Das Ende der SPD als Volkspartei

Zwei vernichtende Wahlniederlagen gegen Angela Merkel und tektonische Veränderungen in zahlreichen Bundesländern mit zahlreichen Demütigungen durch die Wähler haben vor Augen geführt: die SPD kann nicht mehr als Volkspartei bezeichnet werden. Ihr fehlt inzwischen das, was eine Partei auszeichnet, die für breite Schichten wählbar ist: die tiefe Verankerung in der Gesellschaft. Die sozialdemokratischen Führungen haben in den vergangenen 10 Jahren gegen diesen Bedeutungsverlust angekämpft, doch sie haben den Kampf verloren. Als Nummer 4 im Parteienspektrum – so zumindest das Ranking in zwei der drei letzten Wahlen – kann die Sozialdemokratie keine Ansprüche auf Chefsessel erheben.

Wie konnte es zu diesem Abstieg der Alten Tante kommen? Wer an dieser Stelle ein tiefsinniges polittheoretisches Seminar und die Empfehlung des Königsweges erwartet, wird enttäuscht werden. Es gab seit 2005, ja eigentlich schon seit Ende der 1980er Jahre viel über den Verlust der sozialdemokratischen Milieus zu lesen. Sie hatten jedoch alle Makel: entweder verstanden sie die Besonderheit der linken Wähler nicht oder sie waren interessengeleitet. So besagt eine populäre Analyse, der SPD seien die Arbeiter in den Kohlebergwerken weggebrochen und damit ihre Stammwählerschaft dramatisch geschrumpft. Das ist sicherlich richtig, aber diese Wertung beschränkt sich nicht auf die Partei Willy Brandts. Nach einer Allensbach-Studie für das Konrad-Adenauer-Haus kann auch die politische Konkurrenz der Union sich nur noch auf 28,5% des Elektorats verlassen, der Rest muss am freien Wählermarkt gewonnen werden. Die FDP muss seit ewigen Zeiten ihre Stimmen hart erkämpfen, nur die Grünen und die LINKE können auf einen hohen Anteil Stammwähler vertrauen.

Eine andere Theorie besagt, die SPD habe mit den Arbeitsmarktreformen des Niedersachsen Gerhard Schröder ihre Herkunft als Partei der kleinen Leute verraten, weswegen ihr die Arbeiter und Arbeitslosen nicht mehr vertrauen würden. Auch diese Analyse hat deutliche Schwächen und lässt sich eben nur in Teilen mit Zahlen belegen. Richtig ist daran lediglich, dass die SPD 2005 und 2009 einen wesentlichen Teil ihrer Unterstützer an das Lager der Nichtwähler verloren hat. Da jedoch die Wahlbeteiligung nicht in gleichem Maße gesunken ist, gewannen andere Parteien, allen voran die Konservativen wie auch zeitweise die FDP, Stimmen hinzu. Ebenso konnte die LINKE mit einem SPD-Wahlprogramm aus den 1970er Jahren nicht punkten. Weitere Parteistudien zeigen, dass die SPD-Anhänger längst ihren Frieden mit den Hartz-Gesetzen gemacht haben, sie unterscheiden sich da kaum vom Rest der Gesellschaft.

Andererseits sind viele prekär lebende Menschen – Langzeitarbeitslose, Arbeiter, geringfügig Entlohnte – für die SPD nicht mehr erreichbar. Doch diese Schichten gingen schon viel früher verloren. Bis weit in die 1990er Jahre waren sie an die Sozialdemokratie gebunden, gefüttert mit teuren Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) und regelmäßigen Forderungen nach Erhöhung und Ausweitung des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe. Doch das tat sie ohne Regierungsverantwortung und in Zeiten rasant steigender Staatsverschuldung wegen der Folgekosten der Wiedervereinigung. Einem Praxistest wurde diese Politik in den 1980er und 1990er Jahren nicht unterzogen. Schröders Wahlsieg 1998 gründete auf einer breiten Phalanx von Wählerschichten: reformfreudige Milieus des Bürgertums, die danach sukzessive zur FDP abwanderten und 2013 zur Union weiterzogen, vermischten sich mit der starken Stellung bei den Arbeitern und reformscheue Alte, die durch die Blüms Rentenreform ihren herausgehobenen finanziellen Status bedroht sahen.

Schröder und Lafontaine bedienten sie im Wahlkampf 1998 alle. Den einen versprach man ein Aufbrechen der Verkrustungen am Arbeitsmarkt sowie Erleichterungen für Unternehmen wie Unternehmensgewinne. Die anderen wurden mit dem Versprechen geködert, die zaghaften Reformen der letzten Kohl-Regierung zurückzudrehen. Mit solch einem kräftigen „Sowohl als auch“ lassen Wahlen sich kurzfristig gewinnen. Die Quittung erreichte die SPD jedoch bereits in den Monaten danach, als zahlreiche Ministerpräsidentensessel verloren gingen und 2002 viele Wähler sich wieder abwandten. Rentner wechselten zum Kanzlerkandidaten Stoiber, von dem Reformunmut der Schröder-Regierung Enttäuschte stärkten die Liberalen, deren Aufstieg damals begann. Und die Arbeiter? Wechselten zunehmend ins Lager der Nichtwähler.

Der Wahlsieg der rot-grünen Bundesregierung 2002 gegen den eigentlich schwer vermittelbaren Gegenkandidaten Edmund Stoiber war denkbar knapp. Gerhard Schröder selbst sank im Herbst 2002 nach einem kräftezehrenden Wahlkampf ermattet in den Sessel und ließ die Koalitionsgespräche treiben. Sein Leitfaden bestand aus personalpolitischen Maßnahmen, die Fingerzeige zuließen. So überredete er den SPD-Rechtsaußen Wolfgang Clement, als Superminister für Wirtschaft und Arbeit in seine Regierung einzutreten. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen war extrem wirtschaftsfreundlich. Aber kein Stratege. Am Ende war er fachlich eine Enttäuschung im Amt.

Schröder scheint sich in diesen Monaten entschieden zu haben. Zwischen was, darüber lässt sich nur spekulieren. Die Darstellung des Niedersachsen lautet, er habe dem Wohl des Landes eher dienen wollen als seiner Partei. Das kann sein. Er entschied sich aber auch, welcher Wählergruppe er sich mehr andienen wollte, nolens volens. Die Arbeitsmarktreformen in den Jahren 2003-2005 machten der SPD die Gewerkschaftsfunktionäre und deren Mitglieder sowie weitere Arbeitslose abspenstig. Als Auffangbecken gründete sich die WASG, die bereits kurz nach ihrer Gründung in der PDS aufging.

Darüber lässt sich leicht richten. Tatsächlich brachen Schröder durch seine Politik der „ruhigen Hand“ die relevanten Wählerschichten weg, die ihn überhaupt ins Amt gebracht hatten. Er war damit in einem klassischen Dilemma und traf eine ähnliche Entscheidung, wie später seine Nachfolgerin Angela Merkel. Er verabschiedete sich von den schrumpfenden Traditionsbataillonen und setzte auf Gewinne im freien Wählermarkt. Die Rechnung konnte aufgehen, hätte Schröder nicht im Laufe des Jahres 2005 die Lust an der Politik verloren. Jedenfalls führte er im Herbst des Jahres nach krachenden Wahlniederlagen die Neuwahl des Bundestages herbei. Der rote Fürst bestreitet zwar, auf Niederlage gesetzt zu haben. Seinen Abschied aus der Politik hatte er da jedoch fest im Auge. Nahezu sensationell hätte Schröder damals fast sein Amt verteidigt in einer aufgeheizten Atmosphäre. Wieviel größer wären seine Chancen 2006 zum regulären Wahltermin gewesen?

Mit dem Eintritt der SPD in die Große Koalition unter Merkel gab es für viele keinen sachlichen Grund mehr, weiter SPD zu wählen, entsprechend schrumpfte die Zustimmung zur linken Volkspartei auf den harten Kern. Damit unterliegt die Sozialdemokratie dem Grundproblem vieler Mitte-Links Parteien, die keine Attraktivität über ihre angestammten Milieus ausstrahlen. Dies ist ein Phänomen, das für die meisten westlichen Demokratien gilt, egal ob sie nun Labour, PS (Frankreich), PASOK, PSOE (Spanien) oder Partito Democratico heißen.

Betrachten wir für einen Augenblick Parteien als Unternehmen, wird das Schwäche sichtbarer. Sowohl Konservative wie ihr sozialdemokratisches Pendant leiden seit Jahrzehnten darunter, dass ihre Stammkundschaft schrumpft, wegstirbt, sich anderen Interessen zuwendet. Konservative und Liberale tun sich mit der Anpassung leichter, sie definieren sich seit jeher eher funktionaler. Sie sind mehr Organisation zur Machterlangung und Machtausübung, als ideologische Heimstätten. Die FDP wandelte sich von einer nationalistisch geprägten Honoratiorenpartei zu einer Klientel- und Funktionsorganisation in Zeiten der deutschen Nachkriegsrepublik. Anschließend erlebte sie eine Transformation zu einer populistischen Steuersenkungspartei während der Ägide von Westerwelle, die ihr Ende mit der Machterringung 2009 erlebte. De-Gelistet, musste mit dem Rausschmiss aus dem Bundestag die Häutung auf die vermuteten Kernkompetenzen, Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit, her.

Die Sozialdemokratie tut sich da naturgemäß schwerer. Vom Selbstverständnis betrachtet treten Linke dazu an, die Welt revolutionär zu verändern. Sie leiden dabei unter einer Schizophrenie: Im Gestus wollen sie die Revolution, im täglichen Leben ist der typische SPD-Wähler ein Bürohengst im Öffentlichen Dienst. Und so wird behauptet, die SPD wäre immer die Partei der Arbeiter und Arbeitslosen gewesen, der zu kurz gekommenen in der Gesellschaft. Da ist viel Legende dabei. Tatsächlich lebte die Wählerschaft der Partei lange von einer Symbiose von trögen Verwaltern, Gewerkschaftskämpfern, Aufsteigern aus der Unter- und Mittelschicht sowie der kulturellen Intelligenzia. Letzteres hat keine Bedeutung mehr in einer Zeit, wo der Großteil der Gesellschaft selbst zum Bildungsbürgertum gehört. Aus Arbeitern wurden Arbeitslose, deren politisches und gesellschaftliches Engagement erlahmt, je länger sie im Nichtstun geparkt sind. Die Verwalter werden von den Grünen auf der einen, von der LINKEN auf der anderen Seite besser bedient, die entweder Hipp oder Klassenkampf glaubwürdig anbieten können. Und der Gruppe der Aufsteiger erklären die Funktionäre, es gäbe keinen gesellschaftlichen Aufstieg mehr. Das widerspricht zwar den Zahlen der Bevölkerungsforscher, welche die Gesellschaft immer noch als relativ durchlässig ansehen. Und es steht im Kontrast zum Augenschein mit einer Rekordzahl an Studenten, von denen der Großteil Aussicht auf ein überdurchschnittliches Einkommen hat. Doch selbst wenn es nicht so wäre, zerstört es die Story, eine Partei zu wählen, die eben für diesen gesellschaftlichen Aufstieg eintritt.

Dieses Verspielen des eigenen Kapitals ist kein Einzelfall in der jüngeren Geschichte der Sozialdemokratie. Die Arbeitsmarktreformen haben insbesondere die eigene Klientel ins Mark getroffen, doch sie brachten auch überraschend schnell eine wirtschaftliche und damit politische Rendite hervor. Den Ertrag wollten die Spitzen der Partei, von Ausnahmen abgesehen, nicht für sich reklamieren. Es waren aus Parteisicht Früchte vom Verbotenen Baum. Aber Geld, das auf der Straße liegt, wird aufgehoben und so wird heute Angela Merkel als diejenige angesehen, unter der es in Deutschland wieder wirtschaftlich aufwärts ging. Diejenigen, die das nicht so sehen, haben sich dagegen ohnehin von der SPD abgewandt. Zusammengefasst: Viel gemacht und bewirkt, nichts bekommen.

Es ist ein Drama: Die Partei, ihre Funktionäre und Spitzen haben kein Feeling für erntereiche Felder. Unter Merkel hat sich die CDU nach Ansicht der meisten politischen Beobachter stark sozialdemokratisiert. Sie tritt heute für Forderungen ein, die vor einer Dekade noch dem linken Lager zugerechnet wurden: Atomausstieg, Homoehe, großzügige Asylpolitik, Mindestlohn, mehr Erwerbstätigkeit von Frauen, staatliche Kinderbetreuung, Abschaffung der Wehrpflicht, Ausweitung der Krankenversorgung wie Verlängerung des Arbeitslosengeldbezugs, Umgestaltung des Ehegattensplittings. Die Liste ist sehr lang. Die Kanzlerin ist dabei intelligent genug, das mit Einsprengseln bürgerlicher Politik zu garnieren. Im letzten Bundestagswahlkampf war die Durchsetzung des ausgeglichenen Haushalts die einzige substanzielle Forderung der Union. Das reicht, um die SPD von der Mitte der Gesellschaft immer weiter zurückzudrängen. Ohne Rücksicht auf Copyright-Rechte hat man dann noch den SPD-Slogan von 1998 gekapert. „Die Mitte“.

Weicht die SPD zurück, erscheint sie in den Augen des Publikums extremer, unsympathischer. Hält sie dagegen, hat sie kein Unterscheidungsmerkmal. Wäre die Partei ein Unternehmen, würde sie eine andere Strategie an den Tag legen: Nimmst Du mir meine Kunden, nehme ich Dir Deine. Die Klientel, die von der CDU nicht mehr bedient wird, könnte von der SPD übernommen werden. Denn die Politik Merkels hat abseits ihrer überragenden Popularität, die sich durch die Abstinenz von Konkurrenz erklärt, viele Unzufriedene hervorgebracht. Aber Parteien sind keine Unternehmen, sie gehen manchmal lieber in die Insolvenz, als den Überlebenskampf aufzunehmen.

So folgt die SPD in der Flüchtlingsfrage praktisch kritiklos der Kanzlerin, der Protest richtet sich eher gegen die Koalitionspartner von der CSU, welche die Eintracht stören wollen. Ignoriert wird das große Potential an Unzufriedenen, deren Unwillen viele Motive kennt. Wenn eine große Partei sich nicht um die 50, 60, 70 Prozent kümmert, die sich bei einer wesentlichen Frage nicht politisch vertreten fühlen, dann lässt sich das nur mit Dilettantismus beschreiben. Der Fehler aus der Eurokrise wiederholt sich damit, wo die Meinung der Bevölkerung diametral zum Parlament steht. Eine Sahra Wagenknecht weiß das wesentlich besser zu artikulieren. Allein, sie besitzt praktisch kein Vertrauenskapital.

Das ist auch so ein Ding, was die SPD häufig meint, straflos missachten zu dürfen. Menschen kaufen Produkte nicht allein, weil sie ihnen gefallen. Sie kaufen sie, weil sie Vertrauen in das Versprechen von Unternehmen haben. Wer das verspielt, kann noch so tolle Produkte im Angebot haben, er hat einen Krämerladen voll von Lagerhütern. Und so hob der Parteivorsitzende zum Bundestagswahlkampf 2013 Peer Steinbrück auf den Schild. Zu Beginn der Kampagne besaß der Hamburger hohes Ansehen und Glaubwürdigkeit quer durch alle Bevölkerungsschichten. Das änderte sich binnen Monaten, wenn nicht Wochen. Der Kandidat wurde mit einem Programm aus Steuererhöhungen und Regulierungsverlangen umstellt, das einem linken Bewerber vom Format Ralf Stegners gut zu Gesicht gestanden hätte. Proletenhafte, klassenkämpferische Auftritte taten ein Übriges. Es war, als würde der Autobauer Tesla Fahrzeuge mit Elektromotoren versprechen und Dieselstinker liefern. Mit dem ehemaligen Finanzminister wollte man die gutbürgerlichen Kreise ködern und mit dem Programm die Revolutionäre und irgendwie zu kurz Gekommenen bedienen. Ein solcher Spagat misslingt. Mehr, er macht unglaubwürdig. Das Wahlergebnis war entsprechend.

In der Unternehmensberatung gibt es von Boston Consulting ein sehr bekanntes Modell, die Produkte eines Unternehmens in eine Portfolio-Graphik zu packen. Dort gibt es Poor Dogs für Leistungen, die wenig gefragt sind und wenig Ertrag abwerfen. Am Ende stehen die Cash Cows mit hohem Ertrag und Nachfrage, aber geringem Wachstumspotential. Und es gibt Question Marks (Fragezeichen), also solche Produkte, die viel Potential bergen, aber bisher wenig zum Gesamtergebnis beitragen. Der SPD fehlt dabei eine Produktanalyse, sie hängt an Forderungen, die vielleicht populär, aber in der Summe ohne Ertrag sind.

Dies war bereits das Kennzeichen der Partei in den 1980er und 1990er Jahren, die sie bekanntlich in der Opposition zubrachte, und das trotz eines mäßig populären CDU-Kanzlers. Die Sozialdemokratie vermochte es damals nicht, aus der spektakulären Enkelgeneration von Brandt mit den geschmeidigen Lafontaine, Engholm, Schröder und Spöhr sowie modern anmutenden Programmen eine Erfolgsgeschichte zu schreiben. Typisch war die die Überschätzung des Potentials von Ökosteuern, Atomausstieg, Homoehe, Frauenquote, Arbeitszeitverkürzung. Hier wiederholt sich Geschichte. Heute steht die Sozialdemokratie für Mindestlöhne, Rente mit 63, Frauenquote, Rentenerhöhungen und kostenlose Kinderbetreuung. Vieles davon hat sie selbst in Regierungszeiten durchgesetzt. Allein, sie hat damit keinen einzigen Prozentpunkt Stimmen gewonnen. Beispiel Mindestlohn: Rund 2/3 der Deutschen befürworten das arbeitsmarktpolitische Instrument. Doch seit Merkels Regierungsantritt hat keine Partei mit der Forderung nach Lohnuntergrenzen eine Wahl gewinnen können. 2013 verloren gar die Mindestlohnbefürworter Grüne und LINKE, während die SPD nur marginal zulegen konnte.

Auch das Phänomen ist für Unternehmen nicht unbekannt: So befürwortet eine übergroße Mehrheit zwar Elektroautos, gekauft werden sie jedoch praktisch nicht. Und genauso wünschen sich manche Kunden bestimmte Features bei Produkten. Allerdings nur, so lange sie kostenlos angeboten werden. Es ist halt wichtig unterscheiden zu lernen: Sachen, die Kunden wollen und Sachen, die Kunden wollen und dafür bereit sind, dafür zu bezahlen. Die SPD jedenfalls macht sich zum billigen Jakob der Politik.

Auch das ist Linie. Nachdem die Partei hinter die Vulgär-Rechten der AfD zurückgefallen ist und in der Bevölkerung sich der Unmut über die Flüchtlingspolitik Bahn bricht, will Sigmar Gabriel die Unzufriedenen ziemlich plump nach nicht bewährtem Muster kaufen. Die Frage bleibt: wen will er gewinnen? Mit solchen Forderungen bestätigt er jene, die zuletzt AfD gewählt haben und ist das Eingeständnis falsch gehandelt zu haben. Das wird diese Wählergruppen kaum überzeugen frei nach dem Motto: schön dass er es einsieht. Diejenigen, die das aus welchen Gründen anders sehen, wird er damit weiter abschrecken.

Die Summe von Mosaiksteinchen ergibt noch lange kein erkennbares Bild. Und genau das fehlt der Sozialdemokratie. Sie ist eben mit heißem Herzen, der Verstand bleibt auf der Strecke. Die Politik der Partei hat sich in der Vergangenheit sehr stark an Idealen und Vergangenem orientiert, aber sie weiß nicht, eine marktkonforme Politik zu machen. Gerade in den letzten Jahren wurden Programmatik wie Regierungspolitik an dem Ideal großer, Gewerkschaftsdominierter Unternehmen ausgerichtet. Es ist die Heimat der Klassenkämpfer. Nur sehen Arbeitswelt und Gesellschaft heute anders aus. Bashing auf Unternehmen kommt auf der Bühne vielleicht gut an, solche Protagonisten verkennen jedoch, dass das eigene Unternehmen hohe Vertrauenswerte bei den Mitarbeitern genießt. Es ist ein ziemlicher Parforce-Ritt zu glauben, Unternehmen als Ausbeuter beschimpfen zu können und damit die Arbeitnehmer anzusprechen, die für das Unternehmen arbeiten.

Die Gesellschaft, zumindest in der Mehrheit, definiert sich heute nicht mehr durch Klassen und Klassengegensätze. Daraus abzuleiten, es gäbe keine unterschiedlichen Interessen, Schichten und demgemäß Ansichten, ist allerdings ebenso falsch. Fakt ist, aufgrund der Heterogenität gerade des linken Lagers, aber auch aufgrund eigener grober Fehler, hat die SPD schon seit Jahren aufgehört, Volkspartei zu sein. Sie schafft, anders als die konservative Konkurrenz, nicht mehr den Spannungsbogen vom einfachen Arbeiter zum sozial engagierten Unternehmer. Wohl registriert man im Willy-Brandt-Haus die großen gesellschaftlichen Umwälzungen, die Handelnden agieren jedoch wie der Vorstand eines ehemaligen Großkonzerns, der den eigenen Bedeutungsverlust beharrlich ignoriert. Gabriel & Co. glauben eben immer noch, im Prinzip alle wesentlichen Teile der Gesellschaft ansprechen zu können ohne zu merken, dass ihnen dazu Personen, Visionen, Strategie und Programmatik fehlen.

Das ist fatal, denn so versäumt man die notwendigen Anpassungsprozesse. Ein Unternehmen mit einem Markenkern muss vor allem sagen, was es nicht ist. Wer ein Auto baut, dass sowohl Cabrio, als auch Familienvan, Coupe, SUV und Limousine ist, wird vielleicht das perfekte Produkt haben. Aber keine Kunden. Die Sozialdemokraten versuchen den gemischten Bauwarenladen. Dort regieren sie mit den Grünen, nur um sich andernorts ganz klein unter die kleinen Partner Grüne und LINKE zu machen und einen Sozialisten zum Regierungschef zu wählen. Die Frage, was bekomme ich, wenn ich SPD kaufe, beantwortet die Partei nicht. Umso schlimmer, wenn die Führung, Funktionärsschicht und Mitglieder selbst nicht an die Produkte und Bestseller glauben. Sie wollen immer etwas anderes sein als sie sind.

Die Arbeitswelt hat sich dramatisch gewandelt, Unsicherheiten aber auch Chancen geschaffen. Die Sozialromantik reagiert darauf mit Konzepten, die vielleicht in den 1970er und 1980er Jahren gepasst hätten, heute aber fehl gehen. Die Arbeitsministerin Andrea Nahles setzt in ihrem Amt 100% IG Metall-Politik um. Aber erstens verliert die Gewerkschaft ebenfalls seit 20 Jahren Mitglieder und zweitens stellt sich die Frage, wen sie mit Maßnahmen ansprechen will, die Beschäftigte in 20.000-Mann-Betrieben tangieren, nicht jedoch diejenigen in kleinen 5-50-Mann-Klitschen. Die meisten Menschen arbeiten in kleinen Unternehmen, wo sie vielfältige Aufgaben übernehmen und bei Verlusten ohne große Abfindungen von Entlassungen bedroht sind.

Vor einigen Jahren zog mit den Piraten eine neue Partei in das Berliner Landesparlament ein. Deren Erfolg war das Ergebnis demographischer Veränderungen einer Dekade. Junge Menschen zogen in die Hauptstadt, suchten Kapitalgeber und heuerten bei Altersgenossen in sogenannten Start-ups an. Wachsender Individualismus, der quer steht zum Gemeinschaftsgedanken der SPD. Längst sind die Piraten versenkt, aber ihre Wähler sind weitergezogen zu anderen Parteien. Um die Roten machen sie jedoch einen großen Bogen.

Es wäre also an der Zeit, sich ehrlich zu machen. Die SPD wird auf absehbare Zeit nicht mehr Volkspartei werden. Welche Schichten will sie dann bedienen. Wendet sie sich beherzt den Prekären, den Arbeitslosen und den zu kurz Gekommenen zu, so entspricht das ihrer Gemütslage. Es sind allerdings auch die politisch untreuesten Schichten. Das erleben Rechts- und Linkspopulisten immer wieder. Sie sind undankbar und Erfolge werden stets als Misserfolge interpretiert. Sie kann sich voll den Rentnern zuwenden, aber selbst wenn sie bei den heute 20 Millionen Alten 50, 60 Prozent gewinnt, reicht das nur für den Status einer kleinen Partei. Aufgrund der zunehmenden Generationenkonflikte würde sie zudem für sämtliche anderen Schichten kaum noch wählbar erscheinen. Bleibt sie wie heute, schrumpft sie mit dem Gewerkschaftslager und dem Öffentlichen Dienst in die Bedeutungslosigkeit. Sie könnte sich allerdings auch der Frage zuwenden, wie dem großen gesellschaftlichen Verlangen nach Individualität Rechnung zu tragen ist. Das Problem: die positive Beantwortung steht selbst im Konflikt mit sozialdemokratischem Verlangen nach Solidaritäts- und Umverteilungsstemen.

Die Wahrheit ist: die Grenzen solcher Politiken sind längst erreicht und die Wirkungen ausgereizt. Obwohl Deutschland mehr als andere Länder Volkseinkommen mit Steuern und Abgaben umverteilt, wird die Einkommensverteilung als ungerecht empfunden. Dem stetigen Unwohlsein wird man folglich auf anderem Wege begegnen müssen, nicht zuletzt die Bundestagswahl hat das gezeigt, als das linke Lager für sein Umverteilungsprogramm hart abgestraft wurde. Vielen Parteigranden fällt es jedoch schwer, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Am Ende wird die Partei sich anpassen müssen. Oder untergehen. So ist der Lauf der Welt. Veränderungen gehen immer einher mit harten Entscheidungen und Konsequenzen. In einer Partei, die so stark auf Sozialromantik und Busfahrermentalität (alle mitnehmen!) setzt, könnte das härter sein als die politische Bedeutungslosigkeit.

