Griechischer Besuch in Indiana von Steinbrück in Kalifornien gefordert – Vermischtes 09.04.2015

Wieder einmal haben sich einige Themen angesammelt, die jeweils nicht genug Stoff für einen Beitrag abgeben. Daher gibt es wieder eine Vermischtes-Rubrik mit Kommentaren.

„Umstrittener“ Besuch des griechischen Ministerpräsidenten in Moskau

So hieß es im Deutschlandfunk heute um 13:00 Uhr zu Beginn der Nachrichtensendung und dann noch einmal beim Übergang zur anschließenden Sendung. Ganz selbstverständlich und ohne An- und Abführung: umstrittener. Und dann wundern sich unsere Hauptmedien, dass ein paar wache Köpfe diese kaltblütige Propaganda nicht mehr mitmachen und auf den Foren der Meinungsbildungseliten Kritik üben. Offenbar haben die Hauptmacher der Propaganda nicht einmal mehr eine kleine Ahnung davon, wie eine demokratische Berichterstattung aussehen müsste. Selbstverständlich müsste über die Moskaureise eines griechischen Ministerpräsidenten ohne das zitierte Adjektiv berichtet werden und dann meinetwegen negativ kommentiert werden. Im konkreten Fall ist die unterschwellige negative Kommentierung auch die Folge der Kommentare, mit denen deutsche und ausländische, zum Beispiel ukrainische, Politiker den Besuch von Tsipras in Russland begleiten; ihr Grundtenor wird einfach in die Texte der Nachrichtensendungen übernommen.

Albrecht Müller von den NachDenkSeiten ist außer sich: „So hieß es im Deutschlandfunk heute um 13:00 Uhr zu Beginn der Nachrichtensendung und dann noch einmal beim Übergang zur anschließenden Sendung. Ganz selbstverständlich und ohne An- und Abführung: umstrittener. Und dann wundern sich unsere Hauptmedien, dass ein paar wache Köpfe diese kaltblütige Propaganda nicht mehr mitmachen und auf den Foren der Meinungsbildungseliten Kritik üben.“ Sorry, Herr Müller, aber wenn Tsipras nicht umstritten ist, wer dann? Nicht einmal die Linke ist vollständig auf dem Syriza-bandwagon, oder muss man an den Koalitionspartner erinnern? Auch die Übernahme der insgesamt sehr negativen Reaktion der deutschen Politik durch die Medien ist nicht verwunderlich: warum sollte irgendjemand hierzulande Griechenland alles Gute für den Besuch wünschen? Das Land verfolgt ausschließlich eigene Interessen, indem es auf unilaterale Importerleichterungen durch Russland hofft. Das darf es, aber warum sollte es dabei irgendwelche Schützenhilfe bekommen, besonders angesichts des Risikos, dass Tsipras damit die einheitliche Außenpolitik der EU gegenüber Russland gefährdet? Die Griechen sind souverän und können das machen, aber genauso können die deutschen Medien das nicht so cool finden, ohne dass gleich ein riesiger Propagandaapparat bemüht werden muss. Die ständige Hyperbel bei Müller ist wahnsinnig ermüdend.

Tsipras lockt, Putin blockt

Den Saal, in dem Wladimir Putin und Alexis Tsipras in Moskau vor die Presse traten, schmückten für die TV-Kameras drei Fahnen den Hintergrund: Russlands Trikolore, Griechenlands blau-weiße Fahne und zwischen beiden – etwas eingeklemmt – die Fahne der EU. Wer nach einem passenden Bild suchte für eine russisch-griechische Annäherung auf Europas Kosten, konnte also bereits fündig werden, bevor die gemeinsame Pressekonferenz des griechischen Premiers mit Russlands Präsidenten begann. Der Moskauer Außenpolitik-Experte Fjodor Lukjanow brachte die Erwartungshaltung vor dem Treffen auf den Punkt: Wird der Kreml sich darauf einlassen, Athen eine „Finanzspritze zu geben, um damit die EU von innen zu sprengen?“ Die Antwort lautet: Nein, bislang nicht. Putin und Tsipras rückten zwar auch bei der Pressekonferenz demonstrativ zusammen, saßen Schulter an Schulter. Der Grieche tätschelte dem Gastgeber freundlich den Arm. Russlands Präsident Putin dagegen wirkte während des Termins gelegentlich abwesend und fast schon desinteressiert.

