Max Brooks – World War Z (Max Brooks – Operation Zombie)
Vielen Lesenden dürfte der Titel „World War Z“ von einem im Großen und Ganzen unbedeutenden, maximal mittelmäßigen Actionstreifen mit Brad Pitt aus dem Jahr 2012 bekannt vorkommen. Schon weniger Leuten dürfte bekannt sein, dass der Film auf einem Buch mit demselben Titel (und der absolut beknackten deutschen Übersetzung „Operation Zombie. Wer länger lebt, ist später tot“) basierte. Das Buch selbst ist ein geister Nachfolger zum ironischen „Zombie Survival Guide“ (deutsch) desselben Autors. Verwirrt? Dabei haben wir noch gar nicht angefangen.
Die „Handlung“ des Buchs (ich möchte es nicht „Roman“ nennen, aber das von Brooks hier geschaffene Genre lässt sich allenfalls als „Mockumentary“ betiteln) setzt 20 Jahre nach dem titelgebenden „World War Z“ ein, als der Journalist Max Brooks (ja, der Autor ist gleichzeitig der personale Erzähler) eine Reise um die Welt unternimmt, um mit Überlebenden zu sprechen und ihre Erinnerungen für die Nachwelt aufzuzeichnen. Letzten Endes ist das Buch eine geschriebene Version der Dokus von Ken Burns oder Studs Terkel: Zeitzeug*innen berichten von ihren Erlebnissen, und das Ganze wird in ein Narrativ zusammengeschnitten.
Im Fall von „World War Z“ beginnt dieses Narrativ mit dem Kapitel „Warnungen“, in dem „Max Brooks“ einige Zeug*innen der ersten Ausbrüche befragt. Es bleibt bewusst etwas unklar, woher die Krankheit eigentlich kommt, die Tote wiederauferstehen lässt. Offenkundig ist, dass die ersten Ausbrüche unter Kontrolle gebracht werden – meist sehr gewalttätig – und die fehlende Kooperation der Regierungen und die Weigerung der Öffentlichkeit, die Gefahr ernstzunehmen, verhindern, dass der folgende pandemisch-globale Ausbruch unterbunden werden können. Angesichts unserer eigenen Erfahrungen scheint Brooks‘ Version der Ereignisse geradezu optimistisch, in der zwar spät, aber immerhin entschlossen reagiert wird. Eine Zombie-Leugner*innen-Bewegung jedenfalls fehlt.
Im folgenden Kapitel „Panik“ berichten die „Zeug*innen“ von den Wellen von Zombies, die über die Welt herfallen und beleuchten unterschiedliche Reaktionen. Aus dem Brad-Pitt-Film bekannt ist die israelische Reaktion, die eine riesige Mauer um ihr ganzes Land herumziehen und sowohl Jüd*innen als auch Palästinenser*innen aufnehmen, eine Vision, die gleichzeitig dystopisch und utopisch ist. Andere Reaktionen fallen in Muster nationaler Stereotype. So führt etwa die russische Armee zur Aufrechterhaltung der Disziplin die Dezimierung ein: in Einheiten, die ihre Stellung nicht halten, wird jeder zehnte Mann exekutiert. Derartig krude Stereotype bleiben leider nicht die Ausnahme. Besonders problematisch fand ich die südafrikanische Reaktion, in der Nelson Mandela mit einem überzeugten Apartheid-Befürworter die Bevölkerung kategorisiert und nur eine bestimmte Menge besonders wichtiger Personen selektiert und für den Neuaufbau des Landes rettet, während der Rest der Bevölkerung als Ablenkungsmanöver den Zombies zum Fraß vorgeworfen wird.
