abschluss drängten, werden die wahren Strippenzieher hinter ihren Lobbyhuren sicher nicht zu den Verlierern zählen.

        Um im Gegensatz zu Pietsch der Wahrheit die Ehre zu geben: Freihandelsabkommen nutzen nur transnationalen Großkonzernen. Alle anderen, Staaten, Steuerzahler, Gesellschaft und KMU zählen zu den Verlierern. Es ist kein Zufall, dass Neoliberale für Freihandelsabkommen trommeln – ihre präferierte Ideologie dient der Bereicherung einer kleinen Bande Superreicher und Großkonzernen auf Kosten der Gesellschaft, die dabei ausgebeutet wird. Das ist absolut deckungsgleich mit den tatsächlichen Zielen von Freihandelsabkommen.

        http://de.freihandelsabkommen.wikia.com/wiki/Freihandelsabkommen/TTIP

      • Rauschi 1. Juli 2017, 07:28

        Sie erklären die breite Masse der Amerikaner zu Volldeppen und bestätigen damit ein hiesiges Vorurteil.
        Ralf schreibt:
        [Die meisten sind wie gesagt sehr einfache Menschen.]
        Also sind in Ihren Augen alle einfachen Menschen Volldeppen, oder wie habe ich das zu verstehen? Jeder ohne Abi und/oder Studium ist ein Vollidiot, soll der geneigte Leser es so verstehen?
        Dann ist Deutschland voll von Volldeppen.

    • Erwin Gabriel 3. Juli 2017, 04:33

      @ Ralf: Kompliment

      In der Folge waehlt der Buerger – gerade in einer repraesentativen Demokratie – die, denen er abnimmt, dass sie die Probleme loesen werden. In den USA war das fuer viele Donald Trump.“

      Ihre folgende Beschreibung / Analyse trifft ziemlich genau das, was da drüben passiert ist. Berücksichtig man noch die kulturellen Gegensätze (ganz grob: geht hier Menschenwürde vor Freiheit, dort anders herum; hier gibt es Reglementierung und soziale Hängematte, dort Eigenverantwortlichkeit ohne Netz und doppelten Boden), dann wird klar, warum Trump gewählt wurde.

      Man muss den amerikanischen Präsidenten (er ist meiner Wahrnehmung nach ein eitler, egozentrischer Soziopath) nicht mögen, aber man sollte verstanden haben, warum er gewählt wurde. Und das geht nur mit einem Blick durch die Brille der anderen.

  • Wolf-Dieter Busch 30. Juni 2017, 08:57

    Als Präsidenten der USA den ungeeignetsten und gefährlichsten Clown aller Zeiten zu wählen, nur weil man gerne Frauen Schlampen und Schwarze Nigger nennen möchte, ist kein Zeichen eines irgendwie übersehenen versteckten Volkswillens, sondern von demokratischer Unreife.

    Unreife hin oder her – ich gönn dir dein Urteil – aber du musst damit leben, dass die „Demokratie“ die Freiheit auch zu Fehlentscheidung ist. Ist so und fertig.

    Oder willst du entscheiden, wer „reif genug“ zum Wählen ist?

    Noch was aus Sicht von uns Europäern, ein „völlig unfähiger Clown“ ist immer noch besser als eine fähige, aber bösartige und gefährliche soziopathische Figur, Haarfarbe Blond.

  • Wolf-Dieter Busch 30. Juni 2017, 09:09

    Speziell in den USA ist die Organisation der Wahl so gestaltet, dass die freie Wahl-Entscheidung nach Maßgabe des eigenen Bedarfs asymptotisch gegen Null strebt. Siehe Wahlmänner-Prinzip, siehe Gerrymandering.

    Bereits ab Gründungsurkunde ist die Politik der USA nicht dem Volk verpflichtet, sondern dem Eigentum. Der äußere demokratische Anschein täuscht nicht darüber hinweg, dass das politische System der USA eine lupenreine Oligarchie ist.

    Eigentlich weißt du das alles.

    • Logos 30. Juni 2017, 16:25

      Kann Ihren beiden Kommentaren nur vollumfänglich zustimmen! Sehe das selbst exakt genauso.

      Insbesondere zu Der äußere demokratische Anschein täuscht nicht darüber hinweg, dass das politische System der USA eine lupenreine Oligarchie ist.
      würde ich mir eine Reaktion von Herrn Sasse wünschen, die konkret darauf eingeht. Ich fürchte jedoch, dass dieses Ansinnen unerfüllt bleiben wird. Auf so richtig kritische Kommentare geht auch Herr Sasse leider kaum bzw. zu wenig ein. Traurig.

  • Logos 30. Juni 2017, 16:06

    Als Präsidenten der USA den ungeeignetsten und gefährlichsten Clown aller Zeiten zu wählen, nur weil man gerne Frauen Schlampen und Schwarze Nigger nennen möchte, ist kein Zeichen eines irgendwie übersehenen versteckten Volkswillens, sondern von demokratischer Unreife
    Ist das Ihre Erklärung, warum Trump gewählt wurde? DAS?

    Clinton ist weder Clown noch Clownin. Ob diese machtbessene Kriegstreiberin und Hure des Establishments (militärisch-industrieller-Komplex) aber auch nur einen Funken weniger gefährlich als Trump ist, können sie nicht einmal ansatzweise mit Gewissheit sagen.

    Und ungeeignetst? Mag sein. Aber in welcher Hinsicht war Clinton angeblich „geeigneter“? Fürs Establishment? Ohne Zweifel. Aber es haben nun mal über 50 Millionen US-Amerikaner gewählt, die der Ansicht waren, es würde höchste Zeit, dass die Politik auch mal ihre Interessen wahrnimmt und nicht nur die von Unternehmen.
    Den Großkonzernen wird der Stopp der Freihandelsabkommen nicht schmecken – es wird aber allen betroffenen Gesellschaften zu Gute kommen.
    Strafzölle für aus Mexiko importiert Fahrzeuge wird auch den Ford-Aktieninhabern nicht schmecken – ist aber hilfreich für die US-Automobilarbeiter http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2017-01/usa-ford-mexiko-fabrik-donald-trump
    Was also bleibt im Vergleich mit Clinton von ihrem „ungeeignetsten“? Heiße Luft?

    Herr Sasse, angesichts einer kaum weniger ungeeigneten und womöglich sogar gefährlicheren Pseudoalternative wie Clinton, woher nehmen Sie diese absolute Gewissheit, Trump wäre so klar der Übelste? Bitte äußern Sie sich mal! Danke.