{ 112 comments… add one }
  • Ariane 17. März 2016, 21:04

    Guter (sehr langer) Artikel^^ Auch Lob für die Erfindung der „Busfahrermentalität“ obwohl das natürlich gar nicht mein Fall ist^^

    Ich selbst komme aus einer Familie, die eigentlich recht traditionell wählt. Wirklich treu ist aber wohl nur noch meine Oma, während der Rest mal hier, mal da ein Kreuz macht. Das Problem ist, dass die SPD einfach völlig orientierungslos vor sich hinwurschtelt. Die Hartz-Reformen haben imo bei den SPDlern mehr Schaden angerichtet als direkt bei den Wählern, weil die Partei seitdem zerrissen ist, ob sie sich nun um die „kleinen Leute“ sorgt oder ihnen das Leben doch irgendwie schwerer macht und genauso konfus ist auch die Kommunikation nach außen. Gabriel verkörpert das perfekt, mal blinkt er links, mal rechts, dann irgendwo anders hin.
    Meiner Meinung nach hätte die SPD eventuell zwei Chancen. Zum Einen muss sie – logisch – beständiger werden. Malu Dreyer und Kretschman haben einen ruhigen, souveränen Wahlkampf geführt und deswegen auch gewählt, weil der Wähler auf Verlässlichkeit und „Geborgenheit“ setzt. Die Bundes-SPD und Gabriel verkörpern eher einen Hühnerhaufen.

    Oder zweite Möglichkeit (wenn auch wohl unmöglich für die SPD): Sie muss sich modernisieren. Wie du ja weißt, pflege ich meist meine linken Überzeugungen 😉 Aber in der linken Parteienlandschaft liegt noch soviel alter Schutt rum. Ich bin links, aber deswegen will ich nicht gleich Barrikaden bauen und Klassenkampf führen, damit bald die Revolution kommt. Hallo, ich will eine progressive Interessenvertretung und nicht irgendwie in den 60ern landen. Von Verschwörungstheoretikern wie Nachdenkseiten fange ich gar nicht erst an.
    Ich mag vieles an den Grünen nicht, aber ich finde sie bekommen diesen Mix aus progressiven Ideen und Beständigkeit durch ruhige Leute wie Kretschmann noch am besten hin (wenn auch weit von meinem Ideal entfernt).
    Für die SPD sehe ich aber wenig Hoffnung, ihnen fehlen die Ideen und vor allem auch die Leute, die das verkörpern können. Und sie sitzen mit Merkel in der Regierung, was es auch nicht einfacher macht.

    • In Dubio 18. März 2016, 08:50

      Man kann allerdings auch zu der Ansicht gelangen, dass die Arbeitsmarktreformen lediglich ein Symptom für das Zerreißen der SPD und ihrer Wählerschaft ist. Wie im Artikel erwähnt, wurden die Arbeiter und Arbeitslosen der Partei schon vor 2003 abspenstig, der Trend hat sich lediglich fortgesetzt. Die Erklärungen von Leuten aus dem linken Spektrum dafür (Nachdenkseiten) sind nicht überzeugend. So soll schon die neoliberale Politik zuvor ursächlich sein. In den 1990er Jahren wurden die Kampagnen jedoch maßgeblich von dem späteren LINKEN-Vorsitzenden Lafontaine geprägt, 1994 trat man mit der Forderung nach Steuererhöhungen an (und verlor). Zudem sind die unteren 50% der Einkommenspyramide wie auch Arbeitslose von Steuersenkungen, wie sie nach 2000 stattfanden, überhaupt nicht betroffen, das Thema kann sie also nicht so emotionalisieren, dass sie deswegen mit einer Partei brechen.

      Die Frage, die ich am Rande aufgeworfen habe: muss die SPD „links“ sein? Wäre sie ein Unternehmen, müsste man dies grundsätzlich fragen. Wenn meine Kunden wegbrechen, weil der Hauptkonkurrent sie mit Nachahmerprodukten aus meinem Haus umwirbt, dann kann ich das auch umdrehen. Schließlich kann er den Markt nicht für sich haben. Stefan erwähnt als bekanntes Beispiel regelmäßig die Transformation in den USA, wo Republikaner und Demokraten nach dem Bürgerkrieg die Rollen getauscht haben.

      Was steht im Vordergrund: die Parteimitglieder (Mitarbeiter) oder die Wähler (Kunden)? Organisationen neigen zur Nabelschau und riskieren damit ihre Zukunft. Das sind wohlgemerkt alles nur Überlegungen, keine Empfehlungen, da ich für Fehler nicht in der Verantwortung stehe.

      Übrigens haben sich auch die Grünen transformiert. In den 1980er Jahren waren sie ein Bürgerschreck, dann wurden sie zu einer postmodernen In-Partei. Möglicherweise läuft derzeit die nächste Veränderung zu einer konservativ-liberalen Bewegung. Den Parteigranden und den unsäglichen öffentlichen Positionen zum Trotz, einiges wie der Wahlsieg Kretschmanns, die Arbeit Tarek Al-Wasirs in Hessen, die Einlassungen der Oberbürgermeister von Tübingen und Freiburg in der Flüchtlingsfrage und die Lockerungsübungen gegenüber der Union (Kretschmann lobte die CSU) könnten so eine Wende andeuten. Parteien entwickeln sich anders als Unternehmen von der Basis / Wählerschaft zur Spitze.

      Ich glaube, der SPD fehlt einfach der Mut, Neues zu denken.

      • Ariane 18. März 2016, 10:09

        Tjoa, muss die SPD links sein? Die Frage ist, wo soll sie sonst hin? Die Lücke, die Merkel rechts gerissen hat, füllt gerade die AfD auf und da will die SPD sicher nicht hin. So gesehen sehe ich da keine Marktlücke und die SPD würde somit ihre letzten Wähler verlieren, ohne neue hinzuzugewinnen.
        Und niemand weiß, wie es irgendwann nach Merkel weitergehen wird. Es ist durchaus möglich, dass in vier oder acht Jahren die CDU einen Rechtsruck durchmachen wird und die Lücke für die SPD wieder größer wird.

        • In Dubio 18. März 2016, 13:18

          Die AfD ersetzt das Konservative in der Union nicht. Es sind kaum Nichtwähler, Arbeitslose und Arbeiter, die sich gerade enttäuscht von der CDU abwenden.

          Das Problem der SPD in den 1980er Jahren wie heute ist, dass sie zielsicher auf Minderheiten losgeht und Themen besetzt, die vielleicht populär sind, aber praktisch nie Stimmengewinne bringen. Manchmal sind sie nicht mal populär.

          Beispiel Euro und Flüchtlinge. Beides mag honorig sein, beides am Ende aller Weisheiten sogar objektiv richtig. Doch darum geht es in einer Gesellschaft und Demokratie nicht als erstes. Menschen brauchen eine parlamentarische Vertretung. Es ist demokratiefeindlich, wenn auf Dauer die Position im Parlament keinen Widerklang findet, der eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung anhängt. Zumindest, wenn es um etwas Elementares geht.

          Hier geht es nicht um Rechts oder Links. Es geht darum, das keine Partei willens ist, einer Mehrheit überhaupt nur zu einer Stimme zu verhelfen. Dann lassen die Linken in der SPD heute verlautbaren, sie fordern weiterhin Steuererhöhungen. Abgesehen davon, dass sie vom Kunden zu ihrer Produktanfrage bereits ein klares, laut-schallendes „NEIN“ gehört haben und dies wie Taube ignorieren: wie soll ein eloquenter Verkäufer (solche hat die Partei kaum) an den Mann bringen? In Zeiten der höchsten Steuereinnahmen der Geschichte, hoher Belastungsquoten vieler, Haushaltsüberschüsse und einer gut laufenden Konjunktur schreien Wahlkämpfer über die Plätze: „Wir brauchen mehr Geld!“?

          Es mag vielleicht sogar sein (das will ich hier nicht diskutieren), dass mancher die Motive versteht. Aber von etwas „verstehen“ und dann noch einen Obolus in Form Stimmabgabe entrichten, ist ein verdammt weiter Weg. Für die meisten zu weit. Wenn man also das Ziel hat, die SPD keinesfalls wieder über ihren Kern hinaus zu erweitern – die Linken haben das heute wieder getan.

          Ich sage nicht, ich hätte einen Fahrplan. Aber als Unternehmer und Manager würde ich genau darüber nachdenken, mich dem Marktdruck durch Veränderung zu entziehen. Denn, auf der anderen Seite: was kann die SPD durch mehr „linkes“ Profil, jenseits der Union, gewinnen?

          • Ariane 18. März 2016, 16:57

            Die AfD ersetzt das Konservative in der Union nicht.
            Nun ja, sie besetzt den „menschenfeindlichen“ rechten Flügel. Es geht ja nicht nur um Ausländer. Es geht auch um Homosexuelle, Frauenrechte, Inklusion von Behinderten usw, um völkischen Patriotismus. Davon hat sich die CDU weitgehend zurückgezogen, selbst an den Rändern.

            Denn, auf der anderen Seite: was kann die SPD durch mehr „linkes“ Profil, jenseits der Union, gewinnen?
            Ja, aber was soll sie auf der rechten Seite gewinnen, hast du da auch konkrete Ideen? Mitte-Rechts steht Merkel wie ein riesiger Goliath und da sollten sie nicht hinterhereiern, sondern Dinge finden, die sie unterscheiden.

            • Stefan Sasse 18. März 2016, 21:10

              Ich denke auch, dass „rechts von der Union“ keine Möglichkeit ist, schon alleine, weil die CDU diesen Ruck nachvollziehen würde. Da ist nichts zu gewinnen. Die SPD müsste sich vielmehr an den Democrats orientieren und einen modernen Progressivismus vertreten. Sie hatten mit Schröder ihren Clinton, jetzt brauchen sie – und ja, das ist ein elendig ausgeleiertes Klischee – ihren Obama. Was sie nicht brauchen, auch wenn die NDS da anderer Meinung sind, ist ihr Bernie Sanders.

              • QuestionMark 18. März 2016, 21:23

                Die SPD als Marke ist verbrannt. Deshalb wäre es vielleicht das Beste, wenn sich die Partei selbst auflösen würde. Damit würde viel Platz für notwendige Erneuerungen geschaffen werden.
                Für Sozialdemokratie gibt es die Linkspartei. Und wer unbedingt eine Verräterpartei wählen möchte, der hat ja noch die CDU. Die SPD ist also obsolet.

                • Stefan Sasse 19. März 2016, 08:26

                  Du meinst wie nach 1918/19? Da war die Marke auch „verbrannt“, und die Partei hat sich erneuert.

                  • QuestionMark 19. März 2016, 08:34

                    Eher wie bei einer Insolvenz bei der das Insolvenzfahren mangels Masse nicht eröffnet wird. An so eine Selbstauflösung hatte ich gedacht.

                    Die SPD ist so überflüssig wie ein Kropf.

                  • Blechmann 20. März 2016, 12:14

                    Nach 1919? Da hat doch die SPD die Regierung gestellt, da war doch die Marke nicht verbrannt. Im Gegenteil.

                • Blechmann 19. März 2016, 08:43

                  22% in der Umfrage. Die Oppositionsparteien schaffen alle um die 10%. Vielleicht ein bisschen früh, das Handtuch zu werfen.

              • Blechmann 19. März 2016, 08:38

                Wobei aber die Democrats den Vorteil haben, dass die USA ein Zweiparteiensystem haben und Deutschland nicht. In den USA müsste ich quasi Demokraten wählen, sonst wird ein Spinner von den Reps Präsident, heißt vielleicht Bush und reitet im Irak ein. Man weiß nie so genau bei denen. Als eigenen Präsidenten würde ich Trump nicht so gerne haben. Ist dann auch peinlich irgendwie. Sollte die Petry Kanzler werden reitet sie bestimmt nicht in den Irak ein. Tritt wahrscheinlich nicht mal aus der NATO aus. Wird auch nicht Kanzler. Kann ich also bedenkenlos wählen, wenn mir danach ist. Es ist auch völlig egal ob CDU oder SPD den Kanzler stellt. Muss ich meine Stimme nicht für die SPD verbraten. Wird sowieso Merkel.

                Ich habe jetzt diese „Alibi-Lesbe“ von der AfD bei Maischberger gesehen: „Finden sie es nicht komisch, als Frau mit Lebenspartnerin und Kind im Vorstand der AfD zu sitzen?“ – „Äh…nein.“ 😀
                Da wirds dann schwierig für die SPD mit „modernem Progressismus“ zu punkten. Einen Obama haben wir auch schon: „Yes, we c… äh, Wir schaffen das!“

                Die Idee der Volkspartei beruht auf dem unechten Zwei-Parteien System, das wir lange hatten. CDU vs SPD. Konservative gegen Linke. Aber im Moment haben wir 6 Parteien, die es in den Bundestag schaffen können. CDU/SPD/GRÜNE/LINKE/AFD/FDP. Es stellt sich vielleicht eher die Frage, ob das Modell Volkspartei nicht ausgedient hat. Wieviele Stimmen kriegt die CDU noch, wenn Merkel 2018 nicht mehr antritt?

                Als CDU-Schwesterpartei in den Groko wird es eh schwierig für die SPD sich Profil zu verschaffen. Sind 4 Parteien in der Opposition, die alle voll vom Leder ziehen – und da ist die CSU noch nicht mal mitgerechnet.

                • Stefan Sasse 20. März 2016, 09:45

                  Klar haben die diesen Vorteil, aber echtes Koalitionsbuilding sieht eben anders aus. Du musst Gruppen identifizieren, die du erreichen kannst und dann entsprechend Programmatik und Messaging anpassen.

            • In Dubio 19. März 2016, 11:56

              Wenn wir das demokratische Spektrum als einen Kreis (geschlossen oder 3/4) sehen, wird klar, dass links / rechts Begrenzungen unterliegen. Die politische Theorie geht zudem davon aus, dass im mittleren Bereich des Spektrums die meisten Bürger anzutreffen sind. Nehmen wir weiter als Datum, dass die Programmatik jeder Person / Politikers / Partei nicht unbegrenzt dehnbar ist, haben wir die Determinanten meiner Argumentation.

              Dehnt sich die Union nach links aus, so hat dies verschiedene Konsequenzen. Rechts von ihr entsteht ein so großer Raum, dass hier zunehmend Parteien Platz finden, die nicht allein Minderheitenpositionen vertreten. Die Ausdehnung nach links verengt dort wiederum den Raum, was nichts anders bedeutet als dass das Wählerpotential für andere Parteien schrumpft.

              Die Haltung, die SPD könne keinesfalls einen anderen als den Mitte-Links-Raum einnehmen, nimmt ihr in dieser Logik die Luft zum Atmen. Genau das passiert seit 2005 und es ist ein sehr bekanntes polit-demokratisches Phänomen.

              Die Empfehlung, strikt im angestammten Bereich zu bleiben, ist auch die Empfehlung, mit der eigenen Klientel zu schrumpfen. Dann sind aber Klagen, die SPD würde stetig an Bedeutung verlieren hohl. Rein theoretisch und logisch betrachtet.

              Nein, ich habe nicht den Anspruch den Königsweg aufzuzeigen. Dafür verstehe ich schon allein zu wenig von Wählerwerbung. Alle anderen Kommentatoren allerdings auch. Die Union betrachtet sich strikt funktionell. Damit erhält sie Mehrheiten. Die Frage ist, warum die SPD das nicht auch können kann mit den gleichen Chancen.

              Die AfD ist nicht menschenverachtend, erst recht sind es nicht Positionen, die Familienstrukturen den Vorrang vor Erwerbsstreben geben oder behinderten Menschen eine gezielte Förderung angedeihen lassen wollen. Vorsicht vor solchen Metaphern.

              • Blechmann 20. März 2016, 12:46

                „Die Union betrachtet sich strikt funktionell.“

                Woran machen sie das fest? Diese These ist mir so noch nicht untergekommen.

                • QuestionMark 20. März 2016, 13:14

                  Er meint damit: Der Staat ist die Beute der korrupten Konservativen. Wie man an die Macht kommt oder wie man an der Macht bleibt ist dabei nebensächlich. Notfalls hilft auch eine Diktatur weiter. Wichtig ist dabei für die Konservativen nur: An der Macht bleiben.
                  Oder kürzer formuliert: Machtgeiles skrupelloses demokratiefeindliches Gesindel.

                • In Dubio 20. März 2016, 20:18

                  Der Einfluss des bürgerlich-konservativen Wertegerüsts auf die aktive Politik ist stets überschaubar gewesen. Für die Union und ihre Mitglieder steht die Machterringung und Machterhaltung im Vordergrund, natürlich durchaus mit dem Ziel, bestimmte Prinzipien durchzusetzen. Kohl konnte Honecker empfangen und damit de facto die DDR anerkennen (die höchste Auszeichnung für den Saarländer), Strauß der DDR einen Milliarden-Kredit verschaffen. Wäre in der SPD die Abschaffung eines so identitätsstiftenden Prinzips wie die Wehrpflicht so klaglos möglich gewesen? Kaum.

                  Die Euro-Politik wie die Flüchtlingspolitik stehen in so starkem Kontrast zu bürgerlichen Prinzipien (in unterschiedlicher Hinsicht), trotzdem ist die Machtposition von Angela Merkel weder als Kanzlerin noch als Parteivorsitzende gefährdet. Ähnlich war das übrigens bei Kohl.

                  Zuletzt verfehlte die Union knapp die absolute Mehrheit bei der Bundestagswahl. Dennoch ließ sie sich vom Wunschkoalitionspartner SPD einen Koalitionsvertrag nach dem Geschmack der Linken aufdrücken. Mindestlohn, Frauenquote, Rente mit 63 stehen gegen Überzeugungen, die in der CDU vorherrschen. Dennoch musste die SPD praktisch keinen politischen Preis zahlen. Substanziell ist nur der ausgeglichene Haushalt, der aber de facto verfassungsrechtlich abgesichert ist und deswegen nicht im Koalitionsvertrag hätte kodifiziert werden müssen. Das ist angesichts der Sitzverteilung und im Vergleich, was man 4 Jahre zuvor den Liberalen verweigert hat, beachtlich.

                  Dieser Opportunismus ist nicht neu, sondern immanent.

                  • Blechmann 21. März 2016, 08:27

                    Also eine persönliche Einschätzung.

                    „Wäre in der SPD die Abschaffung eines so identitätsstiftenden Prinzips wie die Wehrpflicht so klaglos möglich gewesen?“

                    Zum Vergleich müsste man wissen, was die identitätsstiftenden Prinzipien der SPD sind. Die SPD hat einen Angriffskrieg ohne UN-Mandat geführt. Die Bankenrettung war vermutlich gegen SPD Prinzipien. HartzIV natürlich. Die Deregulierung der Finanzmärkte/Banken war auch die SPD, oder? Was würde die SPD nicht machen aus Prinzip? Die Gewerkschaften abschaffen?

                    Merkel ist äußerst flexibel, was die Notwendigkeiten des Machterhalts angeht, der Eindruck drängt sich auf. Vielleicht hängen die CDU Leute etwas mehr an ihren Pöstchen als an ihren Prinzipien, als die von der SPD. Habe ich so noch nicht drüber nachgedacht. Wäre interessant, ob das ein allgemeiner Eindruck ist.

  • Hias 17. März 2016, 21:44

    Viele richtige Aussagen. Aber Widerspruch bei deiner Aussage zur IG Metall. Tatsächlich gewinnt die Gewerkschaft seit Jahren Mitglieder hinzu, auch weil sie sich konsequent gegenüber neuen Schichten öffnet und sich den neuen Entwicklungen nicht verschließt, sondern relativ pragmatisch Lösungen sucht. Wo Du Recht hast, ist, dass der Schwerpunkt der IG-Metall auf den Großbetrieben der Automobilindustrie liegt.

    • In Dubio 18. März 2016, 09:55

      Gegenüber dem Stand von vor 10 Jahren hat die Gewerkschaft rund 60.000 Mitglieder (-2,5%) verloren und das trotz leichten Zugewinnen in den letzten Jahren. Der Zuwachs könnte allerdings auch in dem Branchenwachstum der Metall- und Elektroindustrie begründet liegen.

      Sicher, die öffentliche Darstellung der IG Metall kommt sehr pragmatisch daher. Dies erscheint jedoch nur bei Annahme der klassischen Frontstellung Unternehmen ./. Gewerkschaft so. Für kleinere Unternehmen haben die Funktionäre noch eine sehr klassenkämpferische Einstellung.

      Seit 2 Jahren habe ich beruflich das erste Mal im Tagesgeschäft mit Betriebsräten der IG Metall zu tun. Ich arbeite dafür für ein Unternehmen, das einst groß und mächtig war, aufgrund der Marktschrumpfung und einer Insolvenz heute nur noch als Mittelständler durchgehen kann. Allerdings ist der Maschinenbauer immer noch eine Publikumsgesellschaft.

      Im letzten Jahr wollten wir als Geschäftsleitung ein neues Arbeitszeitmodell einführen. Die Dienstleistung des Unternehmens erfolgt vor Ort beim Kunden. Das führt dazu, dass viele Mitarbeiter nicht 100% arbeiten, sondern eben nur 40-70 Prozent. Kundenbedürfnisse und Wirtschaftlichkeitsüberlegungen machen es erforderlich, hier die Zeiten flexibler zu gestalten, schon allein um nicht gegen Arbeitszeitgesetze zu verstoßen.

      Die Gespräche mit dem Betriebsrat (IG Metall) waren unergiebig. So lange das Modell nicht rundherum für jeden Mitarbeiter zu jeder Zeit Vorteile hat, können sie es der Belegschaft nicht verkaufen. Besser wäre, die Geschäftsleitung würde ein Modell einführen und der BR könnte dann dagegen opponieren. Wenn dann vom Arbeitsgericht das Modell abgenickt würde, wäre doch alles in Ordnung. Die Notwendigkeit zur Änderung wurde dabei gar nicht bestritten, der BR wollte sich nur nicht die Hände schmutzig machen.

      Also, meine Erfahrungen sind da nicht die Besten.

      • Hias 24. März 2016, 08:37

        Der Zuwachs liegt eher darin, dass man sich auf neue Zielgruppen (Frauen, Angestellte, Ingenieure und Studenten) und dort kleine Erfolge hat. Und bzgl. der Entwicklung muss man auch sehen, dass in den letzten Jahren die stark gewerkschaftlich durchdrungenen Jahrgänge in Rente gehen, was oft mit einem Austritt verbunden wird.

        Und in Bezug auf die neuen Herausforderungen bezog ich mich eher auf Entwicklungen wie Internet der Dinge, Mobiles Arbeiten, Flexibilität etc. Hier versucht die IG Metall die Entwicklungen zu verstehen und Lösungen zu finden anstatt Totalopposition zu betreiben. Über die Qualität der Lösungen kann man geteilter Meinung sein und da ist sicher noch viel Verbesserungsbedarf, aber zumindest versucht man da zu gestalten .

        Was Betriebsräte angeht, könnte ich Dir auch eine ganze Reihe von Beispielen nennen. Ich arbeite im Personalwesen eines großen mittelständischen Unternehmens und hab da viel mit Betriebsräten zu tun. Die Palette reicht von Totalopposition über guter, solider Arbeit (für die Mitarbeiter und das Unternehmen!) bis hin zu Betriebsratseinheiten, die zusätzlich die Kompetenzen an ihrem Standort bündeln und Innovationszirkel initiieren und damit neue Produkte (die natürlich an diesem Standort gefertigt werden sollen) hervorbringen. Schlußendlich gilt: Jedes Unternehmen hat den Betriebsrat, den es verdient.

        • In Dubio 24. März 2016, 09:57

          Warum gelang es der Union besser, neue Zielgruppen zu gewinnen? Beispiel Frauen: hier hatte die CDU traditionell das Nachsehen gegenüber linken Parteien. Inzwischen ist kaum noch ein Geschlechterunterschied auszumachen, den Konservativen ist es gelungen, mehr Frauen für sich zu vereinnahmen. Bei der SPD sind solche Feldgewinne nicht festzustellen.

          Betriebsräte sind so unterschiedlich wie die Menschen. Ich breche da auch nicht den Stab, doch die Ideologisierung hilft nicht bei ganz pragmatischen Fragen der Unternehmensführung.

  • Blechmann 18. März 2016, 09:56

    „Weitere Parteistudien zeigen, dass die SPD-Anhänger längst ihren Frieden mit den Hartz-Gesetzen gemacht haben, sie unterscheiden sich da kaum vom Rest der Gesellschaft.“

    Das scheint mir wenig schlüssig, denn die jetzt-noch-SPD-Anhänger haben natürlich ihren Frieden mit HartzIV gemacht, die anderen sind halt jetzt keine SPD-Anhänger mehr, wegen HartzIV. 🙂

    • In Dubio 18. März 2016, 13:22

      Das hatte ich bereits thematisiert. Viele sind Nichtwähler, haben sich von der Politik abgewandt – wenn sie es nicht schon vorher waren. Nur, besteht eine realistische Chance, diese Gruppen zurückzuholen? Da ist die LINKE und nun die AfD weit näher dran. Und untreu sind diese Wähler auch, bei erstbester Gelegenheit, so sie zurückkämen, würden sie die nächste Protestpartei wählen.

      Frage: würden Sie eine Frau heiraten, die schon in der Vergangenheit mit allen möglichen ins Bett gegangen ist?

      • QuestionMark 18. März 2016, 18:15

        Ihr abschließende Frage hätten sie wohl eher aus der Sicht der Nichtwähler formulieren müssen. Die Frau wäre dann eine der etablierten Parteien und die Frage müsste richtigerweise dann lauten: Würden sie eine Frau heiraten, die mit allen ins Bett gegangen ist (vor allem mit den Klassenfeinden) außer mit ihnen?
        Das erklärt dann auch das Verhalten dieser Nichtwähler. (das ich übrigens für falsch halte.)

      • QuestionMark 18. März 2016, 18:17

        zum Thema Loyalität vielleicht noch: Warum sollten sich die Wähler loyal gegenüber Verräterparteien verhalten? Nur der altersdemente Teil (der bewusst nicht mehr allzuviel mitbekommt) setzt kritiklos sein Häkchen immer wieder an derselben Stelle.