Offensichtlich war Tsipras‘ Mission in Moskau ungefähr so erfolgreich wie Varoufakis‘ Besuche bei Schäuble: abgesehen von einigen vagen Möglichkeiten in der Zukunft beim Bau einer Pipeline erteilte Putin Tsipras eine Abfuhr. Eine Aufhebung der russischen Sanktionen (die für die griechische Landwirtschaft schädlich sind) wird es nicht geben. Nach finanzieller Unterstützung hat Tsipras, anders als in der vergangenen Woche noch spekuliert, erst gar nicht gefragt. Man darf vermuten, dass russische Stellen zu verstehen gegeben haben, dass das keine gute Idee wäre. Interessant ist, dass Putin sich hier eine Chance entgehen lässt, Griechenland von der EU (und mittelfristig der NATO) zu entfremden. Kann man das als Zeichen der Entspannung im Konflikt mit der EU über die Ukraine verstehen? Ist Putins Strategie bezüglich Griechenland nur in Wahrheit komplizierter als es scheint? Oder ist es einfach nur ein Zeichen von Russlands mangelnder Wirtschaftskraft?

The big fear lurking behind Indiana’s controversy

In 1954, with the debate over the legality of public school segregation at its height, Fred Sullens of the Jackson Mississippi Daily News offered a vision of the future to come. „White and Negro children in the same schools,“ he wrote, „will lead to miscegenation. Miscegenation leads to mixed marriages and mixed marriages lead to mongrelization of the human race.“ Proponents of racial equality were, naturally, not eager to endorse any such conclusion. The 1954 Brown v Board of Education decision said nothing about marriage rights, and neither the early Civil Rights Acts of 1957 and 1960 nor the landmark 1964 Act tackled the then-widespread state-level bans on interracial marriage. To do so would have been highly impolitic. And given the abysmally low levels of public approval of interracial marriage in the 1950s and 1960s it is reasonably likely that many sincere supporters of civil rights did not particularly desire the „mongrelization“ outcome Sullens foresaw.

Im US-Bundesstaat Indiana wurde ein „Religious-Freedom-Law“ verabschiedet, das möglicherweise (so genau weiß das keiner) die Diskriminierung von Homosexuellen ermöglicht hätte. Das hat einen massiven Proteststurm ausgelöst, so dass das Gesetz verändert werden musste und diese Option nun definitiv ausschließt. Für die Konservativen ist das alarmierend: das Gefühl, einen tobenden „culture war“ zu verlieren, hat neue Nahrung bekommen. Und das nicht zu Unrecht – der culture war in den USA zwischen Progressiven und Konservativen, der auf deutlich kleinerer Flamme auch in Europa köchelt und sich vor allem an Fragen der Gleichstellungspolitik, Rassenbeziehungen und Homosexuellenemanzipation entzündet, sieht für die Konservativen nicht gut aus. Sie verlieren an allen Fronten, und sie verlieren deutlich. Trotz vereinzelter Skandale wie der völlig vergeigten Berichterstattung des Rolling Stone in einem Vergewaltigungsfall, der auf vorschnelle, ideologisch motivierte Verurteilung zurückzuführen war, ist „political correctness“ weithin Standard und wird die gleichgeschlechtliche Ehe wohl bald Verfassungsrang haben. Auch in Europa ist ein solcher Wandel spürbar. Die Konservativen gewinnen klar die Schlacht um die Innenpolitik und Wirtschaftspolitik, aber sie verlieren krachend auf dem Feld der Gesellschaftspolitik.