  • Logos 30. Juni 2017, 16:16

    Herr Sasse, in einer Hinsicht gebe ich den US-Wählern die Hauptschuld: nämlich, dass über 50 Millionen Wähler unfähig und/oder unwillig waren, die Parteialternativen jenseits von „Demokraten“ und „Reps“ zu wählen wie z.B. die Grünen, die es auch in den USA gibt. DA gab es eine alternative Kandidatin, Jill Stein, die diesen Namen auch verdient! Dass diese nicht gewählt wurde ist eine Schande – für alle Trump- und Clinton-Wähler.

    Nur diesen Aspekt haben Sie gar nicht erwähnt. Es deutet sich immer mehr an, je länger und mehr ihre Ausführungen analysiert werden, dass Ihr Artikel deutlich zu kurz springt. Schade.

    • Stefan Sasse 30. Juni 2017, 17:51

      Jill Stein hätte sich einen harten Wettkampf mit Trump geliefert, wer der größere Depp im Weißen Haus ist.

      • Logos 30. Juni 2017, 18:18

        In wiefern? Erläutern Sie das bitte mal! Habe keine Lust irgendeinen Sinn in Ihre nebulöse Andeutung reinzuraten. Oder liegen Ihnen Sachargumente nicht und meinen, mit der Äußerung von Glaubensstatements wäre es getan?

  • Wolf-Dieter Busch 30. Juni 2017, 19:41

    @Logos (30.6. 16:25) Warum traurig?

    Stefan Sasse ist einer der Blogger, die am besten recherchieren. Auf Kritik reagiert er in aller Regel sachlich. Dass ich seine Standpunkte nicht durch die Bank teile, ist mir Wurscht. Ich schätze seinen Blog.

    (Nimm immer das, was dir nützlich erscheint, und ertrage den Rest.)

    • Logos 30. Juni 2017, 21:53
      • Wolf-Dieter Busch 1. Juli 2017, 07:14

        Recherche ist Ermittlung von Tatsachen.

        Deine verlinkte Seite „Kritisches Netzwerk“ vermittelt Grundlagenwissen ≠ Tatsachenwissen.

        • Logos 1. Juli 2017, 09:35

          Habe ja nicht allgemein aufs „krititsche Netzwerk“ verlinkt, sondern den von mir verfassten Artikel „Das kapitalistische Manifest“. Die dargelegten Sachverhalte sind sowohl recherchiert [1] wie auch Grundlagenwissen (das muss kein Widerspruch sein). Aber Grundlagenwissen jedoch nicht in dem Sinne, dass es allgemein akzeptierter Konsens wäre. Ganz im Gegenteil: der in der westlichen Welt absolut dominierende neoliberale Mainstream hat eine völlig andere, imo fundamental falsche Vorstellung vom Kapitalismus. Dies habe ich in dem Artikel
          „Kapitalismus und Neoliberalismus – ein wesensmäßiger Vergleich / Neoliberalismus – eine Steigerung des Kapitalismus?“ [2]
          recherchiert und analysiert. Auch das könnte man in gewisser Weise als „Grundlagenwissen“ bezeichnen, ist aber noch weniger bekannt bzw. bewußt als das [Grundlagen-]Wissen um die Natur des Kapitalismus.

          Wäre allein das in diesen beiden Artikel vermittelte Grundlagenwissen allgemein anerkannt und akzeptiert, würden wir nicht nur in einer anderen, sondern insbesondere deutlich besseren Welt leben.

          Derzeit erarbeite ich (recherchiere) Informationen zu einem Artikel, welcher den Neoliberalismus (nicht Ordo) sehr ausführlich und detailliert analysiert. In gewisser Weise ebenfalls „Grundlagenwissen“ und dennoch recherchiert. Wäre das allgemein akzeptierter Konsens, so wäre die Welt von der Pest Namens Neoliberalismus befreit, weil klar wäre, dass es sich im eine völlig durchgeknallte, unlogische, realitätsferne, ignorante, inkompetente, zutiefst unwissenschaftliche, an Aberglauben grenzende Schwachsinnsideologie handelt, die dem Umverteilungsmechanismus von arm nach reich einen ideologischen Unterbau liefert. Wenn auch in anderem Kontext entstanden, so passt folgendes Zitat dennoch wie die Faust aufs Auge auf diesen verfluchten Neoliberalismus:

          „Wenn Plündern für eine Gruppe in der Gesellschaft zur Lebensart wird, schaffen sie im Laufe der Zeit ein Rechtssystem, welches dies legalisiert, und einen Moralkodex, der es glorifiziert.“
          – Frederic Bastiat (1801-1850), französischer Ökonom und Politiker

          [1] Basiert zwar überwiegend auf den Erkenntnissen von Frau Herrmanns Buch „Der Sieg des Kapitals“, es fließen aber weitere Erkenntnisse von Heiner Flassbeck und Fabian Scheidler ein. Angereichert durch eigene Analyse – insbesondere Kapitel 1.1 Definition, 1.3.3 Selbstverstärkender Rückkopplungsprozess und insbesondere 1.71. Digitalisierung und Industrie 4.0 (mit Richard David Precht und Gunter Dueck) sowie das Fazit 1.13

          [2] http://www.kritisches-netzwerk.de/forum/kapitalismus-und-neoliberalismus-ein-wesensmaessiger-vergleich

          Das hier kritisches-netzwerk. de/forum/die-renaissance-der-klassengesellschaft-beduerfnis-nach-mehr-sozialer-sicherheit ist klar recherchiertes Wissen.

          • Wolf-Dieter Busch 1. Juli 2017, 13:09

            @Logos – dein Artikel stellt Kapitalismus dem Neoliberalismus gegenüber. Das sortiere ich unter „Analyse“ ein, übergeordnete Schublade bei mir ist „Grundlagenwissen“.

            Das „Tatsachenwissen“ als Ziel von Recherche geht in Richtung Tagesaktualität, etwa „was hat der blonde Wuschelkopf im Weißen Haus jetzt schon wieder angestellt, weil seine Gattin beim Frisör war statt ihn zu beaufsichtigen“, mit anschließender Analyse seiner politischen Praxis, etwa schon wieder die „Mutter aller Bomben“ auf ein Korallenriff … so was halt.