      • Blechmann 19. März 2016, 09:53

        Natürlich. Wenn ich sie liebe und glaube, dass sie mich liebt. Wenn viele ehemalige Wähler der SPD jetzt Nicht-Wähler sind, bedeutet das doch, dass sie glauben, es lohnt nicht mehr ein Kreuz bei der SPD zu machen. Zeitverschwendung. Ganz zu Anfang habe ich auch SPD gewählt, bin also so gesehen ehemaliger SPD-Wähler. Schröder hat mir mächtig imponiert mit seinem „Nein“ zum Irak-Krieg. Dann kam HartzIV und ich hab mir geschworen, nie wieder ein Kreuz bei SPD zu machen. Nicht weil ich HartzIV für so schlecht halte, sondern weil ich von (m)einer Partei erwarte, dass sie zu ihren Werten steht. Geld sparen auf Kosten von Arbeitslosen, Ausweiten des Niedriglohn-Sektors, Drangsalieren von Arbeitslosen, Flexibilisieren des Arbeitsmarkts – das hat alles seinen Wert, keine Frage. Es kann aber nicht Politik der SPD sein.

        So gesehen muss ich zugeben, dass die Gründe für den Niedergang der SPD aus meiner Sicht eher gefühlte Gründe sind, statt kühle Analyse.

        Das mit dem „Untreu“ stimmt natürlich. Die Wähler die sowieso bei der SPD ihr Kreuz machen, ganz egal was die Partei tut und lässt, sind nicht die, welche abgewandert sind. Ob man die Untreuen zurückholen kann, weiß ich nicht. Aber wenn man stattdessen neue Klientel erschließt, sind das natürlich auch Untreue. Einzige Alternative zur GroKo ist doch wohl ein Links-Bündnis mit LINKEN und GRÜNEN. Also weiter nach links rücken oder so weiterwursteln wie bisher.

        • In Dubio 19. März 2016, 12:09

          Sehen Sie, da liegt das ganze Dilemma der SPD im angestammten Denken zu Tage. Sie können sich eben auch nicht aus der Schematik lösen. Ich habe lange selbst SPD gewählt. Meine Gründe, warum ich das nicht mehr tue, sind aber offensichtlich ganz andere als Ihre. Wäre ich bequem, würde ich sagen, die Partei muss halt um mich kämpfen. Ich bin es aber nicht. Die Sozialdemokratie muss sich so aufstellen, dass sie genügend Wähler / Kunden gewinnt, um mehrheitsfähig zu sein. Das können auch Mehrheiten jenseits von mir sein.

          Ihre Frage habe ich bereits mehrfach beantwortet: kann die SPD noch die Klientel der (weit) Abgehängten, der Wütenden und Frustrierten erreichen? Möglicherweise, aber die Chancen sind doch ehrlich betrachtet gering. Außerdem wären diese Erfolge mit hohem Risiko nicht dauerhaft. Auch in den 1980er und 1990er Jahren sind diese Schichten immer wieder bei Rechtsextremen fremd gegangen.

          Sie sind schon beim Koalitionsschmieden. Das ist ein paar Schritte vorausgedacht. Die Erholung der FDP gründet nicht darauf, über Koalitionsperspektiven intensiv nachgedacht zu haben. Und nur zu R2G: man kann der Ansicht anhängen, die Bündnisse in Thüringen, wo man Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten gewählt hat, und BW, wo man einem Grünen zur Mehrheit verhalf, hätten der SPD eher geschadet als genutzt.

          Und: schauen Sie in andere Länder: Linke Mehrparteien-Bündnisse, insbesondere unter Einbezug von Populisten sind meist sehr fragil. Die Soll-Bruchstellen von R2G sind heute bereits angelegt und sie sind vor allem in der LINKEN begründet. Daneben okkupieren sie gleich die Ökos, deren politische Interessen möglicherweise in andere Richtungen gehen. Ein guter Rat an jeden: stets nur so weit denken und planen, wie man die Dinge selbst beeinflussen kann.

          • Stefan Sasse 20. März 2016, 09:46

            Rein aus Interesse: warum hast du sie früher gewählt, und warum dann nicht mehr?

            • In Dubio 20. März 2016, 11:18

              Ich komme aus einem sozialliberalen Elternhaus, aufgewachsen in den 1970er Jahren, politisiert Anfang der 1980er. Ich habe Helmut Schmidt schon während des „Heißen Herbstes“ 1977 verehrt und hielt seine Abwahl für unfassbar. Ich wurde sehr früh ein Mensch mit starker liberal-individualistischer Prägung, gepaart mit sozialer Empathie. Demgemäß wählte ich 1987 bei meiner ersten Bundestagswahl Johannes Rau, 1990 Oskar Lafontaine und 1994 Die Grünen. Scharping war da schon eine Zumutung.

              Allerdings hatte ich während meines Studiums finanzwirtschaftliche und volkswirtschaftliche Prinzipien kennengelernt (nicht wertend) und nebenher in der Wirtschaftsprüfung gearbeitet. So lernte ich Unternehmen kennen. Ich startete als typischer Aufsteiger mit einem durchschnittlichen Gehalt und vielversprechender Perspektive. Ich merkte, dass einiges mit der Theorie nicht passte. So erwähne ich häufiger, wie weh es selbst bei einem Mediangehalt tut, bei einer Gehaltserhöhung oder Überstundenvergütung nur 38% übrig behalten zu dürfen. Mit zunehmender Erfahrung sah ich natürlich auch, dass vieles, was gut gemeint war, nicht wirklich funktionierte, sondern nur Mittel verschwendete.

              Beispiel Strukturförderung: in der WP prüfte ich Unternehmen, die diese abgriffen und trotzdem Personal abbauten. Der Staat hat keine wirkliche Handhabe, hier zu steuern.

              Die Phase zwischen 1994 und 1998 entschied meine weitere politische Ausrichtung. erst zögernd reagierte der Finanzminister Waigel auf die zu Tage liegenden Defizite im Steuersystem, obwohl er selbst die Bareis-Kommission eingesetzt hatte. Schäuble und die SPD nahmen den Ball jedoch auf, beide Seiten zogen weitgehend an einem Strang. Irgendwann 1996 grätschte Lafontaine rein und verlangte die Steuerfreiheit für Sonn- und Nachtzuschlägen. Die Union nutzte das und verlangte ebenfalls den Erhalt einer Subvention. Die FDP wollte weiterhin die Steuerfreiheit von Spekulationsgewinnen bei Wertpapieren und Grundstücken. Damit war im Grunde das historische Zeitfenster geschlossen, die Verhandlungen verzögerten sich und rückten zu nah an den Wahltermin ran. Mich lehrte diese Phase, dass die SPD, vornehmlich die Linken, der beste Schutz für die Privilegien der Wohlhabenden und Begüterten ist. Aus Prinzipienreiterei verlieren sie das Ganze aus dem Auge. Ein einfaches Steuersystem mit nominal niedrigen Sätzen aber ohne Ausnahmen tut Gutverdienenden mehr weh als das heutige System. Diese Chance opfern Linke wie Lafontaine für den Erhalt einer albernen, geringen Subvention. Das trieb mich zur politischen Verzweiflung.

              1998 wählte ich nochmal Gerhard Schröder, aus zwei Gründen: die FDP bekannte sich eindeutig zu Kohl und die Umfragen signalisierten eine Woche vor der Wahl ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Ich wollte den Wechsel und vertraute Schröder und seinen Reformversprechen.

              Seine erste Regierungsphase enttäuschte mich von Beginn an. Lafontaine beging als Finanzminister einen Raubzug bei Unternehmen – und bei Alleinerziehenden, den er den Haushaltsfreibetrag weitgehend strich. In diesen Jahren wuchs ich sowohl einkommensmäßig als auch mental weiter aus dem sozialdemokratischen Milieu heraus. Allerdings sind Vertreter vom Kaliber Steinbrück und Schröder Kandidaten, die mich erreichen können, interessanterweise gilt das für so manchen in meinen Einkommens- und Karriereklassen. Es ist nicht so, dass ich als Aufsteiger und Topverdiener für die Partei nicht erreichbar wäre. Nur eine SPD nach 2009 kann für mich keine Alternative sein, erst recht nicht in der Konstellation R2G.

              Ich präferiere seit langem eine Neuauflage von Sozialliberal. Beide haben für Zukunftsfragen viel einzubringen. So sehe ich den Wandel der Arbeit bei Liberalen im Zusammenspiel mit Sozialen besser aufgehoben als bei Konservativen oder Umweltbewegten. Aber das ist ein eigener Beitrag.

              • QuestionMark 20. März 2016, 12:56

                „In diesen Jahren wuchs ich sowohl einkommensmäßig als auch mental weiter aus dem sozialdemokratischen Milieu heraus.“
                Eine wunderschön euphemistische Formulierung für Wohlstandsverwahrlosung.

              • Stefan Sasse 20. März 2016, 15:12

                Danke für die ausführliche Bio. Meine ist da etwas kürzer. Politisiert effektiv mit 9/11 und Michael Moore, war dann eine ganze Weile lang Z&L (zorning und links), was sich hauptsächlich um 2009 geändert hat, wegen Schwarz-Gelb. Nicht, weil ich plötzlich die beiden gut fand, sondern wegen der ausbleibenden Tragödie. Stattdessen war es eine Farce.

                • In Dubio 20. März 2016, 20:42

                  Wahrscheinlich hat es niemand bemerkt: in den über 10 Jahren, die ich schreibe, kommentiere und blogge habe ich nie einen negativen Beitrag über die SPD verfasst. Und auch wenn ich aus Provokationsgründen gerne Linke bashe, so schone ich doch die Sozialdemokraten. Es ist halt meine heimliche politische Liebe.

              • QuestionMark 20. März 2016, 16:00

                Bei mir war es ganz ähnlich. Mit dem Eintritt in den Beamtenstatus begann dann meine Entpolitisierung. Seitdem bin ich für bedingungslose Systemaffirmation bei gleichzeitig gnadenloser Kritik an jeglicher Opposition die da aufkommen könnte. Schließlich muß man die Bösen totreden und totschreiben bevor die sich überhaupt formieren können.
                Vor allem die Nachdenkseiten sind Ziel meines ganzen Haßes und meiner gnadenlosen Kritik. Warum? Die wollen einfach nicht meine heilige blonde Führerin anerkennen. Und außerdem lieben sie den großen Bruder nicht. Die bösen bösen NDS. 🙂

                • Stefan Sasse 20. März 2016, 17:41

                  Du bist Beamter? Herzlichen Glückwunsch. Ich nicht. /Ironiedetektor aus

          • Blechmann 20. März 2016, 12:00

            „Die Sozialdemokratie muss sich so aufstellen, dass sie genügend Wähler / Kunden gewinnt, um mehrheitsfähig zu sein. Das können auch Mehrheiten jenseits von mir sein.“

            Das hab ich schon verstanden, nur glaube ich nicht, dass es so funktioniert, jedenfalls würde es in meinem Fall so nicht funktionieren. Das geht in einem Zweiparteien-System, wo jeder der nicht A wählt, B wählt.

            Ich vertraue darauf, dass die SPD meine Werte und Interessen teilt und vertritt – oder nicht. Der Punkt ist nicht, ob die SPD für oder gegen TTIP ist, sondern ob ich darauf vertraue, dass sie in meinem Interesse dafür oder dagegen ist.

            „Ihre Frage habe ich bereits mehrfach beantwortet: kann die SPD noch die Klientel der (weit) Abgehängten, der Wütenden und Frustrierten erreichen?“

            Die Frage ist aber, ob sie andere Wählerschichten erreichen kann. ‚Das Volk liebt den Verrat, aber nicht den Verräter‘. Wenn die SPD die Unterschicht als Wählerpotential fallen lässt, muss sie den Verlust weiter oben wieder gut machen. Aber werden die Gutsituierten und Erfolgreichen die CDU fallen lassen, um SPD zu wählen? Sie können der CDU vertrauen, dass sie ihre Interessen und Werte vertritt, können sie der SPD vertrauen, die ihre eigenen Werte verraten hat? Viele Wähler mögen keine emotionale Vertrauensbindung an eine Partei haben sondern einfach wählen was grad passt (so wie sie, wenn ich das richtig verstanden habe). Aber nicht alle.

            „Und: schauen Sie in andere Länder: Linke Mehrparteien-Bündnisse, insbesondere unter Einbezug von Populisten sind meist sehr fragil. “
            In anderen Ländern gibt es aber auch keine GroKo. Die Deutschen ticken etwas anders. Die SPD könnte auch in Opposition gehen. Die Frage ist, eine Volkspartei braucht den Anspruch, das Land regieren zu wollen, den Kanzler zu stellen. Hat die SPD diesen Anspruch? Ginge ja dann nur mit der CDU als Juniorpartner.
            Wenn man wie die FDP 5% anstrebt hat man da taktisch mehr Möglichkeiten denke ich mal.

            • In Dubio 20. März 2016, 20:30

              Ich denke Sie unterliegen einem Trugschluss. Im Zentrum der SPD-Politik bis weit in die 1980er Jahre standen nicht Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger. Das ist ein Mythos. Deren Anteil an der Wählerschaft hätte damals bestenfalls für 3-5 Prozent der Stimmen gelangt. Abstiegsängste gab es auch nicht. Nein, die SPD war Schutzpartron für die Aufstiegswilligen. Ebenfalls ein Mythos: der progressive Steuertarif war kein Faible der Sozialdemokraten, sondern wurde in dieser Form von den Nazis durchgesetzt. Das Interesse der SPD lag darin, ihre Arbeitnehmerschaft möglichst vor hohen Steuern zu bewahren. Meine Eltern, typische Aufsteiger aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, mussten niemals annähernd den Spitzensteuersatz zahlen. Ich schaffte das nach 3 Jahren.

              Die SPD konnte sich zwischen 2000 und 2005 eine Position aufbauen, welche die Union von den Fleischtöpfen der Mitte zurückdrängte und strategisch in die beste Machtposition schob. Heute gilt das für die Union. Aber warum sollte das der SPD nicht erneut gelingen?

              In jeder Gesellschaft liegen die Mehrheiten in der Mitte, nicht an den Polen.

              • Blechmann 21. März 2016, 09:05

                Natürlich nicht. Aber die Unterschicht war Teil der SPD Wähler-Klientel. Die Partei des kleinen Mannes eben.

                Naja, die CDU hat den Vorteil, dass rechts von ihr keine Alternative existiert. Links von der SPD sind Grüne und Linke. Je mehr die SPD sich nach rechts bewegt, desto mehr Leute verliert sie links. Wie es nach 2005 dann auch geschehen ist.

                Sollte sich die AfD rechts der CDU etablieren, könnte mit dem Abgang von Merkel die CDU ein ähnliches Schicksal ereilen. Die national/konservativen CDU Wähler wandern ab, zur AfD, und die linken, die Merkel durch den Linksruck gewonnen hat, gehen zu den linken Parteien. Die Flüchtlingspolitik hätte dann die Funktion von HartzIV, der Verrat an konservativen Werten.

                • In Dubio 21. März 2016, 12:33

                  Das ist ja nicht falsch. In den 1970er Jahren hat man nicht von Unterschicht gesprochen, obwohl es sie gab. Aber auch linke Politik funktionierte damals noch mit der Zielsetzung, gerade diesen Kreisen den Aufstieg zu ermöglichen. Deswegen der Ausbau der Universitäten unter Brandt und Schmidt, deswegen die Förderung des Autoverkehrs und die Aufgeschlossenheit gegenüber angewandter Wissenschaft (bis hin zur Atomenergie). Erst in den 1980er Jahren wandelte sich das, stand zunehmend die Sicherung des Status quo im Vordergrund, ging es um bessere Versorgung der Arbeitslosen, obwohl noch damals die SPD daran glaubte, mit ABM Menschen in Arbeit zu bringen. Die Wissenschaftsverachtung folgte auch erst in diesen Jahren.

                  Heute steht für Linke im Vordergrund, mit Transfers das bestehende Niveau abzusichern und den Bürgern ein besseres Gefühl der Betreuung zu geben. Die Folklore liefern dann klassenkämpferische Einlassungen, die regelmäßig vom Wähler zurückgewiesen werden. Diese Strategie scheint nicht zu überzeugen.

                  Außerdem sehe ich nicht das Nullsummen-Spiel: wenn mehr Wähler sich in der Mitte befinden (These), dann lassen sich mit einer Maßnahme auch mehr Wähler ansprechen als sie aber der anderen Seite verlustig gingen. Die Unionsgewinne seit 2005 jedenfalls gründen auf Zuwächse im mittleren Spektrum, nicht die Aufnahme abspenstiger Linker. Das ist die Mehrheitsfähigkeit.

                  • Blechmann 23. März 2016, 00:36

                    Aber die Union hat keine Mehrheit. Die Mehrheit ist links, bei SPD/GRÜNE/LINKE. Nur will die SPD den Kanzler nicht stellen, sondern lieber Merkel unterstützen. Taktisch gesehen, wenn ich eine linke Partei bin, aber nicht mit andern linken Parteien koalieren will, macht es schon Sinn nach rechts zu tendieren. Die Frage ist, ob die CDU Wähler das mit einem Wechsel zur SPD honorieren würden. In der Mitte sind vielleicht mehr Wähler, aber die Konkurrenz ist eben auch stärker. Wenn die SPD die Koalition mit der LINKEN ausschließt bleibt nur SPD-CDU mit einer stärkeren SPD als theoretische Möglichkeit den Kanzler zu stellen. Je nachdem wie viele Stimmen die AfD von rechts der CDU abgraben kann.

  • QuestionMark 18. März 2016, 18:25

    Heute kann ich dem Herrn Pietsch mal wirklich weiterhelfen.
    Die entscheidenden Aspekte des SPD-Niedergangs hat er nämlich nicht verstanden.

    Der Text wurde leider etwas lang. Deshalb habe ich ihn in mehrere Teile gesplittet. Aber jetzt weiter zum Thema:

  • QuestionMark 18. März 2016, 18:27

    Teil 1
    Zum Verständnis des Niedergangs muß man sich tatsächlich die 90’er Jahre anschauen. Damals zeigte die SPD bereits eine enorme Schwäche im Bereich der Wirtschaftskompetenz. Gleichzeitig hatte man damals die Problematik der Massenarbeitslosigkeit erkannt und auch thematisiert. (Das ist heute übrigens anders; heute tut man so, als wäre Vollbeschäftigung erreicht)
    Es war damals die Zeit in der erstmals die Jungakademiker nur noch schwer einen Zugang zum Arbeitsmarkt gefunden haben. Legendär die langen Zeiten der Arbeitslosigkeit für das derart qualifizierte Personal (oft mehr als 6 Monate nach Abschluss des Studiums). Damals waren im niedrigqualifizierten Bereich noch Jobs frei. Kohl hatte dafür plädiert die Jobaufnahmebereitschaft durch „mehr Druck vom Amt“ zu erhöhen.
    Das war die Ausgangslage mit der die SPD in letzten Jahrhundert zu regieren begann. Das große Versprechen war die Massenarbeitslosigkeit bekämpfen zu wollen. Aber, man wusste einfach nicht wie.

    Und ab dann wurde es richtig interessant. Schröder ging (nach einer mehrjährigen Phase der Untätigkeit; es war gerade konjunkturell aufwärts gegangen, also blieb man einfach untätig) zuerst zu den Gewerkschaften. Die machten den Vorschlag zu den bekannten neuen Teilzeitgesetzen (mehr Jobs über Teilzeitmodelle etc.). Die Sache hat nur leider praktisch kaum etwas bewegt.

  • QuestionMark 18. März 2016, 18:33

    Teil 2
    Und jetzt kam der Wendepunkt. Nachdem die Gewerkschaften nicht weiterhelfen konnten und die SPD (und auch Schröder) selbst keinen Plan zum Thema hatte, da ging man zu den Arbeitgeberverbänden. So kam es zum bekannten Agenda 2010 Setting.
    Ziel der Arbeitgeberverbände war es natürlich nicht, irgendwie die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Letztere nutzt den Arbeitgebern ja, denn sie hält die Sklavenpreise niedrig.
    Was geschieht also? Nun, ganz einfach, die Planer der Agenda 2010 erschafften ein riesengroßes Lohndumpingpaket. Die Herzenswünsche aller neoliberalen Ausbeuter gingen damit fast nahezu komplett in Erfüllung. Von der Spaltung der Belegschaften über Leiharbeit bis hin zur Quasi-Aufhebung der Vertragsfreiheit für Arbeitsverträge bei Langzeitarbeitslosen (die konnte man dadurch auch in schlechte berufsfremde Verträge reinnötigen mit „etwas“ Druck vom Amt).

    Der Staat schwingt also seitdem die Peitsche und sorgt dafür dass das Sklavenvieh nahezu schutzlos den Ausbeutern ausgeliefert wird. Große Hoffnung der SPD dabei: Ein drastisches Absinken der Arbeitslosigkeit durch einstellungsfreudigere Kapitalisten.
    Die Rechnung ging leider nicht auf. Die sogenannten Erfolge der „Arbeitsmarktreformen“ gehen nahezu vollständig auf statistische Fälschereien des Herrn Weise zurück. Der Rest ist durch die gute China-Konjunktur bedingt. Die Medien flankieren diesen großen Betrug durch bewusste Desinformation des Publikums.
    Die Nachteile für die Sklaven sind parallel dazu erheblich: Verlust des Kündigungsschutzes in Kleinbetrieben; nahezu beliebige Erpressbarkeit durch Arbeitgeber (employed) und den Staat (unemployed). Zunehmende Verarmung von Mittelschicht und Unterschicht. Zunehmend explodierender Reichtum der Oberschicht. Kurz: Ein Riesenprogramm zur Umverteilung von Arm nach Reich. Und das nicht nur materiell sondern gerade auch machtpolitisch.

  • QuestionMark 18. März 2016, 18:35

    Teil 3
    Die Masse der Menschen hat vom Treiben der SPD nicht profitiert. Und damit hat diese Partei (obwohl sie sicherlich ursprünglich etwas anderes bezweckt hat) total versagt. Das Versagen pflanzt sich in den folgenden Jahren fort und führt zum völligen Realitätsverlust bei den handelnden Akteuren. Zum Schluß glaubt man auch noch bei der SPD selbst an die selbstproduzierten Lügen aus den gefälschten Arbeitslosenstatistiken. Dank medienübergreifender Propaganda glaubt auch ein Teil des naiven Publikums daran.

    Nach diesem bereits extrem herben Schlag gegen das Proletariat durch die Agenda 2010, gibt es aktuell ein weiteres für die SPD vernichtendes Ereignis: Der hemmungslose Import von Ausländern zu Lohndumpingzwecken. Und das bei einem bereits bestehenden Langzeitarbeitslosensockel von über 4 Millionen Menschen. Ein Großteil davon sind Fachkräfte (haben also mindestens eine abgeschlossene Berufsausbildung). Parallel dazu stellte man die betrügerische These vom Arbeitskräftemangel auf.
    Und jetzt verlässt natürlich der Rest des halbwegs geistig und charakterlich intakten Publikums den sinkenden SPD-Kahn. Was soll man von vernünftigen Menschen auch anderes erwarten? Der doofe Rest an SPD-Wählern hat einfach den Schuß noch nicht gehört (wg. Altersdemenz, Alzheimer oder dgl.)

    Man könnte jetzt die Frage stellen: Aber warum passieren diese erdrutschartigen Wahlverluste nicht auch bei der CDU? Nun, es passiert auch dort teilweise schon. Es gibt aber auch Unterschiede zwischen den SPD-Wählern und den CDU-Wählern die das erklären können. Der CDU-Wähler ist einfach noch hündischer und kriecherischer eingestellt. Das heißt: Er kriecht gerne dem Führungspersonal in den Arsch und betet dieses auch gerne an. Deshalb die etwas größere Trägheit bei dieser Wählergruppe. Das Hirn arbeitet dort nicht mit rationalen Kategorien, sondern eher mit Glaubensbekenntnissen. Und eines davon ist: Knie nieder vor der Obrigkeit und bete sie an.
    So betet man in diesen Kreisen auch schon mal einen blonden Götzen an.
    Tja, so erklärt sich das alles.

  • Ralf 19. März 2016, 00:15

    Hmmm … also fuer den Niedergang der SPD gibt es eine Vielzahl von Gruenden.

    1.) Es fing schon mit dem Pech an, dass der Abloesung Kohls 1990 die Wiedervereinigung dazwischen kam. Die Wiedervereinigung gab dem zunehmend auf’s Abstellgleis geratenden Bundeskanzler ein frisches Thema, bei dem er sich – das liegt in der Sache der Dinge – signifikant besser profilieren konnte als sein Herausforderer von der Opposition. Die SPD verlor so im letzten Moment die sicher geglaubte Bundestagswahl.

    2.) Im Jahr 1989 machte die SPD einen katastrophalen Fehler, als sie beschloss ehemalige Mitglieder der SED nicht aufzunehmen. Haetten die Sozialdemokraten den SED-Wendehaelsen damals ein versoehnliches Angebot gemacht, waeren charismatische Spitzenpolitiker, die anschliessend bei PDS und der LINKEN Karriere machten (etwa Gregor Gysi) ins eigene Team gekommen. Sie zum Feind und Gegner zu erklaeren, staerkte die PDS-Strukturen und sorgte dafuer, dass sich im Osten langfristig eine Partei links von der SPD im politischen Spektrum verankern konnte. Den Sozialdemokraten gingen Millionen potentieller Waehler fuer immer verloren. In mehreren der neuen Bundeslaender hat die SPD deshalb niemals eine grosse Rolle gespielt. Sie ist dort nie Volkspartei gewesen oder geworden.

    3.) Dieser Fehler war in gewisser Weise eine Wiederholung eines zuvor begangenen Fehlers in den 80ern, als die SPD tatenlos zusah, wie sich links von ihr die Gruenen etablierten. In den 80ern waren die SPD-Waehler noch diejenigen gewesen, die „hipp“ waren, waehrend der typische CDU-Waehler ein Spiesser mit Gartenzwergen im Vorgarten war. Aber in den 80ern zogen die Gruenen fast eine ganze Generation junger Politikinteressierter in ihr Lager. Die Partei hatte praktisch ein Monopol auf junge, begeisterte Waehler. Viele dieser Waehler sind letztlich bei den Gruenen geblieben oder neigen diesen zumindest immer noch zu. Haette die SPD den jungen Menschen damals eine attraktive politische Heimat angeboten, z.B. dadurch dass sie Umweltpolitik zu einer Prioritaet gemacht haette, wuerden die Gruenen wahrscheinlich garnicht mehr existieren. Stattdessen bewarfen die Sozialdemokraten die unerwuenschte Konkurrenz, und damit die junge Generation, mit so viel Dreck, wie sie nur konnten. Auch das wiederholte sich spaeter mit der PDS. Mit gleichem Ergebnis. Die permanente Etablierung eines Wettbewerbers von links wurde zementiert. Millionen Waehler gingen verloren. Und mit jungen Waehlern ging insbesondere die Zukunft verloren.

