Warum in Uniform?

Schon letztes Jahr gab es eine teils rege Diskussion über die Pläne, dass Bundeswehrangehörige in Uniform kostenlos Bahn fahren können sollten. In den letzten Tagen flammte die Debatte unter anderem auf Twitter wieder auf, nachdem mehrere Personen positive wie negative Beiträge zu größeren Uniformaufkommen in Fernzügen gesendet hatten. Aber wo genau liegt hier das Problem?

Zunächst spricht nichts dagegen, wenn sich die Bundeswehr – vertreten durch die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer – wünscht, dass mehr ihrer Soldaten öffentlich Verkehrsmittel für Dienst- und Heimfahrten nutzen. Und es ist vollkommen legitim, dass ein Arbeitgeber seinen Angestellten Beihilfen für die Mobilität bezahlt, sei es in Form von Geld, Benzingutscheinen oder als Freifahrtschein im öffentlichen Verkehr. Gerade im Fall von Soldaten, die teils (und gelegentlich auch ohne größere Vorwarnzeit) in großer Entfernung von ihren Heimatorten eingesetzt werden, wäre das nachvollziehbar.

Aber hier setzt aber schon das erste Problem ein: Wenn ein Arbeitgeber einen solchen Zuschuss beschließt, sollte er auch die Kosten dafür tragen. In diesem Fall aber nötigten Kramp-Karrenbauer und die Befürworter der Maßnahme die Bahn, für diese Fahrten nicht die normalen Preise zu verlangen, sondern sich mit einem symbolischen Betrag zufrieden zu geben.
Nun ist die Bahn ohnehin schon (gemessen am Investitionsbedarf) unterfinanziert. Besonders im Fernverkehr sind viele Strecken bereits heillos überlastet, im Nahverkehr (zumindest zu Stoßzeiten) ebenso. Da wirkt es wenig durchdacht, jetzt die Zahl der Nutzer (besonders zu ohnehin schon stark frequentierten Zeiten) zu erhöhen, ohne dass dafür nennenswert Mittel fließen, die für einen Ausbau der Kapazitäten genutzt werden könnten.

Befürworter versuchen an dieser Stelle ins Feld zu führen, dass wir als Staat und Gesellschaft den Soldaten diesen Respekt schuldig seien, weil sie unsere Freiheit verteidigen würden. Das klingt irgendwie amerikanisch, aber wenn man diese Idee mal überdenkt, bleibt davon nicht all zu viel übrig. Zum einen wird es schwierig, in den letzten 75 Jahren Einsätze zu finden, in denen die eine deutsche Armee das Land, gegen welchen Feind auch immer, verteidigt hätte. Es gab Friedensmissionen (über deren Sinn und Erfolg man im Einzelnen durchaus diskutieren kann) und es gab die Beteiligung im „Krieg gegen den Terror“ (s.o.). Ob irgendwas davon unser Land sicherer gemacht hat, darüber lässt sich streiten.

Hinzu kommt, dass zumindest meiner Erfahrung nach dass die wenigsten Bundeswehrangehörigen aus patriotischem Überschwank heraus den Dienst antreten (und es wäre fraglich, ob das wünschenswert wäre). Meistens dominieren wirtschaftliche Erwägungen. Ein Zeitsoldat erhält in der Regel ein besseres Gehalt, als es diese Personen bei gleicher Qualifikation in der zivilen Wirtschaft erwarten könnten, wenn er dort überhaupt Arbeit findet. Dazu gibt die Bundeswehr die Möglichkeit, überhaupt erst eine Berufsausbildung zu erwerben und auch das weit besser bezahlt, als zivile Azubis.

Gleichzeitig könnte man an dieser Stelle auf viele andere Berufsgruppen verweisen, viele aus dem sozialen Bereich wie Kranken- und Altenpfleger oder Erzieher, Feuerwehrleute, Sanitäter, usw. die (auch) viel für unsere Gesellschaft tun und dabei teilweise deutlich schlechter bezahlt werden. Dabei üben sie Tätigkeiten aus, deren Wegfall unsere Gesellschaft tatsächlich sehr schnell an den Rand der Handlungsfähigkeit bringen würde. Trotzdem möchte ihnen aber niemand Freifahrten zukommen lassen.

An dieser Stelle wird gerne darauf verwiesen, dass Grundwehrdienstleistende (und Zivis) ja damals auch kostenlos die Bahn nutzen konnten. Zum einen ist das so nicht richtig, zum anderen waren die Umstände anders. Korrekt ist, dass die Kosten für die Wochenend-Heimfahrten erstattet wurden. Zivis erhielten in der Regel den Gegenwert einer Monatskarte für ihren täglichen arbeitsweg. Es war also nur der tatsächliche Weg zwischen dem Dienst- und dem Heimatort abgedeckt, nicht alle Fahrten an jeden beliebige inländische Ziel mit jedem beliebigen Zug, quasi eine Bahncard 100.
Dazu kommt, dass im Gegensatz zu den Bundeswehrangehörigen heute, ein Wehrpflichtiger eben nicht unbedingt die Wahl hatte, ob der diese Tätigkeit ausüben möchte, von der Eklatant schlechteren Bezahlung ganz zu schweigen.

Der zweite, fast noch kritischere Punkt ist die Frage: Warum in Uniform? Wenn es tatsächlich nur darum ginge, den Soldaten aus Respekt vor ihrem Dienst die Möglichkeiten zu geben, die Bahn kostenlos zu nutzen, würde dafür ein gültiger Dienstausweis vollkommen ausreichen. Warum müssen die Soldaten bei diesen Reisen ihre Dienstkleidung tragen? Warum haben insbesondere Teile der Union ein Interesse, mehr Uniformen ins öffentliche Bild zu bringen?

Die freundliche Interpretation wäre, dass man die Bundeswehr als Parlamentsarmee, den Bürger in Uniform, sichtbarer machen will. Aber auch da wäre die Frage, warum das nötig sein sollte? Bundeswehrangehörige bewegen sich in ihrer Dienstzeit in ihrer Dienstkleidung. Wir ermuntern aber auch andere Berufsgruppen nicht, ich ihrer Freizeit weiter die Arbeitskleidung zu tragen, um ihre Bedeutung zu unterstreichen.

Die – sagen wir mal mittelfreundliche – Lesart wäre konservatives Virtue Signaling. Auch hier geht meine These in Richtung einer „Amerikanisierung“ der Union und der selbsternannten „Konservativen“ im Allgemeinen. Nach dem Aussetzen der Wehrpflicht und den Ausstieg aus der Atomenergie (also eigentlich dem Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg) in relativ kurzer Zeit während der schwarz-gelben Legislaturperiode, wurden das zwei Kernfragen der unzufriedenen Rechten in der Union. (An dieser Stelle auch spannend, dass der rechte Flügel der Union in der Koalition mit der FDP scheinbar noch schwerer zu verdauende Kröten schlucken musste, als in der GroKo.) Von da an wurde die Wehrpflicht und als Erweiterung die Bundeswehr und eben die Kernenergie Fetische der „Konservativen“. Oft ohne wirklich begründen zu können warum, wollten sie beides zurückhaben. Ganz einfach weil!

Ich halte es für durchaus möglich, dass Annegret Kramp-Karrenbauer hier bewusst dieses Klientel anspricht, um sich für die Zeit nach Merkel und die vermutlich irgendwann im kommenden Jahr anstehende Frage, welche Partei-Strömung auf dem Weg in den Bundestagswahlkampf dominiert in Stellung zu bringen. Der Aufwand für die (insbesondere bahnfahrende) Allgemeinheit wäre zwar in meinen Augen unverhältnismäßig, aber öffentliche Mittel zu nutzen, um beim eigenen Klientel zu punkten, ist keine neue Idee (z.B. Baukindergeld oder Mütterrente).