    • Rauschi 1. Juli 2017, 07:59

      Stefan Sasse ist einer der Blogger, die am besten recherchieren. Auf Kritik reagiert er in aller Regel sachlich.
      Ich bin zwar nicht Logos, aber speziell bei diesem Thema hier hat er nicht sehr tief recherchiert, sonst hätte der Einwand mit dem Splitting nicht kommen dürfen. Er hat sich entschuldigt und das ist vollkommen in Ordnung. Aber wenn jemand ein Thema zur Homo Ehe eröffnet, hätte ich erwartet, das ihm die rechtlichen Dinge klar sind (oder erwarte ich zuviel?). Ich kann nicht beurteilen, wie das bei anderen Themen ist, denn nach meiner Erinnerung nach sind die meisten Meinungsartikel, die nicht so viel Recherche erfordern. Kann aber täuschen, mein Eindruck.

      Gruss Rauschi

  • Rauschi 1. Juli 2017, 07:21

    Alle Analysen nehmen diese Menschen beständig in Schutz.
    Stets wird so getan, als ob Wähler für die Folgen ihrer Entscheidungen nicht verantwortlich seien. Das sind dann immer die Medien, die Politiker, die Lobbyisten. Aber nie, nie, nie diejenigen, die ihr Kreuz gesetzt haben.

    Jetzt bin ich endlich dahinter gekommen, was der Autor meint, wenn er schreibt, den Wählern würde niemand die Schuld geben (abgesehen davon, das die Suche nach eine Schuldigen noch nie irgendein Problem gelöst hat ).

    In einer Analyse wird nach den Ursachen für ein Verhalten geforscht, das ist ganz weit weg von einer Entschuldigung für dieses Verhalten. Es werden auch dauernd die Ursachen für die Kriminalität erforscht, wird damit etwa die Kriminalität entschuldigt?
    Zwischen Erklärung und Entschuldigung liegen Welten.
    Die Frage nach dem warum war noch nie eine Entschuldigung für irgendetwas.

    Von wegen Konsequenzen tragen, das ist de facto so, das braucht niemand zu fordern. Die Konsequenzen müssen sogar die tragen, die sich anders verhalten haben, also anders gewählt haben. Die Auswirkungen treffen alle, das sich dann jemand beschwert, kann passieren, aber was soll´s. Die Menschen hierzuland wollen auch wieder mehr Gerechtigkeit und haben kein Problem damit, beständig weiter das Personal zu wählen, das für das Gegenteil sorgt. Scheint ein wenig schizophren zu sein, der Wähler. Lässt sich aber offensichtlich nicht ändern, also was soll das weinen über vergossene Milch?

    Gruss Rauschi

  • CitizenK 1. Juli 2017, 11:39

    Und was folgt aus alledem?

    Selber schuld, wenn die nicht zur Wahl gehen oder uninformiert aus dem Bauch abstimmen? Die anderen leiden die trotzdem unter den Folgen.

    Das allgemeine Wahlrecht abschaffen? Wähler-Führerschein verlangen? Stimmen gewichten (nach Bildungsstand, Familienstand, Alter)?

    Alles völlig unrealistisch, klar. Institutionelle Vorkehrungen treffen? Das politische System ändern? Zumindest mittelfristig nicht ganz aussichtslos. Also diskussionwürdig.

    Die Rolle der Medien kommt im Artikel und den Kommentaren mMn zu kurz. Wo sie profitorientiert sind (Italien, USA, GB trotz BBC), da sind die Demokratie-Probleme augenfällig. Berlusconi und die Folgen, Breitbart, Fox, Murdoch als Stichworte.

    Ein praktischer Vorschlag: Die relative Vielfalt der Medienlandschaft, die wir in D noch haben, verteidigen. Also z. B. die Vorstöße aus CDU/CSU zur Abschaffung des ÖRR abwehren. Übrigens auch ein wesentlicher Unterscheidungspunkt zwischen den Parteien.

    • Stefan Sasse 1. Juli 2017, 14:45

      Ich hatte das Gefühl, Medienbashing gibt es genug. Ich bin absolut kein Freund von Wahlrecht nur auf Bedingung.

      • CitizenK 1. Juli 2017, 18:50

        Stimmt, die Art der Mediennutzung liegt schon auch in der Verantwortung der Wähler.

        Aber was ist gewonnen, wenn wir feststellen: Die Wähler sind schuld?

    • Stefan Pietsch 1. Juli 2017, 20:57

      Die britische BBC ist eine alt-ehrwürdige Institution. In den USA gibt es CNN und NBC. Aber die Bürger müssen Informationen auch sehen wollen. ARD und ZDF werden mit ihren Informationssendungen nur von den über 50jährigen gesehen, die gehen aber wählen und tragen weitgehend zur Stabilität des demokratischen Systems bei.

      Dabei kosten diese Sender eine Unmenge an Geld, dass sie aber nicht im wesentlichen in Information, sondern teure Senderechte, üppige Pensionen und die Verdrängung seriöser privater Angebote stecken.

      Ich weiß nicht: entweder wir sind vom mündigen Bürger überzeugt, dann müssen wir der Weisheit des Wählers vertrauen. Oder wir haben eine Grundskepsis. Dann erscheint es wenig vernünftig, die Zukunft eines Landes in eine simple Ja / Nein-Frage zu packen und dies willkürlichen Mehrheiten – und seine eine ist eine einfache Mehrheit mit geringen Quorumanforderungen – zu überlassen.

      • CitizenK 3. Juli 2017, 08:45

        „Verdrängung seriöser privater Angebote“

        Welche sind/waren das? Wer beurteilt die Seriosität? Alexander Kluge mit seinem Nischenprogramm? Spiegel- und Stern-TV werden jedenfalls nicht verdrängt.

        Ein Teil der unsinnigen Ausgaben für Senderechte ist dem Versuch geschuldet, gegen das Kommerzfernsehen zu überleben, durch Sportübertragungen und seltsame Unterhaltungssendungen. Zugegeben: Es gibt viel Verschwendung, die aber wieder zu einem erheblichen Teil auf das Konto des Föderalismus gehen, den wir uns wegen Tradition und Machtkontrolle leisten (sollten).

        Wenn für dieses Massenpublikum kein Programm mehr kommt, dann kann die CSU endlich sagen: Keiner guckt mehr, schafft das ab.