The virtues of legislation without representation

Want to kick-start a political brouhaha? Here’s one way to do it: Pass a law in a red state that affects the citizens of a blue state, or vice versa. Folks in the affected state will be outraged, most people will shake their heads, and a few may even sue. It happens all the time. Here’s a sampling of state regulations that have made headlines in recent months: Vermont has required food producers that use genetic modification to disclose this fact on the label of any food sold in that state, even if the producer has no facilities in Vermont. Minnesota has prohibited the purchase of electricity that was generated at new coal-fired power plants, even if those power plants are located outside Minnesota. Colorado has legalized marijuana, prompting a lawsuit from neighboring states frustrated with an uptick in drug trafficking within their own borders.

Der Atlantic berichtet in einer Reportage über die „spillover effects“ von bundesstaatlicher Regulierung. Wenn etwa ein Bundesstaat wie Kalifornien neue Tierschutzgesetze für Legebatterien erlässt, müssen Hühnerhöfe in Nachbarstaaten diese auch erfüllen oder auf Zugang zum kalifornischen Markt verzichten. Gleiches gilt für texanische Schulbücher: Nachbarstaaten wie Arizona oder Oklahoma verwenden diese ebenfalls, weil sie es sich nicht leisten können, eigene zu entwickeln. Wenn also Texas beschließt, ab sofort die kreatonistischen Ideen gleichwertig mit der Wissenschaft von der Evolutionstheorie zu unterrichten, dann sind diese Staaten mit im Boot. Der Artikel ist generell ziemlich positiv demgegenüber eingestellt – Labor der Demokratie und so weiter. Ich bin mir nicht sicher, wie gut ich diesen Effekt finde. Wir haben das effektiv nur in der Bildungspolitik wirklich am Laufen, und das ist jetzt nicht gerade eine riesige Erfolgsstory.

Rezension von Steinbrücks neuem Buch „Vertagte Zukunft“

Da sitzt er, der Mann der vor anderthalb Jahren Kanzler werden wollte. Auf einer Treppe, im Anzug, mit roter Krawatte. Für seine Verhältnisse lächelt er fast. »Ver­tagte Zukunft« steht über ihm, in passender Farbe zur Krawatte. Darunter »Die selbstzufriedene Republik«. Peer Steinbrück hat ein neues Buch geschrieben. Wie pervers dieser Betrieb ist, kann man daran ablesen, dass er erwähnen muss, dass er es selber geschrieben hat. Seine Titelthese ist einfach: Der Wahlerfolg der Unions-Parteien 2013 (41,5%) geht darauf zurück, dass die Wähler das Bedürfnis nach Ruhe und vor allem politischer Kontinuität gewünscht hätten. Steinbrück bestätigt damit weitgehend die Aussage der Auguren, die Merkels Wahlkampfstrategie mit der von Konrad Adenauer 1957 verglichen hatten, der mit seinem Konterfei und »Keine Experimente« die absolute Mehrheit gewonnen hatte. Die Unions­parteien hätten diese Beschwichtigungsstrategie nicht zuletzt mit Hilfe der Medien erfolgreich umgesetzt. Jede Kritik an den Verhältnissen sei als Miesepeterei angesehen worden. Die Tendenz ging und geht, so Steinbrück, zur »konfliktscheuen Politik«.

Insgesamt sagt Steinbrück wenig Neues, was mir aber aufgefallen ist ist die Passage zum Thema Freiheit. Steinbrück mahnt an, dass die SPD nur Wähler gewinnen könnte, wenn sie Freiheit nicht nur als Freiheit von (Unterdrückung, Ausbeutung, etc) sondern auch als Freiheit zu (selbstbestimmtes, gutes Leben, etc) sehe. Hier kann man gerne mal Albrecht Müller bequemen: das ist Mainstream in der SPD seit den 1960er Jahren. Hat die Partei sich so weit entkernt, dass das Ausgraben der Wahlprogramme von 1966, 1969 und 1972 jetzt wieder als neue Erkenntnis verkauft werden muss?