Generell kann es bei einem solchen Buch nicht ausbleiben, dass die politischen Vorstellungen von Max Brooks den Rahmen definieren, schließlich kann er gottgleich beschließen, was hilft und was nicht, wer wie reagiert und für wen das Ganze am Ende aufgeht. Brooks‘ Sympathien liegen klar bei den „kleinen Leuten“, die, auf ihre eigenen individuellen Fähigkeiten zurückgeworfen, in der Zombie-Apokalypse überleben müssen. Die Staaten versagen weitgehend, vor allem moderne, liberale Staaten. Die Erfolsrezepte bestehen am Ende fast durch die Bank in einer radikalen Hinwendung zum Totalitarismus, in dem ein ominöses „wir“ – das wohl für die jeweiligen Gesellschaften als Ganzes steht und einen merkwürdigen Kollektivismus mit diesem typisch amerikanischen Individualismus paart – rückhaltlos hinter die Zombiebekämpfungsmaßnahmen rückt (mit Ausnahme der USA, wo praktisch in jedem kleinen Dorf einige Leute gegen die Regierung und ihre Maßnahmen aushalten und sich für unabhängig erklären).
Brooks bedient hier ein typisches Narrativ des Zombie-Genres, in dem Menschlichkeit und Moral als Schwächen betrachtet werden und rücksichtslos unterdrückt werden müssen, um der Bedrohung Herr zu werden. Er bleibt dabei differenziert genug, um nicht in faschistischen Propaganda abzurutschen, wie dies etwa bei „The Walking Dead“ der Fall ist. Aber die grundsätzliche Sicht durchzieht den Roman, und darüber muss man sich von Anfang an klar sein.
Aber zurück zum Text. Im nächsten Kapitel „Wendepunkt“, das noch vor der Halbzeitmarke des Romanumfangs kommt, werden einige Schlüsselelereignisse des Kampfs gegen die Zombiehorden beschrieben. Besonders einprägsam ist die Schlacht bei Yonkers, in der das US-Militär völlig darin versagt, mit seinem High-Tech-Equipment der Bedrohung Herr zu werden und in der die militärische Führung völlig versagt. Erzählt wird dies aus dem Mund eines einfachen Soldaten, der damals dabei war und die Offiziere für ihre Arroganz kritisiert – ein beliebter Topos von Militärgeschichten, der sich vor allem im Kontext des Ersten Weltkriegs oder Krimkriegs findet.
Zu diesem Zeitpunkt ist ein großer Teil der Weltbevölkerung bereits tot; die Zombie-Apokalypse ist ein umfassendes, erschütterndes Ereignis, und obwohl keine konkreten Zahlen genannt werden, entsteht der Eindruck, dass irgendwo zwischen 90 und 95% unter den Opfern sind. Die Überlebenden haben nun gelernt, wie man am besten gegen Zombies kämpft, aber die Zivilisation liegt in Trümmern. Der folgende „Totale Krieg“ (so das Kapitel) ist dann das eigentliche Herzstück, und es ist dieser Teil, der „World War Z“ besonders interessant macht und von anderen Werken der Zombie-Literatur abhebt.
Brooks konzentriert sich hier voll auf die Frage, wie die Rückeroberung der Zivilisation vonstatten gehen würde. Von Hilfseinsätzen über die Herstellung geeigneter Waffen (robuste Gewehre und eine Art Mischung aus Spaten und Axt sowie Ganzkörperrüstungen) zu der Rückerschließung abgeschnittener Communities ist alles dabei. Wir hören von einem amerikanischen Regierungsmitglied, das beschreibt, wie in einem riesigen „Re-Training“ Akademiker*innen in Blue-Collar-Jobs ausgebildet werden, weil diese benötigt werden und Intellektuelle nicht (ein weiteres typisches Element von Brooks‘ Ideologie ist die Intellektuellenverachtung, die sich in diesem politischen Spektrum häufig findet). Wir folgen einem Astronauten auf der ISS, der dafür sorgt, dass die Satelliten operationsfähig bleiben. Wir sind an Bord eines chinesischen U-Boots, das im großen chinesischen Bürgerkrieg mit einem Atomschlag die kommunistische Führung auslöscht (auch der Iran und Pakistan bekämpfen sich mit Atomwaffen, ein Echo der zur Entstehungszeit um 2006 prävalenten Ängste). Und so weiter.