Es bleibt die am wenigstens freundliche Interpretation. Der Einsatz der Bundeswehr im inneren ist seit langem ein feuchter Traum der Rechten und „Konservativen“. Auch das ist wieder so ein „einfach nur weil!“ Thema, denn sinnvolle Argumente, warum das hilfreich, geschweige denn nötig wäre, nicht dafür ausgebildete bewaffnete Menschen im Inland (für was eigentlich?) einzusetzen, fehlen vollkommen.
Vielleicht ist es der Wunsch nach einem Militarismus preußischer Schule, in dem der Zivilist vor dem Uniformträger stramm steht und irgendwas mit „Respekt vor staatlichen Autoritäten“. Die Frage, warum es der amtierenden Verteidigungsministerin so wichtig ist, dass sich die Menschen an den Anblick mehr Uniformierter im öffentlichen Raum gewöhnen, wurde in der linken Filterblase in den letzten Wochen tatsächlich recht häufig gestellt.

{ 70 comments… add one }
  • Stefan Sasse 27. Januar 2020, 06:39

    Ich denke, sowohl virtue signalling als auch das sichtbarer machen der Bundeswehr und nicht zuletzt tatsächlich eine Geste an die Soldaten spielen hier alle eine Rolle. Ich finde die Maßnahme auch grundsätzlich nicht schlecht. Die Bundeswehr mehr in die Öffentlichkeit zu bringen ist grundsätzlich richtig. Und wenn man denen kostenlose Bahnfahrten gibt macht es auch Sinn, dass sie dann im Gegenzug Werbung machen, und nichts anderes ist die Fahrt in Uniform ja. Ich halte Bundeswehreinsätze im Inneren weiterhin für eine rattige Idee, aber das muss man ja nicht alles in einen Topf werfen.

    • TBeermann 27. Januar 2020, 07:32

      Die Geste wäre für mich vollkommen in Ordnung, wenn die Bundeswehr das aus ihrem Etat finanzieren würde. Dass das so nicht passiert, finde ich eben problematisch.

      Das Sichtbar-Machen kann man natürlich je nach Standpunkt gut finden oder eher nicht. Ich weiß nicht so recht, wofür.

      • Stefan Sasse 27. Januar 2020, 07:40

        Das ist doch so Hupe.

        Da gibt es schon Gründe, aber ich fürchte, die führen etwas über die Kommentare und den Artikelgegenstand hinaus.

      • CitizenK 27. Januar 2020, 19:02

        Ich teile die Irritation. Eine verquere, verstockte Idee, die tastend an militaristische Traditionen anknüpft.

        Ehrlich wäre: Die Fahrtkosten erstatten, ob mit oder ohne Uniform. Alles andere weist zurück in unselige Zeiten.

  • Rauschi 27. Januar 2020, 13:54

    Als Bahnfahrer ärgere ich mich wirklich über diese Dreistigkeit. Da der Ausgleich für die Fahrten niemals die Kosten deckt, muss ich das mit meiner Fahrkarte mitzahlen.
    Und das als Pazifist, was mich dann doppelt verärgert.

    Das mit der Uniform ist noch das Tüpfelchen, mir ist immer noch unklar, warum die Bahnfahrt damit verbunden sein muss. Zur Werbung. schon klar, aber warum muss ich diese Werbung bezahlen?
    Haben wir nicht in anderen Bereichen viel mehr Bedarf, wofür man Werbung machen muss? Lehrer, Krankenpfleger, Alterpfleger, Erzieher?

    • Stefan Sasse 27. Januar 2020, 17:22

      Verständliche Position. Von mir aus sollte man so was für viele sozial relevante Berufe machen. Von mir aus sollte die Bahn generell billiger sein. Kein Problem.

      • Rauschi 27. Januar 2020, 17:39

        Vom mir aus auch, aber nicht nur auf Bahnfahrerkosten, sondern auf Kosten der Allgemeintheit.
        Warum bezahlt die Bahn überhaupt Mwst, die ist doch in Bundesbesitz?

        Dann müsste aber das Auslandsgeschäft endlich aufgegeben werden, damit Geld für die Ticketsenkung da ist.

        • Stefan Sasse 27. Januar 2020, 18:52

          Hey, 100% Staatsbetrieb und Subventionierung mit massivem Investment, sign me up.

  • cimourdain 27. Januar 2020, 18:04

    Ein paar Aspekte sind in meinen Augen auch bedenkenswert:
    1) zur transparenten Haushaltsplanung gehört nun mal Ressorttrennung. Eine indirekte Finanzierung des Verteidigungshaushalts über die Bahn AG ( Privatunternehmen in öffentlicher Hand ) dient dazu, das Resort Verteidigung ärmer zu rechnen als es ist.
    2) Der Betrag ist nicht marginal 180.000 Bundeswehrangehörige mal € 4.000 für eine Bahncard100 (2.Klasse) ergibt mehr als 700 Millionen €. Der vom Verteidigungsministerium bezahlte Preis beträgt 4 Millionen €.
    3) Präsenz des Militärs in der Öffentlichkeit ist nicht nur eine amerikanische ‚Spezialität‘, sondern vor allem fast durch die Bank ein Merkmal autoritärer Staaten.
    4) Die Debattenführung, das Bahnticket als ‚Soldatenprivileg‘ einzuführen, geht weg vom Bild des ‚normalen‘ Staatsbürgers mit entsprechenden Rechten und Pflichten.
    5) Uniform außerhalb der Dienstzeit verwischt die Grenze zwischen Beruf (Soldat) und Privatperson. Ein Bundeswehrangehöriger hat das Recht, privat zu reisen, ohne den Vorbehalten, die manche gegen Soldaten haben, ausgesetzt zu sein.
    6) Müsste das Ticket nicht eigentlich als geldwerter Vorteil versteuert werden? Womöglich hat die Ministerin den Betroffenen einen Bärendienst erwiesen.
    7) Im November gab es einen (kleinen) Skandal mit Bundeswehrangehörigen und Wehrmachtsuniform. Viel Spaß bei der Schadensbegrenzung, wenn diese Art uniform ‚in den Innenstädten‘ präsentiert wird.

    • Stefan Sasse 27. Januar 2020, 18:54

      1) Ich vermute, das virtue signalling war der wahre Grund. Man hätte es ja lassen können, dann wäre der Haushalt auch gleich; da wurde ja nichts umgeschichtet.
      2) Das ist eine Milchmädchenrechnung; es fahren ja bei weitem nicht alle 180.000 Bahn.
      3) Sorry, aber das ist Humbug. Es ist eine deutsche Besonderheit, dass das Militär so wenig präsent ist; in praktisch jeder anderen Demokratie ist es präsenter als hier.
      4) Sehe ich nicht.
      5) BW-Angehörige sind schon immer in Uniform von und zum Arbeitsplatz gefahren.
      6) Sie kriegen ja kein Ticket.
      7) Comes with the territory.

      • Rauschi 28. Januar 2020, 11:17

        4) Die Debattenführung, das Bahnticket als ‚Soldatenprivileg‘ einzuführen, geht weg vom Bild des ‚normalen‘ Staatsbürgers mit entsprechenden Rechten und Pflichten.
        [4) Sehe ich nicht.]
        Ach nein, warum nicht, ist doch sehr offensichtlich.

        Ich und alle andere Bahnkunden sind die normalen Staatsbürger, wir bezahlen unsere Tickest selbst. Die Soldaten nicht, wie können die da normale Staatsbürger sein? Wo sie doch eindeutig privilegiert sind? Obwohl die das gar nicht brauchen, denn so schlecht werden die ja nun nicht bezahlt, im Gegensatz zu manch anderen Berufsgruppen, die ihre Tickets bezahlen müssen.