    4.) Der schlimmste aller Fehler aber war Schroeders Katastrophenkurs nach 2002. Seit Hartz IV und Agenda 2010 hat die SPD ihren Markenkern verloren. Sie ist nicht mehr die Partei der kleinen Leute. Sie ist nicht mehr die Partei des sozialen Gewissens. Sie ist nicht mehr die Partei der sozialen Gerechtigkeit. Sie ist eine im Grunde neoliberale Partei, die sich ein bisschen Sozialfolklore umhaengt und sich aus Nostalgie noch als „Genossen“ anredet. Durch Hartz IV und Agenda 2010 ist die SPD zerfallen, und zwar in einen rechten Kern, dem nicht mehr als das Parteilogo blieb, einer linken Widerstandsgruppe, die zur WASG und dann zur LINKEN wechselte und einer grossen Gruppe Nichtwaehler, die nach dem Verrat der Sozialdemokraten voellig den Glauben und das Interesse an der Politik verloren. Die Resttruppe hat sich seither eine Wahlniederlage nach der anderen eingefangen.

    5.) Trotzdem koennte es fuer die SPD eigentlich ganz positiv aussehen. Ich kann mich erinnern an die Zeit Ende der 90er, Anfang der 2000er Jahre. Damals verkuendeten die Politexperten im Land, dass die SPD auf Jahre hinweg einen massiven strategischen Vorteil haben wuerde. Sie konnte Rot-Gruen, Rot-Rot-Gruen, Rot-Schwarz oder Rot-Gelb regieren. Der CDU blieb nur die FDP als Partner oder die Hoffnung auf eine absolute Mehrheit. Es ist eigentlich unfassbar, wie die SPD diesen Vorteil hat verkommen lassen. Zum Grossteil liegt das an der Weigerung mit der LINKEN zusammenzuarbeiten, wofuer zahlreiche Konflikte erfunden werden mussten, wie z.B. in NRW, als ploetzlich absurderweise die Frage ob die DDR zwanzig Jahre zuvor ein Unrechtsstaat gewesen war ueber die Koalition im westlichsten aller Bundeslaender entschied. Die Hoffnung der SPD war wohl, dass sich die LINKE schon irgendwann in Luft aufloesen wuerde, wenn man sie nur lange genug ignoriert. Passiert ist das Gegenteil. In Thueringen z.B. wurde die LINKE durch das Ignorieren zunehmend staerker. Ein populaeres Argument gegen Rot-Rot-Gruene Regierungen, das gerade auch hier im Blog immer wieder auf’s Tapet gebracht wird, ist uebrigens dass Rot-Rot-Gruene Koalitionen beim Waehler in Umfragen unpopulaer sind. Bei Landtags- und Bundestagswahlen (Zweitstimme) waehlen die Waehler aber Parteien und nicht Koalitionen. Parteien haben keinerlei Verpflichtung sich vor der Wahl auf bestimmte Koalitionen festzulegen und koennen sich nach der Wahl zu Mehrheiten zusammenfinden, die politisch Sinn machen. Das ist voellig in Ordnung in unserer Demokratie und auch so vorgesehen. Und manchmal muss man ein neues System auch einfach mal ausprobieren. Dass etwa in Baden-Wuerttemberg ploetzlich ein Gruener herrschte oder dass 1994 in Sachsen-Anhalt zum ersten Mal die PDS eine SPD-gefuehrte Minderheitsregierung tolerierte, hat sicher am Anfang auch nicht allen gefallen. In beiden Faellen haben sich die Waehler nach einer Eingewoehnungszeit mit dem Modell angefreundet.

    Waehrend die SPD also durch Pech, Dummheit und fatale strategische Fehler auf’s Abstellgleis geriet, stellt sich nun die Frage, wie es eine Zukunft fuer die Partei geben koennte. Ehrlich gesagt, ich kann die Frage nicht beantworten, denn ich sehe schlicht und ergreifend keine plausible Zukunftsstrategie. Aber eines wage ich doch mit einiger Sicherheit vorherzusagen. Die in diesem Artikel angeratene Strategie die CDU doch rechts zu ueberholen, ist garantiert der falsche Weg. Auf so etwas kann man auch nur kommen, wenn man sich das ganze Leben wie ein Unternehmen vorstellt, wie der Autor hier das ja schon haeufiger gemacht hat: Heute stellt man Socken her. Wenn morgen das Sockengeschaeft schlecht laeuft, produziert man eben Dosenoeffner. Kein Problem, oder? Was kommt als naechstes? Fuellen wir die Kirchen wieder, indem die Pastoren ihre langweiligen Predigten von Jesus und dem ewigen Leben einmotten und dafuer einen Rummelplatz oder eine Mitfahrzentrale einrichten? Damit koennte man am „Markt“ moeglicherweise viele neue Interessierte begeistern.

    Spass beiseite, nach der im Artikel dargestellten Argumentation sind Parteien lediglich leere Huellen, denen man jeden beliebigen Inhalt ueberstuelpen kann. Gestern noch Sozialdemokratie. Wenn die nicht mehr „in“ ist, dann wird man morgen halt nationalkonservativ. Oder neoliberal. Oder kommunistisch. Ist ja voellig egal. Hauptsache man gewinnt am Markt der Waehler. Dem steht leider die Realitaet entgegen. Parteien sind nicht leere Huellen, sondern werden von Mitgliedern getragen. Diese Mitglieder machen die Partei aus, legen politische Ziele fest, kommunizieren mit dem Waehler, stehen sich an Wahlstaenden die Beine in den Bauch und verteilen Werbematerial etc.. Eine Partei sind eben Menschen. Und diese Menschen sind ideologisch gebunden. Denen kann man nicht einfach nach Belieben eine neue Ideologie ueberstuelpen. Deshalb hat die SPD ja so viele Mitglieder (und noch mehr Waehler) verloren, als sie die Sozialdemokratie verriet. Die CDU rechts zu ueberholen wuerde diesen Trend fortsetzen. Noch mehr Mitglieder wuerden verloren gehen. Und dass nationalkonservative Kreise ihr Kreuz bei der SPD machen, koennen wir wohl getrost ausschliessen. Es waere eine Lose-Lose-Situation und das Ende der Partei.

    • Stefan Sasse 19. März 2016, 08:28

      Amen.

    • In Dubio 19. März 2016, 12:35

      Der ganze Widerspruch Ihres Kommentars findet sich in einem schönen Satz:

      Zum Großteil liegt das an der Weigerung mit der LINKEN zusammenzuarbeiten, wofür zahlreiche Konflikte erfunden werden mussten, wie z.B. in NRW, als plötzlich absurderweise die Frage ob die DDR zwanzig Jahre zuvor ein Unrechtsstaat gewesen war über die Koalition im westlichsten aller Bundesländer entschied.

      Da verwenden Sie Absätze darauf, der SPD ihre (vermeintlichen) Fehler von vor 25 und 40 Jahren vorzuhalten – nur um anschließend zu behaupten, es sei völlig trivial, ob die Herkunft einer Partei sich aus einem Unrechtsstaat gründet. Was vor 20 Jahren gewesen sei, sei doch völlig Banane. Tja, wenn das so ist…

      Sie lösen sich aus keinem tradierten Muster. Lösungen für die Zukunft liegen aber nicht in der Vergangenheit. Aber Sie pflegen ja Ihren Widerspruch.

      So behaupten Sie die SPD habe durch die Arbeitsmarktreformen die politische Konkurrenz links erst möglich gemacht. Das ist in Teilen vielleicht auch richtig. Aber Sie haben keinen Maßstab: die Linke konnte im Schnitt seit 2005 um 5%-Punkte wachsen. Die Union dagegen legte allein um 9-10 Prozentpunkte zu. Das Problem liegt ganz offensichtlich wo anders, als Sie es beschreiben.

      Natürlich sind Parteien am Ende auch davon abhängig, dass Koalitionen in der Breite der Bevölkerung Akzeptanz besitzen. Sie zeigen einen gewissen Hang zur Despotie, wenn Sie das missachten. Eben gerade weil Parteien und nicht Koalitionen gewählt werden. Oder was meinen Sie, warum alle (!) Parteien eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen haben? Ihre Wertung ist halt sehr extrem von der eigenen Einstellung gefärbt: die AfD tritt für eine Schließung der Grenzen ein, die LINKE, zumindest um Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine, ähnlich. Teile der LINKEN wollen Steuerflüchtlingen ihr Hab und Gut nehmen, wenn sie das Land verlassen. Und: LINKE wollen – ähnlich wie die USA – eine Missachtung von UN-Konventionen der Besteuerung. Natürlich, aber die AfD sind die Desperados.

      Sie loben die Beispiele BW und Sachsen-Anhalt: seit dem die SPD dort einen höchst umstrittenen Weg gegangen ist, wurde sie in der Folge in die Bedeutungslosigkeit verbannt. Wären Sie konsequent, würden sie die jüngsten Wahlergebnisse, wo die SPD knapp an der Einstelligkeit vorbeischrammte, diesem Verhalten zuschreiben.

      Nebenbei: ich habe mehrmals deutlich gemacht, dass ich keine Empfehlungen gebe, auch nicht der SPD. Das überlesen Sie nur wieder mal. Seriosität? Na ja…

      Und noch eins: Sie ignorieren bei Ihrer Wertung völlig, dass der Bedeutungsverlust der Sozialdemokratie nicht auf Deutschland beschränkt ist. Wären Sie ein nüchterner Analytiker, wäre Ihnen das aufgefallen und Sie hätten sich Ihre Ausflüge über die angeblichen historischen Fehler der SPD gespart. In Frankreich hat die PS keine Arbeitsmarktreformen durchgeführt, Labour hat die PDS nicht missachtet, Spaniens Sozialisten haben sich für Ökos geöffnet. Trotzdem gibt es in jeder wesentlichen kontinentaleuropäischen Demokratie grüne Parteien und Links-Populisten und Sozialisten.

      Als Naturwissenschaftler sollte Ihnen doch das Konzept der Falsifizierung einer Theorie bekannt sein, oder?

      • Ralf 19. März 2016, 23:10

        Da verwenden Sie Absätze darauf, der SPD ihre (vermeintlichen) Fehler von vor 25 und 40 Jahren vorzuhalten – nur um anschließend zu behaupten, es sei völlig trivial, ob die Herkunft einer Partei sich aus einem Unrechtsstaat gründet. Was vor 20 Jahren gewesen sei, sei doch völlig Banane. Tja, wenn das so ist…

        Sie demonstrieren mal wieder Ihren Kern-Argumentationsfehler, der schon in so vielen vorherigen Diskussionen in Erscheinung trat: Fuer Sie ist immer alles entweder schwarz oder weiss. Grautoene? Voellig abwesend. Im konkreten Beispiel: Geschichte spielt entweder fuer die Gegenwart eine WICHTIGE Rolle. Und dann in ALLEN (!) Fragen. Oder Geschichte spielt fuer die Gegenwart UEBERHAUPT KEINE Rolle. Und dann wiederum in ALLEN (!) Fragen.

        Tatsaechlich ist die Gegenwart erheblich komplexer. Es gibt viele Grautoene. So spielt die Geschichte fuer manche Fragen der Gegenwart eine WICHTIGE Rolle, fuer manche Fragen der Gegenwart eine eher KLEINE Rolle und fuer manche Fragen der Gegenwart UEBERHAUPT KEINE Rolle. Und nein, das ist kein Widerspruch.

        Fuer die Frage wie es kommen konnte, dass die SPD heutzutage stabil bei um die 25% rumkrebst …

        http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-09/bitblt-820×550-7a620f624beb01ff2566e4bd26081b5f27310375/alle-Umfragewerte-spd.jpg

        … muss man eben auf Entwicklungen in der Vergangenheit schauen. Haette die Vergangenheit keine Bedeutung fuer die gegenwaertige Stuation, muesste man postulieren, dass die Probleme der SPD alleine im hier und heute zu suchen sind. Dem widerspricht der langfristige Trend der SPD als Verliererpartei in den zurueckliegenden Bundestagswahlen (23,0% in 2009, 25,7% 2013 und selbst die 34,2% in 2005 waren bereits das schlechteste Ergebnis der SPD seit 1957, wenn man den Sonderfall der Wiedervereinigungswahl in 1990 nicht beruecksichtigt). Dem widersprechen auch die Umfragen ueber viele Jahre hinweg (siehe Link oben), die die SPD seit Jahren stabil bei 25% sehen.

        Fuer die Frage, ob eine Partei koalitionsfaehig ist hingegen, ist es voellig irrelevant welche Positionen diese Partei in der fernen Vergangenheit vertreten hat. Die unmittelbare Geschichte mag durchaus noch eine Rolle dafuer spielen, mit welcher Glaubwuerdigkeit eine Partei fuer gewisse Positionen stehen kann. „Wendehaelse“ haben oft ein Vertrauensproblem beim Waehler. Aber was eine Partei vor Jahrzehnten gemacht und gedacht hat, ist fuer die Gegenwart voellig gleichgueltig. Oder glauben Sie, dass es fuer eine Koalitionsfindung mit der CDU heute noch eine Rolle spielt, dass die Partei Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre die Anerkennung der Oder-Neisse-Linie ablehnte? Wohl kaum. Fuer die Geschichte der LINKEN gilt selbiges.

        die Linke konnte im Schnitt seit 2005 um 5%-Punkte wachsen. Die Union dagegen legte allein um 9-10 Prozentpunkte zu. Das Problem liegt ganz offensichtlich wo anders, als Sie es beschreiben.

        Vergleichen wir die Bundestagswahl 2002 mit der Bundestagswahl 2005, so gewann die LINKE deutlich hinzu (+4,7%). Ein Vergleich 2002 gegenueber 2013 liefert fast die selben Werte (LINKE +4,6%) – die Veraenderungen sind also einigermassen stabil. Die SPD hat folglich durch Schroeder langfristig um die 4,4% der Waehler verloren. Darueber hinaus habe ich oben nicht nur die Waehlerabfluesse durch Schroeder sondern auch die durch Ignoranz und politische Dummheit erreichte Staerkung und Zementierung gegnerischer Parteien von links erwaehnt. Gruene und LINKE vereinigen heute – ich nehme das Wahlergebnis 2013 als Grundlage – 17% der Stimmen auf sich. Ziehen wir von diesen 17% die Zugewinne der LINKEN durch die Schroederregierung ab, bleiben 12,6%. Waeren die Gruenen bzw. die LINKE, damals als das moeglich war, in die SPD absorbiert worden, wuerde ein Grossteil dieser Wahler heute bei der SPD sein. Natuerlich nicht alle. Aber nehmen wir mal an drei Viertel. Das waeren dann 9,5%. Zu diesen 9,5% zaehlen wir die 4,4% die die Partei durch Schroeder verlor, was dann 13,9% macht. Zaehlen wir dies zu den 25%, die die SPD ja bereits jetzt hat, kommen wir auf 38,9%. Bei diesen Zahlen wuerden wir nicht mehr von einer Krise bei der SPD sprechen. Ganz im Gegenteil. Die SPD haette gerade bei Einzug einer koalitionsunfaehigen AfD in den Bundestag realistische Aussichten darauf den Bundeskanzler zu stellen. Zur Erinnerung: Die CDU liegt in den gegenwaertigen Umfragen zwischen 32% und 36%.

        Natürlich sind Parteien am Ende auch davon abhängig, dass Koalitionen in der Breite der Bevölkerung Akzeptanz besitzen. Sie zeigen einen gewissen Hang zur Despotie, wenn Sie das missachten.

        Quatsch. Beliebtheitsumfragen und Umfragen zur Koalitionspraeferenz sind fuer unsere demokratischen Wahlen voellig irrelevant. Das musste Gerhard Schroeder in der Elefantenrunde am Wahlabend 2005 ja auch erst noch lernen. Am Ende zaehlt nur eins: Wer kann eine Mehrheit hinter sich versammeln.

        Sie loben die Beispiele BW und Sachsen-Anhalt: seit dem die SPD dort einen höchst umstrittenen Weg gegangen ist, wurde sie in der Folge in die Bedeutungslosigkeit verbannt. Wären Sie konsequent, würden sie die jüngsten Wahlergebnisse, wo die SPD knapp an der Einstelligkeit vorbeischrammte, diesem Verhalten zuschreiben.

        Das Ergebnis in Baden-Wuerttemberg hat sicherlich auch mit der Tatsache zu tun, dass sich eine „Volkspartei“, anders als eine stark fokussierte Kleinpartei, in einer „grossen Koalition“ als Juniorpartner nicht profilieren kann. Zweitens liegt das desastroese Ergebnis der SPD in Baden-Wuerttemberg sicher auch an personellen Dingen. Was Sachsen-Anhalt angeht, dort stieg das Wahlergebnis der SPD von 1994 auf 1998 um 1,9% (von 34,0% auf 35,9%). Das Bilden einer von der LINKEN tolerierten SPD-Regierung in 1994 kann also wohl kaum fuer den spaeteren Absturz der SPD verantwortlich gemacht werden.

        Nebenbei: ich habe mehrmals deutlich gemacht, dass ich keine Empfehlungen gebe, auch nicht der SPD. Das überlesen Sie nur wieder mal.

        Naja, das Ankuenden etwas nicht zu tun, um es dann doch zu tun, gehoert doch zu Ihrem rhetorischen Standardpaket … 😉

        Und noch eins: Sie ignorieren bei Ihrer Wertung völlig, dass der Bedeutungsverlust der Sozialdemokratie nicht auf Deutschland beschränkt ist. Wären Sie ein nüchterner Analytiker, wäre Ihnen das aufgefallen und Sie hätten sich Ihre Ausflüge über die angeblichen historischen Fehler der SPD gespart. In Frankreich hat die PS keine Arbeitsmarktreformen durchgeführt, Labour hat die PDS nicht missachtet, Spaniens Sozialisten haben sich für Ökos geöffnet. Trotzdem gibt es in jeder wesentlichen kontinentaleuropäischen Demokratie grüne Parteien und Links-Populisten und Sozialisten.

        Als Naturwissenschaftler sollte Ihnen doch das Konzept der Falsifizierung einer Theorie bekannt sein, oder?

        Internationale Vergleiche sind sehr schwierig, da nationale Wahlergebnisse immer nationalen Besonderheiten unterliegen (Kultur, Geschichte, politisches Wahlsystem etc.). Zunaechst laesst sich aber feststellen, dass die Sozialdemokraten nicht ueberall in der Welt so voellig fern von einer Regierungsmehrheit sind, wie in Deutschland. In Frankreich und in Italien zum Beispiel regieren derzeit Sozialdemokraten. Aber aehnliche Trends wie in Deutschland zeichnen sich durchaus auch in anderen Laendern ab. Nehmen wir etwa das Beispiel Grossbritannien. Dort hat Tony Blair einen aehnlichen Rechtsschwenk hingelegt wie Gerhard Schroeder, mit stark neoliberaler Politik. Anders als in Deutschland hat sich die Labour-Partei mit Jeremy Corbyn nach mehreren Jahren allerdings wieder einen echten Sozialdemokraten an die Spitze gewaehlt. Welchen Effekt hat das auf die Mitgliederzahlen der Labour Party gehabt? Die Antwort kommt hier:

        https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c8/Labour_Party_membership_graph.png

        1997 wurde Tony Blair Premierminister. Ab genau dem Zeitpunkt gingen die Mitgliederzahlen der Labour-Party stetig und dramatisch zurueck (von anfangs ueber 400.000 bis 2007, dem Ende seiner Amtszeit, auf deutlich unter 200.000). Als Corbyn in 2016 an die Spitze gewaehlt wurde hingegen, verdoppelte (!) sich die Mitgliederzahl praktisch uebernacht von 200.000 zurueck auf 400.000. Insgesamt erinnert das sehr stark an das, was mit der SPD nach Schroeder passierte, halt nur ohne das „Happy End“.

        Wie sieht es mit den Wahlergebnissen in Grossbritannien aus? Der Trend ist aehnlich. In der ersten post-Blair-Wahl in 2010 verlor Labour 6,2% und konnte in 2015 nur marginal (1,5%) dazugwinnen. Die Partei stablisierte sich also auf relativ niedrigem Niveau. Klingt das aehnlich wie bei der SPD nach Schroeder? Wohin sind die ehemaligen Labour-Waehler gegangen? Nun, in 2010 in erster Linie an die Liberal Democrats. Und als die Liberal Democrats die Waehler ebenfalls mit neoliberaler Politik enttaeuschten, zogen sie in 2015 weiter zu den kleineren Parteien (SNP, UKIP und die Gruenen steigerten ihren Anteil von 5,7% auf 21,1%). Ob diese Waehlerbewegungen permanent sind, laesst sich gegenwaertig noch nicht sagen. Es kommt hier erschwerend ja auch noch das Mehrheitswahlrecht von Grossbritannien zur Geltung. Aber insgesamt ist der Trend in UK dem in Deutschland sehr aehnlich gewesen, wo auch enttaeuschte SPD-Waehler in der Zeit nach Schroeder in kleinere Parteien stroemten (z.B. in die LINKE).

        Und der Trend, dass neoliberale Politik Sozialdemokraten in den Absturz befoerderte und neue oder kleinere Parteien beguenstigte, findet sich ebenfalls international – nicht nur in Deutschland und in Grossbritannien. In Spanien entstand etwa Podemos, in Griechenland wuchs Syriza etc.). Nirgendwo haben Sozialdemokraten langfristig Erfolg gehabt mit neoliberaler Politik. Wo immer sie es versucht haben, haben sie nach einem kurzen Hype letztlich am Ende deutlich und langfristig in der Waehlergunst verloren.

        Eigentlich ist es Zeit endlich daraus zu lernen!

        • In Dubio 20. März 2016, 10:20

          Ich würde eher sagen, Sie setzen Prioritäten nach politischer Opportunität. Ich werde das im Verlauf demonstrieren. Jedenfalls beschreiben Sie Geschichte und Einschätzungen durch die Brille der LINKEN. Das ist sehr parteiisch und trübt den Blick.

          Ob die Frage Unrechtsstaat DDR nebensächlich ist oder nicht, müssen Sie schon den Bürgern überlassen. Die CDU, und das kann man ihr kaum vorwerfen, hat einen Punkt gefunden, die LINKE vorzuführen. Statt elegant zu antworten, ja, ein Staat, der seine Bürger erschießt, wenn man ihm den Rücken kehrt, der Eltern ihre Kinder nimmt, wenn sie gegen das System opponieren, ein Staat, der seine Legitimation nicht vom Bürger holt – ja, so ein Staat ist ein Unrechtsstaat. Einmal klar gesagt, wäre das Thema abgeräumt. So lässt sich die LINKE permanent mit ihrem Rumgeeiere vorführen. Das ist für jene nebensächlich, die ohnehin die LINKE wählen oder sie nie wählen würden. Die dazwischen überzeugt man nicht, in dem man sagt, das wäre egal.

          Stattdessen thematisieren Sie lieber die Gründung der Grünen. Viele deren Wähler waren 1980er nicht geboren oder tendieren eher zu anderen Parteien. Der Erfolg Grüner Parteien quer durch Europa legt nahe, dass sich auch ohne das Ignorieren durch die SPD sich eine solche Partei gegründet hätte. Für Sie aber hat es eine zentrale Bedeutung, mehr als die Frage, ob die DDR ein Unrechtsstaat war.

          „Wendehälse“ haben oft ein Vertrauensproblem beim Waehler.

          Die LINKE ist voll von Wendehälsen. Probleme? Angela Merkel exerziert seit Jahren vor, dass sie nach politischer Opportunität heute das Gegenteil vertreten kann, was sie gestern gesagt hat. Es hat ihrer Popularität stets genutzt, die Kosten trugen andere (Parteien).

          Bevor Sie etwas schreiben, machen Sie sich über die Schwachstellen einen Moment Gedanken? Ihnen ist doch klar, dass ich vieles von Ihnen schlicht nicht so stehen lassen kann. Ihr „Rechenbeispiel“ ist so exemplarisch für Ihren Opportunismus.

          Sie führen vor, dass 3/4 derjenigen, die heute bei Grünen und LINKEN sind, eigentlich SPD-(Stamm-)Wähler wären. Hinzurechnen Sie die Verluste an die LINKE durch die Arbeitsmarktreformen. Voila, die SPD hat mit einer dezidiert linken Politik 38,5%. Leider sind das immer noch weit weniger, als die Partei 1998 erreichte. Das Dumme daran: Sie haben ja nun die Grünen und die LINKE praktisch weggerechnet. Die Ökos gibt es nicht mehr, die LINKE ist unter der 5%-Marke.

          Auf der Gegenseite erreichte die Union 2013 43% der Wähler. Danach war sie zeitweise an der absoluten Mehrheit. Nur die die Flüchtlingspolitik ist sie inzwischen auf 32-35 Prozent gesunken, ein Fakt, dass Sie völlig verschweigen. Rechnen wir ein normales FDP-Ergebnis von 5-8 Prozent dazu und streichen die AfD (so wie Sie das umgekehrt getan haben), so landen wir bei einer deutlichen Mehrheit für das bürgerliche Lager. Ich dachte, Sie wollten die SPD mehrheitsfähig machen…

          Ich habe hier alle Ihre Annahmen akzeptiert und dennoch führt Ihr Modell nicht zu dem gewünschten Ziel. Sie hätten sich fragen sollen: was mache ich falsch?

          Ich meine mich zu erinnern, dass unter Tony Blair Labour die längste Zeit (nämlich 3 Seasons) regiert hat. Keine vorherige Labour-Regierung hat das geschafft. Geht es bei Wahlen nicht genau darum? Nicht um die Mitgliederzahl, sondern in der Regierung Politik machen zu können? Bei der letzten Wahl hat die Partei mit einem sehr linken Programm gegen die Koalitionsregierung von David Cameron verloren, blamabler geht es kaum.

          Und auch hier machen Sie so etwas Typisches für Sie: Sie unterschlagen vollständig, ja verfälschen, warum etwas sich ereignete. Warum sind so viele in Labour eingetreten? Offensichtlich gab es eine Kampagne, mit den Eintritten Corbyn zum Parteichef zu machen. Ihnen sind doch Flash-Mobs und Echternach-Prozession ein Begriff? Jedenfalls sind solche Entwicklungen in der Größenordnung völlig untypisch und deswegen verdächtig. Für Sie ist es – wenn es Ihrer Sache dient – ein Beleg für die Popularität linker Thesen. Doch am Ende entscheidet immer der Bürger, was populär ist und nicht Protagonisten.