        Jugendliche und Studenten sehen so gut wie gar kein Fernsehen mehr, egal ob ÖR oder „Privat“ (ein Euphemismus). Das Netz tendiert bekanntermaßen zu Filterblasen, verstärkt durch die kommerziell orientierten Algorithmen.

        @ Bei dieser Gelegenheit ein Off-Topic*-Frage. Ernst gemeint, nicht polemisch:

        Warum gibt es in den Südländern der EU keinen Solar-Boom? Das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei Solarpaneelen hat sich in den letzten dramatisch verbessert. Es gibt doch Niederlassungsfreiheit in diesen Ländern und Arbeitskräfte genug. Wo bleiben die zukunft-witterenden wagnisbereiten Unternehmer?

        *@ Stefan Sasse
        Könnte man das Format des Blogs erweitern, um solche Fragen auch außerhalb eines Artikels zur Diskussion zu stellen?

        • Stefan Pietsch 3. Juli 2017, 09:20

          Mit seinen Online-Angeboten wie den Nachrichten-Apps treten ARD und ZDF in direkte Konkurrenz zu F.A.Z., SPIEGEL, Handelsblatt, Welt & Co., die ihre Angebote selbst finanzieren müssen. Und bitte, wer fast 7 Milliarden Euro Gebührengelder zur Verfügung hat, braucht wirklich keine Sorge der Verdrängung zu haben. Außerdem argumentieren Sie im Konflikt: die ÖR erhalten ja gerade Gebühren, damit sie nicht auf Einschaltquoten angewiesen sind. Sie haben eine Grundversorgung sicherzustellen, nicht mehr.

          Ist Champions League Grundversorgung? Gehört Olympia zum Katalog des Must-have? Jeder Bürger kann sich die Sportübertragungen mit einem relativ kleinen Beitrag sichern, was offensichtlich sogar Hartz-IV-Haushalten in größerer Zahl gelingt. Gut, die Spitze musste sein…

          Wenn Jugendliche fernsehen, dann Private. Damit erfüllen aber ARD und ZDF nicht ihren Auftrag. Und das ist keine neue Erkenntnis, sondern inzwischen Jahrzehnte alt.

          Warum gibt es in den Südländern der EU keinen Solar-Boom?

          Anscheinend, weil die Energieeffizienz zu einer Profitabilität jenseits von Subventionen nicht ausreicht. Spanien und Italien setzen weit mehr auf Windenergie, die unter diesem Aspekt weit besser abschneidet. Allerdings bleibt dies schlicht eine Mutmaßung von mir, das gälte es zu untersuchen.

          Sie können natürlich Themen adressieren. Zumindest in Bezug auf mich bietet es sich an, das Thema eng zu umreißen, also nicht „Energieversorgung Südeuropa besser / schlechter als Deutschland“ , sondern „Solar in Spanien / Italien“. Oder irgendwie. So jedenfalls, das die Möglichkeit bleibt, dies in andere Themen einzubetten. Diskussionen der Art „Das Ende des Kapitalismus“ mag ich dagegen überhaupt nicht.

          • Logos 3. Juli 2017, 11:20

            Mit seinen Online-Angeboten wie den Nachrichten-Apps treten ARD und ZDF in direkte Konkurrenz zu F.A.Z., SPIEGEL, Handelsblatt, Welt & Co.,
            Und? Konkurrenz belebt doch auch nach neoliberalem Dogma das Geschäft!

            Und bitte, wer fast 7 Milliarden Euro Gebührengelder zur Verfügung hat, braucht wirklich keine Sorge der Verdrängung zu haben.
            Augenscheinlich halten sie alle ihre Leser für so blöd, dass nicht auffällt, wie sie mal eben so die kritisch hinterfragte Aussage, die da war
            diese Sender eine Unmenge an Geld, dass sie … in … die Verdrängung seriöser privater Angebote stecken.
            umkehren. Diese „Verarsche“, ist das ihr Respekt gegenüber ihren Lesern, Herr Pietsch?

            In einem Punkt muss ich leider Pietsch zustimmen: der Auftrag ist Grundversorgung und nicht Unterhaltung. All die vielen und teuren Unterhaltungssendungen und insbesondere die extrem teuren Sport- oder Fussballsendelizenzen sind Geldverschwendung und sollten daher aufgegeben werden.

            Anscheinend, weil die Energieeffizienz zu einer Profitabilität jenseits von Subventionen nicht ausreicht.
            Neoliberale Desinformationspropaganda.

            Diskussionen der Art „Das Ende des Kapitalismus“ mag ich dagegen überhaupt nicht.
            Ich auch nicht. Weils sinnlos ist. Weil die meisten Menschen (und insbesondere Pietsch oder andere Neoliberale) nicht verstanden haben, was Kapitalismus ist und was nicht und wie er funktioniert. Und dass er sich höchstwahrscheinlich nicht abschaffen lässt.
            Aber Neoliberalismus, diese Geißel und Pest der Menschheit, unter der immer größere Teile der Weltbevölkerung leiden, ließe sich, hinreichend politischen Willen vorausgesetzt, ohne weiteres abschaffen. Damit würde es sehr, sehr vielen Menschen besser gehen. Aber dieses Thema dürfte Pietsch noch weit weniger mögen.

          • CitizenK 3. Juli 2017, 11:51

            „die ÖR erhalten ja gerade Gebühren, damit sie nicht auf Einschaltquoten angewiesen sind“

            Eigentlich. Trotzdem müssen sich die Programm-Macher im Rundfunkrat dafür rechtfertigen, wenn die Einschaltquoten nicht stimmen.
            Die Frage nach den seriösen „privaten“ Angeboten haben Sie nicht beantwortet. Dabei zeigt sich gerade hier, dass das Dogma von der Qualitäts-Steigerung durch Wettbewerb auf diesem Gebiet nicht nur nicht funktioniert, sondern kontraproduktiv wirkt. Die Privatisierung bewirkt eine Nivellierung nach unten. Berlusconi lässt grüßen.

            • Stefan Pietsch 3. Juli 2017, 12:11

              Jemand, der ein paar hunderttausend Euro Jahresgehalt einstreicht und nicht die Eier hat, gemäß Auftrag und Vertrag seine Arbeit zu erledigen und dies zu verteidigen, sollte eher Flaschen sammeln gehen. Sorry, bin gerade auf Krawall gebürstet.