  • cimourdain 27. Januar 2020, 23:21

    1) Man hätte auch den Verteidigungshaushalt erhöhen und entsprechend bezahlen können. Dann wäre man der NATO-Forderung nach eben dieser Erhöhung des Verteidigungshaushalts nachgekommen und hätte damit auch etwas sinnvolles bewirkt.
    2) Es zeigt immerhin das Mißverhältnis aufzwischen Leistung und Preis. Selbst bei einer Ausnutzung von nur 20% subventioniert die Bahn ( und damit deren Kunden ) mit einem dreistellingen Millionenbetrag.
    3) Gegenbeispiel zu deiner These: Die Präsenz der Armee NVA in einem deutschen, aber autoritären Nachkriegsstaat.
    4) Warum nicht ? Es wird als besondere Anerkennung verkauft…
    5) … und sollen jetzt, wenn Sie in ihrer Freizeit unterwegs sind, die auch noch tragen.
    6) Der Soldat muss ein sog. Null-Euro-Ticket vor Fahrtantritt lösen. Verbilligter( auf 0 €) Sachbezug par excellence.
    7) und passt genau zu meiner dritten These.

    • Stefan Sasse 28. Januar 2020, 06:45

      1) Ich weiß zu wenig über Haushaltspolitik um die Sinnigkeit dieser Maßnahme beurteilen zu können. Grundsätzlich ist mir der Topf egal.
      2) Das stimmt. Aber man sollte schon ehrlich sein.
      3) Mit „deutsch“ meinte ich auch die BRD.
      4) Ja, der Teil passt ja auch. Aber das gleich als Militarismus zu sehen springt mir zu weit.
      5) Es war mein Verständnis, dass das für Heim- und Hinreisen gilt.
      6) Die haben aber keine Tickets; sie müssen keine lösen, wenn sie den Dienstausweis dabeihaben. Das ist halt ein Unterschied. ^^

      • cimourdain 28. Januar 2020, 07:21

        Hier das Procedere:
        https://www.bmvg.de/de/aktuelles/bahntickets-vertrag-unterzeichnet-165370
        => Die Strecke ist egal nicht nur Wohnung / Arbeitsstätte
        => Der Soldat benötigt für die Fahrt Uniform, Dienstausweis und gelöstes 0-Euro Ticket

      • cimourdain 28. Januar 2020, 18:10

        Ich hack auf dem Thema auch vor allem deshalb herum, weil man daran gut sehen kann, warum Identitätspolitik schlechte Politik ist.
        Es gibt ein verständliches und vernünftiges Anliegen [Die Bundeswehr lässt nun mal keinen Spielraum bei der Arbeitsstätte und da sind Heimfahrten quer durch Deutschland eher die Regel als Ausnahme] und es gäbe eine einfache, funktionierende Lösung [Millionen Arbeitnehmer kriegen einen Fahrtkostenzuschuss vom Arbeitgeber]. Aber die Verteidigungsministerin hängt da den identitätspolitischen Reiter ‚Präsenz von Uniformen in der Öffentlichkeit‘ dran, macht damit ein überflüssiges Fass auf, delegitimiert die Maßnahme und erhält ein Ergebnis, das wohl für Betroffene und Gesellschaft weniger zufriedenstellend ist.
        Dieses Muster findet sich ganz oft (eklatant: Ausländermaut) und trägt imho stark zum grassierenden Politzynismus bei.

        • Stefan Sasse 28. Januar 2020, 18:57

          Umgekehrt wird ein Schuh draus. Die Identitätspolitik war nicht unnötiges Beiwerk, sondern das Ziel der ganzen Operation. Und es hat aus Sicht der CDU sicherlich hervorragend funktioniert – und zeigt eben, dass Identitätspolitik unablässig ist, wenn man seine Botschaft verbreiten will.

  • Ralf 28. Januar 2020, 21:38

    Ich sehe in diesem Beispiel den peinlichen Versuch nach amerikanischem Vorbild eine Armeebewunderung in Deutschland anzustoßen. Wer in den USA mal in einem Football-Stadion war, der weiß z.B. wie da vor dem Spiel alle Armeeangehörigen gebeten werden aufzustehen und dann wird das gesamte Stadion angehalten zu klatschen. Bei Musikfestivals in den USA habe ich erlebt wie während des Umbaus zwischen zwei Bands eine Gruppe Soldaten auf die Bühne geführt wurde und die Zuschauer wurden dann aufgefordert zu jubeln. Teile der CDU und besonders der Rechten wollen eine ähnliche Stimmung endlich auch in Deutschland. Kramp-Karrenbauers Vorstoß steht in diesem Kontext.

    • Stefan Sasse 28. Januar 2020, 22:09

      In dem Kontext sehe ich das auch. Ich denke nur es ist noch sehr, sehr viel Raum zwischen dem wie wir es in Deutschland handhaben und den USA.

      • Ralf 28. Januar 2020, 22:46

        Da ist ohne Zweifel sehr viel Raum. Die Frage ist, weshalb dieser Abstand verringert werden sollte. Während die Amerikaner in den letzten 70 Jahren zehntausende Soldaten in sinnlosen Kriegen auf blutigen Schlachtfeldern der ganzen Welt verloren haben, hat Deutschland die längste Periode von Frieden gefeiert. Unser Modell scheint also erfolgreich gewesen zu sein. Das ist Anlass es fortzusetzen, nicht es aus parteipolitischen Motiven zu untergraben.

        • Stefan Sasse 29. Januar 2020, 10:55

          Mein Blickwinkel ist ein anderer. Ich denke, die Deutschen haben einen verkorksten Blickwinkel auf das Militär.

      • TBeermann 29. Januar 2020, 05:31

        Die Frage ist halt, warum die Bundeswehr überhaupt einen herausgehobenen Status haben sollte.

        Und in meinen Augen sollte sie nicht.

        • Ralf 29. Januar 2020, 06:58

          Nö, sollte sie nicht.

          Und wenn wir unsere Soldaten nicht sinnlos am Hindukusch oder weiß der Teufel wo opfern, dann ist eine besondere Ehrung auch nicht nachvollziehbar.

    • Kning4711 29. Januar 2020, 09:58

      Ich finde es gibt einen schmalen Grad zwischen militaristischer Verklärung und Respekt – Deutschland hat ein äußert gestörtes Verhältnis zu seinen Soldaten, ja zum Verständnis was die eigentliche Aufgabe der Streitkräfte ist.
      Dem Grundgesetz nach „stellt der Bund Streitkräfte zur Verteidigung auf“ – in den letzten Jahrzehnten fiel die Aufgabe der Landesverteidigung zunehmend weg und wurde ersetzt durch eine Doktrin einer Armee die fern vom Bundesgebiet im Rahmen multilateraler Einsätze von NATO und UN Beiträge leisten soll. Damit stieg die Anforderung an die Soldaten, wie auch die Gefahr für Leib und Leben der Soldaten.

      Ich finde schon, dass in einer Demokratie, insb. einer die das Leitbild des Staatbürgers in Uniform hat, die Streitkräfte in der Öffentlichkeit Präsenz zeigen sollten. Ich brauche keine Miilitärparaden wie in Frankreich, Belgien oder Australien. Aber ich finde Öffentliche Gelöbnisse schon gut, denn wir wollen ja weg von einer Armee als Staat im Staate, sondern zu Streitkräften als Teil der Gesellschaft. Dann müssen wir die Streitkräfte nicht verstecken. Ich finde es gut wenn Soldaten an Schulen von Einsätzen erzählen. Nicht um zu glorifizieren, sondern um Menschen einen Beruf nahezubringen, der eben ein besonderer ist und Licht und Schatten hat. Ich finde es gut, wenn wir Veteranen mehr Achtung erweisen, denn am Ende haben Sie in deutschen Namen Ihre Knochen hingehalten.

      Das kostenlose Bahnfahren ist hier lediglich sinnlose Symbolpolitik – ich würde mir wünschen dass wir viel Stärker darüber sprechen, was Deutschland mit seine Streitkräften will und wie diese wieder näher an die Gesellschaft heranrücken kann.

      • Stefan Sasse 29. Januar 2020, 10:55

        Genau darauf will ich auch raus.