          Tatsächlich gibt es seit längerem einen Trend zu rechten Parteien. Renzi inszenierte sich von Beginn an als rechter Sozialdemokrat in Italien, der auf eine lange Ära des Rechtspopulisten Berlusconi folgte (nur unterbrochen von kurzen linken Perioden, wo die Koalitionen sich jedoch immer selbst zerlegten).

          Nirgendwo haben Sozialdemokraten langfristig Erfolg gehabt mit neoliberaler Politik.

          Auch hier lasse ich Ihre Umschreibung erstmal stehen. Fakt ist: unter eher „rechten“ Politikern erlebten Sozialdemokraten stets die längsten Regierungsphasen. Das war in Deutschland mit Schmidt und Schröder so, das gilt für Gr0ßbritannien und Tony Blair, das deutet sich in Italien mit Renzi an. Das gilt auch für Frankreich, wo sich Mitterand von einem Sozialisten zu einem rechten Sozialdemokraten wandelte. Regierungen scheiterten dann, wenn dezidiert Linke starken Einfluss auf die Regierung gewannen. So stürzte die SPD-Linke die populären Kanzler Schmidt und Schröder und in Italien brachten die Post-Kommunisten noch jede Regierung zu Fall. Syriza und Podemos sind Protestorganisationen. Syriza ist im Regierungsgeschäft weitgehend gescheitert, jedenfalls haben sie die Lage des Landes verschärft und den Wohlstand nicht gemehrt. Die Mehrheiten stehen nun auf der Kippe. Über Podemos lässt sich noch kaum eine Aussage treffen.

          Sie ordnen sich ein: leider habe ich hier keine Ansätze von Strategien gelesen, welche die SPD wieder mehrheitsfähig machen könnten. Auch Sie setzen eher auf kräftige linke Opposition, die sich vielleicht hier und dann mit Tricks an die Regierung schummelt. Das ist schade.

          • Blechmann 20. März 2016, 14:07

            Hochinteressante Diskussion. Beschäftigen tut mich die Idee, den Bedeutungsverlust der SPD in anderen europ. Staaten auf Deutschland zu übertragen. Auf die AfD übertragen hieße das dann, dass nichts den Aufstieg der rechts-populistischen Partei stoppen kann, egal was die anderen Parteien tun. Aus dem Aufstieg der anderen rechten Parteien, FPÖ, Front National, ergibt sich, dass die AfD sich bei 10-20% im Bundestag etablieren wird.

            • In Dubio 20. März 2016, 20:38

              Nein, Deutschland ist sicher hier besonders. Die 12-jährige Nazi-Diktatur haben dem Rechtspopulismus und Rechtsextremismus ein so schlechtes Image verpasst, dass zum einen die Hemmschwelle hoch ist, rechts zu wählen (der Begriff ist regelrecht toxisch) und andererseits talentierte Politiker eher andere Gebiete suchen. Auf die lange Perspektive von 60 Jahren betrachtet ist es sicher kein Zufall, dass zwar die Linke, nicht jedoch die Rechte begnadete Populisten hervorgebracht hat. Allein in 2 Generationen gab es mit Gysi, Lafontaine oder Sahra Wagenknecht außerordentliche Talente. Dagegen wirkt der Talentpool der Rechtspopulisten schon arg dilettantisch. Ein Schönhuber muss da schon als herausragend gelten.

              Also nein, der AfD fehlen bisher die Zugpferde, in der Liga von Le Pen, Haider oder Fortyn spielt eine Frauke Petry nicht.

              • Blechmann 21. März 2016, 09:57

                Haha, ja, da tummeln sich Gestalten, man sollt es nicht für möglich halten. Die Storch und der Höcke mit seinem Deutschlandfähnchen. In der ersten Talkshow, die ich mit der Storch gesehen habe, fragt die Moderatorin sie: „Was meinten sie denn mit Merkel und Südamerika.“ Kommt zurück: „Ja, dahin muss Merkel dann fliehen, wenn ihre Politik, äh..*Gelächter im Publikum*“ Das sagt sie im Fernsehen, autsch! Die Alice Weidel machte bei Maischberger allerdings einen sehr guten Eindruck, souverän, verbindlich, kühl wie eine Hundeschnauze. Bei Petry bin ich unsicher, der erste Eindruck war fürchterlich, aber sie scheint souveräner zu werden. Wobei ich oft schwer einschätzen kann, was andere für charismatisch halten. Der Trump bspw. wirkt auf mich nicht besonders charismatisch, und der reißt ja seine Anhänger zur Hysterie hin.

                Das mit der NS-Zeit stimmt natürlich, ist aber auch schon über 70 Jahre her. Heißt aber dann, dass man die Entwicklung der SPD in andern Ländern auch nicht zwingend auf Deutschland übertragen kann.

                • In Dubio 21. März 2016, 11:24

                  Die Amerikaner sind heute noch geprägt von der Zuwanderung aus Europa und dem Bürgerkrieg. Der ist immerhin über 200 Jahre vergangen. Wenn hier ein paar grölende Kahlköpfe Naziparolen brüllen, gibt es sofort eine Demo „Gegen Rechts“. Die selbe Ebene von ein paar „linken“ Chaoten führen nicht mal zu einer Zeitungsschlagzeile. In Frankreich oder Italien wäre das, was hier Demos verursacht, keine Nachricht wert. In solchen Dingen zeigt sich unsere große Sensibilität mit der Vergangenheit. Auch der Umgang mit der Flüchtlingskrise lässt sich eigentlich nur so erklären.

          • Ralf 20. März 2016, 21:06

            Die CDU, und das kann man ihr kaum vorwerfen, hat einen Punkt gefunden, die LINKE vorzuführen.

            Die Politik sollte kein Marktplatz sein, auf dem der, der am lautesten schreit, die meisten Aepfel verkauft. Wenn der CDU kein besseres Argument einfaellt, als der LINKEN Ereignisse in den 80er Jahren vorzuwerfen, dann in das ein politisches Armutszeugnis. Das selbe gilt im uebrigen auch umgekehrt. Ich messe auch die CDU/CSU am „hier und heute“ und nicht an ihren Haltungen unter Adenauer, Strauss und Kohl.

            Der Erfolg Grüner Parteien quer durch Europa legt nahe, dass sich auch ohne das Ignorieren durch die SPD sich eine solche Partei gegründet hätte.

            Ja, die Gruenen existieren auch anderswo, allerdings bei Weitem nicht mit dem Einfluss und den Wahlergebnissen, die die Partei in Deutschland einfaehrt.

            Sie führen vor, dass 3/4 derjenigen, die heute bei Grünen und LINKEN sind, eigentlich SPD-(Stamm-)Wähler wären. Hinzurechnen Sie die Verluste an die LINKE durch die Arbeitsmarktreformen. Voila, die SPD hat mit einer dezidiert linken Politik 38,5%. Leider sind das immer noch weit weniger, als die Partei 1998 erreichte. Das Dumme daran: Sie haben ja nun die Grünen und die LINKE praktisch weggerechnet. Die Ökos gibt es nicht mehr, die LINKE ist unter der 5%-Marke.
            Auf der Gegenseite erreichte die Union 2013 43% der Wähler. Danach war sie zeitweise an der absoluten Mehrheit. Nur die die Flüchtlingspolitik ist sie inzwischen auf 32-35 Prozent gesunken, ein Fakt, dass Sie völlig verschweigen. Rechnen wir ein normales FDP-Ergebnis von 5-8 Prozent dazu und streichen die AfD (so wie Sie das umgekehrt getan haben), so landen wir bei einer deutlichen Mehrheit für das bürgerliche Lager. Ich dachte, Sie wollten die SPD mehrheitsfähig machen…

            Nun, zunaechst mal ist es erstaunlich, dass Sie die AfD „streichen“, so als ob die Fluechtlingsproblematik oder Merkel’s Haltung dazu nicht entstanden waere, wenn die SPD in den 80er und 90er Jahren die Unterstuetzer der Gruenen und LINKEN aufgefangen haette und unter Schroeder nicht einen radikalen Rechtskurs hingelegt haette. Nein, ich rechne die AfD wieder herein. Die FDP liegt im Schnitt der aktuellsten Umfragen uebrigens knapp unter 5%, wuerde als den Sprung in den Bundestag nicht schaffen. Uebrig bliebe also ein „drei Parteien Parlament“ mit CDU, AfD und SPD, in der die SPD knapp vor der CDU laege. Und ja, die SPD laege mit den vorgeschlagenen 38,5% vor der CDU mit 36%. Sie koennen die CDU ja nicht einfach wieder mit 43% veranschlagen, wo gegenwaertige Entwicklungen fuer einen moderaten Absturz in der Waehlergunst gesorgt haben. Aus der genannten Konstellation entstuende dann wahrscheinlich eine grosse Koalition unter Fuehrung der SPD.

            Aber ich moechte mich auch garnicht auf ein einziges Szenario festlegen. Fakt ist, dass die SPD mit 38,5% keine Verliererpartei mehr waere, sondern eine Partei, die einen plausiblen Weg haette Regierungspartei zu werden. Schon das alleine wuerde wieder Waehler anziehen. Gegenwaertig legen sich die Sozialdemokraten durch den kategorischen Ausschluss einer Koalition mit der LINKEN naemlich auf die Opposition fest. SPD-Unterstuetzer, die ihre Partei gerne regieren sehen wuerden, bleiben deshalb womoeglich in signifikanten Zahlen am Wahltag zuhause, denn es ist ja kristallklar, dass es fuer Rot-Gruen alleine nicht reichen wird. Und selbst wenn die SPD nicht die Regierung stellen wuerde, waere sie mit 38,5% nicht mehr eine Partei in der Krise. Sie waere eine starke Oppositionspartei und Volkspartei. Ein deutlich besserer Startpunkt, um um die Macht zu kaempfen, als wenn man bei 25% rumkrebst (in den neuesten Umfragen allerdings eher bei um die 22% …) …

            Warum sind so viele in Labour eingetreten? Offensichtlich gab es eine Kampagne, mit den Eintritten Corbyn zum Parteichef zu machen. Ihnen sind doch Flash-Mobs und Echternach-Prozession ein Begriff?

            Analysen zeigen, dass in erster Linie zwei Gruppen von Menschen in Labour eingetreten sind: 1.) junge Menschen und 2.) Partei-Rueckkehrer. Laut Guardian erfolgten die Masseneintritte in drei Wellen: a) nach der verlorenen Unterhaus-Wahl, b) nach Jeremy Corbyn’s Erklaerung um den Vorsitz der Partei zu kandidieren und c) nachdem Corbyn gewaehlt war.

            Zu 1.) Dass junge politikbegeisterte Menschen in die Labour-Party eintraten, weil sie sich ein faireres und sozialeres Grossbritannien wuenschen und ein Grossbritannien, in dem sie eine Zukunft haben koennen, erinnert stark an die Unterstuetzer von Bernie Sanders in den USA. Letztere habe ich laenger beobachtet als die Situation in UK. Die Sanders-Unterstuetzer haben sich monatelang in Massen fuer ihr Programm eingesetzt, als die allgemeine Presse die Existenz ihres Kandidaten noch voellig totschwieg. Und die Unterstuetzer stehen weiterhin mit Sanders, obwohl ihnen mittlerweile aus der Mainstream-Presse nichts als Feindseligkeit und Ablehnung wie ein eiskalter Sturm entgegen schlaegt. Nach der letzten demokratischen Debatte etwa veroeffentlichte die Washington Post innerhalb von nur 16 Stunden 16 Anti-Sanders-Artikel (!), inklusive langer Editorials. In der New York Times wurde letzte Woche ein urspruenglich Sanders-freundlicher Artikel nachtraeglich dahingehend ummanipuliert, so dass er Sanders nun schwer verurteilte und stattdessen Hillary Clinton feierte. Solche Beispiele reissen nicht ab. Dennoch stehen die jungen Menschen unveraendert zu ihrem Kandidaten und fuer ihre Ideale. Ein Abwenden ist nicht in Sicht. Von einem „Flash-Mob“ kann also keine Rede sein. Zumindest nicht in den USA. Und meines Wissens gibt es auch in Grossbritannien keine Erkenntnisse, dass junge Menschen sich von Jeremy Corbyn abgewendet haetten.

            2.) Partei-Rueckkehrer sind die zweite relevante Gruppe, die in Massen in die Labor-Party eintrat. Dies sind langjaehrige Unterstuetzer der Labour-Partei, manche die seit Jahrzehnten dabei waren, und die sich angewidert abwandten, als Tony Blair die Partei nach rechts und unter anderem in den Irakkrieg trieb. Diese Menschen kehren nun langsam wieder zurueck, um ihre Partei wieder in Besitz zu nehmen. Bei diesen Mitgliedern, die wie gesagt jahrelang, jahrzehntelang in der Partei waren, kann man nun wirklich kaum von einem „Flash-Mob“ sprechen.

            Ein Flash-Mob um Corbyn ins Amt zu bringen, wuerde im uebrigen auch nur Sinn machen fuer die mittlere Eintrittswelle (oben b) genannt). Bevor Corbyn ueberhaupt seine Kandidatur erklaerte (das waere a)) oder nachdem Corbyn bereits gewaehlt war (das waere c)), wuerde ein solch kurzfristiger Flash-Mob offensichtlich keinen Sinn machen.

            So stürzte die SPD-Linke die populären Kanzler Schmidt und Schröder …

            Die SPD-Linke stuerzte Schroeder??? Ich wuenschte Sie haetten Recht. Tatsaechlich hat die SPD-Linke entweder die Partei verlassen oder ist stummgeschaltet worden. Schroeder stuerzte ueber den Misserfolg seiner eigenen Politik. Er verlor Landtagswahl nach Landtagswahl und nach dem Verlust von Nordrhein-Westfalen war die SPD so am Ende, dass er sich nicht mehr in der Lage sah weiter zu regieren. Auf eigenen Wunsch trat er mittels einer inszenierten Vertrauensfrage zurueck.

            • Blechmann 21. März 2016, 10:25

              Eine interessante Frage ist, wen jemand wählen soll, der nicht will, dass Merkel Kanzlerin bleibt. Damals bei Kohl haben die Leute statt CDU dann SPD gewählt. Aber wenn ich bei der Bundestagswahl SPD wähle, kriege ich Merkel, genau wie wenn ich CDU wähle. Die einzige Chance sie loszuwerden ist, eine der kleinen Parteien zu wählen und zu hoffen, dass SPD oder CDU die Nerven verlieren. Solange Merkel populär ist kein Problem, aber blöde Situation für die SPD, wenn Merkels Popularität sinkt und die Wähler nicht zur SPD kommen. Die Rolle der FDP, Mehrheitsbeschaffer der CDU, hat jetzt die SPD.

              • In Dubio 21. März 2016, 11:18

                Das ist die Frage nach der strukturellen Mehrheitsfähigkeit. R2G kann aus meiner Sicht da keine Lösung sein. Strukturelle mehrheitsfähig sind Parteien stets nur als Mitte-Irgendetwas Konzeption. Hierzu braucht die SPD über 30% und sie muss die Konkurrenz zur Union suchen.

                Bitte nicht als Empfehlung verstehen: Die CDU steht für einen ausgeglichenen Haushalt. Alternative 1: mehr Schulden. Alternative 2: Strukturiert abtragen. Die Union vertritt bei Steuern den Status quo. Alternative 1: Steuern erhöhen. Alternative 2: Steuern senken, vielleicht mit Schwerpunkten. Was ich aufzeigen will: es gibt meist mehr als 1 oder 2 Alternativen.

                Die Popularität der Kanzlerin resultiert daraus, dass sie Vertrauen schafft durch langsames Handeln. Das haben die Leute schon in den Kohl-Jahren geschätzt. Es ist also mehr die Art der langsamen Veränderung, die Respekt einflößt.

                Wen schicken die Sozialdemokraten dagegen oft in Talksendungen und zur Analyse von Wahlergebnissen? Ralf Stegner, der personifizierte Unsympath. Dem gegenüber sitzt ein Wolfgang Bosbach, der geschickt, integer und sympathisch darstellen darf, dass die Union ja eine ganz breite Palette abdeckt. Es ist ein ungleiches Duell.

                Die Sozialdemokraten sollten darauf reagieren, dass die Gesellschaft rapide altert. Abgesehen von den Problemen, die dies für ein Gemeinwesen mit sich bringt, bedeutet dies Strukturkonservatismus der Gesellschaft. Beharrung schlägt Revolution. Wer in diesen Gesellschaften Mehrheiten erringen will, muss zwei Dinge beachten: Vertrauen ist die zentrale Währung. Und: Veränderungen gehen nur langsam und eingebunden in Traditionen.

            • In Dubio 21. März 2016, 13:30

              Sie dynamisieren die eine Entwicklung (SPD sammelt linke Wähler von den linken Konkurrenzparteien), betrachten das sonstige Umfeld (Parameter) jedoch statisch. Das ist keine sehr fortgeschrittene Analyse. Die Union ist für ein paar Monate auf 32-35 Prozent gesackt. Das reicht für Sie, um das festzuschreiben. Die AfD war vor exakt einem Jahr politisch tot und kommt mit einem einzigen Thema, wo die Partei nicht mal Vertrauen der Bevölkerung besitzt, zurück. Also, fest gebucht. Und die FDP? Überall liegt sie derzeit deutlich über der 5%-Marke, dennoch schieben Sie sie in Lager der Außerparlamentarischen. Wie gesagt, ich kritisiere nicht mal Ihre Annahmen, eine solche Debatte würde zu weit führen. Aber Ihre Inkonsequenz bei der Durchführung Ihrer eigenen Thesen ist schon beeindruckend.

              Ja, die Grünen existieren auch anderswo, allerdings bei Weitem nicht mit dem Einfluss und den Wahlergebnissen, die die Partei in Deutschland einfährt.

              Ihre Aussage ist sehr mutig – und falsch. In einigen Ländern, so z.B. Frankreich, erzielen die Grünen weit bessere Wahlergebnisse als in den Deutschland bei den letzten 3 Bundestagswahlen. Somit ist Ihre Analyse falsch und widerlegt ins Gegenteil. Das ist das Problem, wenn man sich die Sache so einfach macht.

              Sie zählen Corbyn, Sanders, Podemos und Syriza als Beleg für den Erfolg dezidiert linker Politik auf. Sie setzen damit Zustimmung bei Fans gleich mit harten Erfolgen auf dem Wahlzettel überregionaler Wahlen. Sanders ist als Kandidat der Demokraten gescheitert, konnte also nicht mal im eigenen Lager eine Mehrheit zustande bringen. Der Test auf Corbyn steht erst in 4 Jahren an, das Beispiel mit Ed Miliband gibt nicht gerade Hoffnung. Podemos hat wie die bürgerliche Protestbewegung von der Eurokrise und der traditionellen Korruption der politischen Klasse profitiert. Syriza steht bereits nach einem Jahr des Regierens vor einem politischen Scherbenhaufen. Innerparteilich als auch im Regierungshandeln. Hätten Sie nicht bessere Beispiele?

              Zur LINKEN: die letzten Wahlen im Westen haben bestätigt, dass die Partei eine ostdeutsche Besonderheit bleibt und bundesweit nur bei Splittergruppen zieht. In jedem Fall übt sie keinerlei Attraktivität auf die SPD-Kernwählerschaft aus. Sowohl Baden-Württemberg, als auch Rheinland-Pfalz und Hessen haben eine breite Arbeitnehmerschaft, die letzten beiden sind Länder, wo die Sozialdemokraten traditionell gut abschneiden. Der LINKEN gelang es jedoch in keinem dieser Flächenstaaten (Bayern darf auch beachtet werden), in die sozialdemokratischen Milieus einzubrechen und den Einzug ins Parlament zu schaffen. Dennoch bieten Sie die LINKE beharrlich als Alternative an. Das lässt sich nur mit parteipolitischer Brille erklären. Der Teil der Partei um Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine lehnt eine Regierung mit den Sozialdemokraten ab – es sei denn, die SPD würde das Wahlprogramm der LINKEN übernehmen. Der Schwanz soll also mit dem Hund wedeln.

              Angela Merkel steht mit ihrer Flüchtlingspolitik heute da, wo Schröder 2005 angekommen war: 5 Regierungssessel in den Ländern bei desaströsen Umfragen. Anders als Schröder sehen Sie deren Politik nicht als gescheitert. Hinweis: passen Sie bei Ihrer Replik auf Kontermöglichkeiten auf.

              Schröder jedenfalls selbst führt sein Konstruktives Misstrauensvotum auf die Widerstandskräfte der eigenen Partei zurück. Und es gab 2005 gewichtige Linke, die der Regierung drohten, ihr im Bundestag die Gefolgschaft zu verweigern. Übrigens schon 2001: Der Bundeskanzler konnte die Zustimmung seiner Fraktion zum Afghanistan-Einsatz nur durch die Verknüpfung mit der Vertrauensfrage erzwingen. In einer solchen Situation war Angela Merkel noch nie. Übrigens auch nicht Helmut Kohl. Und Sie behaupten, die SPD-Linke habe Schröder nicht gestürzt.

              • Ralf 22. März 2016, 02:05

                Die Union ist für ein paar Monate auf 32-35 Prozent gesackt. Das reicht für Sie, um das festzuschreiben. Die AfD war vor exakt einem Jahr politisch tot und kommt mit einem einzigen Thema, wo die Partei nicht mal Vertrauen der Bevölkerung besitzt, zurück. Also, fest gebucht. Und die FDP? Überall liegt sie derzeit deutlich über der 5%-Marke, dennoch schieben Sie sie in Lager der Außerparlamentarischen.

                Erstmal war das in der Tat mein Fehler mit der FDP. Bin beim Ablesen einer Tabelle in die Spalte „Sonstige Parteien“ gerutscht. Sie haben Recht. Die FDP liegt in aktuellen Umfragen zwischen 6% und 7%.

                Was die AfD und die CDU angeht, die schreibe ich allerdings nirgendwo fest und ich habe auch nirgendwo ausgeschlossen, dass die FDP in Zukunft moeglicherweise wieder in den Bundestag einzieht. Mir geht es nur um folgendes: Haette die SPD heute 38,5% der Stimmen, dann waere die Partei nicht in der Krise. Sie haette realistische Perspektiven die Regierung zu uebernehmen. Die heutige Lage mit der CDU bei 36% und der AfD mit hohen Werten im Parlament war lediglich ein Beispiel dafuer, wie dieses passieren koennte. Die SPD koennte im gegenwaertigen politischen Umfeld eine Mehrheit gewinnen. Haette die SPD 38,5% gaebe es auch andere plausible Szenarien, unter denen die Sozialdemokraten den Bundeskanzler stellen koennten. Und das ist eben im krassen Unterschied zur „tatsaechlichen Lage“ heute. Eine Partei, die bei 22% liegt und Koalitionen mit der LINKEN kategorisch ausschliesst, kann rein rechnerisch unmoeglich den Bundeskanzler stellen. Es waere eine voellige Spinnerei ueberhaupt einen Kanzlerkandidaten aufzustellen. So wie es damals bei der FDP ebenfalls laecherlich war, als diese einen Kanzlerkandidaten aufstellte. Ein SPD-Kanzlerkandidat ist im hier und heute nicht mehr als ein PR-Gag.

                Aber selbst wenn die SPD mit 38,5% nicht die Regierung erobern wuerde – und ich bin absolut mit Ihnen auf einer Linie, dass das ebenfalls ein sehr plausibles Szenario ist – dann waere sie zumindest fuer die Zukunft adequat aufgestellt. Der Buerger hat die Tendenz normalerweise nach zwei bis drei Legislaturperioden mal die „andere Partei“ dranzulassen. Irgendwann kommt es naemlich immer zu Ermuedungserscheinungen. Irgendwann haben die Menschen jede Regierung satt und wollen einen frischen Anfang. Mit 38,5% koennte die SPD wenigstens passiv auf diesen Moment warten. Mit 22% hingegen, und ohne Koalitionsoption mit der LINKEN, wird die CDU fuer immer und ewig regieren. Selbst wenn die Konservativen durch Ermuedungserscheinungen um 10% oder gar mehr in der Waehlergunst abrutschen.

                Ihre Aussage ist sehr mutig – und falsch. In einigen Ländern, so z.B. Frankreich, erzielen die Grünen weit bessere Wahlergebnisse als in den Deutschland bei den letzten 3 Bundestagswahlen.

                Ich bin kein Experte fuer die franzoesischen Gruenen, aber soweit ich das ueberschauen kann, hat Europe Écologie-Les Verts bei den Parlamentswahlen 2012 gerade mal 17 Sitze im Parlament geholt. Das entspricht 2,77%. Worin sehen Sie darin ein „starker Ergebnis“?

                Auf Wikipedia gibt es eine nette Uebersicht ueber die Staerke der Gruenen im Europaparlament sowie in den nationalen Parlamenten:

                https://de.wikipedia.org/wiki/Europäische_Grüne_Partei

                Das einzige nationale Parlament, in dem die Gruenen mit einem hoeheren Prozentsatz vertreten sind als in Deutschland ist scheinbar Oesterreich. Fast die Haelfte der aufgefuehrten Laender hat ueberhaupt keine nennenswerte Gruene Partei und in der grossen Mehrzahl der Parlamente sind die Gruenen lediglich in homoeopathischen Dosen vertreten.

                Sie zählen Corbyn, Sanders, Podemos und Syriza als Beleg für den Erfolg dezidiert linker Politik auf. Sie setzen damit Zustimmung bei Fans gleich mit harten Erfolgen auf dem Wahlzettel überregionaler Wahlen.