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  • Ralf 9. April 2015, 18:37

    Sorry, Herr Müller, aber wenn Tsipras nicht umstritten ist, wer dann?

    Es ging hier um Tsipras Besuch in Moskau, der „umstritten“ gewesen sein soll, nicht um Tsipras als Person.

    Abgesehen davon machst Du es Dir moeglicherweise ein bisschen zu einfach. Es entsteht oft der Eindruck, dass die konventionellen Medien Adjektive wie „umstritten“ sehr gezielt verwenden, um die Legitimation von Vorgaengen oder Personen zu untergraben, die ihren Eigentuemern nicht in den Kram passen. Vorgaenge hingegen, die in der Tat extrem „umstritten“ sind, werden hingegen oft nicht so bezeichnet. So fehlte der Begriff „umstritten“ etwa praktisch voellig, wenn es um die Berichterstattung ueber die ukrainische Putschregierung nach dem Sturz Janukowytschs ging. Der Begriff fehlte auch als Sigmar Gabriel kuerzlich Saudi Arabien besuchte und mit der dortigen Regierung zusammentraf. Wuerde dem saudischen Koenig oder dem urkainischen Uebergangsministerpraesidenten das Etikett „umstritten“ angehaengt, zoege das natuerlich bei der Leserschaft deren Legitimation in Zweifel. Dass Spiegel, SZ, FAZ und Co das unbedingt verhindern wollen, duerfte klar sein. Das Etikett „umstritten“ wird also lieber den gewohnten Pruegelknaben auf’s Auge gedrueckt. Dazu zaehlt unter anderem Tsipras. Objektiver Journalismus sieht anders aus.

  • Ariane 9. April 2015, 22:17

    @Ralf
    Najo, aber das macht Stefans Kommentar ja eigentlich noch dringlicher. Der Besuch war ja noch umstrittener als Tsipras selbst, selbst bei wohlmeinendsten Leuten. (außer bei den NDS natürlich, aber nun ja) Kommt halt immer drauf an, welche und wieviele Medien gerade etwas kritisieren. Panzerverkäufe an Saudi-Arabien werden z.B. ebenfalls sehr wohl umstritten genannt, der saudische König an sich aber nicht oder Gabriels Besuch dort, der wurde von den Medien ja kaum erwähnt.

    Putins Reaktion ist schwer einzuschätzen. Auf der einen Seite ist es in der Ostukraine ja wirklich ruhiger geworden (ohne, dass die Situation sich irgendwie so groß verbessert hätte). Vielleicht wirklich ein Zeichen von Entspannung. Andererseits: warum sollte er Griechenland die „Vergeltungssanktionen“ erlassen, ohne wirklich brauchbares dafür zu bekommen? Mit Zypern und Ungarn hat Russland ja schon recht freundliche EU-Partner, die auch nicht soviel nützen (und die vermutlich auch von den Sanktionen betroffen sind, das weiß ich allerdings nicht). Oder (vermutlich das wahrscheinlichste Szenario): Putin geht einfach davon aus, dass Tsipras und seine Regierung sowieso bald erledigt sind.

    • Ralf 10. April 2015, 00:32

      Der Besuch war ja noch umstrittener als Tsipras selbst, selbst bei wohlmeinendsten Leuten. (außer bei den NDS natürlich, aber nun ja) Kommt halt immer drauf an, welche und wieviele Medien gerade etwas kritisieren. Panzerverkäufe an Saudi-Arabien werden z.B. ebenfalls sehr wohl umstritten genannt, der saudische König an sich aber nicht oder Gabriels Besuch dort, der wurde von den Medien ja kaum erwähnt.