      • Ralf 29. Januar 2020, 18:42

        @ Kning4711

        Aber ich finde Öffentliche Gelöbnisse schon gut, denn wir wollen ja weg von einer Armee als Staat im Staate, sondern zu Streitkräften als Teil der Gesellschaft. Dann müssen wir die Streitkräfte nicht verstecken. Ich finde es gut wenn Soldaten an Schulen von Einsätzen erzählen. Nicht um zu glorifizieren, sondern um Menschen einen Beruf nahezubringen, der eben ein besonderer ist und Licht und Schatten hat. Ich finde es gut, wenn wir Veteranen mehr Achtung erweisen, denn am Ende haben Sie in deutschen Namen Ihre Knochen hingehalten.

        Soldaten gehören nicht in Schulen. Jedenfalls nicht mehr als andere Berufstätige. Schulen sind auch kein Ort, an dem Arbeitgeber für ihren Nachwuchs werben sollen. Schließlich schicken die Bayer AG, die Bäckerei Müller und das örtliche Krankenhaus auch keine Influencer in die Klassen. Öffentliche Gelöbnisse lehne ich zwar nicht kategorisch ab, aber ich erkenne auch keinen Sinn darin. Schließlich verlegen wir auch die Zeugnisausgabe in der Schule nicht auf den Marktplatz. Wer sich der Bundeswehr anschließt, tut das in einer freien, persönlichen Entscheidung. Warum die Verkündung dieser persönlichen Entscheidung in meine Lebenswelt gehört, erschließt sich mir nicht. Das hat übrigens nichts damit zu tun, dass irgendwer die Bundeswehr „verstecken“ will. Es argumentiert ja schließlich auch niemand, dass wir Lehrer und Schüler verstecken, nur weil wir Schulunterricht und Zeugnisausgaben nicht öffentlich für jeden einsehbar auf dem Marktplatz abhalten.

        Die, die in der Ferne ihre Knochen hingehalten haben, haben übrigens in der Tat mein Bedauern. Aber ich weise das Argument, dass sie das im Namen Deutschlands getan haben, fundamental zurück. Die deutsche Bevölkerung hat Auslandseinsätze fast zu jedem Zeitpunkt abgelehnt. Die, die diese Einsätze wollten und gegen den Willen der Bürger durchgesetzt haben, sind die Top-Elite der deutschen Regierungen gewesen. In der Regel um die Amerikaner zufrieden zu stellen, deren Forderungen stets höherwertig gewichtet wurden als der der Wille der deutschen Bürger. Die Soldaten sind da also am Hindukusch nicht im Namen der Deutschen gewesen, sondern im Namen Gerhard Schröders, im Namen Peter Strucks, im Namen Angela Merkels, im Namen Karl-Theodor zu Guttenbergs, im Namen Thomas de Maizières und im Namen Ursula von der Leyens und ihrer politischen Karrieren. Die Angesprochenen haben in der Tat allen Grund Respekt zu bezeugen. Und vielleicht sollten sie mal einen Friedhof besuchen.

      • cimourdain 29. Januar 2020, 22:37

        „Ich finde es gut wenn Soldaten an Schulen von Einsätzen erzählen. Nicht um zu glorifizieren, sondern um Menschen einen Beruf nahezubringen, der eben ein besonderer ist und Licht und Schatten hat.“ ist im Angesicht der Praxis, dass Jugendoffiziere und ‚Karriereberater‘ gezielt eingesetzt werden, um Minderjährige anzuwerben von erschreckender Naivität. Dieses gezielte Ansprechen von Jugendlichen (noch dazu im vor Werbung geschützten Raum Schule) untergräbt den international verbreiteten (75% der Staaten) Strict-18-Standard gegen Kindersoldaten, und das mit ‚Erfolg‘ – Deutschland hatte 2018 1.600 Soldaten unter 18. Diese Anwerbedoktrin, die nicht nur hierzulande sondern auch in GB und USA praktiziert wird, ist immer wieder in der Kritik durch Menschenrechtsorganisationen und das UN-Menschenrechtskommisariat.

        • Stefan Sasse 30. Januar 2020, 07:38

          Jugendoffiziere werben keine Jugendlichen. Das ist denen explizit verboten. Ich hatte erst einmal einen an der Schule, aber in zwei Wochen kommt der wieder. Deswegen wird da auch nix untergraben. Lass mal die Kirche im Dorf.

          • cimourdain 30. Januar 2020, 18:02

            Die GEW sieht es zumindest als Verletzung des Beutelsbacher Konsens an.
            Ich wäre auch eher geneigt, die Botschaft zu glauben, wenn die übrige, offene Bundeswehr-Werbung nicht so explizit auf Jugendliche ausgerichtet wäre: Youtube-Serien in Videospiel-Ästhetik, Anzeigen in Jugendmagazinen oder Ferienlager.
            Aber beobachte doch einfach selbst, ob der Jugendoffizier als ehrlicher Makler auftritt: Wenn er an eurer Schule ist, spricht er dann unter den Stichwort ‚Soldatenleben‘ auch unangenehme Themen von sich aus an? – nicht gerade Rechtsextremismus, dieses Thema ist so aktuell, da kommt er nicht drum herum, aber zum Beispiel Mobbing/Erniedrigung oder sexuelle Übergriffe (denk an Pfullendorf und mehrere andere, ähnliche Skandale vor ein paar Jahren) . Und reagiert er auf diese Themen mit klaren, glaubwürdigen Aussagen oder ‚Politikerantworten‘?

            • Stefan Sasse 30. Januar 2020, 19:10

              Wir müssen schon ehrlich sein über was wir hier reden. Die Bundeswehr macht Werbung, und, wenig überraschend, richtet sie diese vor allem an junge Menschen. Logisch, in dem Laden kannst ja nur bis Anfang 20 anfangen, danach bist du ja schon zu alt.
              Die Jugendoffiziere sind aber eine eigene Institution in der Bundeswehr, mit eigenem Auftrag. Nur die dürfen einfach so an Schulen, und deren Vortragsthemen und Themen generell sind recht beschränkt. Die reden generell nur wenig vom „Soldatenleben“, deren Job ist es, politische Bildung zu betreiben. Die erklären Sicherheitspolitik und solche Sachen. Ein Jugendoffizier redet eher über die EU Battle Groups, Terrorismus, den Mali-Einsatz oder so was. Danach gibt es zwar eine Fragerunde, in der dann auch Fragen nach Rechtsextremismus und den anderen von dir genannten Themen kommen können; denen weichen die ziemlich aus (wenig überraschend).
              Und Beutelsbacher Konsens – ja, wir haben das im Referendariat auch thematisiert und diskutiert. Generell werden Jugendoffiziere vom Land grundsätzlich akzeptiert, aber es wird immer drauf verwiesen, die Gegenperspektive bereitzustellen.

              • Ralf 30. Januar 2020, 19:31

                Ich nehme an, Du bemerkst den Widerspruch zwischen …

                Danach gibt es zwar eine Fragerunde, in der dann auch Fragen nach Rechtsextremismus und den anderen von dir genannten Themen kommen können; denen weichen die ziemlich aus (wenig überraschend).“ …

                und …

                Generell werden Jugendoffiziere vom Land grundsätzlich akzeptiert, aber es wird immer drauf verwiesen, die Gegenperspektive bereitzustellen.”.

                Was nach viel Handwaving bleibt, ist dass die Bundeswehr in Schulen geht, um Kinder letztlich für’s Töten anzuwerben. Und das während dem örtlichen Krankenhaus oder dem Bäckermeister nebenan verboten ist offen in der Schule Werbung für seinen Betrieb zu machen. Denn das wäre ja unmoralisch.

                • Stefan Sasse 31. Januar 2020, 07:49

                  Erneut, die machen keine Werbung. Ich habe diese Veranstaltung ja bereits erlebt. Und ich würde die nicht ein zweites Mal einladen, wenn ich der Überzeugung wäre, da nur Propaganda zu bekommen.