                Das habe ich nirgendwo geschrieben. Was ich geschrieben habe, ist dass die Mobilisierungserfolge von Corbyn, Sanders, Podemos und Syriza eine direkte Folge neoliberaler Politik durch „Sozialdemokraten“ (in name only) in den jeweiligen Laendern waren und sind. Sanders hat sich noch ueberhaupt keiner bundesweiten Wahl gestellt. Ein Teil seines Programms wird allerdings auch auf der Rechten durch Trump vertreten (Ablehnung von Interventionismus, Ablehnung von Freihandelsabkommen etc.). Wieviel Zustimmung es insgesamt in den USA fuer solche Ideen gibt, laesst sich durch die scharfe Trennung der politischen Lager derzeit nur sehr schwer abschaetzen. Corbyn hingegen stand ebenfalls noch nicht zur Wahl. Schwer zu sagen, ob er siegen koennte. In der aktuellsten Umfrage vom 17. Maerz (YouGov/Times) liegt Labour allerdings knapp vor den Torys. Das muss zu diesem Zeitpunkt natuerlich nichts heissen, aber zumindest sieht es derzeit nicht so aus, als wenn Corbyn absolut chancenlos waere. Podemos ist eine brandneue Partei und hat bei der Parlamentswahl 2015 aus dem Stand heraus ueber 20% der Stimmen geholt. Die Partei ist damit die drittstaerkste Fraktion im Parlament geworden. Das darf man doch als politischen Erfolg bezeichnen, oder? Und wie auch immer Sie den politischen Erfolg oder Misserfolg von Syriza bewerten. Wahlen hat Tsipras in Griechenland wiederholt gewonnen. Bei beiden Parlamentswahlen in 2015 war Syriza mit Abstand die staerkste Kraft und das Referendum im gleichen Jahr gewannen sie ebenfalls.

                Dennoch bieten Sie die LINKE beharrlich als Alternative an.

                Die LINKE ist zumindest die glaubwuerdigere Alternative. CitizenK hatte weiter unten ja mal dargelegt, wie die SPD wieder sozialdemokratische Politik machen sollte (Zitat: „Für die SPD heißt „Zurück zum Markenkern“: Schröder-Reformen zurückbauen, Privatisierungen kritischer hinterfragen, Sozialsysteme vom Kapitalmarkt unabhängiger machen (mögliches Modell: Die Schweiz).). Ich frage mich dabei, wie ausgerechnet die SPD glaubwuerdig sein soll, beim „Zurueckbauen“ von SPD-Politik. Mir fehlt die Fantasie mir vorzustellen, dass die Waehler diesen Koeder schlucken wuerden.

                Angela Merkel steht mit ihrer Flüchtlingspolitik heute da, wo Schröder 2005 angekommen war: 5 Regierungssessel in den Ländern bei desaströsen Umfragen. Anders als Schröder sehen Sie deren Politik nicht als gescheitert. Hinweis: passen Sie bei Ihrer Replik auf Kontermöglichkeiten auf.

                Angela Merkel wurde 2013 fast mit einer absoluten Mehrheit bestaetigt, waehrend sich Schroeder 2002 nur von Flut und Irakkrieg gerettet mit Ach und Krach ins Bundeskanzleramt schleppen konnte. Die Ausgangsbedingungen waren fuer Merkel und Schroeder also bereits voellig unterschiedlich. Merkel hatte einen wesentlich groesseren Puffer nach unten.

                Noch wichtiger: Von Juni 2005 an hatte Rot-Gruen (oder Rot allein) exakt null Sitze im Bundesrat. Wirkliches Regieren war fuer Schroeder dadurch de facto nicht mehr moeglich. Das war natuerlich auch der ursaechliche Grund fuer Schroeder’s „Ruecktritt“. Von einem solchen politischen Fiasko ist Angela Merkel meilenweit entfernt. Die schwarz-rote Bundesregierung hat derzeit 24 Sitze im Bundesrat, es fehlen nur 11 fuer eine Mehrheit. Und da die Gruenen in vielen Kernfragen noch staerker auf Merkel-Linie liegen als die CDU, ist es auch ueberhaupt kein Problem fuer Schwarz-Rot in der Laenderkammer Abstimmungen zu gewinnen.

                Merkel 2015 als gleich schwach wie Schroeder 2005 zu erklaeren, ist einfach absurd und im voelligen Widerspruch zu den Tatsachen.

                Abgesehen davon: Von „desastroesen Umfragewerten“ kann bei Angela Merkel ueberhaupt keine Rede sein. Einer Umfrage im Februar 2016 …

                http://de.statista.com/statistik/daten/studie/746/umfrage/zufriedenheit-mit-der-politischen-arbeit-von-ausgewaehlten-politikern/

                … zufolge, ist die Bundeskanzlerin immer noch die drittbeliebteste Politikerin des Landes. Sie liegt damit unter anderem vor Horst Seehofer, vor Thomas de Maiziere und vor Sigmar Gabriel.

                Schröder jedenfalls selbst führt sein Konstruktives Misstrauensvotum auf die Widerstandskräfte der eigenen Partei zurück. Und es gab 2005 gewichtige Linke, die der Regierung drohten, ihr im Bundestag die Gefolgschaft zu verweigern. […] Und Sie behaupten, die SPD-Linke habe Schröder nicht gestürzt.

                Schroeder inszenierte ein verfassungsmaessig nicht ganz sauberes Misstrauensvotum und seine eigenen Leute (Politiker von SPD (Jelena Hoffmann) und Gruenen (Werner Schulz)) reichten anschliessend Klage beim Bundesverfassungsgericht wegen „Unechtheit“ der Vertrauensfrage ein. Soviel zum „Vertrauensverlust“ in der eigenen Fraktion.

                Der Zeitpunkt der Verkuendung Neuwahlen anzustreben, der Wahlabend in NRW, zeigt uebrigens absolut deutlich was der wirkliche Grund fuer Schroeder’s Ende und seine sogenannte Vertrauensfrage war (siehe dazu auch seine desolate Situation im Bundesrat, die oben erwaehnt ist). Mit dem linken Fluegel der SPD, der zu diesem Zeitpunkt bereits entweder garnicht mehr vorhanden oder mucksmaeusschenstill und handzahm war, hatten die Neuwahlen jedenfalls rein garnichts zu tun. Die Linken in der SPD hatten ihre Schlacht bereits lange verloren. Schroeder hatte sich vollstaendig durchgesetzt und stand gerade deshalb vor einem nicht mehr zu bewaeltigenden Scherbenhaufen. Das Ergebnis seiner Politik war, wie der Titel Ihres Artikels ja schon richtig anmerkt, das „Ende der SPD als Volkspartei“.

                • CitizenK 22. März 2016, 08:03

                  „…wie ausgerechnet die SPD glaubwuerdig sein soll, beim “Zurueckbauen” von SPD-Politik“.

                  Schwierig und langwierig, aber nicht unmöglich. Aussichtsreicher jedenfalls, als in CDU/Grünen auf- und damit unterzugehen. Auch die CDU war ziemlich weit unten (Spendenskandal) und hat sich dann mehr als erholt. Die Grünen flogen aus dem Bundestag, die FDP auch. Beide sind wieder da.

                  SPD-Stammwähler wurden zu Nichtwählern. Es war ja nicht nur die Flüchtlingsfrage, die Nichtwähler zurückgebracht hat – aus Ignoranz oder Indolenz halt leider zur AfD. Ob sich das ändert, nachdem die wahre Ziele der National-Neo-Liberalen bekanntgeworden sind?

                  @ In Dubio

                  „….Partner, meiner Ansicht nach den Liberalismus“.

                  Wenn der sich mehr an Karl-Hermann Flach orientieren würde als an Lambsdorff (sen.), wäre ich sofort dabei. Leider sieht es danach nicht aus unter Lindner.

                  „Mit der sozialen Gerechtigkeit ist das so eine Sache“

                  Man kann aber einigermaßen genau sagen, was soziale Gerechtigkeit NICHT ist. Das dann zu korrigieren, wäre dann „sozial gerecht“, definitionsgemäß.
                  John Rawls, auch ein Liberaler, ist für mich da viel überzeugender als Ihr Idol Hayek.

                  • In Dubio 22. März 2016, 08:24

                    Wer komplexe Probleme lösen will, benötigt ein sehr heterogenes Team. Meine Überzeugung ist: Genau diese starke Spannung müssen Sozialdemokratie und Liberalismus aushalten. Historisch betrachtet war die sozialliberale Symbiose eben kein Erfolg: hier wurde die Saat für die explodierende Staatsverschuldung gelegt, hier wurden die demographischen Verwerfungen als erstes ignoriert, hier lag die Wurzel für die sich später verfestigende Langzeitarbeitslosigkeit und die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums. Der Grund lag darin, dass das Soziale die Oberhand gewann, die Frage, wie verteile ich die ohnehin anfallenden Erträge und nicht, wie sorge ich für stetig fließende (volkswirtschaftliche) Gewinne. Es geht um eine Balance, nicht Einseitigkeit. Zumindest mir.

                    Eine überwölbende Idee allein durch negative Abgrenzung zu definieren, wirkt auf Dritte nicht sehr überzeugend. Das scheint auch das Problem zu sein. Jedenfalls haben wir in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens Prinzipien installiert, die stark auf soziale Aspekte Rücksicht nehmen, ohne dass dies die Zufriedenheit gesteigert hätte. Genau das zeigt – darum ging es mir – dass die Begriffsdefinition bzw. deren Offenlassung problematisch ist.

                • In Dubio 22. März 2016, 09:30

                  Im Grunde sieht Ihre Empfehlung eine Rückführung zu einem 3-Parteien-Parlament vor. Ich gebe Ihnen ja Recht, dass nur eine Partei, die zumindest 1/3 der Wähler erreicht, tatsächlich Ansprüche auf die Regierungsführung erheben kann. Allerdings zeigen Sie für die SPD keinen Weg dahin. Sie nivellieren LINKE und Grüne. Das ist polit-mathematisch weitgehend ein Nullsummen-Spiel. Doch das linke Lager hat seit der letzten Bundestagswahl, nehmen wir die knapp gescheiterten Liberalen und AfD hinzu, keine Mehrheit in der Bevölkerung. Und dieser Trend hat sich, nicht nur in Deutschland, in den Jahren nach 2013 fortgesetzt. The trend ist not your friend.

                  Es gibt auch keinen Automatismus, dass nach ein paar Jahren die andere Seite eine Chance bekommt. SPD und Grüne verloren 1994 gegen eine arg abgehalfterte Kohl-Mannschaft, die sogar den Makel des Wahlbetrugs (blühende Landschaften, keine Steuererhöhungen) trug. Und hätten die Sozialdemokraten 1998 Lafontaine statt Schröder nominiert, hätten sie es selbst da kaum geschafft den Alten abzulösen. Sie sehen nicht die Schichten, die 1998 hinzugekommen waren und der SPD diesen Wahlsieg verschafften. Es waren eben nicht Arbeiter, Arbeitslose und SPD-Stammwähler. Das hätte nur wieder zur Opposition gelangt. Der Slogan „Die neue Mitte“ zusammen mit dem passenden Kandidaten und einer hilflos und alt wirkenden Regierung haben es geschafft. Allerdings: auch wegen der alten in der Gesellschaft. Hier ging es allerdings um relativ Privilegierte, nicht Benachteiligte.

                  Frankreich hat ein gemäßigtes Mehrheitswahlrecht, weshalb die Anteile kleiner Parteien keine Entsprechung im Parlament finden. Zu den tatsächlichen Stimmanteilen hatte ich den Link beigegeben.

                  Podemos ist eine brandneue Partei und hat bei der Parlamentswahl 2015 aus dem Stand heraus über 20% der Stimmen geholt.

                  Sicher ist das ein Erfolg. Allerdings ist dieser angesichts der Stimmungslage, nicht der grundsätzlichen politischen Einstellung in Spanien (meine Schwester lebt dort seit Jahren) nicht überraschend. Hier hat sich ein Gebräu an Überdruss an Korruption (vergleichbar, wenn auch nicht in dem Ausmaß) über die Konservativen und Sozialisten entwickelt. Gepaart mit den Einschränkungen durch die Wirtschaftskrise und in dessen Folge Rückbau des bis dato großzügigen Sozialstaates bei grassierender Arbeitslosigkeit und Armut ist das wenig überraschend. Von der gleichen Gemengelage profitierte die ebenfalls neue Ciudadanos, die ebenfalls aus dem Stand 14% erreichte (Podemos 20%). Das im Hinterkopf lässt sich daraus nicht einfach die Überzeugungskraft linker Ideen ableiten. Beim Protest gewinnen immer die Lauten und Lärmenden, nicht die Leisen.

                  Parteien sind neu, Schichten sind es nur in langen Zeitläufen. So hat Syriza schlicht die alten PASOK-Wähler eingesammelt, während das konservative Lager im 10-Jahresvergleich relativ stabil blieb. Die Neuwahlen im September waren notwendig geworden, weil das linke Lager sich binnen Monaten zerlegt hatte. Tsipras erbat im Referendum die Zustimmung zu einer Frage, die er einen Tag später anders beantwortete. Das ist nicht gerade sehr konsistent. Allerdings gehe ich ungern auf so kleine Länder, um Typologien aufzuzeigen. Die Griechen bilden mit ihren 12 Millionen Einwohnern gerade einen Bruchteil der knapp 500 Millionen EU-Bürger ab. Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und Spanien eignen sich weit besser.

                  Die LINKE ist zumindest die glaubwürdigere Alternative.

                  Das ist Ihre Meinung, aber nicht die des Elektorats. Damit hadern Sie. Tatsächlich haben die LINKEN die schlechtesten Glaubwürdigkeits- und Vertrauenswerte aller im Bundestag vertretenen Parteien. Die höchsten Werte weisen die Grünen auf. Bei der Frage, ob man sich vorstellen könne, eine bestimmte Partei zu wählen, benennt nur jeder 5. die LINKE als Präferenz. Ähnliche Werte weist nur die AfD auf. Zum Vergleich: Die FDP erreicht bei dieser Frage in normalen Zeiten Zustimmungswerte von um die 50%. Diese Frage der Demoskopen umreißt das Potential und die Akzeptanz einer Partei. Jedenfalls besitzt die LINKE und deren politische Vertreter nur geringe Glaubwürdigkeitswerte.

                  Angela Merkel erreichte 2013 keine absolute Mehrheit und sie sammelte die Unzufriedenen der FDP ein. Tatsächlich ist nicht die Situation 2013 der Vergleich, sondern heute. Auch Schröder schaffte 2005 noch relativ hohe Beliebtheitswerte, seine Partei aber stürzte ab. Das Gleiche lässt sich über die Union sagen.

                  Immerhin war Schröders Misstrauensvotum ehrlicher als das von Helmut Kohl anno 1983. Schröder befürchtete, dass der Unmut in Partei und Fraktion darin kumulieren würde, ihm im Parlament die Gefolgschaft zu verweigern. Deswegen musste er schon den Parteivorsitz an Müntefering abgeben.

                  Von dem Wahlergebnis, dass Gerhard Schröder bei seiner dritten (!) Wahl erzielte, ist die SPD heute Lichtjahre entfernt. Bei der Union war dies nach dem Machtverlust 1998 genau anders.

                  • Ralf 23. März 2016, 02:13

                    Allerdings zeigen Sie für die SPD keinen Weg dahin. Sie nivellieren LINKE und Grüne. Das ist polit-mathematisch weitgehend ein Nullsummen-Spiel.

                    Nein, das ist mitnichten ein Nullsummenspiel. Selbstverstaendlich ist es eine starke Simplifizierung die Wahlergebnisse von SPD, Gruenen und LINKE einfach aufzuaddieren. Manche Gruenen- oder LINKE-Waehler wuerden, wenn es ihre Partei nicht mehr gaebe, moeglicherweise garnicht bei der SPD landen. Andererseits wuerde eine deutlich staerkere SPD, die eine realistische Chance haette die Regierung zu stellen, moeglicherweise Waehler mobilisieren, die im Augenblick garnicht zur Wahl gehen oder fuer andere Parteien stimmen. Aber wenn wir von diesen kleineren Problemen mal absehen, stellen wir recht schnell fest, dass eine aus Gruenen, LINKE und SPD vereinigte „Super-SPD“ garnicht so schlechte Chancen am Markt haette.

                    Beispiel 1.) Der heutige Bundestag:

                    Rot-rot-gruen hat gegenwaertig mit 320 Sitzen eine solide absolute Mehrheit. „Meine Super-SPD“ koennte also problemlos die Regierung stellen. Einziges Problem gegenwaertig ist: Die SPD will nicht mit der LINKEN koalieren. Also ganz klar kein Nullsummenspiel.

                    Beispiel 2.) Die aktuelle Sonntagsfrage.

                    Unter http://www.wahlrecht.de/umfragen/ finden sich aktuelle Sonntagsfragen zur Bundestagswahl. Die aktuelle Umfrage von Allensbach vom 18.03.2016 sieht die CDU/CSU bei 35,0%, den rot-rot-gruenen Block („Super-SPD“) bei 43,5%, die FDP bei 7,0%, die AfD bei 10,5% und sonstige Parteien bei 4%. Wenn wir die 4% der sonstigen Parteien von den 100% (alle Stimmen) abziehen und die restlichen Resultate von 96% auf 100% renormieren, erhalten wir fuer den Bundestag das folgende Resultat: Super-SPD hat 45,3%, CDU/CSU hat 36,5%, FDP hat 7,3% und AfD hat 10,9%. In dieser Konstellation reicht es weder fuer Schwarz-Gelb, noch fuer eine potentielle (und ohnehin unwahrscheinliche) CDU-AfD-Koalition. Eine CDU-FDP-AfD Dreierkoalition waere moeglich, aber das waere politisch noch unwahrscheinlicher. Realistischer waere eine Neuauflage der sozialliberalen Koalition, die eine deutliche Mehrheit haette und die von der SPD gefuehrt wuerde. Also schon wieder kein Nullsummenspiel fuer die SPD.

                    Beispiel 3.) Ein westliches Bundesland.

                    Nehmen wir Hessen als Beispiel. Ist nur eine Landtagswahl, keine Bundestagswahl, aber das Beispiel zeigt nichtsdestotrotz weshalb eine „vereinigte Super-SPD“ kein Nullsummenspiel waere. Nach der Wahl von 2013 haette eine Super-SPD ohnehin eine klare Mehrheit im hessischen Landtag gehabt und koennte den Ministerpraesidenten stellen. Das geht im Augenblick in der Realitaet nur deshalb nicht, weil der rot-rot-gruene Block nicht miteinander koalieren will. Aber nehmen wir einfach mal erschwerend an, die LINKE waere an der 5%-Huerde gescheitert, was durchaus ein plausibles Szenario ist. Nehmen wir an die LINKE haette 1,5% der Stimmen weniger bekommen und die „Super-SPD“ aus SPD und Gruenen (ohne LINKE!) 1,5% der Stimmen mehr. Wenn alles andere gleich bliebe, entstuende jetzt eine Situation, in der der Landtag aus drei Fraktionen bestuende: Super-SPD mit 55 Sitzen, CDU mit 49 Sitzen und FDP mit 6 Sitzen. Schwarz-Gelb waere in diesem Szenario immer noch nicht moeglich. Eine sozialliberale Regierung oder eine grosse Koalition, beide (!) unter Fuehrung der SPD, waeren die einzigen realistischen Optionen. Spinnt man das Beispiel weiter und die LINKE wuerde nur einen Hauch mehr Waehler an den Block aus SPD und Gruenen verlieren, haetten letztere sogar eine absolute Mehrheit. Selbst in einer Super-SPD unter Ausschluss der LINKEN! In unserer realen Welt aber ist etwas voellig anderes passiert. Da die Gruenen nicht in einer „Super-SPD“ gebunden sind, koennen sie das Lager wechseln. Statt einer Ampel-Koalition, fuer die es durchaus gereicht haette, gab es Schwarz-Gruen. Die SPD hingegen sah in die Roehre. Also schon wieder kein Nullsummenspiel fuer die SPD.

                    Es gibt auch keinen Automatismus, dass nach ein paar Jahren die andere Seite eine Chance bekommt. SPD und Grüne verloren 1994 gegen eine arg abgehalfterte Kohl-Mannschaft, die sogar den Makel des Wahlbetrugs (blühende Landschaften, keine Steuererhöhungen) trug. Und hätten die Sozialdemokraten 1998 Lafontaine statt Schröder nominiert, hätten sie es selbst da kaum geschafft den Alten abzulösen.

                    Selbstverstaendlich gibt es keinen Automatismus, aber die Erfahrung lehrt, dass der Waehler oft nach einigen Legislaturperioden von der Regierung die Nase voll hat und die Opposition ans Ruder laesst (Ausnahmen sind sicher Wahlen, bei denen eine Partei einen enormen strukturellen Vorteil hat, wie die CSU in Bayern oder die SPD in NRW). 1994 ist uebrigens kein gutes Gegenbeispiel, denn in diesem Jahr gewann Kohl die Wahl insbesondere noch wegen seines nicht ganz aufgebrauchten Wiedervereinigungs-Bonus. Eine Wiedervereinigung ist eine sehr spezielle Situation mit jahrelangen Folgewirkungen. In solchen speziellen Sondersituationen macht es wenig Sinn nach „typischen Mustern“ zu suchen. Aehnliches gilt fuer die unmittelbare Nachkriegszeit, die ebenfalls eine sehr spezielle Situation war. Betrachtet man den Rest der Bundestagswahlen so haben die Waehler nach zwei oder drei Legislaturperioden stets die Regierung gewechselt: bis 1972 CDU, dann bis 1983 SPD, dann bis 1998 CDU, dann bis 2005 SPD und ab dann wieder CDU. Und 1990 haette es ohne die Wiedervereinigung mit grosser Sicherheit einen Wechsel hin zur SPD gegeben.

                    Was Lafontaine 1998 anging, erinnere ich mich an zahlreiche Kommentatoren damals, die die Meinung vertraten, dass sich der Saarlaender nach der Wahl wohl selbst ziemlich in den Hintern getreten haben muss. Dass er Schroeder die Kandidatur ueberliess, hatte damit zu tun, dass die SPD Panik hatte, die Wahl zum fuenften Mal zu vergeigen. Das tatsaechliche Ergebnis zeigte, dass diese Sorgen aber voellig unbegruendet waren. Die SPD haette auch mit Lafontaine sicher gewonnen. Sie haette wohl auch gewonnen, wenn sie einen Blumentopf als Kandidaten aufgestellt haette. Triebkraft der 1998-Wahl war, dass die Buerger endlich die Regierung Kohl los sein wollten, die als schlapp, abgewirtschaftet und ausgelaugt wahrgenommen wurde.

                    Frankreich hat ein gemäßigtes Mehrheitswahlrecht, weshalb die Anteile kleiner Parteien keine Entsprechung im Parlament finden. Zu den tatsächlichen Stimmanteilen hatte ich den Link beigegeben.

                    Mein Punkt, auf den Sie antworteten, lautete „Ja, die Grünen existieren auch anderswo, allerdings bei Weitem nicht mit dem Einfluss und den Wahlergebnissen, die die Partei in Deutschland einfährt.“. Sie muessten dann mal erklaeren, wie die „hohen Stimmenanteile“, die in einem Mehrheitswahlrecht dennoch voellig wertlos sind, zu dem politischen Einfluss fuehren, den Sie bei den entsprechenden Gruenen Parteien zu vermuten scheinen. Im uebrigen sind die Zahlen, die Sie in ihrem Link vorlegen einigermassen veraltet (von Dezember 2009), waehrend ich auf die aktuellen Zahlen verlinkt hatte. Nichtsdestotrotz, auch in Ihrem Dokument finden sich nicht allzu viele Laender mit starken Gruenen in nationalen Parlamenten. Tabelle II, Spalte „Letztes Wahlergebnis“ zeigt fuer die deutschen Gruenen mit 10,7%, einen der hoechsten Werte. In Frankreich, ein Land, das Sie konkret genannt hatten, kommen die Gruenen in dieser Tabelle gerade mal auf 3,2%. Nicht sehr beeindruckend! Staerker als in Deutschland sind die Gruenen nur in Luxemburg (ein irrelevanter Stadtstaat), in Belgien und in Lettland. Nicht gerade die europaeischen Schwergewichte …

                    Tatsächlich haben die LINKEN die schlechtesten Glaubwürdigkeits- und Vertrauenswerte aller im Bundestag vertretenen Parteien.

                    Ich habe geschrieben, dass die LINKE glaubwuerdiger die Sozialdemokratie vertreten kann als die SPD, weil sie im Gegensatz zur SPD tatsaechlich fuer eine genuin sozialdemokratische Politik kaempft. Die niedrigen „Glaubwuerdigkeits- und Vertrauenswerte“ der LINKEN liegen nicht ursaechlich in deren politischer Programmatik, sondern in der zurueckliegenden Geschichte der Partei und in einer jahrzehntelangen Hetz- und Ausgrenzungskampagne durch die Medien und durch die grossen Parteien CDU und SPD.

                    Angela Merkel erreichte 2013 keine absolute Mehrheit und sie sammelte die Unzufriedenen der FDP ein. Tatsächlich ist nicht die Situation 2013 der Vergleich, sondern heute. Auch Schröder schaffte 2005 noch relativ hohe Beliebtheitswerte, seine Partei aber stürzte ab. Das Gleiche lässt sich über die Union sagen.

                    Auch heute ist Angela Merkel mit ihrer CDU in den aktuellen Umfragen (oben habe ich sie verlinkt) die mit Abstand staerkste Partei (die CSU natuerlich mit eingerechnet). Mit Abstand! Ausrufezeichen! Darueber hinaus sieht es im Bundesrat – das habe ich gestern bereits dargelegt – ganz positiv fuer sie aus. Zumindest sieht es nicht katastrophal aus. Angela Merkel ist folglich nach wie vor in einer starken Position. Selbst der letzte „desastroese“ Wahlsonntag war tatsaechlich gar keine so grosse Katastrophe fuer die CDU. In Sachsen-Anhalt wird die CDU mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Regierung behalten (ich tippe auf entweder CDU-SPD-Gruene oder – weniger wahrscheinlich – auf CDU-AfD), in Baden-Wuerttemberg wird die CDU wohl auf die Regierungsbaenke zurueckkehren (als Gruen-Schwarz), genauso wie in Rheinland-Pfalz (als grosse Koalition). Im Schnitt wird die CDU also wohl an zwei Regierungen mehr beteiligt sein als vor den Wahlen. Ich wuerde „Desaster“ anders definieren …

                    All das ist ueberhaupt kein Vergleich zu Schroeder, dem 2005 alle, aber auch wirklich alle Felle wegschwammen. Null Stimmen im Bundesrat. Und desolate Umfrageergebnisse fuer die SPD. Haette Merkel den Sozialdemokraten nicht das Geschenk eines Hardcore-neoliberalen Wahlprogramms gemacht und sich etwas freundlicher und professioneller gezeigt, haette sie moeglicherweise die absolute Mehrheit einfahren koennen.