              Wer bestimmt eigentlich, was seriös ist? Wollen Sie wirklich den genannten Anbietern bestreiten, nach journalistischen und wissenschaftlichen Standards Informationen zu sammeln und zu verbreiten? Nicht ernsthaft, hoffe ich. Aus meiner Sicht liefern die Macher und Journalisten dieser Medien mindestens so gute und vielfältige Arbeit ab wie die von Ihnen so hochgelobten Öffentlich-Rechtlichen.

              Die von Ihnen beobachtete Nivellierung nach unten ist doch eher bei ARD und ZDF zu beobachten. Alberne Serien statt Informationssendungen, an der Kinokasse durchgefallene Durchschnittsware aus Hollywood statt Klassiker der Filmgeschichte – und das ganz bewusst. Haben Sie gestern die Berichterstattung rund um den Confed-Cup gesehen? Das kann Sky eindeutig besser und mit fundierteren Hintergrundinformationen, als dieses inhaltsleere Gelaber. Umgekehrt schreiben die ARD-Journalisten sehr häufig bei ihren Kollegen vom Print und Online schlicht ab. Bei den in Deutschland meistzitierten Medien landen ARD (11.) und ZDF (14.) gerade mal auf hinteren Plätzen, peinlich angesichts der Etats, die zur Verfügung stehen.
              http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/meistzitierte-medien-spiegel-weiterhin-vor-bild-a-807198.html

              • Logos 3. Juli 2017, 16:16

                Jemand, der ein paar hunderttausend Euro Jahresgehalt einstreicht und nicht die Eier hat, gemäß Auftrag und Vertrag seine Arbeit zu erledigen und dies zu verteidigen, sollte eher Flaschen sammeln gehen.
                Was was bedeutet „Arbeit zu erledigen“ konkret? Sie schrieben doch selbst zuvor: Grundversorgung! Exakt das hätten Sie den „Einschaltquoten“ kontern müssen, wenn sie wenigstens innerhalb ihrer eigenen „Argumentation“ blieben. Aber dann könnten sie nicht mehr o.g. Vorwurf erheben.

                In diesem Kontext: Banker haben durch Fehlspekulation ihre Banken an den Rand des Riuns getrieben oder darüber hinaus. Offensichtlich haben die ihre Arbeit NICHT gemacht. Wären sie dann für deren Entlassung – und zwar ohne vorher Boni einzustreichen?

                Sorry, bin gerade auf Krawall gebürstet.
                Kein Problem, gebe ihnen gern doppelt und dreifach zurück ;-P

                Wer bestimmt eigentlich, was seriös ist?
                Das war doch die Frager an >>>SIE<<<, die CitizenK stellte:
                Welche sind/waren das? Wer beurteilt die Seriosität?
                Und zwar aufgrund IHRER Einlassung:
                Verdrängung seriöser privater Angebote
                Wie wärs, Herr Pietsch, wenn sie ENDLICH die an sie gerichtete Frage beantworten?

                Wollen Sie wirklich den genannten Anbietern bestreiten, nach journalistischen und wissenschaftlichen Standards Informationen zu sammeln und zu verbreiten?
                Im haben sie im fraglichen Kontext (s.o.) UBERHAUPT NICHTS genannt! Im Gegenteil ist diese Frage immer noch offen.

                Sie sie sich mal das an:
                https://youtu.be/KEHG0viA4nU

              • CitizenK 3. Juli 2017, 18:52

                „mindestens so gute und vielfältige Arbeit…“

                Meinen Sie Scripted Reality und Gerichts-Shows, Barbara Salesch & Co. ?
                Nachrichten bei ntv sind zwar oft aktueller, aber reißerisch gemacht. Wie die Dokus dort. Bei den ÖR kürzt man bei den Dokus und buttert das Geld in Trash-Sendungen, in der falschen Hoffnung, die Denkfaulen wieder zurückzuholen. Ja, das ist falsch. Und ja, das Niveau der ÖR ist deutlich gesunken seit der Einführung des Kommerzfernsehens. In der Zeit davor wurde dem TV in Deutschland in im internationalen Vergleich immer hohe Qualität bescheinigt, wenn auch nicht ganz BBC-Niveau.

                Sagen Sie doch mal was zu Berlusconi, FoxNews und Breitbart.

                • Stefan Pietsch 3. Juli 2017, 20:21

                  RTL gehört zur F.A.Z.? Sat1 ist im Besitz des SPIEGEL-Verlages? Außerdem scheinen Sie keine Fernsehzeitung zu besitzen, zumindest keine, die mehr als 3 Programme abbildet: die Gerichtsshows sind seit Jahren aus den Programmen verschwunden, Barbara Salesch ist eine Gerichtsshow, müssen wir abziehen!

                  Ernsthaft: wenn jemand in seiner Paradedisziplin scheitert, taugt er nichts. Als z.B. Anis Amri in Berlin LKW fuhr, war CNN als erstes vor Ort. CNN, das ist ein amerikanischer News-Sender. Beim Doping-Skandal des Radsports vor einem Jahrzehnt machte gerade die ARD eine eher bescheidene Figur, denn dummerweise hatte man die Rechte an der Tour de France. Da war journalistische Aufklärung eher weniger gefragt. Das leisteten die Kollegen von SPIEGEL & Co.

                  Ich wundere mich, dass Sie so auf den Dokus herumreiten. Die Öffentlich-Rechtlichen kaufen die weitgehend auf dem internationalen Markt zu. Wer daran interessiert ist, wird bei Sky, Netflix und Amazon sehr umfangreich fündig. Die immerhin schaffen es auch, hochanspruchsvolle Serien auf die Beine zu stellen. Wenn Sie House of Cards sehen wollen – Sky. Oder meine Lieblingsserie: Bosch (Amazon). Fernsehen verändert sich dramatisch und es ist nicht erklärbar, warum der Bürger dafür insgesamt 8 Milliarden Euro jährlich aufbringen soll.

                  Sie kneifen zudem. ARD und ZDF machen völlig unnötig den Privaten in einem wichtigen Bereich, wo es Geld gegen gute Information zu verdienen gibt, Konkurrenz mit einer steuerähnlichen Abgabe. Und dazu grasen sie in der Haupteinnahmequellen, die Private haben: warum soll jemand für das Angebot von F.A.Z. zahlen, wenn die Tagesschau-App kostenlos ist? Und das Budget von Apple für Werbung beim Handelsblatt fällt auch kleiner aus, wenn man über das Erste bessere Reichweiten und dazu Rabatte erzielt.