                  • cimourdain 31. Januar 2020, 08:36

                    Propaganda ist leider kein falscher Begriff, wenn man gedanklich einen Schritt zurücktritt und sich überlegt, wie man das bei anderen beurteilen würde. Was wäre zum Beispiel, wenn die russische Armee eine speziell ausgebildete Einheit unterhält, die an Schulen die Politik Putins erklärt. Ich vermute mal ganz stark, dass wir im Vermischten dazu Worte wie ‚Regierungspropaganda‘ oder ‚Indoktrination‘ lesen würden.

                    • Stefan Sasse 31. Januar 2020, 17:38

                      Ich würde Putin auch nicht vertrauen, diese Institution halbwegs neutral zu halten. Die BRD hat da einen mittlerweilen 70jährigen guten track record zu.

                    • Ralf 31. Januar 2020, 18:19

                      Ich befürchte, es ist extrem naiv zu glauben, dass die Bundeswehr neutral sei in Bezug auf sich selbst. Da könntest Du auch argumentieren, dass ein Spülmittelhersteller ehrliche und unvoreingenommene Informationen anbieten möchte, wenn Tilly im Fernsehen ihre Hände erstaunt in Palmolive badet. Und die Firmenleitung des Colgate-Palmolive-Konzerns wird sich auf Nachfrage mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dafür aussprechen, dass die Menschen einen objektiven Blick auf ihre Produkte bekommen sollten, mit all ihren positiven und negativen Seiten.

                      Was aber tatsächlich passiert, ist dass die Schulen ihre Türen für die Propagandamaschinerie des Militärs öffnen. Diese verspricht sich davon, dass Kinder leicht beeindruckbar und beeinflussbar sind und sich schon bald zum Dienst am Gewehr melden könnten. Ein Dienst, der erfahrungsgemäß immer weniger mit der Verteidigung des Landes zu tun hat und seinen Inhalt zunehmend in der Destabilisierung von Krisenregionen findet, was dann Absatzmärkte für die Waffenindustrie schafft. Es geht also letztlich um Geld. Genau wie beim Verkauf von Spülmittel.

                    • Stefan Sasse 1. Februar 2020, 13:42

                      Pure Neutralität ist auch nicht gefordert; aber du stellst es dir glaube ich als schrecklicher vor als es ist.

                    • Ralf 1. Februar 2020, 14:47

                      „Pure Neutralität“ ist eben auch nicht im Ansatz, was Du erwarten darfst.

                      Wenn die Bundeswehr ihre Propagandaleute in Schulklassen schickt, dann sind aus Sicht des Militärs die beiden Outcomes, dass Schüler abgeschreckt und in Zukunft einen großen Bogen um das Heer machen werden bzw. dass die Schüler von Abenteuer und Stärkedemonstration angezogen und in Zukunft nach dem Dienst an der Waffe streben werden, nicht beide gleichwertig bzw. gleich erfreulich. Es gibt folglich überhaupt keinen Grund anzunehmen, dass die Armeerepräsentanten an einer objektiven Informationsvermittlung interessiert sind. Dass also z.B. Themen diskutiert werden, wie es sein konnte, dass in Afghanistan 15 Jahre lang ein Einsatz mit hohen Gefahren für die deutschen Soldaten lief, in dem deutsche Soldaten zu Tode kamen und in dem viele Zivilisten starben, obwohl die deutsche Bevölkerung diesen Einsatz nicht wollte. Und dass mit all diesen Opfern praktisch nichts erreicht wurde. Und dass die verantwortlichen Politiker und Generäle, wie wir heute wissen, alle keine Ahnung hatten, was überhaupt erreicht werden sollte und lediglich aus politischer Bequemlichkeit weitermachten. Und Du sagst ja selbst, dass die Propagandaoffiziere unangenehmen Themen gezielt ausweichen. Um in Deinen eigenen Worten zu bleiben: „wenig überraschend“.

                      Die Debatte um die „Neutralität“ der Bundeswehrwerbeabteilung erinnert mich dann auch stark an analoge Debatten hier im Blog um die Neutralität von Parteispenden durch Milliardäre und Großkonzerne. Die Abwiegler argumentierten dort genauso wie Du in diesem Fall. Dass man, nur weil man steinreich ist oder eine Vielzahl wirtschaftlicher Interessen hat, doch nicht automatisch egoistisch agiert. Dass man doch nur am demokratischen Prozess mitpartizipieren will und keinesfalls versucht das System für die eigenen Zwecke zu manipulieren. Und dass es dem Bürger am Ende doch freigestellt ist, ob er die geförderten Parteien wählt.

                      Also alles ganz harmlos …

                    • Stefan Sasse 1. Februar 2020, 15:44

                      Ich empfinde es als harmlos. Diese Leute sind Teile der politischen Bildung und können in Schulen genauso eingeladen werden wie Greenpeace-Vertreter oder Leute aus der Friedensbewegung. Die Bundeswehr bietet sogar Doppelveranstaltungen an, in denen ein Vertreter der Friedensbewegung und ein Jugendoffizier eine gemeinsame Veranstaltung machen. Genauso könnte ich theoretisch Gewerkschaftler und Leute von der INSM einladen.

                    • Ralf 1. Februar 2020, 16:26

                      Die INSM in eine Schule einzuladen, wäre fahrlässig.

                      Ich hätte weniger Schwierigkeiten mit der parallelen Einladung eines Betriebsratsmitglieds und eines Unternehmers, solange beide ausdrücklich nicht für ihren eigenen Verein werben. Eben weil die in dem Fall kein direktes persönliches Interesse am Outcome der Veranstaltung hätten. Information, nicht Propaganda stünde plausibel vertretbarerweise im Mittelpunkt.

                      Bei einem Bundeswehrwerber hingegen ist nicht glaubhaft, dass der neutral auftritt, vorwiegend um Informationen zu geben. Dem einen Kritiker gegenüberzusetzen wäre das Mindeste, um so eine Veranstaltung moralisch tragbar zu machen. Ansonsten würde hier eine erheblich umstrittene Institution mit einer sehr zweifelhaften Historie und einem geschichtlich belasteten Handwerk ohne Gegenperspektive vor hochbeeinflussbare Kinder gestellt.

                      Aber was ich am absurdesten finde: Zur Behandlung des Themas in der Schule, ist ein Besuch der Bundeswehr überhaupt nicht notwendig. Haben wir nicht Lehrer, die das im Unterricht behandeln können? Finden Lehrer zum Thema nicht ausreichend Quellen im Internet? Gibt es zuwenig Zeitungsartikel und Dokumentationen zum Thema Afghanistan, Irak, Jugoslawien, Kosovo, Mali, Libyen etc? Wozu brauchen wir den Werbeoffizier und seine zweifelhaften Motive?

                    • Stefan Sasse 1. Februar 2020, 18:41

                      Ich würde ja auch nicht. Ich sage ja nur, theoretisch.

                      Jugendoffiziere dürfen per Gesetz explizit nicht für ihren eigenen Verein werben. Warum also vertraust dem BR-Mitglied und dem Unternehmer, aber nicht dem Jugendoffizier?

                      So, zur großen Frage des Warums. Wir arbeiten in Geschichte und Gemeinschaftskunde multiperspektivisch. Die Perspektive der Bundeswehr ist eine legitime. Du magst sie ablehnen, aber als Perspektive in der FDGO ist sie ok. Das ist das eine. Das andere ist, dass gerade die Darstellung aus dieser Perspektive spannend ist. Wie bewerten Soldaten – also Profis – sicherheitspolitische Themen? Und das gibt mir dann einen Aufsatzpunkt für meinen eigenen Unterricht, in dem wir diese Perspektive kritisch hinterfragen können.

                    • Ralf 2. Februar 2020, 12:18

                      Jugendoffiziere dürfen per Gesetz explizit nicht für ihren eigenen Verein werben.