      Dann wuerde mich interessieren, weshalb die Medien es als „umstritten“ bezeichnen, wenn der griechische Staatschef den russischen Staatschef trifft, obwohl Deutschland von diesem Treffen bestenfalls indirekt betroffen ist, waehrend es nicht „umstritten“ ist, wenn der Vorsitzende der SPD und wahrscheinliche Kanzlerkandidat fuer 2017 und Regierungsmitglied das Regime in Saudi Arabien besucht, wovon wir als Deutsche direkt betroffen sind. Die die Putin vorwerfen, dass er sich wider das Voelkerrecht militaerisch in einem Nachbarland einmischt, koennen doch kaum uebersehen, dass Saudi Arabien gegenwaertig im Jemen genau das gleiche tut. Die die Putin vorwerfen er unterdruecke die Demokratie, koennen doch kaum uebersehen, dass in Saudi Arabien jegliches Demokratiebestreben im Keim erstickt wird und die, die sich fuer die Demokratie aussprechen oeffentlich halb tot gepruegelt werden. Die die Putin Homophobie vorwerfen, koennen kaum uebersehen, dass Schwule in Saudi Arabien mit der Todesstrafe konfrontiert sind. Von Frauenrechten im Saudi-Reich ganz zu schweigen. Wieso ist es dann nicht „umstritten“, wenn ein deutscher Spitzenpolitiker das menschenverachtende und demokratiefeindliche Regime in Riad besucht? Wieso ist es nicht „umstritten“, wenn ein Bundespraesident a.D. zum Begraebnis des dortigen Tyrannen reist, der sein Volk ein Jahrzehnt lang blutig unterdrueckt hat? Aber wenn der griechische Staatschef, der mit dem Ruecken zur Wand steht, nach Russland reist, dann ist das ploetzlich „umstritten“?

      Macht aus meiner Sicht wenig Sinn. Und diese selektive Verwendung des Begriffes „umstritten“ ist eben genau das, was Albrecht Mueller anmahnt. Es ist systematische Propaganda. Eigentlich haetten die Medien die Aufgabe zu informieren. Was aber geschieht, ist in etwa so, als wenn ein Schiedsrichter, der ein Spiel objektiv bewerten soll, sich ploetzlich selbst den Ball erdribbelt und auf’s Tor schiesst. Nur dass der Schiedsrichter sich im genannten Beispiel eben offensichtlich selbst als parteiisch entlarven wuerde, waehrend die Medien ihre Propaganda unter dem Deckmantel scheinbarer objektiver Berichterstattung betreiben und die Manipulation eben gerade mit Begriffen wie „umstritten“ betreiben.

      Ein anderer beliebter Begriff, der genau der selben Propaganda dient, ist uebrigens der Begriff „selbsternannt“. Dem entsprechend sind die pro-russischen Anfuehrer in der Ukraine „selbsternannt“ und auch der Kalif des IS ist „selbsternannt“, waehrend die selbsternannte Putschregierung in Kiew nach dem Umsturz merkwuerdigerweise nie so genannt wurde.

  • Kning 10. April 2015, 07:02

    Streng genommen ist die Headline “ Umstrittener Besuch…“ Was defacto schon eine Einschätzung, bzw. Wertung ist.
    Die Frage ist schon berechtigt, in wie weit ein öffentlich rechtliches Medium direkt in eine Wertung gehen kann, ohne diese direkt als Kommentar zu kennzeichnen. Nach reiner Lehre wäre es an den öffentlich rechtlichen zunächst die Fakten zu berichten. Warum Tsirpas wirklich nach Russland gegangen ist, darüber lässt sich trefflich spekulieren. In dem Artikel werden aber Spekulation, Wertung und Fakten zu einem diffusen Brei vermischt. Das ist üblich in der Branche, aber für die Orientierung des Lesers nicht gerade hilfreich.
    Von öfentlich rechtlichen Medien erwarte ich, dass man mich als Zuschauer / Leser ernst nimmt und mir zutraut das ich mir aus Fakten eine eigene Meinung bilden kann.