                  Sagen Sie doch mal was zu Berlusconi, FoxNews und Breitbart.

                  Brauchen Sie die Selbstreferenzierung? In Italien gibt es keine Konkurrenz auf dem privaten Fernsehmarkt. Fox News ist ein Sender in den USA, dann müssen Sie ja auch CNN, NSBC und NBC erwähnen. Gerade in den Vereinigten Staaten ist der Senderauswahl vielfältig. Breitbart ist eine Nachrichten- und Meinungswebsite, dann können wir uns gleich über die Nachdenkseiten unterhalten. Meinen Sie ernsthaft, wenn die USA ein gebührenfinanziertes Fernsehen nach deutschem Vorbild hätten, gäbe es Internetseiten wie Breitbart nicht?

                  • CitizenK 4. Juli 2017, 03:42

                    (Sorry, mit „reply“ lande ich hier)

                    @ In Dubio

                    Sie können es offenbar nicht: auf der sachlichen Ebene bleiben. Ist die Krawallbürste hier oder außerhalb zu suchen? Egal. Ich ignoriere das weiterhin.

                    Ich hab verstanden: Auch Sie wollen die ÖR nicht besser machen, sondern abschaffen. Gute Dokus kaufen die ÖR bei der BBC, bisher nicht „privatisiert“.

                    Ihr Hauptanliegen ist offensichtlich, nicht-staatlichen Unternehmen Einnahmequellen zu sichern. Im Medienbereich macht man das, indem man an niedrige Instinkte appelliert, siehe BILD – und eben RTL.

                    Für mich ist Qualität, wer am besten recherchiert und analysiert. Auch da rauf ich mir oft die Haare wegen den ÖR. Qualität ist für Sie offenbar , wer am schnellsten vor Ort ist. Schnellschüsse, Sensationen – ist das der Stoff, aus dem Fernsehen gemacht werden soll?

                    Serien, Serien. Unterhaltung können die Kommerzleute besser, das bestreite ich nicht. Die Leute, vor allem die jungen, gucken ja nichts anderes mehr. Für Politik und Geschichte bleibt da keine Zeit, der Tag hat immer noch nur 24 Stunden.

                    Wir amüsieren und entertainen uns zu Tode. Geschäfte machen kann man dann trotzdem, sogar besser.

                    • Stefan Pietsch 4. Juli 2017, 07:59

                      Mein Ton, gerade im persönlichen Umgang, ist des Öfteren flapsig. Nachdem wir Onlineangebote der Medien ausgetauscht haben, führten Sie Billigproduktionen von RTL und Sat1 an. Auch der Einwand zu Fox News war der Versuch, die Debatte in eine bestimmte Meinungsrichtung zu zwingen. Dagegen wehre ich mich, aber wenn Sie das Gefühl haben, ich wollte Ihre Integrität untergraben, so tut mir das leid. Die Bemerkung zur doppelten Zählung war eine Anspielung auf Dalli Dalli, das in der früheren Zeit donnerstags lief.

                      Sie haben einen nostalgisch geprägten Blick auf die Dinge, was ich nicht nur sympathisch, sondern auch vertraut finde. Leider hat die Wirklichkeit damit nichts zu tun. Wir müssen die Realitäten wahrnehmen. So wird es ein Zurück zu der Welt ohne privates Fernsehen nicht geben. Im Gegenteil: inzwischen müssen RTL, Sat1 und ProSieben um ihr eigenes Überleben kämpfen, das Fernsehverhalten ändert sich dramatisch. Die Menschen holen sich ihre Informationen, wann sie es zeitlich wollen. Es macht keinen Sinn mehr, teure Serien zu produzieren, wenn der Zuschauer Staffeln seiner Lieblingsreihe an einem Wochenende durchschaut. Auch der Sport wandert zunehmend ins Internet ab, das andere Möglichkeiten des Sehens bietet.

                      In dieser Welt wirken die Öffentlich-Rechtlichen erst recht als wahre Dinosaurier einer untergegangenen Epoche. In Zeiten von Netflix und Amazon Prime verlieren Einschaltquoten an Bedeutung, es zählt die Referenz. Und dazu ist es natürlich notwendig, den Zuschauer dann abzuholen, wenn er dazu bereit ist – und nicht das Programmschema. Nie wurde dieser Anachronismus so offensichtlich wie im letzten Jahr, als im Internet bereits ausführlich von den Terroranschlägen zu lesen war, bevor auch die selbsternannten Informationssender ihre Zuschauer nicht mehr auf die Folter spannen wollten. Ähnlich bei Sportübertragungen: das Entertainment hat sich längst ein Stück überlebt, der Interessierte möchte semi-professionelle Informationen zu Taktik, Formationen und Spielsystemen.

                      ARD und ZDF haben in den letzten Monaten zahlreiche teure Übertragungsrechte verloren, und zwar nicht nur an die private Konkurrenz – die ist außen vor. Auch nicht so sehr an Pay TV, sondern an das Internet. Angesichts dessen, dass der Staat eine faktische Steuer erhebt, ist dafür vielleicht ein Wert von 6-8 Euro im Monat angemessen, aber never ever 17,50 EUR.

                      Ich bin kein Revolutionär. Ich will den Staatsfunk nicht abschaffen so wenig, wie ich für eine Flat Tax kämpfe. Aber alles muss ein Maß haben. Und was ist das für ein Fernsehen, das dem allgemeinen Interesse dienen soll, in dem eine relevante Partei (AfD) vor einer regionalen Wahlkampfrunde auf Betreiben einer Regierungspartei ausgeladen wird? Und was ist das für ein Fernsehen, dass sich im satirischen Teil immer noch am Muff der Siebziger und Achtziger Jahre erschöpft mit breiter Sympathie für eine links-populistische Partei, die dies in Personen, Programm und Aussagen verkörpert? Ich finde eben nicht, dass die auch von mir bevorzugten Sender im 21. Jahrhundert angekommen sind.

                    • Jens 4. Juli 2017, 09:24

                      Ich bin kein Revolutionär. Ich will den Staatsfunk nicht abschaffen so wenig, wie ich für eine Flat Tax kämpfe. Aber alles muss ein Maß haben. Und was ist das für ein Fernsehen, das dem allgemeinen Interesse dienen soll, in dem eine relevante Partei (AfD) vor einer regionalen Wahlkampfrunde auf Betreiben einer Regierungspartei ausgeladen wird? Und was ist das für ein Fernsehen, dass sich im satirischen Teil immer noch am Muff der Siebziger und Achtziger Jahre erschöpft mit breiter Sympathie für eine links-populistische Partei, die dies in Personen, Programm und Aussagen verkörpert? Ich finde eben nicht, dass die auch von mir bevorzugten Sender im 21. Jahrhundert angekommen sind.