                      „Was genau ist Werbung?“ ist hier die Frage. Klar dürfen die die Kinder nicht direkt auffordern sich Armee zu melden. Aber über Abenteuer und Kameradschaft, über Lagerfeuer und Weltreisen zu schwärmen und dabei die ganzen negativen Seiten der Truppe – das Töten, das Verstümmeln, die Ablehnung in der Bevölkerung, das Paradies für Rechtsextreme – geflissentlich zu übersehen, ist auch Werbung.

                      Wir erinnern uns. In dem alten TV-Werbespot fordert Tilly den Zuschauer auch nicht direkt auf Palmolive zu kaufen. Sie berichtet einfach nur davon wie angenehm es ist, ihre Hände darin zu baden.

                      Warum also vertraust dem BR-Mitglied und dem Unternehmer, aber nicht dem Jugendoffizier?

                      Eigentlich will ich weder das BR-Mitglied noch den Unternehmer in der Schule haben. Aber wenn den beiden explizit verboten wird über ihren eigenen Betrieb zu reden, dann kann man plausibel begründen, dass es sich primär um eine Informationsveranstaltung handelt und nicht um ein Propaganda-Event.

                      Selbiges gilt für den Jugendoffizier. Wenn man dem explizit verbietet über seinen Arbeitgeber, die Bundeswehr, zu reden, kann ich auch mit dem Jugendoffizier leben. Nur wird das – surprise, surprise – für die Propagandaabteilung des Heeres ein Dealbreaker sein.

                      Und hier ist noch ein Argument, weshalb wir allen Grund haben der Bundeswehr zu misstrauen, wenn sie sagt, sie will bei den Kindern keine Werbung für sich selbst machen: Wenn es wirklich nur darum geht in der Gesellschaft zu erklären, was die Bundeswehr so macht, wie Auslandseinsätze ablaufen und wie das Militär in die Außenpolitik eingebunden ist, warum werden dann nicht auch Seniorenoffiziere zu Informationszwecken in Altenheime geschickt? Warum halten die Offiziere nicht Vorträge in Betrieben? Warum die Konzentration dieser Bemühungen auf Kinder? In Schulen? Wenn es doch nur um Information und nicht um Werbung geht. Kinder können doch noch nicht mal wählen und sind gesellschaftlich dadurch nicht gerade die relevanteste Gruppe, wenn es politisch beispielsweise um das Bild der Truppe in der Bevölkerung geht.

                      Wir arbeiten in Geschichte und Gemeinschaftskunde multiperspektivisch. Die Perspektive der Bundeswehr ist eine legitime.

                      Bei wie vielen anderen wichtigen Themen holt ihr euch denn primäre Zeugen ins Schulzimmer? Darf ich konkret fragen, wann bei Dir in der Schule der letzte Hartz IV-Empfänger aus seiner legitimen Perspektive die Konsequenzen des Sozialabbaus in Deutschland geschildert hat? Oder wann bei Dir in der Schule die letzte Krankenschwester aus ihrer legitimen Perspektive von horrender Arbeitsbelastung und einem Lohn, von dem man kaum eine Familie ernähren kann, berichtet hat? Oder wann bei Dir in der Schule der letzte Wissenschaftler aus seiner legitimen Perspektive von unsicherer Zukunft, von der Arbeitsausbeutung an den Universitäten und von instabilen Arbeitsverträgen, die oft nur Wochen laufen bevor sie wieder erneuert werden müssen, erzählt hat? Oder wann die Arbeiter von LIDL, Kik und Amazon aus ihrer legitimen Perspektive berichtet haben, wie ihr Arbeitgeber sie behandelt? Wer kommt bei Dir denn noch so ins Klassenzimmer außer der Bundeswehr? Wäre ja merkwürdig, wenn dies das einzige Thema wäre, das in dem Sinne multiperspektivisch behandelt wird, dass primäre Zeugen physisch in der Schule anwesend sein müssen.

                      Und überhaupt: Ist der Jugendoffizier, der da kommt, wirklich jemand mit Kriegserfahrung, der ein objektives Bild der Bundeswehr und ihrer Einsätze vermitteln kann. Ist das jemand, der völlig verstört und traumatisiert aus einer Krisenregion heimgekehrt ist und Jahre gebraucht hat sich wieder in ein normales Leben einzugewöhnen? Ist das jemand, der einen Kameraden hat sterben sehen, zerfetzt von einer Bombe, die genauso gut ihn hätte treffen können? Ist das jemand, der mit seinen eigenen Augen dutzende tote Zivilisten gesehen hat – Kinder, Frauen, Alte – die Kollateralschaden eines Bundeswehrangriffs geworden sind und ausgelöscht wurden, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren? Oder ist das jemand, der ausschließlich die positiven Seiten der Armee erlebt hat und damit eben gerade nicht der objektive Zeuge ist, den Du für Deinen multiperspektivischen Ansatz eigentlich brauchst.

                    • Stefan Sasse 2. Februar 2020, 22:09

                      Sie schwärmen auch nicht. Sorry, aber du lieferst hier ein echtes Zerrbild. Hast du die je in Aktion gesehen?

                      Ich will niemanden mit Kriegserfahrung. Erneut, das sind Referenten. Mir geht es nicht um irgendwelche Erfahrungen, deswegen hole ich mir auch keine Hartzer. Ich will einen Experten, der ein Referat über ein Sachthema hält.

                    • Ralf 2. Februar 2020, 22:17

                      Wenn Du einen Experten in der Klasse haben willst, warum holst Du Dir dann nicht jemand Neutralen? Zum Beispiel einen Wissenschaftler von der Universität.

                      Und da Du meine Frage umschifft hast, nochmal:

                      1) Zu wie vielen anderen Themen holst Du Dir einen externen Experten in die Klasse?

                      2) Wenn die Bundeswehr nur uneigennützige Experten in die Gesellschaft schickt, um ihre Arbeit ganz neutral zu erklären, warum schickt sie diese Experten nicht auch in Altenheime? Wozu der Fokus auf die Schulen?

              • cimourdain 2. Februar 2020, 11:11

                Kleine juristische Leckerei:
                Es handelt sich einen zweckgebundenen ( politische Bildung ) Einsatz von Teilen ( ausgebildete Fachkräfte) der Bundeswehr innerhalb des Bundesgebiets, ohne dass ein Kriegs- oder Katastrophenfall vorliegt. Ist das überhaupt von Art 87a GG abgedeckt ?

                • Stefan Sasse 2. Februar 2020, 22:07

                  Ich würde schwer annehmen, dass solche Fragen längst geklärt sind.

                  • Rauschi 2. Februar 2020, 22:15

                    Klar, noch nie im Leben haben Poltiker gegen geltendes Recht verstossen, da werden die jetzt nicht damit anfangen. Schon klar.

  • Ariane 31. Januar 2020, 10:43

    Ich muss sagen, dass ich die Idee nicht schlecht fand. Und ja, sicherlich gehts es um eine gewisse Sichtbarmachung und Werbung für das Soldatentum, ob das jetzt durch Bahnfahren sein muss, na gut. (ich bin sowieso dafür, dass die Bahn generell kostenlos sein sollte^^). Ich glaube auch nicht, dass da irgendwie eine preußische Idee und Vorbereitung für die BW im Inneren dahintersteckt, das wäre ziemlich verrückt.

    Ich sehe das ähnlich wie Stefan und Kning: die Deutschen haben wirklich ein verkorkstes Verhältnis zum Militär und wenn man Ralf so liest, bekommt man ja wirklich den Eindruck, jeder Soldat wäre eine gewissenlose Tötungsmaschine. Insofern ist es durchaus verständlich, über Maßnahmen nachzudenken, die das Image normalisieren.

    Ich wäre auch gar nicht dagegen, wenn Soldaten in Schulen von Einsätzen oder vom Soldatenberuf an sich reden. Gerade um die zu positiven oder negativen Vorurteile etwas abzumildern. Denn was ist denn die Alternative? Dass Jugendliche nichts vom Militär wissen, bis sie einen Werbe-Youtube-Spot sehen, der den Soldatenberuf als Abenteuerurlaub anpreisen? Da hätte ich schon lieber eine objektivere Auseinandersetzung in der Schule.