                    Von dem Wahlergebnis, dass Gerhard Schröder bei seiner dritten (!) Wahl erzielte, ist die SPD heute Lichtjahre entfernt.

                    Abgesehen von dem Sonderfall der Wiedervereinigungswahl war Schroeders Wahlergebnis von 2005 das schlechteste Ergebnis fuer die SPD seit 1957.

          • Stefan Sasse 22. März 2016, 14:00

            Die DDR-Unrechtsstaat-Debatte behandelt mitnichten die Frage der Haltung von vor 20, 30 Jahren, sie behandelt eine heutige Haltung, nämlich die Haltung der Partei DIE LINKE zu einem düsteren Kapitel deutscher Geschichte. Das ist genauso legitim wie der CDU ihre Ignoranz gegenüber der Rolle der Blockflöten vorzuwerfen. Und die LINKE tut sich nicht gerade mit der besten Antwort auf diese Frage hervor, da hat Stefan Pietsch schon völlig Recht. Mir ist völlig unbegreiflich, wie die Partei ständig in dieselbe Falle tappen kann. Das hab ich schon nicht verstanden, als ich noch LINKE gewählt habe. Warum finden die nicht endlich eine Sprachregelung, mit der alle leben können und schließen das Thema ab? Stattdessen versuchen sie ständig einen Eiertanz und relativieren die dunklen Seiten der DDR.

            • Ralf 22. März 2016, 19:22

              Ich verstehe euer Problem nicht. Die LINKE hat seit langem und immer wieder Stellung zur DDR genommen und oeffentlich anerkannt, dass in der DDR Unrecht geschehen ist und man hat sich auch mehrfach bei den Opfern entschuldigt.

              Das Problem ist, dass die Westparteien damit nicht zufrieden sind. Die Westparteien wollen nicht hoeren, dass in der DDR Unrecht geschehen ist, sondern explizit, dass die DDR ein „Unrechtsstaat“ war. Letzteres bedeutet, dass das einzig herausstehende Charakteristikum und definierende Merkmal der DDR Unrecht und Verbrechen waren. Viele Buerger in den neuen Bundeslaendern teilen diese Auffassung aber nicht. Sie bestreiten nicht, dass Schlimmes geschehen ist, aber der Alltag ihres Lebens war nicht von Unrecht gepraegt. Man hat in der DDR genau wie in der BRD Freundschaften geschlossen, geheiratet, Feste gefeiert, zu Weihnachten den Baum geschmueckt.

              Ironischerweise empfinden viele ehemalige DDR-Buerger es so, dass das Unrecht – gemeint ist, das Unrecht das sie selbst traf – erst mit der Wiedervereinigung begann. Aufgrund ihres niedrigen sozialen (sprich finanziellen) Status fuehlen sich naemlich viele ausgegrenzt und abgeschrieben, etwas das es frueher so nicht gab. Viele haben die Aufloesung ihres privaten Umfelds miterleben muessen, als die Wendegewinner und die Jungen wegzogen und verfallende, von Hoffnungslosigkeit stierende Geisterstaedte zurueckliessen. Bei ausdruecklicher Anerkennung all des Schlimmen das auch in der DDR passiert ist, blicken deshalb viele – und gerade eben die Wendeverlierer – mit etwas Nostalgie zurueck auf ihre DDR. Und diese Gruppe ist ein signifikanter Teil der LINKEN-Waehlerschaft. Es ist folglich nicht verwunderlich, dass der pauschale Begriff „Unrechtsstaat“ der LINKEN unwillkommen ist. Und der Begriff wird ja ohnehin nur aus politischen Gruenden vom politischen Gegner gefordert, wobei es dort nun wirklich niemandem um historische Aufarbeitung geht. Soviel Ehrlichkeit sollte doch sein …

              Aus dem selben Grund hoert man aus der CDU uebrigens auch eher selten laute Kritik an den oft faschistoiden Ansichten, die so auf manchem Landsmannschaftstreffen verbreitet werden. Ich bin durch meine Eltern auf genug solcher Treffen gewesen. Was man da hoert von „Zigeunerpack raus“ bis „ach wenn wir doch einen kleinen Hitler haetten“ laesst einem den Atem gefrieren. Weiss die CDU das nicht? Natuerlich weiss sie das. Aber die entsprechenden Waehlergruppen sind politisch wichtig fuer die Konservativen. Also haelt man den Mund. Weder macht dieses Verhalten die CDU zu einer faschistoiden Partei, noch macht die Vermeidung des Begriffs „Unrechtstaat“ die LINKE zu Verehrern stalinistischen Terrors.

              In keinem Fall aber sollte die Haltung der LINKEN zur DDR von 20-30 Jahren Koalitionsverhandlungen in Nordrhein-Westfalen tangieren. Das ist einfach ein aus politischen Gruenden an den Haaren herbeigezogener, voellig unsinniger und sachfremder Konflikt.

              • QuestionMark 22. März 2016, 20:55

                Nicht aufregen. Immerhin hat jetzt auch die CSU anerkannt, dass die BRD ein Unrechtsstaat ist. So what?
                Fazit: Überall Unrechtsstaaten. Im Westen nichts Neues.

            • Blechmann 23. März 2016, 15:40

              Ich bin mir da nicht so sicher. Der typische LINKE-Wähler ist eben nicht du oder ich (und ich habe die auch schon gewählt) sondern ein Ossi. Und den ostdeutschen Linke-Wählern könnte es gefallen, wenn die LINKE da nicht den Kotau vor der SPD macht, sondern standhaft bleibt.

              Der Kommentar mit den Kindern, die Systemgegnern in der DDR weggenommen wurden, hat mich an eine Doku über die USA erinnert, die ich vor langem mal gesehen habe. Da gings um eine Familie mit 6 Kindern, der Vater verlor den Job, die Wohnung, und sie mussten in ein kleines Motelzimmer umziehen. Da hat das Amt vier der Kinder aus der Familie genommen und auf Heime verteilt, aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Familie, um die Kinder zu schützen. Natürlich hätte man für die Kosten von 4 mal Heimerziehung der Familie leicht eine Wohnung mieten können. Ich vermute so ein Vorgehen war aber nicht vorgesehen.

              Um die Struktur seiner Gesellschaft zu schützen, begeht ein Staat Unrecht. Ein Systemgegner wird seine Kinder auch zu Systemgegnern erziehen, also nimmt man sie ihm weg, um die Kinder zu schützen.

              Ein „Unrechtsstaat“ ist aber nicht ein „Staat der Unrecht begeht“ sondern hier wird ein prinzipieller Unterschied gesehen.

              Wobei ich die DDR auch nicht für einen Rechtsstaat halte.

    • In Dubio 19. März 2016, 13:05

      Übrigens ist Ihre Interpretation der Marktassimilierung schräg. Ein Unternehmen kann sich gegen in den Kernmarkt eindringende Wettbewerber wehren, in dem es deren Heimatmarkt unter Beschuss setzt. Dies kann regional geschehen oder durch Produktanpassung. Typisch hierfür war Ende der 1970er Jahre der Zweikampf zwischen BMW und Mercedes Benz: Bis dato waren die Münchner Autobauer im lukrativen Markt der Luxusoberklasse nicht vertreten, sondern überließen das Feld dem Stuttgarter Konkurrenten mit seiner S-Klasse. BMW konzipierte den 7er BMW, was ein wichtiger Baustein war, um auf Augenhöhe mit Mercedes akzeptiert zu werden. Im Gegenzug griff Daimler den Wettbewerber an, in dem es den 190er in den Markt brachte, klarer Gegenpol zur Dominanz des 2002er und später 3er BMWs.

      Beide verlegten sich mitnichten auf das Herstellen von Socken.

    • Blechmann 20. März 2016, 12:56

      Gute Analyse.

  • Oliver 19. März 2016, 14:45

    Die Arbeitsmarktreformen haben insbesondere die eigene Klientel ins Mark getroffen, doch sie brachten auch überraschend schnell eine wirtschaftliche und damit politische Rendite hervor.

    Inwiefern? Die Arbeitsmarktstatistik hat ja mit der Realität seit dieser Zeit rein gar nichts mehr zu tun. Die angebliche Kostenersparnis durch die Reformen ist komplett aufgefressen worden von den Steuersenkungen. Die Beschäftigung ist gestiegen, allerdings auch die Anzahl derer, die von ihrer Arbeit nicht leben können. Von der Konjunktur der Weltwirtschaft in dieser Zeit ist ja in der Unter- und Mittelschicht nicht wirklich viel angekommen.

    Die SPD ist in meinen Augen die nutzloseste Partei, die im Parlament sitzt – inkompetent, verlogen und im Zweifel gegen die eigenen Wähler. Und wie Volker Pispers mal so schön sagte, ich muss nicht im Handballverein sein, wenn ich eigentlich viel lieber Fußball spiele.

    • QuestionMark 19. März 2016, 15:28

      Schön, das wenigstens einer hier noch einen klaren Blick für die Realität hat.
      Empfehlenswert ist auch folgender Artikel, der noch mal im Detail einen Überblick über das Ausmaß der ganzen Statistikfälschereien und der damit einhergehenden massenmedialen Propaganda liefert. Das ist vielleicht etwas für sie:
      “Deutschland läuft heiß” – der Faktencheck
      http://www.querschuesse.de/deutschland-laeuft-heiss-der-faktencheck/

      Besonders interessant ist darin der Abschnitt über die Fälschung der Arbeitslosenzahlen. Ein Muß für den politisch interessierten Bürger.

    • In Dubio 19. März 2016, 16:55

      Falls Sie jung sind, sei Ihnen verziehen, sonst nicht. Seit spätestens den 1980er Jahren wird behauptet, die Arbeitslosenquote wäre nicht ehrlich. Vor den Arbeitsmarktreformen wurden Erwerbslose, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder -hilfe hatten, nicht als arbeitslos gezählt. Genauso erging es Menschen, die sich in den umfangreichen ABMs befanden. Ersteres gilt heute als erwerbslos, zweites wurde abgeschafft. Entsprechend stieg vom 31.12.2004 auf den 01.01.2005, genau um 00:00 Uhr, die Arbeitslosigkeit in Deutschland deutlich an.

      Wenn man sich schon nicht auf einen einheitlichen Maßstab einigen kann, so sollte doch zumindest die internationale Erfassung durch ILO zählen. Danach ist die Arbeitslosigkeit hierzulande niedriger als die Statistiker der Bundesagentur zählen und eine der niedrigsten überhaupt in der OECD. Wer natürlich meint, auch derjenige, der nur 2 Stunden die Woche arbeiten will und keinen passenden Job findet, sei zu zählen, wird nie zufrieden sein. Arbeitslosigkeit ist auch eine Definitionsfrage. So kann man trefflich streiten, ob jemand, der sich 2 Jahre vor der Rente mit einem goldenen Handschlag entlassen lässt, noch als arbeitslos zu betrachten ist.

      Anyway: Es ging nicht darum was ich oder auch Sie (bei allem Respekt) darüber denken. Ein gewichtiger Teil der Bevölkerung sieht die Reformen als erfolgreich an, da danach die Arbeitslosigkeit zurückging und die Beschäftigung stieg. Sie können gerne auch weitere 10 Jahre den Menschen versuchen zu erklären, dass das nichts mit den Reformen zu tun habe.

      Ich bezweifle jedoch, dass Sie damit viele überzeugen können, die heute anders denken. Und ich bezweifle, dass Sie damit jemanden als Wähler gewinnen können, der vom Erfolg überzeugt ist. Fakt ist: die SPD hat die Arbeitsmarktreformen initiiert und sagt danach: „na gut, so gut war nicht.“ Ich weiß nicht, so überzeugend ist das nicht.

      Versuchen Sie so einen Slapstick mal im Privaten auf der Arbeit umzusetzen. Mit viel Aufwand bringen Sie ein Projekt herum, dass von Kunden als toll angesehen wird. Weil es jedoch neben einem mehr an Umsatz den Kollegen auch ein Mehr an Arbeit abverlangt, gehen Sie zu Ihrem Chef. Dieser will Sie gerade loben, da fallen Sie ihm ins Wort: Entschuldigung für dieses verhunzte Projekt. Ich denke, die Gehaltserhöhung können Sie vergessen.

      • QuestionMark 19. März 2016, 23:13

        @InDubio
        Herr Pietsch, ihre Nebelkerzen langweilen. Orientieren sie sich bitte an den Fakten und die sprechen doch eine klare Sprache. Auch ihr Argument „nach ILO bla bla bla…“ zählt doch nicht. Es ist das Argument eines Betrügers der behauptet: „Ich bin doch kein Betrüger, weil die anderen noch viel mehr betrügen.“
        Fakt ist: Man zählt einfach nur noch jeden zweiten erwerbsfähigen Leistungsempfänger als (registrierten) Arbeitslosen. Diese Tatsache ist im von mir weiter oben verlinkten Artikel ganz deutlich dokumentiert.
        => Das ist systematischer Betrug mit Statistiken
        Und auch sonst wird das Volk von den Massenmedien systematisch belogen und betrogen was die volkswirtschaftlichen Daten angeht.
        Es ging bei den „Arbeitsmarktreformen“ schlicht ums Lohndumping. Und es geht jetzt gerade beim hemmungslosen Import von Ausländern auch nur wieder ums Lohndumping. Und eventuell sogar um die Zerstörung des Sozialstaats.

  • CitizenK 19. März 2016, 14:51

    @ Dubio
    Haushaltsüberschüsse und linke Wahlkämpfer, die auf Marktplätzen nach Geld schreien, das niemand braucht?

    Wenn das so ist: Warum stehen dann Kommunen unter Zwangsverwaltung, weil ihnen das Geld selbst für Pflichtaufgaben fehlt? Warum müssen dann in vielen Kommunen die freiwilligen Leistungen zusammengestrichen werden? Werden Pflegekräfte und Lehrkräfte an Volkshochschulen miserabel bezahlt?
    Jungwissenschaftler prekär beschäftigt? Schwimmbäder und Jugendzentren geschlossen? Das mit der Infrastruktur pfeifen inzwischen die Spatzen von den Dächern. Minijobber, Aufstocker, unbezahlten Praktikanden, Paketboten. Leistungkürzungen bei der GKV. Soll ich weitermachen?

    Sie leben in Deutschland – und doch in einem anderen Land – dem der Wohlhabenden. „Nur die Reichen können sich einen armen Staat leisten“ – hätte die SPD sich an diese ihre eigene Parole gehalten, sie stünde heute weit besser da.

    • In Dubio 19. März 2016, 16:39

      Sie können gerne weitermachen, wenn ich das auch darf. Ich hätte gerne ein größeres Auto, meine Tochter, die gerade ihre Ausbildung beendet, würde ich gerne auf eine extra Reise mitnehmen, ich würde gerne mehr spenden und meine Arbeitszeit (bei gleichem Gehalt) reduzieren, um für private Dinge Zeit zu haben.

      Der Staat nimmt rund 50% des Volkseinkommens als Mitgliedsbeitrag. Das heißt, Bürger und Staat teilen sich schiedlich-friedlich, was verdient wird. Das kann man nicht zwingend als unfair ansehen. 2013 hatte die neue Regierung Geld in den Kassen gefunden. Sie wissen, was mit den rund 20 Milliarden EUR freien Mitteln gemacht wurde: sie wurden in die Mütterrente und Rente mit 63 investiert und damit in Gruppen, die das zusätzliche Geld nicht brauchten. Für Schwimmbäder und sonstige Infrastruktur blieb da nichts übrig.

      Das kann man machen. Aber wenn ich mein ganzes Geld für Urlaube auf den Kopp haue, brauche ich mich nicht zu wundern, wenn für Wohnung und anderes nicht mehr viel übrig bleibt. Mehr Steuern lassen sich damit jedenfalls nicht begründen. Und die Bürger, die immerhin über die Kasse zu befinden haben, haben dem Ansinnen in mehreren Wahlen deutliche Absagen erteilt. Aber die Linken können es gerne immer wieder probieren. Ein Beitrag zur Mehrheitsfähigkeit der SPD allerdings scheint das nicht zu sein. Das war das Thema hier. Bitte nicht vergessen!

      • Stefan Sasse 22. März 2016, 13:54

        Fang mal bitte an Sozialversicherungsbeiträge und Steuern zu trennen. 🙂

        • In Dubio 22. März 2016, 17:13

          Warum? Der Staat trennt nicht, die Statistiker trennen nicht, die Bürger beim Blick auf die Lohnabrechnung trennen nicht. Warum sollte ich tun, was niemand sonst tut? 🙂

          • Stefan Sasse 22. März 2016, 18:11

            Weil nicht „der Staat“ die Sozialversicherungsbeiträge „nimmt“.

          • CitizenK 22. März 2016, 18:16

            Weil Sie ja wissen, dass mit Sozialbeiträgen – anders als mit Steuern – konkrete Ansprüche aufgebaut werden. Wie Lieschen Müller, nur die Abzüge auf dem Lohnzettel betrachtend, ist nicht glaubwürdig.

            An anderer Stelle haben Sie diese Ansprüche ja als Vermögen verbucht., was sie in gewissem Sinne ja auch sind.

            • QuestionMark 22. März 2016, 21:00

              @CitizenK
              @Sasse
              Keine allzu klugen Hinweise. Die Perspektive vom Pietsch ist wohl eher richtig. Das Geld (sowohl aus den Sozialversicherungsbeiträgen als auch aus Steuern) ist für den Zahler weg und wird umverteilt. Und die „Ansprüche“ aus den Sozialversicherungen sind auch schnell Makulatur wenn es mal hart auf hart kommt.
              Wie beliebig mit den Geldern verfahren wird hat die Finanzierung der Deutschen Einheit aus Rentenversicherungsbeitragsreserven gezeigt.

            • In Dubio 23. März 2016, 14:31

              Tatsächlich? Machen Sie doch den Test. Ein Drittel aller Renten kommt nicht aus den Rentenbeiträgen, sondern aus dem Bundeshaushalt. Welchen Anspruch haben Sie also aufgebaut?

              Ich bin jetzt in den 40ern und bekomme schicke Briefe von der DRV. Dort steht, wie sich mein Rentenanspruch entwickelt. Anders als bei einer Kapitallebensversicherung gründet sich darauf keinerlei rechtlicher Anspruch. Was der einzelne Beitragspunkt (nein, nicht Beitrags-Euro) in 25 Jahren wert ist, bestimmt der Gesetzgeber. Bei der eigenen Anlage hängt dies von meinem Geschick ab. Und haben Sie es schon mal erlebt, dass eine Wohnung, für die Sie sich eigentumsmäßig interessieren, um ein paar 100% im Preis divergiert, je nachdem was sie verdienen? Als Spitzeneinzahler bekomme ich nach den Prognosen unabhängiger Institute bestenfalls eine Null-Rendite meiner Einzahlungen. Ein Geringverdiener dagegen hat Chancen, einen Zins nahe der 10%-Marke zu erreichen. Das nennt man eigentlich Umverteilung und ist ein Privileg des Steuersystems.

              Beispiel Krankenversicherung. Meine PKV verlangt Beiträge gemäß meinem (Alters-) Risiko. In der GKV muss ich lediglich so viel zahlen, wie mein Einkommen hergibt, selbst wenn ich höhere Kosten verursache. Tatsächlich verursachen die Deutschen durchschnittlich rund 4.000 EUR Kosten pro Person und Jahr. Dies entspricht einem monatlichen Beitrag von rund 350 EUR. Doch dieser Beitrag wird nicht von jedem geschultert, weshalb andere mehr bezahlen. Das Mehrzahlen als man in Anspruch nimmt, ist ein Markenzeichen von Steuern. Es gibt keinen unmittelbaren Zusammenhang (Äquivalenz) von Beitrag und Leistung.

              Zudem hat der Bund direkten Zugriff auf die Sozial-Parafisci. Sie übertragen Leistungen hin und her und genauso wird es mit Zuschüssen gehandhabt. Private Vorsorgeeinrichtungen würden sich gegen diese Verfälschung von Kosten und Erträgen heftig zur Wehr setzen. Und weil das so ist, rechnen Statistiker Zuwendungen des Staates an die Sozialversicherungen als Einnahmen der Sozialkassen. Dadurch verringert sich der Anteil an Steuern und erhöht sich der Anteil der Beiträge. Dies ist der Grund, weshalb wir heute papiermäßig niedrigere Steuern, aber höhere Beiträge bezogen auf das BIP haben. Ein Umstand, der lange breite Kritik fand, ohne diesen Hintergrund zu erläutern.

              Zur Klarstellung: nimmt der Staat 90 Milliarden EUR aus der Einkommensteuer ein, gibt diese aber an die Rentenversicherung, so wird dieser Betrag nicht als Steuereinnahme, sondern Beitragseinnahme der Rentenkasse gezählt. Anschließend eschauffieren sich Linke, dass die Steuern so stark gesunken wären.

              Also zahle ich Steuern zur sozialen Absicherung.

              • CitizenK 23. März 2016, 17:31

                Allerdings unterschlagen Sie die sogenannten „versicherungsfremden Leistungen“. Also Leistungen der Sozialversicherung, die eigentlich gesamtgesellschaftliche Aufgaben sind und aus Steuern finanziert werden müssten.
                Ob die Zahlungen aus dem Staatshaushalt diese ausgleichen oder nicht, ist umstritten. Auf „linken“ Seiten fand ich Rechnungen, die dies vehement bestreiten. Ich kann das nicht wirklich nachprüfen und beurteilen. Aber dass Sie darauf gar nicht eingehen, enttäuscht mich nun doch.

                • In Dubio 23. März 2016, 17:59

                  Was sind „versicherungsfremde Leistungen“? Das ist doch eine Metapher. Tatsächlich geht es doch um die Versorgung von Rentnern. Ob dies nun über die Rentenkasse oder über den Umweg Bundeshaushalt erfolgt, ist erstmal zweitrangig.

                  Von den heutigen Rentnern war, abzüglich der Witwen, der Großteil erwerbstätig. Und dennoch nehmen Sie ab, dass ein Drittel der Zahlungen vom Steuerzahler aufzubringen wäre, weil es sich nicht um „echte“ Renten handeln würde? Tatsächlich geht ein nennenswerter Teil dieses Zuschusses auf die Ökosteuer zurück. 1999 begann man mit der Umfinanzierung, der Rentenbeitrag sank, dafür wurden die Steuern erhöht. Auch das spricht für meine und gegen Ihre Interpretation: Die Sozialbeiträge sind verdeckte Steuern, der Zugriff des Bürgers sowie der Einfluss auf die Leistungen sind stark begrenzt und weitgehend von der jeweiligen Regierung gesteuert.

                  Sind Mütterrente und Rente mit 63 „versicherungsfremde Leistungen“? Genau an solchen Fragen entzündet sich großer Streit. Bei einer echten privaten Vorsorge gäbe es das nicht. Wenn ich mir Kapital aufgebaut habe, darf meine Frau dies auch dann nutzen, wenn ich längst tot bin. Bei der gesetzlichen Rente debattieren wir, ob dies nun eine gesamtstaatliche Aufgabe oder Versicherungsleistung wäre.

                  Doch das alles lenkt nur von dem Fakt ab, dass Sozialbeiträge eben keine freiwilligen, unabhängigen Versicherungszahlungen sind, die eine klare Gegenleistung beinhalten.

    • QuestionMark 20. März 2016, 02:17

      @CitizenK
      Ihre Argumentation geht grandios am Problem vorbei. Nicht die geringen Steuereinnahmen sind eine Malaise. Sondern: Die Unfähigkeit der handelnden politischen Akteure mit diesem Geld adäquat umzugehen.

      Als Beispiel kann man nur immer wieder den Flughafen BER anführen. Oder auch ganz aktuell: Die sinnlose Geldverschwendung mit der zum Teil selbstproduzierten und unnötig verteuerten „Flüchtlingskrise“.
      Und so könnte man hier sicherlich noch mehr Beispiele anführen. Es läuft aber immer wieder auf dasselbe hinaus: Man darf diese politischen Totalversagern von CDU/SPD keinesfalls noch mehr Geld in die Hand geben. Wir haben bereits aktuell nahezu die größte Steuer- und Abgabenlast auf Arbeitseinkommen weltweit.

      Auch das Argument mit der angeblich „verfallenden Infrastruktur“ ist überhaupt keines. Mit Ausnahme der Schweiz kenne ich persönlich keine weiteres Land das eine solch moderne und gut ausgebaute und top-gewartete Infrastruktur aufweist wie Deutschland.
      Aber reisen sie einfach mal selbst durch die Welt, und sie werden sehen was Sache ist. Die deutsche Infrastruktur schlechtzureden ist wirklich völlig daneben.

      • Blechmann 20. März 2016, 12:36

        Wenn SPD/CDU es nicht verbraten, dann wird das Geld für I-Phones und neue Autos mit denen man angeben kann ausgegeben. Und wir haben jetzt schon zu viel Autos und Smart-Phone Suchties. Ich bin für Flughäfen. 🙂

        • QuestionMark 20. März 2016, 12:59

          Das Problem bei dieser Art des Flughafenbaus ist: Die musst dich im Hamsterrad immer mehr abstrampeln und kommst keinen Millimeter voran. Und außerdem ist der Flughafen immer noch nicht fertig. Was folgt daraus? Du kommst im Hamsterrad nicht voran und auch über den Flughafen kommst du nicht vom Fleck weg.
          Dumm gelaufen!

          • Blechmann 20. März 2016, 19:30

            Voran? Wohin voran willst du denn kommen?

      • CitizenK 21. März 2016, 16:28

        „Man darf diese politischen Totalversagern von CDU/SPD keinesfalls noch mehr Geld in die Hand geben“

        Ja, natürlich. Die Aktionäre von Apple, amazon, Google und starbucks brauchen das Geld dringender. Und auch bei arcandor war es besser angelegt. Zum Glück haben die Cum-Ex-Betrüger vorgebeugt und verhindert, dass der Staat noch ein paar Milliarden ausgeben kann.
        Top-Infrastruktur? Seit Jahren gibt es bei mir im 30-km-Umkreis „Schienenersatzverkehr“ in jeden Ferien. Na gut – besser spät als nie.
        Schnelles Internet auf dem Land? Fehlanzeige. Die berühmten „hidden champions“ – Pech gehabt. Ich hab (in der Stadt!) max. 16 MBit/sec. – in anderen OECD-Ländern sind 50 längst Standard. WLAN im Zug wie in den Niederlanden – brauch‘ mer net, fahr halt mit dem Fernbus.
        Keine Lastwagen auf der Autobahnbrücke bei Leverkusen – fahr’n se halt ne halbe Stunde Umweg.
        Hunderte Langsamfahrstellen bei der Bahn – solln die Leute halt die Landschaft anschauen.
        Nord-Süd-Anschluss für den Brenner-Basistunnel – vertraglich zugesagt, einfach nicht eingehalten.
        Wenn Afrika der Maßstab ist – Top-Infrastruktur in D.