                      Was die Sache mit der AFD angeht haben sie meine volle Zustimmung. Nein, ich wähle die nicht und sympathisiere auch nicht mit der AFD. Aber wenigstens die Staatsmedien müssen politisch neutral sein. Ansonsten haben sie jegliche Daseinberechtigung verloren. Die Linke wurde übrigens ebenfalls zu eine Talkshow nur am Katzentisch eingeladen, dafür durfte die FDP aufs Podium.

                      Was ihre Einstellung zu Satire angeht, widerspreche ich ausdrücklich. Was „Die Anstalt“ ausstrahlt ist faktenbasiert, die Interpretation der Daten mag hingegen nicht der von ihnen bevorzugten Deutung in ihrer Filterblase entsprechen 😉 Es gibt meist einen Faktencheck dazu im Nachgang im Internet.

                      Die Aussagen, zu Rente, Vermögens- und Einkommensungleicht, „der Anstalt“ haben mehr Substanz als alles was in der FAZ steht oder vom Sachverständigenrat an Ergüßen produziert wird. Dito zu Handelsbilanzüberschüssen.

                      Die Aussagen des Sachverständigenrates und einige Artikel der FAZ zum Thema AußenhandelsÜBERSCHÜSSE ist schlicht niveaulos und ist noch nicht mal neoliberal, sondern einfach nationalistisch verblendet und im höchsten Maße antieuropäisch. Die VWLer im Aussland sehen das zum überwiegenden Teil anders als unsere „Experten“. Selbst der deutsche Prof. Sinn – gewiß kein Linker – sagt dass Deutschland nur noch kalligrafische Produkte im Gegenzug für seine Waren erhält.

                      Wir haben ein generelles Problem mit den sogeannten Qualitätsmedien. Die Meinungsvielfalt hat deutlich abgenommen, wohl eine Ursache der Konzentration in den konventionellen Medien auf Grund wegbrechender Werbeeinhamen durch das Internet. Die Aussage von Prof. Sinn von oben habe ich nur in einem Youtube Video gefunden, wieso wird wohl ausgerechnet Prof. Sinn der sonst in diversen Talkshows zu Gast nicht von Frau Maischberger zu diesem Thema eingeladen?

                      Stattdessen ein riesengroßer Wirbel über die Homoehe. Mein Güte von mir aus können Kaninchen und Katzen heiraten, kurze Notiz auf Seite 3 und gut ist. Wir haben größere Probleme in Europa und der Welt.

                    • Stefan Pietsch 4. Juli 2017, 09:40

                      Nein, ich wähle die nicht und sympathisiere auch nicht mit der AFD.

                      Müssen wir uns so etwas gegenseitig bestätigen? Ich habe Maßstäbe. Daran messe ich Sachverhalte, unabhängig vom Ergebnis.

                      Was „Die Anstalt“ ausstrahlt ist faktenbasiert, die Interpretation der Daten mag hingegen nicht der von ihnen bevorzugten Deutung in ihrer Filterblase entsprechen.

                      Wo ist da Ihr Maßstab? Ist Ihr Maßstab, was Ihnen passt? Dass ausgerechnet Kommunikations- und Rechtswissenschaftler ökonomische und statistische Sachverhalte stets punktgenau interpretieren können, halte ich doch für weit hergeholt. Und auch die heute-Show kennt nur einen Gegner. In beiden Satiresendungen wird die Linke praktisch nie aufs Korn genommen. Ich sehe gerade die Sendung von Oliver Welke sehr gern – aber dass sie einen sehr klaren linken politischen Einschlag hat, lässt sich nicht ernsthaft bestreiten.

                  • Logos 5. Juli 2017, 21:08

                    Wo ist da Ihr Maßstab?
                    Fakten! Aber wo ist ihrer?

                    Ist Ihr Maßstab, was Ihnen passt?
                    PROJEKTION! Da kein anderer sich die Dinge so sehr zurechtbiegt wie sie, trieft ihre Frage vor unfreiwilliger Selbstbezüglichkeit.

                    Dass ausgerechnet Kommunikations- und Rechtswissenschaftler ökonomische und statistische Sachverhalte stets punktgenau interpretieren können, halte ich doch für weit hergeholt.
                    Was für eine Auszeichnung! Wenn sie das für weit hergeholt halten, dann wird viel dran sein. Das nennt sich übrigens mit gutem Grund FAKTENCHECK, was die Anstalt präsentiert. Ihre „Interpretation“ hingegen ist in wirtschaftlichen Fragen wiederholt im Gegenteil von Fakten zu finden. Soviel zu „punktgenau“. In diesem Kontext sei ihnen folgendes Zitat entgegengeschmettert:

                    „Der wohl hervorstechendste und auch erschreckendste Aspekt der deutschen Realitätsflucht liegt in der Haltung, mit Tatsachen so umzugehen, als handele es sich um bloße Meinungen.“
                    – Hannah Arendt

              • CitizenK 3. Juli 2017, 18:53

                Pardon, falsche Rubrik.

                • CitizenK 4. Juli 2017, 09:31

                  Diesem Statement kann ich weitgehend zustimmen, vor allem was die geänderten Sehgewohnheiten betrifft. Damit können wir dieses Thema abschließen.

                  Nur das noch: In der Rundfunkgebühr ist nicht nur ARD und ZDF und die Dritten und alpha eine Menge Digitalradio drin, sondern auch 3sat und arte. Ohne Werbeunterbrechungen (bei vielen Filmen eine Kulturschande) Und das Kulturprogramm des Schweizer Fernsehens ist super. Mir ist die Gebühr nicht zu hoch. Schon einmal im Monat Kino für zwei kostet mehr.