    • Stefan Sasse 31. Januar 2020, 17:39

      Sehe ich auch so.

    • Rauschi 2. Februar 2020, 13:20

      Ich muss sagen, dass ich die Idee nicht schlecht fand.
      Weil Werbung fürs Militär jetzt gerade unsere dringensten Problem löst? Waruu soll ich für den Schmuh bezahlen?

      Ich sehe das ähnlich wie Stefan und Kning: die Deutschen haben wirklich ein verkorkstes Verhältnis zum Militär
      Ich kann mich jetzt irren, aber sollte nicht die Ansicht der Mehrhheit die Richtung der Politik bestimmen, Nein? Warum nicht?
      Die Politik macht die grosse Umerziehung (auf Bahnfahrerkosten) und das wir hier beklatscht? Demokratie, was soll das, wenn die Richtung nicht passt. Nur hat das auch keiner mit gar keiner Priorität das bei einer Partei bestellt, nicht mal darauf kann man sich ja heraus reden.

      Da hätte ich schon lieber eine objektivere Auseinandersetzung in der Schule.
      Ach ja, und warum dann mit Soldaten? Warum nicht demnächst Wirtschaftskunde vom Unternehmerverband? Aber Hautpsache, die Konflikte können am laufen gehalten werden, eine Welt ohne Militär kann sich hier offenbar keiner vorstellen.
      Aber sicher nur wegen der Regionalmacht Russland, die das Böse schlechthin darstellt.
      So wird das ganz sicher nichts mit Klimawandel aufhalten, ganz sicher.

      • Ariane 2. Februar 2020, 14:12

        Die Politik macht die grosse Umerziehung (auf Bahnfahrerkosten) und das wir hier beklatscht?

        Von Umerziehung kann hier überhaupt keine Rede sein. Und ich schrieb ja, dass ich sowieso dafür bin, dass Bahnfahren generell kostenlos sein sollte.
        Ich sprach ja von einer Normalisierung und wenn ich Eure Beiträge so lese, scheint mir das ganz ehrlich dringend geboten. Ich kenne einige aktuelle oder ehemalige Angehörige der Bundeswehr und das sind ganz normale Leute, keine schießwütigen Tötungsmaschinen, die es nicht abwarten können, durch den Hindukusch zu stapfen.

        Und ja, die Schule könnte da vielleicht eine objektivere Umgebung bieten, um über diesen Beruf zu informieren. Meinetwegen könnten die das auch mit Bänkern, Handwerkern oder Börsenmaklern machen. Denn Leute, die sich über ihre Berufswahl Gedanken machen, brauchen vielleicht so eine objektive Sicht. Ich schrieb ja, die Werbevideos der Bundeswehr sehen eher nach Abenteuerurlaub aus und das ist natürlich auch bekloppt. Insofern find ich es nicht verkehrt zu überlegen, wie man 16-18jährigen einen ehrlichen Blick auf den Beruf des Soldaten ermöglichen kann.

        eine Welt ohne Militär kann sich hier offenbar keiner vorstellen.
        Ich finde es vollkommen legitim, wenn du oder Ralf für eine Welt ohne Militär eintreten. Nur die anderen, die die Bundeswehr oder den Beruf eines Soldaten für legitim halten, gleich als abgedrehte Kriegstreiber hinzustellen, scheint mir doch arg übertrieben.

        • Ralf 2. Februar 2020, 14:56

          Meinetwegen könnten die das auch mit Bänkern, Handwerkern oder Börsenmaklern machen.

          Die Bundeswehr drängt ja ganz konkret in die Schulklassen. Deshalb auch die Diskussion hier. Wie viele konkrete Beispiele kennst Du denn, in denen Handwerker, Krankenschwestern, Paketboten, Dolmetscher oder Buchhalter organisiert in die Schulen eingeladen worden sind, um ihren Beruf vorzustellen?

          Ich finde es vollkommen legitim, wenn du oder Ralf für eine Welt ohne Militär eintreten. Nur die anderen, die die Bundeswehr oder den Beruf eines Soldaten für legitim halten, gleich als abgedrehte Kriegstreiber hinzustellen, scheint mir doch arg übertrieben.

          Ich glaube nicht, dass ich hier irgendwen als abgedrehten Kriegstreiber hingestellt habe. Ich halte den Beruf des Soldaten im übrigen auch nicht per se für illegitim. Ich denke nur, dass die deutschen Soldaten von unseren Regierungen in einer Weise eingesetzt werden, die krass dem Zweck der Bundeswehr, den das Grundgesetz definiert, entgegensteht und damit dem Geist unserer Verfassung fundamental widerspricht. Ich finde zweitens, dass Soldaten nichts in Schulen, nichts vor Minderjährigen verloren haben. Und ich finde, dass das Zusammenfallen dieser beiden Punkte die ganze Situation ganz besonders toxisch macht. Letztlich schickt man die, die als Werkzeuge der Untergrabung der Werte unseres Grundgesetzes kommandiert werden, in die Schulen zum Zweck der Indoktrination von Kindern. Mir fällt wenig ein, was moralisch verwerflicher wäre.

          • Stefan Sasse 2. Februar 2020, 22:13

            Keine. Ich sag nur, es ginge.

            Und sorry, ich sag’s nochmal, du zeichnest echt ein kriegstreiberisches Zerrbild.

            • Ralf 2. Februar 2020, 22:21

              Keine. Ich sag nur, es ginge.

              Ich bin erstaunt, dass Du Dich das garnicht zu wundern scheint, dass nur die Bundeswehr in den Schulen ist, obwohl es doch abwechselnd nur um Information über einen Beruf oder nur um Informationen zu einem gesellschaftlich bedeutenden Feld geht und es unzählige andere Berufe und unzählige andere gesellschaftlich bedeutende Felder gibt.

              • Stefan Sasse 3. Februar 2020, 06:38

                Das wundert mich nicht.

                Du musst ja auch die andere Hälfte sehen: Das Ziel des Staatsbürgers in Uniform ist die Verankerung der Armee in der demokratischen Gesellschaft. Dann muss sie auch die Möglichkeit haben, in Dialog zu treten. Und das tut sie.

                • Ralf 3. Februar 2020, 07:08

                  Ein weiteres Mal:

                  Wenn es wirklich nur darum geht, mit der Gesellschaft in einen Dialog zu treten und nicht um Werbung bei Kindern, warum schickt die Bundeswehr dann ihre Offiziere nur in Schulen und nicht auch in Seniorenheime, um ihre Aktivitäten zu erklären?

                  • Stefan Sasse 3. Februar 2020, 08:54

                    Weil politische Bildung halt überwiegend bei jungen und nicht bei alten Menschen betrieben wird. Wenn jeder das als Jugendlicher mal lernt, dann hast du das über die Generationen ja.

                    • Ralf 3. Februar 2020, 09:14

                      Eben ging es Dir noch um den Dialog mit der Gesellschaft, in den die Bundeswehr treten möchte, um den Staatsbürger in Uniform fester in der Community zu verankern. Jetzt gehören Senioren und Menschen im arbeitsfähigen Alter – zusammen bei Weitem die erdrückende Mehrheit im Land – plötzlich nicht mehr zu dieser Gesellschaft, mit der die Armee laut Deinem Argument gerne in intensiverem Kontakt wäre. Ausschließlich mit Kindern möchte man in den Dialog treten. Das muss Dir doch als merkwürdig aufstoßen.

                      Und es ist auch nicht sehr überzeugend. Der Grund, dass die Bundeswehr keine Offiziere in Seniorenheime schickt, ist viel banaler. Um Senioren zu werben, wäre verschwendete Zeit, denn Senioren können sich nicht mehr zum Dienst am Gewehr melden. Wer für ein Produkt werben will und nur begrenzt Mittel hat, der fokussiert seine Werbung auf die Zielgruppe, die das Produkt kaufen soll. Die Zielgruppe hier: Kinder.