        • QuestionMark 21. März 2016, 17:39

          Die Infrastruktur in Deutschland ist wesentlich besser als andernorts. Davon kannst du dich selbst überzeugen, indem du einfach mal ein bißchen Erfahrung in der Welt sammelst. Natürlich gibt es auch im Ausland immer Metropolen die einen gigantisch modernen Eindruck hinterlassen. Aber insgesamt gesehen hast du beispielsweise in Europa kein Land das eine vergleichbare Infrastrukturqualität in der Fläche aufweist.
          Deine oben angeführten Vergleiche sind einfach nicht angemessen, sorry.
          In Deutschland werden Unsummen an Beträgen in die Infrastruktur gesteckt. Ich gehe davon aus, dass kaum irgendein europäisches Land (außer der Schweiz vielleicht) quantitativ oder qualitativ mit Deutschland hier konkurrieren kann.
          Das hat einen einfachen Grund: Die haben einfach nicht so viel Geld für den ganzen Krams zur Verfügung.

          Womit wir beim eigentlichen Übel der ganzen „deutschen Sache“ auch schon wären: Hier wird viel Geld in die unnötige Wartung von überflüssiger Infrastruktur gesteckt. Beispielsweise könnte man die Schwimmbäder alle schließen und/oder privatisieren. Warum finanziert der Staat so einen unnützen Schwachsinn?
          Oder anderes Beispiel: Welches europäische Land hat unzählige öffentlich-rechtliche Sender? Diese Sender bringen entweder Regierungspropaganda oder blödsinnige Unterhaltungssendungen um die Leute zu sedieren.
          Da ist enormes Sparpotential drin in dem Thema.

        • In Dubio 21. März 2016, 18:12

          Top-Infrastruktur? (..) Wenn Afrika der Maßstab ist – Top-Infrastruktur in D.

          Nicht nur Afrika. Wir jammern auf extrem hohen Niveau. Tatsächlich wird die Infrastruktur in Deutschland vom Global Competitiveness Index, also international tätigen Managern, als ein Wettbewerbsvorteil bezeichnet. Und diese Leute müssen es wissen, denn keine andere Gruppe wird so gut vergleichen können.

          Attraktiv ist Deutschland aus Unternehmenssicht nicht zuletzt wegen der Größe seines Marktes. In dieser Kategorie erreichte Deutschland weltweit Rang fünf. Gut positioniert ist die Bundesrepublik dem Bericht zufolge auch bei Innovation (Platz sechs) und Infrastruktur (Platz sieben). Als größte Hindernisse für Unternehmen nennen die Autoren die Komplexität des deutschen Steuerrechts, ineffiziente Bürokratie, die Steuerbelastung sowie ein vergleichsweise strenges Arbeitsrecht.

        • Stefan Sasse 22. März 2016, 13:53

          Okay, Kinners, aber das Internet in Deutschland könnt ihr nicht schönreden. Das ist eine Vollkatastrophe. Schienen, Straßen – da habt ihr sicher Recht.

          • In Dubio 22. März 2016, 17:11

            Die Beurteilung beruht ja nicht auf eigenen Einschätzungen. Und das Internet ist in anderen Ländern – zumindest in denen, die kennengelernt habe – nicht besser.

          • QuestionMark 22. März 2016, 22:09

            @Sasse
            Du musst da schon konkreter werden. Was stört dich genau? Bei welcher Art der Internetnutzung wirst du mit einer altmodischen Infrastruktur konfroniert?
            Ich war jahrelang mit 64kbit/s (damals gab es für Ottonormal nichts schnelleres) im Internet unterwegs und habe seit Jahren auch nicht mehr als 2Mbit. Mir reicht das.
            Wer allerdings HD-Filme aus dem Internet ziehen will und viel mit Spiele-Downloads arbeitet, der hat wohl schon eher Probleme mit der Bandbreite. Aber sind solche Anwendungen wirklich Maßstab für die Beurteilung einer Infrastruktur?

            Ich halte ohnehin die „Sedierungsinfrastruktur“ gesellschaftlich für eher kontraproduktiv.
            Herrschaftstechnisch ist es natürlich ein wirksames Instrument um die „Massen“ mit Spielzeug und oberflächlicher Unterhaltung ruhig und dumm halten zu können.

  • CitizenK 19. März 2016, 20:26

    „Bitte nicht vergessen“.

    Hab ich nicht. Wenn die SPD fast das Gleiche macht wie CDU und FDP, warum soll man sie dann wählen?

    Wenn die Mütterrente und die Rente mit 63 das ganze Geld verschluckt haben, warum haben wir dann jetzt Haushaltsüberschüsse?

    • In Dubio 20. März 2016, 09:33

      Allein der Bund hat seit der Finanzkrise 2008 einen deutlich 3stelligen Betrag an Zinsen gespart. Diese Ersparnis wurde nicht von Sozialhilfeempfängern und Arbeitslosen oder Geringverdienern erbracht, die Kosten hierfür tragen die Sparer und Vermögensbesitzer. Nur sind das Erträge, mit denen kein Finanzminister rechnen sollte.

      Es ging mir auch eher um die Frage: was macht der Staat, wenn er zuviel Geld hat? Die Antwort hat die Große Koalition 2013 gegeben. Auch da wurde im Wahlkampf viel über marode Infrastruktur gejammert. Die Prioritäten lagen jedoch woanders. Das darf man konstatieren. Und selbst die FDP konnte 2009 als Teil des Staates zwar keine Steuerentlastungen durchsetzen (für die sie gewählt worden war), wohl aber eine Erhöhung des Kindergeldes und die Abschaffung der Praxisgebühr.

      Sie können sich noch so viele Prioritäten für den Staat ausdenken. In einer Demokratie wird nach Interessengruppen entschieden, nicht nach Notwendigkeiten.

      • CitizenK 21. März 2016, 08:48

        „…die Kosten hierfür tragen die Sparer und Vermögensbesitzer „.

        Nur die (allerdings große) Gruppe der Geld-Vermögens-Besitzer. Wer Real- bzw. Produktivvermögen besitzt, profitiert sogar davon. Sollte man in diesem Zusammenhang nicht übersehen.

        Zum Thema SPD:
        „Wenn man keinen fundamentalen Unterschied
        zwischen Mitte-rechts und Mitte-links mehr sieht, haben die
        Leute bald das Gefühl, dass es nicht wirklich Sinn hat, zur Wahl
        zu gehen, weil sie ohnehin nichts Neues bekommen. Da gibt es
        zwei mögliche Reaktionen: Entweder verlieren sie das Interesse
        an Politik, oder sie fühlen sich von Rechtspopulisten
        angezogen. Denn die sagen: Ja, es gibt eine Alternative. Im Fall
        Österreich war das schon früher so.“
        http://derstandard.at/2000015524661/Das-System-der-Mitte-kollabiert

        Ihr Vorschlag zur Rettung der SPD ist demnach eher ein Förderprogramm für die AfD (die Sie doch angeblich gar nicht mögen).

        • In Dubio 21. März 2016, 11:04

          Nur die (allerdings große) Gruppe der Geld-Vermögens-Besitzer.

          Jeder Besitzer einer Lebensversicherungspolice, jeder Arbeitnehmer mit einer Betriebsrente, jeder privat Krankenversicherte (auch Zusatzversicherte), jeder Kleinsparer und Riesterrentner ist Opfer der Geldpolitik und zahlt für die Ersparnisse im Staatshaushalt. Da sind verdammt viele potentielle SPD-Wähler dabei.

          2001 Internetblase. 2008 Finanzkrise. Beim Blatzen von Blasen, welche die Geldpolitik aufgepumpt hat, verlieren stets viele Menschen ihre Jobs. Die Kurssteigerungen am Aktienmarkt und im Immobiliensektor sind Scheingewinne, für die irgendwann eine hohe Rechnung präsentiert wird.

          Nein, ich meine ja gerade, die SPD sollte sich von der Union absetzen. Gerade Merkel hat gezeigt, dass die Strategie der Umarmung stets zum Erdrücken des Partners führt. Aber ich habe auch empfohlen, eine Unternehmensstrategie zu überdenken: als Unternehmer / Manager sollte ich mir mein Handeln nicht von Wettbewerbern aufdrücken lassen. Der Wählermarkt ist nicht kleiner geworden, aber für SPD, Linke und Grüne ist er in einer Dekade geschrumpft. Offensichtlich wurde eine falsche Strategie gewählt. Ich muss mir stets ansehen: was sind meine Kunden, wie kann ich sie erreichen und: ist das genügend um Gewinn zu machen? Im Falle der SPD, kann die Partei wieder eine strukturelle Mehrheitsfähigkeit erlangen?

          Ich denke, das ist kurz- und mittelfristig nicht mehr möglich. Wenn das so ist (muss nicht sein), dann ist heute Konsolidierung angesagt, bevor neue Schichten erobert werden können. Was ist der Markenkern? Ist das die Umverteilung von Steuern oder die Förderung Aufstiegswilliger aus der Unter- und Mittelschicht? Beides kann durchaus im Konflikt zueinander stehen. Bei erstem „betreut“ die Partei ihre Kunden, bei zweitem ist sie Partner von jenen, die im Leben etwas erreichen wollen.

          • Blechmann 23. März 2016, 14:16

            „Jeder Besitzer einer Lebensversicherungspolice, jeder Arbeitnehmer mit einer Betriebsrente, jeder privat Krankenversicherte (auch Zusatzversicherte), jeder Kleinsparer und Riesterrentner ist Opfer der Geldpolitik und zahlt für die Ersparnisse im Staatshaushalt. Da sind verdammt viele potentielle SPD-Wähler dabei.“

            Aber jeder Schuldner, jeder der Sachen auf Raten kaufen muss, der Bauspardarlehen braucht, profitiert davon. Prinzipiell müsste jedem Gläubiger ein Schuldner gegenüber stehen. Die Frage ist, ist die SPD die „Partei der Zinsnehmer“? Oder sollte sie das sein? Traditionell eher nicht, hätte ich gesagt.

            • In Dubio 24. März 2016, 09:50

              Ist es förderungswürdig oder lobenswert, Sachen auf Raten zu kaufen? Jahrtausende lang waren Menschen der Überzeugung, Sparen und Haushalten sei eine gute, ehrenwerte Sache. Ökonomen teilen diese Ansicht, ohne Kapitalakkumulation gibt es kein Wachstum.

              Mit der heutigen Geldpolitik werden diese Überzeugungen und Werte auf den Kopf gestellt. Nicht, weil wir sie als falsch erkannt haben, sondern um Fehler der Staaten und den Unwillen der demokratischen Politik zum Haushalten zu nivellieren. Das ist ein sehr hoher Preis.

              Eine Partei, die sich tief verankerten Wertvorstellungen entgegenstellt, hat in der Gesellschaft ein Glaubwürdigkeitsproblem. Und Sie beschreiben auch wieder das Dilemma: man kann nicht gleichzeitig Advokat / Lobbyist und Vertreter der Interessen des Gemeinwohlinteresses sein.

              • Blechmann 24. März 2016, 13:44

                Sparen und Haushalten schon. Aber nicht Verleihen und Zinsen nehmen. Zinsen haben seit Jahrtausenden einen schlechten Ruf. Die Null-Zins Politik war auch nicht direkt eine Entscheidung unserer Regierung. Aber das führt glaube ich weg vom Thema.

  • CitizenK 21. März 2016, 16:45

    Auch in der SPD redet man ja seit einiger Zeit vom „Markenkern“ , der Sozialen Gerechtigkeit. Nun könnte man sagen, mit der Sozialdemokratisierung der Union ist der SPD das Geschäftsmodell abhanden gekommen, der Bedarf wird jetzt halt von andren bedient.

    Ich meine aber, der Bedarf ist noch da und wird mit der Industrie 4.0 weiter wachsen. Für die SPD heißt „Zurück zum Markenkern“: Schröder-Reformen zurückbauen, Privatisierungen kritischer hinterfragen, Sozialsysteme vom Kapitalmarkt unabhängiger machen (mögliches Modell: Die Schweiz).

    Das Geschwätz aus dem linken Lager, die SPD sei „überflüssig wie ein Kropf“ halte ich für Unfug. Die SPD wird noch gebraucht. In diesem Punkt sind wir uns, glaube ich, sogar einig.

    • QuestionMark 21. März 2016, 17:24

      Wofür willst du die SPD denn noch gebrauchen? Sie hat doch ihren Zweck schon erfüllt. Sie ist (wie die Grüne-Partei auch) zum „Klassenfeind“ übergelaufen und hat damit bei der Gleichschaltung der deutschen Politik mitgeholfen. Im Parlament sitzen jetzt nahezu ausschließlich Parteien die die Politik der Oberschicht machen wollen. Sogar die Linkspartei befindet sich auf den Weg dahin. (Man möchte einfach nicht mehr der von allen gemobbte Außenseiter sein!)

      Die SPD kann sich also auflösen. Genauso wie die restlichen Verräterparteien auch. Wer nicht mehr das Volk, sondern nur noch die Oberschicht vertreten will, der hat die Demokratie bereits abgeschafft.

      Es wäre mehr als konsequent, wenn man der politischen und medialen Gleichschaltung jetzt auch noch die formelle Gleichschaltung folgen lassen würde. Nicht die AfD ist das Problem in dieser Fassadendemokratie. Die etablierten Parteien und das angehängte Medienestablishment haben sich bereits gegen diese Demokratie und für den gleichgeschalteten Führerstaat entschieden.
      Der Groschen ist beim Publikum in dieser Hinsicht nur noch nicht gefallen. Aber man kann bekanntlich auch blitzdumm in die Diktatur reinrutschen. Das ist vermutlich eine deutsche Tugend.

    • In Dubio 21. März 2016, 18:00

      Auch in der SPD redet man ja seit einiger Zeit vom „Markenkern“ , der Sozialen Gerechtigkeit.

      Das Problem mit einem solchen Markenkern ist, dass er so diffus ist. Weder führende SPD-Politiker noch Wähler – für die das Thema durchaus wichtig ist – können in ein, zwei Sätzen fassen, was „soziale“ Gerechtigkeit ist. Friedrich August von Hayek hat bei seiner Antrittsrede der Professur in Freiburg gesagt: „Soziale Gerechtigkeit? Was ist das? Das Wort sozial verkehrt jeden ursprünglichen Begriff in sein Gegenteil. Wir können uns kaum einigen, was ‚gerecht‘ ist. Um wieviel schwerer ist es zu sagen, was ’sozial gerecht‘ sein soll?“

      Recht hatte er der Mann. Der Markenkern der konservativen Konkurrenz heißt finanzwirtschaftliche Solidität, wirtschaftliche Prosperität und innere Sicherheit. Ein ausgeglichener Haushalt zählt für die meisten Bürger in den Bereich der finanzwirtschaftlichen Solidität, maßvolle Besteuerung fördert nach althergebrachter Ansicht das Wirtschaftswachstum. Und der Erfolg auf dem Gebiet der inneren Sicherheit lässt sich an Kriminalitätsstatistiken ablesen.

      Mit der sozialen Gerechtigkeit ist das so eine Sache. Was nicht definiert werden kann, kann auch nicht gemessen werden. Und so leidet die SPD an dem Dilemma, dass Deutschland traditionell mit am höchsten besteuert, die Steuersätze mit am meisten divergieren, die OECD dem Land bescheinigt, mit Steuern und Abgaben stark umzuverteilen – nur um vom Bürger bescheinigt zu bekommen, das es im Land sehr unsozial zugehe. Das ist wie Schattenjagen.

      Schröder-Reformen zurückbauen, Privatisierungen kritischer hinterfragen, Sozialsysteme vom Kapitalmarkt unabhängiger machen (mögliches Modell: Die Schweiz).

      Sie meinen, das würde der Partei die Mehrheiten zurückbringen? Warum sollte es das? Die Mehrheit hat längst ihren Frieden mit den Sozialreformen gemacht, so mancher Wähler kennt schon gar nichts anderes mehr. Privatisierungen sind für manche ein Aufregerthema. Im Themenspektrum gehört es jedoch eher in die 2. oder 3. Reihe. Denken Sie dabei an die 1980er Jahre: ein Füllhorn an höchst populären Forderungen. Und Niederlagen ohne Ende gegen einen eher unbeliebten Kanzler.

      Sozialsysteme ist ein eigenes Thema. Die meisten Gesellschaften haben in der Geschichte gespart für schwierige Zeiten und die Risiken des Lebens. Die Deutschen übrigens auch bis 1955. Wir sind eine schrumpfende Gesellschaft mit nach allen Prognosen sinkender Erwerbsbevölkerung und Erwerbstätigkeit. Da kann es hoch risikoreich sein, alle Sozialleistungen direkt an den glühenden Kern der Erwerbsbevölkerung zu hängen. Intelligente Menschen haben die Absicherung von Risiken stets breit gestreut. Versicherungen tun das auch (Stichwort: Rückversicherungen). Und: ich glaube kaum, dass das Schweizer Modell in Deutschland durchsetzbar wäre. Die meisten wissen darüber gar nichts außer ein, zwei diffuse Parameter.

      Die SPD wird noch gebraucht. In diesem Punkt sind wir uns, glaube ich, sogar einig.

      Absolut. Das habe ich mehr als einmal klar geschrieben. Allerdings muss sie Zukunftsaufgaben auch erfüllen wollen und nicht längst verflossenen Zeiten nachhängen. Mit den Rezepten aus den 1970er und 1980er Jahren lassen sich die Überwälzungen der Arbeit, die bis 2050 prognostiziert werden, jedenfalls nicht angehen. Dazu brauchen sie übrigens einen Partner, meiner Ansicht nach den Liberalismus als Gegenstück zum Sozialen.

      • Stefan Sasse 22. März 2016, 13:52

        Stimme dir zu, was den diffusen Markenkern angeht. Das ist tatsächlich keine Basis. „Soziale Gerechtigkeit“ muss irgendwie ausgefüllt werden; aktuell ist das nur ein Schwamm. Wer ist schon gegen soziale Gerechtigkeit? Wie will die SPD aktuell argumentieren, dass CDU, FDP und Grüne sich nicht darum kümmern? Das ist keine Basis, von der aus sie anfangen kann. Das muss konkret an etwas gebunden werden, und ich denke, dass der Ansatz von 1998 („Innovation und Gerechtigkeit“), so sehr das unter Schröder auch nur zwei Worte aus dem Duden und eine Konjunktion waren, grundsätzlich in die richtige Richtung weist.

        • Ralf 22. März 2016, 21:31

          Stimme dir zu, was den diffusen Markenkern angeht. Das ist tatsächlich keine Basis. „Soziale Gerechtigkeit“ muss irgendwie ausgefüllt werden; aktuell ist das nur ein Schwamm. Wer ist schon gegen soziale Gerechtigkeit? Wie will die SPD aktuell argumentieren, dass CDU, FDP und Grüne sich nicht darum kümmern? Das ist keine Basis, von der aus sie anfangen kann. Das muss konkret an etwas gebunden werden

          Ungleichheit in einer Gesellschaft laesst sich im Gini-Koeffizienten ausdruecken. Eine Politik der sozialen Gerechtigkeit koennte einen konkreten Zielwert fuer den Gini-Koeffizienten vorgeben und mit Gesetzgebung darauf hinwirken, dass dieser angepeilte Wert ueber einen gewissen Zeitraum hinweg erreicht wird. In den USA hat z.B. die New Deal-Politik unter Praesident Roosevelt die Vermoegen der Reichen signifikant abgeschmolzen und die Mittelklasse im Gegenzug gestaerkt. Ein Vorbild fuer uns? Die Folge war eine dramatische Veraenderung des Gini-Koeffizienten ueber die relevante Periode. Siehe z.B. hier:

          http://www.the-crises.com/income-inequality-in-the-us-1/

          Einer solchen Entwicklung Vorschub zu leisten, waere ein ganz konkretes Ziel moeglicher sozialdemokratischer Politik („ein Markenkern“). Und es waere auch einfach mathematisch messbar, ob die Politik erfolgreich war oder nicht.

      • Blechmann 23. März 2016, 01:52

        Soziale Gerechtigkeit ist das Umverteilen von Geld von Reich zu Arm. Lässt sich mit dem Gini-Koeffizienten messen.

        „Da kann es hoch risikoreich sein, alle Sozialleistungen direkt an den glühenden Kern der Erwerbsbevölkerung zu hängen.“ Alle Sozialleistungen hängen an der Erwerbsbevölkerung, woran denn sonst? Am sich selbst vermehrenden Geld?

        • In Dubio 23. März 2016, 14:09

          Am Kapital. Das merken Sie, wenn Sie alt sind aber im Eigenheim leben. Ihr verfügbares Einkommen ist dann weit höher als das Ihres Altersgenossen, der zur Miete lebt. Kapital kann transportiert werden. Wenn die Deutschen dereinst nicht mehr genügend Zinsen erwirtschaften, die Volkswirtschaft schrumpft, Unternehmen sterben, kann ein alter Mensch seinen Kapitalstock, sein Altersruhegeld packen und in China investieren. Vorteile, die bei einem Umlagesystem nicht gegeben sind.

          • Blechmann 24. März 2016, 13:36

            Dann muss ich ständig Reparaturen bezahlen, sündhafte teure Umbauten machen um irgendwelchen Umweltvorschriften zu genügen, die Sanierung der Straße/Kanalisation vorm Haus finanzieren. Und wenn ich Grusi beziehe, kürzen sie mir den Mietanteil weg.

            Die Idee mit China ist mir auch schon gekommen. Die Idee, dass die Chinesen dann in 20-30 Jahren für den Lebensstandard der Deutschen schuften hat was. Ist aber glaube ich in der Theorie besser als später dann in der Praxis.

  • CitizenK 22. März 2016, 17:50

    Ein Punkt: Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe. Ein wichtiger Punkt, weil als besonders sozial (niedrige, aber dauerhafte Leistungen) angesehen wurde. Abgelöst durch ALG 2, also nach nur einem Jahr der Absturz in die Armut, Ersparnisse weg, oft Wohnung weg usw., Gleichstellung von Menschen, die viele Jahre mit anderen, die nie gearbeitet haben. Von vielen als Schlag ins Gesicht von fleißigen Arbeitnehmern empfunden.

    Ich habe den SPD-MdB meines Wahlkreises („kein Schröder-Mann“) gefragt, warum die SPD die ALH nicht belassen habe. Die Antwort: „Unbezahlbar“. Es ging also ums Geld. Dabei weiß man heute, dass die Agenda gar keine Einsparungen gebracht hat.

    Dubio meint, die SPD solle stolz darauf sein. Ich denke, sie sollte den Fehler eingestehen.

    Ähnliches gilt für die Riester-Rente, die inzwischen auch bürgerliche Medien als Betrug einstufen.

    „Die haben das wirklich geglaubt“, schreibt Chantal Mouffe in dem oben verlinkten Beitrag. „Die“, das waren Giddens/Blair und Schröder, der in seiner schmierig-unehrlichen Art die Agenda als „nicht die 10 Gebote“ bezeichnet hat.

    Den Fehler, diese Fehleinschätzung einzugestehen, wäre ein erster Schritt zur Wiedererlangung der Glaubwürdigkeit – „das Schwerste“, wie Erhard Eppler schon vor Jahrzehnten erkannte.

    • Blechmann 23. März 2016, 02:38

      „Ein Punkt: Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe. Ein wichtiger Punkt, weil als besonders sozial (niedrige, aber dauerhafte Leistungen) angesehen wurde. Abgelöst durch ALG 2, also nach nur einem Jahr der Absturz in die Armut, Ersparnisse weg, oft Wohnung weg usw., Gleichstellung von Menschen, die viele Jahre mit anderen, die nie gearbeitet haben. Von vielen als Schlag ins Gesicht von fleißigen Arbeitnehmern empfunden.“

      Dazu die Ein-Euro-Jobs. Sinnlose Tätigkeiten für 1 Euro die Stunde ausführen zu müssen aus der Annahme heraus, dass ALG II Empfänger arbeitsscheu sind und man sie so aus dem Bezug rausekeln kann, damit hat sich die SPD die Erklärung für Arbeitslosigkeit der Liberalen zu eigen gemacht. Arbeitslosigkeit ist die gerechte Strafe für Faulheit und Unfähigkeit. Armut ist gerecht. Wenn soziale Gerechtigkeit aber nicht für Umverteilung steht, wofür denn dann? Dann kann man sich gleich den liberalen Begriffskrüppel der „Chancengerechtigkeit“ zu eigen machen. Die SPD als liberale Partei? Irgendwie merkwürdig.

      • CitizenK 23. März 2016, 07:30

        @ Blechmann

        Richtig. Dazu kommen sinnlose „Fortbildungs-“ Maßnahmen (x-mal Bewerbungstraining), die eher de-motivieren und nur dem entsprechenden Gewerbe dienen.

        Aber Du solltest das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Ein sozial-liberales Korrektiv zur alten ÖTV-Mentalität (Busfahrer und Behördenleiter, die Bürger als lästige Störer behandelten) war schon sinnvoll. Sozial-liberal muss immer neu austariert werden, aber es ist keine Utopie. Man hätte damals einfach mal nach Dänemark schauen können.

  • QuestionMark 22. März 2016, 21:40

    Die Diskussion weiter oben (Motto: Wie kann man die SPD retten? bzw. Wie kann die SPD sich retten?) ist übrigens wirklich seltsam und dokumentiert wohl doch sehr die deutsche Untertanenmentalität.

    Die Frage müsste eher lauten: Wie kommt Deutschland endlich zu einer Partei die die Bevölkerungsmehrheit auch vertreten möchte?
    Denn die etablierten Parteien denken doch überhaupt nicht mehr daran dies zu tun. Die Etablierten vertreten hauptsächlich ihre eigenen Interessen. Der Wähler wird in diesem Kontext instrumentalisiert und manipuliert.
    Solche Parteien muß man auch nicht vor dem Niedergang retten, sondern man sollte sich doch eher aktiv an deren Ablösung beteiligen.

Leave a Comment

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.