    • In Dubio 10. April 2015, 09:05

      Sorry, die Nachdenkseiten hatten sich dagegen gewandt, den Besuch Tsipras überhaupt als „umstritten“ zu bezeichnen. Erläutert wurde das jedoch nicht wirklich. Im Vorfeld hatte EU, Eurozone und die Geldgeber des Athener Haushalts den beabsichtigten Besuch des griechischen Premiers mit diversen, diplomatisch höflichen, aber kritischen Worten begleitet.

      Das sind ja nicht irgendwelche Politiker und Institutionen. Daher war der Besuch objektiv umstritten. Das ist keine Wertung, sondern eine Tatsachenbeschreibung.

      Übrigens hat die Regierung in Athen selbst die Absichten des Besuchs wochenlang kundgetan. Tatsächlich drang man jedoch am Ende nicht auf Finanzhilfen, nachdem von russischer Seite auf diplomatischer Ebene scheinbar schon signalisiert worden war, dass das keine hervorragende Idee wäre. Auch Putin wusste, dass Tsipras ein Bettler ist.

  • Ariane 13. April 2015, 17:19

    @Ralf
    Bitte nicht zuviel durcheinanderwirbeln. Umstritten ist für mich per se nicht unbedingt wertend, sondern eher objektiv. Der Besuch von Tsipras in Moskau wird als umstritten bezeichnet, weil viele (große) Medien ihn kritisch kommentiert haben. Ebenso werden Panzerverkäufe nach Saudi-Arabien als umstritten bezeichnet, weil das ebenfalls von vielen Medien kritisch kommentiert wurde.

    Natürlich kann man nun überlegen, wieso ein Besuch von Gabriel eher ignoriert als kritisch kommentiert wird, während der Besuch von Tsipras in Moskau viel mehr (und kritischer) beobachtet wird und damit hast du natürlich recht. Das ist aber nicht zwingend eine große Kampagne, sondern so ist unsere Welt nun mal. Das Massaker in Kenia an der Uni hat auch weniger Aufmerksamkeit bekommen als die Anschläge in Paris und hunderte ersoffene Flüchtlinge bekommen auch weniger Aufmerksamkeit als ein Flugzeugabsturz. Da steckt aber kein fieser Masterplan dahinter, sondern wie gesagt, unsere Welt ist leider nun mal so :/

  • Ralf 15. April 2015, 18:53

    @ Ariane

    Umstritten ist für mich per se nicht unbedingt wertend, sondern eher objektiv.

    Stell Dir die folgende Titelzeile in den Nachrichten vor:

    Die deutsche Bundeskanzlerin besucht Spanien.

    Klingt alles neutral. Der Leser wird nicht emotional navigiert. Ohne weitere Information ist es unklar, was vom Besuch oder von Merkel zu halten ist.

    Jetzt stell Dir diese alternative Titelzeile vor:

    Die umstrittene deutsche Bundeskanzlerin besucht Spanien.

    Klingt’s noch neutral? Natuerlich nicht. Der Leser weiss zwar immer noch nicht, was er von Spanien als Besuchsziel halten soll. Aber klar ist schon mal, dass mit Merkel irgendwas nicht ganz koscher ist. Es entsteht der Eindruck, ihre Legitimitaet wackelt. Noch bevor man den Rest des Artikels gelesen hat, steht sie definitiv von Anfang an in einem zweifelhaften, wenig vertrauenswuerdigen Licht. Alle Information, die der Leser anschliessend erhaelt, wird im Kontext dieses negativen Lichtes verstanden werden.