      • Logos 3. Juli 2017, 11:03

        Ich weiß nicht:
        Diesem Statement kann ich ausnahmsweise vollumpfänglich zustimmen
        entweder wir sind vom mündigen Bürger überzeugt, dann müssen wir der Weisheit des Wählers vertrauen. Oder wir haben eine Grundskepsis.
        Entweder/oder? Wie sich diese Simpeldenke im Lichte der Wahrheit auflöst:
        Man kann sowohl vom dem Ideal und Ziel des mündigen Bürgers überzeugt sein bzw. ausgehen als auch das Realitätsbewußtsein besitzen, dass die harte Wirklichkeit dem leider nicht entspricht – z.B. infolge miserabler Aufklärung durch Mainstreammedien, neoliberal durchseuchter Politik und/oder eines Bildungsystems, welches kaum kritisch nachdenkenden Menschen heranbildet.

        Dann erscheint es wenig vernünftig, die Zukunft eines Landes in eine simple Ja / Nein-Frage zu packen und dies willkürlichen Mehrheiten – und seine eine ist eine einfache Mehrheit mit geringen Quorumanforderungen – zu überlassen.
        Stimmt: mehr Demokratie, Volksentscheide und Bürgerbegehren in Sachfragen wären wünschenwert. Und in der Tat sollte in allen Wahlen hohe Quorumsanforderungen eingezogen werden, damit „nicht-wählen“ auch signifikant wird.

  • Logos 1. Juli 2017, 12:17

    Zu Ihrem praktischen Vorschlag:
    Die relative Vielfalt der Medienlandschaft, die wir in D noch haben, verteidigen. Also z. B. die Vorstöße aus CDU/CSU zur Abschaffung des ÖRR abwehren.
    Ja, unbedingt sollte dem Ansinnen Widerstand geleistet werden. Im dem Kontext könnte man gleich für mehr Staatsferne der öffentlichen eintreten; keine Einmischung von Politikern mehr:
    http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/was-oeffentlich-rechtliche-sender-und-politik-verbindet-14033898.html

    Aber es geht doch weiter: wenn Sie korrekterweise für Vielfalt sind, dann muss man sich auch gegen dem Zensuransinnen des NetzDG entgegenstemmen, welches brandaktuell verabschiedet wurde:
    https://heise.de/-3759860 und zwar mit Stimmen von Union UND SPD. Da unterscheidet sich die SPD kein bisschen von der CDU: alle entsprechenden Schweinereien hat die SPD stets mitgetragen – selbst dann, wenn sie nicht in einer Koalition mit der Union steht (zum Beispiel Internetsperren).

    Übrigens auch ein wesentlicher Unterscheidungspunkt zwischen den Parteien. Bei der Abschaffung des ÖRR ja, bei der Durchsetzung eines sonnenklar verfassungswidrigen Zensurgesetzes heise.de/-3754565 NEIN! Heiko Maas als SPDler ist DER Vorreiter in Sachen verfassungswidriger Gesetze, die Bürgerrechte abbauen!

    Wer der SPD in ihrer derzeitigen Verfasstheit (was Schulz eindeutig einschließt) noch seine Stimme schenkt, der ist entweder ignorant, inkompetent, verblendet oder nicht mehr klar bei Verstand. Dass die anderen etablierten Parteien (die Linke in Teilen ausgenommen) ebenso unwählbar sind, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Alle Wähler, die dem zum Trotz dennoch neoliberal durchseuchten Parteien (Union, SPD, FDP, Grüne, AfD) die Stimme schenken, trifft große Schuld an den schlimmen und immer schlechter werdenden wirtschaftlichen und sozialen Zuständen.

    Wenn also Herr Sasse von „Schuld der Wähler“ spricht, dann fällt das auf ihn als mutmaßlichen SPD-Wähler zurück! Dafür gibt es auch keine Entschuldigung. Da bedarf es auch keines Konjunktivs „wären“ im Kontext von Desaster: Sie, Herr Sasse, WÄHLEN doch das Desaster! Dennoch beschleicht mich das Gefühl, dass Sie, Herr Sasse, die Mitschuld und Mitverantwortung an einen System von sich weisen, von dem Sie selbst sagen, dass es „für ziemlich viele Leute ziemlich mittelprächtig ist“ – was einen klaren Euphemismus darstellt.

  • Rauschi 2. Juli 2017, 09:16

    Ich habe gerade einen Clip gesehen, in dem Amerikaner sich für Corbyn begeistern und sich jemanden wie Ihn wünschen. Da Ihr ja auch oft auf amerikanische Quellen verweist, poste ich mal den Link.
    Kenne Ihr dies Show? Der beste Satz war in Bezug auf die Medien:
    Blame that Guy in The Mirror.
    https://www.youtube.com/watch?v=8RsSPOcVcNM
    Passend dazu einen Artikel von Prof Sell, warum sich die Jugend in den USA so etwas altmodisches wie die 80ger zurück wünscht, weil es Ihren Eltern zu dieser Zeit tatsächlich besser ging:
    Auszug: [»Millennials began to enter the workforce during the most severe global economic crisis since the Great Depression, and their present and future economic decisions will be shaped by the historic upheaval in housing, financial, and labor markets they faced at the onset of adulthood. Millennials must also contend with other emerging issues critical to their prospects of building wealth, such as the rapidly escalating cost of higher education and uncertain retirement income.«
    » Between ages 25 and 34, the typical millennial’s net worth was about 60 percent that of the typical baby boomer at the same age. And although baby boomers and Gen Xers looked similar in young adulthood, Gen Xers are currently faring worse than their baby boomer counterparts at the same age, due in part to the Great Recession.«]
    Quelle: https://aktuelle-sozialpolitik.blogspot.de/2017/06/kinder-der-krise.html
    Nicht als Entschuldigung für irgendetwas, sondern als Erklärung. Es bezweifelt wohl niemand, die Wähler für den Ausgang einer Wahl verantwortlich sind, ich verstehe den Tenor des Artikels immer noch nicht.

    Gruss Rauschi

  • Logos 2. Juli 2017, 12:25

    Wer trotz der hier offen gelegten Fakten
    https://aufwachen-podcast.de/2017/06/27/a215-arroganz-der-macht/
    noch seine Stimme an die SPD verschenkt,
    den trifft in der Tat die Hauptschuld!

    Vermutlich war es nicht ganz zu Ende gedacht, dass die Vorwürfe, die sich gegen Trump-Wähler richten, nun auf SPD-Wähler zurückfallen (und Wähler aller anderen etablierten Parteien und AfD aufgrund anderer fundamentaler Verfehlungen ebenso – Linke teilweise ausgenommen).

  • CitizenK 4. Juli 2017, 10:39

    Das mit der „Anstalt“ war nicht ich. Der Thread wird langsam unübersichtlich.

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