                    • Stefan Sasse 3. Februar 2020, 10:04

                      Wo sage ich denn dass die nicht in die Gesellschaft gehören? Die Typen heißen Jugendoffiziere. Warum gehen die wohl nicht in Altersheime?

                    • Ralf 3. Februar 2020, 10:44

                      Meine Frage ist nicht, warum Jugendoffiziere nicht in Altenheime gehen, sondern weshalb die Bundeswehr nicht auch Seniorenoffiziere in die Gruppe der Rentner aussendet, wenn doch das Ziel nicht die Anwerbung von Nachwuchs, sondern die Herstellung eines Dialogs mit der Gesellschaft ist. Senioren gehören doch zweifellos zu dieser Gesellschaft, genau wie die gegenwärtig arbeitende Generation. Erwachsene sind zahlenmäßig bei Weitem in der Mehrheit und können im Gegensatz zu Kindern sogar wählen. Sie sind folglich die relevantere Zielgruppe, wenn es tatsächlich um das Werben für die gesellschaftliche Akzeptanz des Konzeptes des “Staatsbürgers in Uniform” ginge.

                      Das Problem ist: Darum geht es der Bundeswehr offensichtlich nicht.

                    • Stefan Sasse 3. Februar 2020, 14:27

                      Weil die Bundeswehr dann dreimal so groß sein müsste wie jetzt. Deine Frage beantwortet von sich selbst, es ist einfach absurd.

                    • Ralf 3. Februar 2020, 15:17

                      Die Frage beantwortet sich kein Stück von selbst. Ginge es der Bundeswehr nicht um Nachwuchsanwerbung, sondern um einen Dialog mit der Gesellschaft, würde sie ihre Ressourcen dorthin konzentrieren, wo sie die meisten Menschen und das breiteste Bevölkerungssegment erreicht. Und das ist garantiert nicht die Schulklasse. Um in einen Dialog mit der Gesellschaft zu treten, müsste sich die Bundeswehr auch nicht dreifach aufblähen. Alles eben eine Frage, auf welche Zielgruppe man seinen Fokus setzt. Und die Zielgruppe, auf die sich die Bundeswehr konzentriert, verrät ihre Absichten: Kinder zu rekrutieren eben. Für alles andere, und speziell für die Eröffnung eines gesellschaftlichen Dialogs, macht die gewählte Strategie keinerlei Sinn.

                    • Stefan Sasse 3. Februar 2020, 17:26

                      Die politische Bildung konzentriert sich stark auf die Jugendlichen. Denen muss man das alles schließlich noch erklären. Natürlich ist das Bild, dass Erwachsene besser über Sicherheitspolitik Bescheid wissen als Zwölftklässler, nur bedingt praxistauglich. Aber Bildungsmaßnahmen auf junge Menschen zu konzentrieren macht absolut Sinn.

                    • Ralf 3. Februar 2020, 19:07

                      Nehmen wir an, Du bist vom Verfassungsschutz, einer Institution, die in den vergangenen Jahren durch ihre Rechtsblindheit heftig in Verruf geraten ist. Teilweise wird bereits nach einer Auflösung der Behörde gerufen. Dein Ziel ist es die Reputation und damit die Akzeptanz des Verfassungsschutzes bei den Bürgern wiederherzustellen. Deshalb hast Du das Anliegen die Gesellschaft besser über die Arbeit Deines Arbeitgebers zu informieren. Außerdem möchtest Du den politischen Schaden begrenzen, der bereits entstanden ist (wie gesagt, manche rufen bereits nach der Auflösung des Verfassungsschutzes) und mögliche Nachteile, die der Behörde dadurch in der Zukunft entstehen könnten, abwenden.

                      Frage: Wer ist Deine Zielgruppe? Wer ist primär relevant für Dich und Deine Ziele? Wie investierst Du Deine begrenzten Ressourcen?

                      Versuchst Du mit erwachsenen Bürgern in der Breite der Gesellschaft ins Gespräch zu kommen? Oder gehst Du in die Schule, um mit Kindern zu sprechen, die weder wählen dürfen noch sich in der Regel besonders für Politik interessieren?

                    • Stefan Sasse 3. Februar 2020, 19:51

                      In dem Fall würde ich zu den Abgeordneten der SPD und den Grünen gehen.

                    • Ralf 3. Februar 2020, 20:11

                      Genau. Und die findest Du nicht unter den Kindern in einer Schulklasse.

                    • Stefan Sasse 3. Februar 2020, 23:02

                      Ich stell die Jugendoffiziere auch nicht vor Kinder, sondern vor junge Erwachsene.

                    • Ralf 3. Februar 2020, 23:05

                      Auch unter den jungen Erwachsenen in der Schulklasse wirst Du Deine relevanteste Zielgruppe – Abgeordnete von SPD und Grünen – nicht finden.

        • Rauschi 2. Februar 2020, 18:22

          Ich sprach ja von einer Normalisierung und wenn ich Eure Beiträge so lese, scheint mir das ganz ehrlich dringend geboten.
          Genau das meine ich mit Umerziehung! Normalisierung, was soll das bedeutet, noch mehr Waffen in Kriesengebiete? Soll wieder mehr Krieg von Deutschland ausgehen, so wie das bei den USA normal ist?
          Die Deutschen haben ein sehr schlechtes Verhältnis zum Militär und das finde ich gut so, gerade bei unserer Vergangenheit.

          Insofern find ich es nicht verkehrt zu überlegen, wie man 16-18jährigen einen ehrlichen Blick auf den Beruf des Soldaten ermöglichen kann.
          Ich kann mir kaum etwas verkehrteres vorstellen, ehrlich gesagt. Der Soldatenberuf sollte niemals irgendwie die „Normalität “ darstellen. Vor allem brauchen wir wirklich momentan echt ganz andere Berufe und das ist das Gegenteil von dem, was hier wohl gefördert werden soll.

          Ich kenne einige aktuelle oder ehemalige Angehörige der Bundeswehr und das sind ganz normale Leute, keine schießwütigen Tötungsmaschinen, die es nicht abwarten können, durch den Hindukusch zu stapfen.
          Na und, hat das jemand behauptet oder ist das wieder ein Strohmann? Darum geht es doch nicht, nur steht doch wohl glasklar fest, das die nicht neutral berichten, weil die das auch nicht können. Warum nochmal machen die Wirtschaftverbände keinen Wirtschaftunterricht? Weil es da keine netten Menschen gibt? Nein, weil die nicht neutral sind, sondern ihre ureigenen Interessen vertreten.

          Wir brauchen Altenpfleger, Krankenpfleger, Lehrer und vieles mehr, das eine Gesellschaft voran bringt. Das Militär hat noch nie dazu gehört, echt nicht.

          Das ausgerechnet der destruktivste Teil der Bevölkerung kostenlos Bahn fahren soll, das ist mir ein Rätsel. Denn de facto ist es für alle anderen nicht kostenlos und de facto bezahle ich als Bahnkunde das. Was auch immer Sie Sich wünschen würden. Ich bezahle die Umerzeihungswerbung und Sie finden das normal, das wird eine tolle Zukunft werden.

          Nur die anderen, die die Bundeswehr oder den Beruf eines Soldaten für legitim halten, gleich als abgedrehte Kriegstreiber hinzustellen, scheint mir doch arg übertrieben.
          Hat niemand gemacht, Strohmann wieder einpacken. Sie können sich das offenbar nicht vorstellen, also stimmt meine Aussage voll und ganz.

        • Stefan Sasse 2. Februar 2020, 22:09

          Exakt.

          • Rauschi 2. Februar 2020, 22:12

            Ich liebe 1 Wort Antworten, besonders von Lehrern.
            Kommt immer ganz ohne Begründung aus, wunderbar.

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