    Du schreibst, der Begriff „umstritten“ sei eher „objektiv“. Darauf antworte ich, dass „umstritten“ als objektiver Begriff keinen Sinn macht. Denn JEDER Politiker ist umstritten. Merkel wird etwa von der gesamten Opposition im Bundestag abgelehnt und man darf auch annehmen, dass sie bei Millionen Nichtwaehlern unpopulaer ist. Schliesslich haben sich die Nichtwaehler nicht selten gerade deshalb aus dem politischen Prozess verabschiedet, weil sie sich von der regierenden Elite nicht mehr vertreten fuehlen. Wenn aber Millionen Buerger Merkel nicht vertrauen, dann ist das Adjektiv „umstritten“ als objektiver Begriff absolut gerechtfertigt. Allerdings gilt das fuer alle anderen Politiker ebenso. Wenn aber ALLE Politiker „umstritten“ sind, dann macht es keinen Sinn diesen Fakt bei EINZELNEN hervorzuheben. Es sei denn man moechte herausarbeiten, dass jemand BESONDERS umstritten ist und diesem jemand ein negatives Ticket anhaengen.

    Aber war Tsipras Besuch in Moskau wirklich BESONDERS umstritten? Mein Eindruck ist, dass die deutsche Bevoelkerung sich nicht sonderlich fuer den Besuch interessiert hat. Die Medien koennen sich also nicht darauf berufen, dass millionen Deutsche sich von dem Vorgang abgestossen fuehlten. Ueberhaupt haben die Medien sich in der juengeren Vergangenheit wieder und wieder beklagt, dass ihre widerspenstigen Leser ihrer antirussischen Hetze einfach nicht folgen wollen. Zeitweise konnte man mindestens einen Artikel pro Woche in Spiegel und SZ finden, in denen die Redakteure ihre eigenen Leser zu naiven Dummkoepfen („Putinversteher“) erklaerten. Nimmt man das als Basis, darf man annehmen, dass der Besuch Tsipras‘ in Moskau moeglicherweise in Teilen der Bevoelkerung auch noch positiv bewertet worden ist. Aber auch andernorts ist es unwahrscheinlich, dass die Visite des griechischen Premiers wirklich so schlecht ankam. Ich zumindest habe nirgendwo gehoert, dass die Griechen oder die Russen (also die einzigen, die wirlich direkt von dem Besuch betroffen sind!) Tsipras Besuch als „umstritten“ einordnen.

    Im Grunde sind die einzigen, bei denen der Besuch wirklich umstritten war, die europaeische Machtelite in Bruessel sowie ihre Schreiberlinge bei den grossen Medien. Deren Sicht wird als die einzige, die zaehlt praesentiert. Im Grunde sogar als die einzige, die exisitiert. Dabei wird durch die Verwendung des Begriffs „umstritten“ der Eindruck einer Front von Ablehnung erweckt. Damit wird ein verfaelschendes Stimmungsbild der Deutschen gezeichnet, das die Realitaet konterkariert. Und genau da hoert Informationsvermittlung auf, die eigentliche Aufgabe der Medien. Und es beginnt das Feld der politischen Propaganda. Albrecht Mueller hat das aus meiner Sicht zurecht kritisiert.

    • Stefan Sasse 16. April 2015, 15:11

      Du hast natürlich Recht, aber was du nicht bedenkst ist der Unterschied zwischen innenpolitischer und außenpolitischer Ebene. Tsipras ist in Deutschland auf eine Weise „umstritten“, die Merkel selbst in der Opposition nicht ist.

  • Ralf 16. April 2015, 15:45

    Es geht ja nicht um Tsipras persoenlich, sondern um seinen Besuch in Moskau, der „umstritten“ gewesen sein soll. War dieser Besuch in Deutschland denn wirklich so umstritten? Haben die Deutschen diesen Besuch wirklich abgelehnt? Ist in Hamburg, Muenchen und Koeln an den Stammtischen, an der Tankstelle, im Supermarkt aufgeregt debattiert worden, ob die Visite des griechischen Premiers angemessen war? War Tsipras Reise ein „trending topic“ auf Twitter? Auf Facebook? Hat man die Empoerung der Deutschen auf der Strasse fuehlen koennen?