Das Ausmaß der Zerstörung ist gigantisch, und über die vielen Zeug*innenberichte wird es den Lesenden wirklich offenkundig. Brooks macht keinerlei Illusionen über eine Rückkehr zu einem Status Quo. Noch in der Gegenwart von „Max Brooks“, zwanzig Jahre nach der Apokalpyse, gibt es Zombies, die jederzeit eine Bedrohung darstellen. Manche Länder sind komplett von der Landkarte verschwunden (in einem etwas absurden Twist verschwindet die komplette Bevölkerung Nordkoreas in unterirdischen Bunkern, und niemand weiß, ob sie noch leben oder Zombies sind; Nordkorea ist quasi ein No-Go-Area), andere haben sich neu konstituiert (Russland hat wieder einen Zaren, weil das die „natürliche“ Regierungsform der Russen sei). Brooks bricht hier auch gerne mit Erwartungen, etwa wenn Kuba besonders erfolgreich in der Eindämmung der Zombies ist und Flüchtlinge aus den USA aufnimmt (die dann aber natürlich unterdrückt und in Lager gesperrt werden; vom Regen in die Traufe).
Es ist schwer zu sagen, ob der Ausblick insgesamt optimistisch ist. Am Ende ist die Menschheit geeint gegen die Apokalypse, Konflikte zwischen den Staaten praktisch nicht existent. „Max Brooks“ zweifelt aber daran, ob dieser Effekt über die Zeitzeug*innengeneration anhalten wird – ein berechtiger Pessimismus, den wir aktuell über die Zeit des Kalten Krieges ebenfalls erleben. Es wurde ja schon oft die Theorie geäußert, dass Deutschlands Politik sich verändert habe, seit die Kanzler*innen keine Zeitzeug*innen des Zweiten Weltkriegs mehr sind. Man kann davon halten, was man will.
Lohnt sich die Lektüre? Ich denke Ja. Zwar sind einige von Brooks Versionen allzu brachiale nationale Stereotype, ist seine Grundhaltung als klassischer US-conservative nicht immer ganz leicht zu ertragen, aber die Lektüre entwickelt einen eigenen Sog, dem man sich schwer entziehen kann, und bietet Momente genuinen Schocks und der Kontemplation. Ich verstehe nicht, warum nicht längst jemand die Rechte erworben und eine Mockumentary im Ken-Burns-Stil daraus gemacht hat, das Material schreit geradezu danach (und nicht nach einem Blockbuster mit Brad Pitt). Das Hörbuch im Übrigen ist sehr empfehlenswert; es wartet mit einem Allstar-Cast von zig verschiedenen Sprecher*innen auf und verstärkt den Doku-Effekt ungemein. Ich beantworte die Frage nach einem Kauf daher klar mit „ja“. Auch über fünfzehn Jahre nach seinem Erscheinen kann „World War Z“ noch faszinieren.
Zeitzeug*innen. Fällt außer mir noch jemand auf, wie erbärmlich die durch Gender verunstaltete Deutsche Sprache ist? Zuzeiten war Deutsch die Sprache der der Physik und der Philosophie.
„Bloß keine Veränderung“ und das noch mit absurdem Nationalstolz begründet… Sprechen Sie ruhig das philosophisch-physikalische Deutsch, das Sie wollen, was auch immer Sie darunter verstehen – es wird eh irgendwann mit Ihnen zusammen begraben werden. Bis dahin bitte leise heulen.
Kann mir jemand beantworten, ob das irgendwie die Vorlage für das in den späten 90ern gehypte RTS-Spiel „Z“ war? Reine Neugier :-).
Gruss,
Thorsten Haupts
Kam erst 2006 raus, also eher nicht ^^
Und Z war cool, will nichts hören.
Ich streite mich nie mit schnellen Mausfingern über ein Echtzeit-„Strategie“-Spiel :-).
Danke für die schnelle Antwort.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich hab Z im Studium nochmal rausgekramt. Seinerzeit war das unschaffbar schwer, im Studium ging’s easy. Routine in RTS, denke ich. Gleiches gilt auch für unerträgliche C&C oder so.