    Mein Eindruck war, dass die Deutschen komplett uninteressiert waren, ob dieses Besuches. Die meisten wussten vermutlich noch nicht einmal davon. Das Thema war ja auch viel zu schnell wieder weg vom Fenster, als dass man annehmen muesste, es haette eine groessere Auseinandersetzung in der Bevoelkerung mit dieser Sache gegeben. Mein Eindruck ist, dass nicht die Deutschen empoert waren, sondern ein paar Repraesentanten des Regierungszirkels und ihre Hofberichterstatter. Deren Sicht und deren Interessen wurden aber als die alleinig gueltigen praesentiert. Alternative Betrachtungsweisen wurden garnicht erst erwaehnt. Und durch Begriffe wie „umstritten“ wurde auch noch der Anschein erweckt, Millionen Deutsche wuerden die Bedenken teilen. Denn der Begriff macht keinen Sinn, wenn lediglich eine dreistellige Zahl an Buergern kritisch ist und diese Buerger noch nicht einmal statistisch repraesentativ fuer die Gesellschaft sind.

    • Stefan Sasse 16. April 2015, 16:45

      Hast vermutlich Recht, ja. Ich reg mich trotzdem immer noch nicht darüber auf. Gerade wenn du sagst, dass es eh keine Sau interessiert, dann beeinflusst es auch niemand.

  • Ralf 16. April 2015, 18:17

    Ich reg mich trotzdem immer noch nicht darüber auf. Gerade wenn du sagst, dass es eh keine Sau interessiert, dann beeinflusst es auch niemand.

    Gerade das halte ich fuer eine brandgefaehrliche Fehleinschaetzung.

    In Deinem aktuellen Artikel beschreibst Du etwa, dass Merkels Position in Europafragen allgemein als „alternativlos“ betrachtet wird und Griechenland trotz erwiesener Unwirksamkeit der Austeritaetspolitik voellig isoliert dasteht. Woher kommt das denn? Frueher sind in den Medien kontroverse Positionen diskutiert worden. Es wurde gezeigt, was die Regierungsseite denkt. Aber eben auch, was die Gegner wollten. Heutzutage hingegen finden sich in der Presse und im Fernsehen en bloc fast nur noch regierungskonforme Artikel. Die Botschaft darin ist oft subtil: Merkel ist gut fuer Deutschland. Merkel will das Beste auch fuer Griechenland. Merkel findet einen guten Kompromiss. Nur mit Merkel ist die EU auf einem guten Weg. Ueber Griechenland hingegen findet sich das genaue Gegenteil: Die griechische Regierung ist „umstritten“. Sie ist frech. Sie ist unverschaemt. Sie ist inkompetent. Die Griechen wissen nicht, was gut fuer sie ist.

    Man muss sich fuer diese Inhalte noch nicht einmal interessieren. Man muss die assoziierten Artikel noch nicht einmal lesen. Ein kurzer Blick auf die Titelzeile reicht schon und erweckt den Eindruck, dass Merkel eben grossartig und Griechenland boese ist. Dieses Verstaendnis wandert ins Unterbewusstsein und der Leser kann sich anschliessend wahrscheinlich noch nicht einmal mehr direkt an die Ueberschrift erinnern. Am naechsten Tag gibt es dann wieder einen solchen Titel. Am Tag darauf nochmal. Und dann wieder. Und wieder. Und wieder. Und wieder.

    Steter Tropfen hoehlt den Stein. Nach nicht allzu langer Zeit wird sich beim Leser ein „Bauchgefuehl“ einstellen, dass Merkel wohl grossartig und Griechenland boese ist. Schliesslich hoert man das ja staendig. Irgendwie. Und deshalb kann der Einfluss von systematischer Propaganda durchaus enorm sein, auch wenn sich eigentlich keine Sau dafuer interessiert.

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